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Reminder Umfrage Silver Worker

Bereits 2018 hat die Hochschule Bochum in Kooperation mit dem BDC die erste Studie zum Thema Silver Worker:innen durchgeführt. Silver Worker sind Chirurginnen und Chirurgen, die nach dem Renteneintrittsalter in Teilzeit oder Vollzeit weiterarbeiten. Heute möchten wir Sie dazu einladen, bei der Folgeumfrage zum Thema mitzumachen. Dabei möchten wir die Chirurginnen und Chirurgen aller Generationen adressieren.

Worum geht es?

Seit der ersten Umfrage hat sich die Situation in Kliniken und Praxen sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz drastisch verändert: Der Fachkräftemangel beeinflusst in beiden Ländern die Arbeitssituation von Ärztinnen und Ärzten teilweise dramatisch. Dies wirkt sich unter anderem auf die Arbeit im Team und in der Weiterbildung von Nachwuchskräften aus.

Mit dieser Umfrage möchten die Berner Fachhochschule und die Hochschule Bochum in Kooperation mit dem Berufsverband der Deutschen Chirurgie und der Schweizerischen Gesellschaft für Chirurgie erfassen, mit welchen Herausforderungen altersdiverse Teams konfrontiert sind und welche Chancen sich ihnen bieten. Wie muss das Arbeitsumfeld für eine Erwerbstätigkeit im Ruhestand gestaltet sein? Welche Wünsche und Erwartungen haben die jüngeren Generationen an die Zusammenarbeit und welche Arbeitszeitmodelle sind zukunftsfähig?

Die Umfrage richtet sich an alle Altersgruppen von Chirurginnen und Chirurgen in Kliniken oder Praxen. Ihre Teilnahme ist anonym. Alle Angaben werden streng vertraulich behandelt und ausschließlich für wissenschaftliche Zwecke verwendet.

Die Teilnahme dauert etwa 10 Minuten.

Hier geht es zur Umfrage:

Link (deutsch)
https://survey.questionstar.com/4b804e3b

Link (englisch)

https://survey.questionstar.com/b3573d34

Wir danken Ihnen herzlich für Ihre Unterstützung!

Tipps für Eltern zur Prävention von Gehirnerschütterung und Versorgung bei betroffenen Kindern und Jugendlichen

In Deutschland erleiden jedes Jahr etwa 50.000 bis 60.000 Kinder ein Schädel-Hirn-Trauma oder eine Gehirnerschütterung. Die meisten dieser Fälle sind mild und erfordern keinen Klinikaufenthalt. In etwa 5-10 % der Fälle ist jedoch eine stationäre Behandlung erforderlich. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendchirurgie e.V. (DGKJCH) informiert Eltern über die wichtigsten Fakten zum Thema und gibt Tipps, wie eine Gehirnerschütterung bei Kleinkindern und Jugendlichen verhindert, erkannt und behandelt werden kann.

PD Dr. med. habil. Peter Zimmermann, Direktor der Klinik für Kinderchirurgie und angeborene Fehlbildungen an den Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden und ausgewiesener Experte in der Behandlung von verunfallten Kindern und Jugendlichen, beantwortet die wichtigsten Fragen zur Gehirnerschütterung.

Schädel-Hirn-Trauma/Gehirnerschütterung – was ist das eigentlich?

Ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT) ist eine Verletzung des Kopfes, die durch einen Sturz oder einen Aufprall verursacht wird. Dabei kann es zu einer vorübergehenden Funktionsstörung des Gehirns kommen. Eine Gehirnerschütterung stellt die mildeste Form eines SHT dar. Obwohl sie in den meisten Fällen nicht lebensbedrohlich ist, sollte eine Gehirnerschütterung, insbesondere bei Säuglingen und Kindern, ernst genommen und im Zweifelsfall ärztlich abgeklärt werden.

Welche Symptome treten bei Säuglingen und welche bei Kindern auf?

Die Symptome einer Gehirnerschütterung können sich bei Säuglingen und älteren Kindern unterscheiden. Bei Säuglingen sind die Anzeichen oft schwerer zu erkennen. Zu den möglichen Symptomen zählen Erbrechen, übermäßige Müdigkeit und Verhaltensänderungen. Da Säuglinge nicht in der Lage sind, typische Beschwerden wie Kopfschmerzen zu äußern, ist besondere Vorsicht geboten. Ältere Kinder hingegen zeigen häufiger klare Anzeichen wie Kopfschmerzen, Übelkeit oder Erbrechen.

Es ist wichtig, Kinder nach einem Unfall genau zu beobachten, da sich Symptome manchmal erst nach Stunden oder sogar Tagen zeigen. Einige Warnzeichen, die eine sofortige ärztliche Untersuchung erforderlich machen, sind Bewusstlosigkeit, die länger als fünf Sekunden anhält, wiederholtes Erbrechen, starke Kopfschmerzen, Krampfanfälle oder deutliche Verhaltensänderungen. Auch sichtbare Verletzungen am Kopf oder Unterschiede in der Pupillengröße sollten ernst genommen werden. In solchen Fällen ist eine sofortige ärztliche Abklärung notwendig, um schwerwiegendere Komplikationen auszuschließen.

Wie gefährlich ist eine Gehirnerschütterung bei Säuglingen und Kindern?

Gehirnerschütterungen können sowohl bei Säuglingen als auch bei Kindern ernsthafte Folgen haben, müssen aber unterschiedlich bewertet werden. Bei Säuglingen ist das Risiko aufgrund ihres noch unreifen Nervensystems höher. Bei älteren Kindern sind Gehirnerschütterungen in der Regel weniger gefährlich, und die meisten Kinder erholen sich vollständig, sofern keine zusätzlichen Risikofaktoren vorliegen. Dennoch sollten Eltern auf mögliche Langzeitfolgen wie das postkommotionelle Syndrom achten (anhaltende Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrationsprobleme), das bei etwa 10-15 % der Kinder auftreten kann, besonders nach wiederholten Kopfverletzungen. Es ist wichtig, dass Kinder nach einer Gehirnerschütterung ausreichend Zeit zur Erholung haben, bevor sie wieder körperliche Aktivitäten aufnehmen.

Welche präventiven Maßnahmen gibt es, um Stürze von Säuglingen und Kindern zu vermeiden?

Es gibt verschiedene Maßnahmen, um Stürze und Verletzungen bei Kindern zu vermeiden. Im häuslichen Umfeld sollten Schutzgitter an Treppen und Fenstern angebracht, Möbelkanten gepolstert und Stolperfallen beseitigt werden. Babys und Kleinkinder sollten nie unbeaufsichtigt auf erhöhten Flächen wie Wickeltischen oder Betten gelassen werden. Im Freien ist das Tragen eines Helms bei Aktivitäten wie Radfahren oder Skateboarden unerlässlich. Auch auf Spielplätzen sollten Eltern auf sichere Spielgeräte und die Einhaltung von Spielregeln achten. Außerdem ist die Verwendung altersgerechter Kindersitze im Auto ein wichtiger Schutzmechanismus. Durch diese Maßnahmen können viele Unfälle und Verletzungen vermieden werden.

Wann ist es notwendig, einen Arzt aufzusuchen oder in die Notaufnahme zu gehen?

Eltern sollten besonders wachsam sein, wenn ihr Kind eine Kopfverletzung erlitten hat. Bestimmte Symptome erfordern eine sofortige ärztliche Abklärung, darunter Bewusstlosigkeit, anhaltende starke Kopfschmerzen, wiederholtes Erbrechen oder ungewöhnliche Schläfrigkeit und Verwirrtheit. Auch Krampfanfälle, Flüssigkeitsaustritt aus Nase oder Ohren sowie eine gespannte Fontanelle bei Säuglingen sind ernstzunehmende Warnsignale. Die Fontanelle ist eine weiche Stelle im Schädel von Babys, die das Wachstum des Gehirns und die Geburt erleichtert. Die Fontanelle schließt sich meist zwischen dem 12. und 18. Lebensmonat. Falls keine dieser Symptome auftreten, kann es ausreichen, das Kind zu Hause zu beobachten. Dennoch gilt: Im Zweifelsfall lieber einmal zu oft den Arzt aufsuchen, um auf der sicheren Seite zu sein.

Meistens kann das Kind zu Hause bleiben: Wie behandle ich mein Kind?

Zu Hause ist es wichtig, das Verhalten des Kindes genau zu beobachten. Wenn das Kind erbricht, über Kopfschmerzen klagt oder ungewöhnlich müde wirkt, sollte ärztlicher Rat eingeholt werden. Körperliche und geistige Ruhe sind entscheidend, und Aktivitäten wie Bildschirmzeit oder laute, stimulierende Reize sollten vermieden werden. Mindestens 24 bis 48 Stunden Erholung sind notwendig, bevor das Kind wieder normale Aktivitäten aufnimmt.

Erkennung von ernsthaften Beulen – wie beurteile ich sie?

Eine harte Beule nach einem Sturz ist in der Regel unbedenklich und deutet nicht auf eine schwerwiegende Verletzung hin. Eine weiche, teigige Schwellung hingegen könnte auf einen Bruch oder Riss im Schädelknochen hindeuten – in diesem Fall sollte umgehend ein Arzt konsultiert werden. Eine Beule an der Stirn mit einer weichen Schwellung in der Mitte ist in der Regel harmlos. Trotzdem sollten solche Verletzungen beobachtet und im Zweifelsfall medizinisch abgeklärt werden.

Symptome und Warnzeichen einer Gehirnerschütterung in der Übersicht

  • Bewusstlosigkeit (länger als 5 Sekunden)
  • Wiederholtes Erbrechen
  • Starke Kopfschmerzen
  • Übermäßige Müdigkeit oder Schläfrigkeit
  • Verwirrtheit oder Verhaltensänderungen
  • Vermehrtes Weinen oder ungewöhnliches Verhalten bei Säuglingen
  • Unterschiede in der Pupillengröße
  • Krampfanfälle
  • Sichtbare Kopfverletzungen
  • Flüssigkeitsaustritt aus Nase oder Ohren
  • Gespannte Fontanelle bei Säuglingen

PD Dr. med. habil. Peter Zimmermann
Facharzt für Kinderchirurgie
Facharzt für Allgemeine Chirurgie
Facharzt für Chirurgie und spezielle Unfallchirurgie
Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie
Direktor der Klinik für Kinderchirurgie und angeborene Fehlbildungen an den Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden 

Hygiene-Tipp: Tischabdeckung im OP

FRAGE:

Ich habe eine Frage aufgrund einer Inspektion der Überwachungsbehörde zum „Vollzug des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes“. Es betrifft die Aufbereitung von unseren grünen OP-Tüchern, die wir für die Abdeckung der Instrumententische verwenden. Dürfen wir OP-Tücher aus Baumwollmischgewebe zur Abdeckung des Instrumententisches weiterhin sterilisieren und im OP verwenden?

ANTWORT:

Die KRINKO-Empfehlung zur Prävention postoperativer Wundinfektionen (2018) erwähnt die Abdeckmaterialien des Instrumententisches nicht. Die Notwendigkeit, eine sterile Tisch-Abdeckung zu nutzen, ist jedoch ohne Zweifel gegeben, denn der Instrumententisch ist ja nicht steril. Nur durch geeignetes Deckmaterial kann die Sterilität der OP-Instrumente beim Ablegen auf den Instrumententisch aufrechterhalten werden.

Die Abdeckung des Instrumententisches fällt unter den Geltungsbereich der DIN EN 13795-1:2019-06 (Operationskleidung und -abdecktücher – Anforderungen und Prüfverfahren – Teil 1: Operationsabdecktücher und -mäntel; Deutsche Fassung EN 13795-1:2019). Im Einführungsbeitrag der Norm findet sich folgender Text zum Geltungsbereich: Diese Europäische Norm gibt Aufschluss über die Eigenschaften von Einmal- und Mehrweg- Operationsmänteln und -abdecktüchern zur Verwendung als Medizinprodukte für Patienten, Klinikpersonal und Geräten, zum Schutz vor Übertragung infektiöser Agenzien zwischen Klinikpersonal und Patienten während operativer und anderer invasiver Eingriffe.

OP-Abdeckmaterialien müssen demnach folgende Eigenschaften nachweisen:

  • steril,
  • flüssigkeitsabweisend (bei erwartet geringem Flüssigkeitsanfall) oder flüssigkeitsundurchlässig (bei erwartet hohem Flüssigkeitsanfall),
  • keimdicht in trockenem und feuchtem Zustand und
  • sie dürfen nur wenige Abriebpartikel produzieren.

Baumwollmischgewebe erfüllt die Anforderungen der Norm nicht, da es nicht ausreichend flüssigkeitsabweisend ist und zumindest in feuchtem Zustand keine Barriere gegen Bakterien darstellt. Außerdem wird die Forderung der Norm bezüglich der Freisetzung von Abriebpartikeln („Linting“) von Baumwollmischgewebe nicht erfüllt.

Neben Einwegmaterialien erfüllen aber auch beschichtete (imprägnierte) Abdecktücher aus Baumwollmischgewebe die Anforderungen der DIN EN 13795-1:2019-06. Diese sind Mehrwegprodukte und können nach den Angaben der Hersteller aufbereitet (gewaschen und sterilisiert) werden. Die KRINKO äußert sich zu diesen Materialien wie folgt und belegt das mit vier Literaturstellen: „Die beiden dafür (als OP-Abdeckmaterialien) in Frage kommenden Materialgruppen (beschichtete und aufbereitbare Baumwollmaterialien oder Kunststoff-Einwegmaterialien) sind in ihrer infektionsprotektiven Wirkung gleichwertig.“

Der Kurztipp im Auftrag der DGKH gibt die Meinung der Autoren wieder.

Jatzwauk L, Groth M, Hübner NO, Kohnen W: Hygiene-Tipp: Tischabdeckung im OP. Passion Chirurgie. 2025 Juli/August; 15(07/08): Artikel 04_04.

Evolution und Etablierung der robotischen Supermikrochirurgie in der rekonstruktiven Chirurgie der Kopf-Hals-Region

Der chirurgische Goldstandard zur Rekonstruktion von großen Gesichtsdefekten – wie nach einer ablativen Tumorchirurgie oder Traumata – ist die Verwendung von freien mikrovaskulären Transplantaten. Obwohl ein erheblicher Verlust an Weichgewebe und Knochen auftritt, können die meisten Patienten wieder zufriedenstellende anatomische und physiologische Funktionen erreichen [1]. Für dieses operative Verfahren sind gute chirurgische Kenntnisse in der Mikrochirurgie essenziell. Eine große Gefahr bei den Rekonstruktionen besteht in dem Transplantatverlust aufgrund von Gefäßthrombosen. Der Verlust des Transplantats bedeutet für die Patient:innen eine extreme physische und psychische Belastung; die Transplantatverlustrate wird in der Literatur mit 1-5 % angegeben [2, 3].

Um diese Verlustrate zu minimieren, werden zum Teil hochwertige optische Systeme und die neuesten medizinischen Technologien eingesetzt. Durch den technologischen Fortschritt konnten die Morbidität und Mortalität der Patient:innen schrittweise gesenkt werden. Kopplersysteme für die venösen Anastomosen können die Transplantatverlustrate und die Revisionsrate bei mikrochirurgischen Transplantaten reduzieren [4]. Für die arteriellen Anastomosen ist bisher jedoch keine suffiziente Alternative zur chirurgischen Naht entwickelt worden. Somit ist die Mikrochirurgie für eine sichere Anastomose weiterhin notwendig.

Ein bedeutender technischer Fortschritt in der Medizin war die Entwicklung der Roboterchirurgie. Insbesondere hat sich die roboterassistierte Chirurgie in den letzten Jahrzehnten rasant weiterentwickelt und ist zum neuen Standard für viele Operationsverfahren geworden. Vor allem die Einführung des da Vinci-Systems hat die minimalinvasiven Methoden auf ein neues Niveau der Chirurgie gehoben [5]. Speziell für die Mikrochirurgie wurde das „Symani® Surgical System“ (Medical Microinstruments, Pisa, Italien) entwickelt und konnte bereits interdisziplinär erfolgreich für freie Gewebetransplantationen angewendet werden [6]. Der OP-Roboter Symani verfügt über zwei Arme, an denen drei Millimeter kleine Mikroinstrumente platziert werden können. Darüber hinaus ermöglicht eine 7- bis 20-fache Bewegungsskalierung eine Tremorfreiheit, die Instrumente garantieren sieben Freiheitsgrade. Der Chirurg/die Chirurgin operiert von einer Konsole aus, die aus einem Stuhl, zwei Joysticks und einem Fußschalter besteht. Die Assistenz sitzt unmittelbar am Patienten und sorgt für gute Operationsbedingungen. Die Operation kann hierbei vom Operateur/von der Operateurin steril oder unsteril durchgeführt werden. Die Sterilität hat den Vorteil, bei Komplikationen unmittelbar an den Situs heranzutreten und am Patienten direkt operativ tätig zu werden. Gefäße und anatomische Strukturen, wie Nerven oder Lymphgefäße, mit einem Durchmesser von weniger als 0,8 mm (Supermikrochirurgie) können mit dem Roboter im Vergleich zur Freihandtechnik unter dem Mikroskop schnell und präzise genäht werden [7, 8].

Abb. 1: Abgebildet sind die 3 mm Instrumente des Symani Operationsroboters bei der Nahtversorgung einer Arterie eines freien Transplantates mit Prolene 9-0.

Lymphovenöse Anastomosen

Die Inzidenz bösartiger oraler Tumore ist tendenziell steigend und nach wie vor ist ein radikales chirurgisches Verfahren mit der Neck Dissection zur Entfernung von potenziellen Lymphknotenmetastasen der Goldstandard bei diesen Tumorentitäten [9]. Denn auf Grund der potenziellen Gefahr der Metastasierung in die Halslymphknoten, vor allem bei einem Plattenepithelkarzinom, empfiehlt sich die Entfernung der Lymphknoten in der oralen Tumorchirurgie [10]. Zudem schließt sich, abhängig vom Tumorstadium, häufig eine Bestrahlungsbehandlung der Tumorregion und der Lymphabflusswege an. Durch die Entfernung von Lymphknoten und der Unterbrechung von Lymphabflussgewebe kann es zu einem sichtbaren Lymphstau kommen, der die Patient:innen im täglichen Leben deutlich einschränkt. Durch die Ansammlung von Lymphflüssigkeit im Gewebe können starke Schmerzen auftreten oder die Funktionen, wie Bewegung, Sprechen und Schlucken, deutlich kompromittiert sein [11]. Gerade nach Operationen im Kopf-Hals-Bereich sind ausgeprägte Lymphödeme und deren Auswirkungen beschrieben, je nach Umfang der Therapie kann das interne Lymphödem zu signifikanten Einschränkungen führen [12, 13]. Selbst die Prävalenzrate von Lymphödemen und deren erheblichen Beeinträchtigungen im Alltag können nach der Entfernung von nur einzelnen Lymphknoten signifikant sein [14]. Die Wiederherstellung des Lymphabflussweges ist jedoch manuell-chirurgisch schwierig. Auch konservative Maßnahmen, darunter Physiotherapie, manuelle Lymphdrainage und Kompressionskleidung, die an den Extremitäten eingesetzt werden kann, führen oftmals nur zu einer vorübergehenden Verbesserung und müssen stetig wiederholt werden. In den letzten Jahren hat sich das Feld der lymphovenösen Operationen jedoch signifikant weiterentwickelt [15].

Die lymphovenösen chirurgischen Verfahren mittels Bypässen oder Anastomosen sind aufwendig und benötigen viel chirurgische Erfahrung [16]. Verfahren wie die lymphovenöse Anastomosen könnten allerdings eine dauerhaftere Lösung für chronische Lymphödeme bieten und das Leiden der Patient:innen nach einer Krebserkrankung mit einer Lymphknotenentfernung deutlich lindern [17]. Um dieses operative Verfahren zu beherrschen, muss die Supermikrochirurgie allerdings sicher beherrscht und umgesetzt werden können. Sie ist unter Umständen nur mit sehr feinem Nahtmaterial (bis 12-0) durchführbar, das mit dem bloßen Auge nicht oder nur sehr schwer zu erkennen ist. Eine Operation ohne entsprechende Hilfsmittel ist nicht möglich [18].

Abb. 2 a, b: Schemazeichnung der Neck Dissection. Der blaue Strich stellt die Schnittführung am Hals dar. Die Lymphknoten sind als gelbe Kreise dargestellt und im rechten Bild zum Großteil entfernt. Der Lymphabfluss über die gelben Pfeile ist durch die Schnittführung der Neck Dissection sowie der einhergehenden Entfernung der Lymphknoten gestört, es kommt zu einem Lymphstau im Kopf-/Halsbereich. Der Lymphstau stellt sich als Schwellung im Untergesicht und Halsbereich dar.

Abb. 3: Auf der linken Seite sind die lymphatischen Gefäße mit einem Durchmesser von 0,1-0,3 mm dargestellt. Das sichere Auffinden dieser Gefäße erfordert viel chirurgische Expertise. Auf der rechten Seite ist eine erfolgreiche präaurikuläre lymphovenöse Anastomose abgebildet. Ein kleines venöses Gefäß wird mit einem Lymphgefäß eines Lymphknotens chirurgisch vernäht.

In einzelnen Studien und Fallberichten ist die erfolgreiche Anastomose als mögliches und vielversprechendes Komplikationsmanagement beschrieben [19-21]. Grünherz et al. zeigten erstmals an 100 roboterassistierten lymphovenösen Anastomosen, dass die Roboterchirurgie auf dem Gebiet der Supermikrochirurgie eine suffiziente und sinnvolle Ergänzung im operativen Alltag darstellen kann und dadurch die Probleme des Lymphstaus langfristig behoben werden können [22]. Die Operationszeit ist bei diesem neuen Verfahren verlängert, da die Roboterchirurgie – vor allem im Bereich der Supermikrochirurgie – erst erlernt werden muss. Eine steile Lernkurve könnte jedoch bei ausreichendem Training und Übungsmodulen den standardmäßigen Einsatz im operativen Alltag ermöglichen [23]. Nichtsdestotrotz müssen die deutlich höheren Kosten durch die Anwendung der Roboterchirurgie bedacht werden. Eine Weiterentwicklung für eine sichere und routinemäßige Etablierung der Robotik im Bereich der Lymphabflusschirurgie ist essenziell.

Zusammenfassung und Ausblick

 

Die Robotik wird in der chirurgischen Medizin stetig weiterentwickelt und gerade im Zeitalter der künstlichen Intelligenz können innovative Systeme neue Operationsverfahren ermöglichen und langfristig etablieren. Mikrorobotische Systeme können die rekonstruktive Chirurgie im Kopf-Hals-Bereich unterstützen, Anastomosen freier Transplantate zuverlässig und sicher durchführen und auch bei schwierigen anatomischen Verhältnissen und sehr filigranen anatomischen Strukturen hilfreich sein. Weitere Operationsfelder, wie die lymphatische Chirurgie, könnten mit innovativen Robotersystemen zukünftig in den Kliniken flächig und standardisiert durchgeführt werden. Der Kosten-Nutzen-Faktor muss hierbei sicherlich bedacht und abgewogen werden. Langfristig müssten ausreichende Vergütungsmodalitäten erarbeitet werden. Patienten nach einer Neck Dissection und einem Lymphstau könnten erheblich profitieren und eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität erhalten.

Die Literaturliste erhalten Sie auf Anfrage via passion_chirurgie@bdc.de.

 

Spille J, Wiltfang J, Wieker H: Evolution und Etablierung der robotischen Supermikrochirurgie in der rekonstruktiven Chirurgie der Kopf-Hals-Region. Passion Chirurgie. 2025 Juli/August; 15(07/08): Artikel 03_01.

How we did it: Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen

AUFBAU EINES UMWELTMANAGEMENTSYSTEMS AM UNIVERSITÄTSKLINIKUM HALLE (SAALE)

Nachhaltiges Handeln ist in den vergangenen Jahren zu einem zentralen gesellschaftlichen Leitprinzip avanciert. In nahezu allen Politikfeldern – von der Finanz- und Sozialpolitik über die Forschungs- bis hin zur Gesundheitspolitik – zählt Nachhaltigkeit zu den maßgeblichen strategischen Zielsetzungen. Der Anspruch, vorausschauend und verantwortungsvoll zu handeln, insbesondere im Sinne nachfolgender Generationen, hat sich fest im öffentlichen und politischen Bewusstsein verankert.

Anfänge des Universitätsklinikums

Das Gesundheitswesen ist zunehmend gefordert, seinen Beitrag zu leisten. Dabei sind die ökologischen Herausforderungen erheblich: Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verursacht der Gesundheitssektor weltweit rund 4,4 % der gesamten Treibhausgasemissionen – mehr als der internationale Flugverkehr oder die globale Schifffahrt [1]. In Deutschland gehen nach Berechnungen des Bundes für Umwelt- und Naturschutz jährlich rund 600 Millionen Euro an Energie in Krankenhäusern verloren – bedingt unter anderem durch den energieintensiven 24-Stunden-Betrieb. Ein Krankenhausbett verursacht im Durchschnitt einen täglichen Wasserverbrauch zwischen 300 und 600 Litern. Die durchschnittlichen Energiekosten für ein Krankenhausbett pro Jahr betragen 2,887 Euro [2]. Damit zählt das Gesundheitswesen global zu den fünf größten CO2-Emittenten [3].

Vor diesem Hintergrund hat das Universitätsklinikum Halle (Saale) im Jahr 2021 den strukturierten Aufbau eines systematischen Nachhaltigkeitsmanagements begonnen. Den Auftakt bildete eine klinikweite Befragung unter Mitarbeitenden, die als Grundlage für einen anschließenden Tiefenworkshop diente. Ziel war es, strategische Maßnahmen und erste Meilensteine zu definieren. Bereits im selben Jahr wurde das Thema Nachhaltigkeit zu einem der zehn Top-Strategieprojekte des Klinikvorstands erklärt. Gleichzeitig wurde der Beschluss gefasst, das UKH nach der internationalen Umweltmanagementnorm DIN EN ISO 14001:2015 zertifizieren zu lassen.

2022 verabschiedeten das UKH und die Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ein gemeinsames Nachhaltigkeitsleitbild. Zudem wurde eine umfassende IST-Analyse durchgeführt, um die strukturellen, organisatorischen und technischen Ausgangsbedingungen für die geplante Zertifizierung zu erfassen. Parallel entstanden erste Pilotprojekte – etwa zur Trennung von Wertstoffen oder die Einrichtung einer internen Möbeltauschbörse. Die Intranetseite „nachhaltiges UKH“ wurde aufgebaut, um die interne Kommunikation zu verbessern. Mitarbeitende wurden durch gezielte Schulungsmaßnahmen im Umweltmanagement und in der internen Auditierung qualifiziert, flankiert von Workshops, Fortbildungen und Informationsangeboten zur Nachhaltigkeit.

Das Jahr 2023 war maßgeblich geprägt von der Implementierung der Normvorgaben der DIN EN ISO 14001:2015. Die Inhalte der Norm wurde in den zur Erstzertifizierung benannten Einrichtungen bekannt gemacht. Zentrale Dokumente wie Umweltpolitik und -ziele wurden erarbeitet und erste interne Audits durchgeführt [4]. Im November 2023 erreichte das Universitätsklinikum Halle (Saale) einen ersten bedeutsamen Meilenstein: die Zertifizierung nach DIN EN ISO 14001:2015 für drei zentrale Einrichtungen. Aufbauend auf diesem Erfolg wurden weitere Projekte initiiert – darunter die Weiterentwicklung der Möbeltauschbörse, die Erstellung digitaler Weiterbildungsangebote über die E-Learningplattform ILIAS sowie die externe Weiterbildung von jungen Mitarbeitenden zu Sustainable Development Goals (SDG)-Scouts.

Ein entscheidender struktureller Schritt erfolgte 2024 mit dem Vorstandsbeschluss, das Thema Nachhaltigkeit dauerhaft organisatorisch zu verankern. Mit Wirkung zum 01. Dezember 2024 wurde ein eigenes Sachgebiet „Nachhaltigkeit und Umweltschutz“ innerhalb der Stabsstelle für Sicherheit-, Gesundheits- und Umweltschutz geschaffen, die seither für die strategische Steuerung aller Nachhaltigkeitsaktivitäten, die Umsetzung gesetzlicher Anforderungen sowie die Weiterentwicklung der ISO-Zertifizierung verantwortlich sind. Zu Beginn des Jahres 2025 wurde schließlich die Überführung der Nachhaltigkeitsaktivitäten vom Projektstatus in eine dauerhafte Linienfunktion erfolgreich abgeschlossen. Das neue Sachgebiet begleitet seitdem aktiv den internen Zertifizierungsprozess von 22 weiteren Einrichtungen – unter anderem der Klinik für Viszerale, Gefäß- und Endokrine Chirurgie – mit dem Ziel, bis Ende 2025 eine umfassende Erweiterung der bestehenden Zertifizierung zu erreichen.

Die Rolle der Chirurgie

Es ist offenkundig, dass die insbesondere auch die Chirurgie einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit im Gesundheitssystem leisten muss, da aufgrund der notwendigen Ausstattung und dem Materialbedarf zwangsläufig große Mengen an Abfall entstehen. Insbesondere im Operationssaal akkumuliert durch das verpackte Sterilgut Müll, der anschließend entsorgt werden muss. Diese Entsorgung benötigt wiederum Energie, genauso wie Lampen und Geräte im OP sowie die Sterilisation der Instrumente [5]. Nicht zuletzt entsteht dadurch wiederum eine relevante Menge an CO2. Schätzungsweise entspricht der jährliche durch den Energieverbrauch und die Entsorgung von Materialien und Müll entstehende CO2-Verbrauch eines akademischen Krankenhauses dem von 2.000 Privathaushalten. Ein Drittel davon wird von der Chirurgie verursacht [6].

Abb. 1: Entwicklung der Nachhaltigkeitsbemühungen am Universitätsklinikum Halle (Saale).

Konsekutiv wurde bereits in verschiedenen Publikationen auf einen sensibleren Umgang mit Einmalmaterialien sowie einem schonenden Ressourcenumgang in der Chirurgie hingewiesen [7, 8]. Die Relevanz dieses Themas spiegelt sich auch in der Schätzung nieder, dass bis zum Jahr 2030 mehr als 143 Millionen Operationen durchgeführt werden müssten, um die weltweite Morbidität und Mortalität senken zu können [9]. Dieses Ziel wäre nur durch eine massive Müllproduktion und erhöhten CO2-Verbrauch zu erreichen. Dabei muss auch insbesondere das angewendete Operationsverfahren berücksichtigt werden. Minimal-invasive Chirurgie wird aufgrund des geringeren Gewebetraumas, der schnelleren Rekonvaleszenz der Patienten:innen sowie dem besseren kosmetischen Ergebnis zumindest in westlichen Industrienationen mit einem entsprechend ausgestatteten Gesundheitssystem der Vorzug gegenüber der klassisch offenen Operationstechnik gegeben [10, 11]. Minimal-invasive Operationstechniken wie die laparoskopische oder die robotische Chirurgie verbrauchen im Vergleich zur konventionellen offenen Operation allerdings mehr Verbrauchsmaterialien, die häufig nur zum einmaligen Gebrauch zugelassen sind [12]. Obgleich die minimal-invasive Operationstechnik den Standard in den meisten Fällen (viszeral)chirurgischer Prozeduren darstellt bzw. darstellen sollte, ist der sich daraus ergebende CO2-Abdruck dieser Verfahren gegen den Nutzen für die Patientinnen und Patienten abzuwägen [13]. Unter den minimal-invasiven Operationstechniken sticht die robotische Chirurgie gemessen an der Menge des produzierten Mülls negativ heraus. Vergleichend mit demselben Eingriff in laparoskopische Technik ist die Menge an produziertem Müll und der dadurch verursachte CO2-Fußabdruck nach robotischer Chirurgie erhöht [13]. Zudem stellt insbesondere die robotische Chirurgie einen relevanten Kostenfaktor im deutschen Gesundheitssystem dar, da durch die Krankenkassen keine Sondervergütung dieser Technik erfolgt und die zusätzlichen Kosten für das Vorhalten des Systems und des Materials daher von den anbietenden Krankenhäusern getragen werden müssen.

Die geplante Zertifizierung nach DIN EN ISO 14001:2015 unterstreicht die Nachhaltigkeitsambitionen der Chirurgie am Universitätsklinikum Halle (Saale). Auf dem Weg zu diesem Ziel wurden in der Klinik für Viszerale, Gefäß- und Endokrine Chirurgie Nachhaltigkeitsziele definiert. Dazu gehören Maßnahmen die von dem Prinzip „Getting it right first time“ geleitet werden. Darunter versteht man eine sinnvolle Priorisierung von Maßnahmen, um ein definiertes Ziel zu erreichen. Übertragen auf die hiesige Chirurgische Klinik bedeutet das, dass Ressourcen-sparende Untersuchungen und Eingriffe durchgeführt und vermeidbare Wiederholungseingriffe vermieden werden. Zudem wird im Operationssaal ein regelmäßiger Wechsel von Operateuren:innen und Assistenten:innen vermieden, um den durch die sterile Kleidung anfallenden Müll zu vermeiden. Das Fadenmaterial wird „on demand“ geöffnet; somit wird neben der ökologischen auch der ökonomischen Nachhaltigkeit Rechnung getragen, damit möglichst wenige – oder besser – keine ungenutzten Materialien verworfen werden. Weitere primäre Nachhaltigkeitsziele sehen eine Reduktion des Stromverbrauchs im OP und den Funktionsräumen vor, etwa durch Löschen des Lichts oder des Herunterfahrens der Computer. Zudem wurde innerhalb der Chirurgischen Klinik eine Arbeitsgruppe gegründet, die im interdisziplinären Konsens sowie im Austausch mit anderen chirurgischen Kliniken Strategien für mehr Nachhaltigkeit im Fachgebiet entwickelt.

Die Zukunft ist jetzt

Das Universitätsklinikum Halle (Saale) hat gegenwärtig mit dieser Entwicklung nicht nur eine institutionelle Basis für nachhaltiges Handeln geschaffen, sondern auch die strukturellen Voraussetzungen, um ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit langfristig in den Klinikalltag zu integrieren. Die Chirurgische Klinik nimmt dabei eine Vorreiterrolle ein und demonstriert, dass Nachhaltigkeit und modernste Versorgung von Patientinnen und Patienten gelingen können. Die mit einem Nachhaltigkeit-bewußten Arbeiten verbundenen Nutzen und Vorteile beschränken sich nicht nur auf eine Kostenersparnis durch Reduktion der Energie- und Verbrauchsmaterialien. Die damit verbundene Ressourcenschonung kann auch eine Verbesserung des Images und damit eine verbesserte Marktposition im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter:innen führen. Die Entwicklung in Halle (Saale) zeigt, dass primär das Mindset der Mitarbeitenden verändert werden muss. Nur dann kann es gelingen, nachhaltig tätig zu sein. Dieser Schritt ist nun auch in der Chirurgie zu gehen. Hier werden wir an Karl Poppers kluge Erkenntnis erinnert, dass wir (als Chirurgen:innen) jetzt für das verantwortlich sind, was in der Zukunft geschieht. Daher müssen die Sachverhalte richtig studiert werden, belastbare Daten generiert und die richtigen Schlüsse gezogen werden, damit die bestmögliche Krankenversorgung durch medizinischen Fortschritt nicht gegen nachhaltiges Handeln und in der Folge den ebenso wichtigen Umweltschutz abgewogen wird.

Literatur

[1]   World Health Organization (WHO). Health care climate footprint report. 2019.
[2]   Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND). Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen – Potenziale und Herausforderungen. 2021. https://www.bund.net
[3]   Handlungsleitfaden zu energiesparenden Ansätzen und Technologien, Energieeffizienz im Krankenhaus (03/2023) Hrsg.: Stiftung Münch.
[4]   Bundesumweltministerium. DIN EN ISO 14001 – Umweltmanagementsysteme.
[5]   Brunaud, L. and K. Slim, Beyond green surgery, green surgical innovation and research. J Visc Surg, 2022. 159(5): p. 351-352.
[6]   Slim, K., M. Selvy, and P. Albaladejo, Enhanced recovery programs and carbon footprint. Anaesth Crit Care Pain Med, 2020. 39(5): p. 665-666.
[7]   Aldoori, J., J. Hartley, and J. MacFie, Sustainable surgery: in and out of the operating theatre. Br J Surg, 2021. 108(6): p. e219-e220.
[8]   Thiel, C.L., N.C. Woods, and M.M. Bilec, Strategies to Reduce Greenhouse Gas Emissions from Laparoscopic Surgery. Am J Public Health, 2018. 108(S2): p. S158-s164.
[9]   Meara, J.G., et al., Global Surgery 2030: evidence and solutions for achieving health, welfare, and economic development. Lancet, 2015. 386(9993): p. 569-624.
[10] Buunen, M., et al., Survival after laparoscopic surgery versus open surgery for colon cancer: long-term outcome of a randomised clinical trial. Lancet Oncol, 2009. 10(1): p. 44-52.
[11] Lacy, A.M., et al., Laparoscopy-assisted colectomy versus open colectomy for treatment of non-metastatic colon cancer: a randomised trial. Lancet, 2002. 359(9325): p. 2224-
[12] Papadopoulou, A., et al., Environmental sustainability in robotic and laparoscopic surgery: systematic review. Br J Surg, 2022. 109(10): p. 921-932.
[13] Woods, D.L., et al., Carbon footprint of robotically-assisted laparoscopy, laparoscopy and laparotomy: a comparison. Int J Med Robot, 2015. 11(4): p. 406-12.

Klose J, Achter M: How we did it: Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen. Passion Chirurgie. 2025 Juli/August; 15(07/08): Artikel 04_03.

Unfallchirurg Dr. Jörg-Andreas Rüggeberg über das Verhältnis von Mensch und Maschine im modernen Klinikalltag

Quelle und Erstveröffentlichung am 21./22. Juni 2025 im Weser Kurier, Rubrik Beruf & Karriere. Mit freundlicher Genehmigung vom Weser Kurier.

Guido Finke: Herr Dr. Rüggeberg, was zeichnet den Beruf des Chirurgen aus?

Jörg-Andreas Rüggeberg: Die Patientenversorgung ist ein sehr dankbares Gebiet der Chirurgie, da im Gegensatz zu anderen Wissenschaften ein unmittelbares Ergebnis erzielt wird. Wir wissen sofort, ob es funktioniert hat oder nicht. Internisten, die Pillen einwerfen, können sich hinterher überlegen, woran es gelegen hat. Wir wissen es sofort und haben ein unmittelbares Erfolgserlebnis – oder auch nicht. Im überwiegenden Teil der Fälle läuft es auch gut.

2000
Fachärzte für Allgemeinchirurgie
BZW. Allgemeine
Chirurgie sind bundesweit tätig
(Stand: 2024).

Es gibt allerdings unterschiedliche Schwerpunkte in der Chirurgie …

Richtig, die Aufgabenbereiche unterscheiden sich. Ich bin Unfallchirurg. Da ist die Herangehensweise in der Regel einfacher, weil die Patienten im Prinzip gesund sind. Wenn sich jemand einen Knochen bricht, setzen wir ihn wieder zusammen und der Patient ist zufrieden. Bei den Bauchchirurgen ist das schon anders. Sie haben im Wesentlichen mit Krebserkrankungen zu tun. In diesem Fall geht es darum, die Erkrankung einzudämmen. Als Chirurg kannst du manchmal machen, was du willst, aber leider kannst du nicht alle Krebspatienten retten. Es ist eben einfach so.

Welche Einsatzgebiete gibt es außerdem?

Dazu gehören Fachärzte für Allgemeinchirurgie, Gefäßchirurgie, Herzchirurgie, Kinder- und Jugendchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, Plastische und Ästhetische Chirurgie sowie Thorax- und Viszeralchirurgie. Den Facharzt für Chirurgie, wie es ihn zu meiner Zeit noch gab, gibt es heute nicht mehr. Aufgrund der großen Fortschritte in der Chirurgie ist eine Spezialisierung heute unerlässlich. In manchen Situationen wäre es allerdings hilfreich, wenn ein Arzt alles könnte. Eine Ausnahme ist der Einsatzchirurg der Bundeswehr, der im jeweiligen Krisengebiet Verletzte behandelt.

Sie haben den Fortschritt in der Chirurgie bereits angesprochen. Besonders die künstliche Intelligenz (KI) wird dabei gewiss eine große Rolle spielen.

Ganz klar: Durch KI und robotergestützte Chirurgie wird sich unser Berufsbild deutlich wandeln. Man kann sich das wie bei einem Computerspiel vorstellen: Der Chirurg sitzt vor dem Monitor und operiert mit zwei Joysticks und ein paar Fußpedalen. In diesem Fall erfolgt die Operation (OP) ausschließlich über die technischen Geräte und nicht direkt am Patienten. Idealerweise befindet sich der Patient im gleichen Raum, sodass man in seiner Nähe ist. Er könnte aber auch woanders sein – und damit sind wir beim neuen Thema. Er könnte zum Beispiel in einem Bremer Krankenhaus liegen und von einem Spezialisten aus Boston operiert werden. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist eine sehr stabile Datenverbindung, um die Operation in Echtzeit durchzuführen.

41.839
Ärzte arbeiteten im
vergangenen Jahr
in Deutschland
in der Chirurgie,
davon 10.196 Frauen.

Welche positiven und negativen Aspekte sind mit dem Einsatz von Robotern in der Chirurgie verbunden?

Es sind sehr präzise Geräte, mit denen sich auch komplizierte Operationen durchführen lassen. Einerseits dauern die Eingriffe meistens etwas länger, da die Maschine stets sorgfältig zur entsprechenden Stelle im Körper geleitet werden muss. Andererseits komme ich mit dem Roboter auch an Gegenden, die ich sonst nicht erreichen kann. Außerdem kann ich Dinge sehen, die ich sonst nicht sehen kann. Das Spektrum lässt sich also erweitern. Auch der wirtschaftliche Faktor spielt eine Rolle, denn die Geräte kosten schnell rund 1,5 Millionen Euro. Ein großer Vorteil ist hingegen, dass die KI des Roboters lernfähig ist. Das heißt, wenn sie häufig die gleiche Gallenoperation durchgeführt hat, weiß sie irgendwann, wie es geht. So wird es heute allerdings noch nicht praktiziert. Es ist jedoch vorstellbar, dass Roboter in Zukunft operative Tätigkeiten wie Standardeingriffe übernehmen –selbstverständlich unter Aufsicht, damit im Notfall ein Facharzt eingreifen kann. Darüber hinaus gibt es KI-gestützte Tools, die bei der Diagnoseeinstellung unterstützen können. Das verändert das Berufsbild ein wenig, ändert aber letztendlich nichts an der Tatsache, dass wir die Dinge, die den Beruf des Chirurgen so attraktiv machen, nicht aufgeben werden. In erster Linie geht es um die Frage, ob ein Patient operiert werden muss und wenn ja, wann. Das ist die eigentliche Kunst und das Ärztliche daran. Die OP an sich ist gewissermaßen Handwerk.

Wie sieht die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt für Chirurgen aus?

Grundsätzlich besteht nach wie vor ein großer Bedarf an chirurgisch tätigen Menschen. Das wird – wie man sich leicht vorstellen kann – umso schwieriger in den kleinen Krankenhäusern, die jetzt auch unter der Krankenhausreform leiden und zum Teil wahrscheinlich vom Markt genommen und in andere Strukturen umfirmiert werden. Man kann aber sagen, dass der Beruf zukunftsfähig ist. Es gibt nicht genügend chirurgisch Tätige, um den Bedarf zu decken. Das liegt allerdings auch daran, dass in den Kliniken Personal eingespart wird und die Mitarbeitenden auf dem Zahnfleisch laufen. Aufgrund der finanziellen Möglichkeiten kommt es zu einer gewissen Unterdeckung. Das ist das generelle Problem im Gesundheitssystem: Die Finanzen reichen nicht aus, um den nachgefragten Bedarf zu decken. Da stellt sich die Frage, ob man den Bedarf vielleicht ein bisschen reduzieren sollte. In Deutschland gibt es ein viel zu großes Leistungsangebot. Eine solche breite Palette von Leistungen zu Lasten der Sozialversicherung gibt es nirgendwo sonst auf der Welt. Das ist jedoch ein politisches Problem und hat nichts mit dem Berufsbild des Chirurgen zu tun.

Wie ist das Berufsbild in Bremen aufgestellt?

Es ist schon so, dass die spezifische Konstruktion der kommunalen und privaten Krankenhäuser in Bremen zu einer etwas anderen Arbeitsmarktsituation in den Kliniken führt als andernorts.

386.048
Operationen erfolgten 2023 am Darm (2022: 377.954).

ZUR PERSON

Dr. Jörg-Andreas Rüggeberg, BDC-Vizepräsident
Seit 1986 als Facharzt für Unfallchirurgie und Orthopädie in eigener Praxis in Bremen tätig, engagiert er sich neben der Tätigkeit im BDC in den Gremien der ärztlichen Selbstverwaltung sowie der Ärztekammer auf regionaler und bundesweiter Ebene, so u. a. als erster Vorsitzender des seinerzeit neu eingerichteten Fachausschusses für die fachärztliche Versorgung der KBV.

Finke G: Unfallchirurg Dr. Jörg-Andreas Rüggeberg über das Verhältnis von Mensch und Maschine im modernen Klinikalltag. Passion Chirurgie. 2025 Juli/August; 15(07/08): Artikel 07_02.

Der BDC im Interview mit Gesundheitsminister Dr. Philippi

Vorwort

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit dem niedersächsischen Minister für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung Herrn Dr.med. Andreas Philippi steht der Berufsverband der Deutschen Chirurgie (BDC) seit einiger Zeit im engeren Kontakt. Vor seiner Berufung als Minister im Januar 2023 war er seit 2009 als niedergelassener Chirurg bzw. dann in dem MVZ der Herzberg Klinik tätig. Herrn Dr. Philippi sind somit die Herausforderungen im deutschen Gesundheitswesen nicht zuletzt auch durch eigene praktische Erfahrungen hinreichend bekannt. Nach der Regierungsneubildung hat er sich nun zu einem Interview über die aktuelle Gesundheitspolitik einverstanden erklärt, welches Frau Olivia Päßler aus unserer Presseabteilung geführt hat.

Einige Aspekte dieses Interviews seien kurz angeführt: In Niedersachsen sollen unter den strukturellen Veränderungen die regionalen Gesundheitszentren als Transformationschancen für ländliche Regionen weiterentwickelt werden. Geplant ist die Einrichtung integrierter Notfallzentren mit Notaufnahme und Notarztpraxis der Kassenärzte. Es ist zu begrüßen, dass Krankenhäuser, ähnlich wie andere Institutionen, eine Grundfinanzierung erhalten. Die Spezialisierung in der Medizin mit angestrebter Verbesserung der Behandlungsergebnisse steht außer Frage, allerdings muss auch eine qualitativ hochwertige Weiterbildung garantiert werden, was ggf. als problematisch angesehen werden kann. Im Rahmen der anstehenden Krankenhausreform ist eine enge Zusammenarbeit von der Politik und den Selbstverwaltungsorganen sinnvoll. Das Primärarztsystem wird begrüßt, allerdings können Ausnahmen, wie auch vom BDC gefordert, vor allem in der Akutmedizin sinnvoll sein. Hervorgehoben wird explizit die notwendige Anerkennung der ambulanten Chirurgie, vor allem auch bezüglich einer gerechten Vergütung. Dieses soll durch Einführung der Hybrid-DRGs geregelt werden. Nach Meinung des Ministers wäre allerdings ein Zurückfallen auf den einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) das Ende der ambulanten Chirurgie und des sektorenübergreifenden Vorgehens. Genau diese Befürchtung wird schon seit geraumer Zeit auch vom BDC geäußert und es sollte folglich eine Änderung des diesbezüglichen Abschnitts im § 115f angestrebt werden.

Ich wünsche Ihnen nun einen entsprechenden Erkenntnisgewinn beim Lesen des gesamten Interviews.

Ihr
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer
Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgie e.V. (BDC)

Olivia Päßler: Mit Interesse verfolgen wir über Ihren Presseversand, wie Sie Ihre Krankenhäuser im Rahmen des Krankenhaus-Investitionsprogramms 2024 unterstützen. Wie geht es damit voran? Welcher Art von Krankenhäusern in Niedersachsen kommt das Programm zugute? Wie möchten Sie grundsätzlich die zukünftige Finanzierung des Gesundheitssystems und der Krankenhäuser in Ihrer Region sichern?

Andreas Philippi: Mit dem Krankenhaus-Investitionsprogramm 2024 haben wir mehr als eine halbe Milliarde Euro für Investitionen in die Krankenhausinfrastruktur bereitgestellt. Förderfähig sind alle Krankenhäuser, die in den Niedersächsischen Krankenhausplan aufgenommen sind und das unabhängig von der Trägerschaft. Das Geld fließt beispielsweise in notwendige Sanierungsarbeiten oder Neubauprojekte, aber auch in die Anschaffung von Großgeräten. Mittlerweile haben alle Krankenhäuser, deren Antrag positiv beschieden wurden, ihre Fördermittel erhalten.

Doch natürlich braucht es darüber hinaus auch strukturelle Veränderungen, wenn wir langfristig eine qualitativ hochwertige und flächendeckende Gesundheitsversorgung gewährleisten wollen. Mit der Krankenhausreform haben wir nun die große Chance, unsere Krankenhauslandschaft auf wirtschaftlich tragfähige Beine zu stellen. Gleichzeitig treiben wir die Entwicklung der Regionalen Gesundheitszentren voran, um die lokale Gesundheitsversorgung dort sicherzustellen, wo ein Krankenhaus nicht oder nicht mehr bestehen kann. Das bietet gerade für ländliche Regionen Transformationschancen.

Welche gesundheitspolitischen Erwartungen haben Sie an die neue Regierung und an die neuen Verantwortlichen im BMG? Bitte nennen Sie uns hier Ihre Forderungen, gerne zu konkreten Themen wie der Finanzierung der Weiterbildung, der Entbürokratisierung sowie der Notfallreform

Ich erwarte von der neuen Bundesregierung, dass sie die längst überfälligen Reformen im Gesundheitswesen endlich anpackt. Dazu gehört aus meiner Sicht, dass die finanziellen Defizite der Krankenkassen durch Steuermittel kompensiert werden – als schnelle Notmaßnahme. Die Stärkung des ambulanten Sektors muss dringend vorangetrieben werden, um Leistungen kosteneffizienter aufzustellen. Wir brauchen echte Strukturreformen, weil wir die Kosten in den Griff bekommen müssen. Dessen unbenommen benötigen auch die Krankenhäuser Unterstützung. Deshalb macht sich Niedersachsen für eine Überbrückungsfinanzierung bis zum Start des Transformationsfonds stark sowie für einen Ausgleich der inflationsbedingten Mehrbelastungen.

Kurzportrait

Minister Dr. Andreas Philippi

Seit dem 25. Januar 2023 ist Dr. Philippi Niedersächsischer Minister für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung. Von 2021 bis 2023 war er Mitglied des Deutschen Bundestages und praktiziert als Facharzt für Chirurgie am Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) Herzberg Klinik. Dr. Philippi schrieb seine Promotion zum Thema „Entwicklung und Diagnostik in Therapie des primären Hyperparathyreoidismus“.

Bei der Notfallreform sind wir mit dem Innenministerium und den Kommunen eng abgestimmt und beeinflussen im Sinne unseres Flächenlandes die Gesetzgebung auf Bundesebene. Die Patientinnen und Patienten müssen schnellstmöglich an dem passenden Ort und von der passenden medizinischen Fachkraft behandelt werden. Dazu ist eine engere Verzahnung der Rufnummern 116 117 und 112 meiner Meinung nach zwingend erforderlich. Ebenso halte ich die Einrichtung Integrierter Notfallzentren mit Notaufnahme und Notdienstpraxis der Kassenärzte für sinnvoll. In Sachen Bürokratieabbau haben wir eine umfassende Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, damit der Bund endlich handelt. Wir brauchen mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten und weniger für Dokumentationen.

Welche Einschätzung haben Sie zur momentanen Fassung des KHVVG, mit welchen Themen beschäftigen Sie sich schwerpunktmäßig? Bitte nennen Sie uns Ihre Meinung und Ihre möglichen Forderungen speziell zum Transformationsfonds und zur Handhabung der Vorhaltebudgets. Bezüglich der Zuteilung von Leistungsgruppen: Wo sehen Sie Chancen und Risiken besonders im Bereich der Chirurgie und ihren Unterfächern?

Mit der Verabschiedung der Krankenhausreform haben wir ein neues Kapitel in der Gesundheitsversorgung aufgeschlagen. Das ist auch dringend notwendig, denn die Krankenhäuser brauchen mehr Geld und Planungssicherheit. Niedersachsen hat sich in diesen Prozess sehr stark eingebracht und viele Verbesserungen durchsetzen können, etwa was den Erhalt kleinerer, versorgungsstrategisch wichtiger Kliniken angeht oder der rückwirkenden Anrechnung der Gelder aus dem Transformationsfonds. Letzteres ist ein gutes Signal für die Länder, die sich bereits auf den Weg gemacht haben und ihre Investitionen hochgefahren haben. Gleichzeitig ist es aus meiner Sicht absolut zu begrüßen, dass Krankenhäuser – ähnlich wie die Feuerwehr – eine Grundfinanzierung erhalten für all die Kosten der nötigen Vorhaltung zu jeder Stunde und an jedem Tag im Jahr.

Mit Blick auf die Chirurgie bin ich überzeugt davon, dass die Konzentration von spezieller Speiseröhren- und Bauchspeicheldrüsenchirurgie zu einer besseren Qualität führen wird. Probleme sehe ich dabei allerdings in der Weiterbildung. Hier ist die Frage, ob es über die Leistungsgruppen gelingt, gemeinsam mit den Ärztekammern die notwendigen Weiterbildungsabläufe abzustimmen.

Grundsätzlich wünsche ich mir deutlich mehr Anerkennung für die ambulante Chirurgie. Das betrifft nicht nur die Ausbildung, sondern beinhaltet gleichermaßen eine gerechtere Bezahlung. Ermöglicht werden soll dies durch die Hybrid-DRGs. Ein Zurückfallen auf den EbM wäre meines Erachtens das Ende der ambulanten Chirurgie und des sektorübergreifenden Denkens.

Hybrid-DRG – wie setzen Sie sich für eine faire Berechnung der Pauschalen speziell in der Chirurgie ein?

Wir wollen in Niedersachsen gemeinsam mit den Stakeholdern einen Modellversuch auf den Weg bringen, der verdeutlichen soll, dass ambulante Chirurgie das System entlastet und Ressourcen spart, sobald sie leistungsgerecht bezahlt wird. Es muss zu einer gerechten Vergütung bei gleichen Eingriffen kommen, egal auf welcher Seite des Sektors.

Welche Rolle und welche Aufgaben sehen Sie bei der Selbstverwaltung?

Sowohl bei der Krankenhaus- als auch bei der Gesundheitsreform arbeiten wir eng mit allen an der Selbstverwaltung Beteiligten zusammen. Ich bin hier im stetigen Austausch mit den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Ärzteverbänden. Uns ist es wichtig, dass wir bei der Neustrukturierung in Niedersachsen, wie im Übrigen auch schon beim Enquetegesetz, eine sehr große Mitbeteiligung haben. Ich glaube, dass die Selbstbeteiligung bereit sein muss, „out of the box“ zu denken, um die Ressourcen besser ausnutzen zu können.

Wie sehen Sie die Rolle des Fachgebiets Chirurgie bei der geplanten Einführung eines verbindlichen Primärarztsystems? Welche Sonderregeln können Sie sich für die Chirurgie bzw. chirurgische Fälle bei der Implementierung des Systems vorstellen?

Das von der Bundesregierung geplante Primärarztsystem begrüße ich ausdrücklich. Wir brauchen dringend eine bessere Steuerung der Patientinnen und Patienten. Auch kann ein solches System einen wichtigen Beitrag dazu leisten, um Kosten zu senken und Qualitätsverbesserungen in der Gesundheitsversorgung zu erzielen. Die Niederlande beispielsweise machen es bereits seit Jahren vor. Ausnahmen für bestimmte Fachbereiche können durchaus sinnvoll sein, gerade mit Blick auf die Akutmedizin. Hier ist der Bund gut beraten, mit den einzelnen Verbänden ins Gespräch zu gehen.

Päßler O: Der BDC im Interview mit Gesundheitsminister Dr. Philippi. Passion Chirurgie. 2025 Juli/August; 15(07/08): Artikel 05_01.

Fraktursonografie reduziert die Strahlenbelastung bei der Untersuchung von Kindern und Jugendlichen

Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendchirurgie e.V. (DGKJCH) befürwortet den bevorzugten Einsatz der Fraktursonografie gegenüber der Röntgenuntersuchung. Die Fraktursonographie im Wachstumsalter ist ein zunehmend anerkanntes Verfahren und der Einsatz bereits in einer S2-Leitlinie zusammengefasst. „Das kindliche Skelett ist strahlensensibel, da sich vermehrt schnell wachsendes Knochenmark in den Extremitäten befindet und ein erhöhter Wasseranteil im Knochen besteht. Jede Röntgenuntersuchung im Kindesalter sollte daher kritisch hinterfragt werden. Die Fraktursonographie eignet sich dazu, die Strahlenbelastung durch die Röntgendiagnostik zu reduzieren“, erklärt Dr. Till Rausch, Facharzt für Kinderchirurgie am Katholischen Kinderkrankenhaus Wilhelmstift in Hamburg.

Der kindliche Knochen eignet sich besonders zur Fraktursonographie. Die Gleichwertigkeit der Sonographie zur Röntgenuntersuchung ist bei erfahrenen Untersuchenden belegt. Die Untersuchung des kindlichen Skeletts durch die Fraktursonographie lässt sich an jedem Ultraschallgerät mit Linearschallkopf durchführen. Gerade zu Beginn ist eine Untersuchung der Gegenseite zu empfehlen. Die Kinder gewinnen Vertrauen und die Untersuchenden finden einen Referenzbefund vor. In aller Regel werden in der Fraktursonographie Longitudinalschnitte angewandt. Der Schallkopf wird parallel zum Knochen aufgesetzt und dieser auf gesamter Breite des Bildes dargestelt. Dadurch wird der Nachteil des kleinen Ausschnitts, so weit möglich, ausgeglichen. Der Knochen sollte als klare weiße Linie erkennbar sein. Der Ultraschallkopf wird nun vorsichtig um die Extremität gefahren. Dafür muss die Extremität wenig bis gar nicht mobilisiert werden.

Im Gegensatz zum Röntgen handelt es sich beim Ultraschall um eine reine Oberflächendarstellung. Intraossäre Prozesse (z.B. Osteitis, Tumore, Knochenzysten) können durch die Sonographie nicht sicher erfasst werden. Sollte die schwere des Unfalls nicht mit dem Verletzungsmuster konform sein oder es sich um eine mögliche OP-Indikation handeln, sollte eine Röntgendiagnostik durchgeführt werden. In der Folge findet sich eine kurze Übersicht über einige Indikation der Fraktursonographie im Wachstumsalter.

Klavikulafraktur

Bei Kindern wird die Fraktursonographie häufig zur Diagnose von Klavikulafrakturen eingesetzt. Im Kindesalter stellt sich selten die Indikation zur operativen Therapie (Gefäß- oder Nervenschäden, offene Fraktur). Durch die Knochenmorphologie und den Zug des M. Sternocleidomastoideus ist eine sonographische Diagnostik nicht immer leicht durchzuführen, so dass die Untersuchung bei Kindern gut überlegt sein sollte. In aller Regel ist der klinische Nachweis ausreichend. Anders verhält es sich bei Adoleszenten, wo durchaus OP-Indikationen bestehen.

Subkapitale Humerusfraktur

Die subkapitale Humerusfraktur lässt sich gut mit der Sonographie diagnostizieren, indem vier Ebenen geschallt werden: ventral, lateral, dorsal und medial nach Außenrotation. Das Verfahren nutzt den Shoulder-Safe-Algorithmus. Nach Frakturnachweis erfolgt ein Röntgen in einer Ebene, um einen intraossären Prozess auszuschließen. Bei unauffälliger Sonographie ist keine weitere Diagnostik nötig.

Ellenbogennahe Frakturen

Ellenbogenfrakturen kommen im Kindesalter sehr häufig vor. Das Verletzungsmuster kann komplex sein und zu erheblichen Wachstumsstörungen führen. Die Fraktursonographie dient hier allein zum Ausschluss einer Fraktur bei negativen Fat-Pad-Sign oder zur Indikation weiterer Diagnostik bei positiven Fat-Pad-Sign. Dafür benötigt man ausschließlich einen dorsomedianen Längsschnitt. Der Arm muss dafür nicht mobilisiert werden und innerhalb weniger Sekunden haben die Untersuchenden wichtige Information bezüglich der Schwere der Verletzung. Zu Bedenken ist allerdings, dass nicht jede ellenbogennahe Fraktur einen Gelenkerguss verursacht. Auch für den Ellenbogen gibt es bereits einen Untersuchungsalgorithmus (Elbow-SAFE).

Distale Unterarmfraktur

Die distale Unterarmfraktur im Kindesalter ist eine der häufigsten Frakturen im Wachstumsalter. Durch die plane Kortikalis, den geringen Weichteilmantel und das häufige Auftreten ist die distale Unterarmfraktur eine der Hauptindikation der Fraktursonographie und durch diverse Studien gut belegt. Bei undislozierten und tolerabel dislozierten Frakturen ist es möglich, die Diagnose ausschließlich mithilfe der Sonographie zu stellen. Dadurch kann die Diagnostik schonender und schneller erfolgen. Alle weiteren Verlaufskontrolle, z.B. leicht verschobene Brüche, können ebenfalls sonographisch durchgeführt werden (Wrist-Safe-Algorithmus).

Distale Femurfraktur

Die Wulstfraktur des distalen Femurs ist eine stabile Fraktur. Aufgrund der kortikalen Mitbeteiligung eignen sich die Frakturen zur sonographischen Diagnostik. Allerdings fehlen hier kontrollierte Studien und Daten. Es wäre zu wünschen, dass hier in Zukunft auf Röntgendiagnostik verzichtet werden kann.

Proximale Tibiafraktur

Proximale Tibiawulstfrakturen treten bei jüngeren Kindern auf. Im Röntgen in zwei Ebenen findet sich dann nicht immer sicher ein Korrelat zur Klinik, was an einer Überlagerung durch die trianguläre Form des Tibiakopfes liegt. Die Sonographie ist eine einfache Alternative, um eine Wulstfraktur an der proximalen Tibia nachzuweisen. Durch die dynamische Untersuchung kann die Ebene mit der größten Wulstbildung gesucht werden. Allerdings ist auch hier noch eine ergänzende radiologische Untersuchung angezeigt.

„Die Übersicht zeigt, dass bereits bei vielen Untersuchungen die Fraktursonografie die Röntgenuntersuchung ersetzen kann bzw. ihr vorgeschaltet werden kann, um Untersuchungen mit Röntgenstrahlung durch Ausschluss von Frakturen zu reduzieren. Die DGKJCH befürwortet die Entwicklung hin zur weiteren Reduktion von Röntgenuntersuchungen mithilfe der Fraktursonografie“, betont DGKJCH-Präsidentin PD Dr. Barbara Ludwikowski.

Webinar Spezielle Unfallchirurgie II am 18.-19.09.2025

Dieses Webinar dient zur Vorbereitung auf die Facharztprüfung zur Zusatzweiterbildung für Spezielle Unfallchirurgie sowie als Update für Fachärztinnen und Fachärzte. Durch das Webinar sparen Sie wertvolle Zeit.

Referent:innen aus ganz Deutschland machen Sie in zwei Tagen fit für Ihre Prüfung und bringen Sie auf den neuesten Stand der Behandlungsstrategien und Techniken der Speziellen Unfallchirurgie..

Das Programm und die Anmeldung stehen auf den Seiten der BDC|Akademie bereit.

Mitglieder des BDC erhalten deutlich vergünstigte Teilnahmegebühren.

Zwei Chirurg:innen an die Spitze des Landesverbands BDC|Bayern gewählt

Der BDC gratuliert den beiden neuen Landesverbandsvorsitzenden des BDC|Bayern, Frau Dr. med. Julia Gumpp und Frau Dr. med. Kerstin Schick zu ihrer neuen Funktion. Die beiden Chirurg:innen wurden von der Mitgliederversammlung des BDC|Bayern im Juli gewählt. Der BDC wünscht ihnen viel Erfolg und Freude bei ihrer neuen Aufgabe!

Gleichzeitig spricht der BDC den bisherigen Landesverbandsvorsitzenden Prof. Dr. med. Matthias Anthuber und Dr. med. Hubert Mayer seinen großen Dank für das langjährige Engagement aus!