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ZDF-Morgenmagazin: OP-Aufkommen normalisiert sich

Das MOMA berichtete am 20. August 2020 über die Situation in deutschen OP-Sälen nach dem Lockdown. Dabei gab Prof. Joachim Jähne, Chefarzt Chirurgie, Viszeralchirurgie, spezielle Viszeralchirurgie und chirurgische Intensivmedizin am DIAKOVERE-Klinikum in Hannover seine Einschätzung stellvertretend für den Berufsverband der Deutschen Chirurgen und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie: „Seit Mitte Juni arbeitet das Klinikum wieder im Normalbetrieb. Eine deutliche Entspannung ist zu verzeichnen.“ Patienten, deren Eingriffe verschoben werden mussten, würden wieder einbestellt. „Wir sind auf einem guten Weg“, so Professor Joachim Jähne.

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https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/morgenmagazin/videos/corona-aktuell-aufgeschobene-ops-100.html

Juli/August-Ausgabe: PASSION CHIRURGIE

Seit Februar 2020 gilt die Ausweitung des Zweitmeinungsverfahrens auf die elektive Schulterarthroskopie – was sollten der indikationsstellende Facharzt und der hinzugezogene „Zweitmeiner“ dabei beachten? Eine ausführliche Betrachtung der unterschiedlichen Positionen gibt BDC-Vorstandsmitglied Dr. Peter Kalbe in der frisch veröffentlichten Passion Chirurgie.

Sie erfahren auch in dieser Sommerausgabe, welche Ziele und Wünsche der neue DGCH-Präsident Professor Michael Ehrenfeld für seine Amtszeit, den kommenden DCK und die Chirurgie hat.

Juli/August-Ausgabe PASSION CHIRURGIE
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Chirurg aus Leidenschaft

zur Artikelserie …

Prof. Dr. med. Carsten Krones ist Leiter des Themen-Referats Leitende KrankenhauschirurgInnen” des BDC und Mitglied im erweiterten Vorstand. In unserer Artikelserie erzählt er seine persönliche Geschichte, warum er Chirurg geworden ist – und warum er seither für diesen Beruf brennt.

In meinen frühen Grundschultagen erkrankte meine Mutter schwer. Auch ein wochenlanger Krankenhausaufenthalt meiner Mutter brachte für uns keine befriedigende Klärung. Da gab es also etwas zu lösen, und wenn es kein anderer macht… Und so hatte ich im zarten Alter von acht Jahren meinen Beruf gefunden. „Ich werde Arzt!“, antwortete ich in schönster Regelmäßigkeit – auch nachdem meine Mutter bereits lange genesen war – auf die immer wiederkehrende Tanten-Onkel-Oma-Opa-Nachbar-Frage nach dem späteren Berufswunsch mit leicht überheblichem, aber unbeirrbaren Selbstverständnis, was je nach Zugeneigtheit der fragenden Person wechselnd beeindruckte oder brüskierte.

Meine restliche Kindheit verlief völlig normal, und wurde – wie es einem Vorstadtjungen aus dem Ruhrgebiet geziemt – von regelmäßigen, größeren und kleineren Unfällen unterbrochen, die meinen Vater und mich zu genauso regelmäßigen Besuchen in die Chirurgie des lokalen Krankenhauses führten. Und woran mein Vater sich nie gewöhnen konnte, dass Knochen beim Sturz vom Baum, beim Fußball oder bei der Kollision mit wohlgemerkt stehenden Autos bei Kindern leider brechen und die Haut platzt. Mein Augenmerk als routinierter Stammgast der Unfallambulanz fiel dagegen bald auf anderes.

Während Papa also wieder mal blass auf der Liege neben mir lag –mein Unterarm war gebrochen –wurde ihm in den goldenen 70ern als Kreislaufstütze sogar ernsthaft ein Cognac angeboten, meine Aufmerksamkeit gehörte jedoch mehr und mehr den handelnden Personen. Die vom ärztlichen und pflegerischen Ambulanzpersonal ausgestrahlte, gesunde Mischung aus gelassener Souveränität und stringenter Handlungsbereitschaft beeindruckte mich gepaart mit einer Prise lässigen Draufgängertums tief und vor allem nachhaltig. „Ich werde Chirurg!“, lautete für mich als Spross einer Handwerkerfamilie nicht mehr ganz überraschend nun die Lösung im Familien- und Freundeskreis.

Nach meinem Abitur folgte das Studium und mit fortschreitenden Erfahrungen und Kontakten verfestigte sich das unbedarfte Motto des Adoleszenten zu einem veritablen Ziel. Denn auch die angestrebte Peergroup stimmte, konnten Chirurgen doch beides: Pflicht und Kür, also viel arbeiten und fröhlich feiern. Aus dem Beruf wurde Berufung. Heute, 27 Jahre nach dem Start in einer kleinen Kölner Klinik, nach Stationen in allen Versorgungsstufen, nach dem Überstehen von 27 Ober- und vier Chefärzten, arbeite ich jetzt knapp zehn Jahre als Chefarzt: Ein solider Realitätssinn überstrahlt die juvenile Naivität von einst. Doch geblieben ist die Begeisterung für die Kraft des Faktischen, für den befreienden Charakter der Tat, für die Konsequenz stringenten Handelns, für die Kombination von Härte und Empathie, für die unmittelbare Beteiligung an echter Heilung und für die damit verbundene, tiefe und ganz persönliche Bedeutung im Leben der anvertrauten Patienten. Chirurg zu sein, ist ein ganz wunderbarer Beruf, und die Chirurgie eine ganz wunderbare Berufung. Selbst die mittlerweile fast unzähligen deutschen Gesundheitsreformen konnten diese Faszination nicht brechen. Und so würde ich alles wieder so machen. Übrigens auch Chefarzt werden, doch das ist eine eigene Geschichte.

Kleinlicher Streit um Erfolge in der Pandemiebewältigung

Bislang erzielte medizinische Erfolge in der Pandemiebewältigung sind auf die sachgerechte und sektorenübergreifende  Kooperation zwischen Praxen und Kliniken zurückzuführen

Die aktuelle Auseinandersetzung zwischen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und den Kassenärztlichen Vereinigungen um bisher erreichte Erfolge in der Pandemiebewältigung ist unangemessen und wird der Tragweite dieser weltweiten medizinischen Krise nicht gerecht.

Prof. Dr. Dr. Hans-Joachim Meyer, Präsident des Berufsverbands der Deutschen Chirurgen: „Der Streit darum, ob die niedergelassenen Ärzte, die nach eigenen Aussagen sechs von sieben Covid-19-Patienten erfolgreich behandelt haben oder ob die Ärzte in den Notfallambulanzen und auf den Intensivstationen der Krankenhäuser den Ausbruch des Sars-CoV-2 maßgeblich haben bewältigen können, ist wenig nachvollziehbar und schadet dem Ansehen unseres Gesundheitssystems insgesamt. Die niedergelassenen Kollegen konnten einen hohen Anteil der Patienten behandeln, weil Patienten mit vergleichsweise milden Verläufen vor allem in die Praxen gekommen sind; so ist es gelungen, Kapazitäten in Krankenhäusern primär für Patienten mit schweren Symptomen vorzuhalten.

Darüber hinaus konnte im Gegensatz zu anderen Ländern ein Großteil der Abstrichdiagnostik und damit eine potenzielle Infektionsquelle von den Kliniken ferngehalten werden. Dies zeigt einmal mehr, wie leistungsstark das deutsche Gesundheitswesen insgesamt im Zusammenspiel der Sektoren ist.

Auch der weitere medizinische Erfolg im Umgang mit der weiterhin bestehenden Bedrohung durch das Virus bei erneut ansteigenden Infektionszahlen wird entscheidend  davon abhängen, wie gut die verschiedenen Sektoren in der medizinischen Versorgung der Covid-19-Patienten kooperieren.

Diese ernste Thematik zu instrumentalisieren, um etwa Gesetzesentwürfe, wie die Reform der Notfallversorgung oder anstehende Strukturdiskussionen im Gesundheitswesen generell, in die eine oder andere Richtung beeinflussen zu wollen, lehne ich entschieden ab und halte eine solche Diskussion für wenig zielführend.“

Katarakt – am häufigsten verschobene Op

Das Ziel des medizinischen Shutdowns wurde erreicht. Auswirkungen der Verschiebungen müssen genau untersucht und Pandemiepläne künftig regional und lokal angepasst werden.

Berlin, den 28.07.2020 – Die Auswertung von Daten eines bundesweiten Benchmarking-Programms für OP-Prozesszeiten hat einen Rückgang der Operationen während des Shutdowns im April von 41 Prozent ergeben. Am häufigsten unter den verschobenen Eingriffen waren Katarakt-operationen mit -79 Prozent, die Entfernung der Rachenmandeln mit -82 Prozent und die Implantation von Kniegelenkendoprothesen mit -80 Prozent. Etwas häufiger unter den verschobenen Operationen wurden noch Kniegelenkathroskopien, -67 Prozent, durchgeführt sowie Osteosynthesematerial, also beispielsweise Schrauben und andere Befestigungen, -51 Prozent entfernt. Demgegenüber hat die Anzahl der Kaiserschnitte, der versorgten Knochenbrüche und Blinddarment-zündungen gar nicht beziehungsweise nur sehr geringfügig abgenommen.

Prof. Dr. Dr. Hans-Joachim Meyer, Präsident des Berufsverbands der Deutschen Chirurgen kommentiert die Ergebnisse: „Das Ziel des medizinischen Shutdowns, elektive Operationen weitestgehend zu verschieben und den medizinischen Betrieb von Volllast in einen auf Covid-19 ausgerichteten Notbetrieb umzusteuern, wurde in den Krankenhäusern vorbildlich umsetzt. Wir sehen jetzt aber auch, dass viele Betten, die für Covid-19-Patienten freigehalten, dafür nicht benötigt wurden.

Die Epidemie ist jedoch noch nicht ausgestanden und jetzt geht es darum, Lehren aus dieser Zeit für eine etwaige zweite Welle zu ziehen. Dazu gehört auch, die Pandemiepläne so umzuarbeiten, dass bei einem Anstieg des Infektionsgeschehens, die Krankenhäuser ihren Betrieb mit einem Anteil elektiver Operationen weiter aufrechterhalten können. Einen nahezu vollständigen Shutdown mit einer Priorisierung der Behandlung von Patienten mit Covid-19 sollte möglichst vermieden werden – insbesondere auch, um nicht Patientengruppen mit komplexen Krankheitsbildern zu verunsichern.

Dies könnte unter anderem erreicht werden, indem bundesweit Pläne für die Steuerung von Patienten unter Pandemiebedingungen entwickelt werden. Diese sollten dann lokal und regional, durch sektorenübergreifende Gremien auf die Rahmenbedingungen vor Ort angepasst werden.“

„Unsere Auswertung der OP-Prozesszeiten zeigt einen verantwortungsvollen Umgang der Ärzte bei der Verschiebung planbarer Operationen. Jetzt geht es darum, den Stau der aufgeschobenen Operationen abzuarbeiten. Es wird selbst bei einer Steigerung des OP-Aufkommens auf 110 Prozent des Vor-Corona-Niveaus zirka 27 Wochen dauern“, so Dr. Enno Bialas, Geschäftsführer von digmed und Autor der Studie.

Zum Benchmarking-Programm für OP-Prozesszeiten:

Das Programm gibt es seit 2009: Es analysiert perioperative Prozesszeiten wie zum Beispiel Schnitt-Naht-Zeiten im OP. Tragende Verbände bzw. Fachgesellschaften sind der Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA), die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie (DGAI), der Verband für OP-Management (VOPM) sowie der Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC). Insgesamt wurden Daten von 170 Krankenhäusern aller Versorgungsstufen für die Auswertung zu den Auswirkungen des Lockdowns berücksichtigt.

Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC)

Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC) ist mit über 17.600 Mitgliedern die größte europäische Chirurgenvereinigung. Er vertritt die berufspolitischen Interessen deutscher Chirurginnen und Chirurgen in Klinik und Praxis.

digmed GmbH

digmed ist eine Hamburger Unternehmensberatung im Gesundheitswesen mit Schwerpunkt auf OP-Management. Das Unternehmen hat 2009 ein bundesweites Benchmarkingprogramm aufgesetzt zur Optimierung der OP-Prozesszeiten. Knapp 300 Kliniken von der Grund- und Regelversorgung über Maximalversorger und Universitätskliniken nutzen das Internetportal zur Analyse ihrer Daten.

Der BDC – Meine Zukunftsvision

Ein runder Geburtstag bietet Anlass zu feiern, Vergangenes zu würdigen, den Moment zu schätzen und Zukunftspläne zu schmieden. Wo sehen wir uns in den nächsten fünf bis zehn Jahren? Schöpfen wir unser volles Potenzial aus? Am 23. April 2020 wird der BDC 60 Jahre alt – sind wir auch für den 65. Geburtstag gerüstet?

Diese Frage haben wir uns am Beispiel der BDC-Aktivitäten in den Jahren 2019 und 2020 gestellt. Extrapolieren wir diese für die kommenden Jahre, blicken wir sehr zuversichtlich auf die Weiterentwicklung unseres Verbandes. Besonders freut uns: Die Mitgliederzahlen steigen stetig, mittlerweile etwas langsamer, aber dennoch kontinuierlich an. Aktuell bietet der BDC mehr als 17.500 ChirurgInnen ein berufspolitisches Dach.

Eines unserer Aushängeschilder ist die BDC|Akademie. Sie hat 2019 ca. 170 Veranstaltungen mit über 4.800 Teilnehmern ausgerichtet. Möglich gemacht haben dies insbesondere die zahlreichen Kolleginnen und Kollegen, die sich auf fachlich hohem und höchstem Niveau für die Fort- und Weiterbildung der Akademie engagieren. Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt! Neu in das Angebot 2020 kommen ein Fachseminar zur Robotik, der „Der ökonomische Notfallkoffer für Chirurgen“ und ein Webinar zur Nachlese des Deutschen Chirurgenkongresses (DCK). Der Nachwuchsbereich produziert aktuell Lernvideos zur gezielten Prüfungsvorbereitung, die Website www.chirurg-werden.de wurde hinsichtlich Layout und Technik überarbeitet und nun schrittweise mit neuen Inhalten bestückt. Zusätzlich arbeitet der BDC gerade am Ausbau einer neuen eLearning-Plattform, die noch in diesem Jahr als sogenannte eAkademie an den Start gehen wird. So können künftig Präsenzseminare noch besser durch elektronische Angebote ergänzt werden. Damit greift die Akademie aktuelle und spannende Themen wie Robotik und Digitalisierung, Ökonomisierung wie auch die Bedürfnisse des Nachwuchses durch eLearning konstruktiv auf.

In enger Zusammenarbeit mit unserem Kooperationspartner, der Ecclesia med GmbH, erarbeitet der BDC kontinuierlich neue, attraktive Versicherungspakete und Rahmenverträge zu vergünstigten Konditionen für seine Mitglieder. Die Rechts- und Karriereberatung durch die Kanzlei Dr. Heberer erfreut sich seit Jahren höchster Beliebtheit und für Vertragsärzte wird in Kürze ein neuer Rahmenvertrag im Bereich Hygiene hinzukommen – um nur einige interessante Entwicklungen und Angebote aus unserem Verband zu nennen. Seine Mitglieder und die (Fach-)Öffentlichkeit informiert der BDC zielgerichtet und regelmäßig über unterschiedliche Medienkanäle, wie die PASSION CHIRURGIE, die BDC-Website, Newsletter, Pressemitteilungen und Social Media-Plattformen. Als Verband spielen die Lobbyingaktivitäten des BDC eine besondere Rolle: Bei den einschlägigen Körperschaften und Organisationen wie auch beim Gesetzgeber setzt sich der BDC beharrlich für den Erhalt und die Verbesserung der wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen seiner Mitglieder ein. Die Erfolge politischen Handelns sind nicht am nächsten Tag sichtbar: Für Lobbyisten zählt deswegen immer die Langstrecke – nicht der Sprint. Unsere Ausgangslage ist also durchaus positiv zu bewerten.

Wählen wir eine andere Perspektive: „Grundlage und Ausgangspunkt eines Konzepts (…) der strategischen Verbandsführung sollte (…) die Einigung auf grundlegende Überzeugungen und Werthaltungen sowie grundsätzliche Ziele des Verbandes sein. Diese Elemente können in einem Grundsatzprogramm (…) dokumentiert werden (…).“, so ist es in der Managementliteratur zu lesen. Auch hier können wir positive Nachrichten vermelden: Das Grundsatzprogramm des BDC findet sich – wie im Editorial dargestellt – prägnant und seit 60 Jahren nahezu unverändert und weiterhin zutreffend in unserer Satzung und den Gründungsstatuten wieder: Im Mittelpunkt aller Aktivitäten des BDC stehen originär die Unterstützung von ChirurgInnen sowie der Erhalt des Fachs Chirurgie. Keine Frage: Der BDC ist und bleibt damit ein wichtiger Akteur im Bereich der Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit, fachlicher, rechtlicher und wirtschaftlicher Interessenvertretung sowie der Fort- und Weiterbildung. Trotzdem muss die Frage erlaubt sein, ob der BDC für die Zukunft strategisch optimal aufgestellt ist.

Lassen Sie uns daher konkreter werden! Es kann also hervorgehoben werden, dass die BDC-Mitglieder, einschließlich Vorstand und Geschäftsführung, eine Wertegemeinschaft bilden, und das ist gut so. Bemerkenswert ist weiterhin, dass diese Werte und Überzeugungen so stabil sind, dass sie seit 60 Jahren im Grundsatz bestehen. Und genau diese Tatsache bietet Chancen und Herausforderungen zugleich. Eine besondere Herausforderung besteht darin, sich bei konstanter Zielsetzung kontinuierlich von innen heraus zu erneuern. Chance hingegen ist, dass wir mit einer stabilen Wertegemeinschaft von über 17.500 ChirurgInnen die Stimme erheben, Stimmungen erzeugen können!

Denn, was sind die drängenden Fragen der Zeit? Wie stellen Sie sich die Versorgung der Zukunft vor? Fühlen Sie sich durch den Gesetzgeber repräsentiert? Was halten Sie von der Politik unseres durchaus umtriebigen Gesundheitsministers? Und was halten Sie davon, dass Jens Spahn agiert und zwar in Bereichen, in denen zuvor Stillstand angesagt war? Soll der BDC weiterhin primär in Serviceangebote investieren (was eine gute Sache ist)? Oder soll sich der BDC stärker in die politische Gestaltung einbringen? Hierzu eine kleine Anekdote. Frisch in der Funktion als Geschäftsführerin des BDC wurde ich nach meinen Vorstellungen gefragt. Meine Antwort lautete: Während meines Großbritannienaufenthaltes an der London School of Economics, wo ich einen Masterstudiengang absolvierte, war in der Presse regelmäßig zu lesen: „Surgeons say (….)“, und was die britischen ChirurgInnen sagen, wird in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Das also ist meine Vision für den BDC! Dass wir vermehrt auch in Hinblick auf Politik und Öffentlichkeitsarbeit das Potenzial nutzen, welches dem BDC, welches ChirurgInnen gegeben ist – aufgrund der Wertegemeinschaft, aufgrund der großen Hingabe in Bezug auf Ihre anspruchsvolle Tätigkeit, aufgrund Ihrer Faszination und Passion für Ihr Fach, trotz bestehender Differenzen im Detail! Dass der BDC Gesicht zeigt!

Der BDC besitzt unzweifelhaft die notwendigen strategischen Instrumente, um seine Ziele zu erreichen. Gleichzeitig gilt es, den BDC immer wieder neu auszurichten und auf die aktuellen Rahmenbedingungen und Fragestellungen vorzubereiten. Vor diesem Hintergrund haben sich der erweiterte Vorstand und die Geschäftsführung dazu entschlossen, 2020 einen Strategieprozess einzuleiten, an dessen Ende als Arbeitsergebnis idealerweise eine konkrete Agenda 2025 steht. Ziel ist es, auf Basis des satzungsgemäßen Grundsatzprogramms, neue Handlungsfelder zu identifizieren und die entsprechenden Prioritäten und Maßnahmen abzuleiten.

Deswegen interessiert mich: Was treibt Sie um, wenn Sie in Ihre chirurgische Zukunft blicken? Welche Fragen verlangen nach Antworten? Zweifelsohne gehören dazu Fragen nach dem Umgang mit:

  • dem Nachwuchsmangel,
  • den Problemen in strukturschwachen Regionen,
  • den vielen z. T. kleinen Krankenhäusern in Ballungsgebieten,
  • der zunehmend möglichen ambulanten Versorgung von PatientInnen,
  • der Abwanderung des ärztlichen Nachwuchses in Anstellungsverhältnisse,
  • der zunehmenden Abgabe chirurgischer Praxen an klinikgeführte Medizinische Versorgungszentren aus wirtschaftlichen Gründen,
  • der fortschreitenden Ökonomisierung einschließlich dem Spannungsverhältnis zwischen leitenden Ärzten und Geschäftsführungen
  • der Zunahme IT-technischer Möglichkeiten,

um nur einige zu nennen. All diese Rahmenbedingungen prägen in der einen oder anderen Weise bereits jetzt Ihre chirurgische Tätigkeit und Ihre Wahrnehmung derselben.

In dem geplanten Strategieprozess wird es nun darum gehen zu priorisieren, welcher Handlungsfelder sich der BDC verstärkt annehmen wird. Interessant wird es vor allem werden, wenn es darum geht, den jeweiligen Handlungsfeldern konkrete Maßnahmen zuzuordnen. Eine wichtige Weichenstellung wird dabei sein, ob – wie bereits ausgeführt – der BDC wie bislang primär auf Service-Leistungen setzen will, um Sie als Mitglieder so gut es geht in Ihrer Tätigkeit zu unterstützen, oder ob sich der BDC zukünftig auch politisch und medial stärker einbringen soll, um auf Basis abgestimmter Positionen und Konzepte die politischen Rahmenbedingungen der chirurgischen Tätigkeit noch sichtbarer mitzugestalten und deren Weiterentwicklung zu prägen und einzufordern. Ich plädiere ganz klar für Letzteres! In diesen Diskussionen werden wir uns auch von den Ergebnissen der aktuellen Mitgliederbefragung leiten lassen, an der Sie sich dankenswerterweise so zahlreich beteiligt haben. Die Mitgliederbefragung stellt für uns eine sehr wichtige Arbeitsgrundlage im Strategieprozess dar. Genauso wichtig sind für uns auch die Anregungen, die uns über das Präsidium im November 2019 erreicht haben. Auch hierfür bedanken wir uns sehr herzlich!

Unabhängig von der durch den Strategieprozess initiierten Agenda sind schließlich die Fragen nach der grundsätzlichen Ausrichtung des BDC immer wieder neu zu beantworten: Derzeit erwägt der BDC eine Ausweitung seiner Angebote auch für medizinnahe Berufsbilder. Dies geschieht nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die Themen Kooperation, Koordination und auch Delegation stetig an Bedeutung zunehmen werden und der BDC diese Entwicklungen konstruktiv begleiten möchte. Auf die Fortschritte der Einheit der Chirurgie, auch im Zuge der Personalunion des Generalsekretärs der DGCH und des BDC-Präsidenten durch Prof. Dr. med. Dr. h.c. Meyer, wurde bereits in diesem Editorial eingegangen. Hieran soll angeknüpft werden. Last but not least wird der Repräsentanz aller Säulen, einschließlich der Orthopädie und Unfallchirurgie, und natürlich des niedergelassenen und des stationären Versorgungsbereichs, deren Grenzen zunehmend unschärfer werden, unter dem Dach des BDC ein unverändert hoher Wert beigemessen und auch zukünftig mit Nachdruck weiterverfolgt und gelebt werden.

Zusammenfassend ist der BDC also solide und zukunftssicher aufgestellt. Gleichzeitig sollten Handlungsfelder und Maßnahmen mit Blick auf aktuelle Entwicklungen priorisiert und angepasst werden. Dabei sollten die Signale klar zu Gunsten von Strategie, Politik und Öffentlichkeitsarbeit gestellt werden. Damit wir die Rahmenbedingungen chirurgischen Handelns wieder mitgestalten und nicht nur Gesicht zeigen, sondern auch Gehör finden. Das ist und wird künftig eine der Hauptaufgaben unseres Berufsverbandes sein!

Burgdorf F: Der BDC wird 60 – wir gratulieren und blicken in die Zukunft! Passion Chirurgie. 2019 März, 9(03): Artikel 07_01.

Mit Arroganz und Ignoranz kann kein Nachwuchs akquiriert werden

zur Artikelserie …

Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen feiert in diesem Jahr sein 60-jähriges Bestehen. Präsident Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer im Gespräch über Veränderungen in der Arbeitskultur und ihre Auswirkungen auf das Fach, über Effekte der Kommerzialisierung in der Medizin und wie Nachwuchskräfte gewonnen werden können.

 

Aus der Perspektive des Mediziners, aber auch der des Funktionärs, wo sehen Sie den stärksten Wandel in berufspolitischer Hinsicht?

Meyer: Den Gedanken an ein Arbeitszeitschutzgesetz in der Chirurgie gab es früher weitgehend nicht. Es war egal, ob man um 22 oder 24 Uhr nach Hause gekommen ist. Am nächsten Tag wurde weiter gearbeitet. Familie und Beruf waren auch damals von Bedeutung. Heute werden die Bereiche aber sehr viel intensiver eingefordert und es ist selbstverständlich sinnvoll, Arbeitszeitbeschränkungen vorzugeben. Zu meiner Zeit in der Weiterbildung oder auch als Oberarzt hat nur keiner darüber geredet.

Diese Einstellung der nachfolgenden Generationen ist auch gut, aber in der Realität eben mitunter schwer umzusetzen. Oft können die Vertreter der Generation Y oder Z ihre Eingriffe wegen der Arbeitszeitgesetze nicht im ausreichenden Umfang durchführen.

Ist das ein internationales Phänomen?

Meyer: Es ist ein internationales Phänomen. Wenn ich mit Kollegen aus Italien, aus England spreche bis hin nach Asien – bei der berühmten Arbeitsbereitwilligkeit der Asiaten – höre ich gleichlautende Schilderungen. Auch was die Feminisierung der Medizin betrifft, entwickeln sich die Zahlen ähnlich wie in Deutschland, wo 66 Prozent der Medizinstudierenden weiblich sind. Das sind Herausforderungen, die wir versuchen, bestmöglich zu regeln.

Wir haben jetzt knapp 400.000 Ärzte in der Bundesrepublik, von denen aber immer mehr in Teilzeit arbeiten möchten. Und das bewundere ich wieder an der jüngeren Generation: Sie sagt, hoppla, wir wollen ja, aber bitte auch zu unseren Bedingungen. Das hätte sich vor 50 Jahren keiner zu sagen getraut.

Wie wirkt sich die vielzitierte Ökonomisierung im Gesundheitswesen auf das Fach Chirurgie aus?

Meyer: Der Einfluss der Ökonomie ist generell sicherlich auch gut und notwendig in der Medizin. Aber nach meiner Definition gehört er abgekoppelt von der Kommerzialisierung. Nicht nur in einem Haus der Grund- und Regelversorgung, bei einem Maximalversorger oder einer Universitätsklinik hat die Einführung des DRG-Systems negative Effekte gezeigt, so dass sich manche Eingriffe finanziell gar  nicht mehr lohnen. Und dann gibt es wiederum Eingriffe, die besonders attraktiv sind und entsprechend das Einkommen für das Krankenhaus sichern. Ich bin der festen Überzeugung, die Ökonomisierung darf nicht darin gipfeln, dass in den Krankenhäusern reizvollen, kostensparenden oder einkommenssteigernden Eingriffen der Vorzug gegeben wird. Das Vergütungssystem ist zu holzschnittartig und produziert so enorme Verwerfungen.

Prof. Dr. Dr. hc. Hans-Joachim Meyer im Kurzporträt

Präsident des Berufsverbands der Deutschen Chirurgen und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie

Prof. Dr. Dr. hc. Hans-Joachim Meyer blickt auf eine jahrzehntelange Karriere als Chirurg in der Transplantations- und Abdominalchirurgie zurück. 1974 begann er seine Facharztausbildung an der Medizinischen Hochschule Hannover. 1981 erfolgte seine Habilitation. 1996 wechselte Prof. Hans-Joachim Meyer als Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie an das Städtische Klinikum Solingen.  Zu seinen wissenschaftlichen Schwerpunkten zählen die Laserchirurgie und multimodale Behandlungsverfahren bei malignen Tumoren des Gastrointestinaltraktes mit besonderem Schwerpunkt der Ösophagus- und Magenkarzinome.

Im Jahr 2012 wurde Prof. Hans-Joachim Meyer zum Generalsekretär der DGCH gewählt. 2015 trat er das Amt des BDC-Präsidenten an. Er repräsentiert damit in Personalunion die angestrebte „Einheit der Chirurgie“. Ebenfalls seit 2015 vertritt er das Fach Chirurgie im Präsidium der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF).

Er ist darüber hinaus Träger der Ehrendoktorwürde der Jagiellonien Universität Krakau.

Wo sehen Sie die Trennlinie zwischen einer Kommerzialisierung und einer Ökonomisierung in der Medizin?

Meyer: Wir sehen ganz klare Veränderungen in der Krankenhauslandschaft. Seit Jahren konstatieren wir eine Zunahme der privatwirtschaftlichen Krankenhausträger im Vergleich zu den gemeinnützigen und den kommunalen. Und bei privaten Krankenhausträgern haben wir in der Vergangenheit teilweise deutliche Maßnahmen zur Kostenreduktion gesehen. Zuerst wurde die Kostensäule Pflege ausgedünnt, dann ist man zur Kostensäule Ärzte übergegangen. Ein Beispiel hierfür ist auch der sogenannte Physician Assistant als Arztersatz, den ich klar ablehne, als Unterstützung für den Arzt im Sinne einer Delegation habe ich nichts dagegen. Bei einigen privatwirtschaftlichen Trägern ist die Problematik erkannt worden. Ein Punkt trifft allerdings eindeutig zu: Die Zahl der Mitarbeiter, die ich noch zu meiner Zeit hatte, sind heute bei weitem nicht mehr möglich.

Schauen wir in die Zukunft, Herr Prof. Meyer. Über Jahrhunderte hat sich an der Art und Weise wie am Menschen operiert worden ist wenig geändert. Dann war sicherlich ein großer Meilenstein die minimalinvasive Chirurgie und heute sprechen wir von der robotergestützten Chirurgie. Wie wird sich das Fach Chirurgie dadurch verändern?

Meyer: Es hat sich seit den 80er Jahren sehr viel verändert. Als wir in der MHH die ersten Entfernungen der Gallenblase minimalinvasiv durchgeführt haben, hat mein damaliger Chef gesagt: Das ist furchtbar. Das ist kein Operieren, das ist ein – in bayerisch – Gezutzel. Das lag aber vor allem daran, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht die geeigneten Instrumentarien zur Verfügung standen, die’s heute gibt.

Wir sollten allerdings auch Entwicklungen im Blick haben wie diese: Mittlerweile bieten die amerikanischen Kollegen Kurse an: How to do it in open surgery? Die junge Generation hat zum Teil gar nicht mehr gelernt, offen zu operieren. Durch technische Verbesserungen ist in der Vergrößerung bei minimalinvasiven Eingriffen alles ganz wunderbar zu sehen. Aber es geht auch das Gefühl, das Haptische verloren, das meiner Meinung nach auch sehr wichtig ist, wenn im Zweifelsfall ein Patient dann doch offen operiert werden muss.

Gegen robotergestützte Chirurgie, die heute in aller Munde ist, ist nichts einzuwenden, aber es muss immer noch ein Mensch dahinterstehen, der das Ganze kontrolliert, der auch vorgibt, wo wird der Clip gesetzt, was wird durchgeschnitten. Insgesamt ist es natürlich angenehmer, wenn man vor einer Konsole sitzt und das ganze Operationsfeld vergrößert vor sich sieht und auch die Instrumente besser bewegen kann. Fazit ist aber auch: Wir können heute noch nicht eindeutig belegen, dass die roboterassistierte Chirurgie bessere Ergebnisse aufweist als eine gut durchgeführte minimalinvasive Chirurgie.

Zur Zukunft gehört auch der Nachwuchs. Hat die Chirurgie ein Imageproblem? Studien belegen, dass angehende Mediziner, gerade im PJ, sich vom chirurgischen Fach abwenden. Ist das so und was könnte man dagegen tun?

Meyer: Das ist ein Problem, welches nicht neu ist. Die Zahlen schwanken, je nach Umfrage. Ich halte es für illusorisch, in der Chirurgie auf ein hierarchisches Gefüge völlig verzichten zu können. Einer muss das Ruder in der Hand halten und sagen: Hier geht’s lang. Meiner Meinung nach ist das der Erfahrenste,  der den Eingriff sicher beherrscht. Den in Weiterbildung befindlichen Kollegen müssen die Erfahrenden also helfen und ihm die nächsten Schritte vorgeben. Wir müssen die jungen Leute vielmehr begeistern. Das heißt, es liegt an uns, die jungen Leute zu motivieren. Nur so können wir den Nachwuchs für das facettenreiche Gebiet Chirurgie begeistern. Denn mit Arroganz und Ignoranz kann mit Sicherheit kein Nachwuchs gewonnen werden.

Kostenfreier Livestream mit Livechat: Update zu Covid-19

Liebe Mitglieder, liebe Kollegen,

wir dürfen Sie über die kommenden Sendungen des Covid-19 Update, bei dem der Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC) Kooperationspartner ist, informieren und Sie herzlich zum Livestream mit Livechat einladen:

21. Juli 18:00 bis 19:00 Uhr mit den Fokusthemen News — Kardiologie/Angiologie/Nephrologie — Adipositas/Diabetes
Hier gelangen Sie direkt zum Beitrag.

Im Nachgang stehen die Sendungen als Video-on-Demand jederzeit auf der Plattform zur Verfügung.

Die Sendung ist kostenfrei für Ärzte und Ärztinnen!

  • Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland: Bitte registrieren Sie sich als Arzt oder Angehöriger der Fachkreise auf der Online-Plattform streamed-up.com mit ihrer EFN-Nummer oder einem gleichwertigen Nachweis.
  • Kolleginnen und Kollegen aus Österreich / Schweiz: Bitte registrieren Sie sich als Arzt oder Angehöriger der Fachkreise auf der Online-Plattform streamed-up.com mit ihrer Visitenkarte, Approbation oder einem gleichwertigen Nachweis.
  1. Kostenfrei auf streamed-up.com mit Ihrer EFN oder vergleichbarem Nachweis registrieren
  2. Kategorie »Covid-19« auswählen
  3. Gewünschten Beitrag als Livestream verfolgen oder als »Video-on-Demand« ansehen

Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!

Gemeinschaftspraxis oder MVZ für niedergelassene Chirurgen?

Der Trend zum Zusammenschluss niedergelassener Ärzte in Gemeinschaften ist ungebrochen. Für die gemeinsame Berufsausübung gab es vor 2004 lediglich die Möglichkeit, eine Gemeinschaftspraxis zu gründen. Durch vielfältige gesetzliche Änderungen hat sich das Portfolio der ärztlichen Kooperationen deutlich erweitert. Dazu zählen neben den klassischen Konstrukten der (fachübergreifenden) Gemeinschaftspraxis/Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) und der Praxisgemeinschaft auch die medizinischen Versorgungszentren (MVZ).

Praxis-Gemeinschaft

Die einfachste Form der Zusammenarbeit ist die Praxis-Gemeinschaft, bei der die Räume, Geräte und das Personal gemeinsam genutzt werden, die ärztliche Berufsausübung und die KV-Abrechnung aber strikt getrennt erfolgen. Eine solche Zusammenarbeit bietet Chancen für eine optimierte Ressourcennutzung, beinhaltet aber auch stets ein Risiko der Plausibilitätsprüfung bei mehr als 20 Prozent (bzw. 30 Prozent bei fachübergreifenden Gemeinschaften) gemeinsamen Patienten. Seit der dementsprechenden mehrfachen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (Az.: B 6 KA 2/14) hat die Attraktivität dieser Kooperationsform erheblich nachgelassen.

„Gemeinschaftspraxis“/Berufs­ausübungsgemeinschaft (BAG)

Bis zur Einführung der MVZ im Jahr 2004 war dies die klassische Gestaltung einer ärztlichen Kooperationsgemeinschaft. Im Gegensatz zur Praxis-Gemeinschaft wird hier die ärztliche Tätigkeit gemeinsam ausgeübt und ein gemeinsamer Betrieb geführt, meist in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder einer Partnerschaftsgesellschaft. Jeder Partner der Gesellschaft ist an unternehmerischen Entscheidungen sowie am Wert und am Gewinn beteiligt, haftet aber letztlich auch mit seinem Privatvermögen für die Verbindlichkeiten. Einzelheiten zu den Gestaltungsmöglichkeiten einer BAG finden sich in der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte [1, § 33]. Der Begriff „Gemeinschaftspraxis“ findet sich dort nicht mehr.

So angenehm diese kollegiale Zusammenarbeit in der BAG sich darstellt, so belastend und ärgerlich kann es werden, wenn einzelne Partner aus der Gesellschaft ausscheiden oder sich diese gar ganz auflöst. Ein ausgefeilter Gesellschaftsvertrag sollte daher die Grundlage der Kooperation sein und möglichst alle Eventualitäten umfassend regeln.

Für Chirurgen ist eine gemeinschaftliche ­Praxis-Tätigkeit besonders attraktiv, weil diese im Rahmen der gegenseitigen Vertretung die Möglichkeit erleichtert, z. B. als Belegarzt, als Kooperationsarzt oder als Teilzeit-Angestellter in einem Krankenhaus zu arbeiten. Dabei ist allerdings die aus der Rechtsprechung entwickelte Begrenzung einer anderweitigen Tätigkeit zu beachten.

Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ)

Diese Form der ärztlichen Kooperation wurde ab 2004 mit dem GKV-Modernisierungsgesetz im SGB V im § 95 verankert. Hintergrund war zum einen die Absicht des Gesetzgebers, damit die ärztliche Versorgung in ländlichen Gebieten zu fördern und zum anderen, den ehemaligen Polikliniken der DDR eine rechtliche Grundlage zum weiteren Betrieb zu schaffen. Der wesentliche Unterschied zur BAG ist, dass ein MVZ außer als Partnerschaftsgesellschaft bzw. GbR auch als Genossenschaft oder als GmbH betrieben werden kann. Seit der Einführung der MVZ hat es hierzu zahlreiche Anpassungen und Änderungen gegeben, die teilweise auf Missbrauch oder unerwünschte Effekte zurückzuführen waren. Zum Gründerkreis gehören insbesondere Vertragsärzte und Krankenhäuser. Neuerdings ist auch die Gründung durch Kommunen in öffentlich-rechtlicher Rechtsform möglich.

Wesentlichster Unterschied zwischen BAG und MVZ ist also die Rechtsform bzw. die Frage nach dem Inhaber der Vertragsarztzulassung. Während bei der BAG grundsätzlich jeder Partner über eine eigene, personengebundene Zulassung verfügt und sich damit die Genehmigung der Gemeinschaft aus der Summe dieser Einzelzulassungen speist, ist beim MVZ die MVZ-Trägergesellschaft unmittelbar selbst Inhaberin der Zulassung. Man spricht in diesen Fällen von einer institutionellen Zulassung.

Die Besonderheit der MVZ liegt somit darin, dass sie formal als juristische Person an der Versorgung der GKV-Versicherten teilnehmen. Dadurch entstehen häufig Strukturen, bei denen die Ebene der ärztlichen Leistungserbringung von der Ebene der Verwaltung bzw. der Träger getrennt ist, während in Gemeinschaftspraxen eine Personenidentität zwischen ärztlichen Partnern und Gesellschaftern per Definition vorgegeben ist.

Zulassungsbeschränkungen nach der Bedarfsplanung gelten allerdings für Vertragsärzte wie MVZ gleichermaßen. Die statistischen Trends aus den letzten Jahren werden im Kasten „Haben Sie gewusst…“ dargestellt. Die Abbildung 1 demonstriert den Trend zum MVZ in den letzten Jahren.

Abb. 1: Zunahme der Anzahl der MVZ von 2008 bis 2018. (Quelle: KBV, Bundesarztregister)

Motivation für MVZ- Gründungen aus der Sicht der Krankenhäuser

Für Krankenhäuser eröffnet die Gründung eines MVZ einen umfassenden Zugang zum ambulanten vertragsärztlichen Versorgungsbereich. Dieser ist ansonsten nur über die zeitlich und vom Umfang her begrenzten, bedarfsabhängigen Ermächtigungen von leitenden Ärzten zugänglich. Die Zulassungsausschüsse (ZA) handhaben in vielen Regionen die Gewährung von Ermächtigungen äußerst restriktiv. Dies wird häufig zu Recht kritisiert, denn der Zugang zur fachlichen Expertise von Spezialisten in den Kliniken ist auch für die Versorgung von ambulanten chirurgischen Patienten wertvoll. Nach Auffassung des Autors sind Ermächtigungen daher grundsätzlich sachgerecht, solange sie auf Überweisungen durch fachgleiche niedergelassene Vertragsärzte eingeschränkt und von den ermächtigten Krankenhausärzten auch persönlich ausgeübt werden. Eine Prüfung des Versorgungsbedarfs ist bei persönlichen Ermächtigungen allerdings gesetzlich vorgegeben.

Sollen die Beschränkungen der Ermächtigungen vermieden werden bietet sich für die Krankenhäuser die Gründung eines MVZ an. Im MVZ müssen mindestens zwei Ärzte im Umfang mindestens eines Vertragsarztsitzes tätig werden. Dazu ist i. d. R. der Aufkauf mindestens einer vertragsärztlichen Praxis (mit Zulassung/Vertragsarztsitz) erforderlich. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die MVZ-Gründung wurden in den letzten Jahren immer weiter abgesenkt. Entsprechend der ursprünglichen Idee einer umfassenden medizinischen Versorgung (entsprechend den Polikliniken in der ehemaligen DDR) war es bis Juli 2015 erforderlich, dass in einem MVZ mindestens zwei Fachgruppen vertreten sind. Diese Voraussetzung besteht nunmehr seit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) nicht mehr.

Über die Motivation der Krankenhausverwaltungen hinaus ist durchaus auch der Wunsch der leitenden Krankenhauschirurgen nachvollziehbar, einzelne Patienten im gesamten Verlauf der Erkrankung, also auch im Rahmen der Diagnostik, vor allem aber im postoperativen Verlauf zu betreuen.

Motivation für die Tätigkeit in einem MVZ aus der Sicht der niedergelassenen Chirurgen

Für niedergelassene Chirurgen ist es teilweise sogar in attraktiven großstädtischen Lagen schwierig, Nachfolger für ihre Praxen zu finden. Dies liegt zum einen an den abweichenden Lebensmodellen der potenziellen Nachfolger, zum anderen aber häufig daran, dass ambulante Operationszentren betrieben werden, so dass der Kapitaleinsatz für eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger abschreckend hoch wäre. Hier wählen nicht wenige chirurgische Kollegen den Weg eines Verzichts auf die eigene Zulassung zu Gunsten einer Anstellung in einem MVZ. War dies früher ein gerne gewählter strategischer Schachzug, so hat das Bundessozialgericht dieses Vorgehen mit einem Urteil vom Mai 2016 (Az.: B 6 KA 21/15 R) eingeschränkt. Dort wurde festgelegt, dass die Nachbesetzung einer Arztstelle erst dann möglich ist, wenn bei dem verzichtenden Arzt die Absicht besteht, zumindest drei Jahre lang als Angestellter tätig zu sein. Trotz dieser Einschränkung stellt dies für Chirurgen eine Möglichkeit dar, gleitend aus dem Berufsleben auszuscheiden und noch einen auskömmlichen Beitrag zur Alterssicherung aus dem Verkauf der Praxis und des Patientenstamms zu erzielen.

Dieser Artikel soll im Folgenden die Frage beleuchten, welche Argumente es für die wachsende Anzahl von chirurgischen Gemeinschaften gibt, entweder weiterhin als Gemeinschaftspraxis oder als MVZ zu firmieren. Die Perspektive der angestellten Ärzte steht nicht im Fokus dieses Beitrags und soll in einem späteren Artikel in der Passion Chirurgie betrachtet werden.

Anteil angestellter Ärzte in chirurgischen Praxen = 37,40%

Status

Gesamt nach Personen 2017

Gesamt nach Personen 2018

Vertragsärzte

3.068

2.858

Partnerärzte (Job-Sharing)

23

26

Angestellte Ärzte in Einrichtungen

1.084

1.365

Angestellte Ärzte in in freier Praxis

334

359

Chirurgen gesamt

4.509

4.608

Abb. 2: Steigender Anteil von angestellten Ärzten in der chirurgischen Niederlassung (Quelle: KBV, Bundesarztregister)

Haben Sie gewusst, dass…

… nach Angaben der Bundesärztekammer (2018) rund 28.700 ChirurgInnen bundesweit tätig sind, davon ca. 4.700 vertragsärztlich (ohne Ermächtigte)?

… mehr als ein Drittel dieser rund 4.700 vertragsärztlich tätigen ChirurgInnen im Angestelltenverhältnis tätig sind?

… 2010 noch ca. 1.800 ChirurgInnen in Einzelpraxen tätig waren und die Anzahl bis 2018 auf unter 1.500 gefallen ist?

… die Anzahl ChirurgInnen in Berufsausübungsgemeinschaften (BAG, „alte“ Gemeinschaftspraxis) dabei in den letzten 10 Jahren nahezu konstant geblieben ist und leicht über 1.600 liegt?

… sich gleichzeitig die Anzahl der im MVZ tätigen Chirurgen von gut 600 auf rund 1.400 mehr als verdoppelt hat? Dies entspricht dem allgemeinen Trend über alle Fachgruppen hinweg.

… die niedergelassenen ChirurgInnen sich damit aktuell sehr gleichmäßig auf Einzelpraxen, BAG und MVZ verteilen?

… mit Abstand die meisten Chirurgen im MVZ in Bayern tätig sind?

… innerhalb aller ärztlichen Fachgruppen die Chirurgen und Orthopäden zusammen die drittgrößte Gruppe angestellter Ärzte, nach den Internisten und Allgemeinärzten, stellen?

… knapp sich die Hälfte aller MVZ sich in Trägerschaft von Krankenhäusern befindet?

Quellen: Statistische Informationen aus dem Bundesarztregister, KBV (2018) und Ärztestatistik der Bundesärztekammer (2018)

Gemeinschaftspraxis oder MVZ – Vor- und Nachteile

Aus eigener Betroffenheit beschäftigt sich der Autor seit vielen Jahren mit der Frage, ob die bestehende BAG in ein MVZ umgewandelt werden sollte. Die stetig sich weiter entwickelnden gesetzlichen Bedingungen erfordern eine regelmäßige Überprüfung der Entscheidungsgrundlagen.

Anstellung von Ärzten

Der Anteil angestellter Ärztinnen und Ärzte nimmt kontinuierlich zu und beträgt bei den niedergelassenen Chirurgen schon mehr als ein Drittel (Abb. 2). Insbesondere junge Chirurginnen und Chirurgen suchen auch im vertragsärztlichen Bereich (zumindest vorübergehend) eine Anstellung. Für die Geschäftsführung der BAG bzw. des MVZ ist es wichtig, den Prozess der Anstellungs-Genehmigung bürokratiearm zu gestalten. Die Umwandlung einer vertragsärztlichen Zulassung in eine Anstellung muss beim ZA beantragt und von dort genehmigt werden.

Grundsätzlich können je Vollzulassung bis zu drei Ärzte (bei technischen Fächern vier Ärzte) angestellt werden. Je Teilzulassung können ein Arzt vollschichtig oder maximal zwei Ärzte teilschichtig angestellt werden. Diese Begrenzung gilt nur für einzelne Ärzte oder BAG, jedoch nicht für MVZ.

Die Anstellung von Ärztinnen und Ärzten ist jedoch sowohl in einer BAG als auch in einem MVZ nur im Rahmen der vorhandenen Vertragsarztsitze möglich. Dabei zählen alle Anstellungen bis zu zehn Stunden als Viertel-Sitz, bis 20 Stunden als ein halber, bis 30 Stunden als Drei-Viertel- und über 30 Stunden als voller Sitz in der Bedarfsplanung. Kleinere Stückelungen der Sitze sind nicht vorgesehen. Eine Niederlassung auf einem Drei-Viertel-Sitz ist nicht möglich, lediglich eine Anstellung.

Eine hohe Anzahl von angestellten Ärzten birgt die Gefahr der Gewerbesteuerpflicht. Als Freiberufler sind niedergelassene Ärzte grundsätzlich von der Gewerbesteuer befreit. Dies erfordert jedoch, dass der anstellende Arzt die Grundzüge für die Organisation der Praxis und die Durchführung der Tätigkeiten verbindlich festlegt und regelmäßig überwacht. Er muss aufgrund seiner Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrollen auf die Behandlung jedes einzelnen Patienten Einfluss nehmen. So muss er an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang persönlich teilnehmen. Hierin spiegelt sich das Verständnis der Rechtsprechung vom Berufsbild des Arztes wider, das durch den persönlichen, individuellen Dienst am Patienten geprägt ist. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass die persönliche Prägung der Tätigkeit nicht möglich ist, wenn mehr als drei Angestellte beschäftigt werden oder ein angestellter Arzt ausschließlich in einer Zweigpraxis (sofern dies überhaupt zulässig ist) tätig ist.

Der Vorteil des MVZ gegenüber der BAG relativiert sich somit, es sei denn, dass eine eventuelle Gewerbesteuerpflicht als nicht relevant beurteilt wird.

Nachbesetzung von Angestellten-Arztsitzen

Hier gibt es keinen Unterschied zwischen BAG und MVZ. Sämtliche Änderungen sind beim ZA zu beantragen und genehmigungspflichtig. Der ZA prüft dabei die persönlichen und fachlichen Voraussetzungen der Angestellten. Eine Ausschreibung ist nicht erforderlich, solange nur vorhandene Arztsitze mit anderen Ärzten nachbesetzt werden.

Leerbewerbung auf ausgeschriebene Vertragsarztsitze z. Zt. nicht zulässig

Grundsätzlich ist die Bewerbung auf einen ausgeschriebenen Sitz nur persönlich möglich. Bei Konkurrenzbewerbungen hatte der Gesetzgeber bislang im § 103 SGB V mit der Möglichkeit, die Ergänzung des besonderen Versorgungsangebots geltend zu machen, einen Vorteil für die MVZ bei der Auswahlentscheidung festgeschrieben. Nach dem TSVG gilt dies nunmehr auch für Vertragsärzte und BAG mit einem besonderen Versorgungsangebot entsprechend. Aktuell hat das BSG (Az.: B 6 KA 5/18 R) entschieden, dass sich MVZ und Vertragsärzte derzeit nicht auf einen ausgeschriebenen Sitz bewerben können, ohne dafür einen konkreten Bewerber zu benennen. Das BSG hat somit eine so genannte „Leerbewerbung“ abgelehnt. Es sei dem Zulassungsrecht und dem SGB V fremd, dass „leere Arztstellen“ vergeben werden können, so dass der Gesetzgeber hier zunächst die weitere Ausgestaltung nachbessern müsse, um diese Möglichkeit zu eröffnen.

Änderungen der Arbeitszeiten von angestellten Ärzten

Eine Änderung der wöchentlichen Stundenzahl eines angestellten Arztes muss dem ZA mitgeteilt werden. Sie ist genehmigungspflichtig, wenn dadurch bei einem angestellten Arzt eine Erhöhung des Anrechnungsfaktors in der Bedarfsplanung eintritt (z. B. von zehn (viertel Arztstelle) auf 20 Stunden (halbe Arztstelle). Eine Genehmigung ist möglich, wenn die Erhöhung mit einer entsprechenden Reduzierung der Arbeitszeit eines anderen angestellten Arztes einhergeht und damit bedarfsplanungsneutral erfolgt.

Tätigkeit an mehreren Standorten

Berufsrechtlich ist die Tätigkeit eines Vertragsarztes auf maximal 2 zusätzliche „Nebenbetriebsstätten“ neben dem Praxissitz, z. B. Zweigpraxen oder ausgelagerte Praxisräume, begrenzt. Eine solche Limitierung gibt es für MVZ nach der Rechtsprechung nicht. Allerdings darf jeder im MVZ tätige Arzt nur an jeweils maximal zwei anderen Betriebsstätten tätig sein. Dies ist in den Arbeitsverträgen und Organisationsanweisungen des MVZ sicherzustellen.

Weiterhin gilt für BAG die Begrenzung, dass der zeitliche Umfang der Tätigkeit eines jeden zugelassenen Arztes am Hauptstandort den zeitlichen Umfang der Tätigkeit an weiteren genehmigten Orten der Leistungserbringung überwiegen muss. Diese Regelung gilt grundsätzlich auch für Ärzte in MVZ, jedoch nicht für den einzelnen Arzt, sondern für die Leistungen der betreffenden Fachgruppe und für die Leistungen des MVZ insgesamt.

Diese Aspekte der Filialisierung können bei größeren Gemeinschaften einen durchaus relevanten Vorteil für die MVZ bei der strategischen Ausrichtung, aber auch bei der Personal- und Arbeitsplanung darstellen.

Interne Vertretungsregelung

Gemäß einem aktuellen Urteil des Bundessozialgerichts (Az.: B 6 KA 9/18 R) vom 30.10.2019 ist die ärztliche Vertretung innerhalb eines MVZ nur im Rahmen der Bedingungen der Zulassungsverordnung für Ärzte zulässig, also wegen Urlaub, Krankheit oder Fortbildung bis zu einer Vertretungsdauer von drei Monaten innerhalb von 12 Monaten. Darüber hinaus bedarf die Innenvertretung durch einen anderen angestellten Arzt im MVZ der vorherigen Genehmigung durch die KV. Für die BAG ist die gegenseitige Vertretung deutlich flexibler möglich, allerdings auch limitiert durch die Fachgleichheit der jeweiligen Versorgungsbereiche bei fachübergreifenden BAG, durch Budgets und die Notwendigkeit, den Versorgungsauftrag auszufüllen. Hier hat die BAG allerdings Vorteile gegenüber einem MVZ.

Investitionen und Kapitalbeschaffung

Insbesondere in den methodenbasierten Fächern, z. B. in der Labormedizin, in der Radiologie und in der Dialyse besteht häufig ein hoher Kapitalbedarf für Investitionen in aktuelle und innovative Technik. Hier stoßen ärztliche Gemeinschaften gelegentlich an ihre finanziellen Grenzen, so dass sich die Frage von externen Kapitalgebern stellt. Finanzinvestoren in der ambulanten Versorgung werden in letzter Zeit zunehmend kritisch in der Presse, der Ärzteschaft und der Politik bewertet. Die allgemeine Befürchtung ist, dass ausländische Investoren sich über Private Equity Gesellschaften in die ambulante Versorgung einkaufen mit dem Ziel, die Patientenversorgung auf Rendite zu trimmen. Dieser Trend ist in bestimmten Bereichen, aktuell vor allem in der Zahnmedizin und in der Augenheilkunde, zu erkennen. Die Chirurgie scheint davon (noch) nicht betroffen zu sein.

Allgemein ist zu kritisieren, dass zum Engagement von Kapitalgesellschaften bei MVZ jegliche Transparenz fehlt und somit eine Beurteilung schwierig ist. Es laufen zurzeit zahlreiche Initiativen auf regionaler Ebene und auch über den Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages, der sich erst am 04.03.2020 mit diesem Thema beschäftigt hat.

Fazit

Der Trend zur gemeinschaftlichen Berufsausübung in der Niederlassung ist auch im Bereich der Chirurgie unaufhaltsam. Dies entspricht den Wünschen der nachrückenden Chirurgengeneration nach fachlichem Austausch, geregelten Arbeitszeiten, Minimierung von bürokratischen Aufgaben und flachen Hierarchien. Die geltenden gesetzlichen Bestimmungen gestatten zur Umsetzung dieser Konzepte eine Vielzahl von rechtlichen Konstruktionen sowohl als klassische (fachübergreifende) BAG als auch als MVZ. Die Entscheidung für oder gegen eine der möglichen rechtlichen Konstruktionen ist von einer Vielzahl von Einflussfaktoren abhängig. Dabei spielen historische, regionale, juristische und betriebswirtschaftliche Erwägungen ebenso eine Rolle wie steuerliche Aspekte und persönliche Präferenzen. Die Beurteilung und Bewertung der Argumente erfordert hohen Sachverstand und übersteigt in der Regel die betriebswirtschaftliche Kompetenz von Chirurgen. Daher ist für diese Entscheidungen eine fachliche Beratung durch die Kassenärztliche Vereinigung sowie durch erfahrene Medizin-Juristen und durch Steuerberater unumgänglich. Eine erste Orientierung bietet eine umfangreiche Informationsbroschüre der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) [2]. Für spezielle Fragen, insbesondere was das Fach Chirurgie betrifft, steht der BDC gerne beratend zur Verfügung.

Mein herzlicher Dank für juristischen Rat zum Thema und Durchsicht des Manuskripts geht an Herrn Dr. jur. Bernhard Specker, Hannover.

Tab. 1: Stichwortartige Übersicht über Vor- und Nachteile vom Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) und Medizinischem Versorgungszentrum (MVZ) für die Betreiber von chirurgischen Gemeinschaften

Pro BAG – Contra MVZ

Pro MVZ – Contra BAG

Viele rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten wie bei MVZ

Vielfältige Rechtsformen, Krankenhäuser als Gründer möglich

Mehr Freiheiten bei der gegenseitigen fachlichen Vertretung

Flexiblere Gestaltung von Anstellungen

Anzahl der Nebenbetriebsstätten unbegrenzt

Anzahl der angestellten Ärzte unbegrenzt

Finanzierung durch Kapitalgesellschaften möglich

Vermeidung eines möglichen Negativ-Images

Offensives Marketing über Konzerne

Einfache Steuererklärung durch Gewinn- und Verlustrechnung

Flexible steuerliche Gestaltung, aber Bilanzierung vorgeschrieben

Inhabergeführte Geschäftsführung die Regel

Komplexe rechtliche und betriebswirtschaftliche Konstruktionen erfordern hohen Beratungsaufwand und eigenständige Geschäftsführung

Literatur

[1] Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) https://www.gesetze-im-internet.de/zo-_rzte/BJNR005720957.html, zuletzt zugegriffen 3.5.2020

[2] Kassenärztliche Bundesvereinigung (Hrsg.) Medizinische Versorgungszentren. Ein Leitfaden für Gründer. 4. Auflage 2018. ISBN 978-3-7691-3591-6

Kalbe P: Gemeinschaftspraxis oder MVZ für niedergelassene Chirurgen? Passion Chirurgie. 2020 Juni,10(06): Artikel 03_02.

BDC-Praxistest: Neuregelung im MDK Verfahren – was muss man wissen, um nicht zu verlieren?

Das MDK Reformgesetz, das zum 01. Januar 2020 in Kraft getreten ist, ändert viele Vorgaben in der Krankenhausabrechnung. Unvorbereitet drohen zum Teil erhebliche Einnahmeverluste. Ziel dieser Übersichtsarbeit ist es deshalb, die unmittelbar für die Erlössituation relevanten Neuerungen darzulegen, beispielhaft zu illustrieren und mögliche Strategien anzubieten, mit denen die Neuregulierung begleitet werden könnte.

Abrechnungsprüfung als Instrument der Rückerstattung

Die Zahl der stationären Behandlungen in Deutschland beträgt ca. 20 Millionen/Jahr. Damit entstanden für die GKV in 2017 Kosten von ca. 75 Milliarden Euro/Jahr. Der GKV-Spitzenverband konnte nach eigenen Angaben über eine MDK-Prüfquote von 17 Prozent im gleichen Jahr eine Rückerstattung von ca. 2,8 Milliarden (ca. 4 Prozent) realisieren. Abrechnungsprüfungen sind für die Kostenträger also zu einem lukrativen und sehr zeitnahen Instrument der Kostenbegrenzung geworden, zumal Rückforderungen auch mit aktuellen Zahlungsforderungen der Krankenhäuser aufgerechnet werden.

Bundesweit fällt ein deutlicher Anstieg der Prüfquoten von zehn bis 17 Prozent in den Jahren 2007 bis 2015 auf über 20 Prozent in 2018 auf. Der GKV Spitzenverband berichtet parallel seit längerem auch in der Presse durchaus mit vorwurfsvoller Intention über einen hohen Anteil falscher Fallabrechnungen, und fordert eine grundsätzliche Verbesserung der Abrechnungsqualität. Das Thema wird aber kontrovers diskutiert. Denn aus Sicht der Krankenhausverbände ist nachgewiesen, dass die weit überwiegende Anzahl aller vom MDK geprüften Rechnungen als korrekt beurteilt wird. Moniert würden überwiegend solche Rechnungen, bei denen die Prüfer tatsächlich erbrachte Leistungen grundsätzlich in Frage stellten, wie etwa bei möglicher ambulanter Behandlung oder früherem Entlassungszeitpunkt. Grund dafür sind bekanntlich häufig fehlende Kapazitäten im ambulanten Bereich. Die diskrepanten Einschätzungen sind aber auch Ausdruck des hochkomplexen deutschen DRG-Systems mit seinen jährlichen Änderungen und Anpassungen und der im Verhältnis dazu vielerorts noch nicht ausreichend professionalisierten Kodier- und Abrechnungsstruktur. Beide Parteien, Krankenhäuser wie Kassen, sind an einer korrekten Abrechnung interessiert, doch viele komplexe Konstellationen stellen in der Abbildung im Kodiersystem eine echte Herausforderung dar, die vielfach konträr ausgelegt werden kann, und dann natürlich auch konträr diskutiert wird.

Die GKV ist bestrebt, ihre Ausgaben zu begrenzen – betriebswirtschaftlich gesehen ein sinnvoller Ansatz. Die Krankenhäuser versuchen ihre Erlöse zu optimieren – auch das ist betriebswirtschaftlich ein sinnvoller Ansatz. Um diesem Disput eine übergeordnete Instanz zu verschaffen, transformiert die aktuelle Reform den ehemaligen Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) in eine eigenständige Körperschaft, den Medizinischen Dienst (MD), der nun unabhängig die postulierte Rate an Fehlabrechnungen begrenzen soll. Klares Ziel der Reform ist die einheitlich und transparent gestaltete Prüfung der Krankenhausabrechnung. Strittige Kodier- und Abrechnungsfragen sollen systematisch vermindert werden. Dazu erhält der MD mit möglichen Strafzahlungen ein Sanktionsinstrument, das er dynamisch, aber nur auf einer Seite einsetzen kann. Maßregelungen der Kostenträger sind nicht vorgesehen, die Strafen für die Krankenhäuser besitzen einen kurzen, eigenen Katalog. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat vor dem hohen finanziellen Anreiz der Leistungskürzung gewarnt, und befürchtet ein bundesweites Defizit für Krankenhäuser um 400 Millionen Euro. Als besonders problematisch wird dabei der mögliche Fokus auf die Prüfung von Verweildauerverstößen beurteilt, die, wie bereits beschrieben, oftmals Folge ambulanter Strukturlücken und zudem aber auch sehr variabel interpretierbar sind.

Gesetzliche Neuerungen ab 01.01.2020

  • Eine nachträgliche Rechnungskorrektur ist nicht mehr erlaubt.

Damit muss anders als bisher im ersten Anlauf eine vollumfänglich sach- und fachgerechte Rechnung eingereicht werden. Die ehemals mögliche Nachreichung abrechnungsrelevanter Fakten und auch die Korrektur von formalen Fehlern entfallen.

Addendum: die Regelung wurde durch die ÜbergangsPrüfVv der Selbstverwaltungspartner bis zum 30.06.2020 außer Kraft gesetzt. Bis zum 30.06.2020 sind Rechnungskorrekturen also noch möglich.

  • Zur Ahndung von Rechnungsfehlern werden Strafzahlungen von 10 Prozent des Rechnungsänderungswerts, mindestens aber 300 Euro eingeführt.

Die Konsequenz dieses auf den ersten Blick wenig dramatisch erscheinenden Punktes wird im Folgenden noch genauer erläutert.

  • Die Prüfquote ist für 2020 auf 12,5 Prozent festgeschrieben. Sie wird für 2021 abhängig von der in 2020 ermittelten Korrekturquote nach einem festen Schlüssel festgesetzt.

Die Prüfquote wird also allein durch die prüfende Instanz festgelegt.

  • Die Prüffrist des MD wird von sechs Wochen auf vier Monate erhöht.

Damit können über einen viel längeren Zeitraum als bisher Fälle mit relevantem Kürzungspotential ermittelt, und dann auch ohne Zeitdruck durch den MD geprüft werden.

  • Die Korrekturquoten werden quartalsweise pro Krankenhaus durch den GKV Spitzenverband veröffentlicht.

Damit soll öffentlicher Druck erzeugt werden.

  • Strukturprüfungen erhalten erstmals eine Rechtsgrundlage.

Die Kliniken müssen alle Komplexbehandlungen, die sie in 2021 erbringen wollen, in 2020 durch den MD prüfen lassen. Die bestandene Strukturprüfung ist Voraussetzung für die Vereinbarung der Leistungserbringung in den anschließenden Budgetverhandlungen.

  • Die Neuregelung des Katalogs ambulanter OP-Leistungen kommt erst 2021.

Korrigierte Abrechnungen

Dieser Punkt ist deshalb so brisant, weil bisher zahlreiche Korrekturen einfach nachgereicht werden konnten. Formale Änderungen wie beispielsweise beim Entlassungsgrund (nach Hause, Verlegung in ein Akutkrankenhaus oder in eine Reha usw.) wurden bisher gar nicht sanktioniert. Allein eine Änderung des Entlassungsgrundes in z. B. „Verlegung“ kann jetzt aber nicht nur die bekannten Verlegungsabschläge nach sich ziehen, sondern bei Korrektur durch den MD dazu auch eine Strafzahlung von mindestens 300 Euro auslösen. Darüber hinaus erhöht sich mit jedem Fehler bei der Berechnung für 2021 die Gesamtfehlerquote, und damit unter Umständen automatisch auch die Prüfquote. Eine eigentlich nur formale Korrektur kann unter den neuen gesetzlichen Vorgaben nun also eine doppelte Bestrafung induzieren.

Im aktuellen deutschen Klinikalltag häuft sich dazu allein aus spezieller Labordiagnostik eine durchaus relevante Menge an nachlaufenden Befunden an. Oftmals ist daran auch die in den meisten Häusern noch nicht ausreichend fortgeschrittene Digitalisierung der Krankenakte beteiligt. Viele Befundsysteme sind nicht miteinander vernetzt. Stattdessen gehen viele Informationen bis heute noch in Papierform ein. Und am Ende der Behandlung muss die Akte dazu noch elektronisch (datensicher) verfilmt werden, um dann zur MD-Prüfung komplett vorzuliegen. Diese Bedingungen können in einem Großversorger pro Jahr leicht 100.000 Euro und mehr an rechnungserhöhender Korrekturen aus medizinisch begründeten Kodieränderungen auslösen.

Die auf den ersten Blick einfachste Lösung wäre mit dem Ziel einer exakteren Prüfungsmöglichkeit eine Verschiebung der Rechnungsstellung nach hinten, was aber in Abhängigkeit der Krankenhausgröße schnell Liquiditätsengpässe erzeugen kann. Das nachhaltigere Ziel muss also ein optimierter Aktenlauf sein. Dazu müssen die Disziplin der medizinischen Leistungserbringer verbessert, Befundungssysteme mit Schnittstellen versehen und Nachläufer vermieden werden. Befriedigend ist dieser Punkt zukünftig nur mit einer echten elektronischen Patientenakte zu erreichen, die faktisch bisher in kaum einer deutschen Klinik etabliert wurde.

Prüfquoten und Strafzahlungen

Die im neuen Gesetz festgelegte Prüfquote von 12,5 Prozent unterschreitet zwar die aktuelle Quote, wird allerdings ab 2021 dynamisiert, und kann damit die alte Rate deutlich übertreffen. Je nach Anzahl der auffälligen Fälle – nochmals: auch formale Fehler können dazuzählen – wird die Prüfquote gesteigert, genauso wie übrigens die Strafzahlungen (vgl. Abbildung 1). Zum jetzigen Zeitpunkt ist für 2020 bei einer Prüfquote von 12,5 Prozent von einer Strafzahlung in Höhe von 10 Prozent des Minderungsbetrages (mindestens 300 Euro) zusätzlich zum Minderungsbetrag auszugehen.

Abb. 1: Dynamisierung der Prüfquote ab 2021

Anteil Prüfung mit Beanstandung

Maximale Prüfquote

Strafzahlung (x % des Minderungsbetrages bis maximal 10 % des Rechnungsbetrages)

<40 %

5 %

0 %

40 % – 59 %

12,5 %

25 %, mindestens 300 Euro

60 % – 80 %

15 %

50 %, mindestens 300 Euro

>80 %

Unbegrenzt

50 %, mindestens 300 Euro + Anzeige Sozialministerium

Die Annahme einer Korrekturquote von ca. 40 % ist für viele Krankenhäuser nicht unrealistisch. Und formale Korrekturen sind dabei noch nicht mal eingeschlossen, so dass die abschließende Quote der dynamisierten Korrekturen vermutlich für manche Krankenhäuser noch höher ausfallen dürfte. Die daraus resultierende zukünftige Prüfquote wird übrigens allein durch den MD definiert, die einzelnen Krankenhäuser haben weder darauf Einfluss noch können sie die korrekte Quotenberechnung überprüfen.

Ob erfolgreiche Klagen gegen eine MD-Entscheidung rückwirkend Einfluss auf die Ermittlung der Prüfquote und die Strafzahlungen nehmen können, bedeutet unzweifelhaft einen langen Instanzenweg und erscheint vielen Juristen zudem wenig erfolgsversprechend. Auch durch eine in Nachhinein widerlegte Fehlentscheidung des MD werden also schwer zu korrigierende Fakten geschaffen. Pointiert formuliert drohen mit der Quotierung ab 2021 auf Krankenhausseite ungerechtfertigte Verluste in sechs- bis siebenstelliger Höhe. Aufgrund dieser gravierenden Auswirkungen der Gesetzesreform muss es prioritäres Ziel der Krankenhäuser sein, jeden Kürzungsansatz zu vermeiden und formale Fehler möglichst komplett zu eliminieren. Dies gelingt in erster Linie durch Schaffung klarer Verantwortungen in Verwaltung und Management und konsequente Schulungen der Behandlungsteams.

Dabei liegt im Zwist mit dem MD der Fokus auch in Zukunft am ehesten auf der Verweildauer. Denn eine Kürzung ist hier deshalb so interessant, da man – kolportiert – im Zweifel doch immer durch „Straffung des Behandlungsverlaufs“, kategorisches Definieren von „ambulantem Potential“ oder ein korrigierendes Umsetzen der Medikation (ex post!) leicht „einen, zwei oder drei Tage zum Streichen finden“ kann, und damit zugleich den Erlös mindert, eine Strafzahlung zur Refinanzierung des Prüfaufwandes generiert und die Prüfquote belastet. Es bedarf keiner großen Analyse, dass die Verweildauer das größte „Gefahrenpotential“ für Kürzungen bietet.

Strategien

Ziel der Bemühungen muss eine straffe Steuerung der Verweildauer sowie eine lückenlose Dokumentation des Behandlungsablaufs sein, um sowohl die stationäre Behandlung an sich als auch die Verweildauer ausreichend zu begründen. Als Krankenhaus lässt sich diesem Problem nur durch Optimierung sowohl der klinikinternen und als auch der fächerübergreifenden Abläufe begegnen.

Kommittent der Führungspersonen

Um ein hohe inhaltliche Überzeugung und ein starkes Engagement im Unternehmen zu erreichen erscheinen interdisziplinäre und berufsgruppenübergreifende Arbeitsgruppen der sinnvollste Ansatz. Die intensive Einbindung der Chefarztebene erleichtert dabei die Durchsetzung der notwendigen Maßnahmen, die dann mit ausreichendem Nachdruck auf die nachgeordneten Arbeitsebenen übertragen werden können. Regelmäßige Treffen der Arbeitsgruppen z. B. im 14-tägigen Rhythmus erleichtern die Bilanzierung der getroffenen Maßnahmen und die notwendigen Anpassungen.

Beispielrechnung

Der folgende fiktive, realitätsnahe Fall illustriert beispielhaft die Auswirkungen einer Verweildauerkürzung.

Diagnose: Bauchdeckenphlegmone mit Abszess nach laparoskopischer IPOM-Versorgung bei inkarzerierter Nabelhernie. Nebendiagnosen: Adipositas Grad III (initial 200 kg bei 184 cm, BMI 58,4 kg/m², bei Entlassung 160 kg), ARDS, Lungenarterienembolien bds., Stauungspneumonie, Septischer Schock, protrahiertes Weaning bei Delir. Therapie: Abszessspaltung mit VAC-Anlage, multiple Debridements und VAC-Wechsel, Tracheotomie, Langzeitintensivaufenthalt, Einleitung einer dauerhaften Antikoagulation. Verlauf: Nach langem Intensivaufenthalt Übernahme auf die Normalstation und spätere Verlegung in eine Reha-Einrichtung. Fallprüfung MD: Verkürzung der Verweildauer auf der Normalstation um sieben Tage.

Dies bedeutet für diesen Fall analog zu den oben genannten Prüfquoten und Strafzahlungen bei einer angenommenen Rechnungssumme von ca. 63.100 Euro:

In 2019 nur Erlösverlust durch gestrichene Tage:

ca. – 9.000 Euro

In 2020 zusätzlich Straf-Aufschlag in Höhe von 10 % des Differenzbetrages:

ca. – 9.900 Euro

In 2021 bei Beanstandungen von <40 % (keine Strafzahlung):

ca. – 9.000 Euro

bei Beanstandungen von 40–59 % (Strafe 25 % der Differenz)

ca. – 11.250 Euro

bei Beanstandungen >60 % (Strafe 50 % der Differenz)

ca. – 13.500 Euro

Maximalstrafe sind 10 Prozent des geminderten Abrechungsbetrags, d. h. bei weiterer Verweildauerkürzung reine Strafzahlung in diesem Fall ca. 5.411 Euro.

Dokumentation

Die konsequente, tägliche Dokumentation des Behandlungsverlaufs sowohl auf ärztlicher als auch auf pflegerischer Ebene ist nicht nur medizinisch sinnvoll, sondern auch das beste Mittel, um in der Diskussion mit dem MD zu bestehen. Angesichts der bürokratischen Belastung von Krankenhauspersonal ist die Durchsetzung dieses grundsätzlich doch einfachen Prinzips trotzdem traditionell sehr anspruchsvoll. Neben einem Mangel an Zeit bestehen häufig gerade bei jüngeren Mitarbeitern Unsicherheiten, was eigentlich dokumentiert werden soll. Hier böte sich als einfache Hilfestellung z. B. die verpflichtende Einführung von SOAP notes an, die täglich kurz die Beschwerden (Subjective), die Befunde (Objective), die Einschätzung (Assessment) und den Handlungsplan (Plan) skizzieren. Photographien können die Wunddokumentation sinnvoll ergänzen. Eine solche standardisierte Verlaufsbeschreibung erleichtert in Zeiten häufiger Personalwechsel auch die Wahrung der Behandlungskontinuität. Doch auch die medizinisch beste Dokumentation nützt in der MD-Prüfung wenig, wenn nicht klar daraus hervorgeht, dass die stationäre Behandlung indiziert und wirklich jeder Krankenhaustag gerechtfertigt ist. Das bedeutet, dass oftmals medizinisch nachgeordnete Sachverhalte, die primär nicht unbedingt dokumentationswürdig erscheinen, durchaus in der kritischen Durchsicht den entscheidenden Unterschied machen können. Einfache Beispiele aus der Chirurgie wären neben der Qualität von Drainagesekret auch die Menge oder eine Demenz als komplizierender Faktor der Compliance.

Visitenbegleitung

Nachhaltige Lerneffekte bei den dokumentationsverantwortlichen Ärzten und Pflegekräfte lassen sich durch regelmäßige Visitenbegleitungen erreichen. Kodierfachkräfte erkennen Versäumnisse in der Dokumentation direkt, und können dann sofort schulend intervenieren. Die enge Kooperation von Ärzten und Pflege mit dem Kodierwesen mag ethisch bedauerlich sein, erscheint in Hinblick auf eine stringente Dokumentation in heutigen Zeiten aber fast unerlässlich. Das interprofessionelle Verhältnis bleibt aber oft fragil, insbesondere, wenn Ärzte und Pflege sich aus durchaus gutem Grund auf ihren eigentlichen Aufgaben der Linderung und Heilung zurückziehen. Ärzte und Pflege machen primär Medizin, das Management Zahlen und Geld. Hier ist also seitens der Führungsebene eine behutsame Moderation nötig, bei der die Professionen ihre prädominanten Kernkompetenzen behalten, aber gleichzeitig ein Konsens in der Sache demonstrieren müssen. Ein simples Abwälzen der Dokumentation auf Arzt und Pflege wird ohne professionelle Begleitung und zielgerichtetes Steuern nur zu größerer Frustration und Abwehr führen. Das ist dann genauso kontraproduktiv wie die moralinsaure Begleitung jeder verwaltungstechnischen Neuerung durch die leitende Ärzteschaft oder die Pflegedirektion. In der praktischen Umsetzung sollte schließlich Pragmatismus walten. Im Idealfall wird die Dokumentation besser, aber nicht aufwendiger. Die automatisierte, optische Markierung kritischer Fälle im Krankenhausinformationssystem in Nähe zur unteren oder oberen Grenzverweildauer kann nach den Schulungen dann dauerhaft die Aufmerksamkeit erhalten.

Steuerung der Verweildauer

Die Steuerung der Verweildauer ist keine Zielgröße des leitenden Arztes, sondern eine Herausforderung für das gesamte Behandlungs- und Verwaltungsteam. Grundsätzlich und sehr simpel geht es um die Kombination optimaler Behandlungsergebnisse in einer ebenfalls optimalen Verweildauer. Die größte logistische Herausforderung sind dabei Patienten, welche nicht nach Hause entlassen werden können, weil sie entweder zu krank sind oder ambulant nicht versorgt werden können und oder zeitnah keinen geeigneten Versorgungsplatz bekommen. Um die intern beeinflussbaren Faktoren zu identifizieren, bietet sich im ersten Schritt eine Prozessanalyse im eigenen Haus an. Zielparameter sind dabei vordergründig Anmeldungen und Organisationsabläufe bei verschiedenen Verlegungs- oder Entlassungsoptionen, wie z. B. Akutgeriatrie, Geriatrische Reha, Kurzzeitpflege, Dauerpflegeeinrichtung, ambulante Pflege, Hospiz, ambulanter Pflegedienst, betreutes Wohnen etc.). Es empfiehlt sich diese Analyse primär in jeder Fachabteilung separat vorzunehmen, da sich hier sehr oft ein ganz inhomogenes Bild zeigt. Im zweiten Schritt müssen dann die Schnittmengenbereiche identifiziert und betrachtet werden. Das betrifft dann vor allem den Bereich der hausinternen Verlegungen. Dazu zählen aber auch ein zeitnahes Konsilwesen, stringente Diagnostikleistungen (Radiologie, Endoskopie, Funktionen) und das flexible Nachsteuern bei Personalengpässen. Lösungsansätze für das Gesamthaus erarbeitet man interdisziplinär unter Einbezug der Leitungsebene.

Fazit

Die im MDK Reformgesetz beinhaltete Neuregelung der Krankenhausabrechnung stellt die stationären Leistungserbringer ab 2020 vor große Herausforderungen, denen man nur als kooperierendes Kollektiv erfolgreich begegnen kann. Die durch Regress und Strafen zu erwartenden Verluste, die für große Versorger ohne weiteres eine Größenordnung zwischen 500 Tsd bis zu 1 Mio Euro betragen können, werden sich wahrscheinlich nicht komplett ausgleichen lassen. Diese Option würde auch das Gesetz ad absurdum führen, denn es ist zu aller erst ein weiteres Instrument zur Krankenhausschließung. Die wirtschaftliche Situation verschärft sich zusätzlich noch durch die Ausgliederung der Pflege aus der DRG, die Personaluntergrenzen, die Tarifabschlüsse sowie die immer wachsenden Allgemein- und Sachkosten. Eine Fallzahlsteigerung zum Ausgleich der Belastungen ist dabei mittlerweile unrealistisch, da in Deutschaland seit ca. zwei Jahren ein Fallzahlplateau erreicht zu sein scheint. Die Aufgabe ist also bekannt. Kluges, gesetzeskonformes Handeln kann die negativen Effekte der reformierten Abrechnungsprüfung relevant mindern.

Krones CJ: Neuregelung im MDK Verfahren – was muss man wissen, um nicht zu verlieren? Passion Chirurgie. 2020 Juni, 10(6): Artikel 05_01