Alle Artikel von Carsten Johannes Krones

Editorial 01/02-2024: Perioperative Medizin – das Gesamtkonzept muss stimmen

Zur Ausgabe 01/02/2024: Perioperative Patientenbetreuung

Erfolgreiche Chirurginnen und Chirurgen laufen immer Gefahr sich in der operativen Handlung zu verlieren. Der Rausch der Tat lässt – frei nach Friedrich Stelzner – oft nicht nur die wissenschaftliche Überprüfung des chirurgischen Tuns in den Hintergrund treten, sondern vergisst auch die individuelle Funktionalität des Patienten als finales Primat des wahren Erfolgs. Es reicht aber nicht aus, dass der Eingriff technisch einwandfrei erfolgt. Am Anfang wie am Ende steht der ganze Mensch.

Ein Schlüssel zum umfassenden und nachhaltigen chirurgischen Erfolg stellt eine aufmerksame und individuell angepasste perioperative Betreuung. Nachdem lange Zeit Finessen in der Eingriffstechnik im Vordergrund des Strebens nach Verbesserung standen, hat sich der chirurgische Blickwinkel mittlerweile gespreizt. Nach Fast-track und ERAS präsentieren sich mit der Prähabilitation und dem Entlassmanagement jetzt zwei weitere Aspekte im Fokus des operativen Erfolgs, die vom eigentlichen Kerngeschäft nur scheinbar weit entfernt liegen.

Prähabilitation konditioniert Physis und Psyche bereits vor dem Eingriff um einen größtmöglichen postoperativen Erfolg zu garantieren. Sie startet die Therapieschleife zu Hause. In Analogie zu üblichen Trainingseffekten scheint hier ein großes Potential zu liegen, auch wenn wissenschaftliche Vorteile zumindest für die Viszeralchirurgie noch nicht sicher erbracht sind.

Das Entlassmanagement wiederum schließt den Behandlungsbogen dann wieder mit der Rückkehr ins ambulante Umfeld. Dieser lange unterschätzte Schritt verdient eine deutliche Professionalisierung, da nichts dem genuinen Ziel der betroffenen Patienten mehr entspricht.

Doch keines der in diesem Thema vorgestellten Konzepte funktioniert ohne Personal. Die Pflegekrise – die wievielte Personalkrise im Krankenhaus ist das eigentlich? – ist untrennbar mit allen Fortschritten in der Chirurgie verbunden. Denn von echter Robotik, also dem Ersatz menschlichen Tuns, sind wir in unserem Fach noch weit entfernt.

In diesem Sinne lohnt sich die aufmerksame Lektüre der folgenden Artikel. Wir danken allen Autorinnen und Autoren für Ihre wertvollen Beiträge.

Krones CJ: Editorial Perioperative Medizin – das Gesamtkonzept muss stimmen. Passion Chirurgie. 2024 Januar/Februar; 14(01/02): Artikel 01.

Editorial: Nachhaltigkeit im Krankenhaus – Möglichkeiten und Nutzen

Zur Ausgabe 07/08: Nachhaltigkeit im Krankenhaus – Möglichkeiten und Nutzen

Utilitaristisch betrachtet fabrizieren Krankenhäuser Gesundheit – und gleichzeitig gehören sie zu den weltweit größten Produzenten von gesundheitsschädlichem Müll. Im Jahr 2019 fielen pro Krankenhausbett in Deutschland ca. 1.400 kg Müll an. Das entspricht drei 1-Personen-Haushalten. Pro Bett! Manche Schadstoffe wie z. B. die klimaschädlichen Narkosegase entstehen sogar nur im Gesundheitsbereich allein. Und auch der Wasser- und Energiekonsum verursacht einen immensen Ressourcenverbrauch. Insgesamt soll der Gesundheitssektor weltweit so für ca. 5 Prozent des CO2-Austoßes verantwortlich sein.

Nachhaltigkeit ist deshalb in vielen Krankenhäusern zu einem wichtigen Thema geworden. In der Tat schätzen Experten, dass durch Abfallvermeidung und Energiesparmaßnahmen innerhalb der Krankenhäuser bis zu 50 Prozent der CO2-Emissionen reduziert werden können. Doch was gibt es für Möglichkeiten, dies einzuschränken und welchen Nutzen haben die verschiedenen Maßnahmen?

Die nachfolgenden drei Artikel sollen Ihnen einen guten Überblick geben, was wirklich möglich ist, wie es durchgeführt werden könnte und welche wunderbaren Effekte dann entstehen.

Wir werden Ihnen in Zukunft verstärkt Artikel zum Thema Nachhaltigkeit im Gesundheitssystem, in Klinik und Praxis und im OP in der PASSION CHIRURGIE präsentieren. Diese Artikel kennzeichnen wir ab sofort mit unserem neuen Nachhaltigkeits-Symbol (s. o.). Wir hoffen, dass wir Ihnen mit unseren Beispielen Anregungen für Ihren Berufsalltag in Klinik und Praxis geben können. Auf BDC|Online finden Sie alle bisher publizierten Beiträge zum Thema in der Rubrik Wissen | Nachhaltigkeit.

Wir wünschen eine spannende Lektüre – und viel Erfolg bei der Umsetzung.

Vallböhmer D, Krones CJ: Editorial: Nachhaltigkeit im Krankenhaus, Möglichkeiten und Nutzen. Passion Chirurgie. 2023 Juli/August; 13(07/08): Artikel 01.

Prof. Dr. med. Carsten J. Krones

Leiter BDC-Themen-Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Chefarzt

Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie

Marienhospital Aachen

[email protected]

 

Prof. Dr. med. Daniel Vallböhmer

Leiter BDC-Themen-Referat Krankenhausstrukturen, sektorenübergreifende Versorgung und Nachhaltigkeit

Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie

Evangelisches Klinikum Niederrhein gGmbH

[email protected]

BDC-Praxistipp: Forget about Y – here comes Generation Z

Vorwort

Generation Z in der Chirurgie

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in deutschen Krankenhäusern ist in den letzten Jahren ein zunehmender Fachkräftemangel spürbar. Dies stellt die Kliniken vor immer größere Herausforderungen hinsichtlich Mitarbeiterakquise und -führung. Denn unabhängig von z. B. „Laumanns Krankenhausplan“ oder „Mindestmengenvorgaben durch den G-BA“, nur diejenigen Krankenhäuser werden eine Zukunft haben, die ausreichend kompetente Mitarbeiter für ihre Institution gewinnen können.

Und jetzt steht die Generation Z vor der Tür!

Aber was können wir von dieser Generation erwarten? Wie müssen wir uns aufstellen, um die jungen Menschen dieser Generation in Zukunft für unsere Bereiche als wertvolle Mitarbeitende zu gewinnen?

Die Generation Z, die „Digital Natives 2.0“, beschreibt die Geburtsjahrgänge ab 1994 und wird als realistisch, sicherheitsorientiert und anspruchsvoll bezeichnet. Die Vertreter dieser Generation möchten unabhängig sein und steigen mit großer Neugier, unter Nutzung aller digitalen Möglichkeiten, in das Arbeitsleben ein und erwarten ein optimales Verhältnis aus Arbeitsleben, Freizeit und Familie. Parallel hierzu verliert der Arbeitgeber an Stellenwert, was aber nicht bedeutet, dass die Generation Z weniger Leistungswillen zeigt.

Erhellende Lektüre wünscht

Prof. Dr. med. Daniel Vallböhmer

„Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn Sie die Zukunft betreffen“. Dieses Zitat, das je nach Quelle wechselnd Mark Twain, Niels Bohr oder Karl Valentin zugeschrieben wird, könnte diesen Beitrag einleiten und auch gleich wieder beenden. Denn es ist allgemein bekannt, dass Vorhersagen nur so treffsicher sein können, wie es die Breite Ihrer Beurteilungsgrundlage zulässt. Und es gehört zu einer besonderen Form der Dummheit, wenn Professionalisten ihre Weissagungen auf schwachen Erkenntnissen oder vagen Informationen basieren lassen. Die aktuellen Corona-Diskussionen in der Öffentlichkeit, aber auch die vielfältigen Publikationen zur robotischen Chirurgie in unserer eigenen Gemeinschaft stellen hier ganz aktuelle, geradezu tägliche Lehrbeispiele.

Denn von besonderem Anspruch sind Prognosen in volatilen, in einem Prozess befindlichen Betrachtungsfeldern. Gerade adoleszente Gesellschaftsschichten besitzen mit den vielfältigen externen aber auch internen psychischen und physischen Einflüssen diesen unbeständigen, labilen und manchmal gar sprunghaften Charakter. Und so lehnt diese Abhandlung auch jeden Anspruch auf wissenschaftliche Validität ausdrücklich ab.

Warum sollte man sich dann überhaupt mit den nachwachsenden Generationen und ihren Präferenzen, Rezeptionen, Zielsetzungen und Handlungsoptionen beschäftigen? Nun, dafür gibt es drei gute Gründe. Erstens handelt es sich bei der Generation Z um unsere Mitarbeitenden von morgen. Es gehört also zum personalpolitischen Pragmatismus jeder Team- oder Klinikleitung, hier gut orientiert zu sein. Zweitens sind zahlreiche Kinder vielen aktuell leitenden Ärzt:innen dieser Generation zugehörig. Wir begegnen ihr also nicht nur im Vorlesungs- oder Operationssaal, sondern selbst am eigenen Küchentisch. Es schadet auch nach persönlicher Erfahrung des Autors nicht, wenn Erziehungsbeauftragte in den systemimmanenten Diskussionen des engen Miteinanders nicht zu früh scheitern. Und schließlich laden Generationsdiskussionen doch immer zu amüsanten, illustrativen und manchmal auch herrlich spöttischen Exkursen ein.

Betrachtungen zu nachwachsenden Generationen sind wahrscheinlich so alt wie die denkende Menschheit. Der Aufstand der Jugend gegen das Establishment und die Empörung der Alten über den Verfall des Nachwuchses gehört wohl schon naturgemäß zum Generationswechsel. Das Netz strotzt geradezu vor antiken Zitaten berühmter Philosophen und Politikern wie Aristoteles oder Demosthenes, die sich in beißender Kritik an der Jugend abarbeiten. Nun stammen diese Zitate nach genauerer Recherche häufig nicht aus namhafter antiker Quelle, sondern dem reaktionären 18. und 19. Jahrhundert, und entlarven bei Gebrauch deshalb eher die schlechte Recherche des Nutzers als irgendeinen konstruktiven Beitrag zu leisten. Deshalb sollten wir uns zum Abschluss der Einleitung dringend der eigenen Phase juveniler Orientierung erinnern, bevor grobes Unverständnis jede partizipative Kommunikation blockiert. Wir waren in den frühen Jahren doch selbst von unserer ausschließenden Allwissenheit überzeugt, nur um im Alter mit steigender Erfahrung aber immer noch ohne absolutes Wissen haargenau das Gleiche zu behaupten.

Die Generation Z

Die Generation Z bezeichnet in der Regel die Jahrgänge zwischen 1995 und 2010. Die Grenzen schwanken dabei aber durchaus und je nach Autor vielleicht auch etwas willkürlich. Sie folgt damit der berüchtigten Generation Y (Millenials), zu der sich allein unter Google in 0,5 sec mittlerweile 1,14 Milliarden Einträge aufrufen lassen. Was nach Z kommt, firmiert aktuell unter dem Codewort Alpha.

Aber natürlich bieten die Mitglieder der Generation Z als Post-Millenials mehr als nur gemeinsame Geburtsjahrgänge. Sozialisationstheroretisch findet in der Jugend des Lebens die erste, intensive Auseinandersetzung mit Physis und Psyche sowie sozialer und physischer Umgebung statt. Die Angehörigen der verschiedenen Generationen treffen also in der prägenden Adoleszenz auf abweichende wirtschaftliche, politische, kulturelle oder – wie im Fall von Z besonders ausgeprägt – kommunikative Bedingungen. Diese veränderten äußeren Umstände gestalten im volatilen und vulnerablen Umbruch von Körper und Seele dann die generationstypischen Wünsche, Zielsetzungen und Bedürfnisse, die zusätzlich vor allem von der Generation der Eltern weiter moduliert werden.

Generationswechsel benötigen also als Auslöser immer eine Form des Umbruchs, der aber mit Ausnahme eruptiver Einzelereignisse wie z. B. der beiden Weltkriege zumeist schleichender Natur und multifaktoriell bedingt ist. Als wichtigste externe Einflüsse auf die Generation Z werden vielfach vor allem die frühkindliche Digitalisierung, der materielle Wohlstand, der günstige Arbeitsmarkt, die lebensstilfreudige Hyperindividualisierung und die Klima- und Umweltkrise aufgeführt.

Um sich in diesem weiten und vagen Feld aber nicht vollständig zu verlieren, wird sich dieser Beitrag auf fünf übergreifende Topics konzentrieren, die für chirurgisches Führungspersonal von Bedeutung sind.

Generation Z – Sozialisation und Erziehung

Die Kindheitsphase der Post-Millenials atmet durchgehend den Odem einer Einzelkind-Atmosphäre. „Du bist besonders“ steht als beherrschender Leitsatz selbst dann über allem, wenn sich die Schützlinge in der Weihnachtsaufführung 60 Minuten hinter dem Vorhang verstecken, im Sport jegliche Grundlagen der Gruppendisziplin vermissen lassen oder das Klassenzimmer der Grundschule als Solo-Bühne missinterpretieren. Man ist halt wie man ist. Elterliche und andere, erwachsene Autoritäten werden durch eine gleichberechtigte Partnerschaft ersetzt, wenn Fünfjährige familiäre Urlaubsziele bestimmen oder Teenager eisern ihre wundersamen Ernährungspläne durchsetzen. Grenzen verlieren hier ihre normative Realität und werden stattdessen zu einer verhandelbaren Fiktion. Daran sind die Erziehungsberechtigten aber nicht unbeteiligt, stellen die Kinder der Generation Z doch einen wesentlichen Teil der elterlichen Selbstinszenierung. Das alte Mantra von „Dir soll es einmal besser gehen“ hat dabei allgemein ausgedient. Unbeschränkte Selbstverwirklichung steht dagegen im Fokus und wahllose Freiheit ersetzt im elterlichen Sozialwettbewerb das frühere Streben nach Leistung. Skurrile Auslandsaufenthalte in der Schulzeit, die ihren Sinn allein aus touristischen Erwägungen ziehen, oder talentfreie, zum Teil sogar widersprüchliche, aber auf jeden Fall multiple Freizeitaktivitäten, die sich ohne Ziel allenfalls noch selbst genügen, stellen häufige Bestandteile des Projekts „mein Kind“. Spaß am Leben ist die übergeordnete Intention, der sich alles unterordnet. Und während sich ehemals kindliche Berufswünsche bis zur Quarta dann doch verliefen, verblüffen heute junge Studierende manchmal noch mit Lebensplänen, die an Alice im Wunderland erinnern. Das färbt übrigens auch nach oben ab, wie der Lebens- und Freizeitstil mancher Mittfünfziger blumig illustriert. Die Basis dieses Projekts stellt der hohe materielle Wohlstand der Industriegesellschaft. Darum sorgt man sich nicht mehr. Und doch ziehen auch dunkle Wolken über durch das Traumland der Generation Z, die sich wechselnd mit der Immobilien-, Banken-, Euro-, Öko-, Demokratie-, Fifa-, und Corona-Krise befassen musste. Doch dazu später.

Generation Z – Kommunikation und Lernen

Post-Millenials bilden die „real digital natives“. Seit allerfrühester Jugend kennen und nutzen sie den unbegrenzten, schnellen und ständigen Zugang zu digitalen Medien. Wer schon im Kinderwagen statt eines abwaschbaren Bilderbuchs einen elektronischen Empfänger sein eigen nennt, bleibt älteren Generationen auf diesem Gebiet auch später intuitiv überlegen. Die schon frühkindlich einsetzende, sehr starke, visuelle Prägung, setzt sich beim Heranwachsenden im breiten Angebot von Hard- und Software ungebremst fort. Doch auch wenn das ganz exzellent auf die Traumberufe des Influencers, Bloggers oder E-Sportlers vorbereitet, verkürzen die ständig wechselbaren Angebote die Aufmerksamkeitsspanne deutlich, was zumindest in traditionalistisch ausgerichteten Beschäftigungen von Nachteil sein kann. Zudem verlieren die konservativen Werte von Wissen und Verbindlichkeit an Macht. Man muss es gar nicht wissen, sondern nur die richtige App kennen. Konnektivität ersetzt in diesem Szenario das tradierte Expertentum, was durchaus Konflikte vorprogrammiert, wenn der jugendliche Glaube an digitale Kompetenzen von Älteren zu schnell als Respektlosigkeit gedeutet wird. Das in hohem Tempo wechselnde digitale Angebot erzeugt aber auch für die jungen Generationen schnell ein klassisches Dilemma, wenn es in Konkurrenz mit unumgänglichen, langen Ausbildungszeiten z. B. als Assistenzarzt steht. Warum breite, stabile Pyramiden bauen, wenn dünne Türmchen schneller zu erstellen sind und genauso hochragen. Dazu wirkt sich das zeitlich und räumlich variable digitale Lernen ganz erheblich auf das soziale Miteinander aus. Vorlesungen in der Zoom-Konferenz lassen sich wohl ganz bequem in Joggers und Socken auf dem Sofa besuchen, die klassische Gruppendynamik eines vollen Hörsaals geht dabei aber gänzlich den Bach runter. Diese soziale Vereinzelung konterkariert in der Medizin nicht nur einen wesentlichen Teil des „sprechenden Berufs“, sondern bedeutet auch den Verzicht auf ein soziales Korrektiv und den Verlust an realen Vorbildern. Studienanfänger der Jahre 2020 und 2021 haben das in extenso erlebt, als in den Lockdown-Phasen von 2020 und 2021 zum Teil semesterlang kein Universitätsgebäude betreten werden durfte.

Leben und Beruf

Ein typisches Phänomen der Generation Z ist der Wunsch nach einer scharfen Trennung von Lebensart und Arbeitswelt. Neben dem Beruf muss alles andere auch möglich sein, aber bitte separiert voneinander. Work-Life-Blending – ehemals Schlagwort moderner Arbeitsformen in der Generation Y – wird von den Neuen eher als Ausbeutung interpretiert. So tendiert man wieder zu einem traditionellen Gesellschaftsbild, in dem man nach pünktlichen Arbeitsschluss in die ungestörte Oase individualisierter Selbstverwirklichung oder die idyllische Mikrowelt von Vater-Mutter-Kind eintaucht. Eine Melange von Öffentlichem und Privaten wird nicht gewünscht. Diese Erwartung erfordert aber sehr konservativ einen sicheren Job. Ganz konsequent wird deshalb in den beruflichen Zukunftszielen der Generation Z das klassische Streben nach Verdienst und Aufstieg im Vergleich zur Berechenbarkeit des Arbeitsalltags nachrangig bewertet. Das hohe Maß an beruflicher Verlässlichkeit wird dabei aber vorwiegend als Bringschuld des Arbeitgebers definiert. Arbeitsbeziehungen werden geschlossen und gekündigt wie Handy-Verträge. Der für Arbeitnehmer günstige Personalmarkt und die scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten der Globalisierung suggerieren, dass die ideale Karriere in der Bewegung statt in der Bindung stattfindet. Die Fahrt im Kreisverkehr statt in der Einbahnstraße – ehemals ein Synonym für fehlenden Fortschritt – lässt immer wieder neue, attraktive Abzweigungen vermuten. Vertrag ist Vertrag, aber vielleicht … Und doch reicht es mit der Liebe zur Freiheit wieder nicht ganz so weit. Denn man sucht doch am Ende wie im digitalen Algorithmus eigentlich die absolute eigene Wahrheit. Und so stehen Unverbindlichkeit und Wechselfreude im klaren Widerspruch zum extrem starken Beratungsbedarf der Generation Z, der sich schon wie ein roter Faden durch die gesamte Schulzeit zieht und strukturell manchmal an die staatliche Sportförderung der DDR erinnert. Man kann sich selbst nicht entscheiden, wie denn auch, man weiß ja nicht alles, so vieles ist möglich und vielleicht wird alles nochmal anders? Nicht selten steht am Ende „Wer bin ich?“. Dass andere Pastoren auch schöne Töchter oder Söhne haben, galt schon immer so, wie der Zufall die Welt regiert. Diese Binsenweisheiten zu akzeptieren, fällt der Generation Z genauso schwer, wie Entscheidungen zu treffen. Das Mögliche überwiegt oftmals die Resilienz. „Soll ich’s wirklich machen, oder lass ich’s lieber sein“ lautet die wohlbekannte Hymne.

Wahl des Arbeitsplatzes

Die Hyperindividualisierung der juvenilen Gesellschaftsteile erklärt den Spaß zur höchsten Motivationsstufe. Gamification durchzieht deshalb viele Arbeitsplätze und Projekte von jungen Start-up-Unternehmen als hohes Prinzip. „Spaß for fun“ lautet satirisch nur gering überzeichnet das plakative Motto privater Aktivitäten in den sozialen Medien und der Gaming-Industrie. Grundlage dafür ist eine entspannte Arbeitsatmosphäre, die sich mehr durch Verständnis als Disziplin auszeichnet. Das Individuum wird wieder höher gewichtet als die Gruppe. Bindungen werden weniger persönlich oder institutionell als in der Aufgabenstellung gefunden. Lichtgestalt und Institution treten dahinter deutlich zurück. Man interessiert sich für Bewegung statt Stase, will immer mal etwas Neues machen. Der volatile Einsatz verschiedener Arbeitstechniken ist deshalb besonders attraktiv. Und trotz dieses scheinbar unsteten Arbeitsprozesses sucht die Generation „Beratung“ und wieder auch Sicherheit. Bitte keine weiteren Krisen. Man will schon steil klettern, aber am Sicherheitsseil der ständigen und direkten Rückversicherung. Instant Feedback ist die Leine der Bestätigung, an der die Generation Z seit frühester Jugend hängt und hängen will. Arbeitgeber befriedigen diesen Wunsch erfolgreich durch institutionalisierte Beratung oder Mentoring- und Coaching-Programme. Genau diese Punkte zeichnen für die Generation Z dann echte Arbeitgeber-Attraktivität aus. Durchaus berechtigt erinnert das an die Sozialstruktur einer Schulklasse. Langfristige Personalpläne der Arbeitgeber werden dadurch deutlich anspruchsvoller, denn über allem schwebt wegen des volatilen Arbeitsmarkts das Damoklesschwert der Kündigung. Wenn man nicht bei Laune gehalten wird, dann geht man eben woanders hin.

Akquise und Bindung

Die grundsätzliche Bindungsferne der Generation Z im Öffentlichen hat gravierenden Einfluss auf die Treue zur Arbeitsstelle. Lebensziele werden übergeordnet verfolgt, und behalten vor allem in den späten Studier- und frühen Arbeitsphasen einen metaphorischen Charakter, der zwar vage formuliert, aber doch streng dominierend bleibt. Die vielfach naiv entworfenen, mit der Realität noch nicht abgestimmten, manchmal sogar kindlich imponierenden Vorstellungen der eigenen Lebensform und -entwicklung fordern beharrlich den unbedrängten Transfer in den Beruf, der Älteren dann oft eher an einen Job als an eine Berufung erinnert. Zwangsläufig entsteht so eine belastbare Beziehung zum Arbeitgeber nicht von allein, sondern muss von diesem bewusst hergestellt und sorgfältig gepflegt werden. Im Konfliktfall gewinnt das Private. Die ständige Suche nach Erfüllung im Privaten transferiert sich im Kombipaket direkt mit. Alle Tätigkeiten besitzen im Idealfall einen erkennbaren Sinn. Das gilt insbesondere für Lernprozesse, die die zudem mit einer Selbstwirksamkeit unterlegt sein müssen. Man arbeitet und lernt weniger „on the long term“, sondern kurz und direkt. Auch das ist ein Effekt der Digitalisierung. Die Bestimmung findet sich deshalb – wie schon beschrieben – viel eher in kurzen, wechselnden Projekten, als in übergeordneten Langzeitzielen. Diese Orientierung konveniert mit der schon beschriebenen grundsätzlichen Offenheit, den Arbeitsplatz leichter zu wechseln. Die stärkste Motivation entwickelt sich also projektgebunden – Langeweile ist der Killer. Umschlossen werden muss diese Struktur durchaus anspruchsvoll von einem Wohlfühl-Arbeitsklima. Das angenehme Miteinander und ein kurzer Draht zur verständnisvollen Leitung finden sich regelmäßig unter den Top-Zielen der Arbeitsplatzwahl und hängen dabei herkömmliche Werte wie Renommee und Leistungsstärke des Arbeitgebers deutlich ab. Wie in Kindertagen will man respektiert werden und mitreden, und zwar als Person und unabhängig von Funktion und Leistung, „we are family“. Interesse, Bindung und Atmosphäre erreicht der Arbeitgeber aber nicht durch Anbiedern. Man sieht sich bewusst in anderen Sphären, und das betrifft z. B. auch den Umgang mit und in den sogenannten sozialen Medien. Zu dieser Welt wird man als Oldie vereinzelt zugelassen, aber man darf sie nicht kapern. Auf Bobby-Cars fahren die Jungen, während die Alten wohlwollend Durchlass gewähren. Radikal analoge Einstellungen kommen aber auch nicht gut an. Digitale Hürden in Bewerbungsverfahren werden im ehernen Glauben an den Segensreichtum der Computerisierung durchgehend negativ konnotiert.

Generation Z – „here we come!“

In einer Kolportage bestünde die Generation Z aus krisengeschüttelten Hyperindividualisten, die sich im einem Dauerdilemma zwischen Ohnmacht und Anspruch auf der ständigen Suche nach Andockung ohne Endbindung befinden. In Wahrheit sind es aber vor allem liebenswerte junge Menschen, die die Dinge einfach ein bisschen anders sehen als das alte Establishment. Wie alle vorherigen Generationen verdienen sie neben ehrlichem Respekt auch zugeneigte Empathie und versierte Unterstützung. Das Wohlfühl-Arbeitsklima, ein angenehmes Miteinander und ein kurzer Draht nach oben erscheinen da mehr als legitime Wünsche. In vielen Kliniken werden optimale Arbeitsergebnisse auch deswegen verfehlt, weil eben keine vertrauensvolle Beziehung zur Leitung besteht. Herkömmliche Werte wie Renommee und Leistungsstärke bleiben bedeutsam, offenbaren im absoluten Anspruch auch ihre hässliche Kehrseite. Sicher müssen wir zukünftig manches Mal auf Holz beißen – aber erlitten unsere Vorgänger nicht das Gleiche? And don’t worry: Es gibt ihn nicht, den unausweichlichen Determinismus der Jugend. Wir haben Einfluss, wir können Z formen. Und immerhin sind sie uns näher als Y.

Krones CJ: BDC-Praxistest: Forget about Y – here comes generation Z. Passion Chirurgie. 2022 Dezember; 12(12): Artikel 05_01.

Hire and Fire – Kongressbericht

Hire and Fire – Kongressbericht

Kongressbericht – Deutscher Chirurgen Kongress 2021 – digital

BDC-Sitzung „Hire and fire – die wichtigsten Tipps, um als Chefarzt nicht zu scheitern“, 16. April 2021

Referenten
Matthias Barkhausen, Coach, Barkhausen Health Care Consulting, Bad Honnef
Sabine Brase, Pflegedirektorin, M.Sc., Dipl. Pflegewirtin (FH), Klinikum Oldenburg
Prof. Dr. Frank Alexander Granderath, Chefarzt der Chirurgen Klinik, Krankenhaus „Maria von den Aposteln“, Neuwerk, Mönchengladbach
Prof. Dr. med. Achim Jockwig, Vorstandsvorsitzender, Klinikum Nürnberg
Dipl. Psych. Roland Liebig, Personalberater, büro:liebig, Köln

Zum „Deutschen Chirurgen Kongress 2021 – digital” hatte der BDC fünf hochkarätige Referenten in das Übertragungsstudio nach Mainz geladen, um unter dem Titel „Hire and fire – die wichtigsten Tipps, um als Chefarzt nicht zu scheitern“ das Sisyphus-Thema von Erfolg und Misserfolg als Klinikleiter zu diskutieren. Dabei wurde die spannende und durchaus oft auch anspannende Thematik unter der Moderation von Prof. Dr. Daniel Vallböhmer und Prof. Dr. Carsten J. Krones aus den unterschiedlichen Perspektiven von Personalberatung (Herr Dipl. Psych. Roland Liebig), Klinikvorstand (Prof. Dr. Achim Jockwig), Coach (Matthias Barhausen), Pflege (M.Sc., Dipl. Pflegewirtin Sabine Brase) und ärztlicher Direktion (Prof. Dr. Frank A. Granderath) beleuchtet.

Zum Auftakt bot Herr Liebig eine sehr illustrative Übersicht über die chronologische Entwicklung der Einflusssphären leitender Krankenhausmitarbeiter aus Klinik und Management im Verlauf der letzten vier Jahrzehnte. Wie aus dem Schaubild ersichtlich, betonte Liebig aus Sicht des Personalberaters vor allem die Verschiebung der Machtverhältnisse im Wandel der Zeit. Verbindendes Element blieb dabei zu jedem Zeitpunkt die Kommunikation. Während in den 1980er/1990er Jahren Chefärzte fast autokratisch unabhängig agieren konnten und eine Kommunikation mit dem System Krankenhaus fast gar nicht nötig war, hatte sich dieses Szenario in den 2000ern annähernd umgekehrt, als das System Krankenhaus über das Management leitende Ärztinnen und Ärzte vornehmlich direktiv kontrollierte. Kommunikation war zu dieser Zeit zwar nötig, aber oft nicht möglich. Erst in den letzten Jahren erkennt der Personalberater zunehmend eine dialogische Zusammenarbeit auf Augenhöhe (Abb. 1).

Abbildung 1: Chronologische Entwicklung der Einflusssphären leitender Krankenhausmitarbeiter aus Klinik und Management im Verlauf der letzten vier Jahrzehnte

Aus dem „Hire“ wirtschaftlicher Unbedarftheit wurde nach Liebigs Fazit so zunächst das „Fire“ der gewaltsamen Ökonomisierung und aktuell schließlich ein „Hire and fire and hire again“ der konstruktiven Partnerschaft, die seiner Meinung nach das Erfolgsprinzip der Zukunft darstellt und in Analogie zu vielen anderen Branchen einen chefärztlichen Stellenwechsel mehr als eine Chance auf einen Neubeginn als eine ewige Niederlage versteht.

Professor Jockwig definierte im Anschluss aus Sicht von Vorstand und Geschäftsführung in seinem sehr versierten und bemerkenswert gelassenen Beitrag die aus seiner Sicht wichtigsten Fähigkeiten, die leitende Klinikärzte im Spannungsdreieck zwischen Autonomie, Monetik und Ethik mitbringen sollten, um ein Scheitern zu vermeiden. Chefärzte befänden sich nicht mehr im Olymp und müssten akzeptieren, dass zur erfolgreichen Klinikleitung neben technical skills auch Fähigkeiten in Management und Führung gehören. Das individuelle Profil benötige Kompetenzen in Methodik, Persönlichkeit und Sozialem. Begeisterung und Pioniergeist erlaube dann die Entwicklung vom „Klassensprecher zur Führungskraft“. Dabei sei auch ein grundlegender Respekt vor Generationswechseln nötig – man führe am besten so, wie man selbst geführt werden wolle. Die zentralen Erfolgsschrauben sind nach seiner Einschätzung:

  • eine gute, patientenorientierte Medizin
  • die fundierte Indikationsstellung
  • gute Qualität, gute Abläufe und gute Prozesse
  • Verbindlichkeit gegenüber Patienten, Kollegen und Mitarbeitern
  • ein fundiertes Interesse an der Gesamtsituation des Krankenhauses
  • eine verlässliche interprofessionelle Zusammenarbeit

Abschließend stellte der Klinikvorstand vielleicht auch angesichts des Wusts der Herausforderungen mildernd heraus, dass Chefarztpositionen weiterhin sehr sichere Stellungen böten – auch weil eine Trennung immer mit hohen Hürden versehen sei.

Aus Sicht des erfahrenen Coachs von leitenden Krankenhausangestellten kategorisierte Herr Barkhausen die Tätigkeit als Chefarzt zunächst als fast unmögliche Aufgabe in der Klemme zwischen Patientenversorgung, Managementvorgaben und Personalführung und unter dem Druck unbeeinflussbarer, externer Vorgaben. Ausgewählt würde man für seine angenommenen Fähigkeiten, doch gefeuert nicht wegen der Persönlichkeit, sondern vornehmlich wegen Mängeln in Haltung und Verhalten. Seine 5 1/2 Tipps, um als Chefärztin oder Chefarzt nicht zu scheitern, lauten deshalb:

  1. Nehmen Sie die „unmögliche Tätigkeit“ an!
  2. Handeln Sie mikropolitisch!
  3. Reden Sie wirkungsvoll! Und hören Sie aufmerksam zu!
  4. Nehmen Sie sich Zeit für Wichtiges!
  5. Seien Sie Teil eines größeren Ganzen!
    5. ½  Und wenn Sie doch einmal scheitern …

Barkhausens Fazit seines sehr versierten und empathischen Beitrags referiert auf den irischen Autor Samuel Beckett, der seine eigenen harten Lehrjahre im Spätwerk „Worstward Ho“ 1983 sechs Jahre von seinem Tod mit „Immer versucht. Immer gescheitert. Egal. Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern.“ anklingen lässt. Ein Leitspruch, der auch an unsere innovativen chirurgischen Vorbilder des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts erinnern könnte.

Die Pflegedirektorin am Klinikum Oldenburg Frau Brase stellte in ihrem Vortrag vor allem die Bedeutung einer interprofessionellen Arbeitsweise erfolgreicher Klinikleitungen in den Vordergrund. Traditionelle Rollenbilder seien überholt, das Krankenhaus der Zukunft entspreche viel eher einer Expertenorganisation als einem Statusmodell. Wissen müsse ausgetauscht, Wissensgrenzen akzeptiert und Wissenslücken gefüllt werden. Man scheitere an Mängeln an Verständnis, Bereitschaft und Eigeninitiative. Das Idealbild der Zusammenarbeit kombiniere fachliche Expertise aufseiten aller Beteiligten mit Vertrauen in die Fähigkeiten der anderen, Anerkennung der eigenen Limits. Erst daraus resultiere die notwendige Kooperation auf Augenhöhe. Die Referentin schloss ihren sehr informationsdichten, wertvollen Beitrag mit der Empfehlung, über gemeinsame Ausbildungsmodule für Medizin- und Pflege-Studierende in interprofessionelles Simulationstrainings und Assessments das Bewusstsein aller Beteiligten im System Krankenhaus zu schulen und zu fördern.

Professor Granderath beschrieb unter einer launigen Abwandlung des Sitzungstitels („Vom Hiremann zum Firemann“) aus der Perspektive eines Chefarztes und ehemaligen langjährigen Ärztlichen Direktors zunächst den Wechsel der Chefarzt-Rolle, die sich unter den in allen Bereichen mittlerweile begrenzten Ressourcen vom fürsorglichen, „medizinischen Freund“ in eine „Dienstleister-Kunden-Beziehung“ entwickelt habe. Chefärztinnen und Chefärzte stehen bei ihm in der Triangel von können, wollen und dürfen. Man könne viel und wolle handeln, aber dürfe wenig. Es seien als Klinikleitung aber nur Prozesse und Ergebnisse zu verantworten, die man auch selber beeinflussen und steuern könne. Dazu dominiere die Rolle ein ständiger Wechsel zwischen externen und internen Anforderungen. Extern dürfe nicht nur tumbes Marketing dominieren – Granderath nutzt hier als literarischen Vergleich Salingers „Fänger im Roggen“. Stattdessen solle man besser eine authentische Identifikation mit der Einrichtung entwickeln, die sich übrigens auch in der nur scheinbar unmodernen lokalen Präsenz und Integration spiegele. Intern sind Sozialkompetenz und Selbstorganisation seine verbindlichen Erfolgsparameter. Die wichtigsten Gründe für Misserfolge in Klinikführung aber auch Management seien Eigenbrötlerei, Alleingänge und Mängel in Kommunikation und Information. Unstimmigkeiten könne man thematisieren, doch ein professioneller Umgang mit Konflikten betrachte andere Meinungen als gerechtfertigt. Die Hybris des Einzelkämpfers bewertet der Referent dagegen durchgehend negativ. Ein ständiger Blick über den Tellerrand erwe­cke zudem die zündende Kraft der Lust auf Neues. Für eine Modernisierung der Krankenhausführung fordert Granderath eine Anpassung der Anreizsysteme und zitiert dabei in seinem souveränen Vortrag den sozialkritischen Autor Upton Sinclair: „Es ist unmöglich, jemandem etwas verständlich zu machen, wenn sein Einkommen davon abhängt, es nicht zu verstehen.“

Die spannende, erstklassig besetzte und sehr informative Online-Sitzung verfolgten über 400 Teilnehmer – eine Zahl, die in einer Präsenzveranstaltung niemals erreicht worden wäre. Die Anzahl der eingehenden Chat-Kommentare entsprach diesem begeisterten Interesse. Da das enge Zeitfenster der Videoübertragung nur einen begrenzten Bezug erlaubte, bieten wir ergänzend einen kleinen, repräsentativen Auszug:

„Arbeitsbeschränkungen und Zentralisierung gewisser Operationen machen es zunehmend schwierig sich als zukünftiger Chefarzt eine breite handwerkliche Expertise anzueignen. Hier wird es notwendig sein, insgesamt im Team dieses breite Spektrum abzudecken.“

„Das kann keiner alles erfüllen. Es wird quasi die eierlegende Wollmilchsau vom CA-Bewerber erwartet.“

„Werden die Generation Y und die Feminisierung in der Chirurgie wirklich (noch) als Probleme wahrgenommen? Denn die Generation Y ist selber bald so weit in CA-Positionen zu rücken, und die Feminisierung in der Medizin nicht abzustreiten.“

„Was macht man denn in folgender Situation: Erfahrener Oberarzt – junger Chefarzt übernimmt die Klinik neu?“

Als Moderatoren danken wir allen Beteiligten für ihre exzellenten Beiträge, die das ständigen Veränderungen und wechselnden Einflüssen ausgesetzte und damit immer junge Thema unzweifelhaft sehr bereichert haben. Wir sind stolz, dass wir ein Teil dieser Sitzung sein durften.

Krones J, Vallböhmer D: Hire and Fire –Kongressbericht. Passion Chirurgie. 2021 Juli/August; 11(07/08): Artikel 09_01.

Editorial im März 2021: Physician Assistance

Ausgabe 03-QI/2021, Physician Assistants im OP

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

bereits auf dem 119. Deutschen Ärztetag 2016 sprach sich die Bundesärztekammer für die Einführung eines bundeseinheitlich geregelten Berufsbilds des Physician Assistant (PA) aus. Dabei sollte dieser auf Bachelorniveau qualifizierte Gesundheitsberuf unter ärztlicher Supervision als Entlastung im klinischen Alltag dienen.

Doch der primär hehr, aber vage formulierte Beschluss wird auch vier Jahre später immer noch kritisch diskutiert. Denn aktuell ist weiterhin umstritten, welchen zusätzlichen Nutzen dieser neue akademische Beruf eigentlich haben soll. Anbieter des Studiengangs Physician Assistance loben das Berufsbild als praktische Lösung des Ärztemangels und folgerichtige Reaktion auf den demografischen Wandel. Doch neben diesen euphemistischen Stimmen aus dem Lager der Befürworter und Profiteure halten sich auch unverändert die kritischen Meinungen der etablierten Berufsgruppen Pflege und Ärzteschaft, die in dem Beschluss vielfach mehr Rück- als Fortschritt sehen. Pflegeverbände argwöhnen, aufgrund der Abwanderung ihrer Klientel einen noch stärkeren Mangel an Pflegekräften zu erleiden. Und gerade unter den Ärzten halten sich starke Befürchtungen, dass durch die Etablierung des Substitutionsberufs PA der ärztliche Stand ausgehöhlt und die Qualität der Weiterbildung gefährdet wird.

Auch wenn der Physician Assistant in anderen Ländern längst etabliert ist, bleibt der Nutzen für das deutsche Gesundheitssystem heiß umstritten. Da gerade die Chirurgie von diesem Thema naturgemäß stark betroffen ist, wollen wir mit der folgenden Artikelserie die Diskussion unterstützen und zur Meinungsbildung beitragen. Denn wie immer hat auch diese Medaille mehr als eine Seite.

In den folgenden Beiträgen bieten wir Ihnen eine Übersicht zu den verschiedenen Arztassistenzberufen, analysieren die rechtliche Situation, diskutieren Pros und Kontras anhand von entscheidenden Schlüsselfragen und verkneifen uns am Ende auch nicht unsere eigene Meinung.

Erhellende Lektüre wünschen wie immer

Prof. Dr. med. D. Vallböhmer und Prof. Dr. med. C. J. Krones

Krones CJ, Vallböhmer D: Editorial Physician Assistance. Passion Chirurgie. 2021 März; 11(03): Artikel 01.

Physician Assistants – much ado about (almost) nothing

Ärztlich Assistierende sind in der Medizin schon seit dem Altertum bekannt. Ebers Papyrus führt ca. 1500 vor Chr. Tempelfrauen von hohem Rang auf, die den Ärzten zur Seite standen. Ab 250 vor Chr. wurden in Indien schon Vorläufer der Krankenpflegeschulen begründet, um männliche „Upasthatr“ auszubilden. Im antiken Griechenland wurden aus Gruppen lernender Jung-Ärzte Krankenaufseher berufen, die neben der Pflege auch in der Krankenbeobachtung tätig wurden. Medizinisch ausgebildete Frauen waren fester Bestandteil der römischen Sanitätseinheiten und Lazarette. Der frühe Islam schulte Pflegekräfte in der Notfallversorgung Verwundeter. Das Mittelalter stattete die Spitäler mit weltlichen und später geistlichen Hilfskräften aus. Die erste deutsche Abhandlung zur Lehre ärztlich Assistierender bot 1574 ein „Gründtlicher Bericht, Lehr unnd Instruction von rechtem und nutzlichem brauch der Arzney, den Gesunden, Krancken und Kranckenpflegern […]“, und 1679 erschien der „Der unterwiesene Kranckenwärter“. Und so zieht sich die Linie im wechselnden Verlauf immer weiter bis zur „Gemeindeschwester Agnes“, der Geheimwaffe gegen Überlastung und Unterversorgung der neuzeitlichen DDR, die manchen Veteranen unter uns ob ihrer pluripotenten Einsetzbarkeit noch zu verzückter Erinnerung stimmen mag.

Das Aufgabenspektrum der medizinisch Assistierenden variierte je nach Kenntnisstand und Gesellschaftsform. Doch so früh heilkundliches Hilfspersonal zum Einsatz kam, genau so früh traf man klare Abgrenzungen zum ärztlichen Beruf und Stand. Schon der Codex Hammurapi Babylons beinhaltete rechtliche Regelungen für den Arztberuf. Die Standesvorgaben spiegelten in ihrer weiteren Entwicklung zu jedem Zeitpunkt die mit der heutigen Kenntnis durchaus nicht immer klugen und zielführenden gesellschaftlichen Übereinkünfte und wissenschaftlichen Überzeugungen. Allen gleich war aber die Trennung der ärztlichen Unterstützung durch Hilfspersonen vom eigentlichen Primat des ausgebildeten Arztes.

Diese klare Vorgabe wurde auch mit der Einführung der ersten modernen Arzt-Assistenz-Berufe beibehalten, die z. B. als OTA (Operations-Technischer AssistentIn) und ATA (Anästhesie-Technischer AssistentIn) den Ausbildungsgang um die Krankenpflege verkürzen, aber weiterhin keine ärztlichen Aufgaben übernehmen. In der Chirurgie kratzte erst der CTA (Chirurgie-Technische AssistentIn) mit dem ihm zugedachten Aufgabenfeld zart an dieser eindeutigen Aufteilung, bleibt aber in seiner Grundausrichtung ein nicht-ärztlicher Gesundheitsfachberuf. Nur der Bachelor-Studiengang zum Physician Assistant (PA) löst diese Grenze scheinbar auf, und ergänzt das Prinzip der Assistenz um den Druck der Konkurrenz. Seitdem kämpfen euphemistischer Enthusiasmus und larmoyante Ablehnung um die Deutungshoheit des „cui bono“ – die Beiträge in dieser Ausgabe sind voll davon. Grund genug für uns sich diesem Thema zu widmen, und zur Beförderung der Diskussion auch Ansporn unsere eigene Meinung zu präsentieren.

Gesetzliche Vorgaben

Die Haltung der Legislative scheint eindeutig – die Einführung ärztlicher Assistenzberufe ist ausdrücklich gewünscht. Die Debatte könnte hier also schon ein frühes, obrigkeitshöriges Ende finden. Doch nicht jede Verordnung oder Gesetzgebung hält einer fachkundigen Überprüfung im Weiteren stand – mancher parlamentarische Beschluss oder amtlicher Entscheid ist in der Praxis kaum das Papier wert, auf dem er gedruckt wurde. Der bunte Strauß an Pandemie-Verordnungen ist ein polyphon klingendes Beispiel. Allein die bayerische Bilanz der letzten Monate ist in diesem Kontext schlicht verheerend. Fasst man die bürokratischen Vorgaben verkürzt zusammen, ist dem hehren Beschluss des Deutschen Ärztetages, die Einführung des Physician Assistants zu unterstützen, bisher durch die Bundesregierung nur die entwurfsweise Abgrenzung zum praktizierenden Laien gelungen. Das besitzt das dürftige juristische Niveau des berüchtigten Heilpraktikergesetzes. In realiter ist juristisch zum Einsatz von Physician Assistants im Gegensatz zur Tätigkeit approbierter Ärzte rein gar nichts geregelt. Oder doch: am Ende bleibt der delegierende Arzt verantwortlich. Ohne klare gesetzliche Rahmenbedingungen bleibt der flächige Einsatz von PAs deshalb mit unnötigen Risiken belastet. Wenn man also als Klinikleiter die Wahl zwischen einer AssistenzärztIn und einer ArztassistentIn hat, gilt deshalb schon jetzt zum ersten Mal der Rat: „choose wisely“.

Arbeitsfeld

Die in den vorherigen Beiträgen dargestellten Tätigkeitsbereiche des PA listen eine hohe Zahl traditionell ärztlicher Tätigkeiten auf. Die Schnittmenge ist so groß, das eine harte Konkurrenz zu AssistenzärztenInnen unausweichlich erscheint. PAs übernehmen nicht nur fachfremde, paramedizinische Arbeiten, die den Arztalltag belasten und den heiß ersehnten Nachwuchs vergrämen. Sie wetteifern mit den jungen KollegenInnen gemäß ihrem Leistungskatalog viel mehr um Untersuchungen, Anamnesetechniken, Patientengespräche und OP-Assistenzen, die zentraler, allseits gewünschter und zum Teil sogar obligater Bestandteil der ärztlichen Weiterbildung sind. Damit vergrätzt man die eh schon unruhige und doch so gesuchte Arztjugend nur noch mehr – welch Widerspruch zum allseitigen Lamento des Ärztemangels. Der Einsatz von PAs mag in manchem Krankenhaus der Not geschuldet sein, doch clevere, langfristig konzipierte ärztliche Personalakquise und -bindung sehen anders aus. Und eh er sich versieht, mutiert der Klinikleiter dann schnell zum Zauberlehrling, der die Geister, die er rief, nicht mehr loswird. Die spätere Korrektur einmal gewählter Hintertreppen ist oft anspruchsvoller, als der primär mühsam imponierende Königsweg. Wenn von 100 Echokardiographien 80 der Arztassistent vornimmt, wird jeder angehende Kardiologe berechtigt das Weite suchen. Nachwuchs-Chirurgen, die statt als Assistent im OP-Saal zu stehen, am Stations-PC sitzen bleiben müssen, wechseln hoffentlich die Stelle. Ein flächenhafter Einsatz von PAs wird durch die Übernahme essentieller Lerninhalte ohne Zweifel jede Weiterbildung erschweren. PAs sind für Assistenzärzte keine Verstärkung, sondern Nebenbuhler. Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass jeder Neuanfänger in der Medizin natürlich vom erfahrenen Hilfspersonal profitiert. Die Autoren haben – wie sicher viele andere Kollegen auch – einen relevanten Teil ihrer Kenntnisse z. B. im Ambulanzwesen oder der Intensivmedizin im praktischen Alltag von erfahrenem Pflegepersonal gelernt. Doch der Kern der ärztlichen Weiterbildung ist standesrechtlich aus gutem Grund an ärztliche Befugnisse, Kammerbeschlüsse und Inhaltsvorgaben der Fachgesellschaften gekoppelt. Die vorgeschlagene Übergabe von Lerninhalten angehender Ärzte an akademisch schwächer ausgebildete Bachelor nicht-medizinischer Fakultäten präsentiert hier eine Hybris, die jeder Weiterbildungskommission und auch dem Medizinischen Fakultätentag den Atem rauben sollte. And so again: Hat man als Klinikleiter die Wahl zwischen einer AssistenzärztIn und einer ArztassistentIn, gilt wieder unser Rat: „choose wisely“.

Krankenhausmanagement

Berechtigtes Interesse und eigentliche Kernaufgabe des wirtschaftlichen Krankenhausmanagements ist ein stabiler, zukunftsfähiger Haushalt. Dieses Ziel stellt in dem Rumgeschubse des ständig volatilen, instabilen, von Widersprüchen und Unwägbarkeiten durchsetzen deutschen Krankenhausmarkt eine Herausforderung, die fast einer Sisyphos-Aufgabe gleichkommt. Und so lockt so manchen Vorstand oder Geschäftsführer das beachtliche aber stabile Gehalt des PA sicher, ärztliche Stellen durch Hilfspersonal zu ersetzen. Dieser Trend ist aus der Pflege bereits bekannt – erst kürzlich hat das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz der Entwicklung ein abruptes Ende gesetzt.

Ärzte gegen Hilfspersonal auszuwechseln wirkt aber langfristig strategisch so, als ob Schalke 04 oder Borussia Dortmund mit den Spielern ihrer ohne Zweifel talentierten und erfolgreichen Amateurmannschaften versuchen würden, den drohenden Abstieg zu vermeiden oder doch die Champions League zu gewinnen. Denn angehende Ärzte wissen mehr, können mehr und dürfen mehr als ärztliches Hilfspersonal. Sie sind breiter ausgebildet, breiter einsetzbar und breiter interessiert. Am Ende sind Ärzte besser als Arztassistenten. Die Letzteren sind nur billiger. Dazu widerspricht der umfassende Ersatz von Ärzten durch Hilfspersonal einem naturgegebenen Primat des Gesundheitssystems: der Daseinsvorsorge. Das System ist nämlich auch für seinen Erhalt verantwortlich. Bis jetzt sind die Kosten der Weiterbildung im DRG-System eingepreist. Man kann trefflich streiten, ob dieser abstrakte Betrag für den Aufwand ausreicht, aber es wird auch schon jetzt diskutiert, ob Kliniken, die sich nicht an der Weiterbildung beteiligen, nicht doch einen Abschlag verdienen. Die Autoren fänden das übrigens angemessen. Und schließlich rekrutiert man aus den Reihen der Hilfsberufe keine höheren Positionen. PAs werden keine Fach-, Ober- oder Chefärzte. Die Leiter ist zu kurz, der Beruf eine Endposition. Und deshalb zum dritten Mal: Hat man als Klinik die Wahl zwischen einer AssistenzärztIn und einer ArztassistentIn, gilt: „choose wisely“.

Was bleibt?

Der Physician Assistant stellt eine weitere, wenn auch besondere Blüte im bunten Strauß der ärztlichen Assistenzberufe. Eine langfristige Strategie bietet er aus oben genannten Gründen nach Überzeugung der Autoren nicht. Keinesfalls löst er die Sorge der Stellenbesetzung, die viele Kliniken umtreibt. Halbprofis schießen halt weniger Tore. Und schon gar nicht sind PAs die unausweichliche Antwort auf die demographische Alterung, deren resultierende Patientenzahlen übrigens seit einigen Jahren stagnieren.

In Bezug auf die Ärzteschaft stünden hier viel eher Maßnahmen im Vordergrund, die den ärztlichen Alltag entschlacken, und ärztlichen Kernkompetenzen wieder mehr Raum geben würden. Eine patientennahe Akademisierung benötigt die Rückkehr des Arztes an seinen ihm genuin zugeordneten und zustehenden Arbeitsplatz am kranken Menschen, und nicht einen weiteren Mittler zwischen den Welten. Die abfallenden Tätigkeiten könnten problemlos über Zusatzqualifikationen dem etablierten Partner der Ärzte, der Pflege zugeordnet werden. Damit würde man übrigens auch die Perspektiven dieser wertvollen aber trotzdem so geschundenen Berufsgruppe stärken.

Eine echte Konkurrenz stellen PAs für Ärzte auch nicht. Keinem Medizinstudierenden muss Angst und Bange sein, denn mit erfolgreichem Abschluss seines Studiums ist er in jeder Beziehung langfristig die bessere Wahl. Klinikleitungen mit Weitsicht haben das längst erkannt wie das Schicksal des CTA uns lehrt.

Der Physician Assistant wird bleiben, auch wenn man ihn nicht wirklich braucht. Doch der Beruf mutet einer Sackgasse an, der es im Klinikalltag wegen seiner Zwitterstruktur übrigens auch an einer Peer Group fehlen wird. Ohne Zugehörigkeit wird es an Arbeitszufriedenheit, die ja gemäß den Unterstützern noch nicht untersucht ist, eher mangeln. Viel wahrscheinlicher erscheint es, dass der Bachelor-Studiengang ein weiteres Sammelbecken für verpasste oder angehende Medizinstudierende ist, die mit der Zulassung die Berufung wechseln. Auch das kennt man ja schon vom CTA. Eine Bewertung des Berufsbildes des Physician Assistant durch die chirurgischen Fachgesellschaften steht trotzdem aus – die von uns oft geschmähten Kollegen der Anästhesie und Intensivmedizin bieten in der detaillierten Abhandlung zum ATA hier übrigens ein formidables Beispiel. Bis dahin geht an alle Beteiligten: „Physician Assistant? Kann man machen, aber noch besser lassen.“

Krones CJ, Vallböhmer D: Physician Assistant – much ado about (almost) nothing. Passion Chirurgie. 2021 März; 11(03): Artikel 03_05.

Chirurg aus Leidenschaft

zur Artikelserie …

Prof. Dr. med. Carsten Krones ist Leiter des Themen-Referats Leitende KrankenhauschirurgInnen” des BDC und Mitglied im erweiterten Vorstand. In unserer Artikelserie erzählt er seine persönliche Geschichte, warum er Chirurg geworden ist – und warum er seither für diesen Beruf brennt.

In meinen frühen Grundschultagen erkrankte meine Mutter schwer. Auch ein wochenlanger Krankenhausaufenthalt meiner Mutter brachte für uns keine befriedigende Klärung. Da gab es also etwas zu lösen, und wenn es kein anderer macht… Und so hatte ich im zarten Alter von acht Jahren meinen Beruf gefunden. „Ich werde Arzt!“, antwortete ich in schönster Regelmäßigkeit – auch nachdem meine Mutter bereits lange genesen war – auf die immer wiederkehrende Tanten-Onkel-Oma-Opa-Nachbar-Frage nach dem späteren Berufswunsch mit leicht überheblichem, aber unbeirrbaren Selbstverständnis, was je nach Zugeneigtheit der fragenden Person wechselnd beeindruckte oder brüskierte.

Meine restliche Kindheit verlief völlig normal, und wurde – wie es einem Vorstadtjungen aus dem Ruhrgebiet geziemt – von regelmäßigen, größeren und kleineren Unfällen unterbrochen, die meinen Vater und mich zu genauso regelmäßigen Besuchen in die Chirurgie des lokalen Krankenhauses führten. Und woran mein Vater sich nie gewöhnen konnte, dass Knochen beim Sturz vom Baum, beim Fußball oder bei der Kollision mit wohlgemerkt stehenden Autos bei Kindern leider brechen und die Haut platzt. Mein Augenmerk als routinierter Stammgast der Unfallambulanz fiel dagegen bald auf anderes.

Während Papa also wieder mal blass auf der Liege neben mir lag –mein Unterarm war gebrochen –wurde ihm in den goldenen 70ern als Kreislaufstütze sogar ernsthaft ein Cognac angeboten, meine Aufmerksamkeit gehörte jedoch mehr und mehr den handelnden Personen. Die vom ärztlichen und pflegerischen Ambulanzpersonal ausgestrahlte, gesunde Mischung aus gelassener Souveränität und stringenter Handlungsbereitschaft beeindruckte mich gepaart mit einer Prise lässigen Draufgängertums tief und vor allem nachhaltig. „Ich werde Chirurg!“, lautete für mich als Spross einer Handwerkerfamilie nicht mehr ganz überraschend nun die Lösung im Familien- und Freundeskreis.

Nach meinem Abitur folgte das Studium und mit fortschreitenden Erfahrungen und Kontakten verfestigte sich das unbedarfte Motto des Adoleszenten zu einem veritablen Ziel. Denn auch die angestrebte Peergroup stimmte, konnten Chirurgen doch beides: Pflicht und Kür, also viel arbeiten und fröhlich feiern. Aus dem Beruf wurde Berufung. Heute, 27 Jahre nach dem Start in einer kleinen Kölner Klinik, nach Stationen in allen Versorgungsstufen, nach dem Überstehen von 27 Ober- und vier Chefärzten, arbeite ich jetzt knapp zehn Jahre als Chefarzt: Ein solider Realitätssinn überstrahlt die juvenile Naivität von einst. Doch geblieben ist die Begeisterung für die Kraft des Faktischen, für den befreienden Charakter der Tat, für die Konsequenz stringenten Handelns, für die Kombination von Härte und Empathie, für die unmittelbare Beteiligung an echter Heilung und für die damit verbundene, tiefe und ganz persönliche Bedeutung im Leben der anvertrauten Patienten. Chirurg zu sein, ist ein ganz wunderbarer Beruf, und die Chirurgie eine ganz wunderbare Berufung. Selbst die mittlerweile fast unzähligen deutschen Gesundheitsreformen konnten diese Faszination nicht brechen. Und so würde ich alles wieder so machen. Übrigens auch Chefarzt werden, doch das ist eine eigene Geschichte.

BDC-Praxistest: Neuregelung im MDK Verfahren – was muss man wissen, um nicht zu verlieren?

Das MDK Reformgesetz, das zum 01. Januar 2020 in Kraft getreten ist, ändert viele Vorgaben in der Krankenhausabrechnung. Unvorbereitet drohen zum Teil erhebliche Einnahmeverluste. Ziel dieser Übersichtsarbeit ist es deshalb, die unmittelbar für die Erlössituation relevanten Neuerungen darzulegen, beispielhaft zu illustrieren und mögliche Strategien anzubieten, mit denen die Neuregulierung begleitet werden könnte.

Abrechnungsprüfung als Instrument der Rückerstattung

Die Zahl der stationären Behandlungen in Deutschland beträgt ca. 20 Millionen/Jahr. Damit entstanden für die GKV in 2017 Kosten von ca. 75 Milliarden Euro/Jahr. Der GKV-Spitzenverband konnte nach eigenen Angaben über eine MDK-Prüfquote von 17 Prozent im gleichen Jahr eine Rückerstattung von ca. 2,8 Milliarden (ca. 4 Prozent) realisieren. Abrechnungsprüfungen sind für die Kostenträger also zu einem lukrativen und sehr zeitnahen Instrument der Kostenbegrenzung geworden, zumal Rückforderungen auch mit aktuellen Zahlungsforderungen der Krankenhäuser aufgerechnet werden.

Bundesweit fällt ein deutlicher Anstieg der Prüfquoten von zehn bis 17 Prozent in den Jahren 2007 bis 2015 auf über 20 Prozent in 2018 auf. Der GKV Spitzenverband berichtet parallel seit längerem auch in der Presse durchaus mit vorwurfsvoller Intention über einen hohen Anteil falscher Fallabrechnungen, und fordert eine grundsätzliche Verbesserung der Abrechnungsqualität. Das Thema wird aber kontrovers diskutiert. Denn aus Sicht der Krankenhausverbände ist nachgewiesen, dass die weit überwiegende Anzahl aller vom MDK geprüften Rechnungen als korrekt beurteilt wird. Moniert würden überwiegend solche Rechnungen, bei denen die Prüfer tatsächlich erbrachte Leistungen grundsätzlich in Frage stellten, wie etwa bei möglicher ambulanter Behandlung oder früherem Entlassungszeitpunkt. Grund dafür sind bekanntlich häufig fehlende Kapazitäten im ambulanten Bereich. Die diskrepanten Einschätzungen sind aber auch Ausdruck des hochkomplexen deutschen DRG-Systems mit seinen jährlichen Änderungen und Anpassungen und der im Verhältnis dazu vielerorts noch nicht ausreichend professionalisierten Kodier- und Abrechnungsstruktur. Beide Parteien, Krankenhäuser wie Kassen, sind an einer korrekten Abrechnung interessiert, doch viele komplexe Konstellationen stellen in der Abbildung im Kodiersystem eine echte Herausforderung dar, die vielfach konträr ausgelegt werden kann, und dann natürlich auch konträr diskutiert wird.

Die GKV ist bestrebt, ihre Ausgaben zu begrenzen – betriebswirtschaftlich gesehen ein sinnvoller Ansatz. Die Krankenhäuser versuchen ihre Erlöse zu optimieren – auch das ist betriebswirtschaftlich ein sinnvoller Ansatz. Um diesem Disput eine übergeordnete Instanz zu verschaffen, transformiert die aktuelle Reform den ehemaligen Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) in eine eigenständige Körperschaft, den Medizinischen Dienst (MD), der nun unabhängig die postulierte Rate an Fehlabrechnungen begrenzen soll. Klares Ziel der Reform ist die einheitlich und transparent gestaltete Prüfung der Krankenhausabrechnung. Strittige Kodier- und Abrechnungsfragen sollen systematisch vermindert werden. Dazu erhält der MD mit möglichen Strafzahlungen ein Sanktionsinstrument, das er dynamisch, aber nur auf einer Seite einsetzen kann. Maßregelungen der Kostenträger sind nicht vorgesehen, die Strafen für die Krankenhäuser besitzen einen kurzen, eigenen Katalog. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat vor dem hohen finanziellen Anreiz der Leistungskürzung gewarnt, und befürchtet ein bundesweites Defizit für Krankenhäuser um 400 Millionen Euro. Als besonders problematisch wird dabei der mögliche Fokus auf die Prüfung von Verweildauerverstößen beurteilt, die, wie bereits beschrieben, oftmals Folge ambulanter Strukturlücken und zudem aber auch sehr variabel interpretierbar sind.

Gesetzliche Neuerungen ab 01.01.2020

  • Eine nachträgliche Rechnungskorrektur ist nicht mehr erlaubt.

Damit muss anders als bisher im ersten Anlauf eine vollumfänglich sach- und fachgerechte Rechnung eingereicht werden. Die ehemals mögliche Nachreichung abrechnungsrelevanter Fakten und auch die Korrektur von formalen Fehlern entfallen.

Addendum: die Regelung wurde durch die ÜbergangsPrüfVv der Selbstverwaltungspartner bis zum 30.06.2020 außer Kraft gesetzt. Bis zum 30.06.2020 sind Rechnungskorrekturen also noch möglich.

  • Zur Ahndung von Rechnungsfehlern werden Strafzahlungen von 10 Prozent des Rechnungsänderungswerts, mindestens aber 300 Euro eingeführt.

Die Konsequenz dieses auf den ersten Blick wenig dramatisch erscheinenden Punktes wird im Folgenden noch genauer erläutert.

  • Die Prüfquote ist für 2020 auf 12,5 Prozent festgeschrieben. Sie wird für 2021 abhängig von der in 2020 ermittelten Korrekturquote nach einem festen Schlüssel festgesetzt.

Die Prüfquote wird also allein durch die prüfende Instanz festgelegt.

  • Die Prüffrist des MD wird von sechs Wochen auf vier Monate erhöht.

Damit können über einen viel längeren Zeitraum als bisher Fälle mit relevantem Kürzungspotential ermittelt, und dann auch ohne Zeitdruck durch den MD geprüft werden.

  • Die Korrekturquoten werden quartalsweise pro Krankenhaus durch den GKV Spitzenverband veröffentlicht.

Damit soll öffentlicher Druck erzeugt werden.

  • Strukturprüfungen erhalten erstmals eine Rechtsgrundlage.

Die Kliniken müssen alle Komplexbehandlungen, die sie in 2021 erbringen wollen, in 2020 durch den MD prüfen lassen. Die bestandene Strukturprüfung ist Voraussetzung für die Vereinbarung der Leistungserbringung in den anschließenden Budgetverhandlungen.

  • Die Neuregelung des Katalogs ambulanter OP-Leistungen kommt erst 2021.

Korrigierte Abrechnungen

Dieser Punkt ist deshalb so brisant, weil bisher zahlreiche Korrekturen einfach nachgereicht werden konnten. Formale Änderungen wie beispielsweise beim Entlassungsgrund (nach Hause, Verlegung in ein Akutkrankenhaus oder in eine Reha usw.) wurden bisher gar nicht sanktioniert. Allein eine Änderung des Entlassungsgrundes in z. B. „Verlegung“ kann jetzt aber nicht nur die bekannten Verlegungsabschläge nach sich ziehen, sondern bei Korrektur durch den MD dazu auch eine Strafzahlung von mindestens 300 Euro auslösen. Darüber hinaus erhöht sich mit jedem Fehler bei der Berechnung für 2021 die Gesamtfehlerquote, und damit unter Umständen automatisch auch die Prüfquote. Eine eigentlich nur formale Korrektur kann unter den neuen gesetzlichen Vorgaben nun also eine doppelte Bestrafung induzieren.

Im aktuellen deutschen Klinikalltag häuft sich dazu allein aus spezieller Labordiagnostik eine durchaus relevante Menge an nachlaufenden Befunden an. Oftmals ist daran auch die in den meisten Häusern noch nicht ausreichend fortgeschrittene Digitalisierung der Krankenakte beteiligt. Viele Befundsysteme sind nicht miteinander vernetzt. Stattdessen gehen viele Informationen bis heute noch in Papierform ein. Und am Ende der Behandlung muss die Akte dazu noch elektronisch (datensicher) verfilmt werden, um dann zur MD-Prüfung komplett vorzuliegen. Diese Bedingungen können in einem Großversorger pro Jahr leicht 100.000 Euro und mehr an rechnungserhöhender Korrekturen aus medizinisch begründeten Kodieränderungen auslösen.

Die auf den ersten Blick einfachste Lösung wäre mit dem Ziel einer exakteren Prüfungsmöglichkeit eine Verschiebung der Rechnungsstellung nach hinten, was aber in Abhängigkeit der Krankenhausgröße schnell Liquiditätsengpässe erzeugen kann. Das nachhaltigere Ziel muss also ein optimierter Aktenlauf sein. Dazu müssen die Disziplin der medizinischen Leistungserbringer verbessert, Befundungssysteme mit Schnittstellen versehen und Nachläufer vermieden werden. Befriedigend ist dieser Punkt zukünftig nur mit einer echten elektronischen Patientenakte zu erreichen, die faktisch bisher in kaum einer deutschen Klinik etabliert wurde.

Prüfquoten und Strafzahlungen

Die im neuen Gesetz festgelegte Prüfquote von 12,5 Prozent unterschreitet zwar die aktuelle Quote, wird allerdings ab 2021 dynamisiert, und kann damit die alte Rate deutlich übertreffen. Je nach Anzahl der auffälligen Fälle – nochmals: auch formale Fehler können dazuzählen – wird die Prüfquote gesteigert, genauso wie übrigens die Strafzahlungen (vgl. Abbildung 1). Zum jetzigen Zeitpunkt ist für 2020 bei einer Prüfquote von 12,5 Prozent von einer Strafzahlung in Höhe von 10 Prozent des Minderungsbetrages (mindestens 300 Euro) zusätzlich zum Minderungsbetrag auszugehen.

Abb. 1: Dynamisierung der Prüfquote ab 2021

Anteil Prüfung mit Beanstandung

Maximale Prüfquote

Strafzahlung (x % des Minderungsbetrages bis maximal 10 % des Rechnungsbetrages)

<40 %

5 %

0 %

40 % – 59 %

12,5 %

25 %, mindestens 300 Euro

60 % – 80 %

15 %

50 %, mindestens 300 Euro

>80 %

Unbegrenzt

50 %, mindestens 300 Euro + Anzeige Sozialministerium

Die Annahme einer Korrekturquote von ca. 40 % ist für viele Krankenhäuser nicht unrealistisch. Und formale Korrekturen sind dabei noch nicht mal eingeschlossen, so dass die abschließende Quote der dynamisierten Korrekturen vermutlich für manche Krankenhäuser noch höher ausfallen dürfte. Die daraus resultierende zukünftige Prüfquote wird übrigens allein durch den MD definiert, die einzelnen Krankenhäuser haben weder darauf Einfluss noch können sie die korrekte Quotenberechnung überprüfen.

Ob erfolgreiche Klagen gegen eine MD-Entscheidung rückwirkend Einfluss auf die Ermittlung der Prüfquote und die Strafzahlungen nehmen können, bedeutet unzweifelhaft einen langen Instanzenweg und erscheint vielen Juristen zudem wenig erfolgsversprechend. Auch durch eine in Nachhinein widerlegte Fehlentscheidung des MD werden also schwer zu korrigierende Fakten geschaffen. Pointiert formuliert drohen mit der Quotierung ab 2021 auf Krankenhausseite ungerechtfertigte Verluste in sechs- bis siebenstelliger Höhe. Aufgrund dieser gravierenden Auswirkungen der Gesetzesreform muss es prioritäres Ziel der Krankenhäuser sein, jeden Kürzungsansatz zu vermeiden und formale Fehler möglichst komplett zu eliminieren. Dies gelingt in erster Linie durch Schaffung klarer Verantwortungen in Verwaltung und Management und konsequente Schulungen der Behandlungsteams.

Dabei liegt im Zwist mit dem MD der Fokus auch in Zukunft am ehesten auf der Verweildauer. Denn eine Kürzung ist hier deshalb so interessant, da man – kolportiert – im Zweifel doch immer durch „Straffung des Behandlungsverlaufs“, kategorisches Definieren von „ambulantem Potential“ oder ein korrigierendes Umsetzen der Medikation (ex post!) leicht „einen, zwei oder drei Tage zum Streichen finden“ kann, und damit zugleich den Erlös mindert, eine Strafzahlung zur Refinanzierung des Prüfaufwandes generiert und die Prüfquote belastet. Es bedarf keiner großen Analyse, dass die Verweildauer das größte „Gefahrenpotential“ für Kürzungen bietet.

Strategien

Ziel der Bemühungen muss eine straffe Steuerung der Verweildauer sowie eine lückenlose Dokumentation des Behandlungsablaufs sein, um sowohl die stationäre Behandlung an sich als auch die Verweildauer ausreichend zu begründen. Als Krankenhaus lässt sich diesem Problem nur durch Optimierung sowohl der klinikinternen und als auch der fächerübergreifenden Abläufe begegnen.

Kommittent der Führungspersonen

Um ein hohe inhaltliche Überzeugung und ein starkes Engagement im Unternehmen zu erreichen erscheinen interdisziplinäre und berufsgruppenübergreifende Arbeitsgruppen der sinnvollste Ansatz. Die intensive Einbindung der Chefarztebene erleichtert dabei die Durchsetzung der notwendigen Maßnahmen, die dann mit ausreichendem Nachdruck auf die nachgeordneten Arbeitsebenen übertragen werden können. Regelmäßige Treffen der Arbeitsgruppen z. B. im 14-tägigen Rhythmus erleichtern die Bilanzierung der getroffenen Maßnahmen und die notwendigen Anpassungen.

Beispielrechnung

Der folgende fiktive, realitätsnahe Fall illustriert beispielhaft die Auswirkungen einer Verweildauerkürzung.

Diagnose: Bauchdeckenphlegmone mit Abszess nach laparoskopischer IPOM-Versorgung bei inkarzerierter Nabelhernie. Nebendiagnosen: Adipositas Grad III (initial 200 kg bei 184 cm, BMI 58,4 kg/m², bei Entlassung 160 kg), ARDS, Lungenarterienembolien bds., Stauungspneumonie, Septischer Schock, protrahiertes Weaning bei Delir. Therapie: Abszessspaltung mit VAC-Anlage, multiple Debridements und VAC-Wechsel, Tracheotomie, Langzeitintensivaufenthalt, Einleitung einer dauerhaften Antikoagulation. Verlauf: Nach langem Intensivaufenthalt Übernahme auf die Normalstation und spätere Verlegung in eine Reha-Einrichtung. Fallprüfung MD: Verkürzung der Verweildauer auf der Normalstation um sieben Tage.

Dies bedeutet für diesen Fall analog zu den oben genannten Prüfquoten und Strafzahlungen bei einer angenommenen Rechnungssumme von ca. 63.100 Euro:

In 2019 nur Erlösverlust durch gestrichene Tage:

ca. – 9.000 Euro

In 2020 zusätzlich Straf-Aufschlag in Höhe von 10 % des Differenzbetrages:

ca. – 9.900 Euro

In 2021 bei Beanstandungen von <40 % (keine Strafzahlung):

ca. – 9.000 Euro

bei Beanstandungen von 40–59 % (Strafe 25 % der Differenz)

ca. – 11.250 Euro

bei Beanstandungen >60 % (Strafe 50 % der Differenz)

ca. – 13.500 Euro

Maximalstrafe sind 10 Prozent des geminderten Abrechungsbetrags, d. h. bei weiterer Verweildauerkürzung reine Strafzahlung in diesem Fall ca. 5.411 Euro.

Dokumentation

Die konsequente, tägliche Dokumentation des Behandlungsverlaufs sowohl auf ärztlicher als auch auf pflegerischer Ebene ist nicht nur medizinisch sinnvoll, sondern auch das beste Mittel, um in der Diskussion mit dem MD zu bestehen. Angesichts der bürokratischen Belastung von Krankenhauspersonal ist die Durchsetzung dieses grundsätzlich doch einfachen Prinzips trotzdem traditionell sehr anspruchsvoll. Neben einem Mangel an Zeit bestehen häufig gerade bei jüngeren Mitarbeitern Unsicherheiten, was eigentlich dokumentiert werden soll. Hier böte sich als einfache Hilfestellung z. B. die verpflichtende Einführung von SOAP notes an, die täglich kurz die Beschwerden (Subjective), die Befunde (Objective), die Einschätzung (Assessment) und den Handlungsplan (Plan) skizzieren. Photographien können die Wunddokumentation sinnvoll ergänzen. Eine solche standardisierte Verlaufsbeschreibung erleichtert in Zeiten häufiger Personalwechsel auch die Wahrung der Behandlungskontinuität. Doch auch die medizinisch beste Dokumentation nützt in der MD-Prüfung wenig, wenn nicht klar daraus hervorgeht, dass die stationäre Behandlung indiziert und wirklich jeder Krankenhaustag gerechtfertigt ist. Das bedeutet, dass oftmals medizinisch nachgeordnete Sachverhalte, die primär nicht unbedingt dokumentationswürdig erscheinen, durchaus in der kritischen Durchsicht den entscheidenden Unterschied machen können. Einfache Beispiele aus der Chirurgie wären neben der Qualität von Drainagesekret auch die Menge oder eine Demenz als komplizierender Faktor der Compliance.

Visitenbegleitung

Nachhaltige Lerneffekte bei den dokumentationsverantwortlichen Ärzten und Pflegekräfte lassen sich durch regelmäßige Visitenbegleitungen erreichen. Kodierfachkräfte erkennen Versäumnisse in der Dokumentation direkt, und können dann sofort schulend intervenieren. Die enge Kooperation von Ärzten und Pflege mit dem Kodierwesen mag ethisch bedauerlich sein, erscheint in Hinblick auf eine stringente Dokumentation in heutigen Zeiten aber fast unerlässlich. Das interprofessionelle Verhältnis bleibt aber oft fragil, insbesondere, wenn Ärzte und Pflege sich aus durchaus gutem Grund auf ihren eigentlichen Aufgaben der Linderung und Heilung zurückziehen. Ärzte und Pflege machen primär Medizin, das Management Zahlen und Geld. Hier ist also seitens der Führungsebene eine behutsame Moderation nötig, bei der die Professionen ihre prädominanten Kernkompetenzen behalten, aber gleichzeitig ein Konsens in der Sache demonstrieren müssen. Ein simples Abwälzen der Dokumentation auf Arzt und Pflege wird ohne professionelle Begleitung und zielgerichtetes Steuern nur zu größerer Frustration und Abwehr führen. Das ist dann genauso kontraproduktiv wie die moralinsaure Begleitung jeder verwaltungstechnischen Neuerung durch die leitende Ärzteschaft oder die Pflegedirektion. In der praktischen Umsetzung sollte schließlich Pragmatismus walten. Im Idealfall wird die Dokumentation besser, aber nicht aufwendiger. Die automatisierte, optische Markierung kritischer Fälle im Krankenhausinformationssystem in Nähe zur unteren oder oberen Grenzverweildauer kann nach den Schulungen dann dauerhaft die Aufmerksamkeit erhalten.

Steuerung der Verweildauer

Die Steuerung der Verweildauer ist keine Zielgröße des leitenden Arztes, sondern eine Herausforderung für das gesamte Behandlungs- und Verwaltungsteam. Grundsätzlich und sehr simpel geht es um die Kombination optimaler Behandlungsergebnisse in einer ebenfalls optimalen Verweildauer. Die größte logistische Herausforderung sind dabei Patienten, welche nicht nach Hause entlassen werden können, weil sie entweder zu krank sind oder ambulant nicht versorgt werden können und oder zeitnah keinen geeigneten Versorgungsplatz bekommen. Um die intern beeinflussbaren Faktoren zu identifizieren, bietet sich im ersten Schritt eine Prozessanalyse im eigenen Haus an. Zielparameter sind dabei vordergründig Anmeldungen und Organisationsabläufe bei verschiedenen Verlegungs- oder Entlassungsoptionen, wie z. B. Akutgeriatrie, Geriatrische Reha, Kurzzeitpflege, Dauerpflegeeinrichtung, ambulante Pflege, Hospiz, ambulanter Pflegedienst, betreutes Wohnen etc.). Es empfiehlt sich diese Analyse primär in jeder Fachabteilung separat vorzunehmen, da sich hier sehr oft ein ganz inhomogenes Bild zeigt. Im zweiten Schritt müssen dann die Schnittmengenbereiche identifiziert und betrachtet werden. Das betrifft dann vor allem den Bereich der hausinternen Verlegungen. Dazu zählen aber auch ein zeitnahes Konsilwesen, stringente Diagnostikleistungen (Radiologie, Endoskopie, Funktionen) und das flexible Nachsteuern bei Personalengpässen. Lösungsansätze für das Gesamthaus erarbeitet man interdisziplinär unter Einbezug der Leitungsebene.

Fazit

Die im MDK Reformgesetz beinhaltete Neuregelung der Krankenhausabrechnung stellt die stationären Leistungserbringer ab 2020 vor große Herausforderungen, denen man nur als kooperierendes Kollektiv erfolgreich begegnen kann. Die durch Regress und Strafen zu erwartenden Verluste, die für große Versorger ohne weiteres eine Größenordnung zwischen 500 Tsd bis zu 1 Mio Euro betragen können, werden sich wahrscheinlich nicht komplett ausgleichen lassen. Diese Option würde auch das Gesetz ad absurdum führen, denn es ist zu aller erst ein weiteres Instrument zur Krankenhausschließung. Die wirtschaftliche Situation verschärft sich zusätzlich noch durch die Ausgliederung der Pflege aus der DRG, die Personaluntergrenzen, die Tarifabschlüsse sowie die immer wachsenden Allgemein- und Sachkosten. Eine Fallzahlsteigerung zum Ausgleich der Belastungen ist dabei mittlerweile unrealistisch, da in Deutschaland seit ca. zwei Jahren ein Fallzahlplateau erreicht zu sein scheint. Die Aufgabe ist also bekannt. Kluges, gesetzeskonformes Handeln kann die negativen Effekte der reformierten Abrechnungsprüfung relevant mindern.

Krones CJ: Neuregelung im MDK Verfahren – was muss man wissen, um nicht zu verlieren? Passion Chirurgie. 2020 Juni, 10(6): Artikel 05_01

Cum statt contra – ein Plädoyer für ein Mehr an Miteinander

Die Ärzteschaft ist zerstritten! Es bekämpfen sich aber heute nicht mehr wie so oft unterschiedliche Fachdisziplinen oder Versorgungsstufen in ihren hegemonialen Ansprüchen, sondern ganze Arztgenerationen in tiefgehenden Systemfragen. Jung gegen Alt, Alt gegen Jung: Während die Einen unter dem Schlagwort „aushalten“ Stabilität, Kompetenztraining und Resilienz fordern, schwelgt der Nachwuchs eher in Teilzeitflexibilität, Babypause und der Schonung eigener Gesundheit. Beides wohlgemerkt für Berufsanfänger im Alter von Mitte bis Ende 20, einer Zeit in der man eigentlich mit Vollgas startet, aber auch mal Fehler macht. Ein tragfähiger Kompromiss erscheint unter solchen Prämissen a prima vista nicht vorstellbar.

Neu ist das nicht. Denn der Generationenstreit in der Ärzteschaft geht mittlerweile in das zweite Jahrzehnt. Zum Startpunkt der fortgesetzten Revolte in der Medizin – dem legendären Ärztestreik aus 2006, der seinen Abdruck sogar auf Wikipedia hinterlassen hat – schlug der jüngeren Generation unter dem Motto „endlich“ noch viel Sympathie aus der ärztlichen Seniorenklasse entgegen. Man kämpfte zu den Zeiten ja auch um Gerechtigkeit in Lohn und Arbeitszeit, und die Zeche dafür sollten ganz andere zahlen. Nur vereinzelt konnte man damals schon die ersten Kassandra-Rufe der Seniorität vernehmen, die in dem Aufstand der Jungen gleichzeitig einen ethisch-moralischen Verfall witterten. Ein kleiner Riss zwischen Jung und Alt tat sich bereits auf, auch wenn wohl niemand erwartet hätte, dass daraus in kurzer Zeit eine Gletscherspalte wird. Doch die vermeintlich unstillbaren Begierden der Generation Y (kann man diesen Begriff noch ertragen?) brachen sich weiter Bahn, während die Bollwerke der alten Babyboomer und Xer fast trotzig Jahr um Jahr verstärkt wurden. Und so stolpern die jungen und die alten Ärzte mittlerweile munter von einer Eskalation in die nächste, um sich scharend ein Heer aus selbsternannten Experten, Beratern und Moderatoren des Wandels, deren herausstechende Eigenschaft die wahlweise profitgierige oder geltungssüchtige Lust am Streit zu sein scheint. Und in der ersten Reihe um den Boxring mit den belfernden Parteien amüsieren sich Politik und Kostenträger über die Selbstzerfleischung, dabei nicht müde werdend, die Streithähne wechselseitig mit Munition zu befeuern. Übertrieben? Nein.

Doch was macht die Kluft zwischen den Generationen so unüberwindbar, was verhärtet die Fronten so sehr, was spaltet die eigentlich natürliche Solidarität in der Berufsgruppe hier tatsächlich? Vielleicht ist es nur das immer wiederkehrende Phänomen des Generationenwechsels, das ohne Zweifel unvermeidbar, aber nicht unüberwindbar ist. Denn Konflikte zwischen den Jungen und den Alten sind wahrscheinlich so alt wie die Menschheitsgeschichte. Während die einen alles ändern wollen, schützen die anderen den Bestand – und beide Seiten beklagen fehlenden Respekt: vor der Würde des Alters wie vor der Kraft der Jugend, vor dem Wert der Tradition wie vor der Wucht der Zukunft. Seit der Erfindung der Schrift ist dieser Streit dokumentiert. Und auch in unserem heutigen Alltag findet sich der Clash of Generations bis in kleinste Details verlässlich wieder. Der Gebrauch von Smartphones ist ein redundantes Beispiel, aber früher wurden ja auch die Bälle von jungen Fußballern viel besser aufgepumpt. Die Diskussion der Generationen ist also nicht nur alt, sondern auch überall und sicher kein Weltuntergang. Aber wie langweilig erscheint es angesichts dieser simplen historischen Betrachtung auch aktuell in diesen Rollenmustern zu verharren? Welche intellektuelle Verschwendung bedeutet das Mantra der ewig gleichen, mittlerweile verhärteten Positionen? Wie können wir so hartnäckig negieren, dass jede Lösung immer im Kompromiss liegt? Machen wir uns doch nicht vor aller Welt lächerlich.

Grundsätzlich sitzen alle Ärzte im gleichen Boot, wir rudern nur alle anders. Diese geschundene Metapher ist so abgeschmackt wie zutreffend. Denn je einfacher die erste gemeinsame Grundannahme gewählt wird, umso leichter fällt der Start. Der nächste Schritt aus diesem Kreiselkurs wäre die gegenseitige Akzeptanz. Es gibt beide – Jung und Alt – und wir können beide ohne den anderen nicht. Das muss man ja nicht gut finden, doch wir müssen ja auch nicht heiraten. Nur scheiden lassen können wir uns auch nicht. Schon die gegenseitige Akzeptanz der puren Existenz führt zu mehr Respekt. Und jede Generation wählt auf der Basis des sich ständig verändernden Lebensumfelds neue Prämissen – nur so ist gesellschaftlicher Wandel möglich. Ist das per se falsch? Nein. Ist das per se richtig? Auch nein. Erstmal ist es nur anders. Danach könnte ein tiefer gehender Blick auf die unterschiedlichen Motive weiterhelfen. Beide Parteien stehen unter hohem gesellschaftlichen Druck, und zwar in ihren sozialen Gruppen oder neudeutsch Peergroups. Die Umgebung der jungen Ärzten erwartet ein hohes Maß an Selbstbestimmung und zwar vor allem im privaten Sektor, während die Peergroup der Älteren Strukturtreue in der Profession zum hohen Maßstab erhebt. Merke: das hat primär auf beiden Seiten zunächst mal nichts mit beruflicher Leistungsbereitschaft zu tun! Und was ist denn daran falsch, sich eng um seine Familie zu kümmern, eine aktive Freizeitgestaltung zu betreiben oder verlässliche Arbeits- und Weiterbildungszeiten zu suchen. Zunächst genau so wenig wie an einer resilienten Haltung zur Arbeitslast, ökonomischem Verantwortungsbewusstsein und gesellschaftlicher Opferbereitschaft. Nur bei verhärteten Diskussionsfronten erscheinen diese Ziele divergent, nämlich genau dann, wenn sie zum Dogma erhoben werden. Denn unter dem Leitspruch „allein so geht’s“ entwickeln sich nur diskursive Filterblasen (im strengen Sinn eigentlich per se ein Oxymoron), die sich wesenstreu intern bestätigen und den Konflikt so weiter triggern. Die Jungen tagen mit den Jungen, die Alten mit den Alten, und beide verabschieden in schöner Regelmäßigkeit das nächste Pamphlet, welches nach der Übergabe vice versa direkt im gedanklichen Schredder landet. In diesem fortgeschrittenen Stadium erzeugen abweichende Sprachmuster ein fortgesetztes, fundamentales Unverständnis – Leistung ist dann nicht mehr gleich Leistung und Freizeit nicht mehr gleich Freizeit. Und eh man sich versieht verbleibt nur noch eine vorwurfsvolle Emotionalisierung. Leistung und Freizeit mutieren von Werten zu Schimpfworten. Das ist das Ende der echten Diskussion. Ehepaare stehen jetzt übrigens kurz vor der Trennung.

Und genau da stehen wir jetzt auch. Im Kampf der flitternden Revolution mit dem verkniffenen Establishment stellen das Projekt „­KomMedment“ sowie ein ­Aufruf junger Ärzte solche Kampfschriften dar. Inhaltlich durchaus nicht falsch und akademisch wohl formuliert bieten sie beide keine Grundlage für eine realitätsnahe Diskussion, sondern erheben den eigenen Standpunkt zur dogmatischen These. Verständnis für die andere Position wird so nicht signalisiert, für die eigene aber auch nicht erreicht. Die Leserbriefe im Deutschen Ärzteblatt als Reaktion auf die Erlanger These aber auch die freien Kommentare in einer BDC-Umfrage unter leitenden Ärzten zu Neueinstellungen in der Chirurgie sprechen hier Bände. Man mag sich nicht mehr, oder plumper: Man hat die Schnauze voll.

Im Sinne aller ist es Zeit für eine deutliche Kurskorrektur. Fangen wir an, uns gegenseitig wieder zu respektieren. Keine Partei hat Unrecht. Denn die alten Ärzte sind die Stammspieler der Gegenwart, doch die jungen Ärzte stellen die Helden der Zukunft. Die einen lenken das System, und die anderen werden es lenken. Hören wir auf idealistische Positionen zu proklamieren, die vor Realitätsferne nur so strotzen. Die ständig neuen Forderungen des Marburger Bunds sind ohne zusätzliche Finanzierung im Alltag nicht durchsetzbar, sondern erhöhen im schlechtesten Fall nur den Druck auf die leitenden Krankenhausärzte. Da wird doch wohl der zweite vor dem ersten Schritt gemacht. Das ist genauso falsch, wie der Aufruf zu alter Stärke, der unter dem Motto „früher war alles besser“ die sinnvolle Modernisierung ärztlicher Arbeit boykottiert. So macht man gar keinen Schritt. Gehen wir, aber gehen wir zusammen. Lasst uns Kontroversen führen, aber dabei immer den Kompromiss suchen. Meiden wir auf beiden Seiten die falschen Propheten und Claqueure, die uns Ärzte oft nur für ihren Eigennutz begleiten. Kein Politiker, Krankenhausvorstand, Gewerkschaftler oder Klinikleiter wird neue Bestimmungen oder Vorschriften in heilbringende Arbeit umsetzen. Das können wir nur selbst. Befreien wir uns doch wieder ein kleines Stück von der Fremdbestimmung, die uns eigentlich doch alle quält. Der Arztberuf war mal frei! Lösen wir die Filterblasen auf – wir müssen uns gegenseitig zuhören, und nicht in den eigenen Zirkeln im Lamento versinken.

Jung und Alt gehören zur Reform an den gleichen Tisch. Erinnern wir uns an unsere gemeinsamen Ziele – wir sind alle Ärzte, denn nur so gewinnen wir unsere interne Solidarität zurück. Echte Gegner wie die überbordende Bürokratie, effektheischende Politpropaganda, patientenferne Sparprogramme, selbstgenügende Pseudo-Innovationen oder unangemessene Erwartungshaltungen gibt es genug, wir müssen uns nicht selbst bekämpfen. Wir sitzen wirklich alle im gleichen Boot, also sollten wir unsere Tempi und Rhythmen aneinander angleichen. Beide!

Krones CJ: Cum statt contra – ein Plädoyer für ein mehr an Miteinander. Passion Chirurgie. 2020 Mai, 10(05): Artikel 09.

Das Referat für „Leitende Krankenhauschirurgen“ stellt sich vor

Das Spektrum an Aufgaben, denen sich leitende Chirurgen im Krankenhaus stellen müssen, hat sich in den letzten 20 Jahren extrem diversifiziert. Aus Operateuren wurden Leistungserbringer. Die größte außerfachliche Belastung für leitende Ärzte stellt unzweifelhaft der wirtschaftliche Druck, der politisch durchaus gewollt in die ehemals ökonomiearme Zone der stationären Medizin eingebrochen ist. Durch die Merkantilisierung der Gesundheit haben sich die Machtverhältnisse im Krankenhaus in den letzten Jahren deutlich verändert – weg von den Ärzten, hin zur Geschäftsführung. Aus Verwaltung wurde strategische Führung, aus Lebensrettung eine messbare Leistung. Dieser Prozess ist schmerzhaft und so stehen sich die führenden Protagonisten in der Regel wie Antipoden gegenüber. Medizin und Ökonomie erscheinen unvereinbar. Dabei ist der Schmerz auf beiden Seiten spürbar. Geschäftsführung wie klinische Leitung stehen jeweils unter einem hohen Druck. Die gesellschaftlichen Vorgaben – ewige Gesundheit für jeden, bei niedrigen Kosten für alle – sind einhelliger Wunsch. So divergent die Ziele auch auf den zweiten Blick imponieren, um so unabänderlicher erscheint ihr Wert in der öffentlichen Diskussion. Und auch die Vertreter der beiden streitenden Parteien – Ärzte und Wirtschaftler – rücken nur selten von ihren Positionen ab. Lieber tauscht man sich in der eigenen Filterblase aus, als über den Tellerrand zu blicken. Divergente Sprachmuster – verstehen wir unter Gesundheit wirklich das Gleiche? – sind längst etabliert. Sie unterstützen Abschottung und Missverständnis. Eine überwiegend vorwurfsvolle Emotionalisierung tritt an die Stelle echten Austauschs.

Das Referat Leitende Krankenhauschirurgen möchte diese Blockade zum Wohle aller aufbrechen. Unsere Arbeit soll in den nächsten Jahren dafür werben, die gesellschaftlichen Vorgaben der jeweiligen Gegenseite zu verstehen und – noch wichtiger – zu akzeptieren. Mit Verständnis für Zielvorgaben und Druck ließe sich eine wichtige De-Emotionalisierung erreichen. Nur so gleicht man Sprachmuster an um in konstruktiven Gesprächen Schnittmengen zu definieren über die man gemeinsame Lösungen erreichen kann. Eine der wichtigsten Aufgaben des Referats wird sein, die Filterblasen der beiden verfeindeten Parteien aufzulösen und stattdessen breite Kontaktflächen zum gegenseitigen Austausch zu etablieren. Lösung statt Lamento lautet der Slogan unserer Arbeit – wir laden Sie ein, uns zu unterstützen.

Krones C, Hennes N: Das Referat für „Leitende Krankenhauschirurgen“ stellt sich vor. Passion Chirurgie. 2019 Januar, 9(01): Artikel 07_02.