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Strategischer Dreiklang – Umbenennung des Verbands, programmatisches Leitbild und neue Themenreferate für den BDC

Begleitend zur neuen Legislaturperiode hat der wiedergewählte Vorstand zusammen mit den Mitgliedern des ebenfalls wiedergewählten erweiterten Vorstands und der Geschäftsführerin strategische Innovationen auf den Weg gebracht:

Raison d‘être

Der primäre Auftrag des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgie e. V. lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Der BDC ist der Verband für alle Chirurginnen und Chirurgen in Deutschland.

Aber wofür steht der BDC im Einzelnen? Warum lohnt es sich für Chirurginnen und Chirurgen, BDC-Mitglied zu werden? Was macht eine BDC-Mitgliedschaft aus, neben den angebotenen Serviceleistungen, wie rabattierte Versicherungen und Fortbildungen sowie kostenfreie Rechtsberatung, um nur einige wenige zu nennen? Was grenzt den BDC von anderen Organisationen ab?

Einen Kompass zu bieten, für Sie als Mitglieder, für Mandatsträger, Mitarbeitende sowie externe Partner wie Politik und Selbstverwaltung, das war das erklärte Ziel von Vorstand und Geschäftsführung für die oben genannten Entwicklungsschritte. Dabei ist bereits der Name eines Verbands Programm. Das Leitbild als Teil der Verbandskultur definiert die gewünschte strategische Ausrichtung eines Interessenverbands beziehungsweise einer Organisation. Es fungiert als eine Art Rahmen und gibt eine grobe Orientierung, um die operativen Aktivitäten von Leitung und Mitarbeitenden zu vereinheitlichen. Es schafft damit eine Basis für das Erreichen gemeinsamer Ziele und die notwendige Transparenz für Beteiligte aller Ebenen. Die neu konzipierten Themenreferate tragen dazu bei, die Umsetzung dieser Programmatik organisatorisch auch in der Verbandsstruktur zu verankern.

Ausgangspunkt

Um sicherzustellen, dass alle wichtigen Aspekte in die Beratungen zur Namensgebung, Entwicklung des Leitbilds und in die Struktur der Themenreferate einfließen, haben wir – zusätzlich zu den satzungsgemäßen Vereinszielen – insbesondere die Ergebnisse einer Mitgliederbefragung [1] in den Gremien des BDC diskutiert. Dabei standen folgende Zukunftsfragen im Vordergrund: Wo hat der BDC Entwicklungspotenzial? Wo sollte sich der BDC stärker positionieren? Welche Instrumente benötigt der BDC zur Umsetzung?

Die Analyse der aktuellen Satzung, der Mitgliederbefragung und die Antworten auf die obigen Zukunftsfragen erbrachten folgende Ergebnisse, die in die weiteren Entwicklungen einbezogen wurden:

Welches sind die satzungsgemäßen Ziele des BDC?

  • Der Einsatz für chirurgische Belange in Politik und Öffentlichkeit
  • Die Unterstützung der Mitglieder in beruflichen Grundsatzfragen
  • Der Erhalt und die Weiterentwicklung des Gebiets Chirurgie
  • Die Fort- und Weiterbildung

Welche Wünsche und Anregungen haben wir in der Mitgliederbefragung von Ihnen erhalten?

Die Präsenz des BDC in der Öffentlichkeit und bei der berufspolitischen Interessenvertretung ist unseren Mitgliedern ein besonders wichtiges Anliegen. Dabei muss generell beachtet werden, dass die direkte Einflussnahme eines einzelnen Berufsverbands auf Entscheidungen in der Gesundheitspolitik nur eingeschränkt möglich ist. Die Mehrheit der Befragten hat trotzdem eine Intensivierung der externen Kommunikationsarbeit des BDC angeregt.

Zudem wurden in der Mitgliederbefragung folgende Themenfelder für die strategische Ausrichtung des BDC priorisiert:

  1. Weiterbildung
  2. Zusammenarbeit mit anderen Fachgesellschaften und -verbänden, insbesondere mit dem Ziel der Einheit in der deutschen Chirurgie
  3. Nachwuchsarbeit
  4. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen
  5. Service für leitende Ärzte: Leitfaden zur praktischen Umsetzung bei neuen Gesetzen

Welche zusätzlichen berufspolitischen Zukunftsthemen wurden durch den Vorstand identifiziert?

  • Erhalt der Freiberuflichkeit im Sinne der fachlichen Unabhängigkeit
  • Sicherung und Abgrenzung der chirurgischen Aufgabengebiete/Delegation statt Substitution
  • Weiterentwicklung der Aufbau- und Ablauforganisation in der Fort- und Weiterbildung einschließlich finanzieller Förderung
  • Förderung innovativer und auskömmlicher Arbeitsbedingungen
  • Verbesserung der Versorgungsstrukturen, insbesondere auch sektorenübergreifend
  • Reform der Krankenhausfinanzierung
  • Förderung digitaler und medizintechnischer Innovationen
  • Gendergerechtigkeit
  • Umweltschutz und Nachhaltigkeit

Drei Entwicklungsschritte

Schritt eins war die Umbenennung des „Berufsverbands der Deutschen Chirurgen e. V.“ in „Berufsverband der Deutschen Chirurgie e. V.“. Ziel war es, der steigenden Anzahl chirurgischer Kolleginnen Rechnung zu tragen und Chirurginnen und Chirurgen schon im Namen gleichermaßen anzusprechen. Der neue Verbandsname wurde im April 2022 mit großer Mehrheit durch die Mitgliederversammlung bestätigt.

In einem zweiten, parallelen Schritt haben (erweiterter) Vorstand und Geschäftsführung auf Basis der Satzung, der Mitgliederbefragung und aktueller Zukunftsfragen ein Leitbild erarbeitet. Dieses beinhaltet zehn Leitsätze, jeweils mit programmatischen Erläuterungen. Dabei sollen die Leitsätze längerfristig Gültigkeit haben, während die Erläuterungen auch aktuelle Entwicklungen aufgreifen und damit einer jeweils erforderlichen Anpassung unterliegen können. Idealerweise sollten sie im Vorfeld jeder neuen Legislaturperiode aktualisiert werden. Mit dem Leitbild wird Transparenz geschaffen. Mitglieder, Mandatsträger und Mitarbeitende wie auch Repräsentanten von Politik und Selbstverwaltung können sich so jederzeit über Ziele und Ausrichtung des BDC informieren. Zudem erleichtert es die Konzentration auf bestimmte Aktivitäten und Ressourcen innerhalb des BDC.

Um die Umsetzung des Leitbildes bzw. der Programmatik auch organisatorisch zu fördern, wurde in einem dritten strategischen Schritt eine angepasste Struktur der Themenreferate entwickelt, die auf das neue Leitbild abgestimmt ist. Die Themenreferate im BDC sind grundsätzlich nach Sachgebieten gegliedert und spiegeln die wesentlichen Verbandsaufgaben wider. Das soll gewährleisten, dass die Inhalte des Leitbildes jederzeit Eingang in die Sacharbeit des BDC finden. Neben den satzungsgemäß eingerichteten Fachreferaten der verschiedenen chirurgischen Säulen sind folgende Themenreferate vorgesehen, über deren personelle Besetzung die Mitgliederversammlung am 28. April 2023 entscheiden wird:

  1. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
  2. Krankenhausstrukturen, sektorenübergreifende Versorgung und Nachhaltigkeit
  3. Niedergelassene (Leitung wird durch die Regionalvertreter gewählt)
  4. BDC|Akademie
  5. Nachwuchs und Karrieregestaltung
  6. Digitalisierung und technische Innovation
  7. Vergütungssystematik und Leistungsmanagement
  8. Familie und berufliche Perspektiven

Selbstverständlich kann ein solches Leitbild nur dann umgesetzt werden, wenn es auch genutzt und weiterentwickelt wird, und zwar zum einen durch Mandatsträger sowie Mitarbeitende und zum anderen insbesondere auch durch Sie, die BDC-Mitglieder. Alle Mitglieder sind eingeladen, sich mit dem Leitbild zu beschäftigen und gerne eine Rückmeldung zu geben. Lassen Sie uns also wissen, was Sie von den aufgeführten Entwicklungen halten und wo Sie vielleicht noch zusätzliches Verbesserungspotenzial sehen. Denn der Verband lebt auch ganz entscheidend vom Engagement seiner Mitglieder. Nur so können Vorstand, Mandatsträger und BDC-Team gemeinsam mit Ihnen lebendige und effektive Verbandsarbeit leisten.

Literatur

[1]   vgl. Burgdorf F, Kunze C: BDC-Mitgliederbefragung 2020: Herzlichen Dank für Ihre wertvolle Beteiligung! Passion Chirurgie. 2020 September; 9(09): Artikel 07_03: Suche auf www.bdc.de

Lesen Sie auch in dieser Ausgabe: „Was bedeutet das neue Leitbild für das Referat Niedergelassene?“

Leitbild und Programmatik

Das neue BDC-Leitbild einschließlich programmatischer Erläuterungen wurde Ihnen als Beilage der Dezemberausgabe der Passion Chirurgie zugeschickt. Sie finden es digital auch hier:  www.bdc.de.

Wenn die Beilage fehlte, schreiben Sie uns an [email protected], wir schicken sie gern zu.

Burgdorf F, Rüggeberg JA, Kalbe P, Meyer HJ: Strategischer Dreiklang. Passion Chirurgie. 2022 Dezember; 12(12): Artikel 03_01.

Editorial: Frohe Festtage

Zur Ausgabe Leitbild und Programmatik des BDC 12/QIV/2022

Liebe Leserinnen und Leser der „Passion“,

das Jahr 2022 hat uns, noch im Griff der Corona-Pandemie, gleich zu Beginn vor zusätzliche, neue Herausforderungen gestellt. Sehen wir uns doch seither mit einem Krieg innerhalb Europas mitsamt seinen vielschichtigen Auswirkungen und Verwerfungen konfrontiert. Zur Bewältigung sind Politik und Gesellschaft gefordert, aber es ist auch und immer wieder die Ärzteschaft, die eine herausragende Rolle in der Gesundheits- und Daseinsvorsorge spielt, insbesondere, wenn die Zeiten schwieriger und die Gesundheit und Integrität von Menschen bedroht werden. Gerade in dieser Zeit wird unsere Aufgabe als Berufsverband noch einmal deutlich: Sie, unsere Mitglieder, bei Ihrer Tätigkeit so gut es geht zu unterstützen und uns zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Sie einzubringen.

Und so hat sich der BDC auch 2022, unter der Ägide eines neuen Gesundheitsministers, gesundheitspolitisch für Sie eingebracht. Zentrale Themen des in der diesjährigen Mitgliederversammlung im Amt bestätigten Vorstands – wir gratulieren noch einmal ganz herzlich – waren und sind auch weiterhin die sogenannte Ambulantisierung von Leistungen, die Gebührenordnung für Ärzte, die Krankenhausfinanzierung und Fragen der Personalbemessung, um nur einige zu nennen.

Welchen strategischen Dreiklang – Verbandsnamen, Leitbild und Themenreferate – Vorstand und Geschäftsführung auf den Weg gebracht haben, lesen Sie in dieser Ausgabe. Ziel ist es, auch die wachsende Anzahl weiblicher Mitglieder stärker zu berücksichtigen, Transparenz zu schaffen und die Verbandsressourcen zukünftig noch effektiver zu bündeln. Dazu gehört auch ein Bericht zur Bedeutung des neuen Leitbilds für das Referat Niedergelassene des BDC. Weitere Beiträge dazu werden im Laufe des Jahre 2023 folgen.

Mit viel Elan ist, trotz weiterhin wegen der Pandemie erschwerter Rahmenbedingungen, auch die Akademie in das Jahr 2022 gestartet und hat unter anderem das Curriculum der robotischen Chirurgie erweitert sowie eine neue Podcastreihe „Surgeon Talk“ auf den Weg gebracht – hören Sie gerne rein, auf www.surgeontalk.de, Spotify oder iTunes. Die Beiträge sind kurzweilig und informativ und das Moderationsteam hat für 2023 schon eine ganze Reihe spannender Themen geplant. Ebenfalls in dieser Ausgabe der Passion Chirurgie informiert Sie die wissenschaftliche Akademieleitung zu Innovationen 2023 und altbewährten Angeboten der BDC|Akademie.

Wenn Sie noch mehr am Puls der Zeit bleiben möchten, dann verpassen Sie nicht den aktuellen Praxistest zum Thema „Forget about Y – here comes generation Z“. Die Lektüre mag, passend zu Weihnachten, nicht nur im Klinik- und Praxisalltag nützlich, sondern auch dem Familienleben zuträglich sein.

Sollten Sie schließlich für 2023 ganz neue Pläne verfolgen und sich stärker gesundheitspolitisch einbringen wollen, dann empfehle ich die Lektüre des Erfahrungsberichts „Der Übergang vom OP-Tisch zum Kammer-Präsidenten war fließend“ von Dr. Günther Matheis, Chirurg und Vizepräsident der Bundesärztekammer.

Schließlich möchte ich schon jetzt die Gelegenheit nutzen, Sie auf unsere Mitgliederversammlung am 28. April 2023 hinzuweisen, die im Rahmen des Deutschen Chirurgenkongresses stattfinden wird. Ihre Anwesenheit und Ihre Anregungen sind uns herzlich willkommen!

Ihnen und Ihren Familien, insbesondere auch allen, die über die Feiertage tätig sein werden, wünsche ich ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes und gesundes Jahr 2023!

Ihre
Dr. med. Friederike Burgdorf

Burgdorf F: Editorial. Passion Chirurgie. 2022 Dezember; 12(12): Artikel 01.

Interview zur Umbenennung des BDC mit Dr. Friederike Burgdorf, Geschäftsführerin des BDC

Dr. Friederike Burgdorf ist seit 2019 die erste Frau in der BDC-Geschäftsführung. Im Interview erzählt sie über die Motivation des Verbandes sich umzubenennen und zu seiner aktuellen berufspolitischen Arbeit.

REDAKTION: Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen wird sich künftig Berufsverband der Deutschen Chirurgie nennen. Warum?
Dr. F. Burgdorf:  Wir wollen ein Zeichen setzen und das Signal geben, dass der Verband für Chirurginnen und Chirurgen gleichermaßen attraktiv ist. Übrigens steigt die Anzahl unserer weiblichen Verbandsmitglieder: Während es vor etwa zehn Jahren noch 3.000 waren, sind es nun schon über 4.000. Der BDC hat nun knapp ein Viertel weibliche Mitglieder. Dies entspricht exakt dem Anteil berufstätiger Chirurginnen in Deutschland gemäß Bundesarztregister. Im Vergleich zu anderen Fachgruppen ist der Anteil an Ärztinnen in der Chirurgie noch relativ überschaubar – wir hoffen, nicht mehr lange!

RE  Wie lief der Entscheidungsprozess ab, also: Wer hat die Umbenennung initiiert, was waren die einzelnen Schritte und wer hat es letzten Endes entschieden?
FB  Im vergangenen Jahr hat das BDC-Präsidium fast einstimmig beschlossen, den Mitgliedern die Umbenennung zu empfehlen. Bei der Mitgliederversammlung in diesem Jahr haben die Mitglieder eine 0eindeutige Entscheidung getroffen und mit über 90 Prozent dem neuen Verbandsnamen zugestimmt. Das zeigt, dass die Umbenennung von einer breiten Basis im Verband getragen wird.

Neues Logo 2022RE  Welche Rolle haben die weiblichen, welche die männlichen Mitglieder dabei gespielt?
FB  Die Zustimmung war sowohl bei den weiblichen als auch männlichen BDC-Mitgliedern hoch. Schon bei der Meinungsbildung vorab sind wir auf große Einigkeit bei fast allen Beteiligten gestoßen.

RE  In einigen ärztlichen Fachbereichen gibt es schon deutlich mehr Frauen als Männer. Warum ist gerade die Chirurgie ein offensichtlich eher schwieriges Pflaster für Frauen?
FB  Die Chirurgie ist keine Tätigkeit, die man „9-to-5“ verrichten kann. Längere Dienstzeiten, Arbeit am Wochenende, so lassen sich Beruf und Privatleben oft nur schwer miteinander vereinbaren. Das erfordert viel Flexibilität, die man mit einer Elternrolle eben nicht oder nur bedingt hat.

RE  Warum sollte sich eine Medizinstudentin dennoch für eine chirurgische fachärztliche Weiterbildung entscheiden?
FB  Weil die Chirurgie ein vielfältiges und faszinierendes Fach ist. Der Wirkungsgrad ist hoch und auch der chirurgische Arbeitsalltag bietet Gestaltungsmöglichkeiten – von der Auswahl des chirurgischen Fachgebiets über die Spezialisierung bis hin zum Ort der Tätigkeit. Mit den neuen Möglichkeiten, Operationen zunehmend auch ambulant vorzunehmen, ergeben sich neue Chancen auf herausfordernde Tätigkeiten auch in der Niederlassung, wo die Zeitplanung eher einem Gestaltungsspielraum unterliegt. Aber auch viele Kliniken bieten heutzutage mehr Flexibilität für die Karriereplanung und deren Vereinbarkeit mit familiären und gesellschaftlichen Belangen.

RE  Was tut der BDC – abgesehen von der Namensänderung – gerade für seine weiblichen Mitglieder?
FB  Die letzte Mitgliederversammlung hat neben der Umbenennung des Verbandes zum Beispiel beschlossen, dass Frauen im erweiterten Vorstand künftig mit mindestens drei Vertreterinnen repräsentiert sein werden. Damit wollen wir Chirurginnen verstärkt in die Verbandsarbeit integrieren und Ihnen die Möglichkeit einräumen, den Kurs des Verbandes aktiv mitzubestimmen. Um die Kolleginnen auf ihrem Weg auf der Karriereleiter zu fördern, bietet der BDC zum Beispiel seit Jahren die Führungsseminarreihe „Chirurginnen auf dem Weg nach oben“ an. Auch dieses Angebot ist dem Engagement und dem Gestaltungswillen weiblicher Mitglieder im BDC zu verdanken.

RE  Was empfehlen Sie Ärztinnen, die gerade die Rahmenbedingungen für Frauen in diesem Fachbereich verbessern wollen?
FB  Auf jeden Fall sollten sie sich verbands- oder berufspolitisch engagieren und zum Beispiel versuchen, Mitglied der Gremien der lokalen Ärztekammer oder der Vertreterversammlung ihrer zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung zu werden. Wer dort mitmacht, kann mitgestalten und auf die Bedingungen in der Chirurgie Einfluss nehmen.

RE  Neben den organisatorischen Weichenstellungen: Welche fachlichen Themen stehen für den BDC in den nächsten Monaten im Vordergrund, worauf können sich alle Mitglieder – also auch Männer – freuen?
FB  Politisch gesehen steht für uns das Thema „Sektorübergreifende Versorgung“ weit vorne auf der Agenda. Das IGES-Institut hat sein Gutachten zum AOP-Katalog vorgelegt, wir haben Verbesserungsvorschläge unterbreitet. Nun müssen wir sehen, was die Selbstverwaltung daraus macht. Damit in Zusammenhang steht aktuell auch die Krankenhausfinanzierung, Stichwort Reform des DRG-Systems. Genau wie bei der längst fälligen Reform der GOÄ bleiben wir natürlich auch hier am Ball.

Ein permanentes Thema im BDC ist insbesondere die Fort- und Weiterbildung einschließlich der Nachwuchsförderung. Die BDC|Akademie aktualisiert hier stetig das Angebot, um allen Karrierestufen und auch aktuellen Trends, wie zum Beispiel der Digitalisierung, und veränderten Lerngewohnheiten gerecht zu werden. Ein aktuelles Projekt der BDC|Akademie ist die Neuauflage einer Podcastreihe unter dem Titel „Surgeon Talk“. Ab dem 1. Juni startet diese mit zweiwöchentlichen Podcasts rund um alles, was die Chirurgie spannend macht.

Bei all diesen Themen freuen wir uns natürlich über das Engagement unserer Mitglieder und wünschen uns insbesondere auch die Beteiligung von Chirurginnen.

Interview wurde im Mai geführt.

Ambulantes Operieren – Zukunft oder Irrweg?

Ambulantes Operieren – Zukunft oder Irrweg. Unter diesem Titel tagte eine Session der Arbeitsgemeinschaft Ambulantes Operieren (CAAO) der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) auf dem diesjährigen Deutschen Chirurgenkongress (DCK) in Leipzig mit knapp 50 Teilnehmern vor Ort und weiteren Online-Teilnehmern. Die Diskussion war nicht nur interessant, sondern auch engagiert und zukunftsweisend. Informieren Sie sich hier über die Kernaussagen.

Entwicklung

Obwohl bis weit ins 19. Jahrhundert hinein primär ambulant operiert wurde, entwickelte sich die Chirurgie, nach der Einführung von Narkosetechnik (1847) und Antisepsis, ab den 1880er-Jahren zu einer überwiegend stationär an Krankenhäuser angegliederten Zunft. Und wieder war es der medizinisch-technische Fortschritt, der es im Laufe der 20. Jahrhunderts erlaubte, Eingriffe, die bis dato in Krankenhäusern erfolgten, nunmehr auch ambulant vorzunehmen, entweder weiterhin im Krankenhaus mit der Hochleistungsstruktur als Rückversicherung oder auch direkt im ambulanten Setting in der Praxis(-klinik).

Und wo stehen wir heute? Während die Transformation in anderen, vergleichbar entwickelten Ländern schon weiter fortgeschritten ist und der Trend zu kürzeren Verweildauern und day surgery anhält, sehen wir in Deutschland zwei gegenläufige Entwicklungen: Passend zum medizinisch-technischen Fortschritt und auch den internationalen Entwicklungen steigt die Anzahl der Kurzlieger (short stay, 24-72 Stunden), wohingegen der Trend zum ambulanten Operieren (day surgery) schon seit vielen Jahren stagniert, insbesondere an Krankenhäusern.

Ambulantes Operieren – Zukunft oder Irrweg

Session der CAAO (DGCH) auf dem DCK 2022 in Leipzig

Vorsitz: Dr. R. Lorenz, Dr. F. Burgdorf

Live-Mitschnitt: www.bit.ly/SessionCAAO

Längst ist aus dem internationalen Vergleich bekannt, dass Deutschland in puncto day surgery auf den hinteren Plätzen rangiert (Brökelmann JD, Toftgaard C, 2011). Aus OECD-Daten (2018) lässt sich z. B. ableiten, dass Deutschland Weltmeister ist – im stationären Operieren von Leistenhernien mit 223 Eingriffen je 100.000 Einwohner versus 110 im OECD-Durchschnitt. Nur 15 Prozent dieser Eingriffe werden ambulant durchgeführt, obwohl die Evidenz dafür spricht, dass bezüglich Qualität und Outcome die ambulante gegenüber der stationären Leistenhernienchirurgie keinerlei Nachteile aufweist.

Ursächlich für diese Stagnation sind zuvorderst die unattraktiven Rahmenbedingungen für Krankenhäuser und auch für Niedergelassene, sei es pekuniärer Art oder auch bedingt durch das Fehlen von Übernachtungsmöglichkeiten im ambulanten Setting, sollte eine solche sich im Verlauf doch als erforderlich erweisen. Daher konnte die Entwicklung auch durch die Implementierung der Rangfolge „ambulant vor stationär“ im Sozialgesetzbuch V (SGB V) und eine ganze Kaskade von Gesetzen nicht maßgeblich vorangetrieben werden.

„IGES-Gutachten“ nach § 115b SGB V

Nun aber soll Schwung in die Sache kommen. Anstatt positive Anreizmechanismen zu schaffen, wurden mit dem MDK-Reformgesetz die Rahmenbedingungen folgendermaßen korrigiert: Für jede rechtmäßig beanstandete Krankenhausrechnung wird ein Rechnungsbetrag von mindestens 300 Euro fällig. Demgegenüber sind von Krankenhäusern ambulant erbrachte Leistungen des AOP-Katalogs von der Prüfung des Medizinischen Dienstes (MD) ausgeschlossen. Vor dem Hintergrund dieses neuen Ambulantisierungsdrucks, wurde das „IGES-Gutachten“ nach § 115b Absatz 1a SGB V bezüglich Leistungen für die Überarbeitung des AOP-Katalogs und deren Schweregraddifferenzierung von allen Seiten mit Spannung erwartet.

Abbildung 1: Entwicklung stationärer Fallzahlen, Quelle: Sachverständigenrat auf Basis von Destatis-Daten

Am 1. April 2022 nun wurde das neue Gutachten zum ambulanten Operieren nach § 115b Absatz 1a SGB V („IGES-Gutachten“) veröffentlicht. Verfasst wurde es im Auftrag der Gemeinsamen Selbstverwaltung. Die gesetzliche Vorgabe hatte noch der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn auf den Weg gebracht. Zielstellung des Gesetzgebers ist es, wie auch dem Begründungstext zur Gesetzesänderung zu entnehmen, zum einen die Ambulantisierung voranzutreiben und zum anderen, MD-Prüfanlässe in Krankenhäusern zu reduzieren. In den neuen Katalog ambulant durchführbarer Operationen aufzunehmen sind daher diejenigen in dem Gutachten benannten Operationen, die „in der Regel“ ambulant durchzuführen sind. Diese Formulierung entspricht der derzeitigen Kategorie 1 im AOP-Katalog. Der Katalog soll einheitlich für Krankenhäuser und Vertragsärzte definiert werden und die Vergütung, nach Schweregrad differenziert, auf Basis des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) erfolgen. Umso erstaunlicher ist das Resultat des Gutachtens. Anstatt „in der Regel“ ambulant durchführbare Operationen zu identifizieren, wählte das IGES-Institut einen „potenzialorientierten“ Ansatz. Dementsprechend wurden alle Eingriffe identifiziert, die auch nur potenziell ambulant durchgeführt werden können (ggf. also mit einer Wahrscheinlichkeit < 10 Prozent). Gleichzeitig sind die empfohlenen Prüfkriterien zur Begründung eines stationären Aufenthalts komplex (neun an der Zahl) und insbesondere die soziale Indikation nicht fertig ausgearbeitet.

BDC-Position

Würde das empfohlene Konvolut mit einem Plus von 86 Prozent neuen OPS-Kodes [2879 (alt) + 2476 (neu)] eins zu eins umgesetzt, befürchtet der BDC ein immenses zusätzliches Prüfaufkommen in Kliniken und begleitet die Umsetzung der Arbeitsergebnisse aus dem Gutachten daher kritisch. Zudem lehnt der BDC eine solch umfassende Ambulantisierungsmaßnahme primär als Instrument zur Kostendämpfung ab.

Gleichzeitig erkennt der BDC auch Potenzial in den Empfehlungen des IGES-Instituts. Möglicherweise ergeben sich Chancen auf eine bessere Bewertung der Leistungen eines neuen AOP-Kataloges durch die Berücksichtigung von Schweregraden, Hygieneanforderungen und Nachbeobachtungszeit. Viel mehr aber sieht der BDC Chancen und auch Spielräume bei der Umsetzung der Arbeitsergebnisse durch die Partner der Selbstverwaltung. Der BDC empfiehlt zur Umsetzung der Empfehlungen folgende zwei Module:

Modul 1: Überarbeitung des Katalogs „in der Regel“ ambulant durchführbarer Operationen nach § 115b SGB V auf Basis der Eingriffe des IGES-Gutachtens, die tatsächlich in der Regel (zu > 90 Prozent) ambulant durchführbar sind (Kategorie 1 im AOP-Vertrag). Zu verbinden wäre dies mit einer MD-Prüfregel, die erst dann greift, wenn mindestens 10 bis 15 Prozent der so definierten Eingriffe in einem Krankenhaus stationär erbracht wurden. Zudem sollte das Konzept des ambulanten Operierens um das Element der verlängerten Nachbeobachtungszeit ergänzt und somit dem internationalen Konzept der day surgery mit einer Nachbeobachtungszeit von bis zu 23 Stunden angeglichen werden. Auch damit könnten Behandlungskonzepte flexibilisiert und dem tatsächlichen Bedarf angepasst werden. Letztlich muss aber die Entscheidungshoheit darüber, wer ambulant und wer stationär operiert werden sollte, in ärztlicher Hand liegen und auch soziale Kriterien berücksichtigen.

Modul 2: Entwicklung von Hybrid-DRGs für bis zu 20 häufige, sektorengleich zu erbringende Leistungen aus dem AOP-Vertrag (Kategorie 1 oder 2) mit einer Verweildauer von bis zu drei Tagen. Prüfungen des MD sollten für diese Leistungsbereiche entfallen.

Dabei ist zu beachten, dass bei einer solch tiefgreifenden Transformation von Strukturen und Abläufen im Anfangsstadium zusätzliche Investitionen erforderlich sind. Dazu gehören nicht nur das Vorhalten von Behandlungskapazitäten für unvorhergesehene Ereignisse, sondern insbesondere die Investitionen in einen Strukturwandel der Krankenhäuser, bzw. einen Aufbau ambulanter Einrichtungen mit den notwendigen Strukturmerkmalen. Dabei ist nicht außer Acht zu lassen, dass der Gesetzgeber über den Strukturfonds auch dafür letztlich schon ein Instrument geschaffen hat. Zudem müssen geeignete normative Rahmenbedingungen für sektorenverbindende Kooperationsformen entwickelt werden. Und schließlich müssen in Deutschland entsprechende ambulante Kapazitäten aufgebaut werden, welche auf eine postoperative Betreuung von Patienten in der häuslichen Umgebung vorbereitet sind (u. a. Pflegedienste, Telekonsile).

Internationale Ansätze

Dass dies nicht unmöglich ist, zeigt der internationale Vergleich. Als besonders erfolgreich hat sich demnach ein Vorgehen erwiesen, nach dem die ambulante und stationäre Vergütung gleichgesetzt wurden (gewichtete Mischkalkulation aus dem Mittelwert beider Vergütungen), was de facto zu einer mindestens anfänglichen Überdeckung im ambulanten und zu einer Unterdeckung im stationären Bereich geführt hat. Interessant ist auch das Bespiel Englands, wo die Vergütung für den ambulanten Eingriff teilweise oberhalb des stationären Eingriffs liegt. Es handelt sich dabei um eine bewusste, politische Preissetzung, um die Anreizwirkung zu verstärken. Zum Start wurde überwiegend eine überschaubare Anzahl von Eingriffen mit niedrigem Schweregrad, hohem stationären Fallzahlvolumen und einer Verweildauer von bis zu drei Tagen gewählt. Dabei ist aber auch zu beachten, dass sich das ambulante Operieren in zahlreichen Vergleichsländern überwiegend in Krankenhäusern abspielt.

Pilotprojekt „Hybrid-DRG in Thüringen – Neue Wege im Gesundheitswesen“

Aber warum in die Ferne schweifen … Vorreiter in Deutschland für eine medizinische Behandlung, unabhängig vom Versorgungssektor, ist das Pilotprojekt „Hybrid-DRG in Thüringen – Neue Wege im Gesundheitswesen“. Es handelt sich um ein gemeinsames Projekt des BDC, der DGCH, der NAO GmbH und der Techniker Krankenkasse. An dem Pilotprojekt sind acht Kliniken und die ambulanten Einrichtungen bzw. Praxen im Einzugsgebiet der Kliniken seit Mitte des Jahres 2017 beteiligt. Dies entspricht rund 25 Prozent der potentiellen Leistungserbringer des Bundeslandes.

Ziel des Projekts ist die Realisierung einer sektorenunabhängigen, bedarfsgerechten, finanzierbaren und patientengerechten Versorgung. Als Voraussetzungen hierfür wurden folgende Kernelemente entwickelt:

  • Definition der Indikation (evidenzbasiert, dokumentiert)
  • Indikationsspezifische Behandlungspfade
  • Einheitliche Qualitätskriterien
  • Einheitliche Vergütungssystematik für Praxen und Kliniken
  • Elektronische Fallakte für die Dokumentation, Abrechnung und Evaluation

Gestartet wurde mit den folgenden vier Indikationen: Leistenhernie, Karpaltunnelsyndrom, Stammvarikosis und Ruptur des vorderen Kreuzbandes. Auf Basis der G-AEP-Kriterien und einer definierten leitlinienbasierten Indikationsstellung erfolgt eine ärztliche Risikoabwägung und Einschätzung, ob eine ambulante bzw. kurzstationäre Behandlung möglich ist. Patienten mit z. B. hohem medizinischen Risiko (z. B. Multimorbidität), fehlender Unterstützung durch das soziale Umfeld oder begründetem Verdacht auf mangelnde Compliance verbleiben in der vollstationären Regelversorgung.

Die eindeutig definierte und dokumentierte Indikation und Risikoabwägung ist Voraussetzung für eine Einschreibung von Patienten und auch wichtige Voraussetzung in Hinblick auf die Sicherung der Ergebnisqualität und der Vergleichbarkeit. Die Honorierung der Leistungen erfolgt im Kern anhand von Hybrid-DRG. Bei patientenorientierter Methodenfreiheit wurde unabhängig vom Ort der Leistungserbringung (Klinik, Ambulantes OP-Zentrum, Praxisklinik, Praxis mit Zulassung zum ambulanten Operieren) für jede Indikation ein gewichteter Durchschnittwert von bisheriger ambulanter und stationärer Vergütung auf Bundeslandebene gebildet (kostenneutral), welcher perspektivisch über den Landesbasisfallwert und den Orientierungspunktwert dynamisiert wird. Die prästationären Leistungen werden für Kliniken pauschal analog der Kalkulation nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abgegolten und von Vertragsärzten im Rahmen der Regelversorgung abgerechnet. Zusatzleistungen (z. B. Labor, Histologie) und Sachkosten werden im Rahmen der bisherigen sektoralen Verordnungs- und Honorierungsmodalitäten abgegolten. Die weitere Nachbetreuung einschließlich adjuvanter Heilmaßnahmen (z. B. Physiotherapie) bis zum Behandlungsabschluss verbleibt in der Verantwortung des Operateurs bzw. der behandelnden Einrichtung und wird entsprechend der ambulanten Regelversorgung vergütet, wobei Kliniken eine vergleichbare Pauschale erhalten.

Im Rahmen des Pilotprojekts entfallen für die beteiligten Kliniken die Prüfungen des Medizinischen Dienstes (MD) bzgl. möglicher Fehlbelegung und der damit einhergehende Bürokratie- und Kostenaufwand. So können unabhängig von ökonomischen Einflussnahmen und Zwängen in Kliniken, aber auch in Praxen, die operativen Prozeduren durchgeführt werden, die für die Patienten im jeweils konkreten Fall notwendig und zweckmäßig sind. Kliniken profitieren – über den Wegfall der MD-Prüfungen hinaus – in der Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie des ärztlichen Nachwuchses dadurch, dass im Projekt die operierende Einrichtung für den gesamten Behandlungspfad verantwortlich ist und somit entsprechende Erfahrungen über die erforderliche Diagnostik, die Operationsmethodik bis hin zum Outcome gesammelt und vermittelt werden können.

Gleichzeitig muss erwähnt werden, dass es im Pilotprojekt zu einem Mehraufwand und auch zu erhöhten Kosten kommt, z. B. durch Fallmanagement, Qualitätssicherung, EDV-Vernetzung, Fallakte und Evaluation. Dies ist jedoch mehr dem Qualitätskonzept und den Erfordernissen eines Vertrags nach § 140a SGB V geschuldet, als dem Konzept der Hybrid-DRG als solchem. Vor allem konnten im Rahmen des Projekts auf Basis definierter Indikationen und Behandlungspfade einheitliche und transparente Qualitäts- und Vergütungsstrukturen für Praxen und Kliniken geschaffen und damit sektorale Fehlanreize beseitigt werden. Dies ermöglicht eine stärkere Fokussierung auf den Patienten.

Zusammenfassend zeigt das Pilotprojekt „Hybrid DRG Thüringen – Neue Wege im Gesundheitswesen“, dass die Umsetzung der berufspolitischen Forderungen einer sektorenunabhängigen Patientenversorgung an der Schnittstelle stationär und ambulant möglich ist. Aus Sicht der Autoren, und diese spiegelte sich auch in der Diskussion auf dem DCK in Leipzig wider, ist es nun Zeit für Folgeschritte: Eine Erweiterung des Konzepts auf zusätzliche Indikationen und Regionen, die Beteiligung weiterer Kostenträger und die Kosten- und Preisausgestaltung der Hybrid-DRGs durch ein unabhängiges Institut sind angezeigt. Somit kann auch für Kliniken die Attraktivität der Umsetzung im täglichen Alltag aufgrund höherer Fallzahlen und der damit verbundenen Routinen gesteigert werden.

Tabelle 1: Schema zur Honorierung innerhalb des Pilotprojekts „Hybrid DRG Thüringen“

Analog EBM: prästationäre Behandlung
  • Arzt-Patienten-Kontakt
  • Sichtung der Befunde
  • ggf. Veranlassung u./o. Durchführung weiterer Diagnostik

Hybrid-DRG = operativer, peri- und postoperativer Komplex

  • Einschreibung
  • Erörterung Operation und Anästhesie, postoperatives Procedere
  • Aufklärung
  • Terminvergabe zur Operation
  • Arzt-Patienten-Kontakt am OP-Tag einschl. Untersuchung
  • Operation
  • postoperative Überwachung
  • Entlassung mit Arztbrief
  • Postoperative Betreuung am Krankenhaus/in der Praxis einschließlich Befunddokumentation

Komplex Nachbehandlung: Physiotherapie

  • ambulant: Physiotherapeut entsprechend der Regelversorgung / Klinik: Pauschale

Komplex Nachuntersuchung nach einem Jahr (Krankenhaus oder Praxis)

Nicht die „Ambulantisierung“, sondern die Umsetzung einer finanzierbaren, wirtschaftlich tragfähigen und patientenorientierten medizinischen Versorgung im ambulanten und ambulant-/stationären Schnittstellenbereich sollte für Kliniken und ambulante Leistungserbringer sowie Kostenträger perspektivisch im Vordergrund stehen. Dies war auch das Fazit der Diskussion auf dem diesjährigen Deutschen Chirurgenkongress in Leipzig.

Burgdorf F, Lorenz R, Dittrich S, Karst J: Ambulantes Operieren – Zukunft oder Irrweg? Passion Chirurgie. 2022 Juni; 12(06): Artikel 03_01.

Prof. Dr. med. Dr. sc. (Harvard) Karl Wilhelm Lauterbach

Kultstatus hat Professor Lauterbach schon lange, nun ist er neuer Gesundheitsminister der Bundesrepublik Deutschland

Seit dem 8. Dezember 2021 ist Karl Lauterbach Bundesgesundheitsminister im Kabinett von Bundeskanzler Olaf Scholz. Kultstatus hat er schon lange, nicht nur durch regelmäßige Social Media-Beiträge und einschlägige Auftritte bei diversen Talk- und Kabarettshows des öffentlich-rechtlichen Fernsehens (Tipp der Redaktion: Anti-Kater-Drinks selber machen – mit Hazel Brugger und Karl Lauterbach | heute-show – YouTube). Bereits seit 2005 wird Lauterbach stets per Direktmandat in den Bundestag gewählt. Bekannt geworden ist er zunächst durch zahlreiche (populär-)wissenschaftliche Publikationen, die Berufung in den „Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen“ (1999-2005) und in die „Rürup-Kommission“ (2003), schließlich durch seine Karriere als Sprecher der Arbeitsgruppe Gesundheit der SPD und als stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag. Wellen schlug Lauterbach als Arzt, Gesundheitswissenschaftler und Politiker vor allem in den letzten zwei Jahren mit fortwährenden Erklärungen, Mahnungen und Interpretationen zur Corona-Pandemie. An ihm scheiden sich bekanntermaßen die Geister. Während die einen glühende Befürworter sind (#WirwollenKarl bei Twitter), erntet er von seinen Gegnern Ablehnung bis hin zu Hass.

Aber wer ist Karl Lauterbach wirklich und was haben wir von ihm als Bundesgesundheitsminister zu erwarten?

Karl Lauterbach (59), geboren in Düren, ist Arzt, Gesundheitsökonom und Politiker. Nach einer bemerkenswerten Schullaufbahn – trotz guter Noten hat er wohl aufgrund seiner Herkunft aus dem Arbeitermilieu zunächst nur eine Empfehlung für die Hauptschule erhalten und ist dann über die Realschule zum Gymnasium gewechselt – studierte Lauterbach in den Achtzigerjahren Medizin in Aachen und promovierte 1991 an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Von 1989 bis 1992 studierte er an der Harvard School of Public Health und erwarb einen Master of Public Health (MPH) sowie einen Master of Science (M.Sc.) mit den Schwerpunkten Epidemiologie und Health Policy and Management. Gefördert von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, erlangte Lauterbach dort 1995 zudem den Abschluss eines Scientiæ Doctor (Sc.D.). 1996/97 gründete der frisch berufene Professor an der Universität Köln das Institut für Gesundheitsökonomie und Epidemiologie. Seit 2008 ist er „Adjunct Professor“ für Gesundheitspolitik und -management an der Harvard School of Public Health.

Karl Lauterbach ist Vater von vier Kindern aus seiner früheren Ehe mit der Ärztin und Epidemiologin Angela Spelsberg und eines weiteren Kindes aus seiner Beziehung mit Ulrike Winkelmann, Journalistin und Chefredakteurin der taz in Berlin.

Im Bundestag und in der Wissenschaft wird er teilweise als Besserwisser und Einzelgänger wahrgenommen, mit einer exzentrischen Note. Als sein Markenzeichen galt bis 2020 die Fliege („hygienischer als Schlips“ und daher präferiert von Ärzten in den USA, wie er gerne informiert).

Politisch vertritt Lauterbach mitunter plakative Thesen. Er ist erklärter Vertreter der Bürgerversicherung, für die er sich bereits zu Zeiten Ulla Schmidts in der Rürup-Kommission einsetzte, als es darum ging, die klammen Kassen finanziell zu stabilisieren. Vielfach wahrgenommen wurde in diesem Kontext auch sein Buch „Der Zweiklassenstaat. Wie die Privilegierten Deutschland ruinieren“ (2007), in dem er auch die sogenannte „doppelte Facharztschiene“ hinterfragte. Lauterbach hat bereits damals als enger gesundheitspolitischer Berater Ulla Schmidts die medizinische Versorgung öffentlich für zu viele umstrittene Leistungen und zu wenig Qualität und Transparenz kritisiert. Dabei hat er stets betont: „Meine Kritik richtet sich gegen das System und seine Strukturen, nicht gegen die Beteiligten.“ Damals war Lauterbach an der Einführung der Praxisgebühr beteiligt. Außerdem hat er sich für eine Pauschalierung der hausärztlichen Vergütung mit Qualitätsboni eingesetzt, um dem sogenannten „Hamsterradeffekt“ zu begegnen. Mitgewirkt hat Lauterbach an der Einführung der DRG im Krankenhausbereich. Daneben machte er sich stark für einen maßvollen Abbau von Krankenhäusern in Deutschland stark. Die entbudgetierte fachärztliche Vergütung für die Behandlung neuer Patienten, die im Rahmen des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) eingeführt wurde, befürwortete Lauterbach als Maßnahme zum Abbau einer Zweiklassenmedizin.

Als Gesundheitsminister hat Lauterbach nun prioritär der Pandemie zu begegnen. Darüber hinaus kündigte er an, dem Hausärztemangel angehen zu wollen, unter anderem durch mehr Medizinstudienplätze und Anreizsysteme für junge Ärzte, im System zu bleiben. Er will die Arzneimittelforschung in Deutschland fördern und sich für eine verbesserte Altenpflege einsetzen. Maßgeblich einbeziehen möchte er in seine Entscheidungen Kriterien der evidenzbasierten Medizin.

Alles in allem weiß Bundeskanzler Scholz, dass er mit Lauterbach zwar einen „Mann vom Fach“ hat, der in Zeiten der Pandemie auch „ohne nennenswerte Einarbeitung sofort loslegen kann“. Allerdings hat er es sich mit dieser Benennung aber auch nicht einfach gemacht. Vertreter von Bundesärztekammer, Kassenärztlicher Bundesvereinigung und Deutscher Krankenhausgesellschaft ebenso wie der Krankenkassen haben den neuen Bundesgesundheitsminister in ihren Pressemitteilungen wohlwollend im Amt begrüßt. Und auch Lauterbach klingt irgendwie anders als zuvor, wenn er seinen Vorgänger im Amt für das Krisenmanagement während der Corona-Pandemie lobt und bei der Vorstellung durch Bundeskanzler Scholz ankündigt: „Wir werden das Gesundheitssystem stärken. Mit uns wird es keine Leistungskürzungen im Gesundheitswesen geben.“ Obacht bleibt aber weiterhin geboten, denn Lauterbach ist dafür bekannt, stets authentisch und prinzipientreu zu bleiben. Jüngst stieß er auf Unverständnis bei seinem rheinländischen Wahlvolk, als er vorschlug, das Karnevalsfest ausnahmsweise von Februar auf den Sommer zu verschieben. Denn er könne sich schlicht nicht vorstellen, wie man fröhlich Karneval feiern könne, verbunden mit dem Risiko, sich selbst oder andere mit dem Corona-Virus zu infizieren. Und so ist und bleibt zunächst die Pandemiebekämpfung vordringlichste Aufgabe des neuen Bundesgesundheitsministers.

Burgdorf F: Prof. Dr. med. Dr. sc. (Harvard) Karl Wilhelm Lauterbach. Passion Chirurgie. 2022 Januar/Februar; 12(01/02): Artikel 05_04.

AG Gesundheit: Bund soll zukünftig Krankenhäuser mitfinanzieren

Nach einem Papier der AG Gesundheit und Pflege von Mitte November soll der Bund künftig Krankenhäuser mitfinanzieren. Außerdem möchte man die Ambulantisierung durch Hybrid-DRGs fördern. Die Positionen aus diesem Papier gehen wohl im Wesentlichen in den Vertrag der Ampel-Koalition ein. Der BDC informiert Sie über die wesentlichen Eckpunkte:

Die Ambulantisierung bislang unnötig stationär erbrachter Leistungen, so heißt es in dem Papier der Ampel-Koalitionäre, soll künftig durch eine sektorengleiche Vergütung über Hybrid-DRGs gefördert werden. Ferner soll die Versorgung an der Sektorengrenze durch den Ausbau multiprofessioneller, integrierter Gesundheits- und Notfallzentren verbessert werden, die zukünftig eine sowohl ambulante als auch kurzstationäre Versorgung sicherstellen. Grundlage dafür soll eine sektorenübergreifende Versorgungsplanung sein.

Die Krankenhausfinanzierung und -planung sind weitere Kernpunkte des Papiers. Entwickelt werden soll eine auf Leistungsgruppen und Versorgungsstufen basierende Krankenhausplanung. Auch die Krankenhausfinanzierung soll künftig die Versorgungsstufen (Primär-, Grund-, Regel-, Maximalversorgung, Uniklinika) berücksichtigen. Ergänzt werden sollen außerdem erlösunabhängige Vorhaltepauschalen. Bei Umsetzung dieser „Leitplanken“ übernimmt der Bund einen Anteil der Investitionsfinanzierung des Landes. Kurzfristig sieht das Papier eine bedarfsgerechte und auskömmliche Finanzierung für die Pädiatrie, Notfallversorgung und Geburtshilfe vor. Für Krankenhäuser mit Weiterbildungsbefugnis zeichnet sich ein Vorteil ab: Mittel für Weiterbildung in den Fallpauschalen sollen künftig nur an die Kliniken anteilig ausgezahlt werden, die tatsächlich weiterbilden.

Die Notfallversorgung soll zukünftig in integrierten Notfallzentren in Zusammenarbeit von kassenärztlichen Vereinigungen (KV) und Krankenhäusern erfolgen. Dabei soll den KVen die Option eingeräumt werden, die ambulante Notfallversorgung dort selbst sicherzustellen. Durch eine Verschränkung der Rettungsleitstellen mit den KV-Leitstellen und standardisierten Einschätzungssystemen (telefonisch, telemedizinisch oder vor Ort) will die AG Gesundheit eine bedarfsgerechtere Steuerung erreichen.

Bei der ambulanten Versorgung legt die Ampel einen besonderen Fokus auf strukturschwächere Regionen und Brennpunkte und greift vermehrt Punkte aus dem Programm von Bündnis 90/Die Grünen auf. Attraktiver gestaltet werden sollen zum Beispiel bevölkerungsbezogene Versorgungsverträge für ganze Gesundheitsregionen. In benachteiligten Kommunen und Stadtteilen sollen niedrigschwellige Beratungsangebote, wie zum Beispiel Gesundheitskioske, entstehen. Im ländlichen Raum sollen Gemeindeschwestern und Gesundheitslotsen unterstützen. Bei Unterversorgung wird die Versorgung nach dem Willen der Koalitionäre gemeinsam mit KVen sichergestellt und die Budgetierung der ärztlichen Honorare im hausärztlichen Bereich aufgehoben. Zudem soll die Gründung von kommunal getragenen Medizinischen Versorgungszentren und deren Zweigpraxen erleichtert werden.

Über allem schwebt auch in der neuen Legislaturperiode die fortgeschriebene Digitalisierungsstrategie mit „Fokus auf die Lösung von Versorgungsproblemen und die Perspektive der Nutzer:innen“, man mag es kaum glauben. Telemedizinische Leistungen inklusive Verordnungen, Videosprechstunden, Telekonsile, Telemonitoring und die telenotärztliche Versorgung sollen möglich sein und die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) beschleunigt werden.

Last but not least kündigen die Koalitionäre an: „Wir durchforsten das SGB V und weitere Normen nach überholten Dokumentationspflichten. Durch ein Bürokratieabbaupaket bauen wir Hürden für eine gute Versorgung der Patienten ab.“ – Na, wenn das kein vielversprechender Neustart ist!

Burgdorf F: AG Gesundheit: Bund soll zukünftig Krankenhäuser mitfinanzieren – Förderung der Ambulantisierung durch Hybrid-DRGs. Passion Chirurgie. 2021 Dezember; 11(12): Artikel 05_02.

BDC-Verbandsarbeit – Rück- und Ausblick

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

bekanntlich birgt jede Krise immer auch eine Chance. So hat der BDC die Herausforderungen der Corona-Pandemie auch 2021 angenommen und Projekte angestoßen, die zu „normalen Zeiten“ in dem Maß nicht möglich gewesen wären. Über unsere Online-Medien und im direkten Austausch haben wir Sie jederzeit zu den aktuellen Entwicklungen informiert. Über Pressemitteilungen* („Schutzschirm mit großen Löchern“, „Lockdown mit Augenmaß“, „Katarakt – am häufigsten verschobene OPs“) haben wir uns gegenüber der Öffentlichkeit für die chirurgischen Belange während der Pandemie stark gemacht und Ihren beständigen Einsatz, gerade auch unter Pandemie-Bedingungen, nach außen getragen. Wir haben die Digitalisierung im BDC vorangetrieben und das Angebot der eAkademie deutlich ausgebaut. Dadurch standen, nach kurzer Übergangsphase, viele interessante Fortbildungen rund um Ihre chirurgische Tätigkeit digital zur Verfügung und wurden auch rege besucht.

Ich danke allen beteiligten Seminarleitern, Referenten und Teilnehmern ganz herzlich für Ihr Engagement und auch die notwendige Flexibilität. Ein besonderes Highlight – neben den Facharzt- und D-Arzt-Seminaren, die wir mit fantastischer Resonanz umsetzen konnten – war die Reihe Nur Mut! Digital. Bei diesem Angebot für Studierende wurde vorab das Instrumentarium an alle Teilnehmer geschickt. Am Samstagmorgen wurde dann in Zweiergruppen unter anderem das Nähen geübt und erste Osteosynthesen vorgenommen. Im Fortbildungsbereich sind wir besonders gespannt, wie sich die Entwicklungen der nächsten Jahre gestalten werden. Um das Fortbildungsangebot der Akademie optimal auf Ihre Bedürfnisse ausrichten zu können, haben wir Sie als BDC-Mitglieder in einer Umfrage um Ihre Meinung gebeten und Ihnen damit die Gelegenheit verschafft, das Akademieprogramm aktiv mitzugestalten.

Schließlich haben wir Prozesse auch innerhalb des Verbands weiter digitalisiert und verschlankt, um Ihnen einen optimalen Service bieten zu können. Der Vorstand und das Team der BDC-Geschäftsstelle haben jederzeit, ob in Präsenz oder via Online-Konferenzen, vertrauensvoll und erfolgreich zusammengearbeitet. Allen Beteiligten gilt an dieser Stelle unser besonderer Dank!

Auch das Servicepaket* mit Rabattverträgen für unsere niedergelassenen Mitglieder konnte um ein Angebot zur Digitalisierung erweitert werden: Neben Angeboten für das Hygienemanagement, den Daten- und Arbeitsschutz, das Praxismarketing, den Internetauftritt und die Praxiswertbestimmung steht Ihnen nun ein Angebot zur Digitalisierung Ihrer Praxisabläufe und ein Vorsorgepaket für den unerwarteten Tod des Praxisinhabers zur Verfügung. Sehen Sie hierzu den Erfahrungsbericht* unseres Vizepräsidenten Dr. Peter Kalbe zur Einführung der Software AmbuPRAX in seine unfallchirurgisch-orthopädische Gemeinschaftspraxis.

Die Passion haben wir um die Rubrik „Praxistest“ ergänzt. Diese zielt darauf ab, Ihnen als Leserinnen und Lesern insbesondere gesundheitspolitische Themen und deren praktische Implikationen für die Chirurgie näherzubringen und eine Meinungsbildung innerhalb des vorherrschenden Informationsdschungels zu erleichtern. Es handelt sich um eine Initiative der Leiter des Referats „Leitende Chirurgen“, Prof. Krones und Prof. Vallböhmer, denen wir danken, während wir uns auf die weitere spannende Lektüre freuen.

Bewährtes führen wir selbstverständlich fort: Wir danken Herrn Dr. Heberer und seinem Team, die pro Jahr etwa 2.000 Anfragen für eine Rechtsberatung erhalten. Ebenso gilt unser Dank dem stetigen Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres Versicherungs-Partners, der Ecclesia, die den BDC und seine Mitglieder auch 2021 hinsichtlich Absicherungsmöglichkeiten und der Schadensabwicklung beraten haben.

Gemeinsam sind wir stark! Gemeinsam mit Ihnen wollen wir auch weiterhin die Entscheidungen in Politik und Selbstverwaltung aktiv prägen!

Wichtige Themen 2021 waren neben der GOÄ die Rahmenbedingungen der gesetzlichen Unfallversicherung und die Zusammenführung des chirurgischen und orthopädischen Kapitels im einheitlichen Bewertungsmaßstab. Ein weiteres Thema, das innerhalb der gemeinsamen Selbstverwaltung an Fahrt aufnimmt, ist die Neuordnung der sektorenübergreifenden Versorgung. Die verbandsinterne Meinungsbildung haben wir in diesem Kontext über verschiedene Umfragen (zum Beispiel zur E-Learning-Evaluation, zu den Arbeitsbedingungen und Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Chirurgie, zur Personalbemessung in der Chirurgie, die Blitzumfrage zu den Folgen der Corona-Pandemie für Neueinstellungen in der Chirurgie) vorangetrieben. Im Februar 2022 folgt eine pandemiebedingt verschobene Klausurtagung zu aktuellen Themen, wie die Nachwuchsförderung, die sektorenübergreifende Versorgung und die Krankenhausfinanzierung. Wir freuen uns darauf, die Ergebnisse einbringen zu können und sind gespannt darauf, welche Schwerpunkte die neue Bundesregierung setzen wird.

Vor allem aber wissen wir, dass wir uns hundertprozentig auf Sie, die BDC-Mitglieder, verlassen können. Vielen Dank, dass Sie uns auch in diesem besonderen Jahr die Treue gehalten haben! Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit 2022, den Dialog mit Ihnen und Ihre Anregungen. Machen Sie mit, erheben Sie Ihre Stimme, stimmen Sie mit dem BDC!

Wir wünschen Ihnen ein besinnliches Weihnachtsfest im Kreis Ihrer Lieben und einen guten Start in ein hoffentlich von Krisen verschontes, freudvolles, erfolgreiches und gesundes neues Jahr!

Weitere Informationen zu den Pressemitteilungen

Weitere Informationen zum Servicepaket  und zum Erfahrungsbericht Dr. Peter Kalbe in der Passion Chirurgie Ausgabe 9/2021

Bundestagswahl 2021 – Wie möchte die Politik das Gesundheitswesen verändern?

Bundestagswahl 2021 – Wie möchte die Politik das Gesundheitswesen verändern?

BDC-Einschätzung der Wahlprüfsteine 2021

Sind Sie noch unentschlossen? Oder wissen Sie schon, für wen Sie sich am 26. September 2021 entscheiden werden?

Eine – insbesondere auch für den Gesundheitsbereich – außergewöhnliche Legislaturperiode geht zu Ende. Sie startete mit einem dynamischen Gesundheitsminister, der nicht nur seine Mitarbeiter im Ministerium, sondern die gesamte Gesundheitsbranche mit einer unvergleichlichen Anzahl an Gesetzen in Atem hielt und wurde dann überschattet von den allgegenwärtigen und andauernden Auswirkungen der Corona-Pandemie. Spätestens im Zuge der Bundestagswahlen wird es dringend Zeit, sich wieder dem gesamten Spektrum der anstehenden Fragen zu widmen. Denn trotz des Gesetzeskonvoluts der aktuellen Legislaturperiode sind noch Punkte offengeblieben.

Der BDC hat anlässlich der Bundestagswahl alle derzeit im Deutschen Bundestag vertretenen politischen Parteien um eine kurze Stellungnahme zu ausgewählten gesundheitspolitischen Fragen gebeten, die im Folgenden eingeordnet werden sollen. Die Antworten im Einzelnen finden Sie auf den nachfolgenden Seiten dieser Ausgabe. Nicht geantwortet haben, auch auf mehrmaliges Nachfragen, FDP und Linke, so dass sich auch die folgenden Ausführungen auf die Antworten von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90 Die Grünen und AfD beziehen.

Freiberuflichkeit

Prägend für die ärztliche Tätigkeit und die Qualität der Gesundheitsversorgung wird sicherlich der Stellenwert sein, welcher der ärztlichen Freiberuflichkeit als Wert auch in Zukunft beigemessen wird. Daher haben wir die Frage danach auch als BDC-Wahlprüfstein formuliert. Tatsächlich positionieren sich alle Parteien eindeutig für die Freiberuflichkeit. Dabei stellen CDU/CSU noch einmal explizit die ärztliche Therapiefreiheit und Unabhängigkeit als Kern eines freiheitlichen Gesundheitswesens heraus. Die Grünen geben kurz und bündig an, dass diese für Ihre Partei nicht zur Disposition stünde, und die AfD geht spezifisch auf die Trägerschaft von Medizinischen Versorgungszentren ein, welche weiterhin, innerhalb von Personengesellschaften, ausschließlich ärztlicher Leitung unterstehen müssen, um die fachlich unabhängige Tätigkeit auch weiterhin zu ermöglichen. Die SPD führt noch etwas weiter aus dazu, wie der Grundsatz der Freiberuflichkeit durch Rahmenbedingungen unterstützt und bewahrt werden solle und kündigt an, Anreize für gewinnorientierte Entscheidungen zu Gunsten eines sektorenübergreifenden Qualitätswettbewerbs („Pay für Performance“ [P4P]) abbauen zu wollen.

Aus BDC-Sicht ist vordergründig nichts gegen P4P einzuwenden. Jedoch mangelt es auch international an Erfolgsbeispielen für die nachhaltige Einführung solcher Systeme. In der Umsetzung sind diese meist zu komplex und mit zu vielen Fehlanreizen behaftet. Darüber hinaus mangelt es an überzeugenden Qualitätsparametern.

Bürgerversicherung und Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)

Mit Ausnahme der SPD befürworten alle Parteien den Fortbestand von sowohl gesetzlicher als auch privater Krankenversicherung. Die SPD strebt weiterhin eine Bürgerversicherung unter Abschaffung der GOÄ an. Die AfD führt aus, dass es wichtig sei, auch bei den Versicherungsmodellen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zukünftig mehr Pluralität zuzulassen, beispielsweise für Hausarztmodelle, oder auch, um Leistungen aus dem individuellen Versicherungsportfolio auszuschließen. Insbesondere letzteres lehnt der BDC ab, da dem Basisversicherungsschutz in Deutschland ein zentraler Stellenwert im Rahmen der Daseinsvorsorge zukommt. Die Grünen konkretisieren, dass sie ein integriertes Krankenversicherungssystem als spezifische Form der „Bürger*innenversicherung“ anstreben. In einem solchen System aus gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherungen beteiligen sich alle Versicherten gleichermaßen an der solidarischen Finanzierung des Gesundheitswesens. CDU/CSU äußern als einzige explizit, dass sie den konsentierten Entwurf der GOÄ nach der Bundestagswahl prüfen und als Rechtsverordnung einbringen werden. Die Würdigung dieses aufwändig erstellten und mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung konsentierten Entwurfs ist aus Sicht des BDC begrüßenswert. Die AfD will sich in Zukunft für einen Inflationsausgleich einsetzen und dafür, die ärztliche gegenüber der technischen Leistung aufzuwerten. Die Grünen wollen den jahrelangen Stillstand bei der Anpassung der GOÄ auch zukünftig nicht mehr hinnehmen und verweisen auf die hohe Bedeutung einer betriebswirtschaftlichen Kalkulation der einzelnen Gebührenordnungspositionen sowie den Vorschlag der Honorarkommission, die GOÄ auf gesetzlicher Grundlage zwischen Bundesärztekammer und PKV-Verband zu verhandeln. Aus Sicht des BDC handelt es sich dabei um sachgerechte Vorschläge.

Optimierung an der Sektorengrenze, zukünftige Krankenhauslandschaft und Versorgung auf dem Land

Die CDU strebt die Kooperation von Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten an und will dafür Potenziale der Digitalisierung einschließlich der Telemedizin nutzen. Konkrete Aussagen zur zukünftigen Krankenhauslandschaft werden umschifft und lediglich Kommunen als Unterstützer bei der Umsetzung von quartiersbezogenen, sektorenübergreifenden Konzepten genannt. Hingegen legen SPD und die Grünen explizite Pläne dar zur Umwandlung kleinerer Krankenhäuser in sektorenübergreifende Zentren für eine wohnortnahe Basisversorgung. Die SPD führt am dezidiertesten zur Weiterentwicklung der Versorgungslandschaft aus, mit regionalen Basiszentren, überregionalen Spezial- sowie Unikliniken und sektoren- und berufsübergreifender Versorgung anhand von integrierten Patientenpfaden für komplexe Krankheitsbilder. Die Grünen stellen eine Reform der Investitionsfinanzierung für Krankenhäuser in Aussicht. Dabei soll der Bund mitfinanzieren und dafür Mitbestimmungsrechte erhalten, z. B. bei der Krankenhausplanung.

Aus Sicht des BDC bleibt die CDU bei den Ausführungen zur sektorenübergreifenden Versorgung am ehesten unklar. Als Beispiel für eine gelungene sektorenübergreifende Vernetzung wird dementsprechend auch das Ersteinschätzungsverfahren bei ambulanten Notfallleistungen angeführt. Hier handelt es sich jedoch eher um eine sektorenübergreifende Perspektive im Management, bzw. in der Zuweisung von Patienten zur Versorgungsebene, nicht aber um Ansätze für eine sektorenübergreifende Versorgung. Ob dies als Vor- oder Nachteil gewertet wird, liegt sicherlich im Auge des Betrachters. Der BDC befürwortet grundsätzlich maßvolle Umstrukturierungen einschließlich Zentrenbildung.

Digitalisierung

Alle Parteien unterstreichen den besonderen Stellenwert der Digitalisierung im Gesundheitswesen. CDU/CSU und die Grünen heben dabei die Bedeutung der elektronischen Patientenakte hervor, CDU/CSU und SPD deren Nutzen für die sektorenübergreifende Versorgung. Während CDU/CSU mehrfach den Stellenwert von Digitalen Gesundheitsanwendungen („Gesundheits-Apps“, „Digas“) betont, ist die AfD diesbezüglich kritisch und fordert randomisiert-kontrollierte Studien zum Wirksamkeitsnachweis ein. Der BDC sieht die allzu niedrigschwellige Einführung von „Digas“, welche Patient:innen unbegrenzt und auch direkt von ihren Krankenkassen erhalten können, kritisch.

Katastrophenschutz/Pande­miebewältigung

Einigkeit besteht darin, dass der öffentliche Gesundheitsdienst aufgewertet werden soll. Die SPD plant zusätzlich, die Vernetzung sowohl mit dem Katastrophenschutz als auch mit Einrichtungen der ärztlichen Regelversorgung zu stärken. Die Grünen fordern mehr Kooperation der vorhandenen Strukturen sowie Koordination auf europäischer Ebene, sowohl im Bereich von Notfallkapazitäten als auch in der Produktion von Arzneimitteln und Medizinprodukten. Alles in allem sinnvolle, wenn auch noch sehr grundlegende Konzepte.

Zusammenfassung

Die unterschiedlichen Positionen hinsichtlich der Bürgerversicherung bestehen fort. Die Grünen haben dazu einen interessanten Kompromissvorschlag eines Nebeneinanders von GKV und PKV innerhalb einer Bürger*innenversicherung entwickelt, der inhaltlich aber erst bewertet werden kann, wenn konkrete Details dazu vorgelegt werden. Die CDU nimmt als einzige Partei Bezug auf den konsentierten Vorschlag für eine neue GOÄ. Alle Parteien bekennen sich zur ärztlichen Freiberuflichkeit. Innovationspotenzial auf dem Weg zur sektorenübergreifenden Versorgung einschließlich der Umwandlung von Strukturen zu einem gestuften Versorgungssystem sehen insbesondere SPD und Grüne. Die SPD avisiert mit der Einführung eines sektorenübergreifenden Vergütungssystems und der Ergänzung der Vergütung durch P4P besonders umfassende Reformen. Die Parteien eint der Anspruch, die Digitalisierung fördern und den öffentlichen Gesundheitsdienst aufwerten zu wollen.

Der BDC hat anlässlich der Bundestagswahl im September 2021 alle derzeit im Deutschen Bundestag vertretenen politischen Parteien um eine kurze Stellungnahme zu ausgewählten gesundheitspolitischen Fragen gebeten. Die Reihenfolge richtet sich nach den Ergebnissen der Bundestagswahl 2017.

Die Fragen lauteten für alle Parteien:

  1. Wie stehen Sie zur Einführung einer Bürgerversicherung?
  2. An welchen Stellen würden Sie die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) weiterentwickeln?
  3. Wo sehen Sie die freiberufliche Ärzteschaft in Zukunft?
  4. Welche Optimierungen an der Grenze der ambulanten zur stationären Versorgung halten Sie für erforderlich?
  5. Wo sehen Sie weiteren Umstrukturierungsbedarf in der Krankenhauslandschaft?
  6. Wie wollen Sie die ärztliche Versorgung auf dem Land verbessern?
  7. Worauf legen Sie bei der weiteren Digitalisierung im Gesundheitswesen besonders wert?
  8. Was muss sich im Gesundheitswesen unbedingt ändern, um für weitere Pandemien besser gerüstet zu sein

Mit Ausnahme der FDP und der LINKEN haben die Parteien unsere Fragen beantwortet. Den Wortlaut können Sie hier nachlesen.

Bundestagswahl 2021 – Wie möchte die Politik das Gesundheitswesen verändern? Passion Chirurgie. 2021 August; 11(07/08): Artikel 05_01.

Bundestagswahl 2021: Wie möchte die Politik das Gesundheitswesen verändern?

Einschätzung der Wahlprüfsteine 2021

Sind Sie noch unentschlossen? Oder wissen Sie schon, für wen Sie sich am 26. September 2021 entscheiden werden?

Eine – insbesondere auch für den Gesundheitsbereich – außergewöhnliche Legislaturperiode geht zu Ende. Sie startete mit einem dynamischen Gesundheitsminister, der nicht nur seine Mitarbeiter im Ministerium, sondern die gesamte Gesundheitsbranche mit einer unvergleichlichen Anzahl an Gesetzen in Atem hielt und wurde dann überschattet von den allgegenwärtigen und andauernden Auswirkungen der Corona-Pandemie. Spätestens im Zuge der Bundestagswahlen wird es dringend Zeit, sich wieder dem gesamten Spektrum der anstehenden Fragen zu widmen. Denn trotz des Gesetzeskonvoluts der aktuellen Legislaturperiode sind noch Punkte offengeblieben.

Der BDC hat anlässlich der Bundestagswahl alle derzeit im Deutschen Bundestag vertretenen politischen Parteien um eine kurze Stellungnahme zu ausgewählten gesundheitspolitischen Fragen gebeten, die im Folgenden eingeordnet werden sollen. Die Antworten im Einzelnen finden Sie auf den nachfolgenden Seiten dieser Ausgabe. Nicht geantwortet haben, auch auf mehrmaliges Nachfragen, FDP und Linke, so dass sich auch die folgenden Ausführungen auf die Antworten von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90 Die Grünen und AfD beziehen.

Freiberuflichkeit

Prägend für die ärztliche Tätigkeit und die Qualität der Gesundheitsversorgung wird sicherlich der Stellenwert sein, welcher der ärztlichen Freiberuflichkeit als Wert auch in Zukunft beigemessen wird. Daher haben wir die Frage danach auch als BDC-Wahlprüfstein formuliert. Tatsächlich positionieren sich alle Parteien eindeutig für die Freiberuflichkeit. Dabei stellen CDU/CSU noch einmal explizit die ärztliche Therapiefreiheit und Unabhängigkeit als Kern eines freiheitlichen Gesundheitswesens heraus. Die Grünen geben kurz und bündig an, dass diese für Ihre Partei nicht zur Disposition stünde, und die AfD geht spezifisch auf die Trägerschaft von Medizinischen Versorgungszentren ein, welche weiterhin, innerhalb von Personengesellschaften, ausschließlich ärztlicher Leitung unterstehen müssen, um die fachlich unabhängige Tätigkeit auch weiterhin zu ermöglichen. Die SPD führt noch etwas weiter aus dazu, wie der Grundsatz der Freiberuflichkeit durch Rahmenbedingungen unterstützt und bewahrt werden solle und kündigt an, Anreize für gewinnorientierte Entscheidungen zu Gunsten eines sektorenübergreifenden Qualitätswettbewerbs („Pay für Performance“ [P4P]) abbauen zu wollen.

Aus BDC-Sicht ist vordergründig nichts gegen P4P einzuwenden. Jedoch mangelt es auch international an Erfolgsbeispielen für die nachhaltige Einführung solcher Systeme. In der Umsetzung sind diese meist zu komplex und mit zu vielen Fehlanreizen behaftet. Darüber hinaus mangelt es an überzeugenden Qualitätsparametern.

Bürgerversicherung und Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)

Mit Ausnahme der SPD befürworten alle Parteien den Fortbestand von sowohl gesetzlicher als auch privater Krankenversicherung. Die SPD strebt weiterhin eine Bürgerversicherung unter Abschaffung der GOÄ an. Die AfD führt aus, dass es wichtig sei, auch bei den Versicherungsmodellen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zukünftig mehr Pluralität zuzulassen, beispielsweise für Hausarztmodelle, oder auch, um Leistungen aus dem individuellen Versicherungsportfolio auszuschließen. Insbesondere letzteres lehnt der BDC ab, da dem Basisversicherungsschutz in Deutschland ein zentraler Stellenwert im Rahmen der Daseinsvorsorge zukommt. Die Grünen konkretisieren, dass sie ein integriertes Krankenversicherungssystem als spezifische Form der „Bürger*innenversicherung“ anstreben. In einem solchen System aus gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherungen beteiligen sich alle Versicherten gleichermaßen an der solidarischen Finanzierung des Gesundheitswesens. CDU/CSU äußern als einzige explizit, dass sie den konsentierten Entwurf der GOÄ nach der Bundestagswahl prüfen und als Rechtsverordnung einbringen werden. Die Würdigung dieses aufwändig erstellten und mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung konsentierten Entwurfs ist aus Sicht des BDC begrüßenswert. Die AfD will sich in Zukunft für einen Inflationsausgleich einsetzen und dafür, die ärztliche gegenüber der technischen Leistung aufzuwerten. Die Grünen wollen den jahrelangen Stillstand bei der Anpassung der GOÄ auch zukünftig nicht mehr hinnehmen und verweisen auf die hohe Bedeutung einer betriebswirtschaftlichen Kalkulation der einzelnen Gebührenordnungspositionen sowie den Vorschlag der Honorarkommission, die GOÄ auf gesetzlicher Grundlage zwischen Bundesärztekammer und PKV-Verband zu verhandeln. Aus Sicht des BDC handelt es sich dabei um sachgerechte Vorschläge.

Optimierung an der Sektorengrenze, zukünftige Krankenhauslandschaft und Versorgung auf dem Land

Die CDU strebt die Kooperation von Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten an und will dafür Potenziale der Digitalisierung einschließlich der Telemedizin nutzen. Konkrete Aussagen zur zukünftigen Krankenhauslandschaft werden umschifft und lediglich Kommunen als Unterstützer bei der Umsetzung von quartiersbezogenen, sektorenübergreifenden Konzepten genannt. Hingegen legen SPD und die Grünen explizite Pläne dar zur Umwandlung kleinerer Krankenhäuser in sektorenübergreifende Zentren für eine wohnortnahe Basisversorgung. Die SPD führt am dezidiertesten zur Weiterentwicklung der Versorgungslandschaft aus, mit regionalen Basiszentren, überregionalen Spezial- sowie Unikliniken und sektoren- und berufsübergreifender Versorgung anhand von integrierten Patientenpfaden für komplexe Krankheitsbilder. Die Grünen stellen eine Reform der Investitionsfinanzierung für Krankenhäuser in Aussicht. Dabei soll der Bund mitfinanzieren und dafür Mitbestimmungsrechte erhalten, z. B. bei der Krankenhausplanung.

Aus Sicht des BDC bleibt die CDU bei den Ausführungen zur sektorenübergreifenden Versorgung am ehesten unklar. Als Beispiel für eine gelungene sektorenübergreifende Vernetzung wird dementsprechend auch das Ersteinschätzungsverfahren bei ambulanten Notfallleistungen angeführt. Hier handelt es sich jedoch eher um eine sektorenübergreifende Perspektive im Management, bzw. in der Zuweisung von Patienten zur Versorgungsebene, nicht aber um Ansätze für eine sektorenübergreifende Versorgung. Ob dies als Vor- oder Nachteil gewertet wird, liegt sicherlich im Auge des Betrachters. Der BDC befürwortet grundsätzlich maßvolle Umstrukturierungen einschließlich Zentrenbildung.

Digitalisierung

Alle Parteien unterstreichen den besonderen Stellenwert der Digitalisierung im Gesundheitswesen. CDU/CSU und die Grünen heben dabei die Bedeutung der elektronischen Patientenakte hervor, CDU/CSU und SPD deren Nutzen für die sektorenübergreifende Versorgung. Während CDU/CSU mehrfach den Stellenwert von Digitalen Gesundheitsanwendungen („Gesundheits-Apps“, „Digas“) betont, ist die AfD diesbezüglich kritisch und fordert randomisiert-kontrollierte Studien zum Wirksamkeitsnachweis ein. Der BDC sieht die allzu niedrigschwellige Einführung von „Digas“, welche Patient:innen unbegrenzt und auch direkt von ihren Krankenkassen erhalten können, kritisch.

Katastrophenschutz/Pande­miebewältigung

Einigkeit besteht darin, dass der öffentliche Gesundheitsdienst aufgewertet werden soll. Die SPD plant zusätzlich, die Vernetzung sowohl mit dem Katastrophenschutz als auch mit Einrichtungen der ärztlichen Regelversorgung zu stärken. Die Grünen fordern mehr Kooperation der vorhandenen Strukturen sowie Koordination auf europäischer Ebene, sowohl im Bereich von Notfallkapazitäten als auch in der Produktion von Arzneimitteln und Medizinprodukten. Alles in allem sinnvolle, wenn auch noch sehr grundlegende Konzepte.

Zusammenfassung

Die unterschiedlichen Positionen hinsichtlich der Bürgerversicherung bestehen fort. Die Grünen haben dazu einen interessanten Kompromissvorschlag eines Nebeneinanders von GKV und PKV innerhalb einer Bürger*innenversicherung entwickelt, der inhaltlich aber erst bewertet werden kann, wenn konkrete Details dazu vorgelegt werden. Die CDU nimmt als einzige Partei Bezug auf den konsentierten Vorschlag für eine neue GOÄ. Alle Parteien bekennen sich zur ärztlichen Freiberuflichkeit. Innovationspotenzial auf dem Weg zur sektorenübergreifenden Versorgung einschließlich der Umwandlung von Strukturen zu einem gestuften Versorgungssystem sehen insbesondere SPD und Grüne. Die SPD avisiert mit der Einführung eines sektorenübergreifenden Vergütungssystems und der Ergänzung der Vergütung durch P4P besonders umfassende Reformen. Die Parteien eint der Anspruch, die Digitalisierung fördern und den öffentlichen Gesundheitsdienst aufwerten zu wollen.

Der BDC hat anlässlich der Bundestagswahl im September 2021 alle derzeit im Deutschen Bundestag vertretenen politischen Parteien um eine kurze Stellungnahme zu ausgewählten gesundheitspolitischen Fragen gebeten. Die Reihenfolge richtet sich nach den Ergebnissen der Bundestagswahl 2017.

Die Fragen lauteten für alle Parteien:

  1. Wie stehen Sie zur Einführung einer Bürgerversicherung?
  2. An welchen Stellen würden Sie die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) weiterentwickeln?
  3. Wo sehen Sie die freiberufliche Ärzteschaft in Zukunft?
  4. Welche Optimierungen an der Grenze der ambulanten zur stationären Versorgung halten Sie für erforderlich?
  5. Wo sehen Sie weiteren Umstrukturierungsbedarf in der Krankenhauslandschaft?
  6. Wie wollen Sie die ärztliche Versorgung auf dem Land verbessern?
  7. Worauf legen Sie bei der weiteren Digitalisierung im Gesundheitswesen besonders wert?
  8. Was muss sich im Gesundheitswesen unbedingt ändern, um für weitere Pandemien besser gerüstet zu sein

Mit Ausnahme der FDP und der LINKEN haben die Parteien unsere Fragen beantwortet. Den Wortlaut können Sie hier nachlesen.

Ärztliche Approbationen aus Drittstaaten

Vor der Anerkennung liegt ein langer Weg – das muss sich endlich ändern!

Ein typischer Fall

Assistenzärztin für Chirurgie, 31 Jahre, Studium 2009–2015 in Bogotá, Kolumbien, erste Deutschland-Erfahrung im PJ-Tertial Chirurgie am UK Köln, Studienabschluss mit Auszeichnung, danach 3-jährige Tätigkeit als chirurgische Assistenzärztin in Bogotá.

Rückkehr nach Deutschland 2018, September 2018 viszeralchirurgische Hospitation in einer Großstadt in Nordrhein-Westfalen, Oktober 2018 Stellenangebot.

Antrag auf Berufserlaubnis Oktober 2018 – Genehmigung Juni 2019:
Die Bezirksregierung hatte vergessen eine E-Mail zu versenden.

Antrag auf Kenntnisprüfung November 2018 – Termin November 2020:
Ladefrist 14 Tage, Prüfungsinhalt undefiniert, Prüfungsort 222 km entfernt, vorheriger Kontakt mit der Prüfungskommission nicht möglich. 6 von 7 Prüflingen fallen bei fragwürdigen Inhalten durch.

Dieser Weg durch die Instanzen mit dem Ziel der Anerkennung einer Approbation aus einem „Drittstaat“ hat mit dem Antrag auf Erteilung einer Berufserlaubnis im Herbst 2018 begonnen und ist fast drei Jahre später 2021 noch immer nicht abgeschlossen. Fälle wie dieser beherrschen seit Jahren die Kollegengespräche – nicht nur in Kongresspausen –, und die nächste Sitzung behandelt dann wieder Nachwuchssorgen und Vakanzen in der Stellenbesetzung sowie den allgemeinen Ärztemangel. Problematisch ist der Zeit- und Ressourcenaufwand auf allen Seiten.

Dramatisch sind jedoch die Konsequenzen für die Antragstellerin: Eine temporäre Berufserlaubnis gilt für maximal zwei Jahre. Davor ist eine Bezahlung arbeitsrechtlich illegal. Während der Berufserlaubnis ist die Bezahlung nicht tarifgebunden. Die Zukunft der persönlich wie fachlich geschätzten und auch dringend benötigten Kollegin bleibt also seit 2018 und bis auf weiteres prekär. Harsche Kritik an dem Anerkennungsverfahren für Medizinabsolventen aus Drittstaaten hagelt es seit Jahren. Diskutiert wurde viel – über die Migration aus Osteuropa, den Mangel an Fachkräften und die verschiedenen Flüchtlingskrisen – verbessert hat sich wenig. Stattdessen hat das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz („Anerkennungsgesetz“) die bürokratischen Wege zusätzlich verlängert. 2012 wurde der Rechtsanspruch auf Prüfung und ggf. Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen verankert, und noch Jahre später als überragender Meilenstein der Integration gefeiert. Mit dem Gesetz hat sich das gesamte Antragsvolumen aber deutlich erhöht, während die Bearbeitung immer noch hinterherhinkt. Auch zahlreiche Ärztetage haben sich in den Jahren mit dem Thema befasst. Im Mittelpunkt standen dabei immer die gleichen Themen: zu hohe bürokratische Hürden für die Antragsteller:innen, unübersichtliche Verfahrensabläufe, ein zu hoher finanzieller Aufwand, z. B. bei der Anforderung ergänzender Nachweise, keine Differenzierung zwischen den Herkunftsländern sowie mangelnde Einheitlichkeit, Transparenz und Objektivität der regional abweichenden Prüfverfahren.

Eine Lösung ist immer noch nicht in Sicht. Denn die Herausforderungen sind auch aufseiten der viel gescholtenen Behörden deutlich: So ist die personelle Ausstattung der zentralen Gutachterstelle für alle Gesundheitsberufe mit ca. 20 Mitarbeiter:innen angesichts des Auftragsvolumens geradezu lächerlich. Aber auch das Verfahren ist nicht ausreichend geregelt. Mal prüfen die Kammern, mal die Universität. Approbationsbehörden und Ärztekammern haben große Schwierigkeiten eine ausreichende Anzahl Prüfer:innen zu gewinnen, um die Antragswellen abzuarbeiten. Da wundert es nicht, dass manche Juroren die klinische Medizin, die ja das primäre Prüfungsfeld stellen sollte, zuletzt in den 90ern oder noch nie verstärkt haben. Prüfen kann man trotzdem, oder? Man hat doch in Deutschland studiert.

Besonders aufwändig ist zudem die Prüfung von Anträgen aus Krisenregionen, wie Ägypten, Irak oder Syrien. In diesen Fällen stellt schon allein die „Echtheitsprüfung“ der Zeugnisse und Studiennachweise eine erhebliche Hürde dar. Eine herkunftsspezifische Zusammenfassung könnte das verbessern, ist aber nicht angedacht. Stattdessen gibt es nicht einmal eine zentrale Registrierung der Bewerber:innen. Dieser Mangel an Übersicht und Transparenz hat den sogenannten „Prüfungstourismus“ ermöglicht, bei dem Kandidaten synchron oder metachron Anträge in verschiedenen Bundesländern stellen, um irgendwo schon durchzukommen.

Es sind also, wie immer, beide Seiten der Medaille zu betrachten: Während auf der einen Seite die Rechte der Kolleg:innen aus Drittstaaten gewahrt werden müssen, gilt es auf der anderen Seite, ein so hohes Gut wie die Patientensicherheit zu schützen. Zwischen diesen beiden Rechtsgütern einen angemessenen Ausgleich herzustellen und dabei auch angemessene Zeitabläufe zu erreichen, dazu müssen die Behörden in die Lage versetzt werden.

Woran hapert es im Einzelnen?

Auf dem Weg zur Anerkennung der ärztlichen Approbation müssen Medizinabsolventen, die aus Ländern außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums stammen, drei Prüfungen durchlaufen: Den Sprachtest, die Gleichwertigkeitsprüfung und die Kenntnisprüfung. Letztere wird besonders kontrovers diskutiert:

Die Gleichwertigkeitsprüfung ist normativ in der Bundesärzteordnung geregelt und obliegt der jeweiligen Approbationsbehörde auf Landesebene. Geprüft werden Zertifikate und Nachweise ausschließlich nach Aktenlage. Ein Bescheid soll vier Monate nach Vorliegen aller erforderlichen Akten ergehen (Anm. d. Red.: bei unserem Beispiel waren es nach Vorlage aller notwendigen Testate acht). Bis allerdings alle Akten vorliegen, kann es je nach Herkunftsland mitunter dauern. Lassen sich Zweifel an der Echtheit der Unterlagen nicht ausschließen oder die Gleichwertigkeit nicht abschließend beurteilen, kann auch die zentrale Gutachterstelle für Gesundheitsberufe einbezogen werden. Im praktischen Alltag wird auf das Ergebnis der Gleichwertigkeitsprüfung zunehmend verzichtet, da sie sich sehr in die Länge ziehen kann und am Ende mangels Beurteilbarkeit häufig eben trotzdem in der Kenntnisprüfung mündet.

Liefert die Gleichwertigkeitsprüfung kein Ergebnis, folgt eine mündlich-praktische „Kenntnisprüfung“. Diese soll spätestens sechs Monate nach dem Bescheid terminiert werden (Anm. d. Red.: Im Beispielfall dauerte es vom Antrag bis zur Prüfung zwei Jahre). Das Testat kann bis zu zwei Mal wiederholt werden. Verantwortlich sind die Approbationsbehörden. Diese delegieren die Durchführung zu je 50 Prozent an die Landesärztekammern und die Universitäten. Die Inhalte der 30- bis 90-minütigen Kollegialprüfung am Patienten werden in der Approbationsordnung festgelegt. Prüfungsgegenstand sind primär die Fächer Innere Medizin und Chirurgie, die nach Bedarf um unklare Bereiche der Gleichwertigkeitsprüfung ergänzt werden. Eine Ladung ist bis zu fünf Tage vor dem Prüfungstermin möglich. Prüfungs- bzw. Bewertungskriterien werden in der Ordnung jedoch nicht festgelegt. Es gibt auch keine regelhaften Prüferschulungen oder etwa Bewertungsbögen als Feedback für die Prüfer.

Was kann und muss verbessert werden?

Um das Nadelöhr der Gleichwertigkeitsprüfung zu beseitigen, schlägt der BDC vor, diese in ihrem Umfang deutlich zu reduzieren: Kann die Gleichwertigkeit im ersten Prüfdurchlauf nach Aktenlage nicht zweifelsfrei beurteilt werden, erfolgt die direkte Überweisung in die Kenntnisprüfung. Eine solcher Ablauf würde eine deutliche Zeitersparnis bedeuten.

Die Kenntnisprüfung könnten die Antragsteller dann in Analogie zum Dritten Staatsexamen unter den Bedingungen der deutschen Studierenden absolvieren – eine Forderung, die auch der Deutsche Ärztetag bereits aufgestellt hat. Diese Umstellung beinhaltet einen transparenten Leistungskatalog und realistische Ladefristen.

Die normative Umsetzung dieses Vorschlags erfordert nur wenige folgende Anpassungen: zum einen die Verkürzung der Gleichwertigkeitsprüfung gemäß § 3 der Bundesärzteordnung, und zum anderen die inhaltliche Neugestaltung der Kenntnisprüfung gemäß § 37 der geltenden ärztlichen Approbationsordnung, die sich derzeit ohnehin als Entwurf in der parlamentarischen Beratung befindet und zahlreiche Veränderungen erfährt. Es erscheint naheliegend, das laufende Verfahren um diesen Punkt zu ergänzen. Um erstens die Situation von migrationswilligen Kolleg:innen aus Drittstaaten sichtbar zu machen, da zweitens auch chirurgische Kliniken immer mehr auf die Unterstützung ausländischer Kolleg:innen angewiesen sind und um drittens die Rechte unserer Patienten durch die angemessene Erteilung von Zugangsberechtigungen zur ärztlichen Tätigkeit zu wahren, wird der BDC die vorgestellten Vorschläge nach außen vertreten und auch im Vorfeld der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) 2021 auf Länderebene einbringen. Ziel ist es, gemeinsam auf ein schlankes und faires Anerkennungsverfahren hinzuwirken.

Zahlen, Daten, Fakten

Laut Statistik der Bundesärztekammer waren 2017 in Deutschland 392.402 Ärzte tätig. Rund 45.000 (11 Prozent) davon waren ausländische Ärzte, wovon wiederum rund 10.000 Ärzte aus Drittstaaten kamen. 2017 allein wurden in Deutschland 4.300 Verfahren zu Anträgen von ÄrztInnen aus Drittstaaten auf Anerkennung der Approbation beschieden. Ca. 30 Prozent dieser Anträge konnten allein nach Aktenlage beschieden werden (Bundesinstitut für Berufsbildung, BIBB), keine Gleichwertigkeit bestand bei < 1 Prozent.

 

Burgdorf F, Krones CJ: Ärztliche Approbationen aus Drittstaaten. Passion Chirurgie. 2021 Juni; 11(06): Artikel 05_02.