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KI-basierte Arztbrieferstellung– Entlastung für Ärztinnen und Ärzte durch generative Sprachmodelle

Ein Forschungsprojekt des Fraunhofer-Instituts für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS

Künstliche Intelligenz (KI) oder Artificial Intelligence (AI) hat bereits seit Jahren in vielen Anwendungen Einzug in unseren Alltag gefunden. Gesichtserkennung beim Smartphone, Spracherkennung und -unterstützung bei Alexa und in modernen Fahrzeugen und diverse Assistenzsysteme beim Fahren sind Teil unseres Alltags geworden. KI hat aber darüber hinaus erhebliches Potenzial, unsere tägliche ärztliche Arbeit zu unterstützen und zu erleichtern. Am bekanntesten sind die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten bei der automatisierten Mustererkennung, z. B. in der Auswertung radiologischer Bildgebung und von Pathologie-Schnitten. Aktuell eröffnen sich weitere Anwendungen durch den Einsatz von generativen Sprachmodellen.

Die Veröffentlichung der frei zugänglichen KI-Software ChatGPT von OpenAI kann diesbezüglich als Quantensprung in der KI-Anwendung gelten. Hiermit steht erstmals ein mächtiges Tool zur Verarbeitung von Sprache zur allgemeinen Verfügung, das wohl schon jeder einmal spielerisch für einen Zeitschriftenartikel (nicht für diesen) oder für eine private Ansprache genutzt hat. Auch die erweiterte Rechtschreibprüfung in Microsoft Word in der Funktion „Editor“ und andere Tools im Office-Programm arbeiten KI-basiert.

Für die Medizin ist dies besonders bedeutsam, um die Kommunikation zwischen den Akteuren im Gesundheitswesen zu erleichtern und zu verbessern. In diesem Licht ist ein laufendes Entwicklungsprojekt (SmartHospital.NRW, www.smarthospital.nrw) des Fraunhofer IAIS spannend, das die automatische Generierung des Arztbriefs bei Entlassung aus dem Krankenhaus zum Ziel hat. Auch wenn die Schätzung von bis zu drei Stunden ärztlicher Arbeitszeit pro Tag für die Brieferstellung sehr hoch angesetzt erscheint [1], so ist doch die zeitgerechte Erstellung des Entlassungsbriefs eine immense bürokratische Belastung und dies in der Regel für Ärztinnen und Ärzte in der Weiterbildung.

Gleichwohl ist eine umfassende Information über Diagnosen, durchgeführte Behandlungen und Empfehlungen zur Weiterbehandlung sowie die Medikation von entscheidender Bedeutung für die Weiterbehandlung im ambulanten Bereich, in der Verlegungsklinik oder in der Rehabilitation. Als weiteren Schritt könnte die KI auch den lang gehegten Wunsch erleichtern, einen zusätzlichen Arztbrief für die Patienten in einfacher laienverständlicher Sprache zu generieren.

Automatisierte Erstellung des Arztbriefs bei Krankenhausentlassung

Die wichtigen und auch rechtlich bedeutsamen Informationen liegen in der Regel als schriftliche Dokumente in der Krankenhaus-EDV (im KIS) vor und werden für die Arztbrieferstellung teilweise übernommen. Dem Arzt kommt die Aufgabe zu, die Relevanz einzelner Daten und Befunde zu bewerten und diese möglichst knapp und übersichtlich als Informationsquelle für die Weiterbehandlung zusammenzufassen. Die Qualität eines dazu eingesetzten „Intelligenten Arztbrief-Generators“ (IAG) muss sich vor allem bei dieser epikritischen Zusammenfassung bewähren.

Zugrunde liegende Technologie

Einen tieferen Einblick in die zugrunde liegende Technologie bietet ein Vortrag von Frau Katrin Klug vom Fraunhofer IAIS, der für Leser der Passion Chirurgie über diesen LINK zugänglich ist. Darüber hinaus hat Frau Klug einige Fragen dazu im Kurz-Interview (am Ende des Artikels) beantwortet.

Zusammengefasst geht es darum, den Umfang des umfassenden deutschen ChatGPT-Sprachmodells auf medizinische Inhalte zu reduzieren und damit den Einsatz auch auf begrenzter Rechenleistung innerhalb einer Domäne, also abgegrenzt zum Internet, zu ermöglichen. Andererseits wird „das Wissen“ der KI spezifisch um medizinische Inhalte erweitert. Dazu wurden mehrere Datensätze gesammelt und ausgewertet, unter anderem: GGPONC, Pubmed Abstracts, Springer Nature Corpus, PhD Thesis, Wikipedia, UFAL, Medical Forum Posts und medizinische Leitlinien. Weiterhin werden medizinische Datensätze aus der am Projekt beteiligte Uniklinik Essen verarbeitet, deren Ärzte auch am notwendigen „Feintuning“ beteiligt sind.

Um die Dimensionen zu verdeutlichen: ChatGPT 3 greift auf ca. 175 Milliarden Parameter zu. Für das deutsche Modell ist im ersten Schritt auf 1,3 Milliarden Parameter reduziert worden, im Endausbau werden 7 Milliarden Parameter angestrebt (Abb. 1).

Abb. 1: Schematische Übersicht über die Entwicklung eines medizinspezifischen Sprachmodells

Mit dem neuen System soll der zeitintensive Prozess der Filterung und Synthese der notwendigen Informationen durch KI gesteuert und automatisiert werden. Es bleibt dem Arzt aber immer noch die Aufgabe der abschließenden Prüfung und Freigabe des daraus generierten Briefs (Abb. 2). Trotzdem dürfte sich ein wesentlicher Zeitgewinn an ärztlicher Arbeitszeit erzielen lassen.

Abb. 2: Beispiel für eine Kontrollmaske am Arbeitsplatz zur Arztbrieferstellung

Potenzielle Risiken und Nachteile

Die Zuverlässigkeit der KI bei der Auswahl relevanter Daten muss noch belegt werden. Es ist auch darauf zu achten, dass nicht wegen Sicherheitserwägungen der Umfang der Entlassungsbriefe noch weiter zunimmt. Schon heute ist es nämlich nicht einfach, auf der Empfängerseite des Arztbriefes [1] aus dem umfassenden Konglomerat an Informationen die für die Weiterbehandlung wichtigen Informationen zu extrahieren. Weiterhin gibt es noch – wie auch in anderen Bereichen der KI-Anwendungen – eine breite gesellschaftliche Diskussion über die juristische Verantwortung für daraus resultierende Fehler. Mehr Informationen zu Risiken von generativen KI-Anwendungen und Schritten zur vertrauenswürdigen KI hat das Fraunhofer IAIS in seinem Whitepaper „Vertrauenswürdige KI-Anwendungen mit Foundation-Modellen entwickeln“ (www.bit.ly/FraunhoferKI) kürzlich veröffentlich. [3].

Die Kernziele des BDC umfassen neben dem Bürokratieabbau auch die Nachhaltigkeit in der Medizin [2]. Es darf also nicht übersehen werden, dass sowohl das Training als auch die Anwendung dieser KI-Modelle einen immensen Aufwand an Rechenleistung erfordern und damit einen hohen Energieverbrauch induzieren. Für eine allgemeine Akzeptanz und weitere Verbreitung ist es unerlässlich, dass auch hier Fortschritte zur Reduzierung der Umweltbelastungen erzielt werden.

Datenschutz

Bei den frei zugänglichen Sprachmodellen ChatGPT und auch bei Microsoft Bing erfolgt die Datenverarbeitung zentral auf den Servern der Anbieter, in der Regel in den USA. Dies ist für medizinische Anwendungen natürlich nicht akzeptabel. Das Fraunhofer IAIS hat daher besonderen Wert daraufgelegt, die technischen Voraussetzungen so weit zu vermindern, dass eine Umsetzung auch im Rahmen der IT-Kapazitäten einer Klinik erfolgen kann und somit keine Daten nach außen gelangen. Zurzeit ist nach Einschätzung durch die Entwickler ein Betrieb derartig umfangreicher Software auf einem PC noch nicht vorstellbar. Dies könnte sich aber durch Vereinfachung der Algorithmen und weiter steigender Rechenleistung in PCs in naher Zukunft ändern.

Mögliche Erweiterungen – Intelligenter Formular-Generator

Für die Verarbeitung unstrukturierter Informationen ergeben sich mannigfaltige weitere Einsatzgebiete im Bereich der Medizin, sowohl in den Kliniken als auch in den Praxen. So besteht auch ein riesiger Bedarf, eingehende medizinische Information zu analysieren, nach festgelegten Vorgaben zu bewerten und als Exzerpt dem medizinischen Personal zu Verfügung zu stellen. Das würde zum Beispiel auch das Aufnahmeprozedere in der Klinik mit der Auswertung mitgebrachter Befunde und Arztbriefe erleichtern und in den Arztpraxen dabei helfen, Fremdbefunde aus schriftlichen Dokumenten und Laborergebnisse auszuwerten. Somit würde es dann auch der Empfängerseite des KI-basierten Arztbriefs, z. B. in der chirurgischen Praxis, erleichtern, aus den oft sehr umfangreichen Entlassungsbriefen die relevanten Informationen zu extrahieren und automatisch im PVS zu speichern.

Ein Teil des Forschungsprojekts TraumAInterfaces am Fraunhofer IAIS ist auch die Entwicklung eines intelligenten Formular-Generators. Dieser wird aktuell in der Befunddokumentation für das TraumaRegister DGU® erprobt, indem die KI aus dem gesprochenen und aufgenommenen Übergabedialog bei Einlieferung in den Schockraum zahlreiche administrative und medizinische Parameter automatisch extrahiert und in den Dokumentationsbogen überträgt. Eine solche technische Lösung würde sicher viele Ärztinnen und Ärzte begeistern, die sich tagtäglich mit dem Ausfüllen Dutzender Formulare herumschlagen müssen.

Elektronische Patientenakte

Im Zusammenhang mit der anstehenden verpflichtenden Einführung der elektronischen Patientenakte (Opt-out) haben viele Kollegen zu Recht Zweifel, dass dem behandelnden Arzt ein Überblick über die dort (zunächst unstrukturiert) abgelegten Daten möglich sein wird. Hier könnte eine KI-basierte Software in zweierlei Hinsicht hilfreich sein: Zum einen bei der Erstellung von relevanten Meta-Daten, die den Überblick erleichtern, und zum anderen bei der gezielten Suche nach relevanten Informationen in der e-PA. Die meisten Ärzte und Ärztinnen stimmen darin überein, dass es medizinisch äußerst hilfreich wäre, jederzeit Zugriff auf alle Gesundheitsdaten eines Patienten zu haben, fürchten aber zu Recht, in der e-PA bildlich den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen. Eine mächtige und zuverlässige KI-basierte Software könnte hier zum Game Changer werden.

Zusammenfassung

KI hat somit das Potenzial, uns Ärzte von lästiger Bürokratie zu entlasten und wertvolle Arbeitszeit freizumachen für ureigene ärztliche Aufgaben, nämlich die Zuwendung zu unseren Patienten. Denen könnten wir dann wieder ohne Zeitdruck mit Verständnis und Empathie entgegenkommen, also mit menschlichen Eigenschaften, die so schnell nicht durch Computer-Algorithmen ersetzbar sein dürften. Unter Kognitionswissenschaftlern ist es umstritten, ob KI wirklich denken kann oder nur eine wahrscheinlichkeitsbasierte Auswahl aus von Menschen vorgegebenen Lösungsmustern auf neue Probleme überträgt. Umso höher muss der Anspruch an die Qualität der Entwicklung und an das Training dieser Technologie sein.

» Zur Person

Katrin Klug
Data Scientist NLU Team
Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS
Schloss Birlinghoven 1
53757 Sankt Augustin
[email protected]

Vier Fragen an Frau Katrin Klug vom Fraunhofer IAIS zum KI-gestützten Arztbrief-Generator

Peter Kalbe: Wie stellen Sie sicher, dass die KI die Arztbrieferstellung qualitativ mindestens so gut und sicher erledigt wie ein durchschnittlicher Krankenhausarzt?
Katrin Klug: Im medizinischen Bereich sind vertrauenswürdige KI-Anwendungen unerlässlich. Daher legen wir großen Wert darauf, dass unser Arztbrief-Generator zuverlässig und sicher funktioniert und transparent sowie zuverlässig mit Daten umgeht. Um sicherzustellen, dass ein KI-gestützter Arztbrief-Generator qualitativ mindestens so gut und sicher arbeitet wie ein durchschnittlicher Krankenhausarzt, sind mehrere Schlüsselaspekte für uns von entscheidender Bedeutung:

Training und Datensätze: Wir achten darauf, dass unsere KI-Modelle mit einer breiten Palette von qualitativ hochwertigen medizinischen Daten trainiert werden. Dies ermöglicht es der KI, ein umfassendes Verständnis für medizinische Begrifflichkeiten und Kontexte zu entwickeln. Die Qualität der Trainingsdaten ist hierbei entscheidend, da die KI nur so gut sein kann wie die Daten, mit denen sie trainiert wird.

Qualitätskontrolle der Ergebnisse: Vor der Inbetriebnahme werden die Modelle gründlich statistisch und semantisch evaluiert. Dies umfasst Standardtests zur Überprüfung der medizinischen und biologischen Fähigkeiten, diese Tests zu lösen. Außerdem ist ein wichtiger Bestandteil der Vergleich von KI-generierten Texten mit von Ärzten geschriebenen Texten, um zu beurteilen, ob die Qualität vergleichbar oder sogar besser als die des ärztlichen Personals ist. Dieses Feedback können wir auch direkt für die Optimierung des Modells nutzen.

Human in the Loop: Obwohl die KI Vorschläge für Arztbriefe generiert, ist eine menschliche Überprüfung und Genehmigung unabdingbar. In unserem Prozess wird der KI-generierte Text dem ärztlichen Personal als Vorschlag im System angezeigt. Die Ärzte müssen die generierten Arztbriefe somit gegenlesen und können bei Bedarf Anpassungen vornehmen. Dies stellt sicher, dass die endgültigen Dokumente genau und angemessen sind.

Monitoring der Ergebnisse im Betrieb: Nach der Implementierung der KI ist eine kontinuierliche Überwachung der Ergebnisse essenziell. Dies schließt regelmäßiges Feedback von medizinischem Personal und die Anwendung von Qualitätsmetriken ein, um die Leistung der KI zu überwachen und zu verbessern.

Benutzerfeedback und -engagement: Während der Testphasen ist es wichtig, aktives Feedback von Krankenhausärzt*innen zu sammeln und zu berücksichtigen. Dieses Feedback kann verwendet werden, um die generierten Texte durch Reinforcement Learning zu verfeinern.
Durch diese Ansätze stellen wir sicher, dass der KI-gestützte Arztbrief-Generator nicht nur die erforderliche Qualität und Sicherheit bietet, sondern auch kontinuierlich verbessert wird, um den sich ändernden Anforderungen des medizinischen Umfelds gerecht zu werden.
Eine ausführliche Erläuterung mit Schritten zur Entwicklung vertrauenswürdiger KI-Anwendungen haben wir in unserem Whitepaper „Vertrauenswürdige KI-Anwendungen mit Foundation-Modellen entwickeln“ (www.bit.ly/FraunhoferKI) zusammengefasst.

Wann rechnen Sie mit einer „Serienreife“ des Arztbrief-Generators und wie stellen Sie sich die Integration in bestehende Krankenhausinformationssyteme (KIS) vor?
KK Die Serienreife unseres KI-gestützten Arztbrief-Generators erwarten wir nach dem erfolgreichen Abschluss des Smart Hospital NRW Projekts, das für Ende 2025 angesetzt ist. Dieses Projekt zielt nicht nur auf die Entwicklung und Verfeinerung des Generators ab, sondern befasst sich auch intensiv mit dem organisatorischen Wandel hin zu einem „Smart Hospital“.

Wir planen, unseren Arztbrief-Generator so zu gestalten, dass er sich nahtlos in die bestehenden IT-Infrastrukturen von Gesundheitseinrichtungen einfügen lässt. Dies soll durch die Entwicklung von Schnittstellen und Modulen erfolgen, die eine reibungslose Kommunikation und Datenübertragung zwischen unserem System und den verschiedenen KIS ermöglichen. Dafür nutzen wir weit verbreitete interoperable Datenstandards wie FHIR (Fast Healthcare Interoperable Resources).

Letztendlich ist es unser Ziel, dass der Arztbrief-Generator über das Smart-Hospital- NRW-Projekt hinaus in anderen Gesundheitsorganisationen implementiert werden kann, wobei die Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Projekt als Blaupause für weitere Implementierungen dienen sollen. Damit streben wir an, einen wesentlichen Beitrag zur Digitalisierung und Effizienzsteigerung im Gesundheitswesen zu leisten.

Welche Hardware wird aktuell dafür benötigt und ist es vorstellbar, dass die Software auch einmal auf einem PC laufen wird?
KK Die Hardwareanforderungen für unseren aktuellen KI-gestützten Arztbrief-Generator sind vorrangig durch die Komplexität und Länge der zu verarbeitenden Texte sowie Patientenakten bestimmt. Aktuell empfehlen wir für eine effiziente Nutzung der Software die Verwendung von zwei GPUs mit je 80 GB Speicher. Diese leistungsstarke Hardwarekonfiguration ist notwendig, um die großen Datenvolumina, die für die Ausführung unseres KI-Modells erforderlich sind, zu bewältigen.

In Bezug auf die zukünftige Entwicklung ist es durchaus vorstellbar, dass unsere Software auch auf einem herkömmlichen PC laufen kann. Fortschritte in der KI-Optimierung und in der Hardwaretechnologie machen dies zunehmend realistischer. Hier gibt es Optimierungsverfahren, wie Quantisierung, die zu einer Verringerung des Speicherbedarfs und der Rechenleistung führen, ohne dabei signifikant an Genauigkeit oder Leistungsfähigkeit zu verlieren.

Wie stellen Sie die Einhaltung der hohen Ansprüche des Datenschutzes für medizinische und personenbezogene Daten sicher?
KK Um die hohen Ansprüche des Datenschutzes für medizinische und personenbezogene Daten zu gewährleisten, legen wir besonderen Wert darauf, dass alle sensiblen Daten innerhalb des Krankenhauses verbleiben. Die Daten, die für den Betrieb unseres KI-gestützten Arztbrief-Generators benötigt werden, werden ausschließlich lokal im Netzwerk des jeweiligen Krankenhauses gespeichert und verarbeitet. Dies stellt sicher, dass die sensiblen Patientendaten das Krankenhaus zu keinem Zeitpunkt verlassen.

Da unsere KI-Modelle mit medizinischen Daten trainiert werden, ist es von entscheidender Bedeutung, dass kein unbefugter Zugriff auf die Modelle selbst erfolgt. Möglicherweise erhält jedes Krankenhaus oder jede medizinische Einrichtung, die unseren Arztbrief-Generator nutzt, Zugriff auf ein individuell auf ihren Daten angepasstes Modell. Bei der Anwendung des Arztbrief-Generators soll nur ärztliches Personal, das ebenfalls Zugriff auf Patientendaten hat, die Anwendung bedienen. Dadurch stellen wir sicher, dass nur befugte Personen sensible Daten sehen können.

Literatur

[1]   Heinrich-Heine-Universität, Studie zu Arztbriefen 2019: https://www.hhu.de/die-hhu/presse-und-marketing/aktuelles/pressemeldungen-der-hhu/news-detailansicht/studie-zu-arztbriefen, Zuletzt zugegriffen 23.1.2024
[2]   BDC: Leitbild und Programmatik: https://www.bdc.de/der-bdc/leitbild-und-programmatik/, Zuletzt zugegriffen 23.1.2024
[3]   Fraunhofer IAIS-Whitepaper: Vertrauenswürdige KI-Anwendungen mit Foundation-Modellen entwickeln: https://www.iais.fraunhofer.de/content/dam/iais/publikationen/studien-und-whitepaper/Fraunhofer_IAIS_Whitepaper_Vertrauenswuerdige_KI-Anwendungen.pdf, Zuletzt zugegriffen: 23.1.2024

Kalbe P: KI basierte Arztbrieferstellung – Entlastung für Ärztinnen und Ärzte durch generative Sprachmodelle. Passion Chirurgie. 2024 März; 14(03/I): Artikel 03_02.

Arztpraxis Tipp: Zugang zum D-Arzt-Verfahren für Kinderchirurginnen und -chirurgen

Frage:

Ein Kinderchirurg in einer Kinderklinik mit sehr großer Notaufnahme möchte die Zulassung zum berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren erlangen und möchte gerne wissen, welche Voraussetzungen er dazu erfüllen muss. Dabei möchte er wissen, ob er noch 12 Monate weitere Tätigkeiten an einem SAV(Schwerstverletzungsartenverfahren)- oder VAV(Verletzungsartenverfahren)-Krankenhaus übernehmen müsste.

Antwort:

Für die Kinderchirurgen gelten leicht abweichende Regelungen für den Zugang zum D-Arzt-Verfahren. Mehr Informationen im Dokument Durchgangsarzt – Anforderungen für Kinderchirurgen (www.bit.ly/AnfoDARZT) der DGUV.

Folgende spezielle Bedingungen gelten (noch) für die Zulassung als niedergelassener kinderchirurgischer D-Arzt:

Eine Tätigkeit an einem VAV- oder SAV-Krankenhaus ist gemäß Option 1 nicht vorgeschrieben, wenn man zwei Jahre in einer unfallchirurgischen Abteilung gearbeitet hat, die auch verletzte Kinder behandelt.

Option 1: Mit Zeugnis nachgewiesene vollschichtige Tätigkeit über mindestens zwei Jahre in einer unfallchirurgischen Abteilung zur Behandlung Schwer-Unfallverletzter, in der auch Kinder behandelt werden.

Es ist allerdings anzunehmen, dass derartige unfallchirurgische Krankenhaus-Abteilungen auch zumindest über eine D-Arzt-Zulassung oder sogar das VAV- oder SAV-Verfahren verfügen.

Option 2: Mit Zeugnis nachgewiesene vollschichtige Tätigkeit über mindestens zwei Jahre in einer kinderchirurgischen Abteilung/Klinik mit traumatologischem Aufgabenschwerpunkt an einem von den gesetzlichen Unfallversicherungsträgern zum Verletzungsartenverfahren zugelassenen Krankenhaus.

Aus der Anlage lässt sich entnehmen, dass auch die zeitlichen und strukturellen Vorgaben noch nicht an den Reform-Stand der übrigen D-Arzt-Bedingungen mit dem Stand vom 1. Januar 2024 angepasst wurden. Wir haben dazu mit der DGUV Rücksprache gehalten und diese hat uns zugesichert, dass auch die Bedingungen für die niedergelassenen kinderchirurgischen D-Ärzte im Verlauf des Jahres 2024 an den Reform-Stand für die anderen D-Ärzte angepasst werden sollen.

Hier ist also etwas Geduld geboten. Allerdings ist auch für die Reform anzunehmen, dass ausgiebige Erfahrungen in der Kinder-Traumatologie und im D-Arzt-Verfahren weiterhin Voraussetzungen für eine Zulassung als kinderchirurgischer D-Arzt bleiben werden.

Kalbe, P: Zugang zum D-Arzt-Verfahren für Kinderchirurginnen und -chirurgen. Passion Chirurgie. 2024 März; 14(03/I): Artikel 04_03.

Arztpraxis Tipp: Durchgangsarztbericht nach älteren oder abgeschlossenen Behandlungen

Frage:

Auf verschiedenen unfallmedizinischen Tagungen und auch anderweitigen Fortbildungen wurde seitens der Unfallversicherungsträger der Wunsch/die Empfehlung ausgesprochen, dass auch bei älteren beziehungsweise zunächst abgeschlossen Behandlungen im Unfallzusammenhang mit nachfolgender Wiedervorstellung länger als drei Monate nach der letzten Behandlung ein Durchgangsarztbericht (F1000) erstellt werden sollte.

Dieses Vorgehen wird größtenteils auch so akzeptiert. Es führt jedoch auch wiederholt zu Irritationen – insbesondere bezogen auf die Abrechnung – und wird völlig uneinheitlich gehandhabt.

Siehe Antwort der Unfallkasse auf eine Rechnung für einen Durchgangsarztbericht: Laut vorliegender Berichterstattung befindet sich der Versicherte bereits in einer fortlaufenden Behandlung Ihrerseits, daher ist die Erstellung eines erneuten D-Arztberichtes nicht erforderlich. Wir ändern daher die Gebühr nach Ziffer 132 in die Ziffer 115.

Nach den uns vorliegenden Unterlagen ist die Ziffer 6 nicht gerechtfertigt. Eine umfassende Untersuchung verbunden mit nach Umfang und Zeit besonderem differential-diagnostischen Aufwand usw. ist hier nicht ersichtlich. Wir ändern daher die Leistung nach Ziffer 6 in die Ziffer 1. Bitte berücksichtigen Sie diese Regelungen bei ihrer zukünftigen Rechnungslegung. Es wird ein Betrag in Höhe von 27,37 € vergütet.

Aktuell verfahren wir in der Praxis so:

  • Neuerliche, ungeplante Vorstellung im Unfallzusammenhang eines bg-lich versicherten Unfalls, der länger als drei Monate nach letzter ärztlicher Behandlung/Vorstellung her ist: Berichterstattung dazu mittels Durchgangsarztbericht (F1000)
  • Neuerliche, geplante/ungeplante Vorstellung im Unfallzusammenhang eines bg-lich versicherten Unfalls, der weniger als drei Monate nach letzter ärztlicher Behandlung/Vorstellung her ist: Berichterstattung dazu mittels Verlaufsbericht (F2100) – wenn erforderlich

Sollte es dazu eine aussagekräftige Regelung geben, welche mir entgangen ist, bitte ich Sie um eine kurze Mitteilung.

Antwort:

Eine Drei-Monatsregel für die regelmäßige Neuerstellung eines D-Arzt-Berichtes (DAB) gibt es nicht. Dies ist vielleicht ein Missverständnis, weil die Dauer des Behandlungsfalls drei Monate beträgt. Dies ist allerdings eine reine Abrechnungsregel und hat nichts mit einer Verpflichtung (oder Berechtigung) zu tun, alle drei Monate einen neuen DAB zu erstellen.

Die Berichterstattung im laufenden Behandlungsfall (bei besonderer Heilbehandlung) soll mit Verlaufsberichten erfolgen, und zwar grundsätzlich unter den im § 16 des Vertrags dargelegten Umständen:

  • Unerwartete Heilkomplikationen
  • Fehlender Heilungsfortschritt
  • Verlegung
  • Wesentliche Änderung der Diagnose
  • Notwendigkeit orthopädischer Schuhversorgung
  • Notwendigkeit prothetischer Versorgung
  • Notwendigkeit häuslicher Krankenpflege (siehe § 19)
  • Abbruch der Heilbehandlung seitens des Unfallverletzten
  • Ungenügende Unterstützung bzw. fehlende Mitwirkung des Unfallverletzten bei der Durchführung der Heilbehandlung

Nach unserer Erfahrung fordern manche BGen und Unfallkassen aber auch Berichte an, wenn eine Behandlung länger (wochen- bis monatelang) läuft und keine Berichte erstellt wurden.

Formal wird die Besondere Heilbehandlung mit einer Mitteilung nach F2222 abgeschlossen. Stellt sich die/der Verletzte dann nach diesem formalen Abschluss wieder vor, ist ein Wiedererkrankungsbericht als D-Arzt-Bericht zu erstellen.

Im Vordergrund steht, dass die Sachbearbeiter bei der BG immer über den aktuellen Stand der Behandlung informiert sein sollten. In Routinefällen reichen dafür in der Regel der Erstbericht und die AU-Bescheinigungen. Bei allen Komplikationen und Besonderheiten empfehlen sich Verlaufsberichte. Manche BGen tolerieren (oder schätzen sogar) auch anlasslose Verlaufsberichte (mit dem Inhalt: Alles prima, problemloser Verlauf), diese sind aber eigentlich nicht vertragskonform (s. o.) und man hat schlechte Karten, wenn das Honorar dafür gekürzt wird.

Im angefragten Fall hat die Unfallkasse somit vollkommen recht mit der Streichung des DAB. Erfreulicherweise hat die Unfallkasse immerhin stattdessen die Gebühr für einen Verlaufsbericht erstattet.

Kalbe, P: Durchgangsarztbericht nach älteren oder abgeschlossenen Behandlungen. Passion Chirurgie. 2024 Januar/Februar; 14(01/02): Artikel 04_06.

Reform der D-Arzt-Bedingungen zum 1.1.2024: Strukturelle Voraussetzungen für Eingriffsräume

Die Reform der Bedingungen für die niedergelassenen Durchgangsärzte ist zum 1.1.2024 in Kraft getreten. In den folgenden Ausgaben der Passion Chirurgie werden die Details der neuen Regelungen im Einzelnen erläutert. In diesem Beitrag geht es um die strukturellen Vorgaben für die Eingriffsräume (ER).

Es ist zu begrüßen, dass in den aktuellen Regelungen die hygienischen Erfordernisse gesondert schriftlich festgelegt wurden. Dies erleichtert es den Durchgangsärztinnen und -ärzten, bei einem geplanten Orts- oder Betreiber-Wechsel die eigenen Strukturen zu überprüfen und ggf. sachgerecht anzupassen. Wir empfehlen dringend, in jedem Einzelfall schon während der Planungen neben dem beratenden Krankenhaushygieniker und den zuständigen Gesundheitsbehörden auch den Landesverband der DGUV einzubeziehen.

Die ab dem 1.1.2024 gültigen Vorgaben Übersicht Eingriffräume D-Arzt ambulant ab 1.1.2024 sind HIER herunterzuladen

In der Präambel zu den ab 1.1.2024 gültigen Strukturvorgaben heißt es: Für die Durchgangsarzttätigkeit ist ein Eingriffsraum erforderlich. Dies bedeutet nunmehr eine entscheidende Verbesserung gegenüber den alten nicht mehr gültigen Bedingungen aus dem Jahr 2011, in denen noch „Zwei Eingriffsräume für invasive Eingriffe, getrennt für Eingriffe bestimmten Kontaminationsgrades“ gefordert wurden. Demgemäß wird jetzt zur Beurteilung der hygienischen Voraussetzungen auf die aktuelle KRINKO Empfehlungen zur Prävention postoperativer Wundinfektionen von 2018 abgehoben, die gemäß § 23 (3) des Infektionsschutzgesetzes eine hochgradige Bindungswirkung entfaltet.

Grundsätzlich wird von der DGUV jetzt zwischen Eingriffsräumen (ER) der Kategorie A und der Kategorie B unterschieden, letztere mit leicht abgesenkten Strukturvorgaben.

Eine D-Arzt-Praxis muss (abweichend von der irrtümlichen Darstellung in der Passion Chirurgie 9/2023) mindestens einen ER der Kategorie A vorhalten.

Ergänzend dazu ist ab 2024 folgende pragmatische Regelung vorgesehen: Wenn innerhalb des Gebäudes, in dem die Durchgangsarzttätigkeit ausgeübt wird, zusätzlich ein gesonderter Bereich für Operationen mit geringem oder höherem SSI-Risiko vorhanden ist und dieser barrierefrei erreichbar und kurzfristig verfügbar ist, reicht auch die Vorhaltung eines ER der Kategorie B in der Praxis bzw. der Krankenhausambulanz aus.

Die Vorgaben für die Kategorien A und B sind im Einzelnen der Tabelle zu entnehmen. Daher soll hier nur auf Besonderheiten eingegangen werden.

Strukturelle Vorgaben für einen Eingriffsraum der Kategorie A

Dieser ER soll sich in einem gesonderten, verkehrsberuhigten und vor unbefugtem Betreten gesicherten (OP-)Bereich befinden.

Unter 2.1. wird für die Grundfläche des ER 20 m2 angegeben. Diese Fläche stellt aber lediglich einen Richtwert dar, der nicht maßgeblich unterschritten werden sollte. Entscheidend dürfte sein, ob für die beabsichtigte operative Tätigkeit um den OP-Tisch herum ausreichend Platz ist, um unter hygienischen Gesichtspunkten freie Personenbewegungen zu ermöglichen und die benötigten Instrumententische aufzustellen. Das erforderliche Instrumentarium (und damit auch der Platzbedarf) dürfte z. B. für arthroskopische Operationen oder Osteosynthesen mit Durchleuchtungsgerät deutlich umfangreicher sein als z. B. für kleinere Weichteileingriffe. Daher muss beurteilt werden, ob der freie Bewegungsraum unter Berücksichtigung von festen Einbaumöbeln oder flexibler Einrichtung, z. B. mit mobilen Gerätewagen, ausreichend ist. Entsprechend den Vorgaben der KRINKO sollte dies anhand des beabsichtigten OP-Spektrums in Kooperation mit dem beratenden Krankenhaus-Hygieniker und dem DGUV-Landesverband festgelegt werden.

Die weiteren Vorgaben unter 2.2. bis 2.13. entsprechen im Wesentlichen den Vorgaben für das ambulante Operieren gemäß § 115b des SGB V und dürften somit von den Vertragsärzten ohnehin eingehalten werden. Abweichend ist nunmehr nicht mehr eine aufwändige gerundete Anbindung des Fußbodens an die abwaschbare Wand erforderlich, hier reicht gemäß 2.5. eine desinfektionsmittelbeständige, dichtsitzende und gut verfugte hohe Scheuerleiste aus. Aus 2.11. und 2.12. ist zu entnehmen, dass RLT-Anlagen aus hygienischen Gründen in der Regel nicht gefordert werden und nur ggfs. aus klimaphysiologischen Gründen und/oder zur Absaugung von Narkosegasen oder Rauch notwendig sind. Auch dies ist im Vorfeld mit dem beratenden Krankenhaushygieniker und ggf. mit dem Gewerbeaufsichtsamt zu klären.

Die unter 3. bis 7. genannten baulichen Vorgaben entsprechen den üblichen Standards für ambulante Operationsbereiche. Eine Erleichterung findet sich unter 3., indem hier bei kleinerem Umfang der geplanten Operationen und geringem Personalbedarf der geplanten Eingriffe, auch eine Einkammer-Schleuse akzeptiert wird. Auch die unter 8. aufgeführte Möglichkeit, die Personalumkleide, die Patientenumkleide, den Waschplatz und den Ruheraum bei entsprechender Größe und hygienisch einwandfreier Aufteilung auch kombiniert zu nutzen, eröffnet im Einzelfall pragmatische und aufwandsarme bauliche Lösungen.

Strukturelle Vorgaben für einen Eingriffsraum der Kategorie B

Ein ER der Kategorie B kann im normalen Praxis-/Ambulanzbereich liegen. Die hygienischen Voraussetzungen gemäß 2.1. bis 2.13. gelten gleich wie für den ER der Kategorie A, allerdings mit den wichtigen Ausnahmen, dass weder gesonderte Umkleideräume für das Personal noch für die Patienten noch ein gesonderter Ruheraum gefordert werden. Der Waschplatz kann beim ER B auch in einer Nische vor oder im Raum liegen und für die Entsorgung ist der normale Entsorgungsraum der Praxis ausreichend. Da die üblicherweise vorhandenen Räume für Wundversorgungen diese Vorgaben erfüllen dürften, stellt diese Regelung eine deutliche Vereinfachung dar, ohne dass dies die Versorgungsqualität beeinträchtigt.

Insgesamt ist die Anpassung der strukturellen Voraussetzungen sehr zu begrüßen, vor allem wegen der daraus resultierenden Transparenz der Beurteilungsgrundlagen. Die Reduzierung von zwei ER auf einen und der Wegfall der Trennung in septisch/aseptisch stellt eine wesentliche Erleichterung dar und dürfte auch die Weitergabe älterer Praxen unterstützen.

Es ist aber zu beachten, dass keine Zugeständnisse bei den Vorgaben zur barrierefreien Erreichbarkeit zu erzielen waren.

Sollten im Einzelfall trotz der Einbindung des beratenden Krankenhaushygienikers noch Fragen offenbleiben, so bietet der BDC seinen Mitgliedern Beratung und Unterstützung an. Darüber hinaus ist aber zu berücksichtigen, dass die hygienischen Bedingungen der Einrichtungen für ambulantes Operieren nicht nur von der DGUV, sondern in der Regel auch vom zuständigen Gesundheitsamt und dem Gewerbeaufsichtsamt abgenommen werden müssen.

Literatur

[1]   Prävention postoperativer Wundinfektionen; Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert-Koch-Institut; Bundesgesundheitsbl 2018. 61:448–473
[2]   Kalbe, P.: Reform der D-Arzt-Bedingungen zum 1. Januar 2024 Passion Chirurgie 2023 September; 13(09): Artikel 05_03.

Kalbe, P: Reform der D-Arzt-Bedingungen zum 1.1.2024: Strukturelle Voraussetzungen für Eingriffsräume. Passion Chirurgie. 2024 Januar/Februar; 14(01/02): Artikel 04_07.

Reform der D-Arzt-Versorgung – Was tut sich, und was ist weiter notwendig?

Bericht über eine BDC-Vortragssitzung beim Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) am 26.10.2023 in Berlin

Die Anzahl der tätigen Durchgangsärzte ist sowohl in den Krankenhäusern als auch in den Praxen seit Jahren rückläufig. Der BDC macht sich gemeinsam mit den anderen Berufsverbänden u. a. in der Gemeinsamen BG-Kommission (GBK) für eine stetige Verbesserung der Bedingungen der D-Ärzte stark, um diesen Trend aufzuhalten und die Tätigkeit attraktiv zu gestalten.

Mit der Reform und sachgerechten Anpassung der Voraussetzungen für die D-Arzt-Tätigkeit in den Praxen zum 1.1.2024 ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg erreicht worden. Die wesentlichen strukturellen Erleichterungen (u. a. ist nur noch ein Eingriffsraum vorzuhalten) und die Eingrenzung der D-ärztlichen Verfügbarkeit auf die Kernzeit von 9 bis 16 Uhr wurden im ersten Vortrag vom Leiter der GBK und BDC-Vizepräsidenten Peter Kalbe erläutert. (s. dazu auch die Artikel in Passion Chirurgie 9/2023: Reform der D-Arzt-Bedingungen zum 1. Januar 2024 und in dieser Ausgabe).

Darüber hinaus werden in den ebenfalls überarbeiteten Auslegungshinweisen die Delegationsmöglichkeiten in Gemeinschaftspraxen und MVZ weitgehend an die in den Krankenhäusern angepasst. Darüber hinaus werden auch Regelungen zur Beantragung einer genehmigten Zweigpraxis in unterversorgten Gebieten getroffen, in der durchgangsärztliche Sprechstunden (keine Erstversorgungen oder Eingriffe) durchgeführt werden können.

Die rechtliche Stellung der Durchgangsärzte stand im Fokus des Vortrags von Frau Barbara Berner, die als Syndikusrechtsanwältin der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) für den Bereich Unfallversicherung zuständig ist. Die durchgangsärztliche Tätigkeit wird durch das Sozialgesetzbuch VII und durch konkretisierende Normen im so genannten Ärztevertrag (Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger) zwischen KBV und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) sowie der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) und durch einen Rahmenvertrag der DGUV mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) für den stationären Bereich geregelt. Letztlich trägt der Durchgangsarzt am Krankenhaus die Gesamtverantwortung für alle Untersuchungen und Behandlungen bei gesetzlich unfallversicherten Patientinnen und Patienten. Für die sachgerechte Umsetzung dieser auch hoheitlichen Aufgabe müssen dem Durchgangsarzt am Krankenhaus ausreichende personelle und strukturelle Ressourcen zur Verfügung stehen. Darüber hinaus muss die Weisungsfreiheit in Bezug auf die durchgangsärztliche Tätigkeit nicht nur zugebilligt, sondern auch durch entsprechende Rahmenbedingungen realisiert werden.

Eike Mrosek vertrat als unfallchirurgischer Chefarzt eines großen städtischen Krankenhauses in Offenburg (Südbaden) die Auffassung, dass die jüngsten Verschärfungen der strukturellen Voraussetzungen für das Schwerstverletzungsartenverfahren (SAV) für Kliniken außerhalb des universitären Bereiches und der BG-Unfallkliniken kaum umsetzbar seien. Er stellte ausführlich die Personalsituation an seiner Klinik und die Unzufriedenheit von Oberärzten verschiedener chirurgischer Disziplinen mit den neuen Vorgaben zu Anwesenheitsdiensten statt Rufbereitschaften dar. Darüber hinaus sei die Erlös-Situation aus den SAV-Fällen in Anbetracht dieses Aufwands – insbesondere bei der operativen Behandlung von Komplikationen („11er Ziffern“ des Verletzungsartenverzeichnisses) – desaströs. Er forderte eine sachgerechte Anpassung der SAV-Bedingungen, worauf sich eine ausgiebige Diskussion mit im Auditorium anwesenden Vertretern der DGUV zur Interpretation dieser Bedingungen ergab.

Im letzten Vortrag stellte der Präsident des Bundesverbands der Durchgangsärzte (BDD) Jens-Peter Stahl Forderungen für eine Attraktivitätssteigerung der D-Arzt-Tätigkeit auf. In den Vordergrund rückte er dabei eine vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit zwischen den Unfallversicherungsträgern und den D-Ärzten auf Augenhöhe, die nicht immer gewährleistet sei. Dazu trügen auch Kommunikationsprobleme und eine schlechte Erreichbarkeit auf beiden Seiten bei. Er verwies auf die hoheitliche Tätigkeit der Durchgangsärzte im Auftrag der UV-Träger bei der Erstversorgung und bei den weiteren Entscheidungen über die allgemeine oder besondere Heilbehandlung im Behandlungsverlauf. Er kritisierte scharf, dass trotzdem im Innenverhältnis Regressansprüche der UV-Träger bei Behandlungsfehlern auch bei Delegation gegenüber den leitenden D-Ärzten und demnächst auch den Niedergelassenen geltend gemacht würden. Trotz aller Widrigkeiten stellte er die Tätigkeit als D-Arzt aus fachlicher Sicht als erfüllend und befriedigend dar.

Kalbe P: Reform der D-Arzt-Versorgung – Was tut sich, und was ist weiter notwendig? Passion Chirurgie. 2024 Januar/Februar; 14(01/02): Artikel 05_03.

Reform der D-Arzt-Bedingungen seit 1. Januar 2024

Wie schon in der Passion Chirurgie 10/2021  dargestellt wurde, besteht dringender Bedarf, die Bedingungen zur Teilnahme am Durchgangsarztverfahren insbesondere für die niedergelassenen D-Ärzte zu modifizieren. Auch durch das Engagement des BDC ist es in mehrjährigen Gesprächen mit der DGUV gelungen, wesentliche Verbesserungen und Erleichterungen zu erreichen. Diese sind in der D-Ärzteschaft weitgehend konsentiert, stehen allerdings seitens der DGUV noch unter dem Vorbehalt, dass alle Gremien und der Vorstand zustimmen. Damit ist aber zu rechnen, sodass die in der Folge erläuterten wesentlichen Verbesserungen zum 1.1.2024 in Kraft treten dürften. Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf die jetzt gültigen D-Arzt-Anforderungen von 2011.

QR-Code: D-Arzt-Anforderungen aus 2011

Neu: D-ärztliche Verfügbarkeit

Die wichtigste Änderung betrifft die Verminderung der zeitlichen Belastung (5.3) von zehn Stunden täglich auf die Kernzeit 9:00 bis 16:00 Uhr, bei Modifikation der bisherigen Vertretungsregelung (nur noch ein Tag). Eingeführt wird damit die „D-ärztliche Verfügbarkeit“. Das bedeutet eine wesentliche Erleichterung auch für die Dienstplanung der MFA und eine weitgehende Anpassung an die Sprechstundenverpflichtung (25 Stunden) für die Kassenpatienten.

Neu: Erleichterter Zugang zum ambulanten D-Arzt-Verfahren

Nach wie vor sind Zulassungsvoraussetzung die Facharztanerkennung als Orthopäde und Unfallchirurg (2.2.) plus zwölf Monate weitere Tätigkeiten an einem SAV- oder VAV-Krankenhaus.
Abweichend von der bisherigen Regelung können davon sechs Monate auch an einem DAV-Krankenhaus oder sogar in einer D-Arzt-Praxis abgeleistet werden. Das dürfte die Übergabe von DArzt-
Praxen an Nachfolger erleichtern. Für die D-Arzt-Tätigkeit an einem Krankenhaus und für ein uneingeschränktes Operationsspektrum bleibt nach wie vor die Zusatzweiterbildung „Spezielle Unfallchirurgie“ unverzichtbar. Künftig wird die Ableistung der Pflichtfortbildungen auch in Teilzeit (unter Verlängerung der jeweiligen Dauer) möglich sein.

Neu: Anpassung der strukturellen Voraussetzungen in den D-Arzt-Praxen

Durch verminderte strukturelle Vorgaben wird ein großes Hindernis für Niederlassungen und Praxisübergaben im Bestand beseitigt. Sofern im gleichen Gebäude ein gesonderter Bereich für
Operationen genutzt werden kann, ist nunmehr ein einziger Eingriffsraum der Kategorie „B“ ausreichend. Wenn aber unbeschränkt in der D-Arzt-Praxis ambulante Operationen durchgeführt werden sollen, muss dort mindestens ein vollwertiger Operationsraum (Kategorie „A“) vorgehalten werden. Die Umstellung auf die jeweils aktuellen KRINKOEmpfehlungen zur Hygiene beim ambulanten Operieren (4.1) ist ebenso zu begrüßen wie die genaue Beschreibung der strukturellen Vorgaben und die Reduzierung auf einen Eingriffsraum. (Details siehe neue Vorgaben der DGUV).

QR-Code: Entwurf der ab 1.1.2024 gültigen Vorgaben der DGUV

Entwurf der ab 1.1.2024 gültigen Vorgaben der DGUV.

Neu: Sonographie Pflicht, Übergangsfrist für jetzt zugelassene D-Ärzte

Aufgenommen wurde die Verpflichtung, dass seit 1. Januar 2024 auch ein Sonografiegerät in der D-Arzt-Praxis vorzuhalten ist (4.3). Für bereits zugelassene D-Ärzte gilt dies mit einer Übergangsfrist von fünf Jahren, Umsetzung also bis spätestens zum 31. Dezember 2028. Das spiegelt die zunehmende Bedeutung der Ultraschalldiagnostik wider und entspricht
dem Inhalt der Weiterbildungsordnung zum Facharzt für O und U.

Neu: Anpassung Fortbildungspflicht

Alternativ zur Pflichtfortbildung „Gutachten“ kann nunmehr eine Fortbildung zu „versicherungsrechtlichen Aspekten des SGB VII“ absolviert werden. Das kommt solchen D-Ärzten entgegen, die
keine Gutachtenaufträge erhalten, bisher aber dennoch die aufwendige Gutachtenfortbildung alle fünf Jahre vorlegen mussten. Ansonsten bleibt die Fortbildungsverpflichtung unverändert (5.12).

Formale und redaktionelle Anpassungen

Die Aufbewahrungsfrist für Unterlagen beträgt nun zehn Jahre (statt 15 Jahre) wie in der Berufsordnung festgelegt (5.6). Die Altersbegrenzung der D-Ärzte auf 68 Jahre entfällt (6.3.1). Bedeutsam
ist auch die Streichung der Mindestfallzahl von 250 D-Fällen im Jahresdurchschnitt (6.5). Alternativ bei Vorhaltung einer Sterilisationseinheit kann jetzt auch auf externe Aufbereitung oder Einweginstrumente verwiesen werden (4.3).

Überarbeitung der Auslegungsgrundsätze der DGUV

In den Auslegungsgrundsätzen der DGUV finden sich wichtige Detailregelungen, etwa zur D-ärztlichen Vertretung. Seitens BDC hatten wir darüber hinaus großen Wert darauf gelegt, die
Delegationsmöglichkeiten von Teilen der D-Arzt-Tätigkeit auch für die niedergelassenen D-Ärzte anzupassen. Das ist gerade für die wachsende Anzahl größerer Gemeinschaftspraxen und MVZ von Bedeutung. Hierdurch soll möglich sein, analog zum Krankenhaus zum Beispiel die Anamneseerhebung, Untersuchung und Erstversorgung im Sinne der Aufklärung, Beratung und Medikamentenverordnung an fachlich geeignete Ärzte, auch in der Weiterbildung zum O und U, zu delegieren. Abweichend von der Regelung für Krankenhäuser muss jedoch während der D-ärztlichen Verfügbarkeit (s. o.) verpflichtend stets mindestens ein D-Arzt persönlich in der Praxis anwesend sein und für folgende nicht delegierbare Tätigkeiten zur Verfügung stehen:
Festlegung definitiver Diagnose, Entscheidung über allgemeine oder besondere Heilbehandlung, Durchführung der besonderen Heilbehandlung und von invasiven Therapien, Verordnung von
Heil- und Hilfsmitteln. Die Vertretungsregelungen wurden angepasst.

Fazit

Die Gespräche mit den Vertretern der DGUV waren ausgesprochen konstruktiv und haben nach Einschätzung des BDC-Vorstands zu deutlichen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen der D-Ärzte unter Sicherung anhaltend hoher Qualität geführt. Die entscheidenden Forderungen im gemeinsamen Eckpunktepapier von BDC, BVOU und BDD aus dem Jahr 2020 konnten umgesetzt werden. Für die nächsten Jahre streben wir die Vernetzung der D-ärztlichen Versorgungsstrukturen und Verbesserungen für die D-Ärzte an Krankenhäusern an. Darüber hinaus setzt sich Ihr Berufsverband auch kontinuierlich für eine bessere Vergütung nach der UV-GOÄ ein. Hierzu ist über die lineare Gebührenanhebung um 5 % seit 1. Juli 2023 hinaus schon bald mit substanziellen Aufwertungen einzelner Leistungsbereiche zu rechnen. Insgesamt dürfte somit die Tätigkeit als niedergelassener D-Arzt auch in der Zukunft attraktiv bleiben.

Kalbe P: Reform der D-Arzt-
Bedingungen zum 1.1.2024. Passion Chirurgie 9 III 2023, teilweise aktualisiert und angepasst an den Stand Januar 2024

Artzpraxis Tipp: Manuelle Aufbereitung und Sterilisation von Instrumenten – in welchem Umfang möglich?

Frage:

Ein Chirurg ist Inhaber einer Praxis für Orthopädie und Unfallchirurgie in Berlin und betreibt einen eigenen kleinen OP. Bisher arbeitet er die Instrumente manuell auf und sterilisiert sie anschließend (keine Hohlinstrumente). Nun hat er von Kollegen gehört, dass das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin (Lageso) auf einer maschinellen Aufarbeitung besteht. Stimmt diese Aussage? 

Antwort:

Tatsächlich sind die Anforderungen an die Aufbereitung von Medizinprodukten (in unserer Umgangssprache Desinfektion und Sterilisation von Instrumenten) immer weiter angestiegen. Grundlage sind die Richtlinien der KRINKO des RKI, die durch Bezug auf das Infektionsschutzgesetz verpflichtend umzusetzen sind.

Die Frage, ob der Chirurg in seiner Praxis manuell reinigen und desinfizieren kann und darf oder ob ein „RDG“ (Reinigungs- und Desinfektionsgerät = medizinische Spülmaschine) einzusetzen ist, ist ein bisschen „Verhandlungssache“ mit dem zuständigen Prüfer. Das chirurgische Grundinstrumentarium (Pinzette, Schere, Nadelhalter) wird in der Regel als „Kritisch A“ eingestuft. Dafür sieht die Richtlinie eine „bevorzugt maschinelle“ Reinigung und Desinfektion vor. Das bedeutet, dass er grundsätzlich auch manuell aufbereiten kann, wenn dieser Prozess genau definiert und validiert ist und der Prüfer dies überzeugend findet. Nach unserer Beratungserfahrung wird das manuelle Verfahren in den letzten Jahren tatsächlich zunehmend von den Prüforganen abgelehnt und ein RDG gefordert. Darüber hinaus wird gelegentlich die Diskussion eröffnet, ob ein Nadelhalter wegen des verdeckten Gelenks nicht eventuell der Gruppe „Kritisch B“ zuzuordnen sei, für die ohnehin die RDG-Aufbereitung verpflichtend ist. Näheres dazu HIER.

Die klingt alles bürokratisch und lästig. Viele niedergelassen Kollegen und Kolleginnen nutzen daher schon Alternativen zur Aufbereitung in der eigenen Praxis, etwa Einweg-Instrumente, oder lagern die Aufbereitung aus. Manchmal kann man dazu mit einem benachbarten Krankenhaus eine Vereinbarung schließen.

Zur regionalen Umsetzung in den Ländern raten wir immer, Kontakt mit unseren Regional-Vertretern des BDC aufzunehmen. In Berlin ist dies beispielsweise Herr Dr. Max Freiherr von Seebach

Kalbe, P: Manuelle Aufbereitung und Sterilisation von Instrumenten – in welchem Umfang möglich? Passion Chirurgie. 2023 November; 13(11): Artikel 04_04.

Artzpraxis Tipp: D-Arzt – Warum lehnt die BGHM die Übernahme meiner Rechnung ab?

Frage:

Ein niedergelassener Chirurg und Durchgangsarzt ist in eigener Praxis tätig. Eine Zulassung der KV zur Durchführung von ambulanten Operationen einschließlich arthroskopischen Eingriffen in den OP-Räumen seiner Praxis liegt vor.

Der Chirurg hatte zulasten der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) eine arthroskopische Innenmeniskusteilresektion an einem Patienten durchgeführt. Wie üblich hatte er in der Rechnung an die BG die Ziffern 2189/445 und 2190/ 445 UV-GOÄ zum Ansatz gebracht. Die BGHM will die Rechnung nicht erstatten, da er als D-Arzt ohne Schwerpunktbezeichnung „Unfallchirurgie“ beziehungsweise „Spezielle Unfallchirurgie“ laut BG diese Ziffern nur nach vorheriger Genehmigung durch sie erbringen dürfe. Die BG bezieht sich auf § 51 Abs. 3 Ärztevertrag. In ähnlichen Fällen hatten die Berufsgenossenschaften anstandslos die Rechnungen mit den üblichen Kürzungen beglichen. Wie kam es zu der Entscheidung der BGHM?

 

Antwort:

Zur Beurteilung, ob das Vorgehen der BG gerechtfertigt ist, muss zunächst geklärt werden, wann der niedergelassene Chirurg als Durchgangsarzt zugelassen (bestellt) wurde. Sofern er bis zum 31. Dezember 2010 zugelassen wurde, genießt er Bestandsschutz und kann ohne besondere Genehmigung alle ambulanten Operationen durchführen und abrechnen. Dann wäre die Rechnung von der BGHM zu begleichen.

Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2011 gilt folgende Neuregelung: Als Durchgangsarzt zugelassene Fachärzte für Chirurgie oder Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie dürfen als so genannte „Basis-D-Ärzte“ nur die im Gebührenverzeichnis der UV-GOÄ unter den Zusatzziffern für ambulante Operationen mit einem * gekennzeichneten Eingriffe erbringen und abrechnen, es sei denn, sie verfügen über die Schwerpunktbezeichnung „Unfallchirurgie“ oder die Zusatz-Weiterbildung „Spezielle Unfallchirurgie“. Diese Regelung findet sich etwas versteckt im Gebührenverzeichnis UV-GOÄ in den Allgemeinen Bestimmungen zum Kapitel VIII „Zuschläge zu ambulanten Operations- und Anästhesieleistungen“ unter 1.5.

Dort heißt es wörtlich: Durchgangsärzte ohne Schwerpunktbezeichnung „Unfallchirurgie“ bzw. Zusatzbezeichnung „Spezielle Unfallchirurgie“ dürfen nur solche ambulanten Operationen durchführen und abrechnen, die in den Gebühren-Nrn. 442 bis 445 mit einem „*“ gekennzeichnet sind, andere nur mit vorheriger Genehmigung durch den Unfallversicherungsträger.

Im Einzelfall muss also die Genehmigung zur Durchführung ambulanter Operationen, die dort nicht mit einem * versehen sind, vom zuständigen Leistungsträger eingeholt werden. Offenbar verzichten einzelne Berufsgenossenschaften darauf, sodass der Arzt diese Leistungen des Öfteren bezahlt bekommen hat. Daraus kann aber keine rechtliche Verpflichtung abgeleitet werden, dass dies regelhaft so gehandhabt wird. Sofern der Chirurg also nicht über die genannten Zusatzbezeichnungen oder einen Bestandsschutz verfügt, wäre die Beanstandung der BGHM somit formal berechtigt. Wir würden dann empfehlen, persönlich/telefonisch mit der Sachbearbeitung Kontakt aufzunehmen und eine kulante Regelung zu suchen, zumal die Leistung von ihm ja erbracht wurde. Für die Zukunft können wir nur raten, die Einschränkung auf das relativ begrenzte Operationsspektrum als „Basis-D-Arzt“ zu beachten.

Abschließende Anmerkung: Im konkreten Fall war der Chirurg zwar seit 2006 für die BG tätig, jedoch zunächst mit einer H-Arzt-Zulassung, die dann 2014 mit der Übergangsregelung in eine D-Arzt-Zulassung umgewandelt wurde. Insofern ist die Position der BGHM formal gerechtfertigt.

Kalbe, P: D-Arzt: Warum lehnt die BGHM die Übernahme meiner Rechnung ab? Passion Chirurgie. 2023 Oktober; 13(10): Artikel 04_04.

DALE-UV – Einbahnstraße der digitalen Kommunikation

Alle Durchgangsärztinnen und -ärzte kennen das DALE-UV-Verfahren. Seit 2007 ist der digitale Versand von D-Arzt- und Verlaufsberichten, Ergänzungs- und Abschlussberichten (F2222) sowie der Gebühren-Rechnungen eine der Bedingungen für die Teilnahme am Durchgangsarzt-Verfahren (Unterpunkt 5.5. der D-Arzt-Bedingungen).

Zum 1.1.2023 wurde der Versand der BG-Dokumente auf den nunmehr datenschutzrechtlich verbindlichen Weg über KIM in der Telematik-Infrastruktur (TI) umgestellt. Dem Vernehmen nach haben die meisten Software-Hersteller dies nunmehr bewerkstelligt, sodass das an sich etablierte Verfahren wieder leidlich flüssig laufen sollte. Mit 1.716.291 gesendeten DALE-UV-Nachrichten bis zum Februar 2023 wird dies auf der Internetseite der Gematik stolz als weiterer Erfolg der TI dargestellt. Damit kann die Telematik-Infrastruktur neben der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (e-AU) wenigstens ein weiteres weit verbreitetes und leidlich fehlerfrei laufendes Verfahren vorweisen.

Unabhängig von diesen technischen Details wird vom BDC jedoch seit Jahren gefordert, das DALE-UV-Verfahren auf eine echte elektronische Kommunikation zwischen den D-Ärzten und den Verwaltungen der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen zu erweitern. Es ist vollkommen anachronistisch, dass zwar die D-Ärzte ihre Berichte digital versenden, die gesamte eingehende Kommunikation jedoch per Briefpost erfolgt. Das mag bei einfachen BG-Anfragen noch überschaubar sein, wird aber z. B. bei Gutachtenaufträgen vollkommen absurd. Da werden offenbar in den BG-Verwaltungen Hunderte von Papierausdrucken aus der digitalen Fallakte angefertigt und mit dem Gutachtenauftrag per Paket verschickt.

Es ist bekannt, dass manche Kolleginnen und Kollegen den Umgang und die Haptik einer Papierakte durchaus schätzen, weil man in diesen Ausdrucken mit „Post-it-Zetteln“ und farbigen Markern arbeiten oder auch wichtige Seiten „knicken“ kann. Aber hallo, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das ist wirklich Old School. Eine ordentlich strukturierte digitale Fallakte ist in dieser Hinsicht durch eine Stichwort-Suchfunktion und digitale Markierungen mindestens genauso komfortabel oder nach einer Eingewöhnungsphase sogar besser zu handhaben.

Eine direkte Kommunikation zwischen den D-Arzt-Praxen und der BG bzw. Unfallkasse über die TI und KIM hätte darüber hinaus weitere Vorteile: Direkte Anfragen bei den Sachbearbeitern wären auch auf diesem Weg möglich und würden es den D-Ärzten die oft frustrierenden und erfolglosen Versuche ersparen, eine mit dem Fall betraute und zuständige Person telefonisch zu erreichen.

Es ist also dringend eine strukturelle und technische Überarbeitung des DALE-UV-Verfahrens erforderlich. Bisher ist der Adressat sämtlicher per KIM übersandter Berichte die Datenannahme- und Verteilstelle (DAV) in St. Augustin. Es ist zu hoffen, dass inzwischen der weitere Versand der digital per DALE-UV übermittelten Dokumente an die einzelnen UV-Träger und die Krankenkassen nicht mehr – wie in der Einführungszeit – per Briefpost erfolgt, sondern durchgängig digital. Die technischen Voraussetzungen von digitalen Annahmestellen dürften also vorhanden sein. Die gesetzlichen Krankenkassen haben es ja auch geschafft, für die e-AU Datenannahmestellen einzurichten, die recht zuverlässig funktionieren. Dies muss doch auch für die Berufsgenossenschaften möglich sein. Dann wäre eine direkte Kommunikation zwischen den berufsgenossenschaftlichen Leistungserbringern und den zuständigen Kostenträgern auch ohne Zwischenschaltung der DAV in St. Augustin möglich.

Es soll hier nicht unerwähnt bleiben, dass Gleiches natürlich auch von den Kostenträgern der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung zu fordern ist. Auch hier läuft die (deutlich sparsamere) schriftliche Kommunikation meist noch komplett analog. Im Vergleich zur DGUV gibt es aber bei diesen keine Verpflichtung der Ärzte zum digitalen Versand von Berichten.

Zusammenfassend bietet die Umstellung auf eine sichere digitale Kommunikation im Intranet der TI via KIM nicht nur die Chance einer Beschleunigung und Erleichterung des Informationsaustauschs, sondern würde auch helfen, eines der Kernziele des BDC zu unterstützen, nämlich die Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen voranzutreiben. Wie viele Seiten unnötiger Ausdrucke mit Verbrauch von Papier, Toner und Energie wären dadurch einzusparen! Wenn wir schon alle dazu gezwungen waren, uns der ungeliebten Telematik-Infrastruktur anzuschließen, sollten wir doch wenigstens anstreben, das damit zusammenhängende Potenzial einer effizienten und ressourcenschonenden Kommunikation zu nutzen.

Kalbe P: DALE-UV – Einbahnstraße der digitalen Kommunikation. Passion Chirurgie. 2023 September; 13(09): Artikel 03_02.

Editorial: Tätigkeit als Durchgangsarzt – Ritterschlag für den Unfallchirurgen oder lästiges Übel?

Zur Ausgabe 09/QIII: D-Arzt-Versorgung

Zum Zeitpunkt meiner Niederlassung als Unfallchirurg im Jahr 1989 war es undenkbar, auf den Antrag auf Zulassung (Bestellung) zum Durchgangsarzt zu verzichten. Die Versorgung und Betreuung von Verletzten aus Arbeits- und Schulunfällen spiegelt einen wesentlichen Teil der unfallchirurgischen Kernkompetenzen wider. Die Zulassung als D-Arzt habe ich damals sozusagen als Ritterschlag für den Unfallchirurgen empfunden. Und so empfehlen wir als Berufsverband auch heute noch allen Kolleginnen und Kollegen, während der Weiterbildung zum Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie die Voraussetzungen für die D-Arzt-Zulassung im Auge zu behalten.

Allerdings hat die Tätigkeit für die gesetzliche Unfallversicherung in den letzten Jahren offenbar an Attraktivität verloren. Dies zeigt die seit Jahren rückläufige Anzahl der D-Ärzte in den Krankenhäusern und Praxen. So ist zu beobachten, dass niedergelassene Chirurgen ihre D-Arzt-Tätigkeit aufgeben oder gar nicht erst beantragen. Als Begründung wird u. a. ein unzureichendes Honorar für die BG-Grundversorgung in Anbetracht der geforderten ausführlichen Dokumentation und Bürokratie angeführt. Aber auch der Erlös für bestimmte ambulante Operationen ist unzureichend. Darüber hinaus wird die tägliche Anwesenheitspflicht von 8 bis 18 Uhr kritisiert, dies vor allem im Vergleich zu 25 Pflicht-Sprechstunden in Bereich der Krankenkassen.

Seit Anfang 2020 hat sich daher der BDC gemeinsam mit den anderen für die D-Ärzte tätigen Berufsverbänden intensiv für eine grundlegende Überarbeitung der zugrundeliegenden D-Arzt-Bedingungen engagiert. In zahlreichen Gesprächen mit der DGUV konnten wesentliche Verbesserungen für die jetzt und zukünftig tätigen Kolleginnen und Kollegen erreicht werden. Ein besonderes Highlight erscheint mir dabei die Reduzierung auf eine durchgangsärztliche Verfügbarkeit von 9 bis 16 Uhr unter Erhalt der bisherigen Vertretungsmöglichkeiten. Auch bezüglich der partiellen Delegierbarkeit von D-ärztlichen Tätigkeiten in größeren Praxen sind Fortschritte in Sicht, die in den Auslegungsgrundsätzen weitgehend den Regelungen im Klinikbereich angenähert werden sollen. Somit wurden in einem mehrjährigen partnerschaftlichen Diskurs wesentliche strukturelle Verbesserungen des ambulanten D-Arzt-Verfahrens erreicht, die hoffentlich die Akzeptanz und Attraktivität dieser Tätigkeit fördern werden.

Aber auch die D-Ärzte in den Krankenhäusern beklagen zunehmend die erschwerte Umsetzung durchgangsärztlicher Pflichten im Kontext der Klinik-Organisation. Der D-Arzt am Krankenhaus trägt zwar die Gesamtverantwortung für alle Leistungen an BG-Patienten, hat aber teilweise nur begrenzte Einflussmöglichkeiten. Der BDC wird sich daher gemeinsam mit dem BDD und dem BVOU dafür einsetzen, die rechtliche und vertragliche Stellung der Durchgangsärzte in den Kliniken prospektiv zu verbessern. Zu all diesen Themen laden wir Sie zu einer BDC-Vortragssitzung beim diesjährigen Kongress Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) in Berlin ein: Donnerstag, 26.10.2023 von 17.30 bis 18.30 Uhr, Raum New York 2.

Unabhängig von den strukturellen Änderungen ist es auch notwendig, die Gebührenordnung für die Abrechnung mit den Berufsgenossenschaften (UV-GOÄ) zu modernisieren und anzupassen. Dabei sind wir – in Anlehnung an den ärztlich konsentierten Entwurf der Reform-GOÄ – schon auf einem guten Weg, wie Frau Berner von der KBV in ihrem Artikel erläutert. Sie können sich darauf verlassen, dass der BDC sich in allen dort erwähnten Kommissionen und Gremien für die D-Ärzte engagiert.

Nach meiner Einschätzung stellt das D-Arzt-System als einzigartiger bundesweiter „Selektivvertrag“ auf der Basis des SGB VII für Unfallchirurgen einen wahren Schatz dar und verdient es, konstruktiv weiterentwickelt zu werden. Damit in der Zukunft wieder mehr Unfallchirurginnen und Unfallchirurgen die Beteiligung am Durchgangsarztverfahren als Privileg und nicht als Belastung empfinden.

Kalbe P: Tätigkeit als Durchgangsarzt – Ritterschlag für den Unfallchirurgen oder lästiges Übel? Passion Chirurgie. 2023 September; 13(09): Artikel 01.