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Neues im EBM ab 2023

Kurz vor Jahresende 2022 gab es mehrere Änderungen im EBM, die vor allem das ambulante Operieren betreffen. Die Absenkung der Bewertungen für die Operationen der Kategorien 1 und 2 hat für berechtigten Unmut bei den Kolleginnen und Kollegen geführt. Es sind aber andererseits für bestimmte höherwertige Eingriffe deutliche Honorarsteigerungen zu verzeichnen. Zurzeit führt die KBV sowohl zweiseitige Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband (GKV), als auch dreiseitige Verhandlungen mit zusätzlicher Einbeziehung der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Der Hintergrund ist die Umsetzung von gesetzlichen Vorgaben und von Beschlüssen zur EBM-Reform aus 2012.

Im folgenden Beitrag erläutern wir die recht komplexen und weitreichenden Änderungen und geben praktische Hinweise zu den daraus resultierenden Konsequenzen.

Neubewertung der ambulanten Operation

Der Bewertungsausschuss hat die Leistungen des ambulanten und belegärztlichen Operierens neu kalkuliert und zum 1. Januar 2023 angepasst. Aus der Wirtschaft kennen wir den euphemisierenden Begriff der „Anpassung“ als positive Verpackung schlechter Nachrichten, und das trifft leider teilweise auch hier zu. Es konnte nämlich nicht vermieden werden, dass die Bewertung von zahlreichen in den chirurgischen Praxen durchgeführten Eingriffen der Kategorien 1 und 2 leicht abgewertet wurden. Die Tabelle 1 zeigt die konkreten Auswirkungen auf häufig durchgeführte ambulante Operation. Die Abwertungen liegen im einstelligen Prozentbereich und werden zumindest für die häufig durchgeführten Exzisionen in der Oberflächenchirurgie (GOP 31101 und 31102) durch die Punktwertsteigerung im Jahr 2023 wieder ausgeglichen. Für die arthroskopische Meniskusteilresektion resultiert durch die zusätzliche Förderung sogar ein Plus von 16,4 %.

Tab. 1: Änderungen in der Bewertung häufig durchgeführter ambulanter Operationen.

ops

Operation

GO.-Nr.

Punkte bis 2022

Punkte ab 2023

Differenz

Bewertung bis 2022

Bewertung ab 2023

Differenz

5-895.ff

Exzision mit primärem Wundverschluss

31101

881

865

-1,82 %

99,26 €

99,40 €

0,14 %

dto. Histographisch

31102

1438

1413

-1,74 %

162,01 €

162,37 €

0,22 %

5-056.40

KTS

31242

1478

1424

-3,65 %

166,51 €

163,64 €

-1,72 %

5-385.70

Crossektomie

31204

3001

3057

1,87 %

338,10 €

351,30 €

3,90 %

5-849.0

Ganglion Entfernung Hand

31122

1542

1480

-4,02 %

173,72 €

170,07 €

-2,10 %

5-385.96

Exhairese Seitenastvarize

31201

1243

1135

-8,69 %

140,04 €

130,43 €

-6,86 %

5-812.5

ASK Meniskusteilresektion*

31142

2238

2193

-2,01 %

252,14 €

252,01 €

-0,05 %

5-640.3

Frenulum- und Präputialplastik

31102

1438

1413

-1,74 %

162,01 €

162,37 €

0,22 %

5-493.22

Hämorrhoiden, z. B. Mill Morgan 3 Segmente*

31173

2196

2191

-0,23 %

247,41 €

251,78 €

1,77 %

5-492.00

Exzision Analkanal Lokal

31171

1229

1118

-9,03 %

138,46 €

128,47 €

-7,22 %

5-780.6w

Inzision Knochen Phalangen Fuß

31132

1947

1774

-8,89 %

219,35 €

203,86 €

-7,06 %

5-840.81

Tenolyse Beugesehnen Finger

31122

1542

1480

-4,02 %

173,72 €

170,07 €

-2,10 %

5-849.5

Radikale Exzision Hand, z. B. TU

31122

1542

1480

-4,02 %

173,72 €

170,07 €

-2,10 %

* Die arthroskopische Meniskusteilresektion und die Hämorhoiden-OPs finden sich bei den zusätzlich geförderten Eingriffen mit dem Zuschlag nach der GON 31453 mit 360 Punkten = 41,37 €.

Es darf vor allem nicht übersehen werden, dass mit dieser Maßnahme endlich die restriktive Vorgabe der Punktsummenneutralität in der EBM-Reform vom Tisch ist. Ein entsprechender Beschluss des Bewertungsausschusses aus dem Jahr 2012 zur „EBM-Reform“ ist damit endlich auch im letzten Teil abgeschlossen. Die Beschränkung der vor mehr als zehn Jahren vereinbarten EBM-Weiterentwicklung auf Änderungen, die insgesamt nichts kosten dürfen, hatte in den letzten Jahren alle Bemühungen um sinnvolle Anhebungen der Bewertungen massiv behindert. Wenn man bedenkt, dass die Krankenkassen dazu mit Maximalforderungen für eine Verminderung der Kalkulationszeiten beim Operieren um 50 % in die Verhandlungen gegangen sind, erscheint das jetzt erreichte Ergebnis tolerabel, zumal im Beschluss des EBA grundsätzlich eine Weiterentwicklung mit Erhöhung der Bewertungen der AOP, z. B. durch die gestiegenen Hygienekosten, vereinbart wurde.

Sie werden sich zu Recht fragen, wo denn eigentlich die ausgelobten 60 Mio. € zur Förderung der Ambulantisierung geblieben sind. Dazu wurde im EBM ein weiteres Unterkapitel unter 31.02.20 eingefügt. Dort finden sich die GO.-Positionen (GOP) 31451 (223 Punkte) bis 31457 (1.923 Punkte). Damit werden Eingriffe finanziell gefördert, für die ein besonderes Potenzial zur Verlagerung von stationär nach ambulant gesehen wird. Auf die Auswahl der dort geförderten ops-Codes hatten die Berufsverbände keinen Einfluss.

Dies hat teilweise deutliche Honorarsteigerungen zur Folge, die in der Tabelle 2 dargestellt werden. Davon profitieren z. B. die Operation von Hernien, Pilonidalsinus, Portimplantationen und auch zahlreiche arthroskopische Eingriffe einschließlich der häufig durchgeführten Meniskusteilresektion.

Tab. 2: Aufwertung häufiger ambulanter Operationen durch das EBM-Kapitel 31.2.20 ab Januar 2023

OPS

Operation

GOP

Pt 2022

Pt 2023

Zuschlag

Pt Zuschlag

Erlös Zuschlag

Erlös Gesamt

Differenz

5-399.5

Port-Implantation

31212

2.028

1.845

31453

360

41,37 €

253,39 €

10,90%

5-812.5

ASK Meniskusteilresektion

31142

2.238

2.193

31453

360

41,37 €

293,38 €

16,36%

5-814.3

ASK subacromiale Dekompression

31145

5.407

5.434

31457

1.923

220,98 €

845,43 €

38,79%

5-897.0

Sinus pilonidalis Resektion

31174

2.818

2.859

31455

961

110,43 €

438,98 €

38,27%

5-788.56

Hallux valgus Akin-Osteotomie

31132

1.947

1.774

31454

810

93,08 €

296,94 €

35,37%

5-847.30

Epping o. ä. bei Rhizarthrose

31134

3.561

3.501

31456

1.323

152,03 €

554,35 €

38,18%

5-530.00

Shouldice Leistenhernie

31153

2.223

2.257

31454

810

93,08 €

352,44 €

40,73%

Eine tabellarische Übersicht über die geförderten Eingriffe (ohne Gewähr) findet sich als pdf-Datei (nach Text durchsuchbar) auf der Homepage des BDC. Es empfiehlt sich, dort oder im Anhang 2 des EBM nachzuschauen, ob die selbst durchgeführten Operationen den geförderten ops-Codes entsprechen und somit die GO.-Nr. der Förderung der Abrechnungskette hinzugefügt werden kann.

Den jeweils aktuellen EBM finden Sie auf der Homepage der KBV. Im Anhang 2 sind ebenfalls alle Eingriffe einschließlich Bewertungen und ggfs. Förderung aufgeführt.

Weitere OPS-Codes im Anhang 2 des EBM

Der Anhang 2 des EBM wurde darüber hinaus um Operationen erweitert, die jetzt ambulant erbracht und abgerechnet werden können und sollen. 196 OPS-Verfahren wurden zum 01. Januar neu aufgenommen – allesamt Eingriffe, die bislang ausschließlich stationär möglich waren. Dies umfasst einige weniger häufig erbrachte Eingriffe aus der Neuro- und Herzchirurgie, Augenchirurgie und Proktologie. Auch hier empfiehlt sich ein Blick auf die Details, insbesondere, weil einzelne bisher als IGeL abgerechnete Positionen jetzt im EBM abgebildet sein könnten, was nicht jeden erfreuen dürfte.

Längere postoperative Nachbeobachtung

Neu im EBM ist die GOP 31530. Diese kann zeitlich getaktet je vollendete 30 Minuten mit 77 Punkten angesetzt werden, wenn aus medizinischen Gründen eine verlängerte Nachbeobachtung nach einer ambulanten Operation erforderlich ist. Dies allerdings erst, wenn die ohnehin schon im Kapitel 31.3. bei den postoperativen Überwachungskomplexen angesetzte Zeit überschritten wird. Darüber hinaus bestehen erhebliche Einschränkungen für die Patientengruppen, für die dies angesetzt werden kann: Somit gilt dies zunächst nur bei Kindern bis 12 Jahren und Menschen ab 70 mit geriatrischen Versorgungsbedarf und Frailty-Syndrom oder Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen wie Demenz oder Parkinson. Bei den Eingriffen ab einer eineinhalbstündigen Operationszeit (Zeitkategorie 5) kann die verlängerte Nachbeobachtung unabhängig von den o.g. Kriterien mit medizinischer Begründung erfolgen. Eine Ausweitung auf einen weiteren Personenkreis ist geplant. Ebenso soll eine noch umfassendere postoperative Nachbetreuung ermöglicht werden. Details dazu finden sich auf der Homepage der KBV.

Somit ist jetzt in Einzelfällen eine postoperative Beobachtung bis zu 16 Stunden möglich, so dass auch die bisherige Beschränkung auf die Leistungserbringung innerhalb eines Tages überwunden wird. Dies ist ein bedeutsamer struktureller Fortschritt und soll im Rahmen der weiteren Verhandlungen erweitert werden.

Differenzierung des Schweregrads: Zuschläge für Rezidiv-Operationen

Mit der verbesserten Bewertung von Rezidiv-Eingriffen gelingt ein erster Einstieg in den gesetzlichen Auftrag, eine Differenzierung nach Schweregraden zu entwickeln. Vertrags- und Klinikärzte können ab Januar 2023 Re-Operationen kennzeichnen und einen Zuschlag für einen erhöhten Zeitaufwand abrechnen. Möglich ist dies bei allen OPS-Kodes aus dem Abschnitt 1 des AOP-Katalogs nach § 115b SGBV, sofern ein OPS-Kode nicht spezifisch eine Reoperation beziehungsweise einen Rezidiv-Eingriff bereits beinhaltet. Analog zur Systematik der Simultaneingriffe ist die Abrechnung dieses Zuschlags allerdings nur dann möglich, wenn die in der entsprechenden Kategorie kalkulierte Operationszeit um mindestens 15 Minuten überschritten wird. Zur Berechnung finden sich Beispiele auf der Homepage der KBV.

Erweiterung des AOP-Katalogs nach § 115b SGB V zum 01. Januar 2023

208 OPS-Kodes wurden neu in den AOP-Katalog aufgenommen. Der Großteil dieser Leistungen wird von Vertragsärzten schon ambulant durchgeführt. 119 der 208 OPS-Kodes sind bereits im Anhang 2 des EBM enthalten, weitere 35, überwiegend Eingriffe der Rhythmuschirurgie, ab 01.01.2023. Diese Änderung dürfte somit Auswirkungen vor allem für die Krankenhäuser haben.

Fazit

Insgesamt zeigen diese Entwicklungen eine erhebliche Dynamik bei der Bewertung ambulanter Prozeduren, die auch durch die politischen Vorgaben der vermehrten Ambulantisierung getrieben sind. Auch wenn die aktuelle Abwertung der kürzeren Operationen ärgerlich ist, so sind doch wichtige strukturelle Fortschritte erreicht worden. KBV und GKV-Spitzenverband haben sich darüber hinaus in Protokollnotizen auf weitere Maßnahmen zur Förderung des ambulanten Operierens geeinigt, die teilweise schon 2023 umgesetzt werden sollen, nämlich:

  • Kostenausgleich für hohen Hygieneaufwand
  • Neukalkulation von Leistungen ambulanter Operationszentren
  • Weiterer Ausbau der postoperativen Nachbeobachtung

Der BDC arbeitet u.a. im Workshop „Ambulantes Operieren“ der KBV aktiv mit. Zurzeit ist allerdings noch völlig unklar, wie sich die hier aufgeführten EBM-Änderungen mit den Planungen zur Einführung so genannter „Hybrid-DRGs“ gemäß dem neuen § 115 f des SGB V koordinieren lassen. Der BDC wird die weitere Entwicklung konstruktiv und kritisch begleiten.

BDC|Akademie

Seminar für Unfallbegutachtung, Rehamanagement und Kindertraumatologie

An zwei aufeinander folgenden Tagen (12.–13. Mai 2023) bieten wir Ihnen in einer Präsenzveranstaltung in Berlin die drei von den Regularien der DGUV vorgesehenen Kurse Unfallbegutachtung, Rehamanagement und Kindertraumatologie an. Alle drei Kurse sind als Fortbildung im Sinne der Ziffer 5.12 der Anforderungen der Gesetzlichen Unfallversicherung nach §34 SGB VII zur Beteiligung am Durchgangsarztverfahren anerkannt.

Unfallbegutachtung in der gesetzlichen Unfallversicherung 

Berlin

Prof. Dr. med. Julia Seifert

12.05.2023

Kindertraumatologie für D-Ärzte/-Ärztinnen 

Berlin

Prof. Dr. med. Michael Paul Hahn

13.05.2023

Rehabilitationsmedizin/-management 

Berlin

Dr. med. Sybille Larsen; Dr. med. Peter Kalbe

13.05.2023

Mehr Informationen und Anmeldung über www.bdc.de (Rubrik BDC|Akademie, Fachgebiet Orthopädie/Unfallchirurgie)

Kalbe P, Schmitz R: Neues im EBM ab 2023. Passion Chirurgie. 2023 Januar/Februar; 13(04): Artikel 04_03.

Editorial: Und täglich grüßt das Murmeltier …

Zur Ausgabe 04/2023: “Hygiene & Wundversorgung 

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vielleicht fühlen Sie sich an diesen Filmklassiker mit Bill Murray aus dem Jahr 1993 erinnert, wenn wir in dieser Ausgabe der Passion Chirurgie wieder einmal die Behandlung der „Chronischen Wunde“ in den Fokus nehmen. Schon in den Ausgaben vom Juni 2016 und vom Januar 2021 war dies Inhalt des Editorials unserer Zeitschrift. Das Dilemma dürfte vielen von uns bekannt sein: Obwohl diese Tätigkeit ein Kernelement der chirurgischen Kompetenz darstellt, fristet die Behandlung chronischer Wunden häufig ein Nischendasein und wird von engagierten Kolleginnen und Kollegen in Kliniken und Praxen oft altruistisch und entgegen aller Widrigkeiten schwerpunktmäßig durchgeführt. Professor Riedl und Dr. Ackermann bilanzieren in ihren Artikeln ihre eigenen langjährigen Erfahrungen in der Klinik und der chirurgischen Praxis.

Wir wissen also seit vielen Jahren, woran es bei der Betreuung der uns anvertrauten Patientinnen und Patienten mangelt: Einheitlich vorgegebene stringente Behandlungskonzepte insbesondere bezüglich der zu verwendenden Wundauflagen, ausreichende Refinanzierung des Behandlungsaufwands, interprofessionelle und sektorenübergreifende Zusammenarbeit, möglichst in einem „Wundboard“ analog zum Tumorboard. Trotzdem ist es wichtig, dass wir mit dem Schwerpunkt dieser Passion noch einmal sprichwörtlich den Finger in die chronische Wunde legen. Unter Hinweis auf die Vorgeschichte darf aber natürlich die Frage erlaubt sein: Tut sich denn nicht endlich mal etwas?

Erfreulicherweise können wir in diesem Heft zumindest auf einige gute Ansätze und Beispiele verweisen. Das von Frau Hornemann et. al. vorgestellte Projekt „IP-Wunde“ der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen setzt auf die Ausweisung von spezialisierten Wundpraxen (SWP). Auch wenn der Titel sich nur auf die Behandlung in den Vertragsarztpraxen bezieht, ist dieses vom Innovationsfonds geförderte Projekt ein Schritt in die richtige Richtung. Denn diese SWP sind auch die geeigneten Ansprechpartner für das Entlass-Management der Krankenhäuser. Dadurch dass sich niedergelassene Ärzte der Fachrichtungen Innere Medizin, Dermatologie, Chirurgie, Gynäkologie, Orthopädie und Diabetologie einschreiben können, ist die Interdisziplinarität gewährleistet. Obwohl formal keine Krankenhäuser beteiligt sind, ist davon auszugehen, dass sich eine Vernetzung nicht nur der beteiligten Praxen, sondern auch mit klinischen Fachabteilungen insbesondere auch für Gefäß- und plastische Chirurgie ergeben wird. Nicht umsonst wurde dieses Konzept am 15. März dieses Jahres vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI) als Leuchtturmprojekt für exzellente ambulante Versorgung ausgezeichnet.

In einem weiteren Artikel stellen wir die auch im Bremer Modellprojekt genutzte digitale Fallakte der Managementgesellschaft IVP vor, die auch zentrales Element eines bundesweiten Versorgungsvertrags ist, der Versicherten der DAK-Gesundheit und der IKK classic zur Einschreibung offensteht. Hier werden wesentliche Forderungen zur Optimierung der Versorgung chronischer Wunden vorbildlich umgesetzt, nämlich die rationale Auswahl der Verbandmittel und der sinnvolle Einsatz einer allen Beteiligten offenstehenden digitalen Behandlungs-Dokumentation. Teilnehmende Ärztinnen und Ärzte profitieren davon, dass der zusätzliche Aufwand auch im Honorar abgebildet wird und das Regress-Risiko bei der Verordnung der teilweise teuren Wundauflagen wegfällt.

Dass auch kleine Schritte etwas bewegen können, zeigt die Entwicklung der Vakuumversiegelungstherapie im ambulanten Bereich. Nachdem auf Beschluss des GBA Ende 2020 eine Abrechnungsmöglichkeit für die Unterdruckbehandlung chronischer Wunden in den EBM aufgenommen wurde zeigt eine aktuelle Auswertung der KBV, dass diese segensreiche Therapie vor allem von niedergelassenen Chirurgen tausendfach und mit durchschnittlich 50.000 Behandlungstagen jährlich angewandt wird.

Vielleicht wachen Sie ja also demnächst auf, das Murmeltier grüßt nicht mehr, und die Therapie chronischer Wunden ist durch einen bundesweiten und alle Krankenkassen umfassenden Versorgungsvertrag optimal geregelt. Das wünsche ich Ihnen und allen Betroffenen von Herzen. Der BDC wird jedenfalls jeden Schritt in diese Richtung unterstützen.

Ich hoffe, dass wir uns auf dem 140. Deutschen Chirurgiekongress (DCK) 2023 in München sehen werden. Der BDC ist dort mit mehreren Vortragssitzungen vertreten.

Bis dahin grüße ich Sie im Namen des BDC-Vorstands

Ihr
Peter Kalbe

Kalbe P: Editorial: Und täglich grüßt das Murmeltier… Passion Chirurgie. 2023 April; 13(04): Artikel 01.

Neuerungen und Verbesserungen in der UV-GOÄ ab Januar 2023

Zum neuen Jahr traten einige wichtige Verbesserungen für die Durchgangsärzte in Kraft, die unter Mitarbeit von Mandatsträgern des BDC auf den Weg gebracht wurden.

Gebühr für den D-Arztbericht (F1000) nach Nr. 132 UV-GOÄ wird auf 20 € angehoben

Der Durchgangsarzt-Bericht ist das zentrale Element der durchgangsärztlichen Tätigkeit und erfordert stets die unfallchirurgische Expertise und Erfahrung. Darüber hinaus erfordert die regelmäßig notwendige Beurteilung der Kausalität gutachterliche Kenntnisse. Die Gebühr für diesen Bericht wird zum 1.1.2023 von aktuell 17,81 € auf 20,00 € angehoben.

Zuschläge zu den ambulanten Operationen

Die teilweise marginale Rentabilität der nach der UV-GOÄ abgerechneten ambulanten Operationen ist hinlänglich bekannt. Als ersten Schritt einer Aufwertung konnte eine lineare Anhebung der Zuschläge zu den ambulanten Operationen 442-445 in der UV-GOÄ um 10 Prozent erreicht werden. Weitere Verbesserungen, u.a. unter Verweis auf die gestiegenen Hygiene-Anforderungen, werden für das Jahr 2023 angestrebt.

Neue Gebührenziffern für Telemedizinische Leistungen:
Nr. 10 und Nr. 10a

Telemedizinische Leistungen bis zu 10 Minuten Dauer können ab dem 1.1.2023 nach der Nr. 10 UV-GOÄ mit 8,00 € angesetzt werden. Das Honorar ist damit geringer als für die Nr. 1 (9,13 €), in der ja auch eine symptombezogene Untersuchung enthalten ist. Die Gebühr ist allerdings deutlich höher als für die alleinige (auch telefonische) Beratung nach Nr. 11 (3,65 €). Dauert die telemedizinische Beratung länger als 10 Minuten kann nach der Nr. 10a (16,00 €) abgerechnet werden. Die technischen Voraussetzungen für die Telemedizin sollen sich an den Vorgaben für die vertragsärztliche Versorgung anlehnen. Beratungen via E-Mail, SMS, Chat oder vergleichbarer Kommunikationsmittel sind ausdrücklich ausgeschlossen und können nicht abgerechnet werden. Es wird aber auch der Vorrang des persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts betont und die Abrechnung auf maximal 2 Leistungen im Behandlungsfall begrenzt. Voraussetzung ist darüber hinaus, dass zuvor im Behandlungsfall ein persönlicher Kontakt stattgefunden hat.

Neue Abrechnungsziffern für die Fraktur-Sonographie:
Nr. 411 und 411a

Zum 1.1.2023 werden mit den Nrn. 411 und 411a der UV GOÄ Zuschläge zur Sonographie nach Nr. 410 für die Fraktursonographie eingeführt. Die 411 kann für sonographische Frakturkontrollen an Oberarm, Unterarm, Oberschenkel, Unterschenkel und angrenzende Gelenken angesetzt werden. Zielregion ist hier vor allem der distale Unterarm, um die Strahlenbelastung bei distalen Radius- und Unterarmfrakturen bei Kindern zu verringern. Die neuen Gebührenziffern sollen also einen Anreiz bieten, bei Kindern und Jugendlichen (kann nur bis zum 18. Lebensjahr abgerechnet werden) sonographische Verlaufskontrollen der Frakturheilung statt Röntgenkontrollen durchzuführen. Die Nr. 411 ist mit 35,00 € dotiert und soll den zusätzlichen durchgangsärztlichen Aufwand der persönlichen Leistungserbringung widerspiegeln. Somit kann für diese sonographische Frakturkontrolle in der besonderen Heilbehandlung die Nr. 410 (20,27 €) plus Nr. 411 (35,00 €) angesetzt werden, somit in der Summe 55,27 €. Damit liegt diese Gebühr deutlich über dem Honorar für eine Röntgenuntersuchung nach Nr. 5020 (22,30 €) oder nach Nr. 5030 (36,48 €).

Sonographische Frakturkontrollen an allen anderen Knochen sind mit einem Zuschlag nach der Nr. 411a der UV-GOÄ abzurechnen. Diese Leistung ist mit 10,00 € deutlich geringer dotiert. Für bis zu drei sonographische Kontrolluntersuchungen kann der D-Arzt somit ab dem 1.1.2023 zu der Nr. 410 UV-GOÄ einen Zuschlag nach Nr. 411 oder 411 a. abrechnen. Führt der D-Arzt sonographische Kontrollen durch, kann er im Behandlungsfall nur maximal 2 Röntgenkontrolluntersuchungen abrechnen. Die Stellungskontrolle nach der Reposition zählt nicht dazu.

Die wissenschaftliche und juristische Absicherung der Fraktursonographie soll ab dem Frühjahr 2023 durch eine S2-Leitlinie der AWMF unter Federführung der DEGUM und unter Beteiligung der DGOU erfolgen https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/085-003. Die wichtigsten Eckpunkte dieser Leitlinie wurden beim DKOU 2022 in Berlin vorgestellt und werden nach der Veröffentlichung auch in der Passion Chirurgie kommentiert.

Sonographie demnächst verpflichtend für jede D-Arzt-Praxis (mit Übergangsfrist)

Darüber hinaus ist es vorgesehen, bei der anstehenden Reform der D-Arzt-Bedingungen die Vorhaltung eines Sonographie-Geräts (mit Übergangsfrist) in jeder D-Arzt-Praxis vorzuschreiben. Die zurzeit diskutierte umfassende Reform der D-Arzt-Bedingungen wird ansonsten zahlreiche Erleichterungen und Verbesserungen für die Durchgangsärzte zur Folge haben. Die Verabschiedung im Laufe des Jahres 2023 wird angestrebt.

In den meisten unfallchirurgischen Praxen sind ohnehin Sonographiegeräte vorhanden. Sofern dies nicht der Fall ist, empfiehlt es sich, dies in den langfristigen Investitionsplan aufzunehmen und für die notwendige persönliche Expertise zumindest eines D-Arztes in der Praxis zu sorgen.

Nutzen Sie die jeweils aktuelle Fassung
der UV-GOÄ

Im Gegensatz zur Privat-GOÄ wird die UV-GOÄ in einer ständigen Gebührenkommission gemäß § 52 des Vertrags zwischen der KBV und der DGUV kontinuierlich weiterentwickelt und angepasst. Daraus resultieren mehrmals jährlich aktualisierte Fassungen der UV-GOÄ. Es ist daher unerlässlich, dass Sie sich die jeweils gültige Version dieser Gebührenordnung von der Homepage der KBV herunterladen: www.kbv.de/html/uv.php

Auf der ersten Seite des betreffenden pdf-Dokuments werden jeweils die Änderungen gegenüber der vorhergehenden Version stichwortartig dargestellt.

Der BDC setzt sich gemeinsam mit dem Berufsverband der Durchgangsärzte (BDD) und dem BVOU intensiv für eine kontinuierliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Durchgangsärzte ein. Er möchte damit die Attraktivität dieser Tätigkeit fördern, den Abwanderungstendenzen entgegenwirken und die D-Arzt-Nachfolge erleichtern.

Die offizielle Veröffentlichung der KBV erfolgt am 20. Januar 2023. Wir haben die Genehmigung, das Dokument schon jetzt unseren Mitgliedern zugänglich zu machen. Sie finden Sie auf unserer Website.

Tab. 1: Im Überblick: Neuerungen für Chirurgen in der UV-GOÄ zum 1.1.2023

GO.-Nr.

Bedeutung

Honorar ab 1.1.2023

Bemerkungen

132

Durchgangsarztbericht

20,00 €

Aufwertung von 17,81 €

10

Telemedizinische Beratung bis 10 Minuten Dauer

8,00 €

Einschränkungen s. Text

10a

Telemedizinische Beratung mehr als 10 Minuten Dauer

16,00 €

Einschränkungen s. Text

411

Zuschlag zur Nr. 410 für Fraktursonographie bei Kindern und Jugendlichen
(OS/US/OA/UA)

35,00 €

maximal 3 mal pro Behandlungsfall, dann Röntgenkontrollen begrenzt, s. Text

411a

wie 410, jedoch bei allen anderen Knochen

10,00 €

wie bei Nr. 411

442

Zuschlag ambulante Op.

35,83 €

von 32,57 €

442a

19,47 €

von 17,70 €

443

67,20 €

von 61,09 €

444

116,47 €

von 105,88 €

445

197,10 €

von 179,18 €

Kalbe P: Neuerungen und Verbesserungen in der UV-GOÄ ab Januar 2023. Passion Chirurgie. 2023 Januar/Februar; 13(01/02): Artikel 04_05.

Editorial: Handchirurgie

Zur Ausgabe Handchirurgie 11/2022

Die existenzielle Bedeutung einer einwandfreien Funktion der eigenen Chirurgenhände ist einem bei der täglichen Hektik und Routine im Operationssaal und in der Praxis gelegentlich nicht bewusst. So sehr auch die Technisierung und die Robotik in der Chirurgie voranschreiten, so ist doch die eigentliche buchstäblich manuelle Tätigkeit bei den Operationen in hohem Maße vom geschickten Einsatz unserer Hände abhängig. Nicht umsonst schließen wir daher Unfallversicherungen mit einer besonderen Gliedertaxe ab, um Funktionsausfälle der Finger oder einer ganzen Hand zumindest finanziell abzusichern. Somit sind wir im Bereich der Handchirurgie nicht nur Agierende, sondern potenziell auch besonders stark Betroffene.

Entsprechend dieser Bedeutung ist es nicht überraschend, dass sich die Handchirurgie in den letzten Jahrzehnten als gesonderter Bereich in der Chirurgie mit einer eigenen wissenschaftlichen Fachgesellschaft etabliert hat, dies formal als wesentlicher Weiterbildungsinhalt der Säule „Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie“. Aber auch die Zusatzweiterbildung Handchirurgie erfreut sich großer Beliebtheit und ist in die aktuelle Musterweiterbildungsordnung übernommen worden. An vielen Krankenhäusern und Universitätskliniken sind Fachabteilungen für Handchirurgie eingerichtet worden. Dies ist auch sinnvoll, denn es ist kaum vorstellbar, im OP-Programm nach einem TEP-Wechsel anschließend eine Nerventransplantation unter mikrochirurgischen Bedingungen durchzuführen. Auch die Berufsgenossenschaften spiegeln die Bedeutung der Finger- und Handverletzungen durch ein gesondertes handchirurgisches Durchgangsarztverfahren und durch den großen Anteil von Handverletzungen im Schwerstverletztungsartenverfahren (SAV) wider. Der EBM für die niedergelassenen Chirurgen weist aktuell und auch in der anstehenden Neufassung des Kapitels 7 spezielle Abrechnungsziffern auf, die nur Handchirurgen zugänglich sind.

Entsprechend dieser Bedeutung widmet der Berufsverband der Deutschen Chirurgie der Handchirurgie das vorliegende Schwerpunktheft. Aus der Klinik meines Kollegen und Freundes Peter Vogt erfahren wir Aktuelles zur Bedeutung von Sportverletzungen an der Hand. Infolge der Quintessenz sollten wir unsere Kinder und Enkelinnen noch einmal eindringlich auf das besonders hohe Verletzungsrisiko im Reitsport hinweisen.

Ein hoher Prozentsatz handchirurgischer Operationen lässt sich grundsätzlich ambulant durchführen. Im Zuge der aktuellen Diskussion über die „Ambulantisierung“ gehören diese zu den Paradebeispielen für das ambulante Potenzial. Zu den Zeiten meiner eigenen handchirurgischen Weiterbildung 1988 blieben Dupuytren-Patienten mindestens eine Woche stationär, heute operieren wir sie regelmäßig in unseren Praxisräumen ambulant mit gleich guter Sicherheit und Qualität. Karsten Becker weist in seinem Beitrag allerdings zu Recht darauf hin, dass die Erlöslage unter den geltenden Bedingungen des EBM betriebswirtschaftlich allenfalls marginal tolerabel ist, dies für Praxen und Krankenhäuser gleichermaßen. Wenn wir die Verlagerung von bisher stationär durchgeführten Operationen fördern wollen, kann dies nur mit entsprechenden finanziellen Anreizen gelingen. Aus Sicht unseres Berufsverbandes und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie muss aber zuvor unbedingt das Problem der Verlagerung des größten Teils von Weiterbildungseingriffen in den ambulanten Bereich gelöst werden. Nicht, dass wir in 10 Jahren mit einer erfolgreich umgesetzten Ambulantisierung, jedoch ohne chirurgischen Nachwuchs dastehen.

Viel Freude und Erkenntnisgewinn bei der Lektüre der aktuellen Passion Chirurgie wünscht Ihnen

Peter Kalbe
BDC-Vizepräsident

Kalbe P: Editorial Handchirurgie. Passion Chirurgie. 2022 November; 12(11): Artikel 01.

Editorial 09-2022: Orthopädie & Unfallchirurgie

Zur Ausgabe Unfallchirurgie & Orthopädie 09/2022

Die Fächer Orthopädie und Unfallchirurgie, die über viele Jahrzehnte im wissenschaftlichen Bereich getrennt agierten, haben den Prozess der Vereinigung der Fachgesellschaften im Jahr 2008 durch Gründung der DGOU formal besiegelt und damit nachvollzogen, was mit der Musterweiterbildungsordnung bereits seit 2003 Bestand hatte. Wie in jeder guten Ehe knirscht und knackt es in dieser Beziehung gelegentlich. Grundsätzlich war dies jedoch ein wichtiger und vorbildlicher Schritt in Richtung Einheit der Chirurgie. Dieser Logik folgend wurde auch die für die Niedergelassenen bedeutsame Bedarfsplanung der Vertragsarztsitze im Jahr 2019 vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zusammengeführt. An einem weiteren wichtigen Fortschritt in diesem Einigungsprozess arbeitet unser Berufsverband zurzeit intensiv gemeinsam mit dem BVOU und der KBV: Die Kapitel 7 (Chirurgie) und 18 (Orthopädie) des EBM sollen nämlich zusammengeführt werden, verbunden mit einer Modernisierung und Darstellung der Leistungsbreite des Faches in der kassenärztlichen Leistungsabrechnung.

Orthopäden und Unfallchirurgen bilden gemeinsam einen großen und wichtigen Anteil der chirurgischen Familie. Im Bereich der Praxen stellen sie sogar die überwiegende und stetig wachsende Zahl der Vertragsärzte. Die Bedeutung der Orthopädie und Unfallchirurgie für die Versorgung würdigt der BDC mit zwei Fachreferaten im Präsidium und auch mit diesem Schwerpunktheft.

War meine eigene unfallchirurgische Weiterbildung noch von spektakulären Einsätzen mit dem Rettungshubschrauber und der anschließenden Polytraumaversorgung in der Klinik gekennzeichnet, so hat sich der Schwerpunkt der modernen Unfallchirurgie verlagert und erweitert. Durch die stetige Fortentwicklung der aktiven und passiven Fahrzeugsicherheit sind Anzahl und Schwere der Verkehrsunfallverletzungen erfreulicherweise deutlich gesunken. Auch aufgrund der demografischen Entwicklung ist somit das Alterstrauma und damit auch die operative Versorgung hüftnaher Frakturen in den Fokus gerückt.

Knut Müller-Stahl weist in seinem Artikel auf die Bedeutung einer exakten Reposition und Operationstechnik bei der Versorgung subtrochantärer Frakturen hin, um möglichst eine sofortige Mobilisierung unter Vollbelastung zu erreichen. Die gleiche Patientenklientel betrifft auch der Beitrag von Stephan Sehmisch, der zu Recht die vollkommen unterschätzte Bedeutung der Osteoporose für die Gesundheitsversorgung kritisiert. Oliver Deffaa und Peter Zimmermann beschreiben die Besonderheiten der Indikation und Operation von Gelenkfrakturen bei Kindern mit Beteiligung der Wachstumsfugen, insbesondere am Ellenbogen und am Sprunggelenk.

Haben wir den Katastrophenfall im Krankenhaus vor 40 Jahren noch gelegentlich mit Rollenspielen vor Ort geprobt, so kann man sich heute systematisch mit modernen didaktischen Verfahren auf den zum Glück äußerst seltenen Massenanfall von Verletzten vorbereiten. Der Artikel aus der Klinik unseres diesjährigen DGU-Kongresspräsidenten Benedikt Friemert stellt den Status quo und die digitale Weiterentwicklung der Trainingsangebote dar. Dipl.-Ing. Dietmar Otte weist auf die Bedeutung der Biomechanik und die enge Beziehung zwischen technischer Unfallforschung und Unfallchirurgie hin, insbesondere für gutachterliche Fragestellungen.

Orthopädie und Unfallchirurgie begleiten unsere Patienten somit sprichwörtlich „von der Wiege bis zur Bahre“. Ich danke den Autoren, dass wir diesen Bogen auch in diesem Schwerpunktheft der Passion Chirurgie schlagen können. Der BDC engagiert sich unter anderem bei der Nachwuchsförderung und in den politischen Gremien für das berufliche Umfeld der in O und U tätigen Ärztinnen und Ärzte, nicht zuletzt für die durchgangsärztliche Tätigkeit im Diskurs mit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Dieses Engagement dokumentiert sich auch in der Beteiligung des BDC an Vortragssitzungen beim diesjährigen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) vom 25. bis 28. Oktober in Berlin. Wir freuen uns darauf, Sie dazu und natürlich auch gerne am BDC-Stand begrüßen zu können.

Hier geht es zum Inhaltsverzeichnis der Septemberausgabe „Unfallchirurgie & Orthopädie“: PASSION CHIRURGIE 09/2022.

Kalbe P: Editorial Orthopädie & Unfallchirurgie. Passion Chirurgie. 2022 September; 12(09): Artikel 01.

Sektorenübergreifende Versorgung – was ist das eigentlich?

Die aktuelle berufspolitische Diskussion zeigt, dass der Begriff „Sektorübergreifende Versorgung“ in aller Munde ist, dass darunter jedoch – je nach Interessenslage – unterschiedliche Sachverhalte und Ziele verstanden werden. Wir versuchen hier, die aus unserer Sicht vermuteten Positionen der beteiligten Player darzustellen.

Politik auf Bundes- und Landesebene

Die Überwindung der Abschottung zwischen dem stationären und ambulanten Bereich der Krankenversorgung gehört schon seit Jahrzehnten zur politischen Agenda und findet sich auch wieder im aktuellen Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung. [1]. Bereits die Vorgängerregierung hat im MDK-Gesetz [2] unter anderem ein Gutachten (IGES) in Auftrag gegeben, das Potentiale für eine Ambulantisierung speziell operativer Leistungen aufzeigen soll. Die daraus folgende Notwendigkeit vertraglicher Einigungen zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), dem GKV-Spitzenverband (GKV-SV) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) dürfte schwierig werden, geht es doch vor allem um ökonomische Auswirkungen und machtpolitische Einflussnahme.

Darüber hinaus kollidiert eine mögliche Bundesgesetzgebung teilweise mit den Interessen der Bundesländer. Und dies umso mehr, wenn es um konkrete Änderungen der Krankenhausplanung und die daraus resultierende Schließung oder Umwidmung von Krankenhäusern geht. Trotzdem haben einzelne Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen [3] und Niedersachsen [4] erste konkrete Schritte in diese Richtung unternommen. Diese Planungen stoßen wiederum häufig auf massive Gegenwehr auf Ebene der Kreise und Kommunen im konkreten Einzelfall, können aber auch zu einvernehmlichen konstruktiven Lösungen [5] führen, wie es der Fall der neuen Zentralklinik Georgsheil in Ostfriesland zeigt.

Zukunftsweisend könnte sein, dass als Lösungsmöglichkeit der Begriff der „Hybrid-DRG“ in den Koalitionsvertrag aufgenommen und aktuell auch im KBV-Interview [6] von Gesundheitsminister Karl Lauterbach favorisiert wurde. Dabei ist allerdings auch dieser Begriff inhaltlich nicht eindeutig definiert. Das klassische Modell einer sektorübergreifenden Versorgung in Form des Belegarztwesens unterliegt allerdings in den letzten Jahren aufgrund einer substantiellen Unterfinanzierung einem schleichenden Niedergang.

Vom Gesundheitsministerium wurde angekündigt, dass im laufenden Jahr nach der Dominanz der Corona-Pandemie auch wieder aufgeschobene Strukturreformen im Gesundheitswesen fortgesetzt werden sollen. Dazu gehört an erster Stelle die Reform der Notfallversorgung [7], die sich als Parade-Disziplin der sektorenübergreifenden Versorgung profilieren könnte. Unser kinderchirurgischer Kollege Dipl.-Med. Peter Raue gibt hierzu beim DCK in der Sitzung „Sektorenübergreifende Versorgung“ einen Überblick über die Erfahrungen aus Sachsen.

Krankenhausärzte und Niedergelassene (Fach-)Ärzte

Der BDC hat sich die Förderung der sektorenübergreifenden Versorgung als Kernziel gesetzt und zwar aus Sicht der Klinikärzte wie der Niedergelassenen gleichermaßen.

Dr. Ralf W. Schmitz beschreibt das Ergebnis einer gemeinsamen BDC-Klausurtagung zu diesem Thema in seinem hier abgedruckten Beitrag „Intersektorale Versorgung – es wird Zeit“.

Folgende Forderungen sind dabei im Kern konsentiert worden:

  • Gemeinsamer Leistungskatalog von ambulant und/oder intersektoral zu erbringenden Leistungen auf Basis des bestehenden AOP-Vertrages
  • Vergütung nach modifizierter DRG unter Berücksichtigung von Strukturkosten und des Schweregrades
  • Intersektorale Bedarfsplanung unter Berücksichtigung von Qualitätskriterien
  • Digitale Vernetzung und intersektorale digitale Fallakte
  • Intersektorale SOP und Fallkonferenzen
  • Intersektorale Verbundweiterbildung

Krankenkassen und ihre Verbände

Dem tätigen Chirurgen ist schwer verständlich, warum die Krankenkassen und ihre Verbände nicht der definitive Motor der Ambulantisierung sind, weil hierin ein erhebliches Ein-sparpotential schlummern dürfte. Aber auch die Krankenkassenverwaltungen sind streng sektoral gegliedert, so dass in konkreten Verhandlungen oft die sektorenübergreifende Sicht fehlt. Darüber hinaus wird seit Jahrzehnten das nicht ganz unberechtigte Argument vorgetragen, dass eine Verlagerung von Leistungen aus dem stationären in den ambulanten Sektor nicht automatisch zu Einsparungen führt, solange die Krankenhausstrukturen unverändert bleiben. In der aktuellen Finanzlage der Krankenkassen sind keine Lösungen denkbar, die mit einer vorübergehenden Kostenbelastung verbunden wären.

„Hybrid-DRGs“ könnten durch Wegfall der (meisten) MDK-Prüfungen den personellen Aufwand für die Prüfungen der Krankenhausrechnungen reduzieren, obwohl daran natürlich auch Arbeitsplätze gebunden sind. In Einzelfällen gibt es bereits konstruktive Lösungen über Selektivverträge, beispielsweise in Thüringen. Dr. Stephan Dittrich als Mentor und Motor dieses Projekts wird erste Ergebnisse in der Sitzung „Sektorenübergreifende Versorgung“ präsentieren.

Verwaltungen der Krankenhäuser und deren Interessenvertretung (DKG)

Die Sichtweise der Krankenhausverwaltungen fokussiert vollkommen legitim über die selbstverständlichen Qualitätsaspekte hinaus auf die Sicherung des wirtschaftlichen Überlebens und hat in überversorgten Gebieten auch die Profilierung durch Spezialisierung und die Positionierung am Markt zu berücksichtigen. Das DRG-System und die jüngst umgesetzte Ausgliederung der Pflegekosten haben bei mehr als der Hälfte der Krankenhäuser zu roten Zahlen in der Bilanz geführt. Eine Förderung ambulanter und stationsersetzender Leistungen wäre für die Kliniken primär kontraproduktiv, weil diese unter den Bedingungen der vertragsärztlichen Abrechnung nach EBM nicht kostendeckend erbracht werden können. Auch von dieser Seite müsste die Definition einer ausreichend finanziell unterfütterten Hybrid-DRG unterstützt werden. Letztlich dürfte es aber auch zur Umwidmung einzelner Krankenhäuser zu intersektoralen Gesundheitszentren kommen [8]. Die Präsenz von Vertretern der Landkreise und Kommunen in den Verwaltungsräten vieler Krankenhäuser dürfte dies nicht eben erleichtern. Darüber hinaus streben die Krankenhäuser eine Öffnung für den gesamten ambulanten Sektor an. Dies allerdings weniger zur Sicherung der ambulanten Grundversorgung, sondern eher um dadurch potentiell lukrative stationäre Fälle zu generieren und vor allem Einfluss auf den ambulanten Markt zu gewinnen.

Fachärztliche Berufsverbände

Neben dem BDC sind viele andere Interessenvertretungen aktiv, zum Beispiel der Spitzenverband Fachärzte (SpiFA) und der Bundesverband Ambulantes Operieren (BAO). Schon 2020 hat der SpiFA ein umfassendes Konzeptpapier vorgelegt [9], das eine komplette Revision der §§ 115-122 des SGB V vorschlägt. Dies aber ähnlich wie der BAO mit starker Betonung des niedergelassenen Sektors. Der BDC fordert als berufspolitische Vertretung sowohl der Krankenhauschirurgen als auch der Niedergelassenen seit vielen Jahren Reformen und engagiert sich unter anderem im Modellprojekt zur Hybrid-DRG in Thüringen.

Ambulante Operateure suchen legitim nach einer besseren Auslastung ihrer Strukturen und einer Verbesserung der marginalen Ertragslage. Unabhängig von diesen Interessen wünschen sich niedergelassene Haus- und Fachärzte vor allem eine substantielle Verbesserung des Informationsflusses zwischen den Sektoren. Dies betrifft nicht nur das leidige Problem des Entlassmanagements, sondern auch den Wunsch der verbesserten fachlichen Zusammenarbeit und der niedrigschwelligen konsiliarischen Konsultation, dies übrigens in beide Richtungen.

Auch für die ambulanten Operateure ist die Honorierung der Leistungen im EBM allenfalls marginal rentabel, vor allem im Hinblick auf die in den letzten Jahren massiv gestiegenen strukturellen Vorgaben, vor allem im Bereich der Hygiene. Das Potential der weiteren Ambulantisierung kann also nur gehoben werden, wenn es hier zu substantiellen Verbesserungen kommt.

Patientinnen und Patienten

BDC-Vizepräsident Dr. Jörg Rüggeberg weist in seinem Beitrag vollkommen zu Recht darauf hin, dass bei der politischen Diskussion allzu schnell die Interessenlage der Betroffenen, nämlich unserer Patientinnen und Patienten, aus dem Fokus gerät. Dabei ist aus zahlreichen Umfragen und Erhebungen bekannt, dass diese die Vermeidung eines Krankenhausaufenthaltes aus verschiedenen Beweggründen ausgesprochen schätzen. Gerade für die ältere Generation hat es viele Vorteile, Erkrankungen und Verletzungen unter Beibehaltung des gewohnten sozialen und familiären Umfelds auszukurieren. Umgekehrt existieren diese generationsübergreifenden Solidarverbünde immer weniger, so dass auch ein Bedarf für eine kurzzeitige Überwachung und Betreuung insbesondere älterer Patienten nach einem ambulanten operativen Eingriff besteht. Dies wäre ideal im Sinne von Praxis-Kliniken zu realisieren, die eine Übernachtungsmöglichkeit für begrenzte Dauer als Alternative zu den „Kurzliegerfällen“ im Krankenhaus bieten. Dazu existieren die gesetzlichen Rahmenbedingungen mit dem § 122 SGB V, die jedoch außerhalb von einzelnen Modellprojekten nicht umgesetzt werden.

Die Literaturliste erhalten Sie auf Anfrage via [email protected].

Kalbe P, Rüggeberg JA, Burgdorf F, Meyer HJ: Sektorenübergreifende Versorgung – was ist das eigentlich? Passion Chirurgie. 2022 Juni; 12(06): Artikel 05_02.

Fortbildungen für D-Ärztinnen und D-Ärzte

Für alle D-Ärztinnen und -Ärzte schreibt die DGUV verpflichtende Fortbildungen vor. Neben der Teilnahme an zwei unfallmedizinischen Tagungen sind in jedem Fünfjahreszeitraum auch je ein Seminar „Begutachtung“, „Kindertraumatologie“ und „Reha-Medizin / Reha-Management“ zu absolvieren. Der BDC hat daher eine Veranstaltungsreihe konzipiert, die alle diese Pflichtseminare an einem Wochenende anbietet. Wir laden Sie somit für den 6. und 7. Mai 2022 herzlich nach Berlin zu einer von der DGUV zertifizierten Kurstrilogie ein.

Die Erstellung von Gutachten gehört zu den Kernkompetenzen der Chirurgie. Die berufsgenossenschaftliche Begutachtung schließt in der Regel eine Arbeitsunfähigkeit ab. Dabei soll der Gutachter Unfallhergang und Unfallfolgen zusammenfassend, analytisch und kausal darstellen, verbleibende Funktionsbeeinträchtigungen herausarbeiten und eine dem aktuellen Arbeitsmarkt angepasste Entschädigungshöhe (Minderung der Erwerbsfähigkeit) einschätzen.

Das Handwerkzeug dazu (nicht Skalpell und Pinzette) wollen wir Ihnen am Freitag, den 6. Mai 2022 an die Hand geben bzw. rekapitulieren. Dazu gehören u. a. Kenntnisse über den Rechtsrahmen, Art und Form der Gutachten, kritische und eigenständige Bewertung von MRT-Bildern und -Befunden, Spitzfindigkeiten bei der Kausalitätsbewertung und die MdE-Einschätzung. Ihre Erfahrungen und die gesammelten Erkenntnisse benötigen wir dann abschließend in der gemeinsamen Diskussion kniffliger Fallbeispiele.

Besonders im Fokus der DGUV steht die Diagnostik und Therapie von Verletzungen bei Kindern und Jugendlichen, sodass hierzu ein eigenes Seminar angeboten wird. Die Behandlung verletzter Kinder aller Altersstufen stellt für den D-Arzt eine besondere Herausforderung dar. Wo sind die Grenzen der konservativen und die der operativen Therapie? Wir wollen Ihnen am Samstag, den 7. Mai 2022 einen Überblick über die aktuellen Behandlungskonzepte und über die Fallstricke der häufigsten Verletzungen geben. Dazu konnten wir namhafte Referentinnen und Referenten gewinnen, die mit Ihnen auch Fragen aus Praxis und Klinik diskutieren werden.

Am Samstagnachmittag liegt der Schwerpunkt auf dem wichtigen Thema der Rückführung des Versicherten in seinen Alltag und Beruf. Durch eine gezielte zeitnahe Nachbehandlung kann jedes operative Ergebnis nachhaltig verbessert werden. Im Reha-Seminar möchten wir Ihnen die Standards der stationären und ambulanten Reha kurz aufzeigen und Ihnen einen Überblick über die Behandlungsmöglichkeiten aufzeigen. Gerade die Rehamedizin entwickelt sich ständig weiter, neue Therapiekonzepte und Vorgaben der Unfallversicherungsträger erfordern dies. Wir wollen Sie mit Hilfe von hochkarätigen Referenten auf den neuesten Stand bringen und freuen uns auf einen regen Austausch mit Ihnen.

Vielleicht können Sie diese BDC-Seminare auch mit einem Wochenendbesuch in der frühsommerlichen Hauptstadt Berlin verbinden. Sie dürften sich – wie auch wir – wieder auf einen persönlichen kollegialen Austausch und begleitend mehr Bewegungsfreiheit und Kultur freuen.

BDC|Akademie
Termine für Fortbildungen für D-Ärztinnen und -Ärzte

Unfallbegutachtung in der gesetzlichen Unfallversicherung*

Prof. Dr. Julia Seifert

Berlin, 06.05.22

Kindertraumatologie für D-Ärzte/-Ärztinnen*

Prof. Dr. Michael Paul Hahn

Prof. Dr. Guido Fitze

Berlin, 07.05.22

Dresden, 25. – 26.11.22

Rehabilitationsmedizin/-management*

Dr. Sybille Larsen, Dr. Peter Kalbe

Berlin 07.05.22

Begutachtung im Behandlungsfehler-Prozess

Prof. Dr. Heiner Wenk

online, 28.05.22

6. Mitteldeutsches Gutachtenseminar – Fallstricke der Begutachtung

Dr. Annette Ahrberg-Spiegl, Dr. Holger Siekmann

Leipzig Termin folgt

Die mit * gekennzeichneten Seminare sind als Fortbildung im Sinne der Ziffer 5.12 der Anforderungen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger nach § 34 SGB VII zur Beteiligung am Durchgangsarztverfahren anerkannt.

Anmeldung und Information…

 

Hahn MP, Kalbe P, Larsen S, Seifert J: Fortbildungen für D-Ärztinnen und D-Ärzte. Passion Chirurgie. 2022 April; 12(04): Artikel 04_03.

Abrechnung: Honorare für BG-Gutachten wurden zum 01. Januar 2022 angehoben

Die ständige Gebührenkommission nach § 52 des Ärztevertrags zwischen KBV und DGUV hat auf Antrag der Ärzteseite eine Erhöhung der Honorare für Gutachten für die gesetzliche Unfallversicherung um 15 bis 20 Prozent beschlossen. Die neuen Gebühren gelten ab dem 01. Januar 2022, sofern die gutachterliche Untersuchung nach diesem Stichtag stattfindet.

Die UV-GOÄ finden Sie stets aktualisiert auf den Internetseiten der KBV.

Tab. 1.: UV-GOÄ-Erhöhungen

GO.-Nr. UV-GOÄ

Bezeichnung

Bis 31.12.2021/€

Ab 1.1.2022/€

146-147

Erstes Rentengutachten (147: Augen)

120,00

140,00

148-152

Zweites Rentengutachten etc.

100,00

115,00

160

Freies GA – Begutachtungsmaterie mit normalem Schwierigkeitsgrad

280,00

330,00

161

Freies GA – Begutachtungsmaterie mit hohem Schwierigkeitsgrad.

490,00

570,00

165

Freies GA – Begutachtungsmaterie mit hohem Schwierigkeitsgrad und sehr hohem zeitlichen Aufwand zu speziellen Kausalzusammenhängen und/oder differentialdiagnostischen Problemstellungen.

700,00

840,00

Kalbe P: Honorare für BG-Gutachten wurden zum 01. Januar 2022 angehoben. Passion Chirurgie. 2022 Januar/Februar; 12(01/02): Artikel 04_07.

Vorbereitung auf die Niederlassung: Worauf soll man schon während der klinischen Weiterbildung achten?

Die Entscheidung für eine der acht Säulen der chirurgischen Weiterbildung fällt meist aufgrund persönlicher Neigungen oder abhängig von Erfahrungen während des PJ oder dem aktuellen Stellenangebot. Es ist aber zu beachten, dass die Eignung für eine spätere Niederlassung höchst unterschiedlich ist. Unter Berücksichtigung der häufigsten Erkrankungen und Verletzungen und der Struktur der jetzt in den Praxen tätigen Chirurgen ist die Weiterbildung zum Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie (FA OU) am ehesten zielführend. Dies am besten mit einer ausgiebigen Rotation in einer breit aufgestellten Allgemeinchirurgie. Die Säule Allgemeinchirurgie allein lässt dagegen keine Tätigkeit als Durchgangsarzt zu und ist daher aus Sicht des BDC für ein Karriereziel Niederlassung weniger geeignet, es sei denn in einer Gemeinschaftspraxis mit einem Orthopäden/Unfallchirurgen. Herzchirurgie und Thoraxchirurgie sind ungeeignet für die Praxistätigkeit, die übrigen Spezialisierungen dafür umso mehr. Allerdings ist die Auswahl an spezialisierten Praxen numerisch deutlich geringer.

Sofern eine spätere Niederlassung infrage kommt, empfiehlt es sich, im Rahmen der letzten Jahre der Klinik-Tätigkeit einige wichtige Details im Auge zu behalten. Im Gegensatz zum Krankenhaus sind bei der Tätigkeit als Vertragsarzt zahlreiche Leistungen genehmigungspflichtig und abhängig von Qualifikationsnachweisen, die nach der Klinikzeit nur mit großen Schwierigkeiten nachgeholt werden können.

Tätigkeit als Durchgangsarzt

Voraussetzung ist u. a. eine ausgiebige Erfahrung in der Unfallchirurgie, am besten in der Kombination der Säule Orthopädie und Unfallchirurgie (sechs Jahre) mit der Zusatz-Weiterbildung (ZWB) „Spezielle Unfallchirurgie“ (zwei Jahre zusätzlich). Ersatzweise ist eine Zulassung als D-Arzt auch ohne diese ZWB möglich, wenn nach der Facharztanerkennung mindestens ein Jahr Tätigkeit in einem Krankenhaus mit VAV- oder SAV-Zulassung nachgewiesen wird. Diese Tätigkeit ist dann allerdings mit einem eingeschränkten Operationsspektrum verbunden.

Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass im Klinik-Zeugnis die Erstellung von Rentengutachten und Zusammenhangsgutachten für die BG sowie Erfahrungen im Berichtswesen und im Reha-Management nachgewiesen werden. Die regelmäßige Einbindung in die fachbezogene Röntgendiagnostik (incl. Schädel und Durchleuchtungen) muss im Arbeitszeugnis bestätigt werden. Die Zulassung zum Durchgangsarztverfahren erfolgt auf Antrag durch den zuständigen Landesverband der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).

Röntgendiagnostik

Die Fachkunde im Strahlenschutz wird in der Regel schon im Verlauf der Klinik-Tätigkeit erworben, weil dies Voraussetzung für die Indikationsstellung ist. Dabei ist darauf zu achten, dass diese nicht auf die Notfalldiagnostik begrenzt ist, sondern auf einen konkreten Körperbereich (z. B. Skelett) abgestellt ist. In der aktuellen MWBO (2018) ist für den FA OU erfreulicherweise wieder die gesamte Röntgendiagnostik der Bewegungsorgane eingeschlossen. Trotzdem müssen für den Antrag bei der zuständigen kassenärztlichen Vereinigung (KV) für die Röntgendiagnostik des gesamten Skeletts eine ständige Tätigkeit in der entsprechenden Röntgendiagnostik möglichst genau spezifiziert und durch ein Zeugnis eines entsprechend zu dieser Weiterbildung Zugelassenen nachgewiesen werden.

Sonographie

Die sonographische Diagnostik ist in unterschiedlicher Spezialisierung und Umfang Bestandteil der Weiterbildung in allen chirurgischen Säulen. Trotzdem fordert die KV beim Genehmigungsverfahren den Nachweis durch Zeugnis eines fachkompetenten Weiterbilders und eine gewisse Mindestanzahl von Untersuchungen, z. B. für die Sonographie des „Bewegungsapparats“ mindestens 200 B-Mode-Sonographien der Bewegungsorgane. Einzelheiten finden sich in der Ultraschall-Vereinbarung.

Ambulante Operationen

Grundsätzlich muss die Genehmigung zur Durchführung von ambulanten Operationen bei der KV beantragt werden. Dabei werden nur Eingriffe genehmigt, die Inhalt der nachgewiesenen Weiterbildung sind. Ein Nachweis spezieller Kompetenzen erfolgt am einfachsten durch den Erwerb einer entsprechender Zusatz-Weiterbildung (s. unten), kann aber auch durch ein qualifiziertes Zeugnis erbracht werden.

Arthroskopie

Arthroskopische Operationen sind Standard in der Weiterbildung zum FA OU. Sofern nicht die ZWB „Spezielle orthopädische Chirurgie“ erworben wurde, müssen allerdings der KV für die Genehmigung mindestens 180 arthroskopische Gelenkeingriffe verschiedener Art durch Zeugnis nachgewiesen werden. Einzelheiten dazu finden sich in der Arthroskopie-Vereinbarung.

Folgende Zusatzweiterbildungen (ZWB) erscheinen aus unserer Sicht für niedergelassene Chirurgen sinnvoll (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

ZWB Handchirurgie

Nur in 24 Monaten Weiterbildung im Anschluss an eine Facharztanerkennung in Allgemeinchirurgie, Kinderchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie oder Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie zu erwerben. Eröffnet den Zugriff auf einen zusätzlichen Leistungskomplex im EBM. Dieser ist allerdings nicht höher bewertet als analoge Leistungskomplexe der Bewegungsorgane allgemein und somit aus betriebswirtschaftlicher Sicht verzichtbar. Allerdings ist die ZWB anzeigefähig auf dem Praxisschild und den Praxis-Dokumenten, was eine öffentliche Darstellung der speziellen Fachkompetenz ermöglicht. Handchirurgische Operationen gehören zu den häufigsten ambulanten Eingriffen.

ZWB Sportmedizin

Kann berufsbegleitend durch 240 Stunden Kursweiterbildung und 120 Stunden sportärztliche Tätigkeit erworben werden. Eröffnet keine zusätzlichen Abrechnungsmöglichkeiten, kann aber Türöffner sein zum Erschließen der entsprechenden Klientel.

ZWB Manuelle Medizin

Kann entweder berufsbegleitend (320 Stunden Grund- und Aufbaukursus) oder durch 12-monatige Tätigkeit in einer zugelassenen Weiterbildungsstätte erworben werden. Eröffnet auf Antrag bei der KV den Zugriff auf die EBM Nrn. 30200 und 30201 und kann eine sehr sinnvolle Erweiterung des Therapiespektrums einer orthopädisch ausgerichteten Praxis sein. Auch als Tätigkeitsschwerpunkt und Alleinstellungsmerkmal möglich.

ZWB Akupunktur

Kann berufsbegleitend durch 200 Stunden Kursweiterbildung erworben werden. Eröffnet auf Antrag bei der KV den Zugriff auf die EBM-Nrn. 30790 und 30791, allerdings begrenzt auf die Indikationen LWS-Schmerzen und chronische Knieschmerzen durch Gonarthrose und begrenzt in der Therapiemenge. Die ZWB Akupunktur ist eine sinnvolle Ergänzung für eine orthopädisch konservativ ausgerichtete Praxis und eine beliebte IGeL-Leistung für die nicht vom EBM abgedeckten Indikationen.

ZWB Phlebologie

Kann berufsbegleitend erworben werden. Eröffnet keine zusätzlichen Abrechnungsmöglichkeiten. Der „phlebologischen Basiskomplex“ (EBM Nr. 30500) und die Varizenverödung (EBM 30501) können von allen Chirurgen erbracht und abgerechnet werden, sofern der Leistungsinhalt erfüllt wird. Auch diese ZWB ist anzeigefähig auf dem Praxisschild und den Praxis-Dokumenten, was eine öffentliche Darstellung der speziellen Fachkompetenz ermöglicht.

ZWB Proktologie

Diese ZWB Kann von Allgemeinchirurgen, Viszeralchirurgen und Kinderchirurgen berufsbegleitend durch 12-monatige Tätigkeit unter Befugnis erworben werden und ist sinnvoll zur Darstellung einer Spezialisierung. Proktologische Eingriffe finden sich ebenfalls in der Hitliste der häufigsten ambulanten Operationen. Proktologische Schwerpunktpraxen behandeln häufig auch alle Erkrankungen des Rektums, ggfs. sektorenübergreifend auch mit stationären Operationen.

Über die hier aufgeführten Formalien hinaus sind natürlich weitere Planungen und Überlegungen im Vorfeld einer Niederlassung von Bedeutung, vor allem die Übernahme eines geeigneten Vertragsarztsitzes. Diese und andere – auch individuelle – Fragen werden diskutiert und hoffentlich auch beantwortet im Rahmen eines BDC-Workshops zum Thema „Vorbereitung auf die Niederlassung“ beim Chirurgenkongress DCK 2022 in Leipzig. Das Programm finden Sie HIER.

Kalbe P: Vorbereitung auf die Niederlassung: Worauf soll man schon während der klinischen Weiterbildung achten? Passion Chirurgie. 2022 Januar/Februar; 12(01/02): Artikel 03_03.

Niederlassung als Chirurg – Pro und Contra

Während früher die Niederlassung eher als Notnagel bei Brüchen in der chirurgischen Karriere angesehen wurde, hat sich die Tätigkeit in einer chirurgischen Praxis in den letzten Jahren zu einer attraktiven Alternative für eine befriedigende chirurgische Lebensposition entwickelt [2]. Darüber hinaus ist anzumerken, dass das althergebrachte Schisma zwischen der Tätigkeit in einem Krankenhaus und in einer Praxis aufgrund der wachsenden Anzahl sektorenübergreifender Kooperationen zukünftig nicht mehr zielführend sein wird.

Motivation für die Niederlassung

Zu Beginn der chirurgischen Weiterbildung spielen Überlegungen zu einer Niederlassung meist keine Rolle. Dies ist nachvollziehbar, zumal in den ersten Jahren der Tätigkeit in der Chirurgie vor allem die Erlangung von Sicherheit bei der Diagnostik und Operationsindikation sowie von manuellen und operativen Fähigkeiten im Vordergrund steht. Bei der Wahl der chirurgischen Weiterbildungssäule sollte aber schon berücksichtigt werden, dass die Niederlassungschancen äußerst unterschiedlich sind. So ist zum Beispiel eine Praxistätigkeit als Herzchirurg nicht möglich und als Thoraxchirurg äußerst unwahrscheinlich. Die überwiegende Mehrzahl der Niederlassungen erfolgt zurzeit in der Spezialisierung als Orthopäde und Unfallchirurg (Tabelle 1). Ob der in der aktuellen Musterweiterbildungsordnung [4] definierte Facharzt für Allgemeinchirurgie für die spätere Tätigkeit in einer chirurgischen Praxis geeignet ist, wird vom BDC skeptisch beurteilt. Diese Facharztqualifikation reicht nämlich u.a. nicht aus, um die Zulassung als Durchgangsarzt der gesetzlichen Unfallversicherung zu erhalten [3].

Tab. 1: Facharztqualifikationen in der Niederlassung gemäß Bundesarztregister 2019 nach Bedarfsplanungsgewichten („Vertragsarztsitzen“), Stand 31.12.2019, Quelle KBV

Facharzt für

Anzahl

Anteil

Orthopädie und UCH/SP UCH

4.120

44,6 %

FA/SP Gefäßchirurgie

381

4,1 %

FA/SP Kinderchirurgie

127

1,4 %

FA/SP Plastische Chirurgie

227

2,5 %

SP Rheumatologie

275

3,0 %

SP Thorax/Thorax- und Kardiovaskularchirurgie

7

0,1 %

FA/SP Viszeralchirurgie

283

3,1 %

Andere (FA Chirurgie/Orthopädie ohne SP, Allgemeinchirurgie etc.)

3.827

41,4 %

Summe

9.247

100 %

FA = Facharzt; SP = Schwerpunkt; UCH = Unfallchirurgie

Die Statistik zeigt, dass fast die Hälfte der Vertragsarztsitze mit Orthopäden und Unfallchirurgen oder mit Chirurgen mit Schwerpunkt/Teilgebiet Unfallchirurgie besetzt ist. In der Gruppe „andere“ sind noch zahlreiche weitere Vertragsarztsitze mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Unfallchirurgie enthalten, ohne dass diese Ärzte über eine entsprechende Schwerpunktbezeichnung verfügen.

Etwa ab dem zweiten Teil der Weiterbildungszeit sollte die Möglichkeit einer späteren Tätigkeit in einer chirurgischen Praxis zumindest erwogen werden, damit vor allem gezielt spezielle operative Fertigkeiten erworben werden können, die sich später im Rahmen einer Tätigkeit in der Niederlassung ausüben lassen. Dazu gehören zum Beispiel die Arthroskopie und die Handchirurgie, die Proktologie, die Hernienchirurgie, die Kinderchirurgie und die Gefäßchirurgie.

Voraussetzung für die Niederlassung als Vertragsarzt ist formal neben einem Vertragsarztsitz lediglich die entsprechende Facharzturkunde. Es empfiehlt sich jedoch dringend, nach der bestandenen Facharztprüfung noch einige Jahre in einer verantwortlichen Position (z. B. Oberarzt) in einer Klinik oder als Angestellter in einer Großpraxis zu arbeiten. Dies schult die später erforderliche Entscheidungssicherheit sowie auch die Sicherheit in den operativen Verfahren.

Bei der Karriereplanung in der Chirurgie muss natürlich auch ein Vergleich mit der klassischen Chefarztposition erfolgen. Dieses Karriereziel hat in den letzten Jahren allerdings erheblich an Attraktivität verloren, vor allem wegen der Dominanz ökonomischer Ziele in vielen Kliniken und wegen der Abhängigkeit von der Geschäftsführung der Krankenhäuser [1].

Vorteile der Niederlassung

Individuelle Gestaltung des Arbeitsumfelds
Aus einer Umfrage der MLP (2014) zur Motivation für die Niederlassung (Abb. 1) ist zu entnehmen, dass sich Krankenhausärzte dadurch insbesondere eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf versprechen [6]. Dies ist auch nachvollziehbar, weil in der Praxis die Arbeitszeiten in gewissen Grenzen selbst festgelegt werden können, solange der Sicherstellungsauftrag erfüllt wird. Insbesondere in Gemeinschaftspraxen ist es möglich, auf die individuellen Wünsche der beteiligten Partner Rücksicht zu nehmen. In Anbetracht der nachrückenden Ärzte-Generation, die auch in der Chirurgie zu erheblichen Anteilen weiblich sein wird, spielt auch die Möglichkeit einer Tätigkeitspause zur Erfüllung eines Kinderwunsches eine wichtige Rolle.

Operationsspektrum
Lange Jahre war die Attraktivität der Niederlassung vor allem auch dadurch geschmälert, dass viele Chirurgen ihre gewohnte und geliebte operative Tätigkeit in diesem Rahmen nicht mehr im gewünschten Umfang fortsetzen konnten. Allerdings hat das ambulante Operieren in den letzten Jahrzehnten einen erheblichen Aufschwung genommen, so dass viele Eingriffe heutzutage auch ambulant erbracht werden können und somit das Operationsspektrum des niedergelassenen Chirurgen eher durch betriebswirtschaftliche Überlegungen limitiert ist. Für die nahe Zukunft ist ein vermehrter politischer Druck zur Verlagerung von stationären Eingriffen in den ambulanten Bereich zu erwarten. Darüber hinaus ermöglicht die Kooperation mit einem Krankenhaus auch stationäre Operationen, sei es im Rahmen einer belegärztlichen Tätigkeit oder als Kooperationsarzt.

Patientenbetreuung und Arbeitszufriedenheit
Kooperative Arbeitsstrukturen mit ambulant/stationären Komponenten ermöglichen auch eine kontinuierliche und durchgehende Betreuung von Patienten. Es trägt erheblich zur Arbeitszufriedenheit bei, wenn man als Chirurg seine eigenen Patienten von der Diagnostik und Indikationsstellung über die Operation und die Nachbetreuung kontinuierlich bis zur Genesung betreuen kann. Der fehlende Zugriff auf die ambulante Diagnostik und Nachbehandlung wird von leitenden Krankenhausärzten oft als das größte Manko in der rein stationären Tätigkeit angesehen.

Abb. 1: Krankenhausärzte erwarten eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Niederlassung.

Das Diagramm zeigt die Antworten zur Frage: »Wer hat Ihrer Einschätzung nach bessere Möglichkeiten, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren: ein Arzt, der im Krankenhaus arbeitet, oder ein niedergelassener Arzt?«; modifiziert nach [6] (MLP, 2014)

Kollegiale Kooperation in Gemeinschaftspraxen und MVZ
Aktuell ist der Trend zu Gemeinschaftspraxen und größeren Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) ungebrochen. Trotzdem sind noch etwa die Hälfte der niedergelassenen Chirurgen in Einzelpraxen tätig. Es ist aber absehbar, dass sich dieses Modell in der Zukunft nicht mehr in allen Bereichen aufrechterhalten lässt. Insbesondere die zunehmenden Anforderungen an die Qualitätssicherung, z. B. bei der Hygiene und der Aufbereitung von Medizinprodukten, erfordern einen hohen administrativen und personellen Aufwand, der von der Einzelpraxis kaum mehr geleistet werden kann. Es bietet sich daher an, in einer größeren Gemeinschaft derartige Tätigkeiten an einen der Partner oder eine Praxis-Managerin zu delegieren.

Darüber hinaus gewährleisten BAGs auch einen fortwährenden fachlichen und konsiliarischen Austausch und meist auch einen kooperativen Führungsstil mit flachen Hierarchien, was auf der Wunschliste der jungen Kolleginnen und Kollegen ganz oben steht [5]. In einer BAG kann dann auch die Geschäftsführung in professionelle Hände gegeben werden, so dass sich die Chirurginnen und Chirurgen ganz auf ihre ärztliche Tätigkeit konzentrieren können. Darüber hinaus gewährleisten größere Konstrukte die Möglichkeit, Angestelltenpositionen mit flexiblen Arbeitszeiten anzubieten. Dies erleichtert der Nachfolge-Generation den schrittweisen Eintritt in die Niederlassung und gewährleistet auch Freiräume für die Familienplanung.

Gestaltungsmöglichkeiten und Kooperationsmodelle stationär-ambulant
Durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) aus dem Jahr 2007 ist eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten und Kooperationsmodellen eröffnet worden. Grundlage einer Tätigkeit in der Niederlassung ist aber in der Regel nach wie vor die Akquise eines Vertragsarztsitzes. Da bundesweit nahezu alle Bereiche in Rahmen der Bedarfsplanung für Neuzulassungen gesperrt sind, bedeutet dies regelmäßig die Übernahme eines bestehenden Sitzes, der zuvor von der zuständigen kassenärztlichen Vereinigung ausgeschrieben werden muss. Durch die Zusammenfassung der Arztgruppen Chirurgie und Orthopädie ist dies seit 2019 deutlich vereinfacht worden. Wie weiter unten ausgeführt wird, erfolgt heutzutage der Übergang in die Niederlassung häufig über eine vorübergehende Anstellung oder durch ein Job-Sharing mit dem Seniorpartner. Darüber hinaus besteht ein Trend zur Gründung von MVZ und zur dauerhaften Angestelltentätigkeit. Die Abbildung 2 gibt einen Einblick in die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen des VÄndG, die hier nur kurz angerissen werden können.

Infolge der Verabschiedung des so genannten Antikorruptionsgesetzes im Jahr 2018 kamen vorübergehend alle stationär-ambulanten Kooperationsmodelle außerhalb des gesetzlich gesicherten Belegarztwesens auf den juristischen Prüfstand. Zahlreiche Kooperationsverträge zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Operateuren wurden daraufhin angepasst, und es sind bisher keine strafrechtlichen Konsequenzen aufgrund von widerrechtlichen Vereinbarungen bekannt geworden.

Abb. 2: Vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten nach dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG); Abkürzungen: NC=Niedergelassener Chirurg, GPX=Gemeinschaftspraxis, BAG=Berufsausübungsgemeinschaft, MVZ= Medizinisches Versorgungszentrum

Verdienstmöglichkeiten
Im Hinblick auf das ärztliche Honorar hinken die Bereiche Chirurgie und Orthopädie gegenüber den Entwicklungen im Hausarztbereich und auch anderer Facharztgruppen leider etwas hinterher, soweit es die „Kassenmedizin“ betrifft. Allerdings bietet insbesondere die unfallchirurgische Tätigkeit als Durchgangsarzt weitere Verdienstmöglichkeiten, und die operative Tätigkeit bei Privatpatienten ist durchaus als lukrativ zu betrachten. Insofern lässt sich dieses Manko kompensieren und in der Praxis sind je nach Struktur und Patientenklientel Einkünfte möglich, die sich gegenüber den Gehältern in Leitungspositionen im Krankenhaus nicht verstecken müssen und diese sogar übertreffen können.

Potenzielle Nachteile der Niederlassung

Arbeitsbelastung
Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit im niedergelassenen Bereich liegt etwas höher als die tarifvertraglich vereinbarte Arbeitszeit im Krankenhaus. Allerdings fallen in der Niederlassung die körperlich und mental belastenden Nacht- und Wochenend-Dienste weg. Es muss zwar der Kassenärztliche Bereitschaftsdienst abgeleistet werden, dieser fällt jedoch deutlich seltener an und kann in den meisten Fällen an Vertretungsringe abgegeben werden.

Darüber hinaus erfordert die Tätigkeit in einer Praxis eine Vielzahl von bürokratischen Tätigkeiten im Rahmen des Qualitätsmanagements, des Personalmanagements und der Abrechnung. Somit wird vom niedergelassenen Chirurgen ein gewisses Maß an Unternehmertum und betriebswirtschaftlichem Engagement erwartet. Dabei ist aber im Vergleich zu berücksichtigen, dass auch bei einer Krankenhauskarriere irgendwann Positionen erreicht werden, die eine zusätzliche organisatorische und administrative Verantwortung erfordern, zum Beispiel als leitender Oberarzt oder als Chefarzt.

Wirtschaftliches Risiko
Als Niederlassungshemmnisse werden stets die typischen Risiken des freien Unternehmertums angeführt. Dies ist zwar grundsätzlich richtig, jedoch ist das unternehmerische Risiko einer Arztpraxis im Allgemeinen sehr gering. Insolvenzen sind ausgesprochen selten und in der Regel nicht auf mangelnde Einkünfte aus der Praxis zurückzuführen, sondern auf unverhältnismäßige private Entnahmen oder fehlgeschlagene Kapitalanlagen.

Es bleibt aber die Hürde einer notwendigen Investition im sechsstelligen Eurobereich beim Einstieg als Partner in eine Praxis oder bei Praxisübernahme. Dieses finanzielle Risiko wird heute üblicherweise dadurch verringert, in dem anfangs eine Beteiligung Im Rahmen einer Anstellung erfolgt. Dies ermöglicht es dem potenziellen Praxispartner, für einige Jahre sowohl die Eignung der Tätigkeit als auch die wirtschaftliche Rentabilität zu überprüfen, um dann später als Partner in die Gemeinschaft einzusteigen oder die Praxis zu übernehmen. Diese Konstruktion ist typisch für Gemeinschaftspraxen und MVZ. Aber auch für Einzelpraxen eröffnet sich die Möglichkeit, einen gleitenden Übergang zum Beispiel durch die Teilung eines Vertragsarztsitzes oder durch ein Jobsharing zu gewährleisten.

Budgetierung und Regresse
Das Thema Budgetierung hat zuletzt etwas an Bedeutung verloren. Durch die Regelungen des Terminservice – und Versorgungsgesetzes (TSVG, 2019) werden nunmehr in vielen chirurgischen Arztpraxen mehr als die Hälfte der Fälle extrabudgetär vergütet. Dies ist überwiegend darauf zurückzuführen, dass zahlreiche Patienten so genannte „neue Patienten“ sind. Dies hat das Problem der Honorar-Budgetierung durch ein begrenztes Regelleistungsvolumen deutlich entschärft. Darüber hinaus erbringen gerade niedergelassenen Chirurgen einen erheblichen Leistungsanteil mit ambulanten und belegärztlichen Operationen, die grundsätzlich extrabudgetär vergütet werden.

Auch das Menetekel des Arzneimittel- oder Heilmittelregresses spielt in der Versorgungsrealität nur eine untergeordnete Rolle. Wer sich an die Vorgaben und Empfehlungen der kassenärztlichen Vereinigungen hält, kommt in der Regel mit den Budgets für Medikamente und physikalische Therapie gut zurecht. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Ausnahmeregelungen für bestimmte Diagnosen (ICD-Codes).

Ausfall wesentlicher Leistungsanteile
Es bleibt aber ein gewisses Restrisiko bei speziellen Praxis-Konstellationen. Im Rahmen der Corona Pandemie sind zum Beispiel im Jahr 2020 für mehrere Monate elektive Operationen nicht zulässig gewesen. Wenn eine Praxis überwiegend oder ausschließlich auf ambulante Operationen bzw. belegärztlich oder kooperationsärztlich erbrachtes Honorar ausgerichtet ist, kann ein derartiger Lockdown existenzgefährdende Einnahmeverluste mit sich bringen. Es empfiehlt sich daher aus unternehmerischer Sicht eine breite Aufstellung des Leistungsangebotes, welches in der Regel und entsprechend dem Sicherstellungsauftrag der kassenärztlichen Vereinigung auch die chirurgische Grundversorgung mit umfassen muss. Dies bedeutet zum Beispiel die Akutversorgung von kleinen Verletzungen einschließlich der Wundversorgung sowie die Behandlung von entzündlichen Veränderungen, Abszessen, von chronischen Wunden und von degenerativen Veränderungen der Bewegungsorgane.

Ortsgebundenheit als Praxis-Partner
Es steht außer Frage, dass die Investition in eine Praxis zu einer Bindung an den Ort der Niederlassung führt. Diesem Problem kann aber durch eine ausreichend lange Orientierungsphase als angestellter Facharzt in der beabsichtigten Kooperation begegnet werden. Darüber hinaus ist seit 2012 die so genannte Residenzpflicht aufgehoben worden. Somit ist es heutzutage möglich und gelebte Realität, dass man als niedergelassener Chirurg z. B. in einer Großstadt wohnt und in einer Praxis in einer Kleinstadt tätig ist.

Unsicherheiten der Gesundheitspolitik
Im Gegensatz zur hausärztlichen Tätigkeit haben die Fachärzte in der Niederlassung nur geringen politischen Rückhalt. Immer wieder wird die überkommene These von der „doppelten Facharztschiene“ vorgebracht. Dies erscheint unter Berücksichtigung der europäischen Dimension nicht ganz unbegründet, zumal es in vielen EU-Ländern keine niedergelassenen Fachärzte gibt. Andererseits hat sich insgesamt die Ausgestaltung der ambulanten Gesundheitsversorgung in Deutschland gerade in Zeiten der Corona Pandemie sehr bewährt, so dass der BDC aktuell keine politischen Aktivitäten für eine Abschaffung der Facharzt-Praxen erwartet. Das Ergebnis der letzten Bundestagswahl zeigt allerdings, dass sich politische Konstellationen rasch ändern können. Dies mit allen damit verbundenen Imponderabilien.

Fazit

Unter Abwägung der geschilderten Vor- und Nachteile ist die Niederlassung in einer chirurgischen Praxis, insbesondere im Rahmen einer stationär / ambulanten Kooperation, eine attraktive Alternative zur chirurgischen Karriere in einem Krankenhaus. Dies im Gegensatz zu früheren Einschätzungen durchaus auch als primäres Karriereziel. Auch bei sich ändernden politischen Rahmenbedingungen wird es immer unternehmerisch agierende Fachärzte in der Selbständigkeit geben, insbesondere in Kooperationsmodellen mit dem stationären Sektor.

Literatur

[1]   Hoffmann, R. (2020) Chefarzt – ein Auslaufmodell?! Orthopädie und Unfallchirurgie 2020; 10 (6) 47-49
[2]   Kalbe P. (2016) Karriere in der Niederlassung – Eine attraktive Alternative. Passion Chirurgie 2016 September, 6(09): Artikel 02_02
[3]   Kalbe, P.: (2016) Neuordnung des BG-lichen Heilverfahrens aus der Sicht eines niedergelassenen D-Arztes Unfallchirurg 2016 · 119:915–920 DOI 10.1007/s00113-016-0247-4. Online publiziert: 14. Oktober 2016
[4]   Bundesärztekammer: Musterweiterbildungsordnung 2018 https://www.bundesaerztekammer.de/aerzte/aus-weiter-fortbildung/weiterbildung/muster-weiterbildungsordnung/. zuletzt zugegriffen 6.11.2021
[5]   KBV: (2019) Berufsmonitoring Studierende 2018 Kassenärztliche Bundesvereinigung, Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 Berlin
[6]   MLP (2014) Gesundheitsreport 2014. https://mlp-se.de/redaktion/mlp-se-de/gesundheitsreport-microsite/2014/praesentation-gesundheitsreport-2014.pdf. zuletzt zugegriffen 6.11.2021

Kalbe P: Niederlassung als Chirurg – Pro und Contra. Passion Chirurgie. 2022 Januar/Februar; 12(01/02): Artikel 03_01.BDC|Akademie

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Das Seminarangebot des BDC für Niedergelassene fokussiert auf deren spezifische Bedürfnisse. Alle wesentlichen Aspekte rund um die Praxisführung stehen hier im Vordergrund. Fragen der Wirtschaftlichkeit und Bewertung, aber auch der Abgabe und Übernahme einer Praxis werden mit Experten aus den verschiedenen Bereichen diskutiert. In allen Fortbildungen werden von erfahrenen Referierenden praxisnahe Tipps zur eigenen Praxisführung vermittelt – nach dem Motto: aus der Praxis für die Praxis. Ein zweiter Schwerpunkt sind Seminare zu aktuellen Änderungen der Gebührenordnungen.

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