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Zum Tag der Organspende: BDC-Präsident weist auf die große Bedeutung der Transplantationschirurgie hin

Das bekannte Potenzial der Transplantationschirurgie lässt sich nur dann ausreichend nutzen, wenn auch genügend Spenderorgane zur Verfügung stehen. Darauf macht auch der Präsident des Berufsverbands der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC), Prof. Dr. med. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer, nachdrücklich aufmerksam. Deutschland liegt seit längerem bei der Zahl der Organspender in Europa auf einem der hinteren Plätze, was die Statistik der International Registry in Organ Donation and Transplantation (IRODaT) belegt. Am 5. Juni 2021 findet nun der diesjährige Tag der Organspende statt, er steht unter dem Motto „Entscheide dich“.

Unter diesem Aspekt appelliert H.-J. Meyer: „Wir können die Bevölkerung nicht oft genug auffordern, sich mit diesem schwierigen und gesellschaftlich relevanten Thema zu befassen: Treffen Sie ihre persönliche, selbstbestimmte Entscheidung und dokumentieren Sie diese in einem Organspendeausweis. Nur bei einem solchen Nachweis ist die Transplantationschirurgie dann auch in der Lage, effektiver helfen zu können.“

Laut IRODaT steht Spanien im europäischen Vergleich im Jahr 2020 mit 37,4 postmortalen Organspenderinnen und -spendern pro eine Million Einwohner an der Spitze. Deutschland hingegen liegt mit 11,0 fast ganz am Ende. Besser positioniert sind zum Beispiel Österreich (23,9), Tschechien (23,3) oder Italien (21,6). Unabhängig von der teilweise bestehenden Möglichkeit der „Lebendspende“ eines Organs, ist es nach Meinung des Bundesgesundheitsministers als positiv einzustufen, dass die Organspenderzahlen in Deutschland während der Pandemie – im Jahr 2019 waren es 932 Spender, 2020 immer noch 913 – im Gegensatz zu anderen Ländern nahezu stabil geblieben sind. Dies ist sicherlich mitbedingt durch die zur Verfügung stehende Unterstützung der 2019 eingerichteten Koordinationsstelle für die Organspende. Allerdings meldet die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) nun von Januar bis April 2021 im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum leichte Rückgänge. Bei den Organspendern sind es 1,8 Prozent, bei den gespendeten Organen 3,3 Prozent und bei den transplantierten Organen 3,5 Prozent.

Eine Steigerung der Spenderzahlen ist also anzustreben, denn mehr als 9.000 Menschen warten in unserem Land auf ein Spenderorgan. „Schwer kranken Patienten könnte durch eine Organtransplantation geholfen werden. Die Transplantationsmedizin hat sich dabei in den letzten Jahren ständig weiterentwickelt. Das kann sich natürlich nur auswirken, wenn auch eine ausreichende Zahl an postmortalen Spenderorganen zur Verfügung steht“, so der BDC-Präsident. Selbst eine negative Entscheidung zur Organspende ist wichtig, denn sie schafft Klarheit für Angehörige und nimmt ihnen im Zweifelsfall eine schwierige Belastung ab. Der Tag der Organspende soll aber nicht nur zu einer Entscheidung aufrufen, vielmehr ist auch allen Organspendern und ihren Familien für ihre Bereitschaft zur Organspende ganz besonders zu danken.

Im Januar 2020 hatte der Deutsche Bundestag die sogenannte doppelte Widerspruchslösung zur Organspende abgelehnt. Es bleibt damit in Deutschland bei der Entscheidungslösung: Eine Organspende ist nach wie vor nur bei Einwilligung zu Lebzeiten oder Zustimmung des nächsten Angehörigen möglich. Allerdings möchte man in Zukunft die Spendenbereitschaft verstärkt und regelmäßiger hinterfragen und vermehrt Informationsmaterial zur Verfügung stellen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) soll zudem ein Register für Erklärungen zur Organ- und Gewebespende einrichten. Geregelt ist das alles im Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende. Es tritt am 1. März 2022 in Kraft.

BDC-Webinar am 09. Juni 18:00 Uhr: Update Immunonkologie

Am Mittwoch, 09. Juni 2021 findet 18:00 Uhr das nächste BDC-Webinar der Reihe „Chirurgie aktuell” statt.

Im Fokus steht das Thema: „Update Immunonkologie – was muss der Viszeralchirurg wissen?”

Im Rahmen des Webinars wird zunächst ein strukturierter Überblick über Entwicklung und grundsätzliche Konzepte der Immuntherapie gegeben. Darauf aufbauend wird die Zulassungssituation und Studienlandschaft bei viszeralchirurgisch relevanten gastrointestinalen Tumoren diskutiert. Abschließend werden neuartige Nebenwirkungen und Komplikationen der Immuntherapie diskutiert mit besonderem Schwerpunkt auf viszeralchirurgisch relevante Komplikationen.

Chirurgie aktuell-Webinar: „Update Immunonkologie – was muss der Viszeralchirurg wissen?”

Referent: PD Dr. med. Hans Schlösser

Jetzt anmelden:  www.bdc-eakademie.de

Jeden Monat neu: Nehmen Sie an unseren Webinaren zu den aktuellen „Leitlinien in der Chirurgie“ und „Chirurgie aktuell” interaktiv per Chat teil. Oder sehen Sie die bereits vergangenen Sessions bequem on demand an. Neu: Mit der Reihe „Chirurgie aktuell“ hat die  BDC|eAkademie im Januar 2021 eine zweite Webinarreihe gestartet. Hier klicken für die Übersicht.

BDC-Praxistest: Personaluntergrenzen für Ärzte und Ärztinnen aus juristischer Sicht

Vorwort

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

seit Oktober 2018 regelt die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) Untergrenzen für pflegende MitarbeiterInnen in sensitiven Krankenhaus-Bereichen. Der Vorstoß war zur Verbesserung von Krankenversorgung und Arbeitszufriedenheit gedacht und sollte en passant auch der gewinnabschöpfenden Personalpolitik bekannter Klinikbetreiber entgegenwirken. Doch seitdem gab es neben schmalem Lob auch massive Kritik. Während manche durch die Verordnung endlich einen angemessenen Personalzuwachs in der Krankenhaus-Pflege erwarten, beklagen andere die starren Vorgaben und das bürokratielastige Verfahren.

Doch auch wenn die PpUVG noch ordentlich ruckelt, melden sich schon die Nächsten, denen immer alles zu wenig ist. Der Marburger Bund fordert Personaluntergrenzen auch für Krankenhaus-Ärzte, vor allem um die individuelle Arbeitslast zu senken. „Die ich rief, die Geister…“ könnte man meinen, doch es formieren sich auch hier die Widerstände, natürlich am stärksten auf Seiten der Kostenträger. Der Bundesärztekammer reichen Untergrenzen gar nicht mal mehr aus, fürchtet man doch durch die PpUVG eine Verlagerung ehemals pflegerischer Tätigkeiten auf die Ärzteschaft. Klare Personalvorgaben für Ärzte sollen hier das effektive Steuerungs-Tool darstellen.

Wenn man sich jetzt aber schon streitet, wer eigentlich was leisten soll, ist die Situation endgültig vertrackt. Das allseits geforderte, allumfassende und alle denkbaren Varianten abbildende, fälschungs- und idiotensichere Berechnungssystem erscheint dem erfahrenen Pragmatiker zudem wie das Gold der Alchemie.

Alles klar? Nein, natürlich nicht. Grund genug für den BDC, das Thema von verschiedenen Standpunkten zu beleuchten, denn Erhellung tut Not. Aber keine Sorge: An einen OP-Tisch passen nur selten mehr als drei Chirurgen gleichzeitig. Vielleicht wäre es da zumindest für uns Ärzte cleverer, endlich über eine Entschlackung des Arbeitsalltags zu diskutieren, als immer nur noch mehr Personal zu fordern, das der Arbeitsmarkt auch gar nicht bietet.

Erhellende Lektüre wünschen

Prof. Dr. med. C. J. Krones und Prof. Dr. med. D. Vallböhmer

Die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) ist mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 10.02.2018 in Kraft getreten. Diese Verordnung regelt die Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern. Kurz nach Inkrafttreten dieser Verordnung wurden bereits Stimmen laut, die auch eine Personaluntergrenze für Ärzte fordern. Der Marburger Bund hat dabei kritisiert, dass eine Unterscheidung zwischen nicht ärztlichem und ärztlichem Personal wenig sinnvoll sei. Denn auch im ärztlichen Dienst sei die Stellenbesetzung heute oft unzureichend.

Es stellt sich also die Frage, wie juristisch mit Personaluntergrenzen für Ärzte umgegangen werden muss und was dies möglicherweise für die Ärzteschaft, aber auch für die Krankenhausorganisation, bedeutet.

Dabei muss man ganz klar betonen, dass dies ein Blick in die Zukunft ist, da man eigentlich eine valide juristische Einschätzung erst dann abgeben kann, wenn zumindest ein Gesetz im Entwurf vorliegt. Daran fehlt es noch. Gleichwohl soll mit diesen Ausführungen anhand dessen, was es bereits jetzt eventuell Vergleichbares gibt, die eine oder andere Sorge zerstreut werden.

Haftungsrechtliche Aspekte

Zunächst einmal drängt sich natürlich der Gedanke auf, dass wenn in einem Krankenhaus die gesetzlich vorgegebene ärztliche Personaluntergrenze nicht eingehalten wird, dies haftungsrechtliche Auswirkungen haben könnte, bis hin zum Beispiel zum Verlust des Versicherungsschutzes.

Es ist allerdings nach Auffassung der Autoren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass ein Unterschreiten von Personaluntergrenzen im ärztlichen Dienst dazu führt, dass ein eigenständiger Haftungsbestand im Hinblick auf eine Patientengefährdung geschaffen wird. Dies deshalb, weil bereits in der Vergangenheit keinerlei Fragen der personellen oder sächlichen Ausstattung zentral in die Rechtsprechung der Obergerichte im Zusammenhang mit Arzthaftungsfällen Einzug gehalten haben.

So existiert ja bereits seit deutlich über einem Jahrzehnt in Deutschland ein neues Arbeitszeitgesetz, das hier beispielsweise bei der Einhaltung von Ruhezeiten und der wöchentlichen Höchstarbeitszeit sehr rigide Vorgaben macht. Auch wenn diese durch die ärztespezifischen Tarifverträge etwas abgemildert wurden, so bleibt es doch dabei, dass es feste Grenzen im Zusammenhang mit den Arbeitszeiten der Ärzte gibt.

Den Autoren ist aber kein Arzthaftungsfall bekannt, bei dem dies auch nur ansatzweise eine Rolle gespielt hat. Dies wird weder seitens der Gerichtes besonders fokussiert, noch wird es von Patientenanwälten auch nur ansatzweise gerügt.

Dies hat auch einen sehr einfachen Hintergrund: denn letztendlich ist es aus juristischer Sicht zunächst einmal fast gleichgültig (wenn man einmal z.B. von den Fällen des Befunderhebungsfehlers und Diagnosefehlers absieht), aus welchen Gründen der Patient zu Schaden gekommen ist.

Maßgeblich ist allein, ob ein Schaden vorliegt oder nicht. Darüber hinaus ist es jahrzehntelange Spruchpraxis des Bundesgerichtshofes, dass er das ärztliche Handeln an dem festmacht, was den Regeln der ärztlichen Kunst entspricht und nicht anhand dessen, was beispielsweise arbeitszeitrechtliche Vorgaben bedingen.

Es ist schlechterdings unvorstellbar, dass durch die bloße Einführung einer Personaluntergrenze im ärztlichen Dienst die Definition des Behandlungsfehlers sich verändert. Es wird auch hier davon auszugehen sein müssen, dass nach wie vor ein Behandlungsfehler dann vorliegt, wenn gegen anerkannte Regeln der Heilkunde verstoßen und aus Sicht ex ante diejenige Sorgfalt, die von einem ordentlichen, pflichtgetreuen Arzt in der konkreten Situation erwartet werden kann, außer Acht gelassen worden ist.

Wie sich aus dieser Definition ergibt, geht es um die individuelle Sorgfaltspflicht des Arztes. Ob er diese Sorgfalt verletzt hat, weil er übermüdet ist, weil er über die notwendigen Fachkenntnisse nicht verfügt oder aber weil er in einem Krankenhaus tätig wird, das die Personaluntergrenze nicht einhält, ist zunächst einmal für die individuelle Haftung des handelnden Arztes unerheblich.

Daneben gibt es natürlich auch eine Organisationsverantwortung des abteilungsführenden Chefarztes und des Krankenhausträgers. Natürlich ist der Chefarzt dafür verantwortlich, dass er fachlich geeignetes Personal einsetzt, wenn also einmal erweislich wäre, dass beispielsweise der diensthabende Arzt völlig ungeeignet ist, um eigenverantwortlich Patienten zu behandeln oder gar Operationen durchzuführen, so würde dieses Unvermögen auf den Chefarzt durchschlagen. Aber auch hier ist wiederum maßgeblich die individuelle Fertigkeit des handelnden Arztes und nicht die Frage, ob etwaige Personalschlüssel besetzt sind, wie lange der Arzt tätig war etc.

Insofern ist aus heutiger Sicht auch organisatorisch ein Haftungsanspruch eigentlich nicht anzunehmen.

Schließlich stellt sich dann die Frage, ob möglicherweise der Versicherungsschutz verloren geht, wenn Personaluntergrenzen nicht eingehalten werden.

Man kann heute noch nicht abschätzen, inwieweit Haftpflichtversicherer die Einhaltung von Personaluntergrenzen als Aspekt ansehen, der beispielsweise bei Nichteinhaltung ein risikoerhöhendes Moment ist, was zu einer Erhöhung der Prämie führt. Arbeitszeitrechtlich hat dies bislang keine Rolle gespielt, im Zusammenhang mit Personaluntergrenzen, die ja dann etwas transparenter zu definieren und zu überprüfen sind, wie das Arbeitszeitgesetz, mag dies nicht von der Hand zu weisen sein.

Sofern dieser Aspekt nicht gesondert von den Versicherungen aufgegriffen wird oder aber mit den Versicherungen entsprechend kommuniziert wird, ist allein aufgrund der Tatsache, dass Personaluntergrenzen nicht eingehalten werden, ein Verlust des Versicherungsschutzes nicht zu besorgen. Denn grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass eine Leistungsfreiheit wegen Gefahrerhöhung deshalb nicht greift, weil die Haftpflichtversicherung von vornherein alles abdecken soll, was die Gefahr erhöht.

Eine Leistungsfreiheit wegen grob fahrlässigen Herbeiführens des Versicherungsfalles ist ebenfalls nicht anzunehmen, da dieser Thematik für eine Haftpflichtversicherung nicht gilt, sondern nur für Sachversicherungen.

Schließlich ist es auch kaum vorstellbar, dass eine Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalles eintritt, man müsste dann ja bewusst in Kenntnis der möglichen Patientengefährdung die Behandlung vornehmen. Insofern ist auch dieser Aspekt der Leistungsfreiheit eher auszuschließen.

Zwar existieren hierzu noch keine Publikationen im Zusammenhang mit Personaluntergrenzen von Ärzten, aber die im Zusammenhang mit dem Arbeitszeitgesetz aufgestellten Grundsätze müssen gleichfalls aus Sicht der Autoren hier gelten.

So kann man als Zwischenfazit bereits jetzt aufstellen, dass haftungsrechtlich sich vermutlich am Maßstab der ärztlichen Sorgfalt auch durch ein Personaluntergrenzengesetz für Ärzte sich nichts ändern wird. Der Haftpflichtversicherungsschutz an sich geht auch nicht verlustig, sofern die Versicherungen hier nicht in ihren Bedingungen Änderungen durchführen.

Hat ein Patient Anspruch auf Einhaltung der Personaluntergrenzen

Auch hier möchten sich die Autoren soweit aus dem Fenster lehnen, dass schlechterdings es unvorstellbar ist, dass ein Patient Anspruch darauf hat, dass Personaluntergrenzen eingehalten werden und falls dies in einem Krankenhaus nicht der Fall sein sollte, er diese Personaluntergrenzen erfolgreich einklagen kann.

Was eher vorstellbar ist, dass im strukturierten Qualitätsbericht, zu deren Veröffentlichung Krankenhäuser ja seit dem Jahr 2005 regelmäßig verpflichtet sind, hier aufgeführt werden muss, ob Personaluntergrenzen eingehalten werden. Denn der strukturierte Qualitätsbericht soll ja den Stand der Qualitätssicherung darstellen und soll auch bereits jetzt Art und Anzahl der Leistungen des Krankenhauses ausweisen. Eine Aufnahmeverpflichtung ist daher nicht von der Hand zu weisen, gleichwohl offen. Daraus resultiert aber nicht unmittelbar ein einklagbarer Anspruch des Patienten.

Kostenfolgen bei Unterschreitung der Personaluntergrenze

Dieser Aspekt ist etwas, der realistischer zu besorgen sein wird. Es kann natürlich sein, dass im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben das Recht definiert wird, dass Kostenträger bei der Unterschreitung der Personaluntergrenzen Zahlungen verweigern bzw. Abschläge vornehmen.

Ebenso ist es allerdings denkbar, dass weniger Abschläge vorgenommen werden, sondern eher eine Erhöhung für den Fall, dass die vorgegebenen Personaluntergrenzen eingehalten werden. Dies kann allerdings abschließend erst dann beurteilt werden, wenn ein etwaiger Gesetzesentwurf, der derzeit ja noch in weiter Ferne liegt, vorliegt. Dann wird es auch Aufgabe der Berufsverbände sein, hier nach Möglichkeit gestaltend mitzuwirken.

Gleichwohl ist die Frage des Einflusses auf die Vergütung eine, die sicherlich im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens beantwortet werden wird und sicherlich auch eine Rolle spielen wird, damit die Motivation der Umsetzung erhöht wird.

Reaktionsmöglichkeiten der Ärzte bei Unterschreitung der Personaluntergrenze

Ein sehr spannendes und sicherlich auch praxisrelevantes Thema wird sein, wie man damit umgeht, wenn der Krankenhausträger die Personaluntergrenzen im Zusammenhang mit der Ärzteschaft nicht einhält.

Hier ist dann die Frage, inwieweit sich daraus ein Anspruch für den abteilungsführenden Chefarzt ergibt, ausreichend Personal zu erhalten und wie der einzelne Arzt damit umgeht, dass in seiner Abteilung bzw. seinem Krankenhaus die Personaluntergrenzen nicht eingehalten werden.

Hier muss man zunächst einmal unterscheiden zwischen abteilungsführendem Chefarzt, der ja auch eine Organisationsverpflichtung im Rahmen seiner Abteilung hat und dem jeweiligen individuell betroffenen Arzt.

Beim abteilungsführenden Chefarzt wird es so sein, dass sich sein Anspruch auf ausreichende Personalstärke vermutlich ein weiteres Mal manifestiert. Es gibt bereits jetzt ein gerichtliches Urteil, das einem Chefarzt Anspruch auf ausreichend Personalstärke zubilligt, damit er seine Dienstaufgaben im Rahmen seines Chefarztdienstvertrages erfüllen kann. Denn regelmäßig ist es so, dass der Chefarzt verantwortlich ist für die Leitung seiner Abteilung und ihm insbesondere bereits jetzt standardmäßig die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes übertragen wird. Die Kombination aus beidem führt dazu, dass der Krankenhausträger jetzt schon verpflichtet ist, für diese Dienstaufgaben ausreichend Personal vorzuhalten und zwar unabhängig davon, ob dies vertraglich fixiert wird oder nicht.

Die Realität ist natürlich aber auch, dass bislang bezüglich Klagen auf ausreichendes Personal verständlicherweise durchaus Zurückhaltung geübt wird.

Dieser bereits jetzt dem Grunde nach bestehende Anspruch wird vermutlich ein weiteres Mal gestärkt dadurch, dass eine Personaluntergrenze eingeführt wird. Insbesondere dann, wenn sich daraus beispielsweise wirtschaftliche Sanktionen durch die Kostenträger ergeben, wird dies ein Aspekt sein, der den Personalanspruch ein weiteres Mal manifestiert. Dies deshalb, weil der Chefarzt ja neben seiner ganz allgemein bestehenden Organisationsverpflichtung regelmäßig auch für die Wirtschaftlichkeit seiner Abteilung verantwortlich ist. Sollte sich dann noch aus einer variablen Vergütung ein Anspruch gegen den Krankenhausträger auf Beteiligung an den Einnahmen ergeben, was ja nicht gesetzlich verboten ist, so würde ein Abschlag durch die Kostenträger hierdurch unmittelbar auf den Chefarzt durchschlagen. Auch deshalb wäre dann ein Anspruch auf ausreichendes Personal sicher noch leichter durchsetzbar, als dies heute bereits der Fall ist.

Für den individuell betroffenen Arzt dürfte sich wenig Neues ergeben. Es wird sich nach wie vor aus einer Unterschreitung der Personaluntergrenze kein Leistungsverweigerungsrecht ergeben.

Wenn der individuell betroffene Arzt sich überfordert fühlt, beispielsweise, weil er zu viele Dienste machen muss und deswegen sich nicht ausreichend erholen kann, so hat er die Möglichkeit, den Krankenhausträger ggf. abzumahnen. Er kann auch die Umsetzung einer Dienstanweisung, die gegen das Arbeitszeitgesetz verstößt, grundsätzlich verweigern. Hier hat sich die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes geändert, wonach es zunächst so war, dass Dienstanweisungen immer Folge geleistet werden muss, auch wenn diese nicht zulässig waren. Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht aufgegeben, nicht zulässige Dienstanweisungen müssen nicht umgesetzt werden. Dies birgt allerdings das Risiko in sich, dass natürlich immer fraglich ist, inwieweit eine Dienstanweisung (beispielsweise Dienstpläne etc.) zulässig sind. Ob der individuelle Arzt die notwendigen Kenntnisse von den Feinheiten des Arbeitszeitgesetzes und den tarifvertraglichen Möglichkeiten hat, wird dann fraglich sein. Ein gewisses Risiko besteht immer. Was aber auch hier ein Mittel der Wahl sein kann, ist die Klage.

Auch hier kann man dann ggf. auf Feststellung klagen, dass die Personaluntergrenze nicht eingehalten wird und deswegen das Dienstsystem beispielsweise unzulässig ist. Auch hier wird man allerdings abwarten müssen, wie die konkrete Ausgestaltung des Gesetzes sich darstellt.

Schlussbetrachtung

Wie dargestellt, ist aus juristischer Sicht eine finale Abschätzung, was sich für Rechte und Pflichten aus einem möglichen Personaluntergrenzengesetz bei der Ärzteschaft ergeben, noch nicht möglich.

Die größten Bedenken bestehen sicherlich im Hinblick auf das Haftungsrecht, die es allerdings bereits heute zu zerstreuen gilt. Es ist schlechterdings unvorstellbar, dass sich die Definition der ärztlichen Sorgfalt dadurch ändert, dass ein Personaluntergrenzengesetz Einzug hält. Eine haftungsrechtliche Auswirkung scheint daher ausgeschlossen.

Versicherungsrechtlich wird es davon abhängen, wie die Versicherungsträger auf ein solches Gesetz reagieren und ob sie beispielsweise den Vertragsschluss davon abhängig machen, dass diese gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden oder aber einen Risikozuschlag vornehmen, wenn diese nicht eingehalten werden. Hier muss die zukünftige Entwicklung abgewartet werden. Wenn keine Reaktion erfolgt, so ist eine Haftungsfreistellung aufgrund der Unterschreitung der gesetzlich vorgegebenen Personaluntergrenzen in der Ärzteschaft nicht zu besorgen.

Inwieweit sich vergütungsrechtlich eine Auswirkung ergibt, hängt dann davon ab, was der Gesetzgeber vorgibt. Dies scheint wahrscheinlich und ist auch nicht auszuschließen.

Personalrechtlich wird sich der bereits jetzt bestehende Anspruch des abteilungsführenden Chefarztes auf ausreichendes Personal eher noch erhöhen. Für die individuellen Mitarbeiter ändert sich nichts. Auch hier muss dann der Gang zu den Gerichten, wie bereits jetzt bei der Nichteinhaltung des Arbeitszeitgesetzes, erwogen werden.

So wird davon auszugehen sein, dass die Probleme eines Personaluntergrenzengesetzes in der Ärzteschaft nicht vordergründig in der juristischen Auseinandersetzung mit dem Patienten zu suchen sind, sondern eher betriebswirtschaftlich und tatsächlich personalrechtlich bestehen werden.

Hüttl P, Heberer J: BDC-Praxistest: Personaluntergrenzen für Ärzte aus juristischer Sicht. Passion Chirurgie. 2021 April; 11(04): Artikel 05_01.

G-BA nimmt Eingriff “Amputation beim diabetischen Fußsyndrom” in Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren auf

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in seinen Sitzungen am 16. April 2020 und 18. März 2021 beschlossen, die Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren um den Eingriff “Amputation beim diabetischen Fußsyndrom” in die Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren aufzunehmen. Der Beschluss tritt am 27. Mai 2021 in Kraft.

Damit umfasst die Richtline nun folgende Eingriffe:

Eingriff 1: Mandeloperationen (Tonsillektomien, Tonsillotomien)
Eingriff 2: Gebärmutterentfernungen (Hysterektomien)
Eingriff 3: Arthroskopische Eingriffe an der Schulter
Eingriff 4: Amputation beim diabetischen Fußsyndrom
Eingriff 5: Implantationen einer Knieendoprothese

G-BA-Beschluss RiLi Zweitmeinungsverfahren - Amputation diabetischer Fuß

Empfehlungen von DGCH/BDC und DGAI/BDA zur Terminierung elektiver operativer Eingriffe nach Covid-19-Infektion und -Impfung

Auch nach Verfügbarkeit effektiver Impfstoffe zur Prophylaxe einer manifesten Infektion und eines schweren Verlaufs der Covid-19 Infektion befinden wir uns derzeit noch in der sogenannten dritten Welle der Pandemie. In der Chirurgie und den operativen Fächern hat in den letzten Monaten zwangsläufig eine Umstellung des operativen Managements, u.a. mit Verschieben zahlreicher Eingriffe und dann nur nach negativem Test, stattgefunden.

Trotzdem ergeben sich auch bei zunehmender Erfahrung mit SARS-CoV-2-Infektionen aktuell zwei Problemfelder. Erstens die Frage nach dem freien Intervall zwischen durchgemachter Infektion und geplantem operativen Eingriff sowie zweitens die Diskussion über die Möglichkeit einer präoperativen Impfung und den nachfolgenden Abstand zu einer Operation. Während für die erste Fragestellung schon relativ valide Daten vorliegen, trifft dies für die präoperative Impfung noch nicht zu. Es können daher nach derzeitigem Wissensstand lediglich Empfehlungen ausgesprochen werden, die abhängig von neuen Entwicklungen stetig aktualisiert werden müssen.

Die nachfolgenden Empfehlungen gelten für elektive operative Eingriffe. Notfalleingriffe und sehr dringliche Operationen sollen unabhängig vom Impfstatus durchgeführt werden.

Zeitpunkt eines chirurgischen Eingriffes nach Covid-19 Infektion

Daten einer prospektiven Kohortenstudie haben gezeigt, dass operative Interventionen und Eingriffe, unabhängig vom jeweiligen Schweregrad, bei vorliegender Covid-19 Infektion mit einer signifikanten Erhöhung der postoperativen Morbidität und Letalität einhergehen (1). In der nachfolgenden Studie wurde nun der optimale Zeitpunkt zwischen durchgemachtem Infekt und geplantem operativen Eingriff im Vergleich zu Patienten ohne frühere Covid-19 Infektion evaluiert, wobei als Ergebnisparameter die 30-Tage Letalität und pulmonale Komplikationen herangezogen wurden. Beide Parameter waren bei jeweils zweiwöchigem Intervall bis zur 5./6. postoperativen Woche gegenüber Patienten ohne Covid-19 Infekt deutlich erhöht. Erst bei einem operativen Eingriff ab der siebten Woche nach Infektionsbeginn und ohne fortbestehende Symptome waren Letalität und pulmonale Komplikationen mit 2,0% vs. 1,4% bzw. 3,5% vs. 2,7% gegenüber der Vergleichskohorte nicht mehr signifikant erhöht (2).

Empfehlung: Ein elektiver Eingriff sollte daher, wenn möglich frühestens sieben Wochen nach Symptombeginn einer stattgehabter Covid-19 Infektion und fehlender fortbestehender Symptomatik erfolgen (2).

Zum Nutzen der Impfung gegen Covid-19 vor elektiven Eingriffen

Diese Frage gewinnt zunehmend an Bedeutung, weil in absehbarer Zeit ausreichend Impfstoff vorhanden sein wird, um allen Menschen und damit auch allen Patienten ein Impfangebot machen zu können. Nach einer noch nicht veröffentlichten Studie der Universität Oxford kann dabei davon ausgegangen werden, dass bei den derzeit gebräuchlichen Impfstoffen bereits durch die erste Impfdosis nach einem Intervall von drei Wochen das Risiko einer Infektion mit dem Coronavirus um 65 Prozent, die Zahl der symptomatischen Infektionen um 72 Prozent gesenkt werden kann (3).

Empfehlung: Jüngst publizierte Daten weisen auf ein deutlich gesteigertes Komplikations- und Letalitätsrisiko bei perioperativ erworbener COVID-19 Infektion hin. Vor diesem Hintergrund erscheint eine – idealerweise vollständige – präoperative Immunisierung gegen Covid-19 vor elektiven Eingriffen sinnvoll und anzuraten (4,5,6). Dies gilt insbesondere für Risikopatienten (COPD, Diabetes, Hypertonus) sowie Patienten mit maligner Grunderkrankung (7).

Der Nutzen einer präoperativen Impfung gilt dabei insbesondere für Eingriffe mit signifikantem Morbiditäts- und Letalitätsrisiko, also typischerweise für Patienten, für die man einen postoperativen Aufenthalt auf der Intensivstation plant. Jüngste Publikationen bestätigten, dass die Letalität bei Patienten nach Operationen und gleichzeitiger COVID-19-Infektion mit zunehmendem Alter steigt und bei Personen über 70 Jahren am höchsten ist. Diesen potentiellen Patienten sollte bereits jetzt aufgrund ihres Alters eine Impfung ermöglicht werden.

Zur Frage des Intervalls zwischen Covid-19 Impfung und operativem Eingriff

Vergleichsweise wenig Daten liegen vor zur Frage des notwendigen Intervalls zwischen einer stattgehabten Impfung und der nachfolgenden Durchführung des elektiven Eingriffs vor. Elektive Operationen können grundsätzlich auch nach Empfehlung der UK Surgical Royal Colleges bereits kurz nach der Impfung durchgeführt werden (8). Allerdings kann der Impfstoff selbst innerhalb von 1 bis 2 Tagen nach Applikation zu systemischen Ereignissen wie Fieber, grippeartigen Symptomen und Schüttelfrost führen, die jedoch bald darauf – normalerweise innerhalb einer Woche – vollständig abklingen.

Empfehlung: Zwischen Impfung und Operation sollte daher ein Intervall von mindestens 1 Woche eingehalten werden, u.a. um eventuell auftretende Symptome wie Fieber oder Schüttelfrost korrekt als Folge der Impfung und nicht einer möglichen Komplikation der Operation zuordnen zu können. Zudem sollte die entsprechende kompetente Immunantwort nach Impfung eingetreten sein (9). Vor diesem Hintergrund ist ein Intervall von mindestens 2 Wochen nach erfolgter vollständiger Immunisierung anzustreben.

Literatur

  1. COVIDSurgCollaborative: Mortality and pulmonary complications in patients undergoing surgery with perioperative SARS-CoV-2-infection: an international cohort study, Lancet 2020; 396: 27-38
  2. COVIDSurg Collaborative and GlobalSurg Collaborative: Timing of surgery following SARS.CoV-2-infection: an international prospective cohort study, Anaesthesia 2021. doi: 10.1111/anae.15458
  3. www.tagesschau.de: Meldung vom 23.04.2021 15:25:46, Studie: Erste Impfdosis verringert Infektionsrisiko um 65 Prozent
  4. M. Lenzen-Schulte: SARS-CoV-2: Nicht ohne Impfung in den Op-Saal, Deutsches Ärzteblatt 2021; 16: B692-693
  5. COVIDSurg Collaborative, GlobalSurg Collaborative: SARS-CoV-2 vaccination modelling for safe surgery to save lives: data from an international prospective cohort study, BJS. doi: 101093/bjs/znab 101
  6. Patients should receive COVID-19 vacccine before surgery to reduce risk of post-operative death-study: https://www.birmingham.ac.uk/news/latest/2021/03/vaccine-before-surgery-reduces-risk-of-death.aspx
  7. Hierarchisierung von Risikofaktoren für schwere COVID-19 Erkrankungsverläufe im Kontext der COVID-19-Schutzimpfungen – Eine gepoolte GKV-Routinedatenanalyse basierend auf 30 Millionen Versicherten, RKI: Epid Bull 2021;19:3 -12 | DOI 10.25646/8405.2
  8. Statement of the UK Surgical Royal Colleges: For surgeons and surgical teams treating patients during COVID-19-endorsement of the Academy statement. 22 January 2021
  9. Limper, U., Defosse, J., Schildgen,O and F. Wappler: Perioperative risk evaluation in patients scheduled for elective surgery in close relation to their vaccination, BJA. doi: 10.1016/j.bja.2021.03.007

Editorial zur Digitalisierung in der Chirurgie

Sehr geehrte Leserin,
sehr geehrter Leser,

ich bin ein begeisterter Verfechter und Unterstützer der digitalen Transformation. Die digitale Transformation im Gesundheitswesen ist weit mehr als Robotik. Sie ist digitale Pflege, Telechirurgie, digitales Patienten-, Dokumenten- und Prozessmanagement sowie fachspezifisches Informationsmanagement, um nur einige Schlagwörter zu nennen. Aber eines ist auch klar, aus schlechten analogen Prozessen werden keine guten digitalen Prozesse. Das Einscannen von per Fax erhaltenen Dokumenten als PDF-Datei in die ePatientenakte oder das klinische Dokumentationssystem hat nichts mit Digitalisierung zu tun. Die Robotik mag spektakulär sein, aber wir Ärzte müssen uns auch um die anderen Bereiche kümmern. Aber nicht alles muss digitalisiert werden, nur weil es zurzeit modern, schick und innovativ klingt.

Die Digitalisierung ist zu einem „Gamechanger“ gerade in der Medizin und im Gesundheitswesen geworden. Als Gamechanger wird eine Person oder eine Idee bezeichnet, die das herkömmliche Vorgehen radikal verändert. Sie revolutionieren umfassende Bereiche in der Wirtschaft sowie Gesellschaft und damit auch das Gesundheitswesen. Leider hinkt das Gesundheitswesen in Deutschland diesbezüglich ein wenig hinterher. Smart Hospital, das eRezept und das Fiasko um die ePatientenakte, aber auch, dass immer noch viele Praxen mit dem Fax und 24-Nadel-Drucker arbeiten, zeigen uns sehr deutlich, dass eine gute Idee durch eine suboptimale und viel zu langsame Umsetzung ihr Potenzial nicht entfalten kann. Vielfach reibt man sich in bürokratischen Diskussionen und Kämpfen auf Nebenschauplätzen auf. Die starke Regulierung des deutschen Gesundheitswesens ist hier Fluch und Segen zugleich. Ich hatte in den letzten Monaten und Wochen zahlreiche Kontakte zu jungen Menschen und digitalen Projekten im Bereich des Gesundheitswesens. Vielfach war ich über deren Elan und Zukunftsvision erstaunt und begeistert. Ich fragte mich mitunter:

• Warum ist uns Ärzten diese Idee nicht gekommen?

• Warum treiben wir dieses Feld nicht voran?

• Wo ist unsere Begeisterung geblieben?

Es scheint so zu sein, dass wir Ärzte zu tief in den eigenen Strukturen und mitunter veralteten Prozessen verhaftet sind.

Aber auch die noch deutliche Zurückhaltung der Ärzte in den Kliniken und Praxen ist ein Ausdruck für diese Entwicklung. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Digitalisierung finanzieller Investition und personeller Ressourcen bedarf. Diese sind mitunter nicht gänzlich in den Vergütungsstrukturen medizinischer Leistungen abgebildet. Digitalisierung kostet Geld, gerade weil wir sie in der Vergangenheit zu sehr vernachlässigt haben. Es gibt noch zu wenige digitale Hub-Initiativen oder Innovations-Labs an deutschen Kliniken. Hier müssen wir besser und schneller werden. Die Wirtschaft und andere Bereiche machen es uns erfolgreich vor. Das Potenzial haben wir allemal.

In der Zeit der Pandemie haben wir aber auch neue Modelle der medizinischen Fort- und Weiterbildung durch den Wegfall von Präsenzkongressen erfahren dürfen. In Zukunft werden wir sogenannte Hybridkongresse mit Präsenz- und Onlineveranstaltungen erleben. Und ja, dies ist aus meiner Sicht ein enormer Fortschritt, den wir der Pandemie zu verdanken haben. Das digitale Logbuch wird in der Weiterbildung endlich Einzug halten und steht bereit. Eine Beurteilung der technischen Umsetzung diesbezüglich ist abschließend noch nicht möglich. Ich hoffe, dass hier eine Ärztekammer übergreifende, landesweit gute, machbare und interoperable sowie anwenderfreundliche Lösung finden wird.

In dieser Ausgabe möchten wir Ihnen wieder ein wenig die digitale Welt näherbringen. Die Entwicklungen sind rasant und scheinen uns mitunter auch in der Fülle zu überfordern. Es gibt aber auch sehr positive und ermunternde Ideen und Projekte.

Ich glaube, dass es uns in dieser Ausgabe wieder gelungen ist, eine breite Themenwahl zur Digitalisierung aufzuzeigen. Zwei Start-ups aus dem medizinischen Bereich berichten über ihre Erfahrungen und Ideen. Die Pandemie hat uns gezeigt, dass das digitale Lernen, die digitale Vorlesung richtig eingesetzt ein brauchbares Tool in der Medizinausbildung sein kann. Hierzu wird uns in dieser Ausgabe der bvmd die studentische Perspektive und die Erfahrungen mit dem digitalen Studium und deren Potenzial berichten. Ich freue mich sehr, dass der Vizepräsident des BDC, Dr. Kalbe, über den Stand der praktischen Digitalisierung in der Praxis berichten wird. Ich wünsche mir sehr, dass die Themenauswahl Ihr Interesse weckt.

Abschließend möchte ich Sie aufrufen: Werden auch Sie ein Gamechanger in der digitalen Chirurgie und fragen sich regelmäßig, wie man Tätigkeiten anders machen kann, führen Sie Gespräche mit inspirierenden Menschen, gern auch abseits der eigenen Profession. Versuchen Sie quer zu denken. Nichts ist unmöglich, vieles machbar. Seien Sie disruptiv. Folgen Sie in den sozialen Netzwerken Zukunftsforschern und versuchen Sie Ihre berufliche Zukunft durch starke emotionale Bilder zu visualisieren.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir Ärzte, und besonders Chirurgen, die Taktgeber und Macher der digitalen Transformation im Gesundheitswesen sein müssen. Wir wissen, was möglich, notwendig und erforderlich ist.

Freuen Sie sich aber auch auf eines der nächsten Themenhefte zur Digitalisierung, in dem wir uns mit modernen technischen Lösungen z. B. Blockchain- und Cloudlösungen sowie künstlicher Intelligenz und Virtual Reality in der Medizin und insbesondere in der Chirurgie beschäftigen werden.

Viel Spaß beim Lesen!

Krüger M: Editorial Digitalisierung in der Chirurgie. Passion Chirurgie. 2021 Mai; 11(05): Artikel 01.

Passion Chirurgie: Digitalisierung im Fokus

Im Mai dreht sich bei uns alles um die Entwicklung der Digitalisierung in der Chirurgie. Dazu gehören neben der Robotik unter anderem auch die Telechirurgie, das digitale Patienten-, Dokumenten- und Prozessmanagement, fachspezifisches Informationsmanagement sowie der Bereich digitale Pflege.

Lesen Sie die thematischen Updates in der neuen Passion Chirurgie zum Digitalen Praxismanagement in der Niederlassung, zur Zukunft des Digitalen im chirurgischen Training und zur Frage „Wieviel Digitales im chirurgischen Studium?“.

Und da wir gerade beim „Training“ sind: Wer noch Training zum Thema „Intensivmedizin & Reanimation“ benötigt: Ende Mai findet ein dreitägiger BDC-Workshop in Potsdam statt, melden Sie sich bei Interesse jetzt an! Hier finden Sie mehr Informationen.

Hier geht’s zur digitalen Ausgabe der aktuellen PASSION CHIRURGIE…

Viel Spaß beim Lesen,
Ihre PASSION CHIRURGIE-Redaktion

Deutscher Ärztetag: Studierende weiterhin für zügige Reform des Medizinstudiums

Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) forderte anlässlich des 124. Deutschen Ärztetages erneut die Politik auf, endlich das Medizinstudium zu reformieren. „Die Novelle der Approbationsordnung ist überfällig – sie passt das Medizinstudium von gestern an die Medizin von morgen an“, betonte bvmd-Präsident Lucas Thieme in seiner Videobotschaft im Rahmen der Eröffnung des virtu­el­len Deutschen Ärztetages.

Finanzierungsvorbehalte und offene Fragen müssten umgehend geklärt werden, damit die neue Ärztliche Approbationsordnung noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden könne. Für viele der Neue­rungen im aktuell vorliegenden Referentenentwurf hätten die Ärzteschaft und die Medizinstudierende seit Jahrzehnten gekämpft, sagte Thieme. Sie seien Bestandteile des Masterplans Medizinstudium 2020: Mehr Praxisnähe mit der konsequenten Ausrichtung des Studiums auf grundlegende ärztliche Fähigkeiten und Fertigkeiten, eine Aufwertung der ambulanten Medizin und die Berücksichtigung der Digitalisierung. Einen besonderen Fokus legte der bvmd-Präsident auf das Praktische Jahr (PJ). „Hier konnten wir den An­liegen der Studierenden mit zahlreichen Stellungnahmen, einem Aktionstag mit Demonstrationszügen in einigen Universitätsstädten und schließlich einer Petition mit mehr als 100.000 Unterzeichnenden Gehör verschaffen“, berichtete er. Die Medizinstudierenden seien erfreut, dass im aktuellen Referentenentwurf zur Reform der Approbations­ordnung den studentischen Forderungen nach einer Lockerung der Fehlzeitenregelung, nach PJ-begleiten­den Lehrveranstaltungen, nach einem Zugang zu den Patientenverwaltungssystemen und nach einer klaren Verantwortlichkeitsstruktur weitgehend entsprochen wurde.

Durch großes Engagement sei es ferner gelungen, die pandemiebedingte Wiedereinführung des Hammer­examens in den meisten Bundesländern abzuwenden und die Wahlfreiheit im Praktischen Jahr zu erhalten sowie eine Ausnahmeregelung für COVID-19-bedingte Fehlzeiten im Praktischen Jahr durchzusetzen.

Quelle: Deutsches Ärzteblatt

Zi Trendreport zeigt erneut deutlichen Rückgang der ambulanten Behandlungsfälle

Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) hat sich mit der Veränderung der vertragsärztlichen Leistungsinanspruchnahme seit Beginn der COVID-Krise für das gesamte Jahr 2020 beschäftigt und die Ergebnisse kürzlich in einem Trendreport veröffentlicht. Demnach führen Kontaktbeschränkungen immer auch zu einer geringeren Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen.

Nachdem die Inanspruchnahme vertragsärztlicher und vertragspsychotherapeutischer Leistungen mit Beginn der COVID-19-Krise Anfang März 2020 stark zurückgegangen und sich erst ab Ende Mai wieder normalisiert hatte, haben die Fallzahlen mit dem zweiten Lockdown ab November 2020 erneut deutlich nachgegeben. Mit Beginn des vierten Quartals sind die Gesamtfallzahlen gegenüber dem Vorjahr zwar zunächst leicht angestiegen (+6,3 Prozent), waren dann ab Anfang November aber mit einem Minus von bis zu 4,5 Prozent gegenüber den Vorjahresmonaten wieder stark rückläufig. Bezogen auf die Versorgungsbereiche sind die stärksten Fallzahlrückgänge bei Kinder- und Jugendärzten mit einem Rückgang von bis zu 16,7 Prozent zu beobachten. Bei psychotherapeutisch tätigen Ärzten betrug der Fallzahlrückgang bis zu 14,1 Prozent. Zudem ist die Anzahl hausärztlicher Fälle mit persönlichem Arzt-Patienten-Kontakt im November 2020 mit minus 13,2 Prozent deutlich unter den Vorjahreswert gesunken. Auch innerhalb der Gruppe der Fachärzte sind ab November erneut Fallzahlrückgänge zu beobachten. Am stärksten fallen diese bei den Hals-Nasen-Ohren-Ärzten (-15 Prozent) und Chirurgen (-12,5 Prozent) aus.

Mehr Details finden Sie im Trendreport

Quelle: Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland

S3-Leitlinie zur EKIT-Hüfte veröffentlicht

Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) hat die S3-Leitlinie „Evidenz- und konsensbasierte Indikationskriterien zur Hüfttotalendoprothese bei Coxarthrose (EKIT-Hüfte)“ veröffentlicht.

Die Implantation einer Hüfttotalendoprothese (Hüft-TEP) ist der häufigste endoprothetische Eingriff in Deutschland. Es bestehen allerdings deutlich regionale Unterschiede in der Versorgungshäufigkeit und zudem sind trotz überwiegend sehr guter Ergebnisse auch Risiken mit diesem Eingriff verbunden. Die korrekte Indikationsstellung hat deshalb sowohl für die individuellen Patient*innen als auch gesundheitsökonomisch eine sehr hohe Relevanz für das deutsche Gesundheitssystem.

Zielorientierung der Leitlinie

Ziel der Leitlinie ist es, Indikations- bzw. Kontraindikationskriterien zur Hüft-TEP auf der Basis von evidenz- und konsensbasierten Empfehlungen abzuleiten. Bei einer breiten Anwendung dieser Kriterien wird die Entscheidungsfindung unterstützt und eine Versorgungsgerechtigkeit ermöglicht. Bisher existieren zwar verbindliche Leitlinien zur Therapie der Coxarthrose, aber keine expliziten und verbindlichen Empfehlungen für die konkrete Indikationsstellung zur Hüft-TEP. Mit der genannten Zielstellung haben die Autor*innen der Leitlinie klinisch relevante Fragestellungen zu den folgenden Themenkomplexen beantwortet, die im Detail im Leitlinienreport aufgeführt sind (siehe Kapitel 4 und siehe Anlage 1 im Leitlinienreport):

  • Diagnosesicherung (Sicherung des objektiven Therapiebedarfs),
  • Leidensdruck der Patient*innen (Erfassung des subjektiven Therapiebedarfs),
  • Prüfung alternativer Therapiemaßnahmen (Prüfung der Zweckmäßigkeit),
  • Kontraindikationen,
  • Optimierung modifizierbarer Risikofaktoren
  • Partizipative Entscheidungsfindung.

Die Empfehlungen der Themenkomplexe soll Ärzt:innen bei der Einschätzung des Therapiebedarfs unterstützen, Gefahren und Risiken für die Patient:innen identifizieren, ausschließen bzw. minimieren, zu einer besseren Information von Patient:innen beitragen und zu einer partizipativen Entscheidungsfindung zwischen Ärzt:innen und Patient:innen führen. In Zusammenschau ermöglichen die genannten Punkte eine fundierte ärztliche Indikationsstellung und damit die Sicherstellung einer bedarfsgerechten und zweckmäßigen Patient:innenversorgung.

Mehr details finden Sie unter www.awmf.org