Alle Artikel von Holger Wannenwetsch

BDC-Journalistenpreis 2022: „Diese 24-Stunden-Schichten sind einfach nur krass“

Interview: Zum BDC Journalistenpreis mit Lukas Hellbrügge

Der BDC hat Lukas Hellbrügge, Journalist beim Bayerischen Rundfunk, für den Film „Ärztin werden: Von der Uni in den OP“ seinen Journalistenpreis 2022 verliehen. Die 12-minütige Kurzreportage ist Teil des YouTube-Kanals „alpha Uni“ des BR und dort seit einem Jahr abrufbar (www.bit.ly/3DPYMRG). Der Film begleitet Mareike L., Assistenzärztin in der Neurochirurgie im Klinikum München-Bogenhausen, bei einem ihrer ersten 24-Stunden-Dienste. Das Video kommt mittlerweile auf über 420.000 Aufrufe. Das neue digitale Format „alpha Uni“ bietet einer jungen Zielgruppe zwischen 16 und 25 Jahren Orientierung und Inspiration bei der Studiums- und Berufswahl. Alle Filme werden auch im Fernsehen ausgestrahlt – der preisgekrönte Film lief auf ARD-alpha am 17.01.2022 und ist auch in der ARD-Mediathek abrufbar.

Im Interview erzählt Hellbrügge, wie es zu dem Film kam und was ihn an dem Thema am meisten bewegt hat.

Passion Chirurgie: Herr Hellbrügge, welche Funktion hatten Sie in dem ausgezeichneten Film?
Lukas Hellbrügge: Ich habe das Thema recherchiert und auch Kamera und Schnitt selbst gemacht. Wir nennen das dann eine „VJ-Reportage“. VJ steht für „Videojournalist“. Der Vorteil: Statt mit einem großen Kamerateam zu drehen, war ich alleine unterwegs und konnte besonders flexibel auch in den zeitkritischen Momenten des Klinikalltags nah dranbleiben.

PC: Der Film ist über den YouTube-Kanal „alpha Uni“ des Bayerischen Rundfunks abrufbar. Dieses Format soll jungen Menschen eine Orientierung bei der Berufswahl geben. Was ist die konkrete Botschaft Ihres Films?
LH: Wir wollen bei „alpha Uni“ zeigen, wie es wirklich ist. Wir verzichten deshalb zum Beispiel auf einen extra Sprechertext. Bei uns erzählen Studenten und Berufseinsteiger ihre Eindrücke auf einer sehr persönlichen Ebene. Für mich war es überraschend, wie groß der Sprung ins kalte Wasser für die junge Ärztin Mareike wirklich war. Sie stand direkt in großer Verantwortung und musste den ganzen Tag über Entscheidungen treffen, das sollte man wissen, wenn man sich überlegt, diesen Weg einzuschlagen.

Zur Person

Lukas Hellbrügge bekommt den Journalistenpreis vom BDC-Präsidenten Professor Dr. Dr. H.-J. Meyer im Rahmen der Präsidiumssitzung am 25. November 2022 verliehen.

Lukas Hellbrügge
Journalist
Bayerischen Rundfunk

 

PC: Wie kamen Sie auf die Idee, gerade das Thema medizinischer Nachwuchs aufzugreifen?
LH: Die Verantwortung ist so groß wie in kaum einem anderen Beruf. Ich fand es spannend zu beobachten, wie junge Menschen damit klarkommen. Ein weiterer Aspekt ist die hohe Arbeitsbelastung mit 24-Stunden-Schichten, auch das wollte ich mir gern ansehen. Darüber hinaus wissen wir aus Gesprächen mit unserer Zielgruppe, dass Einblicke rund ums Medizinstudium sehr gefragt sind.

PC: Inwieweit war Ihnen das Fachgebiet von Frau L., die Neurochirurgie, wichtig und nach welchen Kriterien haben Sie die München Klinik Bogenhausen und Mareike L. ausgewählt?
LH: Dass ich eine Neurochirurgin begleitet habe, war eigentlich Zufall. Ich hatte bei der Klinik angefragt, ob sie mir eine Berufseinsteigerin oder einen Berufseinsteiger für eine Reportage vermitteln können. In dem kommunalen Krankenhaus hatte ich zuvor schon eine Reportage über die Arbeit einer Hebamme im Kreißsaal gedreht und dabei gute Erfahrungen gemacht.

PC: Der Film beginnt mit dem Start von Frau L. als Assistenzärztin im Dezember 2019, zwei Jahre später berichtet sie über ihre Erfahrungen. Welche Herausforderungen gibt es, wenn innerhalb der Handlung so viel Zeit vergeht?
LH: Das ist ja schon unter normalen Umständen eine Herausforderung – und dann brach kurz nach dem ersten Dreh im Dezember 2019 ja die Pandemie aus! Ein Dreh im Krankenhaus war zunächst nicht mehr denkbar. 2021 konnte ich Mareike dann zumindest für ein Interview nochmals treffen. Ein weiterer Dreh bei ihrer Arbeit war damals leider nicht möglich.

PC: Ist Ihnen von den Dreharbeiten etwas besonders in Erinnerung geblieben?
LH: Das Umschalten vom Alltag auf der Station hin zum Notfall, innerhalb weniger Minuten. Das war für mich sehr eindrücklich.

PC: Haben Sie eine spezielle Beziehung zum Gesundheitswesen?
LH: Auf verschiedenen Wegen! Mein Großvater Prof. Theodor Hellbrügge war ein Pionier der Kinderheilkunde, er hat unter anderem die heute üblichen U-Untersuchungen für Kinder und Jugendliche eingeführt. Zusätzlich habe ich einen Teil meiner Kindheit in Krankenhäusern verbracht, weil mir mein rechter Unterschenkel mittels eines Ilizarov-Fixateurs mehrmals verlängert wurde. Auch wenn das keine so schöne Erfahrung war, hat das sicher auch mein großes Interesse am Gesundheitswesen mitgeprägt.

PC: Welches persönliche Fazit ziehen Sie aus Ihrer Reportage?
LH: Ich persönlich finde diese 24-Stunden-Schichten einfach nur krass! Hier müsste sich dringend etwas verändern.

PC: Was machen Sie mit dem Preisgeld, dürfen wir das wissen?
LH: Einen Teil spende ich an die Organisation Ärzte ohne Grenzen. Ansonsten steckt meine Familie gerade in einem Umzug, da ist das Preisgeld sehr willkommen.

PC: An welcher Arbeit sitzen Sie derzeit, dürfen wir auch das wissen? Dreht sie sich wieder um die Medizin?
LH: Mein aktuelles Thema ist die schwierige Situation im Rettungsdienst. Hier habe ich einen jungen Notfallsanitäter in München begleitet.

BDC-Journalistenpreis

Der BDC-Journalistenpreis wird seit 2014 einmal jährlich verliehen. Der preisgekrönte Beitrag soll die Faszination der Chirurgie einem breiten Publikum vermitteln. Die besten Chancen haben Beiträge, die aktuelle Leistungen in der Chirurgie aus Ärzte- oder Patientensicht, Entwicklungen auf diesem Gebiet oder die Chirurgie betreffende medizinische oder gesundheitspolitische Auswirkungen thematisieren.

Für den Journalistenpreis 2023 können interessierte Journalistinnen und Journalisten ihre Arbeiten bis zum 31. August 2023 einreichen. Die eingereichten Beiträge müssen vom 1. Juli 2022 bis 31. Juli 2023 in einem Publikumsmedium – also nicht in der Fachpresse – veröffentlicht worden sein. (E-Mail an: [email protected])

Wannenwetsch H: Journalistenpreis 2022: „Diese 24-Stunden-Schichten sind einfach nur krass“. Passion Chirurgie. 2023 März; 13(03): Artikel 09_01.

„Das Nonplusultra sind die Prüfungssimulationen“

Als Studentin der Humanmedizin an der Rheinisch-Westfälisch Technischen Hochschule (RWTH) Aachen hat Marijke van der Laan am 18. und 19. März 2022 am Kongress Staatsexamen und Karriere (S+K) in Essen teilgenommen. Der Kongress wird zweimal im Jahr vom Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten (BDI) und dem Berufsverband der Deutschen Chirurgie (BDC) organisiert. Er dient der Vorbereitung auf die M3-Abschlussprüfung im Medizinstudium. Am Rande der Veranstaltung sprach sie über ihr Studium, ihre Erwartungen und ihre Erfahrungen.

Das Interview führte Holger Wannenwetsch vom BDC.

Passion Chirurgie: Frau van der Laan, warum haben Sie sich gerade für das Medizinstudium entschieden?
Van der Laan: Ich habe während meiner Schulzeit mehrere Praktika absolviert. Meinen Eltern und auch mir war es immer wichtig, dass ich in möglichst viele verschiedene Bereiche erstmal reinschnuppere, bevor ich mich auf einen Beruf festlege. So habe ich früh Einblicke in verschiedene Berufssparten erhalten und unter anderem auch ein Praktikum im Krankenhaus absolviert. Schon vor der Oberstufe habe ich mich für das Medizinstudium entschieden. Mir war bewusst, dass ich ein sehr gutes Abitur machen muss, daher war ich extrem engagiert. Ich habe dann tatsächlich mit 1,0 bestanden.

PC Verfehlt man diesen Schnitt auch nur knapp, hat man trotzdem ein Problem.
VL Richtig, wenn man im Abitur mit einer 1,3 oder 1,4 rechnen muss, wird es leider schon kritisch. Dazu kam 2020 eine Reform, mit der die Wartezeitenquote wegfiel. Also wird es künftig noch schwerer. Es gibt aber die Möglichkeit, den Test medizinischer Studiengänge zu absolvieren, um damit quasi seinen Abiturschnitt etwas zu verbessern. Das Ergebnis wird individuell von den medizinischen Fakultäten als Anrechnung zum Abitur berücksichtigt.

PC Sie sind schon einen großen Schritt weiter, denn Sie stehen vor dem M3-Examen, der Abschlussprüfung im Medizinstudium. Wie läuft die bisherige Vorbereitung?
VL Gut. Wir haben in einer Lerngruppe einen Lernplan erstellt. So lernt jeder mal für sich selbst und mal interaktiv, indem wir gemeinsam Fälle durchgehen und körperliche Untersuchungen ausführlich üben. Wir strukturieren nach Fächern – Innere, Chirurgie, das Wahlfach und das zugeloste Pflichtfach – und legen dabei den Zeitrahmen zugrunde, den wir auch in der Prüfung haben werden.

PC Warum dann noch die Teilnahme beim Kongress „Staatsexamen und Karriere“?
VL Weil ich davon profitieren kann, jetzt noch möglichst viele Informationen und taktische Tipps für die Prüfung mitzunehmen. Außerdem hat man mir in den Kliniken Maria Hilf in Mönchengladbach, in denen ich mein Praktisches Jahr absolviert habe, die Teilnahme an dieser Veranstaltung besonders ans Herz gelegt.

PC Welche Unterstützung haben Sie sich ganz konkret erhofft?
VL Es gibt mehrere Gründe, die mich zu einer Teilnahme motiviert haben: Fachlich hätte ich gerne einen guten Überblick über den Lerninhalt, um nicht den Fokus zu verlieren. Zu wissen, welche Themen die Prüfer besonders gerne abfragen, nicht zu viele „Kolibris“, also eher seltene Krankheitsbilder, zu vertiefen, sondern eher die häufig auftretenden Erkrankungen. Ich möchte zudem den Erwartungshorizont hinsichtlich der Wissenstiefe aus Sicht der Prüfer verstehen. Und: Welche Tipps und Tricks gibt es, wenn es knifflig wird, weil sie vielleicht eine Wissenslücke entdeckt haben? Das kann man alles trainieren. Ich denke, ein souveräner Umgang ist hier ganz wichtig.

ZUR PERSON

Marijke van der Laan hat Ende Juni 2022 die M3-Abschlussprüfung erfolgreich bestanden. Seit Anfang August ist sie Assistenzärztin in der Klinik für Akut- und Notfallmedizin des Mönchengladbacher Krankenhauses Kliniken Maria Hilf. Sie befindet sich in der Weiterbildung zur Fachärztin für Innere Medizin. Allen, die kurz vor der Abschlussprüfung stehen, empfiehlt sie, die für die Approbation erforderlichen Unterlagen (Führungszeugnis, Beglaubigungen des Abiturs und des zweiten Staatsexamens) schon während der Lernzeit rechtzeitig zu beantragen. Bei einem frühen Berufsstart werde es sonst knapp mit der rechtzeitigen Ausstellung der Approbation, die man für den Antritt der Weiterbildungsstelle benötige.

PC Ein gutes Fachwissen und eine Strategie für schwierige Situationen geben ja auch Sicherheit.
VL So ist es. Alles in allem geht es vor allem darum, über eine gezielte Vorbereitung die Angst vor der Prüfung zu verlieren. Wenn ich lerne, wie man die Prüfung strategisch und strukturiert angeht und das Ganze dann auch noch praktisch übe, werde ich selbstsicherer. Auch das kommt mir dann in der Prüfung zugute.

PC Einige sind wohl überrascht, wie so eine Prüfung konkret abläuft.
VL Den Eindruck habe ich auch. Aber genau dafür gibt es ja die verschiedenen Prüfungssimulationen. Wie die praktische Simulation am Patientenbett. Oder die theoretische Simulation, in der auch Fragen gestellt werden, die es binnen Sekunden richtig zu beantworten gilt. Besonders spannend war für mich zu erfahren, dass der Prüfling das Gespräch auch selbst lenken kann. So kann man den Prüfer auf Felder führen, in denen man sich gut auskennt. Aber es ist auch unglaublich herausfordernd, weil man sich dabei argumentationstechnisch nicht in Bedrängnis bringen darf. Spricht man bestimmte Themen an, muss man damit rechnen, dass die Prüferin dann in die Tiefe fragt. Auch das ist eine wichtige Sache, die ich hier aus dem Seminar mitnehme.

PC Was sticht für Sie besonders heraus?
VL Es ist insgesamt eine sehr lehrreiche Veranstaltung. Die Lernatmosphäre ist echt motivierend. Über Kritik und Anregungen erfahre ich, inwiefern ich mich vielleicht hätte verbessern können, worauf besonders Wert gelegt wird. Nichts geht übers Üben! Daher sollte man jede Gelegenheit nutzen, die sich dazu bietet. Besonders herausragend finde ich daher die gerade angesprochenen Prüfungssimulationen. Sie sind das Nonplusultra, das heraussticht und einen wirklich weiterbringt.

PC Wo gibt es Verbesserungsbedarf?
VL Ich würde tatsächlich noch mehr Prüfungssimulationen einbauen. Vorausgesetzt natürlich, es gibt dafür genug Freiwillige. Und weil viele später doch auch andere Weiterbildungsfächer belegen möchten als die klassische Innere oder die Chirurgie – zum Beispiel Pädiatrie oder Neurologie – wäre es vielleicht sinnvoll, auch darauf Rücksicht zu nehmen. So könnte man zeitweise Kleingruppen bilden, in denen sich zum Bespiel eine Pädiatriedozentin um die Kandidaten kümmert, die pädiatrisch geprüft werden wollen. Oder man deckt das einfach allgemein durch pädiatrische Fallpräsentationen ab.

PC Wenn Sie ein Fazit ziehen müssten, wie würde das aussehen?
VL Ich bin froh, an der Veranstaltung teilgenommen zu haben. Ich kann nur empfehlen, den Kongress vor der M3-Prüfung als Repetitorium zu nutzen und die Erwartungshaltung der Prüfer kennenzulernen.

Staatsexamen & Karriere

Der nächste Kongress „Staatsexamen & Karriere“ findet am 10./11.3.2023 in Essen statt. Hier geht’s zum Programm und zur Anmeldung.

Alle Aktivitäten des BDC im Bereich Nachwuchsförderung.

Ansprechpartnerin beim BDC: Dr. phil. Natalia Kandinskaja, Nachwuchs & Karriere, Tel.: 030/28004-123, E-Mail: [email protected]

 

 

 

Wannenwetsch H: „Das Nonplusultra sind die Prüfungssimulationen“. Passion Chirurgie. 2022 Dezember; 12(12): Artikel 04_05.

„Das profitorientierte Denken sickert immer tiefer in die Versorgung ein“

Zur Person

Lukas Breunig, promovierter Humanmediziner, ist Mitbegründer und Vorstandsmitglied im Verein „Berliner Initiative für Wandel im Gesundheitswesen“. Der Verein steht hinter der Kampagne „Bunte Kittel“, an der Breunig aktiv mitarbeitet. Er ist Facharzt für Innere Medizin in der diabetologischen Abteilung eines Berliner Krankenhauses mit gemeinnützigem Träger. Im Interview nimmt er Stellung zu den Beweggründen der Kampagne. Dabei spielt vor allem das Gewinnstreben in deutschen Kliniken eine wichtige Rolle.

Das Interview führte Holger Wannenwetsch vom BDC.

Holger Wannenwetsch: Wer sind die „Bunten Kittel“, Herr Breunig?
Lukas Breunig: Die Arbeit im Krankenhaus ist geprägt von Hektik, Stress und Unterbesetzung. Therapieentscheidungen müssen schnell getroffen werden und fallen, auch betriebswirtschaftlich motiviert, meist zugunsten einer Prozedur oder Intervention aus. Die Wünsche, Fragen und Sorgen einzelner Patientinnen oder Patienten sind wie Störfaktoren in einer Maschinerie, in der für Individualität keine Zeit mehr ist. Hinzu kommen die fehlende Zeit für Weiterbildung, fehlende Flexibilität für individuelle Arbeitszeitmodelle und fehlende Kapazität für einen kritischen Umgang mit Ressourcenverbrauch und Abfallmanagement im Krankenhaus. Warum das so ist? Weil uns das fallpauschalenbasierte Abrechnungssystem im Krankenhaus dazu zwingt, Gesundheitsversorgung als Wirtschaftszweig zu denken und nicht als Einrichtung der Daseinsvorsorge. Krankenhäuser treten in Konkurrenz um profitable Fälle und versuchen, finanziell unattraktive Fälle loszuwerden oder schnell zu entlassen. Wer leidet darunter? Die Menschen im System. Allen voran die Patientinnen und Patienten. Aber auch ganz massiv das Personal, das sich stets im Zwiespalt zwischen den eigenen Versorgungsansprüchen und der Realität befindet. Bunte Kittel weist auf diese Missstände im Gesundheitswesen hin. Bunt. Kreativ. Laut.

HW Wie kam der Name zustande?
LB  Uns ist wichtig, nicht nur eine Berufsgruppe zu vertreten, sondern wir wollen Sprachrohr aller Menschen sein, die unter den Bedingungen im Gesundheitswesen leiden. Im Krankenhaus werden viele verschiedene Farben getragen, insgesamt sind wir bunt. Unsere Kampagne startete im Jahr 2020 damit, dass wir uns jeden Donnerstag Bunte Kittel anzogen, um unseren Protest auch bei der Arbeit auszudrücken. Uns ist Diversität und Inklusion ein Anliegen. Wir sind eine Kampagne, die für alle Stimmen offen ist, außer für antidemokratische Positionen von rechts. Auch das wollen wir mit unserem Namen ausdrücken.

HW In Ihrem Papier „Mit einer Stimme. Gesundheitspolitik für Berlin“ legen Sie ja nicht nur für die Hauptstadt den Finger in die Wunde. Ihre wohl wichtigste allgemeine Forderung ist eine passgenaue Patientenversorgung ohne Profitdruck. Wo spüren Sie persönlich diesen Druck bei Ihrer täglichen Arbeit?
LB  Ein Krankenhaus kann in unserem Gesundheitssystem nur überleben, wenn es versucht, mit jedem Fall, das heißt mit jeder Patientin und jedem Patienten, Geld zu verdienen. Zu glauben, dass sich ein solch systematischer Druck nicht auf die Versorgung auswirkt, ist naiv. Finanzielle Erwägungen beeinflussen Indikationsstellungen, die Dauer des Aufenthalts und die Art und Weise, wie wir Diagnosen dokumentieren.

Ohne Frage ist es auch im Gesundheitssystem wichtig, mit den verfügbaren Ressourcen verantwortungsvoll zu wirtschaften. Das DRG-System, unser aktuelles Vergütungssystem, setzt jedoch gegenteilige Anreize. Aufwendige apparative und technische Untersuchungen und Prozeduren sind lukrativ für ein Krankenhaus und werden daher häufiger durchgeführt, was die Gesamtkosten des Systems in die Höhe treibt. Finanziell uninteressant für ein Krankenhaus sind Gespräche mit den Patientinnen und Patienten, in denen wir Diagnose und Therapieoptionen erläutern und gegeneinander abwägen sowie auf Sorgen und Fragen, auch von Angehörigen, eingehen. Präventive Maßnahmen, wie die Unterstützung bei gesunder Ernährung oder Rauchverzicht, sind für das System ebenfalls nicht von Interesse.

HW Mussten Sie schon oft Entscheidungen treffen, die ohne Profitdruck vielleicht ganz anders ausgefallen wären, also mehr orientiert am Patientenwohl?
LB  Viele Menschen, die in der Krankenpflege, in therapeutischen Berufen oder als Ärztinnen und Ärzte arbeiten, tun dies aus der Motivation heraus, Menschen zu helfen. Wenn es in einem System keine finanziellen Anreize für eine menschliche Behandlung gibt, dann heißt das nicht, dass sie nicht stattfindet. Jedoch ist es ein ständiges Dilemma, in dem wir uns befinden. Mehr Zuwendung bedeutet meist, dass andere Aufgaben zu kurz kommen oder dass man länger bleiben muss, um allen Aufgaben gerecht zu werden. Viele opfern so ihre Freizeit auf, um ihren eigenen Ansprüchen an eine menschliche Behandlung gerecht zu werden. Das zermürbt auf Dauer. Das DRG-System besteht nun seit knapp 20 Jahren, und seine Auswirkungen manifestieren sich immer mehr. Bei der Besetzung von Posten für Chefärztinnen und -ärzten ist das betriebswirtschaftliche Denken und Handeln mittlerweile eine Grundvoraussetzung. Und von oben wird der Druck dann nach unten weitergegeben.

So sickert das profitorientierte Denken immer tiefer in die Versorgung ein. Persönlich versuche ich, dem so wenig wie möglich nachzugeben. Doch gerade bei der Indikationsstellung ist es in der Medizin nicht immer schwarz-weiß. Manchmal ist die Situation medizinisch eindeutig, und dann wird auch keine Ärztin oder kein Arzt aus Profitgründen anders entscheiden. Jedoch gibt es oft einen Graubereich, und zwei oder mehrere Wege sind vertretbar. Und wenn es einen systematischen Anreiz gibt, sich im Zweifel für die lukrativere Behandlungsoption zu entscheiden, dann gibt es auch immer wieder Fälle, in denen dieses Argument das Zünglein an der Waage ist.

HW Wenn Sie für Berlin kiezspezifische Versorgungsangebote haben wollen, woran denken Sie da zum Beispiel?
LB  Gesundheitliche Probleme sind in den seltensten Fällen rein mechanischer Natur, sodass nach einer „Reparatur“ der erkrankten Struktur alle Probleme gelöst sind. Wir begegnen häufig Problemen auf verschiedenen Ebenen, der körperlichen, der psychischen, der sozialen Ebene. Eine am Menschen orientierte Gesundheitsversorgung nimmt alle diese Ebenen in den Blick. Dabei ist die Vernetzung zwischen den Behandlern entscheidend. Es gibt in Berlin und anderen Städten Deutschlands einige Modellprojekte von multiprofessionellen Gesundheitszentren, die stadtteilorientiert und gesundheitsfördernd arbeiten. Bei der Realisierung solcher Einrichtungen gibt es unter der aktuellen Gesetzgebung noch große Hürden, zum Beispiel bei der Finanzierung. Während derartige Projekte sich unter den bestehenden Regularien nur langsam entwickeln können, werden in Deutschland zunehmend Medizinische Versorgungszentren von profitorientierten Konzernen aufgekauft. Ein als Wirtschaftssektor gedachtes Gesundheitswesen verfestigt sich auch im ambulanten Bereich weiter, mit allen beschriebenen Problemen für die am Bedarf orientierte Gesundheitsversorgung. Für weitere Informationen zu diesem Thema empfehle ich die kürzlich herausgegebene Broschüre des Vereins Demokratischer Ärztinnen und Ärzte (vdää) und des Vereins Demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP) über die ambulante Versorgung im deutsche Gesundheitswesen. Das ist hier abrufbar.

HW Ein Dauerärgernis ist, dass die Länder ihrer gesetzlichen Investitionspflicht nicht nachkommen. Wie wollen Sie den Berliner Senat nachdrücklich dazu zwingen?
LB  Die duale Krankenhausfinanzierung ist gesetzlich verankert. Wenn die Bundesländer dieser Verpflichtung nicht nachkommen, müssen wir als Kampagne die daraus resultierenden Missstände sichtbar machen. So haben wir im April gemeinsam mit der Berliner Klinikoffensive vor dem Abgeordnetenhaus für eine Anpassung der im Haushaltsentwurf viel zu knapp bemessenen Fördermittel für die Krankenhäuser an den tatsächlichen Bedarf demonstriert.

HW Sie bemängeln auch Medizinerknappheit und Pflegenotstand. Warum gab es hier über die Jahre keine entscheidenden Fortschritte und wo würden Sie jetzt ansetzen?
LB  Der Pflegeberuf ist eine hoch anspruchsvolle und komplexe Aufgabe. Wenn aufgrund von Personalmangel zu wenige Pflegekräfte pro Patientin oder Patient eingesetzt sind, folgt daraus nachgewiesenermaßen eine erhöhte Sterblichkeit. Aber auch die körperliche und emotionale Belastung für die Pflegekräfte selbst ist enorm. Einerseits wollen sie eine gute Versorgungsqualität und zugewandte Pflege leisten, können aber andererseits oft aus Zeitgründen den eigenen Ansprüchen nicht genügen. Sie fühlen ihre eigene Unzulänglichkeit, wenn sie Aufgaben nicht erledigen konnten und an die nachfolgende Schicht übergeben mussten. Sie wissen, dass ungeplante Ereignisse wie medizinische Notfälle oder krankheitsbedingte Personalausfälle das überfrachtete System zum Kollabieren bringen. Diese Faktoren machen einen Beruf extrem belastend, den viele Pflegekräfte eigentlich als sehr schön und sinnstiftend empfinden. Hinzu kommt die Belastung durch die Schichtarbeit und die ständige Gefahr, aufgrund eines Ausfalls in der Freizeit plötzlich einspringen zu müssen. Dass Pflegekräfte in Deutschland durchschnittlich nur noch sieben Jahre im Beruf verweilen, zeigt, wie unerträglich diese Zustände oft sind.

Um dem jetzt schon eklatanten Mangel an Pflegekräften entgegenzuwirken, müssen sich die Arbeitsbedingungen stark verbessern. Entlastungstarifverträge mit verbindlichen Vorgaben zur Personalbesetzung und einem Belastungsausgleich bei Unterbesetzung, wie sie zum Beispiel die Berliner Krankenhausbewegung erstreikt hat, sind ein wichtiger Schritt. Es bedarf jedoch zeitnah einer bundesweiten bedarfsgerechten gesetzlichen Personalbemessung, wie sie der Koalitionsvertrag mit der Pflegepersonalregelung 2.0 (PPR 2.0) in Aussicht gestellt hat. Wir befürworten eine strukturierte Eingliederung und Ausbildung von zugewanderten Pflegekräften. Hingegen lehnen wir es ab, Menschen aus ökonomisch schlechter gestellten Regionen der Welt gezielt abzuwerben. Dieser Praxis liegt die Strategie zugrunde, Personallücken in der Krankenpflege mit Menschen zu füllen, die aus einer ökonomischen Zwangslage heraus bereit sind, unter diesen Umständen noch zu arbeiten, anstatt die den Pflegemangel hervorrufenden Arbeitsbedingungen zu verbessern.

HW Wie oft haben Sie schon konkret beobachtet, dass der Personalmangel entweder fürs Personal selbst oder in der Patientenversorgung wirklich gefährlich geworden ist?
LB  Während meiner Arbeit im Krankenhaus sind mir Fälle begegnet, bei denen aufgrund von Personalmangel schwere medizinische Notfälle nicht schnell genug erkannt und behandelt wurden. Viel häufiger als solche dramatischen, aber seltenen Ereignisse sind jedoch die täglich erlebten zwischenmenschlichen Katastrophen: angespanntes Personal, das nicht ausreichend auf Nöte, Sorgen und Informationsbedürfnis der Patientinnen und Patienten eingehen kann, unterbrochene oder kurz angebundene Visitengespräche und abgespeiste Angehörige.

HW Wie realistisch ist Ihr Wunsch nach einem klimaneutralen Gesundheitswesen bis 2030, bedenkt man, dass gerade die Krankenhäuser extrem energieintensiv arbeiten?
LB  Als relevanter Erzeuger von klimaschädlichen Emissionen muss das Gesundheitswesen klimaneutral werden. Anderenfalls gefährdet die Gesundheitsversorgung von heute die Gesundheit zukünftiger Generationen. Wie realistisch das ist, ist in erster Linie eine organisatorische Frage und hängt maßgeblich davon ab, welche Priorität wir dem Thema einräumen. Bunte Kittel kritisiert, dass unter den ökonomischen Zwängen, die das DRG-System erzeugt, das Thema Klimaschutz im Krankenhaus bislang kaum Beachtung findet.

HW Sie wollen in den Kliniken mehr saisonale und regionale Kost mit reduziertem Fleischanteil. Wenn ich Sie unterstütze, muss ich dann damit rechnen, in einer Berliner Klinik als Patient künftig keine „richtigen“ Bouletten mehr zu bekommen?
LB  Durch unsere Ernährung bestimmen wir maßgeblich die individuelle Gesundheit und auch die Gesundheit unseres Planeten. Glücklicherweise ist genau die Art der Ernährung für den Menschen die gesündeste, die sich auch am schonendsten auf unser Klima auswirkt: frisch zubereitete und somit wenig vorverarbeitete Nahrungsmittel aus regionalem Anbau, reich an pflanzlichen Proteinen und Fetten, mit einem hohen Anteil an Ballaststoffen und einem reduzierten Anteil tierischer Produkte. In deutschen Krankenhäusern werden unterdessen weit weniger als fünf Euro pro Patient und Tag für die Ernährung ausgegeben. Das Resultat fällt entsprechend aus. Wir von Bunte Kittel finden, dass Krankenhäuser ihre Patientinnen und Patienten mit leckerer regionaler Küche beim Gesundwerden unterstützen sollten – und Sie als Boulettenliebhaber am Ende des stationären Aufenthalts mit neuen Ernährungsinspirationen nach Hause gehen.

Wannenwetsch H: „Das profitorientierte Denken sickert immer tiefer in die Versorgung ein“. Passion Chirurgie. 2023 Januar/Februar; 13(01/02): Artikel 05_02.

Wolfgang Müller-Osten-Medaille an Prof. Dr. Ehrhardt Weiß

Pressemitteilung des BDC zur Vergabe der WMO-Medaille 2022 an Prof. Dr. Ehrhardt Weiß

Berlin, den 28.11.2022 – Der Chirurg Prof. Dr. Ehrhardt Weiß (66) aus Leipzig ist diesjähriger Träger der Wolfgang Müller-Osten-Medaille des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgie e.V. (BDC). Weiß erhielt die Auszeichnung im Rahmen der letzten Präsidiumssitzung des BDC am vergangenen Freitag (25.11.2022).

BDC-Präsident Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer hob in seiner Laudatio die speziellen Verdienste des neuen Medaillenträgers für die Chirurgie und den Verband hervor: „Besondere Anerkennung gebührt Ehrhardt Weiß für seinen persönlichen Einsatz im Rahmen der Deutschen Akademie für chirurgische Fort- und Weiterbildung. So hat er von 1994 bis 2020 deren Weiterbildungsstandort Leipzig geleitet. 1991 wurde er BDC-Landesvorsitzender im Freistaat Sachsen und kümmerte sich in dieser Funktion intensiv um die Interessen der regionalen Kollegenschaft.“

Weiß zeigte sich über die Preisverleihung „froh und glücklich“. Er studierte von 1978 bis 1984 Humanmedizin an der Universität Leipzig und startete im Anschluss die Facharztausbildung Chirurgie an der dortigen chirurgischen Universitätsklinik. 1986 promovierte er mit „summa cum laude“. Die Facharztprüfung Chirurgie legte er 1990 ab. Eine wichtige berufliche Station bildete das Helios-Klinikum Aue: Dort war Weiß ab 2002 Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie, ab 2007 Geschäftsführender Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie und von 2015 bis 2017 Ärztlicher Direktor. Auch im Fußball kennt er sich aus: Der damalige Bundesliga-Zweitligist FC Erzgebirge Aue konnte in der Saison 2007/2008 auf seine Expertise als Teamarzt zählen.

Der BDC verleiht die WMO-Medaille seit 1997. Er würdigt damit Mitglieder, die sich als herausragende Persönlichkeiten mit großem Engagement für die Interessen von Chirurginnen und Chirurgen in Deutschland eingesetzt oder sich besondere Verdienste um den BDC erworben haben.

„Von der Uni in den OP“ – Lukas Hellbrügge erhält BDC-Journalistenpreis

Pressemitteilung des BDC zur Vergabe seines Journalistenpreises 2022 an Lukas Hellbrügge vom Bayerischen Rundfunk

Berlin, den 28.11.2022 – Lukas Hellbrügge, Journalist beim Bayerischen Rundfunk, hat für den Film „Ärztin werden: Von der Uni in den OP“ – den Journalistenpreis des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgie e.V. 2022 (BDC) erhalten. Der Preis wurde ihm auf der Präsidiumssitzung des BDC am letzten Freitag (25.11.2022) überreicht.

„Der BDC zeichnet damit einen herausragenden Medienbeitrag aus, der anschaulich die Sorgen und Herausforderungen ärztlicher Berufseinsteiger in einer Klinik vermittelt und dennoch ein positiv-optimistisches Bild des ärztlichen Berufes transportiert“, so Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer, Präsident des BDC in seiner Laudatio.

Die 12-minütige Kurzreportage ist Teil des YouTube Kanals “alpha Uni” des BR und dort seit einem Jahr abrufbar. Der Film begleitet Mareike L., Assistenzärztin in der Neurochirurgie im Klinikum München-Bogenhausen, bei einem ihrer ersten 24-Stunden-Dienste. Das Video kommt mittlerweile auf über 420.000 Aufrufe. Das neue digitale Format “alpha Uni” bietet einer jungen Zielgruppe zwischen 16 und 25 Jahren Orientierung und Inspiration bei der Studiums- und Berufswahl. Alle Filme werden auch im Fernsehen ausgestrahlt – der preisgekrönte Film lief auf ARD-alpha am 17.01.2022 und ist auch in der ARD-Mediathek abrufbar.

Das Besondere daran: Der Film entstand ohne Team. Für Recherche, Kamera und Schnitt zeichnete alleine Hellbrügge verantwortlich: „Bei einer VJ-Reportage – VJ steht für „Videojournalist“ – ist man statt mit einem großen Kamerateam alleine unterwegs und kann besonders flexibel auch in zeitkritischen Momenten nah dranbleiben“, erklärt Hellbrügge.

Was hat ihn an dem Thema besonders beeindruckt? Hellbrügge: „Für mich war es überraschend, wie groß der Sprung ins kalte Wasser für die junge Ärztin Mareike wirklich war. Sie stand direkt in großer Verantwortung und musste den ganzen Tag über Entscheidungen treffen. Das sollte man wissen, wenn man sich überlegt, diesen Weg einzuschlagen.“

Der BDC-Journalistenpreis wird seit 2014 einmal jährlich verliehen. Der preisgekrönte Beitrag soll die Faszination der Chirurgie einem breiten Publikum vermitteln. Die besten Chancen haben Beiträge, die aktuelle Leistungen in der Chirurgie aus Ärzte- oder Patientensicht, Entwicklungen auf diesem Gebiet oder die Chirurgie betreffende medizinische oder gesundheitspolitische Auswirkungen thematisieren.

Koalitionsplan für tagesstationäre Krankenhausbehandlungen birgt erhebliche Unsicherheiten

Pressemitteilung des BDC zur möglichen Aufnahme einer tagesstationären Behandlung über das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG) ins SGB V

Berlin, den 16.11.2022: Der aktuelle Plan der Koalition, eine sogenannte „tagesstationäre Behandlung“ über das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG) ins Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) aufzunehmen, weist erhebliche Unsicherheiten auf. „Wenn eine solche Tagesbehandlung eine vollstationäre Therapie ersetzen soll, wird das weder das Pflegepersonal entlasten noch finanzielle Einsparungen bewirken“, erklärt Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer, Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgie e.V. (BDC) anlässlich des 45. Deutschen Krankenhaustages in Düsseldorf.

„Es ist naiv anzunehmen, der Wegfall einzelner Übernachtungen könne das Pflegepersonal entlasten. Die freien Betten werden dann mit komplexeren Fällen belegt, die einen eher höheren Pflegebedarf haben“, so H.-J. Meyer. Außerdem werde der administrative Aufwand steigen, da jedes Mal die Patienten wieder neu aufgenommen werden müssten.

Auch in finanzieller Hinsicht ist eine spürbare Entlastung nicht zu erwarten. Am ehesten werden Kosten noch auf die Patienten verlagert, die anfallende Fahrtkosten selbst tragen sollen. Falls es doch erforderlich sein sollte, müsste auch die Finanzierung einer Hauspflege gegengerechnet werden.

„Wenn aber weder eine Entlastung der Pflege noch der Finanzen zu erwarten ist, stellt sich die Frage nach dem Sinn des Ganzen“, bilanziert Dr. Jörg-A. Rüggeberg, Vizepräsident des BDC. Umfangreiche Nachbesserungen und Präzisierungen seien unumgänglich, um dem im Grunde richtigen Ziel einer Ambulantisierung im Gesundheitssystem näherzukommen.

Schon der Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) hat in seiner Stellungnahme zu den tagesstationären Krankenhausbehandlungen darauf verwiesen, dass zahlreiche Fragen, insbesondere zur Abgrenzung zu einer notwendigen stationären Behandlung, nur unzureichend geklärt sind. Laut G-BA sind die Voraussetzungen für eine Tagesbehandlung insgesamt so unbestimmt, dass Krankenhäuser „mit einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten“ rechnen müssten. Zudem gibt der G-BA die haftungsrechtliche Verantwortung des Krankenhauses für die Entscheidung zu bedenken, Patienten über Nacht nach Hause zu schicken.

Hybrid-DRGs entscheidend für Überwindung der Sektorengrenzen

Pressemitteilung des BDC zum Änderungsantrag der Koalition vom 8.11.2022 mit dem Ziel, eine spezielle sektorengleiche Vergütung (“Hybrid-DRGs”) ins Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG) aufzunehmen

Berlin, den 11. November 2022 – Mit der nun von der Koalition gewünschten Einführung einer speziellen sektorengleichen Vergütung für ambulant mögliche, bislang aber überwiegend stationär erbrachte Operationen würde der Gesetzgeber einen entscheidenden Schritt zur Überwindung der Sektorengrenzen im Gesundheitswesen machen. Damit hätte er die im Koalitionsvertrag verankerte Ankündigung sogenannter „Hybrid-DRGs“ für eine sektorengleiche Behandlung eingelöst. Regulatorisch soll dies durch einen neuen § 115f im SGB V über das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG) zum 1.1.2023 erfolgen. Das KHPflEG wurde am Mittwoch (9.11.2022) in einer Expertenanhörung vor dem Gesundheitsausschuss des Bundestages beraten.

„Dies erfüllt im Grundsatz eine langjährige Forderung auch des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgie e.V. (BDC) nach einer adäquaten Förderung des Ambulanten Operierens,“ erklärt BDC-Vizepräsident Dr. Jörg-A. Rüggeberg. Und: „Das wäre in der Tat ein ganz wichtiger Schritt hin zur Überwindung der Sektorengrenzen in unserem Gesundheitssystem.“

Allerdings sollen alle Detailregelungen, insbesondere zum Umfang des Leistungskataloges, zur Vergütung, Abrechnung und Dokumentation durch Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums erfolgen. Bislang war dies Aufgabe der Selbstverwaltung, die dafür auch die nötige Erfahrung mitbringt.

„Bekanntlich steckt der Teufel oft im Detail,“ so Rüggeberg. Angesichts der unendlich verschleppten Reform der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), die ebenfalls durch Rechtsverordnung des Ministeriums in Kraft tritt, sei nun die Frage, ob die im Gesetz nicht konkretisierten Rahmenbedingungen dann auch wirklich rechtzeitig und sachgerecht klar benannt würden. Rüggeberg: „Das beste Restaurant ist nutzlos, wenn man weder die Speisekarte noch die Preise kennt.“

Webinare für Niedergelassene im Herbst

Medizinische Versorgungszentren, steuerliche und rechtliche Änderungen zum Jahreswechsel und Betriebsprüfung in der Arztpraxis – zu diesen Themen bietet die Steuerberater- und Rechtsanwaltssozietät Stuhlmüller Pfofe & Partner mbH aus Gerlingen im Herbst und im neuen Jahr wieder verschiedene Vortragsveranstaltungen für Niedergelassene an.

Sie finden online als Webinare statt und sind kostenfrei:

Medizinische Versorgungszentren optimal gestalten
Mittwoch 23.11.2022 19.00 – ca. 21.30 Uhr
Zur Anmeldung

Steuerliche und rechtliche Änderungen 2022/2023
Mittwoch 07.12.2022 19.00 – ca. 21.00 Uhr
Zur Anmeldung

Betriebsprüfung in der Arztpraxis
Mittwoch 25.01.2023 19.00 – ca. 20.30 Uhr
Zur Anmeldung

Zur Veranstaltungsübersicht

BDC in Rheinland-Pfalz unterstützt KV-Forderung nach Inflationsausgleich

In einer Pressemitteilung fordern heute (8.11.2022) die KV Rheinland-Pfalz und 30 ärztliche Berufsverbände – darunter auch der BDC-Landesverband Rheinland-Pfalz – einen Inflationsausgleich für niedergelassene Vertragsarzt- und Vertragspsychotherapeutenpraxen.

Die Verbände warnen vor einer akuten Gefahr für die ambulante Patientenversorgung in Form von Praxisschließungen, langen Wartezeiten und zunehmenden Versorgungslücken. Anlass seien “neben falschen politischen Weichenstellungen die hohe Inflation und die damit verbundenen massiven Kostensteigerungen.” Mit den falschen politischen Entscheidungen ist zum Beispiel die Abschaffung der Neupatientenregelung gemeint. All dies gefährde immer mehr vertragsärztliche und vertragspsychotherapeutische Praxen in ihrer Existenz.

KV und Berufsverbände verweisen zudem darauf, dass bislang viele Praxen trotz hohem Alter durch die Inhaber weiterbetrieben worden seien. Nun sei aber zu erwarten, dass nicht wenige wegen der aktuellen Probleme ihre Praxistätigkeit nun aufgeben werden. Gerade im ländlichen Raum werde dies die ohnehin angespannte Versorgungslage weiter verschärfen.

Verfasserin und Unterzeichner der Pressemitteilung fordern die Verantwortlichen nachdrücklich dazu auf, jetzt schnell einen finanziellen Ausgleich für vertragsärztliche und vertragspsychotherapeutische Praxen zu schaffen.

In einem nächsten Schritt möchte sich die KV in einem offenen Brief an die Landesregierung wenden. Darin will sie die Landesregierung dazu auffordern, geeignete Maßnahmen zu treffen, um die drohende Gefährdung der ambulanten Patientenversorgung abzuwenden.

KRINKO bemängelt Änderungen im Infektionsschutzgesetz

In einer Stellungnahme vom 20.10.2022 bemängelt die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) Änderungen im Infektionsschutzgesetz (IfSG), die im Gesetz zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19 vom 16.9.2022 in Kraft getreten sind.

Die beanstandeten Änderungen betreffen die Infektionsprävention in stationären Gesundheitseinrichtungen und den gesetzlichen Auftrag der KRINKO zur Abgabe von Empfehlungen in diesem Bereich.

So heißt es im neu gefassten § 28b Abs. 1 Nr. 3 IfSG, dass bestimmte stationäre Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Alten- und Pflegeheime nur von Personen mit Atemschutzmaske (FFP2 oder vergleichbar) und einem mindestens dreimal wöchentlichen Testnachweis betreten werden dürfen.

Die KRINKO verweist zum einen darauf, dass ihre Expertise vor Verabschiedung des neuen IfSG nicht eingeholt worden sei. Zum anderen bestehe “keine ausreichende… Evidenz dafür, dass das dauerhafte Tragen von FFP2-Masken im Hinblick auf Prävention nosokomialer Übertragungen dem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (MNS) überlegen” sei. Ebenso wenig Evidenz gebe es für eine generelle mindestens dreimal wöchentliche Testung von Beschäftigten im Hinblick auf das angestrebte Schutzziel.

Die komplette Stellungnahme der KRINKO vom 20.10.2022 finden Sie im Epidemiologischen Bulletin Nr. 42/2022 des Robert-Koch-Institutes (S. 10-12).

Zum neuen Infektionsschutzgesetz vom 16.9.2022.