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Welche Anforderungen müssen bei der Überleitung der H-Arzt-Beteiligung in eine D-Arzt-Beteiligung erfüllt werden?

Frage:

Ein niedergelassener Chirurg mit H-Arzt-Beteiligung fragt an, welche Anforderungen bei der Überleitung der H-Arzt-Beteiligung in eine D-Arzt-Beteiligung erfüllt werden müssen und ob es hierbei eine Härtefallregelung bzw. einen Bestandsschutz gibt.

Antwort:

Leider sieht § 30 Abs. 4 Satz 1 Vertrag Ärzte/UV-Träger vor, dass sich die Beteiligung eines H-Arztes als Durchgangsarzt aufgrund der Abschaffung des H-Arzt-Verfahrens nach den geltenden D-Arzt-Anforderungen bestimmt. Für bereits beteiligte H-Ärzte besteht bis 31.12.2014 die Möglichkeit der Antragstellung zur Überleitung in das Durchgangsarztverfahren, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. In persönlich-fachlicher Hinsicht findet eine erneute Prüfung der fachlichen Befähigung nach Auskunft der DGUV nicht statt, die bestehende H-Arzt-Beteiligung ist ausreichend. Die Anforderungen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger nach § 34 SGB VII zur Beteiligung am Durchgangsarztverfahren legen die weiteren Voraussetzungen der personellen und sächlichen Ausstattung sowie der Pflichten des D-Arztes fest. Hierbei müssen sodann die unter den Nummern 3 bis 6 aufgestellten Anforderungen vom H-Arzt erfüllt werden.

Ein besonderes Augenmerk ist nach Meinung des Verfassers zu richten auf Ziffer 6.5.1, wonach gefordert wird, dass die Erstversorgung einer Mindestanzahl von jährlich 250 Arbeitsunfallverletzten in einem 5-Jahreszeitraum im Jahresdurchschnitt oder in den letzten drei Jahren des 5-Jahres-Zeitraums nachgewiesen werden muss.

§ 30 Abs. 4 Satz 2 Vertrag Ärzte/UV-Träger sieht allerdings eine Ausnahme von der notwendigen Erreichung der Mindestfallzahl vor, nämlich wenn dies zur Vermeidung der Gefährdung der Versorgung Arbeitsunfallverletzter in der Fläche erforderlich ist. Dies bedeutet, dass von der Erreichung der Mindestanzahl abgewichen werden kann, wenn die Notfallversorgung vor Ort ansonsten nicht gewährleistet werden kann. Von einer Gefährdung der flächendeckenden Versorgung ist nach Auskunft der DGUV dann auszugehen, wenn entweder das Verhältnis von D-Ärzten zu Versicherten in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt über 1:30.000 liegt oder in einer Region innerhalb von 30 Minuten kein D-Arzt erreicht werden kann.

Diese Mindestzahlforderung von 250 Fällen ist nach Ansicht des Verfassers gerade für Einzelpraxen sehr hoch angesetzt. Allerdings sieht der Vertrag keine weiteren Ausnahmetatbestände im Sinne einer Härtefallregelung oder einer Bestandsschutzregelung vor, sodass ein Abweichen von der Mindestfallzahl hiernach derzeit nur im Rahmen der genannten vertraglichen Ausnahmen aus Sicht des Verfassers erfolgversprechend möglich sein wird. Etwaige Rechtsprechung existiert hierzu nach Kenntnis des Verfassers bislang nicht, so dass abzuwarten bleibt, wie sich diese hierzu positionieren wird.

Antworten von Dr. jur. Jörg Heberer:
Justitiar BDC Berlin
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht

justitiar@bdc.de

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Heberer J. Welche Anforderungen müssen bei der Überleitung der H-Arzt-Beteiligung in eine D-Arzt-Beteiligung erfüllt werden? Passion Chirurgie. 2014 November; 4(11): Artikel 08_02.

Muss ein Patient das Einsichtsrecht in seine Patientenakte höchstpersönlich ausüben?


Frage:

Ein niedergelassener Chirurg fragt an, ob ein Patient das Einsichtsrecht in seine Patientenakte höchstpersönlich ausüben muss und ob Einsicht in die vollständige Patientenakte gewährt werden muss.

Antwort:

Ein Patient muss das Einsichtsrecht nicht höchstpersönlich ausüben, er kann auch einen Dritten mit der Einsicht beauftragen. Die ärztliche Schweigepflicht, die sich aus § 203 StGB sowie der ärztlichen Berufsordnung ergibt, gilt allerdings grundsätzlich auch gegenüber Familienangehörigen und dem Ehepartner des Patienten sowie ohnehin gegenüber Dritten, beispielsweise einem Rechtsanwalt. Zur Freigabe der Information gegenüber den Familienangehörigen/Ehepartnern/sonstigen Dritten wird deshalb aus juristischer Sicht zur Vermeidung straf- und berufsrechtlicher Konsequenzen zwingend empfohlen, dass vorher eine entsprechende Schweigepflichtentbindungserklärung des Patienten eingeholt wird. Üblicherweise erfolgt dies schriftlich, hierzu ist aus Beweissicherungsaspekten auch zu raten. Jedoch kann der Patient den Arzt nach Ansicht des Verfassers auch ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten (konkludent) von der Einhaltung der Schweigepflicht befreien. Zu Beweiszwecken sollte dies, falls die Schweigepflichtentbindungserklärung nicht schriftlich erfolgt, aber unbedingt vom Arzt dokumentiert werden.

Das Einsichtsrecht umfasst die „vollständige“ Patientenakte und gilt folglich auch für Drittbefunde, also an den behandelnden Arzt gerichtete Briefe anderer Kollegen und umgekehrt. Nicht erfasst vom Einsichtsrecht werden grundsätzlich rein subjektive Eindrücke oder Wahrnehmungen des Arztes (§ 10 Abs. 2 Muster-BO). Hierbei handelt es sich insbesondere um persönliche Vermerke des Arztes zu den besonderen Umständen der Behandlung oder der Person des Patienten.

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Heberer J. Muss ein Patient das Einsichtsrecht in seine Patientenakte höchstpersönlich ausüben? Passion Chirurgie. 2014 November; 4(11): Artikel 08_01.

 

Juristischer Notfallkoffer für Kündigungssituationen

Sofortmaßnahmen in einer Ausnahmesituation

Die Kündigung des Arbeitsvertrages ist eine Ausnahmesituation, die sowohl emotional als auch auf den ersten Blick finanziell überaus belastend sein kann.

Dabei ist festzustellen, dass der Kündigungsdruck in der anwaltlichen Praxis mit dem Erklimmen der Karriereleiter zunimmt. So ist für Fachärzte der Arbeitsmarkt derzeit derart günstig, dass die Wechselaussichten bei angedrohter oder ausgesprochener Kündigung, natürlich ein wenig in Abhängigkeit von dem dahinterstehenden Sachverhalt, äußerst günstig sind.

Gleiches gilt auch nach wie vor noch für Oberärzte, wobei hier die Stellen nicht so umfassend zur Verfügung stehen werden.

Am schwierigsten ist sicherlich die unmittelbare Fortführung für Chefärzte bzw. Leitende Ärzte. Wenn es sich bei der ausgesprochenen Kündigung um eine ordentliche Kündigung handelt, die also erst nach Ablauf der Kündigungsfrist greift, so ist die Situation möglicherweise bereits etwas entschärft. Denn Kündigungsfristen in den meisten außertariflichen Arbeitsverträgen betragen zwischen sechs Wochen zum Quartalsende und sechs Monaten zum Quartalsende, wobei die letztgenannte Frist in der Regel für Chefärzte gilt. Man hat also dann bei einer ordentlichen Kündigung noch in jedem Fall sechs Monate Zeit, einen neuen Arbeitsplatz zu suchen. Gleichwohl entsteht auch durch die ordentliche Kündigung bereits eine Dynamik, die nur schwer einzufangen ist. Dies gilt verstärkt noch dann, wenn es zu einer fristlosen Kündigung kommt, also das Arbeitsverhältnis von jetzt auf dann beendet wird. Nicht zuletzt die dadurch entstehende Öffentlichkeit (Der handelnde Arzt ist sofort weg!) führt in diesem Fall dazu, dass eine Lawine angestoßen wird, die nur schwer wieder einzufangen ist. Derartige Geschehnisse leben daher im Interesse beider Parteien davon, dass ein professionelles Konfliktmanagement Einzug hält, welches insbesondere Emotionen so gut es geht ausklammert.

Verhalten im Notfall

Diese beschriebene Eigendynamik bei (fristlosen) Kündigungen wird auch dadurch begründet, dass bei Ausspruch einer Kündigung eine unbedingte Klagefrist von drei Wochen gilt. Man muss also innerhalb von drei Wochen, nachdem man die schriftliche Kündigung erhalten hat, beim zuständigen Arbeitsgericht Klage erheben mit dem Antrag auf Feststellung, dass die ausgesprochene Kündigung oder gegebenenfalls die ausgesprochenen Kündigungen unwirksam sind. Dies bedeutet aber, dass man dann je nachdem, bei welchem Arbeitsgericht die Klage erhoben wird, bereits nach vier bis sechs Wochen einen ersten Gütetermin erhält, bei dem sich die Parteien treffen und der Sachverhalt öffentlich (entsprechende Verhandlungen sind öffentliche Sitzungen) diskutiert wird. Hier kann man dann nicht immer vermeiden, dass auch – je nach Schwere des Sachverhaltes und natürlich auch je nach handelnden Personen – die Medien zugegen sein werden.

Sollte die Kündigung ausgesprochen worden sein, so ist unmittelbar der Rechtsrat durch einen spezialisierten Anwalt einzuholen. Hier kann der BDC mit entsprechenden Empfehlungen als erste Anlaufstelle nur empfohlen werden.

Aufgrund des Prozesses, der dann in Gang gesetzt wird (Klage, zeitnahe Gerichtsverhandlung) muss man allerdings konstatieren, dass der Ausspruch der Kündigung der späteste Zeitpunkt ist, bei dem man sich Rechtsrat einholen sollte. Eigentlich muss man betonen, dass dieser Zeitpunkt unter Berücksichtigung der normalen Abläufe eigentlich zu spät ist. Denn eine Kündigung wird regelmäßig nicht ad hoc ausgesprochen, es sei denn, es handelt sich um einen überaus gravierenden Pflichtverstoß im Verhaltensbereich (besonders grober Behandlungsfehler, Abrechnungsbetrug, Tätlichkeiten etc.). Erfahrungsgemäß wird der Unbill der Krankenhausleitung mit dem Mitarbeiter bereits vorab kundgetan. Entweder dadurch, dass bereits Abmahnungen ausgesprochen wurden oder speziell bei Chefärzten, dass man beginnt, das Abrechnungsverhalten zu prüfen, gegebenenfalls die Komplikationsrate hinterfragt oder aber Strukturmaßnahmen ergreift, die letztlich nur den Schluss zulassen, dass der Chefarzt nicht mehr den Stellenwert besitzt, der ihm seiner Funktion nach zusteht.

Wenn derartige Anzeichen deutlich werden, so empfiehlt es sich dringlich, im Sinne einer Erstmaßnahme einmal anwaltlichen Rat einzuholen, um den Sachverhalt tatsächlich zu bewerten.

Die anwaltliche Praxis zeigt, dass hier oftmals die Zeichen nicht richtig gedeutet werden. Es ist dann für den jeweiligen betroffenen Arzt durchaus schockierend, wenn man ihn mit der Situation konfrontiert und den Sachverhalt so einschätzt, dass möglicherweise der Krankenhausträger mit ihm nicht mehr längerfristig plant. Gerade diese erste Einschätzung ist aber notwendig, um die Taktik für das weitere Vorgehen zu besprechen und auszuloten. Hier spielen beispielsweise der persönliche Lebenslauf, die Ortsgebundenheit und die Zukunftsvorstellungen eine Rolle. Denn all dies ist entscheidend dafür, wie schnell und wie unkompliziert gegebenenfalls eine neue Stelle angetreten werden kann. Wenn man übereinstimmend zu dem Schluss kommt, dass der Krankenhausträger möglicherweise einen Trennungswunsch hat, so sollte man hier relativ schnell unter Zuhilfenahme eines Rechtsbeistandes Kontakt zum Krankenhausträger aufnehmen. Dies signalisiert zum einen, dass auch seitens des Arbeitnehmers die Zeichen der Zeit erkannt wurden und zum anderen, dass man an einer einvernehmlichen Lösung interessiert ist. Dies nimmt dann oftmals vom Krankenhausträger auch den Ermittlungsdruck und führt dazu, dass die Situation entkrampft wird. Insbesondere können so oftmals Schnellschüsse des Krankenhausträgers im Hinblick auf den Ausspruch einer Kündigung oder einer Freistellung verhindert werden.

Die Verhandlungen gehen dann in erster Linie natürlich dahin, dass der Ausspruch einer Kündigung vermieden wird. Man wird eruieren, inwieweit ein Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis im besten Einvernehmen beenden kann. Maßgeblich aus Sicht des Arztes ist hier in erster Linie die Zeitkomponente. Man muss realistisch einschätzen, wie viel Zeit der betroffene Arzt benötigt, um eine Anschlussstelle zu erhalten. Denn die Arbeitslosigkeit bzw. der Bezug von Arbeitslosengeld stellt keine echte Alternative dar. Zum einen ist der Arbeitsmarkt für Ärzte derzeit so gut, dass man sich den Gang zum Arbeitsamt regelmäßig ersparen kann, zum anderen ist das Arbeitslosengeld so niedrig, dass es insbesondere bei höher dotierten ärztlichen Berufen (Oberarzt, Chefarzt) keinen adäquaten Ersatz für die Vergütung darstellt.

Schließlich wird man sich aber auch darüber unterhalten, ob und in welcher Höhe eine Abfindung dafür gezahlt wird, dass auch der betroffene Arzt sich dazu bereit erklärt, ohne große Störgeräusche auf seinen Arbeitsplatz „zu verzichten“. Der letzte Umstand wird natürlich maßgeblich dadurch bestimmt, wie valide der Kündigungsgrund ist. So ist hier also immer der jeweilige Einzelfall maßgeblich.

Kündigungsschutzklage als Mittel der Konfliktbeilegung

Wenn diese außergerichtlichen Verhandlungen nicht den gewünschten Erfolg bieten, weil beispielsweise beide Parteien unterschiedliche Auffassungen von der noch verbleibenden Vertragslaufzeit und der Abfindungshöhe haben, so kann einmal im Einzelfall der Gang zum Arbeitsgericht durchaus hilfreich sein. Denn das Arbeitsgericht wird bereits in der Güteverhandlung im Idealfall eine erste Einschätzung abgeben, wie es den Sachverhalt beurteilt. Dies insbesondere im Hinblick auf möglicherweise formale Voraussetzungen für eine Kündigung (Anhörung des Betriebsrates, vorheriger Ausspruch einer Abmahnung etc.). Dies kann dann im Einzelfall dazu führen, dass verkantete und festgefahrene Gespräche wieder an Dynamik gewinnen und man hier möglicherweise eine Einigung findet.

Insbesondere bei Chefärzten gilt aber nach wie vor der Grundsatz, dass eigentlich vermieden werden sollte, derart an die Öffentlichkeit zu gehen. Diese Maßnahme bleibt eigentlich nur den Fällen vorbehalten, bei welchen sich der Arbeitgeber keinesfalls bewegt. Dann muss man daran denken, mit dem gezielten Druck der Klage hier die Motivationen zu einer gütlichen Einigung zu erhöhen.

Manchmal neigen Arbeitgeber dazu anzudrohen, dass ihrerseits gezielt die Öffentlichkeit hergestellt wird. Dies ist insbesondere im Hinblick auf Behandlungsfehler und gegebenenfalls Unregelmäßigkeiten in der Abrechnung erst einmal als unangenehm zu empfinden. Die anwaltliche Erfahrung zeigt aber, dass, wenn überhaupt medial darüber berichtet wird, sich dieser Sturm regional begrenzt und insbesondere auch den Arbeitgeber trifft. Mit derartigen Ankündigungen sollte man sich daher nicht zu sehr verunsichern lassen.

Mediation als Möglichkeit der Streitbeilegung

Schließlich verbliebe noch die Möglichkeit, dass man sich der Hilfe eines Streitschlichters bedient, um Konflikte auszuräumen. Die Mediation wird dabei in der Öffentlichkeit oftmals wahrgenommen im Zusammenhang mit Nachbarschaftsstreitigkeiten oder innerfamiliären Zwistigkeiten. Die Wirtschaftsmediation hält aber immer mehr Einzug und hat durchaus ihre Daseinsberechtigung. Sie kann aber genau genommen immer nur zwischenmenschliche Probleme aufarbeiten und ist kein Mittel, Konflikte in Bereichen zu bereinigen, die der Mediation nicht zugänglich sind.

Insbesondere wenn schlichte sachliche unternehmerische Entscheidungen dazu führen, dass die jeweilige mit der Kündigung bedrohte Person nicht mehr in das Gesamtkonzept passt, kann eine Mediation nicht den gewünschten Erfolg bringen. Denn unternehmerische Entscheidungen kann sie nicht rückgängig machen. Es ist dem Mediator dabei auch gänzlich unmöglich, derartige Entscheidungen zu bewerten und zu versuchen, beispielsweise den Krankenhausträger vom Gegenteil zu überzeugen. Dies ist insbesondere auch nicht Aufgabe des Mediators, der ja nur dafür sorgen soll, dass die Parteien selbst eine für beide Seiten tragfähige Lösung des Konfliktes finden.

Bei verhaltensbedingten Kündigungen gilt dies erst recht. Oftmals ist hier auch der Krankenhausträger im Zugzwang, da er schlicht nur mit einer Kündigung reagieren kann, um weiteren Schaden vom Haus abzuwenden.

Selbstverständlich ist der beratende Anwalt gehalten, zunächst einmal auszuloten, inwieweit man das Arbeitsverhältnis denn nicht doch fortsetzen kann. Dies beispielsweise dann, wenn Strukturmaßnahmen ergriffen wurden und hierüber der Trennungswunsch entstanden ist. Hier kann man durch klare Signale der Bereitschaft zur Akzeptanz unter der Voraussetzung gegebenenfalls finanzieller Kompensation versuchen, die Wogen zu glätten.

Einer klassischen Mediation sind derartige Konfliktfälle aber aus Sicht der Autoren eher nicht zugänglich.

Schlussbetrachtung

So bleibt im Ergebnis festzustellen, dass mit Ausspruch der Kündigung die Dinge eilbedürftig werden. Es gilt eine unbedingte drei Wochen Klagefrist, da danach die Kündigung als wirksam fingiert wird.

Es ist allerdings festzuhalten, dass mit Ausspruch der Kündigung eigentlich oftmals die Zeichen der Zeit nicht richtig gedeutet wurden. Vielmehr sollte man sich bei auftretenden Konfliktfällen einmal kritisch selbst fragen, inwieweit hier möglicherweise tiefergreifende Zerwürfnisse dahinterstehen. Hier kann man sich gerade im Rahmen der für BDC-Mitglieder bestehenden kostenfreien Erstberatung eine erste Einschätzung einholen, von der man dann das weitere Vorgehen abhängig machen kann.

In jedem Fall ist man schlecht beraten, Stimmungen im Miteinander zwischen Geschäftsführung und Angestellten unreflektiert als gegeben hinzunehmen und „Business as usual“ zu machen, ohne auf etwaige Misstöne oder Konflikte zu achten. Nur eine in diesem Bereich bestehende Ignoranz und gegebenenfalls auch Unsensibilität führt dann oftmals zur Kündigung, die wiederum dann eine eigene Dynamik mit sich bringt. Denn dann wird dem eingeschalteten Rechtsanwalt mehr die Aufgabe eines Troubleshooters zu teil, als die wesentlich sachdienlichere Funktion eines Konfliktmanagers.

Heberer J. Juristischer Notfallkoffer für Kündigungssituationen. Passion Chirurgie. 2014 Oktober, 4(10): Artikel 02_06.

Bei der Wahl der Operationsmethode an die Weisung des Chefarztes gebunden?

 

Frage:

Eine Oberärztin fragt an, ob sie bei zwei dem medizinischen Standard entsprechenden Operationsmethoden in der Wahl der OP-Methode frei ist oder an die Weisung des Chefarztes gebunden ist.

 

Antwort:

Da hier der Fall sog. vertikaler Arbeitsteilung vorliegt, die Oberärztin also in einem Über-/Unterordnungsverhältnis innerhalb desselben Fachgebiets steht, muss sie als nachgeordnete Ärztin grundsätzlich die ihr erteilten Weisungen des Chefarztes befolgen, denn im Falle eines Schadens haftet sie grundsätzlich im Rahmen der erteilten Weisung, indem sie diese beispielsweise nicht sorgsam ausgeführt oder sogar entgegen der Weisung gehandelt hat. Sofern die Durchführung der von dem Chefarzt angewiesenen Methode dem medizinischen Standard entspricht und die Oberärztin mit deren Durchführung vertraut ist, hat sie nach Auffassung des Verfassers der Weisung Folge zu leisten. Hierbei darf sich die Oberärztin in der Regel auf den Vertrauensgrundsatz berufen. Dies gilt jedoch nicht, wenn sich aufdrängende Bedenken bei der Oberärztin bestehen, so zum Beispiel wenn im konkreten Fall medizinische Gründe gegen diese Methode sprechen oder sie selbst mit der Durchführung dieser Methode nicht vertraut ist. In diesem Fall muss die Oberärztin hinsichtlich der erteilten Weisung ihre Zweifel kundtun. Unterlässt sie dies, kann sie im Schadensfall für die unbesehene Durchführung fehlerhafter Anweisungen haften. Hält der Chefarzt seine Weisung trotzdem aufrecht, sollte aus juristischer Sicht die Durchführung des Eingriffs abgegeben werden.

Antworten von Dr. jur. Jörg Heberer:
Justitiar BDC Berlin, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht
justitiar@bdc.de

Heberer J. Bei der Wahl der Operationsmethode an die Weisung des Chefarztes gebunden? Passion Chirurgie. 2014 Oktober; 4(10): Artikel 08_01.

 

Probleme der Wahlleistungsvereinbarung

Leitende Klinikärzte geraten immer wieder unter Beschuss. Ihnen wird vorgeworfen, durch ihre auf der Grundlage von Wahlleistungsvereinbarungen erstellten Privatliquidationen gegen zwingende Vorschriften des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) oder der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zu verstoßen. Patienten verweigern vermehrt die Zahlung von Privatliquidationen nach stationärer Behandlung unter Verweis auf die angebliche Unwirksamkeit der von ihnen unterzeichneten Wahlleistungsvereinbarung. Private Krankenversicherer lassen sich von Patienten, die eine Privatliquidation für stationäre Behandlung bereits bezahlt haben, den behaupteten Anspruch der Patienten auf Rückzahlung des bezahlten Betrags abtreten und klagen gegen leitende Krankenhausärzte auf Rückerstattung des Rechnungsbetrages.

Vor diesem Hintergrund sollte jeder selbstliquidierende Chefarzt darauf achten, eine rechtlich unangreifbare Wahlleistungsvereinbarung mit dem Patienten zu treffen.

Nachfolgend werden einige Kriterien, die jedoch nicht abschließend sind, aufgezeigt, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung wiederholt als maßgeblich für die Wirksamkeit von Wahlleistungsvereinbarungen für die stationäre Behandlung angesehen wurden.

1. Schriftformerfordernis, § 17 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 KHEntgG

Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 KHEntgG muss die gesamte Wahlleistungsvereinbarung schriftlich geschlossen werden. Dies bedeutet gemäß § 126 Abs. 2 BGB, dass beide Vertragspartner dieselbe Urkunde unterzeichnen müssen. Das Schriftformerfordernis ist auch gewahrt, wenn zwei gleichlautende Schriftstücke erstellt werden, von denen jedes von einer Partei unterzeichnet und an die jeweils andere Partei ausgehändigt wird.

2. Vorherige Information des Patienten über die Entgelte der Wahlleistung, § 17 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 KHEntgG

Diese Vorschrift schreibt eine weitere Wirksamkeitsvoraussetzung für die Wahlleistungsvereinbarung fest, die von einigen Krankenhäusern nicht beachtet wird:

Der Patient ist vor Abschluss der Vereinbarung schriftlich über die Entgelte der Wahlleistungen und deren Inhalt im Einzelnen zu unterrichten, d. h. diese Patienteninformation muss der Wahlleistungsvereinbarung vorausgehen. Die Patienteninformation sollte deshalb nicht Teil der Wahlleistungsvereinbarung sein, da die Rechtsprechung dies als verspätet ansehen könnte, wodurch die Wahlleistungsvereinbarung unwirksam wird (vgl. OLG Zweibrücken, Urteil vom 28.05.2002 – 5 U 1/02.). Ebenso unwirksam wird die Wahlleistungsvereinbarung, wenn die vorherige Unterrichtung nicht ausreichend erfolgt (vgl. BGH, Urteil vom 01.02.2007 – III ZR 126/06). Eine formularmäßige, in der Wahlleistungserklärung des Patienten enthaltene Klausel, nach den allgemeinen Vertragsbestimmungen und der Pflegekostentarif sowie die Gebührenordnung zur Einsichtnahme vorgelegen haben, genügt nicht den Anforderungen des Krankenhausentgeltgesetzes und der Rechtsprechung. Dem Patienten muss nach der BGH-Rechtsprechung vielmehr vor Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung folgendes dargestellt werden:

eine kurze Charakterisierung des Inhalts wahlärztlicher Leistungen, wobei zum Ausdruck kommt, dass hierdurch die persönliche Behandlung durch die liquidationsberechtigten Ärzte sichergestellt werden soll, zusammen mit dem Hinweis, dass der Patient auch ohne Abschluss einer Wahlleistungsvereinbarung die medizinisch notwendige Versorgung durch hinreichend qualifizierte Ärzte erhält,

eine kurze Erläuterung der Preisermittlung für ärztliche Leistungen nach der GOÄ bzw. GOZ sowie ein Hinweis auf die Gebührenminderung nach § 6a GOÄ,

der Hinweis darauf, dass die Vereinbarung wahlärztlicher Leistungen eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung zur Folge haben kann,

der Hinweis auf die Erstreckungsklausel des § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG (Wahlarztkette; hier wird dringend empfohlen, den Gesetzestext wortwörtlich zu übernehmen, da sich private Krankenversicherungen ansonsten auf die Unwirksamkeit dieser Klausel berufen könnten),

sowie der Hinweis auf die jederzeitige Einsichtnahme in GOÄ/GOZ auf Wunsch des Patienten (vgl. BGH, Urteil vom 04.11.2010 – III ZR 323/09).

Dies geschieht am besten durch Aushändigung einer schriftlichen Patienteninformation, wobei der Patient den Erhalt durch ein Empfangsbekenntnis mit Angabe des Datums und der Uhrzeit durch Unterschrift zwingend bestätigen sollte.

3. Koppelungsverbot

Als Fallstrick kann sich auch eine in den allgemeinen Vertragsbedingungen der Krankenhäuser enthaltene Regelung erweisen, die eine Verknüpfung zwischen der Art der Unterbringung des Patienten und dem Liquidationsrecht der leitenden Abteilungsärzte enthält. Wird in den allgemeinen Vertragsbestimmungen geregelt, dass die Unterbringung des Patienten in einem Ein- oder Zweibettzimmer automatisch an die gesonderte Berechnung der ärztlichen Leistung der leitenden Ärzte gekoppelt wird, ist dies unzulässig (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.04.2012 – 2 S 1730/11).

§ 17 Abs. 4 KHEntgG bestimmt nämlich, dass eine Vereinbarung über gesondert berechenbare Unterkunft nicht von einer Vereinbarung über sonstige Wahlleistungen abhängig gemacht werden darf. Verhindert werden soll hierdurch insbesondere, dass die Verpflichtung des Patienten zur Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen entsteht, wenn dieser in einem Ein- oder Zweibettzimmer untergebracht werden möchte.

Die allgemeinen Vertragsbestimmungen des Krankenhauses sollten daher unbedingt daraufhin überprüft werden, ob eine Entkoppelung im Sinne von § 17 Abs. 4 KHEntgG vorgenommen ist.

4. Erfordernis der persönlichen Leistungserbringung, §§ 4 Abs. 2 GOÄ, 17 Abs. 3 KHEntgG, 613 Satz 1 BGB

Ärztliche Leistungen, die der Wahlarzt selbst liquidiert, müssen nach den oben genannten Vorschriften vom Wahlarzt grundsätzlich selbst erbracht werden. Eine Ausnahme gilt lediglich dann, wenn der Wahlarzt Leistungen delegiert und diese Leistungen unter seiner Aufsicht nach seiner fachlichen Weisung erbracht werden. Voraussetzung für die Abrechenbarkeit von delegationsfähigen ärztlichen Leistungen, die der Wahlarzt an andere Ärzte delegiert, ist aber, dass der Wahlarzt bei der Behandlung eigenverantwortlich mitgewirkt hat und dadurch der ärztlichen Leistung sein persönliches Gepräge gegeben hat. Unter seiner Aufsicht setzt voraus, dass wenn er schon nicht anwesend ist, er jedenfalls die Möglichkeit hat, unverzüglich persönlich einwirken zu können. Nicht ausreichend ist hingegen, dass er lediglich im Sinne einer Oberaufsicht die grundlegenden Entscheidungen einer Behandlung selbst trifft, deren Vollzug überwacht und entsprechende Weisungen erteilen kann (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 14.12.2011 – 5 U 183/11; OLG Frankfurt a. M., GesR 2011, 680).

Die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung resultiert daraus, dass der Patient sich bei Unterzeichnung einer Wahlleistungsvereinbarung die persönliche Leistung des leitenden Krankenhausarztes erkauft, da er infolge der gesonderten Berechenbarkeit der wahlärztlichen Leistungen erheblich höhere finanzielle Aufwendungen in Sorge um seine Gesundheit macht. Im Gegenzug soll er dadurch ein Anrecht auf die persönliche Zuwendung und die besondere fachliche Kompetenz und Erfahrung des von ihm gewählten Arztes haben. Nicht delegationsfähig sind somit die sog. Kernleistungen. Demzufolge muss der Wahlarzt die seine Disziplin prägenden Kernleistungen persönlich und eigenhändig erbringen. Etwas anderes gilt nur, sofern er mit dem Patienten eine Ausführung seiner Kernleistungen durch einen Stellvertreter wirksam vereinbart hat (vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2010 – VI ZR 252/08; OLG Braunschweig, Urteil vom 25.09.2013 – 1 U 24/12).

Der Wahlarzt muss sich also zu Beginn, während und zum Abschluss der Behandlung mit dem Patienten persönlich befassen. Er muss der ärztlichen Maßnahme hierdurch sein persönliches Gepräge geben. Folglich ist bei jeder einzelnen Behandlungsmaßnahme die Frage zu stellen, ob sie dem Wahlarzt nach herkömmlichen Verständnis zur eigenen Verantwortung zuzurechnen ist (vgl. OLG Oldenburg, a. a. O.). Insbesondere die für den Patienten bedeutenden und riskanten Hauptleistungen, wie zum Beispiel Geburt, Operation, Narkose, usw. muss er stets selbst erbringen. Bei diesen Leistungen ist, wie gesagt, eine Delegation nicht möglich.

Ist der Wahlarzt während der Dauer der Behandlung des Patienten oder auch nur während einer wesentlichen Hauptleistung nicht im Krankenhaus anwesend und kann den Patienten nicht persönlich betreuen, ist eine Privatliquidation gegenüber diesem Patienten hinsichtlich der Kernleistungen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur möglich, wenn eine wirksame Vertretervereinbarung vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2010 – VI ZR 252/08). Dabei muss nach ständiger Rechtsprechung unterschieden werden zwischen den Fällen der unvorhersehbaren Verhinderung und der vorhersehbaren Verhinderung.

Eine unvorhersehbare Verhinderung liegt beispielsweise vor bei Krankheit, einem Unfall des Wahlarztes, einem anderweitigen Notfall oder auch bei einem nachträglich eingereichten Urlaub. Die Verhinderung darf damit im Zeitpunkt des Abschlusses der Wahlleistungsvereinbarung noch nicht feststehen.

Eine vorhersehbare oder geplante Verhinderung liegt vor, wenn im Zeitpunkt des Abschlusses der Wahlleistungsvereinbarung die Verhinderung zur persönlichen Leistungserbringung der Kernleistungen vorhersehbar ist. Beispielhaft seien hier der geplante Urlaub, eine Fortbildung oder ein freies Dienstwochenende genannt. Der Wahlarzt muss also an der persönlichen Erbringung der seine Disziplin prägenden Kernleistung vorhersehbar verhindert sein.

Für den Fall der unvorhersehbaren Verhinderung des Wahlarztes kann nach der Rechtsprechung durch Aufnahme einer Regelung in der Wahlleistungsvereinbarung eine zulässige Abweichung vom Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung vereinbart werden. Dabei wird es als zulässig angesehen, wenn der ständige ärztliche Vertreter für diesen Fall als Vertreter des Wahlarztes namentlich benannt wird und auch nur dieser die Wahlleistung stellvertretend erbringt (vgl. BGH, Urteil vom 20.12.2007 – III ZR 144/07).

Noch nicht abschließend geklärt ist in der Rechtsprechung, ob hier nur die Benennung eines ständigen ärztlichen Vertreters zulässig sein soll oder sogar mehrerer. Nach Auffassung des Verfassers tendiert jedoch die Rechtsprechung und wohl auch der BGH unter Bezugnahme auf den Wortlaut der §§ 4 Abs. 2, 5 Abs. 5 GOÄ dahin, dass nur ein ständiger ärztlicher Vertreter pro Wahlarzt zulässig sein soll (vgl. BGH, a. a. O.). Der ständige ärztliche Vertreter muss dem Patienten auch vor Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung namentlich benannt werden. Nachdem bei größeren Abteilungen oder Kliniken der Wahlarzt mehrere ständige ärztliche Vertreter benötigt, bietet sich aus Sicht des Verfassers hier wohl nur die praktikable Lösung an, den Zuständigkeitsbereich des Wahlarztes dahingehend aufzuteilen, dass von mehreren ständigen ärztlichen Vertretern jeweils einer alleiniger ständiger ärztlicher Vertreter für einen einzelnen Fachbereich oder eine Station des Wahlarztes wird und dies in der Wahlleistungsvereinbarung auch explizit dargestellt wird. Denn es muss beachtet werden, dass die Bestimmung des Zuständigkeitsbereichs des ständigen ärztlichen Vertreters so klar definiert werden muss, dass der Patient ohne Weiteres erkennen kann, welcher Arzt im Vertretungsfall tatsächlich zuständig ist.

Für Fälle der vorhersehbaren Verhinderung ist nach Rechtsprechung des BGH eine Abweichung vom Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung im Kernbereich der wahlärztlichen Leistung hingegen nur möglich, wenn mit dem Patienten eine zusätzliche individuelle Stellvertretervereinbarung abgeschlossen wird (vgl. BGH, a. a. O.). Eine Vertreterregelung in der Wahlleistungsvereinbarung für diesen Fall ist unwirksam. Somit wird zwingend eine gesonderte Vereinbarung benötigt.

Mit vorgenanntem Urteil hat der BGH entschieden, dass eine Individualvereinbarung für den Fall der vorhersehbaren Verhinderung nur wirksam ist, wenn:

der Patient so früh wie möglich über die Verhinderung des Wahlarztes unterrichtet wird,

die Vertretervereinbarung schriftlich geschlossen wird und

der Patient über folgende drei Alternativen aufgeklärt und ihm diese angeboten werden:

1. anstelle des Wahlarztes wird ein bestimmter Vertreter zu den vereinbarten Bedingungen, also Abrechnung als wahlärztliche Leistungen, tätig,

2. der Patient muss die Möglichkeit haben, auf die Inanspruchnahme ärztlicher Wahlleistungen zu verzichten und sich ohne Zuzahlungen von dem jeweils diensthabenden Arzt behandeln zu lassen oder

3. sofern die jeweilige Maßnahme bis zum Ende der Verhinderung des Wahlarztes aus medizinischer Sicht verschoben werden kann, ist auch dies dem Patienten zur Wahl zu stellen.

Bei der individuellen Stellvertretervereinbarung kann aus Sicht des Verfassers wohl auch ein anderer als der ständige ärztliche Vertreter benannt werden, zum Beispiel ein spezialisierter Oberarzt. Allerdings wird man hier berücksichtigen müssen, dass der Chefarzt nur solche Leistungen des Vertreters als Wahlleistungen abrechnen darf, die er auch selbst hätte erbringen können (vgl. Andreas M., ArztR 2009, 172 ff.).

Auf diese Vertretervereinbarung ist der Patient gesondert hinzuweisen, wenn diese im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Abschluss des Wahlleistungsvertrags vereinbart werden soll. Ferner ist es aus Sicht des BGH nicht erforderlich, dass der Wahlarzt selbst den Patienten hierüber aufklärt.

Hinsichtlich der Anforderungen an eine Individualabrede macht der BGH in diesem Urteil deutlich, dass eine solche auch dann vorliegen könne, wenn sie formularmäßig abgeschlossen werde. Dies sei dann der Fall, soweit die Vertragsregelungen im Einzelnen ausgehandelt wurden. Nach Auffassung des BGH seien Verhandlungen über den Text der Klauseln zwischen den Vertragspartnern hierfür nicht maßgeblich. Hiernach könne auch eine vorformulierte Vertragsbedingung ausgehandelt sein, wenn sie der Verwender als eine von mehreren Alternativen anbietet und der Vertragspartner zwischen diesen Alternativen wählen könne. Notwendig sei, dass der Patient durch die Auswahlmöglichkeiten den Gehalt der Regelung mitgestalten könne und seine Wahlfreiheit nicht durch Beeinflussung des Verwenders, beispielsweise durch die Formulargestaltung oder in anderer Weise überlagert werde (vgl. BGH, a. a. O.). Folglich müssten nach Ansicht des Verfassers zur Erfüllung der Voraussetzungen einer Individualabrede entsprechend der BGH-Rechtsprechung dem Patienten die hier oben dargestellten Handlungsoptionen zur Wahl gestellt werden, sodass der Patient die weitere Vorgehensweise beispielsweise durch Ankreuzen selbst bestimmen kann.

Abschließend sei noch einmal auf die Bedeutung einer wirksamen Wahlleistungsvereinbarung hingewiesen. Nach allgemeiner Auffassung hat jede dem Krankenhausträger gegenüber abgegebene Erklärung des Patienten, wahlärztliche Leistungen im Sinne von § 17 KHEntgG in Anspruch zu nehmen, zur Folge, dass mit dem Patienten regelmäßig ein totaler Krankenhausvertrag mit Arztzusatzvertrag geschlossen wird. Sowohl der Krankenhausträger als auch der Arzt schulden bei dieser Vertragsgestaltung ärztliche Leistungen. Der liquidationsberechtigte Arzt darf seine Leistungen aus eigenem Recht gegenüber dem Patienten abrechnen.

Je nachdem wie im einzelnen Krankenhaus bei Abschluss einer Wahlleistungsvereinbarung vorgegangen wird, muss anhand der konkreten Umstände im Einzelfall und der Vertragsauslegung beurteilt werden, ob mit dem Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung zugleich der Arztzusatzvertrag zwischen Patient und liquidationsberechtigtem Arzt geschlossen wird oder ob der Arztzusatzvertrag gesondert zur Wahlleistungsvereinbarung geschlossen werden muss (vgl. OLG München, Urteil vom 07.08.2008 – 1 U 4979/07).

Kommt der Arztzusatzvertrag bereits bei Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung zwischen dem Krankenhaus und dem Patienten zustande und tritt das Krankenhaus dabei als Vertreter des leitenden Arztes auf, gelten die Formvorschriften des Krankenhausentgeltgesetzes bei dieser Gestaltungsform, die der Regelfall sein dürfte, unmittelbar auch für den Arztzusatzvertrag. Werden diese Vorschriften nicht eingehalten, wird das Liquidationsrecht des leitenden Arztes nicht wirksam begründet.

Liegt die andere Alternative des Vertragsschlusses vor, wenn der Arztzusatzvertrag, der die schuldrechtlichen Bindungen zwischen dem leitenden Arzt und dem Patienten begründet, durch gesonderten Vertragsschluss zwischen Arzt und Patient und nicht bereits durch Vermittlung des Krankenhausträgers zustande kommt, kann der gesonderte Arztzusatzvertrag mangels einschlägiger Formvorschriften auch mündlich oder durch konkludentes Verhalten des Patienten geschlossen werden (vgl. OLG München, a. a. O.). § 17 KHEntgG ist dann für den Arztzusatzvertrag nicht einschlägig, da diese Bestimmungen nur die zwischen dem Krankenhaus und dem Patienten abzuschließende Wahlleistungsvereinbarung erfasst. Die Krux besteht jedoch darin, dass, wie der BGH bereits in seinem Urteil vom 19.02.1998 – III ZR 169/97 bestätigt hat, die Wahlleistungsvereinbarung zwischen Krankenhaus und Patient einerseits und der Arztzusatzvertrag zwischen Chefarzt und Patient andererseits eine rechtliche Einheit bilden. Ist also die Wahlleistungsvereinbarung mit dem Krankenhausträger zum Beispiel wegen Verstoßes gegen die Formvorschriften des Krankenhausentgeltgesetzes unwirksam, erfasst dies gemäß § 139 BGB auch einen zwischen dem Arzt und dem Patienten gesondert geschlossenen Arztzusatzvertrag. Konkret bedeutet dies, dass eine per se zwischen Arzt und Patienten wirksam geschlossene Vereinbarung, wonach der Arzt selbst liquidieren darf, auch wenn sein Vertreter oder andere Ärzte tätig waren, dann unwirksam ist, wenn die zwischen Krankenhausträger und Patient geschlossene Wahlleistungsvereinbarung keine Wirksamkeit wegen Verstoßes gegen das KHEntgG entfaltet (vgl. OLG München, a. a. O.). Der Arztzusatzvertrag steht und fällt daher in jedem Fall mit der Wahlleistungsvereinbarung. Nur wenn diese, bei Aufnahme des Patienten in das Krankenhaus geschlossene Wahlleistungsvereinbarung wirksam ist, kann die ärztliche Privatliquidation dem Angriff im Rahmen eines Rechtstreits standhalten.

Ist nach alledem die Wahlleistungsvereinbarung und/oder die individuelle Stellvertretervereinbarung rechtsunwirksam, hat somit der liquidierende Arzt keinen Anspruch gegen den Patienten auf Zahlung der in Anspruch genommenen Wahlleistungen. Dem Patienten steht in diesem Fall ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Hat der Patient die Rechnung schon bezahlt, kann er das bezahlte Honorar vom Arzt zurückfordern. Verstößt der Arzt gegen seine Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung, können daneben noch als weitere erhebliche Konsequenzen ein berufsgerichtliches sowie ein strafrechtliches Verfahren wegen Abrechnungsbetruges drohen.

Heberer J. Probleme der Wahlleistungsvereinbarung. Passion Chirurgie. 2014 Oktober; 4(10): Artikel 06_01.

Muss man sich bei der Analogabrechnung von GOÄ-Ziffern an die Empfehlungen der BÄK halten?

Frage:

Ein niedergelassener Chirurg fragt an, ob er sich bei der Analogabrechnung von GOÄ-Ziffern strikt an die Empfehlungen der Bundesärztekammer halten muss.

Antwort:

Die Abrechnungsempfehlungen der Bundesärztekammer zur Analogabrechnung sind aus Sicht des Verfassers lediglich eine Hilfestellung und damit nicht rechtlich verbindlich. Sofern jedoch eine analoge Abrechnungsziffer durch die höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH bestätigt oder in die GOÄ mitaufgenommen werden sollte, erreicht sie rechtliche Verbindlichkeit. In der Vergangenheit wurden bereits einige Abrechnungsempfehlungen der BÄK durch höchstrichterliche Urteile als rechtsverbindlich bestätigt. Auch wenn den Abrechnungsempfehlungen der Bundesärztekammer zwar zunächst keine Rechtsverbindlichkeit zukommt, können sie dennoch rechtsrelevant sein, da diese Empfehlungen in einem Rechtsstreit vom Gericht oder vom Sachverständigen zur Beantwortung der Frage der analogen Abrechenbarkeit herangezogen werden können.

Es besteht somit nach Ansicht des Verfassers keine Verpflichtung des Arztes, sich an die Abrechnungsempfehlungen der Bundesärztekammer zu halten. Grundsätzlich liegt es im Ermessen des Arztes selbst, eine Analogbewertung zu bilden. Dabei muss er auf die Angemessenheit seiner Honorarforderung gemäß § 12 Abs. 1 MBO-Ä achten. Ferner müssen natürlich die Voraussetzungen zur Vornahme einer Analogbewertung nach § 6 Abs. 2 GOÄ berücksichtigt werden. Bei der Analogbewertung wird eine bereits vorhandene Gebührenziffer zur Berechnung einer nicht in der GOÄ vorkommenden Leistung herangezogen. Es entsteht somit keine neue, eigenständige Gebührenziffer. Nach Auffassung des Verfassers führt dies dazu, dass insbesondere die Rahmenbedingungen der verwendeten Gebührenziffer bestehen bleiben müssen. So müssen beispielsweise der Gebührenrahmen erhalten bleiben sowie Mindestzeiten, Abrechnungsausschlüsse, maximal berechnungsfähige Anzahl etc. Berücksichtigung finden.

Antworten von Dr. jur. Jörg Heberer:
Justitiar BDC Berlin, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht
justitiar@bdc.de

Heberer J. Muss man sich bei der Analogabrechnung von GOÄ-Ziffern an die Empfehlungen der BÄK halten? Passion Chirurgie. 2014 September; 4(09): Artikel 08_01.

Wie sind die Vertretungsmöglichkeiten im D-Arzt-Bereich?

Frage:

Ein niedergelassener Arzt fragt nach Vertretungsmöglichkeiten im D-Arzt-Bereich.

Antwort:

Die durchgangsärztliche Vertretung ist bundesweit einheitlich in den Auslegungsgrundsätzen zu den Anforderungen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger exakt definiert worden (dies gilt sowohl für D- als auch für H-Ärzte), die dortigen Vorgaben sind kurz zusammengefasst:

  • Der Durchgangsarzt kann sich innerhalb der Bereitschaftszeit an zwei halben oder einem ganzen Tag pro Woche vertreten lassen, vorzugsweise mit Präsenz des Vertreters in der Praxis. Falls dies nicht möglich ist, kann der nächstgelegene D-Arzt die Vertretung übernehmen, sofern dessen Praxis nicht weiter als fünf km entfernt oder innerhalb 15 Minuten erreichbar ist.
  • Bei kurzzeitiger Abwesenheit des D-Arztes muss die Praxis geöffnet sein und der D-Arzt muss diese innerhalb „kürzester Zeit“ erreichen können.
  • Die Vertretung kann auch in Absprache mit einem stationär tätigen D-Arzt am Krankenhaus erfolgen.
  • Eine Vertretung bei gleichzeitiger Präsenz und Aufsicht des D-Arztes durch andere Ärzte ist hingegen nicht möglich, da eine Vertretung die Abwesenheit des Vertretenen voraussetzt. Die Vertretung bei Krankheit, Urlaub oder Fortbildung ist nach den vorgenannten Grundsätzen ebenfalls möglich.
  • Entsprechende Vertretungsregelungen müssen für den Patienten gut erkennbar sichtbar sein, z. B. durch Aushang in der Praxis, Ansage auf dem Anrufbeantworter und ggf. Mitteilung auf der Homepage.
  • Wenn in Berufsausübungsgemeinschaften mehr als ein D-Arzt zugelassen ist, muss die Vertretung intern gewährleistet werden.

Antworten von Dr. jur. Jörg Heberer:
Justitiar BDC Berlin, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht
justitiar@bdc.de

Heberer J. Wie sind die Vertretungsmöglichkeiten im D-Arzt-Bereich? Passion Chirurgie. 2014 September; 4(09): Artikel 08_02.

Darf ein Chirurg auch die Aufklärung von fachfremden Eingriffen übernehmen?

Frage:

Ein Oberarzt fragt an, ob er auch die Aufklärung von fachfremden Eingriffen übernehmen darf.

Antwort:

Nachdem stets der Facharztstandard geschuldet wird, muss sich der jeweilige aufklärende Arzt, auch wenn er die Aufklärung für einen Eingriff aus einem anderen Fachgebiet vornimmt, an dem für den Eingriff geltenden Facharztstandard messen lassen. Dies kann unter Umständen bei Nichteinhaltung des Facharztstandards haftungsrechtliche Konsequenzen im Schadensfalle und damit ggf. erhebliche Schadensersatzforderungen auslösen.

§ 630e Abs. 2 Satz 1 Ziffer 1 BGB hat mit seiner Einführung durch das Patientenrechtegesetz zudem ausdrücklich klargestellt, dass die Aufklärung mündlich durch den Behandelnden oder durch eine Person erfolgen muss, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt.

Bei der Delegation der Aufklärung an ärztliche Mitarbeiter, die grundsätzlich zulässig ist, ist zu beachten, dass der Mitarbeiter zu der ihm übertragenen Aufklärung aufgrund seiner Ausbildung somit hinreichend qualifiziert sein muss und dass der delegierende Arzt die ordnungsgemäße Aufklärung durch den anderen Arzt sicherstellen muss, d. h. dass er sich im Gespräch mit dem Patienten oder durch Blick in die Patientenakte der ordnungsgemäß erfolgten Aufklärung vergewissern muss. Bei sehr seltenen Eingriffen können spezielle Aufklärungsanweisungen für den die Aufklärung durchführenden Arzt erforderlich sein. Eine hinreichende Qualifizierung liegt nach Auffassung des Verfassers vor, wenn der andere Arzt zur sachgerechten Aufklärung über die notwendige Befähigung und damit für die zur Durchführung der Maßnahme adäquate fachliche Qualifikation verfügt. Dies sollte im Rahmen der Auswahlentscheidung sichergestellt werden.

Sofern der aufklärende Arzt über die für den Eingriff notwendige Ausbildung nicht verfügt, muss aus juristischer Sicht somit dringend davon abgeraten werden, dass dieser Arzt die Aufklärung vornimmt. Denn dann wäre die Aufklärung unwirksam und somit auch die Einwilligung des Patienten in den Eingriff, wodurch dieser rechtswidrig wäre. Hierdurch können ebenfalls haftungs- und strafrechtliche Folgen drohen.

Heberer J. Darf ein Chirurg auch die Aufklärung von fachfremden Eingriffen übernehmen? Passion Chirurgie. 2014 August; 4(08): Artikel 08_01.

Welche Tätigkeitsschwerpunkte dürfen auf die Visitenkarte?


Frage:

Ein niedergelassener Chirurg aus Nordrhein-Westfalen fragt an, welche Tätigkeitsschwerpunkte er berufsrechtlich auf seinen Visitenkarten angeben darf.

Antwort:

Maßgeblich ist hierfür die durch die jeweils zuständige Landesärztekammer erlassene Berufsordnung. Die Regelungen der einzelnen Berufsordnungen der jeweiligen Landesärztekammern orientieren sich zwar an der Muster-Berufsordnung, können hiervon jedoch auch abweichende bzw. weitergehende Anforderungen treffen. § 27 der M-BO bzw. der jeweiligen Berufsordnungen stellt dabei die berufsrechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Information nach Außen durch Ärzte auf.

Gemäß § 27 Abs. 4 Nr. 3 der Berufsordnung der in diesem konkreten Fall zuständigen Ärztekammer Nordrhein darf ein Arzt bis zu drei als solche gekennzeichnete Tätigkeitsschwerpunkte nach außen, sprich auf Visitenkarten, dem Praxisschild etc. ankündigen. Dabei dürfen Tätigkeitsschwerpunkte berufsrechtlich nur angekündigt werden, wenn diese Angaben nicht mit solchen nach geregeltem Weiterbildungsrecht erworbenen Qualifikationen verwechselt werden können. Ferner bestimmt § 27 Abs. 6 BO ÄK Nordrhein, dass diese zudem mit dem Zusatz „Tätigkeitsschwerpunkte” gekennzeichnet werden müssen. Zur Ankündigung dieser Angaben ist nach der BO zudem nur berechtigt, wer diese Leistung/en seit mindestens zwei Jahren in erheblichem Umfang erbringt und dies auf Verlangen der Ärztekammer Nordrhein nachweisen kann. Folglich muss all dies bei der Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten in den Gebieten, in denen die Berufsordnung der Ärztekammer Nordrhein einschlägig ist, beachtet werden.

Es ist aus juristischer Sicht dringend zu empfehlen, die Vorgaben des § 27 BO einzuhalten, da ein Verstoß hiergegen nicht nur zu berufsrechtlichen, sondern gegebenenfalls auch zu wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen führen kann. Denn ein Verstoß gegen § 27 BO kann i. V. m. § 4 Nr. 11 UWG zugleich eine unlautere geschäftliche Handlung darstellen, die zu Beseitigungs-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen führen kann.

Heberer J. Welche Tätigkeitsschwerpunkte dürfen auf die Visitenkarte? Passion Chirurgie. 2014 August; 4(08): Artikel 08_02.

Osteodensitometrie mittels DXA als Kassenleistung nach GOP 34601 EBM

Durch den Beschluss des G-BA vom 21.02.2013, der am 21.05.2013 in Kraft getreten ist, wurden die Indikationen für die Durchführung einer Knochendichtemessung mittels einer zentralen DXA zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erweitert. Zugelassen ist seit dem die Verordnung von Osteodensitometrie zu Lasten der GKV auch ohne Vorliegen einer Fraktur zum Zweck der Optimierung der Therapieentscheidung. Dies bedeutet, dass seit 21.05.2013 GKV-Patienten einen Anspruch auf diese Leistung als Kassenleistung haben. Zur Erbringung und Abrechnung dieser Leistung ist eine Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung erforderlich. Aufsehen und teilweises Unverständnis erregte sodann die Einführung dieser Leistung zum 01.01.2014 in den EBM unter der GOP 34601 unter den Ärzten, die eine solche Genehmigung besitzen, da hierin die Leistung nur noch mit EUR 16,31 bewertet wird.

Leistungsinhalt nach dem EBM

Der obligate Leistungsinhalt der GOP 34601 EBM lautet nun:

„Osteodensitometrische Untersuchung(en) am Schenkelhals und/oder an der LWS nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (Nr.7 in der Anlage I “Anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden” der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung, mittels einer zentralen DXA [Dual-Energy X-ray Absorptiometrie]) zum Zweck der Optimierung der Therapieentscheidung, wenn aufgrund konkreter anamnestischer und klinischer Befunde eine Absicht für eine spezifische medikamentöse Therapie einer Osteoporose besteht“.

Nummer 7 der Anlage I der G-BA-Richtlinie bestimmt, dass die Leistung zu Lasten der GKV erbring- und abrechenbar ist zum Zweck der Optimierung der Therapieentscheidung, wenn aufgrund konkreter anamnestischer und klinischer Befunde, beispielsweise bei klinisch manifester Wirbelkörper- oder Hüftfraktur ohne adäquates Trauma, eine Absicht für eine spezifische medikamentöse Therapie einer Osteoporose besteht. Zum Zweck der Optimierung der Therapieentscheidung kann die Osteodensitometrie frühestens nach 5 Jahren wiederholt werden, es sei denn, dass aufgrund besonderer therapierelevanter anamnestischer und klinischer Befunde eine frühere Osteodensitometrie geboten ist.

Vor Einführung dieser Regelung in den EBM konnte die Leistung nach der GOÄ und damit ein wesentlich höherer Betrag abgerechnet werden. Eine kostendeckende Erbringung dieser Leistung ist nach Auffassung der Vertragsärzte, die eine solche KV-Genehmigung besitzen, nicht mehr möglich, sodass diese erhebliche negative wirtschaftliche Konsequenzen für deren Praxen befürchten. Es stellt sich somit die Frage, ob es trotz der Aufnahme in den EBM noch eine Möglichkeit gibt, diese Leistung gegenüber dem Kassenpatienten privat nach der GOÄ zu liquidieren.

Möglichkeit der Rückgabe der Genehmigung

Wenn der Vertragsarzt ein DXA-Gerät und die KV-Genehmigung hierfür besitzt und die Voraussetzungen der Leistungslegende erfüllt sind, muss er dem Patient diese Leistung als Kassenleistung anbieten und abrechnen.

Allein die Rückgabe der Genehmigung macht die nunmehrige Osteodensitometrie mittels DXA auch nicht zur IGeL-Leistung oder zur Privatleistung, denn sie bleibt weiterhin eine EBM-Leistung. Es bestünde nach Meinung des Verfassers dann in jedem Fall die Hinweispflicht des Arztes gegenüber dem Patienten, dass dies eine Kassenleistung ist und der Patient deshalb Anspruch hierauf als Kassenleistung ohne Mehrkosten hat, weshalb er den Patienten sodann an einen anderen Arzt überweisen müsste, falls er selbst keine Genehmigung mehr besitzt.

Überdies ist aus Sicht des Verfassers die Rückgabe der DXA-Genehmigung allein aus finanziellen Gründen, um diese Leistung zukünftig nur noch als Privatleistung den GKV-Patienten anzubieten, rechtlich nicht zulässig. Denn nach der Rechtsprechung des BSG ist ein Vertragsarzt nicht befugt, sein Leistungsspektrum beliebig und einseitig gegenüber GKV-Versicherten einzuengen. Alle – der vertragsärztlichen Versorgung zuzurechnenden und im Rahmen seiner Praxis erbringbaren – ärztlichen Leistungen seines Fachgebiets hat der Vertragsarzt ohne Unterschied bei GKV-Versicherten und Privatpatienten zu erbringen, wenn dafür medizinischer Bedarf besteht. Dies nennt man das sog. Differenzierungsverbot.

Das BSG hat in seinen Grundsatzentscheidungen vom 14.03.2011 (Az.: B 6 KA 54/00 R, B 6 KA 36/00 R und B 6 KA 67/00 R) ferner entschieden, dass ein Arzt, der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, dazu verpflichtet ist, zur Erfüllung des Sicherstellungsauftrags GKV-Patienten die wesentlichen Leistungen anzubieten, die typischerweise zu seinem Fachgebiet gehören. Sofern die hier beschriebene Leistung zu den wesentlichen und typischen Leistungen des Fachgebiets des jeweiligen Arztes gehört, darf diese Verpflichtung nach Ansicht des Verfassers auch nicht umgangen werden.

Der Vertragsarzt darf nach dem BSG ebenfalls dem GKV-Patienten eine GKV-Kernleistung nicht vorenthalten, um sie beispielsweise aus Gründen der Kostenunterdeckung nur als Privatbehandlung anzubieten oder sie von einer Zuzahlung abhängig zu machen. Das BSG hat entschieden, dass kein Zweifel daran besteht, dass finanzielle Aspekte einen Vertragsarzt nicht berechtigen, den Versicherten gesetzlich vorgesehene Leistungen nur außerhalb des Systems der vertragsärztlichen Versorgung zukommen zu lassen oder gänzlich zu verweigern (vgl. BSG, Urteil vom 14.03.2001, B 6 KA 54/00 R).

Es ist aus juristischer Sicht auch zwingend zu raten, von Konstruktionen zur Umgehung dieser Rechtsprechungsgrundsätze Abstand zu nehmen, da dies schlichtweg unzulässig wäre. Die BSG-Rechtsprechung lässt sich nach Auffassung des Verfassers leider wohl auch dahingehend interpretieren, dass es dem Vertragsarzt untersagt ist, die Kassenleistung aus finanziellen Gründen nicht mehr anzubieten bzw. nur noch die Privatleistung anzubieten, auch wenn er die erforderliche Genehmigung zurückgeben konnte.

Im Übrigen sieht die Qualitätssicherungsvereinbarung zur Strahlendiagnostik und –therapie selbst nur den Widerruf oder die Rücknahme der Genehmigung durch die KV vor, wenn die fachlichen oder apparativen Genehmigungsvoraussetzungen wegfallen. Rein formal ist somit die schlichte Rückgabe der Genehmigung durch den Vertragsarzt grundsätzlich nicht vorgesehen. Allerdings ist die Handhabung in den Kassenärztlichen Vereinigungen durchaus unterschiedlich. Einige KVen akzeptieren einen Antrag auf Rückgabe durch den Vertragsarzt, wobei die Rückgabe erst mit Zustellung eines schriftlichen Bescheids rechtswirksam wird. Andere KVen lehnen eine Rückgabe strikt ab mit dem Hinweis auf die obige BSG-Rechtsprechung.

Aufgrund der differierenden Ansicht selbst unter den KVen sowie der bislang fehlenden Rechtsprechung konkret zu diesem Sachverhalt kann jedoch nicht vorhergesagt werden, wie die Sozialgerichte zukünftig über die Zulässigkeit der Rückgabe der Genehmigung entscheiden werden. Selbst wenn eine Rückgabe als zulässig bestätigt werden würde, stellt sich ohnehin die Frage, ob dies überhaupt finanzielle Vorteile für den Vertragsarzt bringt, da in jedem Fall die Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung und Überweisung an einen anderen Vertragsarzt, der die Leistung als Kassenleistung erbringt, bestünde.

Abrechnung als Selbstzahlerleistung

In den Fällen, in denen ein Vertragsarzt eine KV-Genehmigung inne hatte und diese nun allein aus finanziellen Gründen, um diese zukünftig nur noch als Privatleistung (Selbstzahlerleistung) den GKV-Patienten anzubieten, zurückgibt, wäre dies nach obigen Ausführungen aus Sicht des Verfassers rechtlich nicht zulässig.

Die Privatliquidation ist somit den Ärzten, die eine entsprechende Genehmigung zur Osteodensitometrie mittels DXA besitzen, seit der Aufnahme der GOP 34601 in den EBM aus Sicht des Verfassers grundsätzlich verwehrt, da die Abrechnung nach dem EBM verpflichtend ist, wenn sämtliche Voraussetzungen der Leistungslegende erfüllt werden.

Hieraus folgt nach Meinung des Verfassers jedoch die Ausnahme, dass bei Nichterfüllung der Vorgaben gemäß Anlage I Nr. 7 der Richtlinie des G-BA und bei Nichterfüllung der Leistungslegende der GOP 34601 EBM im konkreten Einzelfall eine Privatliquidation trotz Vorliegens einer KV-Genehmigung zulässig sein müsste, wenn zusätzlich die Anforderungen des § 18 Abs. 8 Nr. 2 BMV-Ä erfüllt werden. Sofern folglich der Leistungsinhalt der GOP 34601 EBM (beispielsweise die oben genannten medizinischen Voraussetzungen gemäß Nr. 7 Anlage I der Richtlinie „Methoden vertragsärztliche Versorgung“) nicht erfüllt wird, der Patient aber dennoch vor Beginn der Behandlung ausdrücklich verlangt, dass er auf eigene Kosten behandelt werden möchte und dies dem Arzt schriftlich bestätigt, käme die Abrechnung der Knochendichtemessung als Privatleistung für den Vertragsarzt mit KV-Genehmigung in Betracht. Selbstverständlich ist der Patient zwingend wirtschaftlich aufzuklären, dass unter den im EBM genannten Voraussetzungen eine Leistungspflicht besteht und der Patient diese Leistung bei einem anderen Vertragsarzt auch ohne Mehrkosten als GKV-Leistung erhalten kann.

In diesem Zusammenhang ist jedoch dringend darauf hinzuweisen, dass sowohl nach dem BMV-Ä, als auch gemäß § 128 Abs. 5a SGB V ein Vertragsarzt Versicherte zur Inanspruchnahme einer privatärztlichen Versorgung anstelle der ihnen zustehenden Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung nicht beeinflussen darf. Ein Verstoß hiergegen kann zu disziplinar- und zulassungsrechtlichen Sanktionen führen.

Ein weiterer zulässiger Weg könnte die Wahl der Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 2 SGB V des Patienten gegenüber der Krankenkasse sein. Dies bedeutet jedoch, dass er diese Wahlentscheidung für ein ganzes Quartal und auch für die gesamte ärztliche Behandlung treffen muss, nicht nur für die Osteodensitometrie und der Patient entsprechend wirtschaftlich aufgeklärt werden muss. Er erhält auch nur eine Erstattung in Höhe der Kassenleistung, den Rest muss er selbst bezahlen.

Nach derzeitiger Auffassung des Verfassers ist eine Abrechnung als Selbstzahlerleistung gemäß § 18 Abs. 8 Nr. 2 BMV-Ä der Osteodensitometrie gemäß Nr. 7 Anlage I Richtline „Methoden vertragsärztliche Versorgung“ wohl am ehesten nur den Vertragsärzten noch möglich, die noch nie eine KV-Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung dieser Leistung besessen haben, wenn sie die Leistung berufsrechtlich erbringen dürfen, der Patient über die fehlende Genehmigung aufgeklärt wird und die vorgenannten Voraussetzungen des § 18 Abs. 8 Nr. 2 BMV-Ä nebst wirtschaftlicher Aufklärung des Patienten vollumfänglich erfüllt werden. Allerdings steht auch hier eine Klärung durch die Rechtsprechung noch aus.

Empfehlung

Selbstverständlich ist dem Verfasser die Problematik der nicht kostendeckenden Leistungserbringung aufgrund der niedrigen EBM-Bewertung sehr gut verständlich und nachvollziehbar. Den Vertragsärzten, die überlegen, ihre Genehmigung allein aus finanziellen Gründen zurückzugeben bzw. die Kassenleistung aus finanziellen Gründen nicht mehr anzubieten, kann aus juristischer Sicht dennoch im Hinblick auf die BSG-Rechtsprechung von diesem Vorhaben nur abgeraten werden. Insbesondere dann, wenn auch die jeweils zuständige KV eine Rückgabe der Genehmigung ablehnt. Auch von Versuchen zur Umgehung dieser Grundsätze ist abzuraten.

Nach derzeitiger Auffassung besteht somit wohl keine Möglichkeit für den Vertragsarzt, der die entsprechende KV-Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung der Osteodensitometrie mittels DXA besitzt, im Falle der Erfüllung der Voraussetzungen der Leistungslegende der GOP 34601 EBM diese als Privatleistung zu liquidieren. Eine Abrechnung als Kassenleistung nach dem EBM ist somit in diesen Fällen grundsätzlich verpflichtend.

Ein Ausnahmefall läge nach Meinung des Verfassers dann vor, wenn gerade die Voraussetzungen der Leistungslegende der GOP 34601 EBM i. V. m. Nr. 7 Anlage I der Richtlinie „Methoden vertragsärztliche Versorgung“ nicht erfüllt werden. Allerdings muss er dann darüber aufgeklärt werden, dass unter den im EBM genannten Voraussetzungen eine Leistungspflicht besteht und diese Osteodensitometrie mittels DXA bei einem anderen Vertragsarzt auch ohne Mehrkosten als GKV-Leistung erbracht werden kann.

Inwieweit die zukünftige sozialgerichtliche Rechtsprechung hiervon Ausnahmen oder die Rückgabe der Genehmigung als zulässig bestätigt, kann derzeit leider nicht vorhergesagt werden, sodass diese Entwicklung abzuwarten bleibt. Eine gesicherte Rechtsauskunft kann somit zum jetzigen Zeitpunkt nicht erteilt werden.

Kommentar

Die rechtliche Bewertung durch unseren Justiziar, Herrn Dr. Heberer, ist eindeutig. Daraus ergibt sich ein großes betriebswirtschaftliches Problem für diejenigen Kollegen, die in ein DXA-Gerät investiert und zur Refinanzierung mit dem GOÄ-Honorar als IGeL gerechnet haben. Diese Leistung kann somit nicht mehr kostendeckend erbracht werden. Wie bei anderen Leistungen auch entbindet dies den Vertragsarzt gemäß der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jedoch nicht von der Verpflichtung, Kernleistungen des Fachs trotzdem als Kassenleistung anzubieten. Davon ausgenommen sind allerdings Leistungen außerhalb des in den GBA-Richtlinien festgelegten Leistungsumfangs, z. B. wenn Patienten ohne triftigen Grund eine Wiederholung der DXA-Messung vor Ablauf der fünf-Jahresfrist wünschen sollten.

In weitaus größerem Umfang als die niedergelassenen Chirurgen trifft dieses Problem die Fachgruppe der Orthopäden. Von einzelnen orthopädischen Kollegen verlautete, dass sie eine sozialgerichtliche Klärung des Sachverhalts provozieren wollten. Der Ausgang solcher Verfahren bleibt abzuwarten. Vonseiten des BDC kann daher vorerst nur empfohlen werden, die rechtliche Beurteilung der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung einzuholen, um nicht in die Gefahr disziplinarischer Maßnahmen wegen des Verstoßes gegen vertragsärztliche Pflichten zu geraten.

Dr. Peter Kalbe
Referatsleiter Niedergelassene Chirurgen im BDC

Heberer J. Osteodensitometrie mittels DXA als Kassenleistung nach GOP 34601 EBM. Passion Chirurgie. 2014 August; 4(08): Artikel 04_01.