Schlagwort-Archiv: RSS

Webinar-Termin im Juli 2020: S3-Leitlinie „Sinus pilonidalis“

S3-Leitlinie „Sinus pilonidalis“
02.07.2020, 18:00 Uhr
Dr. med. Andreas Ommer
www.bdc-webinare.de

Seit September 2017 gibt es die BDC|Webinare (www.bdc-webinare.de). Bisher wurden auf der Plattform insgesamt 28 Leitlinien von Experten erfolgreich vorgestellt und besprochen. Jeden Monat wird von einem 45-minütigen Webinar eine chirurgisch relevante Leitlinie in ihren Grundzügen vorgestellt. Anschließend kann mit dem Referenten und anderen Teilnehmern via Chat diskutiert werden, selbstverständlich kostenfrei für alle BDC-Mitglieder. Und jede Teilnahme wird in der Regel mit zwei CME-Punkten zertifiziert.

Webinare im Archiv abrufen

Auch wenn einmal ein Termin verpasst wird, ist das kein Problem, denn der aufgezeichnete Vortrag mit Diskussion kann jederzeit aus dem Webinar-Archiv abgerufen werden. Detaillierte Informationen und Termine zu diesem Lernangebot und allen Webinaren sind unter www.bdc-webinare.de zu finden.

Geplante Webinar-Termine

  • S1-Leitlinie „Verletzungen der oberen Halswirbelsäule“, Dr. med. Matti Scholz, am 03.09.2020, 18.00 Uhr
  • S2k-Leitlinie „Koxarthrose“, PD Dr. med. Oliver Pieske, am 24.09.2020, 18.00 Uhr

Juniausgabe: PASSION CHIRURGIE

Die Sommerferien stehen in den Startlöchern und noch ist unsicher, ob und in welchem Ausmaß eine zweite Infektionswelle kommt. Zeit für eine Zwischenbilanz zur Pandemie, die BDC-Geschäftsführerin Dr. Burgdorf in ihrem Editorial zieht.

Mit dieser Doppelausgabe Juli/August stellen wir Ihnen zudem die neue Rubrik BDC-Praxistest vor, in der wir für Sie Wesentliches von Unwesentlichem aus der Gesundheitspolitik trennen und Ihnen präzise und praxisnah aufbereiten. Den Auftakt macht Professor Krones, Leiter des Themen-Referats „Leitende KrankenhauschirurgInnen“ im BDC. Lesen Sie seinen ausführlichen Artikel zur Neuregelung im MDK-Verfahren und Sie wissen genau, was Sie wissen sollten!

Was hat sich in Sachen Nachwuchsgewinnung in den letzten Jahren verändert? Im Jubiläumsinterview bezieht BDC-Präsident Professor Meyer dazu Stellung und zeigt auf, welche Herangehensweise jetzt wichtig ist.

Juniausgabe PASSION CHIRURGIE
Alle Ausgaben PASSION CHIRURGIE

Meist sind es nicht die heroischen Taten

zur Artikelserie …

Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen feiert in diesem Jahr sein 60-jähriges Bestehen. Prof. Michael Schäffer, Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie am Marienhospital Stuttgart, Landesverbandsvorsitzender von BDC|Baden-Württemberg und Sprecher der Landesverbände im Präsidium des BDC über die Faszination Chirurg zu sein, bedeutende Chirurgen-Persönlichkeiten und warum Work-Life-Balance heute kein Widerspruch mehr in diesem Beruf ist.

Chirurgie ist anders, anders als die übrigen Fächer der Medizin. Als historisches Erbe der Bader und Steinschneider umgibt die schneidende Zunft bis heute das Image des rustikalen Problemlösers, in keinem Fall ist der Anspruch intellektuell – zumindest aus Sicht der Nicht-Chirurgen. Selbst manch moderner Chirurg kokettiert bei Gelegenheit mit dieser Sichtweise, Understatement hebt den Betroffenen vermeintlich auf ein höheres Niveau sozial-emotionaler Kompetenz – mit dem Selbstbild des ‚einfachen’ Chirurgen ( oder ‚einfach strukturierten’ Chirurgen) lässt es sich oft einfacher argumentieren. Diese Finte gehört zum Selbstverständnis des Chirurgen.

Chirurgie ist unmittelbarer in seiner heilenden Wirkung als konservative Fächer. Für Patienten sind die Erfahrungen mit Chirurgen ‚einschneidend’, in Ausprägung, Wirkung und Ergebnis häufig konkreter fassbar. Im Guten wie im Schlechten. Eine gelungene Operation beseitigt im besten Fall sofort und nachhaltig die Beschwerden und Leiden, rettet gar Leben durch die Hand des Operateurs. Patient und Chirurg sind gleichermaßen glücklich über den Erfolg. Umgekehrt ist eine misslungene oder nicht erfolgreiche Operation meist als solches auch rasch erkennbar und für alle Beteiligten transparent. Hiermit muss der Chirurg umgehen, kritisch selbstreflektierend, ignorierend oder verdrängend. In Praxen oder Kliniken mit mehr als einem Chirurgen muss er sich der Kritik der Kollegen stellen – die Indikations- und Röntgenbesprechung legt den Erfolg schonungslos offen.

Auch im Kontakt mit den Patienten gilt es, negative Ergebnisse zu kommunizieren. Die Übergänge zwischen Operationen, deren Ergebnisse nicht der Erwartung entsprechen, gerechtfertigt oder nicht, und fehlerhaften Operationen sind manchmal fließend. Diese Kommunikation ist schwierig, für den Chirurgen im Einzelfall herausfordernd und belastend. Zeit für ein klärendes Gespräch, ehrliche Hinwendung und erkennbare Empathie sind dabei Schlüsselelemente einer vertrauensvollen Arzt-Patient-Beziehung. Sie helfen dem Patienten, entlasten den Chirurgen und reduzieren nebenbei medikollegiale Konflikte erheblich. Der chirurgische Ansatz der medizinischen Problemlösung ist meist klar und geradlinig, ziel- und lösungsorientiert. Je einfacher und direkter das Ziel erreicht werden kann, desto besser. Eine osteosynthetisch versorgte hüftnahe Fraktur, ein kurativ reseziertes Kolonkarzinom oder eine Appendektomie bei einer nekrotisierenden Appendizitis sind für Patienten segensreich, chirurgisch heute standardisiert und mit sehr geringer Morbidität durchzuführen. Im Ergebnis ist dies für Chirurgen und Patienten gleichermaßen befriedigend und vertrauensbildend.

Meist sind es nicht die heroischen Taten weniger ausgewählter Fälle, die den Alltag prägen und damit Quell der fortwährenden Motivation für die Behandlung der Patienten sind. Gewöhnliche, dadurch aber nicht minder wichtige, kleine Entscheidungen und Dinge charakterisieren den medizinischen Alltag eines Chirurgen. Umgekehrt lebt die Chirurgie in ihrer Faszination aber auch von besonderen Taten. Auch historisch betrachtet. Zu den auch unter medizinischen Laien berühmtesten und schillerndsten Ärzten der letzten 150 Jahre gehören zweifelsfrei Prof. Ernst Ferdinand Sauerbruch (1875 – 1951) und Prof. Christiaan Barnard (1922 – 2001). Erste Operationen am offenen Brustkorb und die erste Herztransplantation am Menschen sind aufgrund ihres grenzüberschreitenden, weil entmystifizierenden Charakters besonders dafür geeignet gewesen, in Fachkreisen und in der breiten Öffentlichkeit für eine nachhaltige Aufmerksamkeit zu sorgen. Der Brustkorb mit Herz und Lunge galt von jeher als das Zentrum des Lebens, dem Herzen wohnt bis heute eine mystische Strahlkraft inne. Auch der Sitz der Seele wurde lange auf das Herz projiziert. Natürlich hatten Lebensstil und Persönlichkeit der beiden genannten Chirurgen einen großen Anteil an ihrem bis heute währenden Bekanntheitsgrad, dies schmälert aber nicht ihre medizinischen Leistungen. Heroische Taten sind meist nicht nur von glamourösem Licht sondern auch von viel Schatten begleitet. Patienten und nahe Mitarbeiter profitieren daher nicht immer von der Kompetenz und dem Schein ihrer Protagonisten. Ein tragisches Schicksal, das schon immer in der Menschheitsgeschichte mit der Berühmtheit von Forschern, Entdeckern, Wissenschaftlern oder Feldherren verknüpft war. In jedem Fall aber trugen die Leistungen dieser Chirurgen zur Strahlkraft der Chirurgie auf zukünftige Chirurgengenerationen bei.

Ein besonderer Geist wohnt auch heute noch der Chirurgie und der Arbeit des Chirurgen inne. Bürokratische Notwendigkeiten, ökonomische Zwänge und arbeitsrechtliche Vorgaben bilden für viele Chirurgen keine Stütze sondern ein einengendes Korsett. Eine vermeintliche Sicherheit gegenüber Kostenträgern, prozessierenden Patienten oder im Übermaß fordernden Vorgesetzten hat ihren Preis. Freiheit und Sicherheit müssen sich die Waage halten. Jeglicher Zugewinn an Sicherheit durch immer neue Regeln und Vorgaben beschneiden die Freiheit im Gestalten und Handeln. Nicht immer zum Nachteil für Chirurgen und ihre Patienten, aber manchmal. Freiheitliches Denken und Arbeiten, sich selbst und seinen Patienten moralisch und ethisch verpflichtet ist Anspruch und Ansporn gleichermaßen. Ärztliches Handeln zum Wohle der Patienten, das Führen von Mitarbeitern und Berücksichtigung wirtschaftlicher Ressourcen sind die Ecksteine chirurgischer Tätigkeit. In den Grenzen des heute Möglichen muss daher jeder Chirurg versuchen, für sich und seine Patienten die Faszination Chirurgie zu bewahren. Eine moderne Work-Life-Balance ist dabei kein Widerspruch zum Streben nach einer Interpretation des Faches Chirurgie in seiner ursprünglichen Bedeutung. Die Begeisterung für die Chirurgie, die oft durch beherztes und umsichtiges Handeln, im Kleinen wie im Großen, Besonderes bewirken kann, gilt es zu entfachen und zu bewahren. Heilen und Lindern unmittelbar durch die Hand des Arztes – ein spezielles Privileg des Chirurgen.

Einfluss neuer Gesundheitsberufe auf die Tätigkeitsfelder von Chirurginnen und Chirurgen

In der Medizin bleibt nichts, wie es ist. Der medizinisch-wissenschaftliche Fortschritt, technologische Neuerungen und gesellschaftliche Strukturen verändern sie fortwährend. Für die Chirurgie gilt dies in besonderem Maße. Allein seit Gründung des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen im Jahr 1960 hat sie einen erheblichen Wandel erfahren. Die Chirurgie erzielt heute Erfolge, die vor 60 Jahren noch undenkbar waren.

Beispiele dafür gibt es genügend: Gallenblase und Blinddarm entfernen heute die meisten Chirurgen ohne langen Schnitt, sondern mit minimal-invasiven Eingriffen. Digitalisierung, roboterassistierte Systeme und Telechirurgie halten Einzug in die Operationssäle deutscher Kliniken. Die Bandbreite der modernen Bildgebung wird immer größer, von der Schnittbildgebung mit 3-D-Bildrekonstruktion bis zu navigierten Operationen mithilfe der „Augmented Reality“. Und schließlich spielen neue interdisziplinäre chirurgische Behandlungskonzepte bei den verschiedensten Krankheitsbildern eine immer wichtigere Rolle.

Die Chirurgie ist ein gleichermaßen faszinierendes wie forderndes Fach. Und doch hat sie mit anderen ärztlichen Fachrichtungen gemein, dass auch hier der ärztliche Nachwuchs dünn gesät ist. Die Gründe dafür sind vielfältig und können hier nicht im Einzelnen vertieft werden. Zu konstatieren ist aber, dass die Arbeitsverdichtung in der Chirurgie ein mehr als bedenkliches Ausmaß erreicht hat. Die Operationszeiten sind so eng getaktet, dass kaum noch Zeit für Patientengespräche bleibt. Demgegenüber nimmt die Belastung mit Bürokratie und Dokumentation stetig zu.

Mehr Effizienz und Entlastung wollen Kliniken dadurch schaffen, dass sie medizinische Assistenzaufgaben zunehmend an speziell ausgebildetes, nicht-ärztliches Personal, sogenannte Midlevel Provider, übertragen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob sich die Etablierung derlei neuer Gesundheitsberufe positiv oder negativ auf die Zukunft der Chirurgie und die Attraktivität des Fachgebietes insgesamt auswirken kann.

Zu den relativ neuen Berufen gehören die Operationstechnischen AssistentInnen (OTA) und die Anästhesietechnischen AssistentInnen (ATA). Anfang/Mitte der 1990er Jahre haben Krankenhäuser damit begonnen, zum OTA und seit 2004 zum ATA auszubilden.

Operationstechnische AssistentInnen können wichtige, arztentlastende Aufgaben in den operativen Bereichen in Krankenhäusern sowie in ambulanten Einrichtungen übernehmen. Aus diesem Grunde befürwortet die Bundesärztekammer ebenso wie der BDC, dass ab dem Jahr 2022 OTAs eine bundesweit einheitliche Ausbildung erhalten, die der anspruchsvollen Aufgabe entspricht. Die Vereinheitlichung der Ausbildungsinhalte und -abschlüsse wird aus Gründen der Verbesserung der medizinischen Versorgung und der gestiegenen Nachfrage nach spezialisierten Pflegefachkräften von der Ärzteschaft als sinnvoll erachtet.

60 jahre bdcViel diskutiert wird zudem der Physician Assistant. Er ist für Gesundheitsfachberufe, die sich speziell im medizinischen Bereich weiterqualifizieren wollen, durchaus eine geeignete Berufsperspektive. Dazu zählen insbesondere Medizinische Fachangestellte, Angehörige der Pflegeberufe, OTA, ATA wie auch Angehörige von Therapie- oder medizintechnischen Gesundheitsfachberufen. Gerade für Medizinische Fachangestellte ist der Bereich der medizinischen Assistenz durch bereits existierende Bildungswege vorgebahnt. Über zahlreiche Spezialisierungsqualifikationen gemäß Musterfortbildungscurricula der Bundesärztekammer bestehen Chancen zur weiteren Berufsentwicklung durch den Abschluss im hochschulischen Bereich.

Mehr und mehr Hochschulen bieten inzwischen den Studiengang Physician Assistant an. Wichtig ist, dass sowohl die inhaltliche Ausgestaltung der Curricula als auch die formalen Voraussetzungen, insbesondere im Hinblick auf die Zulassungsvoraussetzungen, auf dem bereits im Jahr 2016 vorgelegten Konzeptpapier der Bundesärztekammer (BÄK) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) basieren1. Das Delegationsmodell von BÄK und KBV enthält neben einer Begründung des Berufsbilds und der Darstellung der (rechtlichen) Delegationsvoraussetzungen den Tätigkeitsrahmen, die verbindlichen Studieninhalte und die zu vermittelnden Kompetenzen. Die Kompetenzen sind in Anlehnung an den Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin formuliert. Ebenfalls ist zwingend erforderlich, dass Hochschulen, Berufsverbände, Fachgesellschaften und Ärztekammern bei der Implementierung und Begleitung entsprechender Studiengänge zusammenarbeiten und darauf achten, dass die Qualitätskriterien eingehalten werden.

Gut ausgebildete und qualifizierte Angehörige anderer Gesundheitsberufe können – gerade in Zeiten des Nachwuchsmangels – Chirurginnen und Chirurgen entlasten. Die Entlastungsmöglichkeiten steigen dabei mit dem Qualifikationsniveau. Voraussetzung ist allerdings, dass Angehörige nicht-ärztlicher Gesundheitsberufe weiterhin ausschließlich auf ärztliche Anordnung tätig werden, nicht zuletzt aus Gründen des Patientenschutzes und der Patientensicherheit. Der Nachwuchsmangel in der Chirurgie darf nicht dazu führen, Vorbehaltsaufgaben des Arztes an andere Berufe abzugeben.

Konkret muss der Physician Assistant in allen Versorgungsbereichen disziplinarisch den Ärztinnen und den Ärzten unterstellt sein. Sinnvolle Einsatzgebiete können im Bereich des „Allgemeinen Prozessmanagements“ oder bei konkreten delegierbaren patientenbezogenen Tätigkeiten liegen. Der Physician Assistant kann hier wesentlich zu einer besseren Qualität von Assistenzleistungen und einer besseren Behandlungsorganisation beitragen.

Bedenklich ist in diesem Zusammenhang, dass Vertreter der Pflege diesen Grundkonsens aufweichen wollen und eine andere Form der Aufgabenverteilung im Gesundheitswesen einfordern. Im Ergebnis würden so neue Versorgungsebenen entstehen. In dem ohnehin nicht sonderlich stark sektorübergreifend ausgestalteten deutschen Gesundheitswesen würde dies zu neuen Schnittstellen und entsprechenden Übertragungsverlusten führen. Das ist sicher der falsche Weg.

Die Akademisierung von Gesundheitsfachberufen ist kein Selbstzweck. Sie soll einer guten Patientenversorgung dienen. Umso wichtiger ist es, dass wir uns als Ärzte aktiv in die Ausgestaltung neuer Berufsbilder sowie ihrer Aufgabenprofile einbringen.

Dabei kommt der Chirurgie angesichts der von ihr seit vielen Jahren gelebten guten Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen und Professionen eine ganz erhebliche Bedeutung zu.

Diesen Beitrag haben wir für die BDC-Jubiläumsausgabe angefragt und freuen uns sehr, dass Herr Dr. Reinhard von der Bundesärztekammer die Zeit gefunden hat, eine Würdigung zu schreiben.

1  https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/Fachberufe/Physician_Assistant.pdf

Reinhardt K: Einfluss neuer Gesundheitsberufe auf die Tätigkeitsfelder von Chirurginnen und Chirurgen. Passion Chirurgie. 2020 März, 10(03): Artikel 03_03.

Webinar: Europäische Leitlinie „Chronische Pankreatitis“

Europäische Leitlinie „Chronische Pankreatitis“
18.06.2020, 18:00 Uhr
PD. Dr. med. Bernhard Renz
www.bdc-webinare.de

Seit September 2017 gibt es die BDC|Webinare (www.bdc-webinare.de). Bisher wurden auf der Plattform insgesamt 27 Leitlinien von Experten erfolgreich vorgestellt und besprochen. Jeden Monat wird von einem 45-minütigem Webinar eine chirurgisch relevante Leitlinie in ihren Grundzügen vorgestellt. Anschließend kann mit dem Referenten und anderen Teilnehmern via Chat diskutiert werden, selbstverständlich kostenfrei für alle BDC-Mitglieder. Und jede Teilnahme wird in der Regel mit zwei CME-Punkten zertifiziert.

Webinare im Archiv abrufen

Auch wenn einmal ein Termin verpasst wird, ist das kein Problem, denn der aufgezeichnete Vortrag mit Diskussion kann jederzeit aus dem Webinar-Archiv abgerufen werden. Detaillierte Informationen und Termine zu diesem Lernangebot und allen Webinaren sind unter www.bdc-webinare.de zu finden.

Geplante Webinar-Termine

  • S3-Leitlinie „Sinus pilonidalis“, Dr. med. Andreas Ommer, am 02.07.2020, 18:00 Uhr
  • S1-Leitlinie „Verletzungen der oberen Halswirbelsäule“, Dr. med. Matti Scholz, am 03.09.2020, 18.00 Uhr

W

Safety Clip: Wärmemanagement im OP

Spätestens seit der 2014 eingeführten S3-Leitlinie „Vermeidung von perioperativer Hypothermie“, die im Jahr 2019 eine Aktualisierung erfahren hat, können Maßnahmen zur Vermeidung eines Abfalls der Körperkerntemperatur unter 36 Grad Celsius nicht mehr negiert werden. Auch bei den Anwälten der Patienten und den Gutachtern ist das Thema Unterkühlung angekommen und wird in Anspruchsstellungen verwendet. Dass dieses haftungsrelevante Thema in der Praxis dennoch fatalerweise eher stiefmütterlich behandelt wird, zeigt der folgende Schadenfall.

Der Schadenfall

Eine ältere Dame litt seit längerer Zeit an Beschwerden im linken Knie. Sie begab sich daher in stationäre Behandlung. Nach einer diagnostischen Spiegelung sollte eine zementierte unikondyläre Schlittenprothese eingesetzt werden. Dem Anästhesieteam waren im Vorfeld folgende Umstände bekannt:

  1. Eine Operationszeit von mehr als zwei Stunden war eingeplant,
  2. Die Patientin war zum Zeitpunkt des Eingriffs über 60 Jahre alt,
  3. Die Einordnung in den ASA-Score war höher als Faktor 1,
  4. die Frau war untergewichtig.

Nach Durchführung der Operation wurde im Aufwachraum eine Körpertemperatur von 34,7 Grad Celsius gemessen.

Die Patientin litt sehr unter der Unterkühlung. Es stellte sich bei ihr ein permanentes Zittern der linken Hand ein, das sie auf die Hypothermie zurückführte. Aus diesem Grund wandte sie sich an eine Gutachter- und Schlichtungsstelle.

Bei der Recherche des Gutachters stellte sich heraus, dass die Maßnahmen zum Wärmemanagement nicht in der Krankenakte dokumentiert waren. Als Ergebnis der Temperaturmessung wurde in den Behandlungsunterlagen die im Aufwachraum gemessene Körpertemperatur von 34,7 Grad Celsius notiert. Andere Messergebnisse wurden nicht festgehalten.

Der Gutachter stellte entsprechend ausführlich dar, dass elementare Regeln des Wärmemanagements nicht dokumentiert worden waren. In aller Deutlichkeit wies er auf einen Verstoß gegen die S3-Leitlinie zur Vermeidung der perioperativen Hypothermie hin. Mit den oben aufgezählten Punkten a. bis c. bestanden bereits drei von fünf patientenbezogenen Risikofaktoren für eine perioperative Hypothermie. Trotz dieser Risikofaktoren sei entgegen der Leitlinie weder prä- noch interoperativ die Körpertemperatur gemessen worden, ebenso wurde keine aktive Erwärmung der Patientin im Anästhesieprotokoll eingetragen.

Alles in allem wurde also ein deutlicher Verstoß gegen medizinische Standards festgestellt. Nur weil die Patientin den Nachweis für einen Zusammenhang zwischen der Unterkühlung und dem chronischen Zittern der linken Hand nicht erbringen konnte, blieb dem Versicherer eine Regulierung des Schadens bislang erspart. Im Falle einer Blutung oder einer Infektion wäre eine Entschädigungszahlung wohl nicht zu vermeiden gewesen.

Anforderungen an die Praxis

Die systematische Nutzung des Wärmemanagements erfordert eine übergreifende Betrachtung und Bewertung der notwendigen Maßnahmen durch das gesamte Behandlungsteam. Insbesondere die Anästhesiologie und der Pflegedienst (Anästhesie und OP) sollen entsprechende Kontrollmaßnahmen vornehmen.

Das grundsätzliche Verständnis für die Notwendigkeit zur Durchführung des Wärmemanagements soll in Schulungen und Workshops vermittelt werden. Ziel ist es, im üblicherweise eng getakteten OP-Prozess die zeitlichen Ressourcen zu berücksichtigen und Akzeptanz für die Festlegung von Kontrollmechanismen und -maßnahmen zu implementieren. Teilweise wird das Wärmemanagement bislang ohne verbindliche Vorgaben angewendet. Eine Evaluation des Prozesses erfolgt daher auch nicht regelhaft auf Grundlage der S3-Leitlinie.

Mit Vorgabe der in diesem Fall sehr praxisorientierten AWMF-S3-Leitlinie zur Vermeidung von perioperativer Hypothermie in ihrer aktualisierten Fassung von 2019 ist nunmehr eine eindeutigere Betrachtung und Durchführung des Wärmemanagements möglich.

Die begünstigenden Faktoren für die Entstehung einer Hypothermie sind bereits durch Forschungsvorgaben und Untersuchungen bestätigt und in der Regel den Mitarbeitenden bekannt. Die Herausforderung besteht darin, systematisch Prozessrisiken zu kontrollieren und Handlungen zu bewerten. Die Risikobewertung setzt daher bereits bei

  • der OP-Planung,
  • den OP-Planungsgesprächen,
  • der Prämedikationsvisite der Anästhesie bzw.
  • bei der OP-Vorbereitung auf den Pflegestationen an.

Hierbei geht es um die klinische Beobachtung, Anamneseerhebung, Beurteilung vorhandener Risikoquellen beziehungsweise die Nutzung von Hinweisen aus vorausgegangenen Behandlungen (Anästhesie-Pass).

Die Bewertung der Faktoren Alter, Kachexie, die besondere Situation von Kindern und Neugeborenen sowie die OP-Dauer soll nach strukturierten Verfahren vorgenommen werden.

So ist es sinnvoll, auf bereits etablierte Sicherheitschecklisten zurückzugreifen und mit deren Hilfe die Durchführung von Kontrollmaßnahmen nachzuweisen. Die systematische Aufklärung und Information der Patienten durch das Pflegepersonal muss nachweislich dokumentiert sein.

In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass die Anforderungen an die Patienteneinbindung hochaktuell sind. Die frühzeitige Einbindung des Patienten sowie die Vermittlung von Risiken sollen ihn darin unterstützen, auch selbst eine Verantwortlichkeit wahrzunehmen und den Prozess im Blick zu behalten. Hierzu finden sich Hinweise und Empfehlungen in der Anlage F der S3-Leitlinie. Im Rahmen der Patienteninformation und Aufklärung zum Wärmemanagement sollen systematisch Risiken oder Vorerkrankungen anamnestisch erkannt und eingeschätzt werden (Hypothyreose, Diabetes Mellitus, Querschnittlähmung).

Die visuelle Analogskala (VAS)

Ziel ist, einen positiven Behandlungsverlauf und das persönliche Wohlgefühl des Patienten gleichermaßen zu berücksichtigen. So ist es sinnvoll, das individuelle Temperaturempfinden des Patienten zu bewerten. Hierzu bietet sich die bereits seit Jahren erprobte visuelle Analogskala (VAS) für die Einschätzung von Schmerzen an.

Nach entsprechender Anpassung kann so das persönliche Kälteempfinden des Patienten bewertet werden. Hierdurch ergibt sich auch mehr Sicherheit in Situationen bei denen beispielsweise das sogenannte „Prewarming“ noch nicht nach Standard angewendet werden müsste, aber aus dem persönlichem Empfinden des Patienten solche Maßnahmen begründet abgeleitet werden. Diese Methode ist zwar nicht validiert, aus Sicht des Patienten jedoch hilfreich, da er eine persönliche, numerische Bewertung seines Kälteempfindens darlegen kann. Auch hier ist der Aspekt der Einbindung des Patienten in die Vorbereitung des Wärmemanagements hilfreich.

Tab. 1: Visuelle Analogskala (VAS)1

-5

-4

-3

-2

-1

0

+1

+2

+3

+4

+5

maximal kalt

angenehm

maximal warm

Prozesssicherheit ergibt sich, wenn Zielsetzung und Kontrollmaßnahmen genau vorgegeben sind. Durch das Messen von Zwischenschritten im Gesamtprozess des Wärmemanagements kann eine effektive Steuerung der zu vermeidenden perioperativen Hypothermie erfolgen. Im Sinne des PDCA-Zyklus (Plan, Do, Check, Act) sollte eine regelmäßige Kontrolle und die Ableitung von Verbesserungsmaßnahmen unter dem Stichpunkt „Act“ erfolgen.

Besondere Situationen

Für Neugeborene müssen geeignete Maßnahmen zur Vermeidung der Auskühlung beim Transport festgelegt werden. Häufig werden Decken genutzt, die zuvor in einem temperaturgesteuerten Wärmeschrank gelagert worden sind. Dies sollte in die Regelung zum Wärmemanagement aufgenommen werden. Bezüglich der Anforderungen an die Mutter-Kind-Bindung sind mit den Hebammen geeignete Maßnahmen zur Vermeidung der Auskühlung (Sectio-Top) zu entwickeln.

Elementare Anforderungen für eine Regelung zum Wärmemanagement in den Standard Operating Procedures (SOP)

Grundlegende Fragen:

  • Wann und wie erfolgt die Bewertung der Vorerkrankungen/begünstigenden Faktoren des Patienten?
  • Wie erfolgt die systematische Bereitstellung und Nutzung aller relevanten Informationen?

Regelungen für die Kontrolle des Wärmemanagements und der entsprechenden Dokumentation müssen bestehen für:

  • Anamnese/Aufklärung/Information (Handout),
  • Kommunikation der Informationen im Team,
  • Bewertung der Indikation zur Durchführung des Wärmemanagements,
  • Festlegung des Temperaturmessverfahrens und deren Überwachung (Gerätecheck),
  • Rechtzeitige Durchführung des „Prewarmings“. Dies ist ein entscheidender Faktor zur Vermeidung einer Unterkühlung.

Fazit

Die Vermeidung der perioperativen Hypothermie stellt nicht erst nach Einführung der S3-Leitlinie zur Vermeidung von perioperativer Hypothermie ein besonderes Element im Risikomanagementprozess dar.

Durch die Vorgaben der Leitlinie ist zu erwarten, dass die Akzeptanz und systematische Nutzung des Wärmemanagements verbessert wird. Die sogenannten weichen Qualitätsfaktoren werden durch Verfahren wie Aufklärung und Information unter dem Label der Patienteneinbindung berücksichtigt.

Die stringente Implementierung des Prozesses zum Wärmemanagement stellt aber auch einen nicht zu unterschätzenden ökonomischen Effekt dar. Hierzu liegen in der S3-Leitlinie bereits deutliche Ergebnisse in Form einer Kosten-Nutzen-Analyse vor. Diese werden sicherlich die Verantwortlichen darin unterstützen, entsprechende Ressourcen und Prozessmaßnahmen zur erfolgreichen Vermeidung der perioperativen Hypothermie einzuführen. Eine erneute Sensibilisierung und Strukturierung der Arbeitsweise wird damit erforderlich. Die neue Leitlinie bietet verantwortlichen Ärzten und Pflegenden eine hilfreiche Unterstützung für die anfallende Reorganisation.

Literatur

[1] AMWF online, Das Portal der wissenschaftlichen Medizin. AMWF-Register Nr. 001/018 Klasse: S3. Online: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/001-018l_S3_Vermeidung_perioperativer_Hypothermie_2019-08.pdf; Abruf 10.03.2020.

1 Siehe auch: S3 Leitlinie, S. 51 Abb. 2 Beispiel Visuelle Analogskala (VAS) Thermokomfort (nicht validiert), 2016.

Schulz D, Krause A: Safety Clip: Wärmemanagement im OP. Passion Chirurgie. 2020 Mai, 10(05): Artikel 04_02.

Qualitätsmessung bei seltenen Erkrankungen – KinderRegister für angeborene Fehlbildungen

Seltene Erkrankungen in der Kinderchirurgie

Angeborene Fehlbildungen des Magen-Darm-Traktes, Zwerchfells und des Rumpfes sind seltene Erkrankungen. In Deutschland werden pro Jahr zwischen 20 und 280 Kinder mit diesen Fehlbildungen geboren. Dies sind nach Abschätzung mit den Inzidenzen bei Orpha-Net ca. 20 Kinder mit Kolonatresie, 35 Kinder mit Duodenalatresie, 160 Kinder mit Spina bifida, jeweils 200 Kinder mit Ösophagusatresie, Dünndarmatresie, Gastroschisis, Omphalozele, Zwerchfellhernie und M. Hirschsprung, sowie 280 Kinder mit einer anorektalen Malformation [1, 2]. Teilweise liegen bei den Kindern mehrere dieser Fehlbildungen kombiniert vor, die sich auch in anderen Organsystemen manifestieren können.

Patienten mit diesen Fehlbildungen bedürfen in der Regel einer Operation im Neugeborenenalter. Die folgende Tabelle veranschaulicht das Sterblichkeitsrisiko, sowie das Risiko spezifischer Langzeitfolgen der betroffenen Patienten: [3]

Versorgungssituation in Deutschland

Nur wenige Zentren in Deutschland können eine größere Zahl von Patienten mit diesen Fehlbildungen akquirieren. Die Fälle der Neugeborenen mit Fehlbildungen verteilen sich in Deutschland auf eine große Zahl von stationären kinderchirurgischen Einrichtungen (2019: 130), die größtenteils an Kliniken mit Perinatalzentren Level 1 (2019: 163) angesiedelt sind [8, 9]. Dadurch übersteigt die Anzahl der Kinder mit diesen angeborenen Fehlbildungen, die in diesen Einrichtungen behandelt wird, selten fünf bzw. kaum einmal zehn pro Fehlbildung und Jahr [10]. Eine große Anzahl der kinderchirurgischen Kliniken behandelt nur Einzelfälle und lediglich einzelne Einrichtungen weisen eine größere Fallzahl für bestimmte Erkrankungen auf (z. B. Mannheim für Zwerchfellhernie mit ca. 50 Fällen/Jahr). Auch international werden ähnliche Verteilungen berichtet [11].

Für die Versorgung dieser Fehlbildungen gibt es national und international kein standardisiertes Vorgehen [12–14]. Deutsche Leitlinien für die Behandlung der hier untersuchten Fehlbildungen liegen nicht (Duodenal-/Dünndarm-/Colonatresie, langstreckige Ösophagusatresie) oder nur als S1-Leitlinie (Morbus Hirschsprung, Anorectale Fehlbildungen, Bauchwanddefekte, Zwerchfellhernie) vor. Lediglich für die kurzstreckige Ösophagusatresie gibt es eine S2K-Leitlinie [15]. Da heutzutage bei über 90 Prozent der Kinder mit den angegebenen angeborenen Fehlbildungen durch die operative Therapie das Überleben gesichert werden kann, konzentrieren sich die Bemühungen der Kinderchirurgen nun auf die Optimierung der postoperativen Nachsorge, sodass den Patienten eine bestmögliche Entwicklung und Lebensqualität gegeben werden kann.

Tab. 1: Sterblichkeitsrisiko und mögliche Langzeitfolgen bei seltenen Erkrankungen in der Kinderchirurgie

Fehlbildung

Mortalität / Sterblichkeit

Folgeprobleme (Häufigkeit)

Angeborene Zwerchfellhernie

20-40 %

Rezidiv (5,4-50 %)

Lungenfunktionsstörungen (40-85 %)

Persistierende pulmonale Hypertonie (5-20 %)

Gedeihstörungen (> 60 %)

Emotionale und Verhaltensstörungen (bis 80 %)

Störungen der neurologischen und somatischen Entwicklung

Ösophagusatresie

5-9 %

Postoperative Ösophagusstrikturen (bis 49 %)

Erneute ösophagotracheale Fistel (bis 4 %)

Motilitätsstörung der Speiseröhre (100 %)

Gastroösophagealer Reflux, Barrett-Ösophagus mit Entartungsrisiko (bis 50 %) Lungenfunktionsstörungen (bis 43 %)

Emotionale und Verhaltensstörungen (bis 80 %)

Dünndarmatresien

< 5 %

Darmstrikturen (<5 %)

Motilitätsstörungen (< 5 %)

Kurzdarmsyndrom (bis 15 %) [4]

Bauchwanddefekt (Omphalozele / Gastroschisis)

< 5 % (Gastroschisis)

bis 15 % (Omphalozele)

Begleitfehlbildungen (bis 30 %)

Kurzdarmsyndrom (bis 15 %) [4]

Anorectale Malformation

< 3 % (bei Geburtsgewicht > 2500g)

< 33 % (bei Geburtsgewicht <= 2500 g)*

Begleitfehlbildungen (67 %)

Stuhlinkontinenz (bis 30 % bei hohen Formen)

Erektile Dysfunktion (bis 30 % der männlichen Patienten) [5]

M. Hirschsprung (angeborene Aganglionose)

< 5 %

Begleitfehlbildungen/syndromale Erkrankung (bis 30 %)

Persistierende Obstipation (bis 30 %)

Stuhlinkontinenz und Kurzdarmsyndrom bei langstreckigem M. Hirschsprung (8 %) [6]

Spina bifida (Meningomyelozele, Meningozele, Myelomeningozele etc.)

5-10 %

Hydrozephalus (70-90 %);

Chiari-Malformation;

Blasen- und Darmentleerungsstörungen (90-100 %);

Lähmungen; Skelettfehlbildungen

* Daten für 10-Jahres-Überlebensrate bei Geburt nach dem Jahr 2000 [7]

Forschung

Forschungen zur Versorgung dieser kinderchirurgisch relevanten Fehlbildungen, insbesondere im Bereich der Wirksamkeit von kinderchirurgischen OP-Methoden, sind durch die dezentrale Versorgung erschwert. In den letzten Jahren wurde in Deutschland und auch international versucht, mit Routinedaten, meist Versicherungsdaten, Aussagen über die Verteilung und die Versorgungsqualität von angeborenen kinderchirurgischen Fehlbildungen zu treffen [16–20]. Routinedaten weisen aber Schwächen bei der Risikoadjustierung auf [21]. Sie erlauben z. B. nur eine eingeschränkte Klassifizierung der Fehlbildungen, da sie auf dem ICD-Code beruhen. Das wird am Beispiel der Gastroschisis insbesondere sichtbar. Es gibt nur einen ICD-Code für die Gastroschisis: Q79.3. Die Größe des Defektes und das Ausmaß der Darmschädigung, die jeweils entscheidende Prognosefaktoren darstellen, werden mit Routinedaten nicht erfasst. Deshalb eignen sich diese Daten nur eingeschränkt für die Beurteilung der Behandlungsqualität.

Register als Forschungsinstument

Ein aktueller Forschungsansatz für seltene Fehlbildungen liegt im Aufbau von Registern. So wurden in den letzten Jahren Register mit verschiedenen Zielsetzungen etabliert. Auf europäischer Ebene gibt es das EUROCAT-Register, welches allerdings ausschließlich epidemiologische Daten erhebt, die zwar eine Aussage zur Prävalenz der Fehlbildungen zulassen, jedoch eine Verlaufsbeurteilung und insbesondere eine Qualitätssicherung der Therapie nicht möglich macht [22].

Für den klinischen Verlauf einzelner Fehlbildungen sind nationale oder internationale Register entstanden. 1995 entstand das Congenital Diaphragmatic Hernia Study Group Registry (CDH-R) [23, 24], in das auch deutsche Zentren Daten eingeben. In diesem Register werden klinische Daten bis zur ersten Entlassung erfasst.

2005 entstand in Kanada im Rahmen des Netzwerkes CAPS-Net ein Register für die Erfassung von Kindern mit Gastroschisis und Zwerchfellhernie. [25], [26] Auch in diesem Register sind lediglich die Daten des Erstaufenthaltes erfasst, allerdings wurden mit Patienten des Registers Folgestudien zum Follow-up durchgeführt.

In Großbritannien und Irland werden seit 2006 über das BAPS-CASS (Congenital Anomalies Surveillance System) [27] die Anzahl der Fehlbildungen je Einrichtung erfasst, die dann in spezifischen Studien retrospektiv nachuntersucht werden können.

Ein Register für die Ösophagusatresie wurde 2008 in Frankreich [28], ein weiteres 2014 durch die European Society of Pediatric Surgery [29] eingerichtet.

In Deutschland sind jeweils Nachuntersuchungsregister für Menschen mit operierter Ösophagusatresie (2009) [30] und ein Nationales Register für angeborene uro-rektale Fehlbildungen (2009) (CURE-Net) [31] entstanden. Zusätzlich entstand 2010 das Register der Gruppe ARM-Net, in das designierte europäische Zentren ihre Daten zu anorektalen Malformationen eingeben können [32].

Insgesamt zeigt sich somit, dass es momentan kein Register gibt, das klinische Parameter aller kinderchirurgisch relevanten angeborenen Fehlbildungen erfasst, weder in Deutschland noch international. Die Problematik der multiplen Fehlbildungen eines Patienten wird somit in keinem Register umfänglich abgebildet. Außerdem erfassen nur wenige Register den Langzeitverlauf der Kinder. Spezifische Register für die Darmatresien, die Omphalozele und den M. Hirschsprung mit deutscher Beteiligung fehlen gänzlich. Ein individuelles Feedback (Benchmarking), das den beteiligten Einrichtungen Möglichkeiten zur Qualitätsverbesserung gibt, gibt es derzeit für deutsche Einrichtungen nur bei folgenden Registern: CDH-R und ARM-Net.

Initiative der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie

2013 wurde in der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie nach umfangreicher Diskussion über Maßnahmen zur Qualitätssicherung beschlossen, ein Register für wichtige angeborene Fehlbildungen einzurichten. Zur Vorbereitung wurde zunächst für die Jahre 2013 und 2014 eine initiale Datenerhebung zu den Zahlen der operierten Kinder im Neugeborenenalter in den einzelnen Einrichtungen durchgeführt. 28 von 89 möglichen Kliniken nahmen teil. 2014 legte sich die Fachgesellschaft auf die Erfassung der Fehlbildungen des Gastrointestinaltraktes, der Bauchwand und des Zwerchfells fest. Hinzu kam die Nekrotisierende Enterocolitis als wichtige Erkrankung des Neu- und Frühgeborenen. Es erfolgte die Ermittlung der Parameter, die in dem Register erfasst werden sollten. Für das Verfahren wurden in 2015 in offener Ausschreibung unter den Mitgliedern der DGKCH Arbeitsgruppen gebildet, die innerhalb von zwei Jahren unter Berücksichtigung aktueller Literatur und bestehender internationaler Register eine Vorlage für die Parameter erstellten. Diese wurden 2017 bis 2018 von einer gemeinsamen Expertenkommission aus neun Personen in einem Delphi-Verfahren geprüft und für die Initial-Dokumentation konsentiert. 2019 stand im Zeichen der Suche nach passender Finanzierung und einem geeigneten Softwaresystem. Auf einem Workshop in Frankfurt Ende 2019 mit 36 Teilnehmern aus 18 Kliniken und drei Selbsthilfeorganisationen wurden die weiteren Schritte zur Etablierung des Registers festgelegt. In 2020 wird das Register aufgesetzt.

Modularer Aufbau und Register-Software

Das Register orientiert sich an den „Kernempfehlungen für Patientenregister für seltene Krankheiten und zur Datenerhebung“ des EU-Sachverständigenausschuss für seltene Krankheiten (EUCERD). [33] Es wird mit der OpenSource-Software OSSE (Open-Source-Registersystem für Seltene Erkrankungen) umgesetzt. Es folgt den europäischen Prinzipien im Hinblick auf die Etablierung von Minimaldatensätzen, die Einhaltung von Datenqualitätsstandards etc.. OSSE-Register sind von vornherein auf Interoperabilität ausgelegt und können auf nationaler oder internationaler Ebene föderiert werden.

Das Register wird im Aufbau modular umgesetzt. Dies bedeutet, dass die Parameter in allgemeine und spezifische Parameter unterteilt werden. Für jeden Patienten gibt es daher einen übergreifenden Datensatz, sowie spezifische Datensätze, die sich aus den vorhandenen Fehlbildungen ergeben. Weitere spezifische Datensätze für neue aufzunehmende Fehlbildungen können so jederzeit hinzugefügt werden.

Kooperation

In der Vorbereitungsphase hat sich die breite Zusammenarbeit über viele kinderchirurgische Kliniken, Selbsthilfegruppen und weitere Experten aus benachbarten Fachgebieten als produktiv erwiesen. Insgesamt waren bislang 46 Personen beteiligt (KiRaFe-Group). Aus der DGKCH haben sich folgende Gruppen am Prozess beteiligt: Arbeitskreis Qualitätssicherung Neugeborenenchirurgie, Arbeitskreis Aktionsnetzwerk für seltene angeborene Fehlbildungen, Arbeitsgruppe Meningomyelozele und Hydrocephalus. Arbeitsgruppe Fetalchirurgie, Arbeitsgruppe Digitalisierung. Aus der Selbsthilfe: Soma e.V. (Selbsthilfeorganisation für Menschen mit Anorektalfehlbildungen). KEKS e.V. (Patienten- und Selbsthilfeorganisation für Kinder und Erwachsene mit kranker Speiseröhre) und ARQUE e.V. (Arbeitsgemeinschaft für Querschnittgelähmte mit Spina bifida/Rhein-Main-Nahe e.V.). Weiterhin Cure-Net und die Medical Informatics Group Frankfurt.

Für die Dateneingabe haben sich Anfang 2020 83 kinderchirurgische Kliniken aus Deutschland und drei aus dem benachbarten Ausland gemeldet.

Das Register ist im European Directory of Registries angemeldet [34].

Zusammenfassung

Das KinderRegister für angeborene Fehlbildungen stellt ein geeignetes Instrument für die Erfassung des Initial- und Langzeitverlaufes von Kindern mit angeborenen Fehlbildungen dar. Die breite Beteiligung aller Gruppierungen, die mit der Versorgung dieser Kinder zu tun haben trägt, wesentlich zur Akzeptanz eines solchen Projektes bei. Das Register wird gefördert von der Dr. Emil Alexander Huebner und Gemahlin-Stiftung.

Das KinderRegister für angeborene Fehlbildungen entsteht in Zusammenarbeit mit:

KiRaFe-Group (alphabethische Reihenfolge)

Bahr, Micha; Clemen, Christian; Eismann, Daniel; Fuchs, Jörg; Gitter, Heidrun; Gradhand, Elise; Grasshoff-Derr, Sabine; Großer, Kay; Günther, Patrik; Hemminghaus, Michael; Hubertus, Jochen ; Jechalke, Stephan; Jenetzki, Ekkehart; Kirschner, Hans Joachim; Klein, Tobias; König, Tatjana; Krause, Monika; Ludwikowski, Barbara; Luithle, Tobias; Märzhäuser, Stefanie; Michel, Armin-Johannes; Moursi, Ahmed Gamal Abdelmalek; Müller, Annette; Pfleiderer, Oliver; Rohleder, Stephan; Rolle, Udo; Rothe, Karin; Schäfer, Mattias; Schaible, Thomas; Schmedding, Andrea; Schmiedeke, Eberhard; Schmittenbecher, Peter; Schnekenburger, Franz Georg; Schulze, Annekatrin; Schuster, Tobias; Schwarzer, Nicole; Siebert, Julia; Storf, Holger; Tomuschat, Christian; Vierling, Christian; Weltzien, Alexandra; Wessel, Lucas; Widenmann-Grolig, Anke; Wirmer, Hanno; Zerche, Arnim; Ziegler, Anna-Maria

Die Literaturliste erhalten Sie auf Anfrage via passion_chirurgie@bdc.de.

Schmedding A, Rolle U: Qualitätsmessung bei seltenen Erkrankungen – KinderRegister für angeborene Fehlbildungen. Passion Chirurgie. 2020 Mai, 10(05): Artikel 03_01.

Maiausgabe: Seltene Fehlbildungen bei Kindern

Im Fokus der Maiausgabe stehen seltene Fehlbildungen bei Kindern. Über 200 Kinder kommen in Deutschland im Jahr mit angeborenen Fehlbildungen wie Ösophagusatresie, Bauchwanddefekt, Zwerchfellhernie oder Morbus Hirschsprung zur Welt. Die Entwicklungen der Kinderanästhesie und der Neonatologie haben entscheidend geholfen, Letalität und Mortalität dieser Fehlbildungen zu reduzieren. Die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie plant hierzu ein Register für ausgesuchte Fehlbildungen, lesen Sie dazu mehr im Artikel „Qualitätsmessung bei seltenen Erkrankungen – KinderRegister für angeborene Fehlbildungen“ von Herrn Professor Rolle und Frau Dr. Schmedding. Dem folgt eine Falldarstellung von Herrn Dr. Schuster über die seltene Fehlbildung „Caudal Duplication Syndrome“.

Maiausgabe PASSION CHIRURGIE
Alle Ausgaben PASSION CHIRURGIE

Position des BDC zur Abrechnung dermatochirurgischer Eingriffe

Die Abrechnung dermatochirurgischer Leistungen aus dem Kapitel 31.2.2 ist neben den allgemeinen Voraussetzungen zur Erbringung ambulanter operativer Leistungen (Genehmigung der KV zum Ambulanten Operieren) gebunden an spezifische Leistungsinhalte, die sich unmittelbar aus den nachfolgend aufgeführten und Bestandteil des EBM darstellenden Präambeln zu den jeweiligen Kapiteln ergeben. Prinzipiell können nur abgerechnet werden Exzisionen mit Eröffnung der Haut und/oder Schleimhaut und Angabe des jeweiligen OPS-Codes. Im Falle der Dermatochirurgie sind nur die OPS-Codes für eine radikale und ausgedehnte Exzision abrechnungsfähig. Das bedeutet, dass die in der Präambel genannten Größendefinitionen Geltung haben (größer 4 cm 2 resp. größer 1cm3). Ausgenommen von dieser Größenvorgabe sind Eingriffe an Kopf und Händen. Für die Abrechnung von Leistungen aus dem Kapitel 31.2.2 (Definierte Eingriffe an der Körperoberfläche, also für die Dermatochirurgie) ist eine histologische Untersuchung des entnommenen Materials oder eine Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes Voraussetzung. Um für spätere Plausibilitätsprüfungen gewappnet zu sein, empfiehlt es sich, die Größenangaben im OP-Bericht oder durch Auflegen eines Maßbands bei Foto-Dokumentation zu dokumentieren. Der Verweis auf Größenangaben des Pathologen ist ungeeignet, da die Präparate nach der Entnahme und dann auch durch Fixierung und Färbung erheblichen Schrumpfungsprozessen ausgesetzt sind. Maßgeblich ist allein die Dokumentation des Operateurs.

Die Abrechnung mehrerer Exzisionen in gleicher Sitzung wird über die Definition von Simultaneingriffen (Präambel Anhang 2, Satz 2,3,13 und 14) geregelt. Grundsätzlich setzt ein Simultaneingriff eine vollendete Schnitt-Naht-Zeit von 15 Minuten für den konkreten Zusatzeingriff voraus. Die Summation mehrerer kürzerer Zeiten ist nicht zulässig. Die jeweiligen Zeiten sind über das OP- oder das Narkose-Protokoll zu dokumentieren.

Der Ansatz der Gebührenordnungsziffern für eine histographisch kontrollierte Exzision ist abweichend von der reinen OPS-Systematik im EBM eindeutig gebunden an den Nachweis eines malignen Befundes. (Präambel Anhang 2 Satz 10). Der Begriff „histographisch“ wird häufig mit dem Begriff „histologisch“ verwechselt. Bei der histographischen Technik wird das Präparat vom Pathologen aufwändig mit Stufenschnitten aufgearbeitet. Voraussetzung dafür ist die Markierung der Exzisionsränder durch den Chirurgen, z. B. durch eine Fadenmarkierung. Diese Technik ist nur sinnvoll bei malignen oder malignomverdächtigen Befunden, um die Radikalität der Exzision zu beurteilen und die Notwendig von Nachexzisionen an genau definierten Schnitträndern vorzugeben. Wenn eine Leistung mit histograpischer Aufarbeitung angesetzt wird (z. B. die GO-Nr. 31102) sind alle ggf. notwendigen operativen Nachexzision damit abgegolten und können nicht gesondert abgerechnet werden. (s. dazu die Präambel zum Anhang 2 unter 10. Dies stellt auch eine Ausnahme zur Regelung unter 8. Im genannten Anhang dar). Konsequenter Weise muss der Ansatz der GO.-Nr. 31102 in die Go.-Nr. 31101 korrigiert werden, wenn die histographische Aufarbeitung keinen malignen (oder semimalignen, z. B. Basaliom) Befund ergeben hat. Es ist auch zu beachten, dass die Anlage eine Fadenmarkierung allein nicht zur Abrechnung der histographischen Leistung berechtigt.

Präambel 4.3.7 EBM

  1. Die Verwendung der Begriffe klein/groß, kleinflächig/großflächig, lokal/radikal und ausgedehnt bei operativen Eingriffen entspricht den Definitionen nach dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information herausgegebenen Schlüssel für Operationen und sonstige Prozeduren gemäß § 295 Abs. 1 Satz 4 SGB V: Länge: kleiner/größer 3 cm, Fläche: kleiner/größer 4 cm2, lokal: bis 4 cm2 oder bis zu 1 cm3, radikal und ausgedehnt: größer 4 cm2 oder größer 1 cm3. Nicht anzuwenden ist der Begriff „klein“ bei Eingriffen am Kopf und an den Händen.
  2. Operative Eingriffe setzen die Eröffnung von Haut und/oder Schleimhaut bzw. eine primäre Wundversorgung voraus, soweit in den Leistungsbeschreibungen nicht anders angegeben. Punktionen mit Nadeln, Kanülen und Biopsienadeln fallen nicht unter die Definition eines operativen Eingriffs.
  3. Lokalanästhesien und Leitungsanästhesien sind, soweit erforderlich, Bestandteil der berechnungsfähigen Gebührenordnungspositionen.

Präambel Kapitel 31.2.2

Dermatochirurgische Eingriffe

  1. Die Berechnung dermatochirurgischer Eingriffe setzt die obligate histologische Untersuchung entnommenen Materials und/oder eine Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes voraus.
  2. Für die Berechnung der Gebührenordnungspositionen 31096, 31097 und 31098 gelten die Anforderungen der Richtlinie über Maßnahmen zur Qualitätssicherung nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB V bei Verfahren der Liposuktion bei Lipödem im Stadium III.

Präambel Anhang 2 (Auszug)

1.Die nachfolgende tabellarische Aufstellung umfasst die nach OPS codierten operativen Eingriffe der Abschnitte 31.2 und 36.2, die zugeordnete OP-Leistung, die OP-Kategorie, die in diesem Zusammenhang berechnungsfähigen Überwachungskomplexe, die postoperativen Behandlungskomplexe bei Durchführung auf Überweisung und bei Durchführung durch den Operateur sowie die zugeordneten Narkoseleistungen. Die Zuordnungen der OPS-Codes zu den OP-Kategorien gelten für ambulante und belegärztliche Operationen gleichermaßen. Die den OPS-Codes zugeordneten OP-Leistungen, Überwachungskomplexe sowie die Narkosen sind in der Tabelle jeweils gesondert für die Kapitel 31 und 36 ausgewiesen. Nach belegärztlichen Eingriffen sind keine Gebührenordnungspositionen des Abschnitts 31.4 berechnungsfähig, daher ist dort keine Zuordnung erfolgt.

2. Erfolgen mehrere operative Prozeduren unter einer Diagnose und/oder über einen gemeinsamen operativen Zugangsweg, so kann nur der am höchsten bewertete Eingriff berechnet werden.

3. Abweichend von 2. kann bei Simultaneingriffen (zusätzliche, vom Haupteingriff unterschiedliche Diagnose und gesonderter operativer Zugangsweg) die durch das OP- und/oder das Narkoseprotokoll nachgewiesene Überschreitung der Schnitt-Naht-Zeit des Haupteingriffes durch die zusätzliche Berechnung der entsprechenden Zuschlagspositionen berechnet werden. Die berechnungsfähige Höchstzeit bei Simultaneingriffen entspricht der Summe der Zeiten der Einzeleingriffe. Als Berechnungsgrundlagen für Simultaneingriffe gelten folgende Zeiten:

  • Kategorie 1: 15 Minuten,
  • Kategorie 2: 30 Minuten,
  • Kategorie 3: 45 Minuten,
  • Kategorie 4: 60 Minuten,
  • Kategorie 5: 90 Minuten,
  • Kategorie 6: 120 Minuten.

4.Bei den Gebührenordnungspositionen 31097, 31107, 31117, 31127, 31137, 31147, 31157, 31167, 31177, 31187, 31197, 31207, 31217, 31227, 31237, 31247, 31257, 31267, 31277, 31287, 31297, 31307, 31317, 31327, 31337, 31347, 36097, 36107, 36117, 36127, 36137, 36147, 36157, 36167, 36177, 36197, 36207, 36217, 36227, 36237, 36247, 36257, 36267, 36277, 36287, 36297, 36307, 36317, 36327, 36337 und 36347 kann die über die Schnitt-Naht-Zeit von 120 Minuten hinausgehende Schnitt-Naht-Zeit durch die entsprechenden Zuschläge berechnet werden. Die Schnitt-Naht-Zeit ist durch das OP- oder Narkoseprotokoll nachzuweisen.

5.Abweichend von Nr. 8 der Präambel zum Abschnitt 31.2 und Nr. 4 der Präambel zum Abschnitt 36.2 sind Revisionen und Zweiteingriffe wegen Wundinfektionen und postoperativen Komplikationen unter Angabe des Erst-OP-Datums, der aufgetretenen Komplikation und der ICD-10-Codierung (T79.3, T81.0 bis T81.7, T84.5 bis T84.7, T85.1 bis T85.8) berechnungsfähig. Ist bei malignen Erkrankungen eine Zweitoperation (Erweiterung des Eingriffs, Nachresektion) erforderlich, so ist diese mit dem ICD-Code Z48.8 gemeinsam mit dem ICD-Code des Malignoms zu kennzeichnen und kann ebenfalls abweichend zu den Präambeln 31.2.1 Nr. 8 und 36.2.1 Nr. 4 berechnet werden. Die Regelung der Präambel 2.1 Nr. 10 zum Anhang 2 zum EBM bleibt davon unberührt.

6.Die alleinige Abrechnung eines temporären Wundverschlusses ist nur zur Konditionierung des Wundgrundes zulässig, wenn mindestens 3 operative Eingriffe erforderlich waren.

7.Bei der Codierung der operativen Versorgung von Frakturen bezieht sich die Lokalisationsangabe auf die Fraktur, bei der Entfernung des Osteosynthesematerials auf den Zugangsweg.

8.Für den jeweiligen Eingriff qualifizierende Begriffe (z.B. lokale vs. radikale Exzision) gelten die Definitionen nach dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information herausgegebenen Schlüssel für Operationen und sonstige Prozeduren gemäß § 295 Abs. 1 Satz 4 SGB V.

9.Die Berechnung einer histographischen Leistung kann nur bei malignen Befunden erfolgen, der histologische Befund ist vorzuhalten. Der temporäre Wundverschluss und die ggf. erforderliche Nachresektion(en) sind nicht gesondert abrechenbar.

10. Die Kombination mehrerer Verfahren setzt voraus, dass alle einzelnen Verfahren in diesem Anhang genannt sind.

11. Erfolgen unterschiedliche operative Eingriffe gleichzeitig durch zwei Operateure einer Berufsausübungsgemeinschaft bzw. eines medizinischen Versorgungszentrums, so ist der Haupteingriff entsprechend der höchst bewerteten Kategorie abzurechnen. Der parallel dazu stattfindende Simultaneingriff durch den zweiten Operateur kann entsprechend dem OP- bzw. Narkose-Protokoll mit den entsprechenden Zuschlägen für Simultaneingriffe berechnet werden. Die Narkose kann in diesem Fall nur entsprechend des Haupteingriffs berechnet werden.

12. Bei der Berechnung von Zuschlagspositionen für die Erbringung von Simultaneingriffen gemäß Nr. 3 ist – sofern die Teileingriffe unterschiedlichen Unterabschnitten der Kapitel 31 oder 36 des EBM zugehören – die am höchsten bewertete Zuschlagsposition 31xx8 oder 36xx8 der für den Simultaneingriff relevanten Unterabschnitte in Anrechnung zu bringen.

13. Maßgeblich für die Berechnung der Zuschlagspositionen für Simultaneingriffe nach Nr. 3 ist nicht die Überschreitung der kalkulatorischen Schnitt-Naht-Zeit der Kategorie des Haupteingriffes, sondern die Überschreitung der tatsächlichen Schnitt-Naht-Zeit des jeweiligen Haupteingriffes.

14. Beidseitige Eingriffe an paarigen Organen oder Körperteilen fallen unter die Regelungen nach Nr. 3, sofern die Seitenlokalisation nicht am OPS-Code benannt wird und gesondert bewertet ist. Die entsprechenden OPS-Codes sind in der tabellarischen Aufstellung unter der Rubrik „Seite“ mit einem Doppelpfeil gekennzeichnet.

Leistungstext (Beispiel)

Radikale und ausgedehnte Exzision von erkranktem Gewebe an Haut und Unterhaut: Mit primärem Wundverschluss: Oberschenkel und Knie

Rüggeberg JA, Kalbe P: Position des BDC zur Abrechnung dermatochirurgischer Eingriffe. Passion Chirurgie. 2020 April, 10(04): Artikel 04_04.

Entscheidungshilfe in der Diskussion um Mund-Nase-Schutz: Pflicht oder Empfehlung?

Der föderale Flickenteppich an Empfehlungen, Pflichten, Regelungen sowie Sanktionierungen während der Pandemie und in der Phase der Wiederherstellung von Normalität ist verwirrend und zeigt, dass keine Einigkeit in der Beurteilung bestimmter Bundesvorgaben besteht.

Es ist gut, dass diskutiert werden kann, denn keinesfalls liegen die Dinge klar auf der Hand. Daher ist es wichtig, Argumente pro und contra zu sichten und sich eine eigenständige Meinung bilden zu können. Der folgende Beitrag soll eine Übersicht, über die vorhandene wissenschaftliche Literatur der letzten 15 Jahre zum Thema Effektivität eines Mund-Nase-Schutzes bei der Vermeidung von Transmissionen virushaltiger Tröpfchen und Aerosole geben. Grundlage dieses Artikels ist eine Durchsicht von Artikeln aus dem Bereich der Aerosolforschung, der Virologie, Infektionsmedizin und Epidemiologie. Sämtliche zu Grunde liegende Artikel sind im Volltext frei einsehbar und daher öffentlich zugänglich.

Zur Literaturrecherche wurde die medizinisch-wissenschaftliche Online-Bibliothek Pubmed genutzt. Auf Zeitungsartikel oder andere Publikationen, die in einem nicht wissenschaftlichen Kontext entstanden, wurde explizit verzichtet, denn Wissenschaft beruht auf nachvollziehbarer Forschung und Erkenntnis und führt zu einem begründeten, geordneten und gesicherten Wissen. Wissenschaft ist methodisch, analytisch und führt Ergebnisse in einen rationalen Begründungszusammenhang. Das daraus gewonnene Wissen wird kommuniziert, publiziert, diskutiert und ist überprüfbar, da es bestimmten formalen und ethischen Kriterien folgt. Damit stellt Wissenschaft ein zusammenhängendes System von Aussagen, Theorien und Verfahrensweisen, das strengen Prüfungen der Geltung unterzogen wurde und mit dem Anspruch objektiver, überpersönlicher Gültigkeit verbunden ist, dar.

Begriffsklärung

Aerosole (in Luft gelöste Feuchtigkeit)

Aerosolkerne sind allerkleinste „Tröpfchenpartikel“ mit einer Größe von <10µm, also eine in Luft vernebelte Flüssigkeit sozusagen eine Suspension von Feuchtigkeit in Luft. Ihre Gesamtheit innerhalb eines definierten Raumes ist ein Aerosol. Das Besondere von Aerosolkernen ist, dass sie aufgrund ihrer geringen Größe und des geringen Gewichtes lange in der Luft schweben und anders als Tröpfchen, nicht innerhalb einer kurzen Distanz zu Boden fallen.  Aerosole werden beim Atmen und Sprechen durch einen Abriss des  in den Alveolen (Lungenbläschen) befindlichen Feuchtigkeitsfilmes  gebildet und durch Vibration und Ausatemvorgänge an die Außenwelt abgegeben. Je lauter jemand spricht und je mehr Konsonanten eine Sprache enthält, desto größer ist die Aerosolbildung. Daher gehört zur klassischen chirurgischen Hygiene im OP nicht nur das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, sondern ganz besonders das „Sprechverbot“.

Aerosole können aber auch z.B.  von Pilzen zur Verbreitung genutzt werden. Während ein Hustenstoß oder ein Nieser vorwiegend Tröpfchen produziert, die größen- und gewichtsabhängig innerhalb eines Radius von idR 1-2M zu Boden fallen, schweben und persistieren Aerosole insbesondere in geschlossenen nicht durchlüfteten Räumen über einen längeren Zeitraum in der Luft. Da Aerosolkerne mit Erregern beladen sein können (z.B. Influenza-, Rhino-, Corona-, Masern-, Noroviren, aber auch Tuberkulosebakterien u.a.), geht bei Nichteinhalten eines entsprechenden Sicherheitsabstandes zur Aerosolquelle eine Gefahr der Übertragung aus. Ein weiteres wichtiges Merkmal von Aerosolkernen ist, dass sie sehr viel tiefer in den Atemtrakt vordringen als größere und schwerere Partikel, die tendenziell bereits im oberen Respirationstrakt oder der Nase anhaften und, sofern sie mit Erregern beladen, durch die dort vorhandenen lokalen  immunologischen Abwehrsysteme (lymphatisches Gewebe der Nasen- Mund und Rachenschleimhaut inklusive der Tonsillen) eradiziert werden können. Erregerbeladene Aerosolkerne hingegen gelangen bis in die tiefen Lungenabschnitte und penetrieren dort die Endothelien oder werden mit der Ausatemluft wieder zurück an die Umwelt gegeben. Für das SARS-CoV-2 Virus wurde bereits nachgewiesen, dass es in Aerosolen für mehrere Stunden infektiös sein kann. Das erklärt auch, warum asymptomatische Virusträger, die nicht husten oder niesen, nur durch sprechen und atmen andere Personen infizieren können.

Mund-Nase-Schutz

Der medizinische Mund-Nase-Schutz (MNS, OP-Maske, chirurgischer Mundschutz) ist eine dünne Maske, die aus einer zwischen zwei Stoffschichten eingebetteten Filterschicht besteht. Der MNS dient vor allem dem Fremdschutz und schützt das Gegenüber vor der Exposition möglicherweise infektiöser Tröpfchen desjenigen, der den Mundschutz trägt. Da der Träger je nach Sitz des MNS im Wesentlichen nicht durch das Vlies des MNS einatmet, sondern die Atemluft an den Rändern des MNS vorbei angesogen wird, bieten MNS für den Träger in der Regel kaum Schutz gegenüber erregerhaltigen Tröpfchen und Aerosolen. Sie können jedoch Mund- und Nasenpartie des Trägers vor einem direktem Auftreffen größerer Tröpfchen des Gegenüber schützen sowie vor einer Erregerübertragung durch direkten Kontakt mit den Händen. Masken als medizinischer Mund-Nasenschutz sind als Medizinprodukte in Verkehr und unterliegen damit dem Medizinprodukterecht (Norm DIN EN 14683:2019-6).

FFP2/FFP3 Maske

Filtrierende Halbmasken (filtering face piece, FFP, N95 respirator) sind Gegenstände der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) im Rahmen des Arbeitsschutzes und haben die Zweckbestimmung, den Träger der Maske vor Partikeln, Tröpfchen und Aerosolen zu schützen. Das Design der filtrierenden Halbmasken ist unterschiedlich. Es gibt Masken ohne Ausatemventil und Masken mit Ausatemventil. Masken ohne Ventil filtern sowohl die eingeatmete Luft als auch die Ausatemluft und bieten daher sowohl einen Eigenschutz als auch einen Fremdschutz. Masken mit Ventil filtern nur die eingeatmete Luft und sind daher nicht für den Fremdschutz ausgelegt. Die FFP Masken weisen eine Aerosol-Filtereffektivität von 95% auf (Norm DIN EN 149:2001-10).

DIY Maske (do it yourself)

„Community-Masken“ oder „DIY-Masken“ sind im weitesten Sinne Masken, die (z. B. in Eigenherstellung auf Basis von Anleitungen aus dem Internet) aus handelsüblichen Stoffen genäht und im Alltag getragen werden. Die Gewebedichte bestimmt die Effektivität. Sie können als sog. Spuckschutz verstanden werden.

Weitere detaillierte Informationen finden Sie auch hier.

In Zusammenschau der unten aufgeführten Literatur kann zusammenfassend konstatiert werden:

  • Gute Evidenz besteht für FFP2 Masken, die konsistent in allen Studien den höchsten Schutz (Eigenschutz/[Fremdschutz]) vor Transmission von Partikeln und virus- bzw. erregerlastigen Aerosolen bieten. Sie weisen allerdings einen hohen Atemwegswiderstand auf, weshalb eine C02 Retention beim längeren Tragen möglich ist. FFP Masken mit Ausatemventil filtern nur die Einatemluft, daher besteht beim Tragen dieser Masken nur Eigen-, aber nicht Fremdschutz. Weniger gut zur Rückhaltung von erregerlastigen Aerosolen eignet sich der chirurgische MNS, da seine Filterqualität dem der FFP Masken erheblich unterlegen ist. Der chirurgische MNS kann daher nur bedingt als Fremdschutz eingesetzt werden. Für alle anderen Masken besteht keine gesicherte Evidenz. Ihre Wirkung ist abhängig von der verwendeten Stoffqualität und Stärke sowie der Passform und dem Sitz. Daher ergibt sich aus der bisherigen Literatur keine Empfehlung zum Tragen von selbstgebastelten Masken, Schals oder Tüchern. Eine gewisse Reduktion der Umgebungskontamination durch Tröpfchen beim Husten oder Niesen erkrankter Personen ist allerdings auch durch Schals oder Tücher möglich.
  • Für alle genannten Masken gilt, dass sie korrekt getragen werden müssen, das Auf- und Absetzen ohne Berührung der Maske, sondern nur zu den Bändern erfolgen soll (Kontamination!) und dass, in Abhängigkeit der Tragedauer, ein Wirkungsverlust eintritt.
  • Alle Studien weisen darauf hin, dass der Schutz vor Transmission durch Maßnahmebündel (Abstand, Händehygiene, Maske, Husten-Nies-Etikette, Isolierung Erkrankter, Belüftung von Räumen u. a.) deutlich erhöht wird. Einzelmaßnahmen sind eher gering wirksam. Personen mit Krankheitssymptomen sollten daher zu Hause bleiben. Die Husten- und Nies-Etikette ist zu beachten (Husten und Niesen in die Armbeuge, nicht in die Hand). Weitere wichtige Maßnahmen zur Vermeidung von Erregertransmissionen ist die Einhaltung eines angemessenen Abstandes (1,5 – 2 m), die regelmäßige Durchlüftung geschlossener Räume (Luftwechsel) und eine angemessene Händehygiene (diese sollte immer auch eine Händepflege mit rückfettenden Pflegemitteln beinhalten, da andernfalls die Hautflora geschädigt wird).
Literaturrecherche zum Artikel