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20 Jahre: Bundeskongress Chirurgie 2018 „Gemeinsam stark“

Fortbildung, Innovationsbereitschaft und ökonomisches Handeln sind feste Bestandteile unserer chirurgischen Tätigkeit. Auf diesen Pfeilern manifestiert sich der Bundeskongress Chirurgie 2018 in Nürnberg (23.02. – 24.02.2018). Auf Wunsch einer großen Mehrheit unserer Kollegen haben wir uns entschlossen, den Kongress um einen Tag zu verkürzen und Ihnen die Inhalte kompakt an zwei Tagen darzulegen.

23. bis 24. Februar 2018 in Nürnberg

Die unfallchirurgisch-orthopädischen Schwerpunkte werden in diesem Jahr auf Verletzungen des Beckens sowie der Wirbelsäule gelegt. Unter dem Motto „Ran an den Rücken“ werden wir auch konventionelle Behandlungsmöglichkeiten des akuten und chronischen Rückenschmerzes diskutieren. Als DGUV zertifizierte Veranstaltungen werden die Kindertraumatologie, die Rehamanagement/Rehamedizin und das Gutachtenseminar (Kurs 2) thematisiert und angeboten.

In der Eröffnungsveranstaltung werden wir über die Zukunft der sektorenübergreifenden chirurgischen Versorgung diskutieren. Im Anschluss erfolgt die Verleihung des Journalistenpreises des BDC.

Erneut werden wir das Thema Digitalisierung aufgreifen, bei dem sich das deutsche Gesundheitssystem einem enormen Erwartungsdruck ausgesetzt sieht. Dieser kommt aus der Politik, der Industrie und natürlich auch von unseren Patienten. Patienten wollen ihre Daten allen behandelnden Ärzten zukommen lassen, Untersuchungsergebnisse aus allen Versorgungsbereichen sollen mitgenutzt werden. Gleichzeitig erwartet der Patient jedoch, dass diese Daten strikt vertraulich behandelt werden. Die Politik möchte so schnell wie möglich diese neuen Techniken in Umlauf bringen und die Industrie verfolgt ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen. Über diese kontroversen Vorstellungen werden wir am Freitagmorgen in der Sitzung Digitalisierung und E-Health berichten.

Namhafte Protagonisten sind eingeladen und haben bereits zugesagt.Die zunehmende Problematik der multiresistenten Keime und der damit für uns verbundenen neuen Hygienevorschriften werden wir in der Hygienesitzung am Samstag ausführlich diskutieren. Die gleiche Thematik verfolgt uns am gesundheitspolitischen Vormittag, dazu werden namhafte Berufspolitiker Konsequenzen der Qualitätsindikatoren in der zukünftigen Medizin diskutieren.

Alle teilnehmenden Berufsverbände werden über aktuelle Entwicklungen aus ihrem Fach berichten. Die Sitzung Arzt und Recht wird über medizinrechtliche Neuerungen und natürlich über das Antikorruptionsrecht informieren.

Den Abschluss des Bundeskongresses bildet ein Symposium zu Kostenstrukturen von ambulanten Operationszentren und Abrechnungsmöglichkeiten ambulanter Operationen und Anästhesien.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, nach der Wahl ist vor der Wahl. Wir denken, dass die neue Bundesregierung mit neuen Gesetzen, die das Gesundheitssystem betreffen, nicht lange auf sich warten lässt. Dieser Kongress bietet Ihnen die Gelegenheit mit renommierten gesundheitspolitischen Experten in den Dialog zu treten. Danach mögen Sie sich selbst ein Bild machen, wo der Weg der Gesundheitspolitik 2020 hinführen wird.

Kommen Sie bitte zahlreich nach Nürnberg, denn nur gemeinsam sind wir stark!

Dr. med. Christoph Schüürmann
Vorsitzender BNC

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer
Generalsekretär DGCH
Präsident BDC

Dr. med. Axel Neumann
Präsident BAO

Dr. med. Michael Bartsch
Kongressleiter

Schüürmann C, Meyer HJ, Neumann A, Bartsch M: Einladung zum Bundeskongress Chirurgie 2018 „Gemeinsam stark“. Passion Chirurgie. 2017 November, 7(11): Artikel 04_02.

Neues zur Weiterbildungsordnung

Trotz einstimmigen Beschlusses der gemeinsamen Weiterbildungskommission von BDC/DGCH und allen chirurgisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften inklusive deren Berufsverbänden zum Verzicht auf die Facharztkompetenz Allgemeinchirurgie bei Einrichtung einer gemeinsamen Kompetenzsäule Allgemein- und Viszeralchirurgie wurde auf dem 120. Deutschen Ärztetag in Freiburg erneut der Erhalt der Facharztkompetenz Allgemeinchirurgie von den Delegierten der Landesärztekammern beschlossen. Die Weiterbildungskommission der Fachgesellschaften und der Berufsverbände hatte sich dann darauf geeinigt, an der Beschreibung der Inhalte aktiv mitzuwirken.

Von Seiten der Unfallchirurgie und Orthopädie wurde darauf hingewiesen, dass aus ihren Fachbereichen keine elektiven Maßnahmen, wie z. B. Gelenksersatz, in die Kompetenzbeschreibungen aufgenommen werden, sondern es sich primär um notfallmäßige Eingriffe aus diesem Gebiet handeln soll. Ferner wurde beschlossen, dass nach Erlangung der Facharztkompetenz Allgemeinchirurgie keine Kompetenz zur Speziellen Viszeral- oder Unfallchirurgie angestrebt werden kann.

Der jetzige Facharzt für Allgemeine Chirurgie weist eine Weiterbildungszeit von 72 Monaten auf, wobei jeweils 18 Monate in der Viszeral- und Unfallchirurgie in entsprechenden zur Weiterbildung zugelassenen Kliniken abgeleistet werden müssen. Zudem sind jeweils sechs Monate in der Notfallaufnahme und Intensivmedizin obligat. In der Viszeralchirurgie sind u. a. mehr als 400 operative Eingriffe notwendig; in der Unfallchirurgie und Orthopädie sind u. a. 200 konservative Behandlungen von Distorsionen und Frakturen sowie 100 Osteosynthesen bei Frakturen und Osteotomien vorgesehen. Wie diese Empfehlung der BÄK, die im sogenannten „Wiki-BÄK“ zur Kommentierung steht, nun von den Landesärztekammern umgesetzt und vor allem auch von den weiterzubildenden Ärztinnen und Ärzte angenommen wird, bleibt abzuwarten.

Als Zusatzweiterbildung steht zudem die Notfallmedizin mit einer Weiterbildungszeit von 24 oder 36 Monaten derzeit in der Diskussion. Ein endgültiges Konzept dieser Zusatzweiterbildung steht dabei noch aus. Der Antrag auf eine Zusatzweiterbildung Einsatz- und Katastrophenchirurgie, der primär mit Unterstützung der Bundeswehr und weiteren Hilfsorganisationen vorgelegt worden ist, wurde vorerst abgelehnt. Weitere Gespräche zwischen der Bundeswehr und den Fachgesellschaften – allerdings nicht mit dem Ziel einer Zusatzweiterbildung, sondern zur Beschreibung einer möglichen speziellen Qualifikation bei diesem „Modellversuch“ – sind hierzu geplant.

Meyer HJ: Neues zur Weiterbildungsordnung. Passion Chirurgie. 2018 Januar, 8(01): Artikel 05_01. 

120. Deutscher Ärztetag

Erlauben Sie mir einige kurze Anmerkungen zur Eröffnung des 120. Deutschen Ärztetags in Freiburg. Fast schon im Zeichen des Bundeswahlkampfes übte der Präsident der Bundesärztekammer, F. U. Montgomery, scharfe Kritik an einer möglichen Bürgerversicherung. In einem weltweit besten Gesundheitssystem wäre eine solche „viel ungerechter“ und „die Bürgerversicherung ist der Turbolader zu einer echten Zwei-Klassen-Medizin“, wie er schon vor fünf Jahren bei der Eröffnung des Ärztetags in Nürnberg festgestellt hatte. Zudem forderte Montgomery die Stärkung der ärztlichen Freiberuflichkeit und Selbstverwaltung, zudem eine zeitnahe Umsetzung des Masterplans Medizinstudium 2020 sowie eine bedarfsgerechte Finanzierung der Krankenhäuser. In der bestehenden Diskussion über die Notfallversorgung schlug er die Einrichtung eines „Runden Tisches“ bei der Bundesärztekammer vor. Schließlich sprach sich Montgomery für eine rasche Umsetzung der Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte aus und warnte davor, in der heutigen Krankenhauslandschaft, den Arzt zum Erfüllungsgehilfen ökonomischer Optimierungsstrategien zu degradieren. Vermissen musste man aber Stellungnahmen zum Transparenzkodex, Digitalisierung oder leider auch zur Weiterbildungsordnung.

Bundesgesundheitsminister H. Gröhe wiederholte seine Forderung nach einer Mannschaftsleistung im Gesundheitswesen. Auch er betonte die Notwendigkeit und Unterstützung einer neuen Gebührenordnung für Ärzte und widersprach ebenso klar dem Konzept einer Bürgerversicherung. Auch die zunehmende ökonomische Umformung der Medizin lehnte der Minister mit dem Hinweis ab, dass der Mensch im Mittelpunkt stehen müsse. Sollte er im Amt bleiben, habe er sich für die Zukunft noch einiges vorgenommen.

Nach allen diesen Ausführungen wird jedoch auch klar, wie schwierig es sein wird, nicht nur hinsichtlich der Musterweiterbildungsordnung in der Chirurgie, das japanische Sprichwort: „Eine Freude vertreibt 100 Sorgen“ in realiter erleben zu können.

Meyer H.-J. 120. Deutscher Ärztetag. Passion Chirurgie. 2017 Juli, 7(07): Artikel 05_new.

Beschlussprotokoll vom 120. Deutscher Ärztetag

Editorial: „Nach dem Kongress ist vor dem Kongress!“

Diese Erfahrung traf in diesem Jahr besonders zu, denn noch nie lagen der Bundeskongress Chirurgie in Nürnberg und der 134. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie terminlich so nah beieinander wie 2017. Dieses Faktum stellte also eine besondere Herausforderung dar.

Die Berufsverbände BDC, BNC und BAO legten in Nürnberg vom 10. bis 12. März den berufspolitischen Schwerpunkt auf die Frage: Was passiert mit den freiberuflichen Fachärzten nach der Bundestagswahl? Politiker von drei großen Parteien nahmen während des nun schon traditionellen politischen Vormittags beim Bundeskongress dazu Stellung. In weiteren Sitzungen wurden Portalpraxen, Einholung von Zweitmeinungen sowie die Terminservicestellen, die in letzter Zeit in den Medien für sehr viel Zündstoff gesorgt haben, thematisiert. Über einige der Diskussionen und Vorträge aus Nürnberg berichten wir in dieser Ausgabe mit den Kongressen im Fokus. Die Verleihung des „Journalistenpreis der Deutschen Chirurgen 2017“ und der „Wolfgang Müller-Osten-Medaille“ im Rahmen des Bundeskongress sind ebenfalls Themen in dieser Ausgabe.

Auch beim diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie wurden verschiedene berufspolitische Aspekte, die Chirurgie betreffend, dargestellt und diskutiert. Unter dem Kongressmotto „Verantwortung, Vertrauen, Sicherheit“ standen vor allem die politisch vorgegebenen Rahmenbedingungen im Mittelpunkt. Gerade hinsichtlich des Mangels an Pflegekräften in deutschen Krankenhäusern ist dieses Thema aktueller denn je. Umso wichtiger ist es, den Zustand in anderen europäischen Ländern zu erfahren, um ggf. neue Lösungsansätze zu finden. Als besonderer Schwerpunkt wurde die aktuelle Situation der Notfallversorgung und -chirurgie in Deutschland thematisiert – insbesondere die notwendigen Vorbereitungen bei weiter zunehmender „Bedrohungslage“. Zu einigen Highlights der Kongresstage finden Sie sowohl in der Rubrik INTERN DGCH als auch in CHIRURGIE sowie CHIRURGIE+ Beiträge. Ein Novum in München war die Durchführung des Nachwuchs-Kongresses „Staatsexamen & Karriere“, der nun schon zum zehnten Mal vom Berufsverband der Deutschen Chirurgen und dem Berufsverband Deutscher Internisten zur Vorbereitung auf die 3. Ärztliche Prüfung für Medizinstudenten organisiert wurde. Auch darüber wird in dieser Ausgabe ausführlich berichtet.

Als ein Fazit beider Kongresse stellte sich einmal mehr heraus, dass etwaige unterschiedliche Standpunkte der chirurgischen Akteure offen diskutiert werden müssen: Also miteinander und nicht über einander reden! Nur bei Demonstration der „Einheit in der Chirurgie“ kann der Nachwuchs für unser Fach begeistert und gewonnen werden. Dafür brauchen wir nicht noch mehr Dirigismus, wir müssen den freien und selbstbestimmenden Arztberuf in allen Bereichen stärken – und zwar gemeinsam und nicht nur auf den Kongressen.

Ihr H.-J. Meyer

Meyer H.-J. Editorial: Nach dem Kongress ist vor dem Kongress. Passion Chirurgie. 2017 Mai; 7(05): Artikel 01.

„Begeisterung für die Chirurgie wecken und nachrückende Ärzte individuell fördern“

Interview mit Prof. Dr. H-J. Meyer, BDC-Präsident und Generalsekretär der DGCH

Kongresszeitung: Eine jüngst publizierte Umfrage des Hartmannbundes unter 1.300 Assistenzärzten verschiedener Fachrichtungen hat eine erschreckend hohe Unzufriedenheit unter jungen Ärzten ergeben. Moniert wurden etwa nicht dokumentierte Überstunden, keine Pausen, eine wenig strukturierte Weiterbildung und vor allem die hohe Arbeitsbelastung und der ökonomische Druck in den Kliniken. Wie kann man in Anbetracht dieser komplexen Problemlage junge Menschen überhaupt noch für das Fach Chirurgie begeistern?

Prof. Meyer: Die in der Umfrage geäußerten Punkte zur Unzufriedenheit junger Ärzte im Berufsleben stellen nun sicherlich kein Novum dar und sind auch nicht erst seit gestern bekannt, was der Vorsitzende des Hartmannbundes bestätigt. Allerdings hat ihn die Deutlichkeit in dieser Analyse überrascht. Den Hilferuf der jungen Ärztegeneration versah eine große überregionale Tageszeitung mit der Titelzeile: „Studiert bloß nicht Medizin!“ Fast zeitgleich wurde dann noch eine Umfrage des Marburger Bunds Schleswig-Holstein zu den Arbeitsbedingungen im Klinikbereich veröffentlicht. Die befragten Ärzte klagten ebenfalls darüber, dass die Arbeitsbelastung zu hoch sei, wobei sich 93 Prozent der Ärzte in Weiterbildung überlastet fühlten. Als Gründe für die zunehmenden, über die gesetzlichen Vorgaben von wöchentlich 48 Stunden hinausgehende Arbeitszeiten werden vor allem Personalmangel, Arbeitsverdichtung bei ökonomischem Druck in den Kliniken, Organisationsmangel oder überbordende Bürokratie genannt. Diese Problematik betrifft dabei nicht nur die Chirurgie, sondern in gleicher Weise fast alle anderen Fächer. Eine gewisse Ernüchterung bei Eintritt in die normale Arbeitswelt ist sicherlich auch in anderen Berufsgruppen keine Besonderheit, aber gerade in der Medizin wird der Studierende bereits im praktischen Jahr, also noch während der Ausbildung, mit dem realen Klinikbetrieb konfrontiert, was dann in der Tat schnell zu einem Wechsel von der Entscheidung für die Chirurgie in ein anderes Fach führen kann.

„Veränderungen im klinischen Betriebsablauf sind längst überfällig“

Generell sind also Veränderungen im klinischen Betriebsablauf überfällig; diese werden allerdings seit Jahren mehr oder weniger erfolgreich angestrebt, ebenso wie man versucht, eine weitere ökonomische Überformung der Medizin zu verhindern. Nicht erst seit den Empfehlungen des Deutschen Ethikrates ist klar, dass ökonomische Ziele nicht die medizinischen Indikationsstellungen beeinflussen dürfen: Ökonomie muss der Patientenversorgung dienen und nicht umgekehrt! Hinsichtlich des Personalmangels bei zahlreichen unbesetzten Arztstellen wird nun im Rahmen der gerade getroffenen Vereinbarungen von Personaluntergrenzen in der Pflege im Krankenhausbereich vom Marburger Bund und Hartmannbund auch die Festlegung von Personaluntergrenzen für Ärzte durch die Politik gefordert. Allerdings sieht die Politik für einen Personalmehrbedarf keine finanziellen Mittel vor. Eine Alternative könnte die Teilzeittätigkeit darstellen, die während der Weiterbildungszeit dann generell von den Landesärztekammern anerkannt werden müsste. Obwohl nach neuesten Angaben des statistischen Bundesamtes bereits ein Drittel der etwa 80.000 im Krankenhaus tätigen Ärztinnen nicht in einem Vollzeitbeschäftigungsverhältnis stehen, wird gerade unter dem Aspekt der geforderten Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie wissenschaftlicher Karriere die berufliche Teilzeittätigkeit neben guter Kinderbetreuung und geregelten Arbeitszeiten als eine der wesentlichen Forderungen von Ärztinnen angesehen. Veränderungen von Arbeitsstrukturen mit frühzeitiger Erstellung von Dienstplänen lassen sich wohl realisieren, insbesondere aber muss die seit Jahren eingeforderte Reduktion der bürokratischen Tätigkeiten des Arztes endlich einmal in praxi umgesetzt werden. Ob alle diese bekannten Probleme für die Klinikärzte durch die vom Hartmannbund geplanten Gespräche mit Krankenhausträgern oder der deutschen Krankenhausgesellschaft wirklich entscheidend verändert oder gar verbessert werden können, halte ich persönlich für fraglich. Vielmehr sind gerade die Ärzte in leitender Funktion selbst aufgefordert, die nachrückende Generation von Ärztinnen und Ärzten individuell zu fördern und gerade im praktischen Jahr der Ausbildung von der begeisternden und besonderen Tätigkeit in der Chirurgie zu überzeugen. Bei aller Akzeptanz einer ausgewogenen Work-Life-Balance muss dabei allerdings auch die Frage erlaubt sein, in welchem Umfang die Nachwuchsgeneration selbst bereit ist, sich in ihr späteres Berufsleben einzubringen.

Kongresszeitung: Die Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen in der eingangs zitierten Umfrage war an den Universitätskliniken mit Abstand am geringsten: Immerhin 22 Prozent der Befragten bewerteten die Arbeitssituation mit der Note 4 – rund 14 Prozent gaben sogar eine 5. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Prof. Meyer: Diese Frage lässt sich nach meiner Meinung nicht eindeutig beantworten. Auffällig ist nämlich bei dieser Umfrage auch, dass im Vergleich zu früheren Erhebungen 31,4 Prozent der Befragten den Krankenhäusern in privatwirtschaftlicher Trägerschaft die Note 2 hinsichtlich Arbeitszufriedenheit ausstellt – häufiger als den kommunalen Kliniken mit nur 29,6 Prozent, die zuvor als beliebtester Arbeitgeber angesehen wurden. Die ausgesprochen schlechte Beurteilung der Universitätsklinika mag damit zusammenhängen, dass sich etwa 60 Prozent der befragten Ärzte in den ersten zwei Jahren der Weiterbildung befinden und für diesen Ausbildungsstand die Zahl der kleineren Eingriffe in der Chirurgie limitiert sein könnten. Ansonsten treffen die o. a. Probleme in gleicher Weise für nicht universitäre wie universitäre Kliniken zu, vor allem der personelle und ökonomische Druck findet auch in Universitätskliniken statt. Bei einer solchen Beurteilung ist zudem unklar, wie hoch der Anteil an berufstätigen Ärztinnen ist, denn gerade die Kolleginnen beklagen einen möglichen Karriereknick in der Weiterbildung durch Schwangerschaft oder notwendige Kinderbetreuung. Zudem sei auf die anlässlich des Weltfrauentags veröffentlichten Daten hingewiesen, dass Führungspositionen in der Klinik generell weiterhin eine Männerdomäne darstellen. In Universitätskliniken liegt der Anteil der Oberärztinnen bei ungefähr 30 Prozent, der in leitender Position weiterhin stabil bei nur zehn Prozent. All dies befördert möglicherweise eine negative Bewertung.

Kongresszeitung: Trotz der beklagten Arbeitsbedingungen ist ein Medizinstudium nach wie vor für viele junge Menschen ein Lebensziel, für das viele hochambitionierte Kandidaten jahrelange Wartezeiten in Kauf nehmen. Hat der restriktive Zugang zum Studium aus Ihrer Sicht auch Auswirkungen auf die Nachwuchssituation in der Chirurgie?

„Etwa 30 Prozent der Studienanfänger interessieren sich für die Chirurgie, am Ende des praktischen Jahres sind es noch fünf bis zehn Prozent“

Prof. Meyer: Es muss fast paradox erscheinen, dass trotz aller geklagten Missstände im Klinikbetrieb eine Vielzahl von jungen Menschen ein Medizinstudium anstrebt. Der Arztberuf generell ist also weiterhin außerordentlich beliebt. Derzeit gibt es mehr als 10.000 Erstsemester an den staatlichen Universitäten und Hochschulen, zudem existieren noch verschiedene nicht-staatliche Einrichtungen. Nach Aussagen der Stiftung für Hochschulzulassung kommen fast fünf Bewerber auf einen Studienplatz in der Humanmedizin und die Wartezeiten bis zum Studienzugang betragen etwa 14 Monate, sind also länger als die Regelstudienzeit von zwölf Semestern. Die Zulassung zum Medizinstudium ist derzeit in 20 Prozent durch den Notendurchschnitt beim Abitur, in weiteren 20 Prozent durch die Wartezeiten und in 60 Prozent durch verschiedene individuelle Vorgaben und Eignungstest der Fakultäten definiert. Letzteres Auswahlverfahren soll nun durch den Masterplan Medizinstudium 2020 – mit dem die Bundesregierung das Medizinstudium reformieren will – verändert werden. Neben der Abiturnote sollen mindestens zwei weitere Kriterien berücksichtigt werden, insbesondere die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten wie auch die Leistungsbereitschaft, die für die angestrebte ärztliche Tätigkeit mitentscheidende Bedeutung haben. Künftig sollen außerdem eine Ausbildung, Tätigkeit oder ehrenamtliches Engagement im Gesundheitswesen berücksichtigt werden. Eine generelle Landarztquote für die Zulassung bei Verpflichtung zur späteren Niederlassung in einer unterversorgten Region ist zwar vom Tisch, allerdings bleibt eine Option für die Länder bei dieser Regelung offen. Die Auswahlverfahren sollen unter den verschiedenen Fakultäten angeglichen werden. Ob die jetzigen Wartezeiten wirklich verkürzt werden können, bleibt abzuwarten, denn eine Erhöhung der Studienplatzzahlen, wie von der Bundesärztekammer oder dem Marburger Bund gefordert, ist nicht vorgesehen. Qualität steht also vor Quantität. Auswirkungen auf die Nachwuchssituation im Gebiet Chirurgie lassen sich durch die geplanten Vorgaben im Masterplan nicht eindeutig vorhersagen, denn man kann wohl weiterhin davon ausgehen, dass die Wahl für ein chirurgisches Fach erst im letzten Drittel des Studiums und dann besonders im praktischen Jahr getroffen wird. Frühere Untersuchungen haben nämlich gezeigt, dass sich etwa 30 Prozent der Studienanfänger für das Gebiet Chirurgie interessieren, am Ende des praktischen Jahres macht dieser Anteil dann nur noch etwa fünf bis zehn Prozent aus.

Kongresszeitung: Wie bewerten Sie die sonstigen bis dato bekannten Inhalte des Masterplans Medizinstudium 2020 im Hinblick auf die Chirurgie?

Prof. Meyer: Hier ist festzuhalten, dass es beim Masterplan Medizinstudium 2020 primär um die frühe Ausbildung geht, wo die Weiterbildung, etwa mit einer Entscheidung für das Gebiet Chirurgie, in der Regel noch in weiter Ferne steht. Zudem ist der Inhalt der wohl knapp 40 Einzelpunkte dieses Masterplans immer noch nicht genau bekannt. Klar ist lediglich eine Veränderung der Struktur im praktischen Jahr: statt zweier Pflichttertiale in Innerer Medizin und Chirurgie sowie einem Wahltertial, soll jetzt eine Quartalisierung erfolgen. Neben drei Monaten in einem Wahlfach ist ein Pflichtabschnitt ambulante Medizin vorgesehen. Zudem soll im Staatsexamen (M3-Prüfung) eine mündlich-praktische Pflichtprüfung im Fach Allgemeinmedizin eingeführt werden, obwohl diese Vorgaben absolut nicht den Vorstellungen der Studierenden entsprechen. Im Vordergrund der Gesundheitspolitik steht also eindeutig eine Stärkung der Allgemeinmedizin. Die Interessen der Chirurgie müssen nun durch die Universitätslehrer durch eine aktive und umfängliche Beteiligung an der frühzeitig im Studium geplanten Verknüpfung von Theorie und Praxis vertreten werden. Außerdem muss im verkürzen Chirurgie-Quartal intensiv versucht werden, bei den Studierenden die Begeisterung für das Gebiet Chirurgie zu wecken und gegebenenfalls weiter zu steigern. Dass der Masterplan Medizinstudium 2020 allerdings wirklich der geplante große Wurf wird, muss bei weiter bestehender „Black Box“ und nicht geklärter Finanzierung mehr als ernsthaft bezweifelt werden.

Quelle: Nachdruck aus der Kongresszeitung des 134. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Ausgabe vom 23. März 2017, Seite 1

Das Gespräch führte
Carola Marx
Ressortleitung Chirurgie
Dr. R. Kaden Verlag GmbH & Co. KG
Maaßstr.32/1, 69123 Heidelberg
[email protected]

Interviewpartner

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer
Generalsekretär DGCH
Präsident BDC
[email protected]

Marx C. „Begeisterung für die Chirurgie wecken und nachrückende Ärzte individuell fördern“ Passion Chirurgie. 2017 Mai, 7(05): Artikel 05_01.

Alles wie immer?

Rückblick auf die Gesundheitspolitik 2016

Am Ende eines Jahres nutzt man gerne die Gelegenheit, zurückzuschauen, was geschehen ist oder auch was nicht. Je nach Blickwinkel des Betrachters fällt das Urteil überschwänglich positiv aus oder eher ernüchtert resigniert. Was die Gesundheitspolitik und im Besonderen die Gesetzgebung betrifft, so wird der Minister als „teuerster Gesundheitsminister“ nicht müde, mit Stolz und durchaus zu Recht darauf zu verweisen, dass sein Haus praktisch alle Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt hat. Bedauerlich für die Ärzteschaft ist dabei nur, dass schon der Koalitionsvertrag nichts Gutes ahnen ließ. An dieser Stelle sollen die verschiedenen Gesetze eher unter exemplarischen Gesichtspunkten abgehandelt werden, um daraus mögliche Perspektiven für die Zukunft abzuleiten. Kritik an Beschlossenem mag dazu dienen, Zorn oder Enttäuschung abzuarbeiten, konstruktiv ist es eher selten.

Im Kern stehen zwei Gesetzesänderungen im SGB V auf dem Prüfstand: Das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz und das Krankenhausstrukturgesetz. Daneben eine Vielzahl flankierender Gesetze, auf die noch einzugehen sein wird. Wirklich umwälzende Richtungsänderungen sind nicht zu erkennen, es bleibt bei einer generell dirigistisch vorgegebenen Struktur der Versorgung, die zaghaften wettbewerblichen Elemente der Vorgängergesetze sind zumindest nicht weiter gestärkt worden.

Für große Aufregung hat die Verpflichtung für die Kassenärztlichen Vereinigungen gesorgt, sogenannte Terminservicestellen (auf eigene Kosten und ohne Zuschuss von dritter Seite) einzurichten. Patienten sollen dort innerhalb einer Woche zu einem Facharzt vermittelt werden, ansonsten erfolgt eine Konsultation im Krankenhaus. Letzteres übrigens explizit auch ohne Facharztstatus und selbstverständlich auf Kosten der Vertragsärzte. Nun hat Deutschland eine der höchsten Arztdichten, allerdings auch die höchste Rate an Inanspruchnahme ärztlicher Leistung. Dennoch gibt es kaum Wartezeiten, außer bei wenigen Hochspezialisten. Es hat sich schnell gezeigt, dass die Terminservicestellen im Verhältnis zur Gesamtheit der Arzttermine in einem kaum messbaren Promillebereich genutzt worden sind. Normale Arzttermine gibt es überall und Spezialisten werden durch Terminstellen eben auch nicht geboren. Kuriosum am Rande: Die Weiterleitung an eine Krankenhausambulanz scheitert oft daran, dass es genau diese Spezialisten dort gar nicht gibt. Also ein Gesetz ohne tieferen Sinn und Nutzen, übrigens auch ohne ernste Nachteile. Der Hintergrund ist allerdings bemerkenswert: Diese von allen im Vorfeld als überflüssig angesehene Verordnung soll angeblich der koalitionsinterne Preis der Union für den Verzicht der SPD auf deren gewünschte Bürgerversicherung gewesen sein. Dann wär´s geradezu ein Schnäppchen gewesen.

Weniger erfreulich sind die Präzisierungen zum Zwangsaufkauf von Zulassungen in überversorgten Gebieten. Tatsächlich soll jetzt bei einer Versorgung von 140 Prozent im Falle einer Praxisabgabe die Zulassung eingezogen werden. Im Prinzip handelt es sich um eine staatlich veranlasste Enteignung. Allerdings wird vorher geprüft, ob die Praxis versorgungsrelevant ist, was man bei großen Einheiten annehmen darf. Es werden, wenn überhaupt, nur kleine, unrentable Einheiten vom Markt genommen, die vermutlich sowieso nicht verkäuflich sind. Aber sicher kann niemand sein, der in einer überversorgten Region tätig ist. Man darf an dieser Stelle fragen, ob es in unserer freiheitlichen Gesellschaft andere Unternehmensbereiche gibt, denen bei der Weitergabe an einen Nachfolger die Enteignung droht. Ganz abgesehen von dem Widerspruch zwischen staatlich verordneter Verknappung des Angebots und staatlicher Klage und Sanktionen wegen angeblich zu langer Wartezeiten.

Interessant ist noch das gesetzlich neu verankerte Recht der Patienten auf das Einholen einer Zweitmeinung vor elektiven Eingriffen. An sich nichts Besonderes, wenn daran nicht ein weiteres Prinzip des Gesetzgebers festzumachen wäre: Alles wird im Gesetz angetönt, aber kaum etwas wird definitiv und im Detail geregelt. Stereotyp findet sich immer der Hinweis: Das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Dieser G-BA (übrigens ohne demokratische Legitimation zusammengesetzt) ist inzwischen eine Art Nebengesetzgeber. Seine Beschlüsse haben bindenden gesetzlichen Charakter, obwohl eine pluralistische Meinungsbildung oder gar eine demokratische Beschlussfassung nicht existiert. Der Gesetzgeber hat eine untergesetzliche Institution installiert und dieser die Auslegung seiner eigenen Gesetze übertragen. Das ist übrigens auch an anderer Stelle so, z. B. mit der Einrichtung des so genannten IQTIG, neben dem schon bestehenden IQWIG, beides Institute zur Qualitätssicherung, beide mit erheblicher Macht, beide ohne demokratische Legitimation, dafür aber direkt normgebend und Grundlage für die Entscheidungen des G-BA.

Nur an einer Stelle ist der Gesetzgeber eindeutig vorgegangen: Bei der Organisation der Vertragsärzte. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung ist nicht zuletzt auch wegen groben internen Missmanagements an die Kette gelegt worden. Zahlreiche Auflagen der Aufsichtsbehörde engen den Handlungsspielraum der Selbstverwaltung massiv ein und der Einsatz eines Staatskommissars scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Zudem wird gesetzlich eine kuriose Verbiegung der Demokratie verlangt, indem Haus- und Fachärzte unabhängig von der tatsächlichen demokratisch gewählten Zusammensetzung paritätisch über die gleiche Stimmgewichtung verfügen. Man stelle sich vor, im Bundestag hätten alle Parteien die gleiche Stimmenzahl, egal wie viele Mandate die einzelnen errungen haben.

Größeres Lob hat – zumindest von Seiten der Trägerorganisationen – das Krankenhausstrukturgesetz erfahren. Immerhin wird sehr direkt eine massive finanzielle Spritze gesetzt, ohne erkennbare strukturelle Einschränkungen. Offenbar resigniert der Gesetzgeber vor der Tatsache, dass die Länder ihren Verpflichtungen zur Investitionsförderung im Rahmen der dualen Finanzierung nicht nachkommen und greift selber ein. Auch wird die Pflege deutlich aufgebessert, jedenfalls finanziell – jedoch ohne relevante Auswirkungen. Ob die zukünftige Verschmelzung der drei Pflegebereiche (Kinder-, Alten- und Regelpflege) in eine einheitliche generalistische Ausbildung wirklich den Pflegemangel behebt, erscheint mehr als fraglich. Nicht immer führt eine Minderung der Qualität zu einer Mehrung der Quantität. Es erstaunt schon, dass hier eine Qualitätsverwässerung vorgenommen wird, wo doch sonst die sogenannte Qualitätsoffensive im Focus steht. Übrigens übernimmt wie immer der G-BA unter Einbeziehung von IQTIG und IGWIG die Definition von Qualität. Geprüft wird das dann vor Ort durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen, deren Mitarbeiter nicht immer auf dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand sind.

Neu für die Kliniken ist der Zugang zur ambulanten Versorgung. Sehr zum Ärger der Vertragsärzte können jetzt von Krankenhäusern sogenannte Portalpraxen eingerichtet werden. Damit wird letztlich legitimiert, was sowieso schon geschieht. Immer häufiger gehen Patienten auch während der regulären Öffnungszeiten der niedergelassenen Chirurgen direkt ins Krankenhaus und verstopfen dort die Notaufnahmen. Das soll wohl durch die Portalpraxen zu einer Art Regelversorgung werden. Wer das allerdings angesichts der Personalsituation an den Kliniken leisten soll, bleibt unklar. Vorsorglich hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft schon das Doppelte der Regelleistungsvolumina der KV-Ärzte für sich als Honorar reklamiert.

Leider gibt es kaum weitere Ansätze, die von uns immer wieder geforderte sektorübergreifende Versorgung voranzubringen. Das gesetzlich verankerte Entlassmanagement ist kein wirklicher Fortschritt, sondern nur eine weitere bürokratische Erschwernis auf dem Weg zu mehr Zusammenarbeit. Das größte Hindernis kommt allerdings in Form des Antikorruptionsgesetzes aus dem Justizministerium. Prinzipiell stehen alle Formen der Kooperation unter genereller Strafandrohung, sofern das „übliche Maß“ überschritten wird. Das betrifft die Zuweisung gegen Entgelt ebenso wie die Annahme von Gefälligkeiten oder schon die Vermeidung eines Nachteils. Vor allem Honorarärzte sind massiv verunsichert, denn es ist völlig unklar, auf welcher Basis eine Vergütung noch als „üblich“ angesehen wird. In der Konsequenz erreichen uns eine große Zahl von Kündigungen bestehender Verträge durch die Klinikträger, wohl in der Absicht, die Preise absenken zu können. Bedauerlicherweise haben die Juristen auch keine klare Vorstellung und warten jetzt auf erste Urteile. Wir haben wieder den klassischen Fall des Unterschiedes zwischen „Gesetzesrecht“ und „Richterrecht“.

Ein Thema hat im letzten Jahr die Ärzteschaft neben der eigentlichen Gesetzgebung beschäftigt: die Reform der Gebührenordnungen EBM und GOÄ. Beim EBM läuft es einigermaßen reibungslos, wenn auch langsam. Wir erwarten eine EBM-Reform (finanzneutral!) ohne zusätzliche Geldmittel zum Ende des kommenden Jahres. Es wird sich vermutlich nicht viel ändern. Wie immer unter den Bedingungen des Budgets wird es allenfalls eine Umverteilung des Mangels geben. Für Chirurgen als Randnotiz zu bemerken ist die Tatsache, dass es eine Zusammenlegung der Honorare von bisherigen Orthopäden mit der Fachgruppe Chirurgie geben soll. In gleichem Zusammenhang soll auch die Bedarfsplanung der beiden Gruppen zusammengeführt werden, was interessante Auswirkungen auf den jeweiligen Grad der Überversorgung haben dürfte (Stichwort Enteignung bei Überversorgung). Genaueres ist noch nicht bekannt.

Die Diskussion um die neue GOÄ hat dagegen ganz andere Wellen geschlagen. Sogar ein Sonderärztetag musste abgehalten werden, weil die Intransparenz der Verhandlungen zwischen Bundesärztekammer und privaten Kassen abenteuerliche Ausmaße angenommen hatte. Im März ist das Projekt GOÄ neu seitens der BÄK gestoppt worden, seitdem sind wieder die Verbände, die bisher unter angeblicher Geheimhaltungverpflichtung durch das Ministerium ausgeschlossen waren, wieder mit im Boot. Aktuell wird zusammen mit den Verbänden eine neue Legendierung erarbeitet, die dann allerdings wieder mit der PKV konsentiert werden muss. Ob in der noch laufenden Legislaturperiode ein fertiger Kompromiss vom Gesetzgeber als Verordnung auf den Weg gebracht werden kann, ist mehr als fraglich. Der Minister hat sein Wort gegeben, dies zu tun, aber der Koalitionspartner hat bereits ebenso klar zu erkennen gegeben, dass Derartiges mit der SPD nicht durch den Bundesrat gehen wird. Je dichter der Wahltermin heranrückt, umso mehr wird die GOÄ zum Wahlkampfthema und damit vermutlich nicht verabschiedet werden.

Warten wir also den Ausgang der nächsten Bundestagswahl ab. Die Parteien haben durchaus unterschiedliche Vorstellungen zur zukünftigen Gesundheitspolitik. In einem Punkt ist aber aus dem letzten Jahr, wie auch schon seit Seehofers Budgetbremse, konsistent eine immer weiter zunehmende Reglementierung, Bürokratisierung und Verstaatlichung des Systems zu konstatieren. Gleich, wer die Gestaltungsmacht im Gesundheitsministerium besitzt, immer sind es dieselben Instrumente, die genutzt werden, um die Schere zwischen sinkenden Sozialeinnahmen und steigenden Kosten durch medizinischen Fortschritt (vergeblich) am weiteren Aufklappen zu hindern. Man versucht, der Bevölkerung einerseits freien wohnortnahen Zugang zu sämtlichen medizinischen Möglichkeiten zu versprechen, andererseits werden die Kapazitäten erkennbar ausgedünnt. Im Krankenhausbereich durch verschärfte Qualitätsindikatoren, die kleinere Häuser nicht mehr werden bedienen können, im Bereich der niedergelassenen Chirurgen mit Zulassungsrücknahmen, ebensolchen Qualitätsmaßnahmen, die vor allem teuer sind, und mit einer Öffnung der Krankenhäuser als subventionierte Konkurrenz. Dies sind die Indizien, die sich aus dem Studium der Gesundheitspolitik des vergangenen Jahres ergeben und deren Fortsetzung wir mit großer Sicherheit nach der Wahl erleben werden. Da kann man sich freuen, dass in 2017 wegen des Wahlkampfes in der Regel keine tiefgreifenden Gesetze mehr zu erwarten sind.

Meyer H.-J. / Rüggeberg J.-A. Alles wie immer?. Passion Chirurgie. 2016 Dezember, 6(12/IV): Artikel 05_02.

Editorial: Wird in Deutschland zu viel operiert?

Die Diskussion über die Zahl der operativen Eingriffe mit der stetigen Frage nach einem „zu viel“ in unserem Land in den letzten Jahren stellt letztlich eine vor sich hin glimmende never-ending story dar, die durch scheinbar neue Studien und Statistiken bzw. unterschiedliche Sicht der beteiligten Akteure immer wieder entfacht wird.

Die Argumente für ein „Pro oder Contra“ sind weitgehend bekannt und vielfach ausgetauscht worden. Auf der einen Seite wird die Ursache zunehmender Operationszahlen auf den so gern und häufig zitierten demographischen Wandel der immer älter werdender Bevölkerung wie auch auf die stetig verbesserten medizinischen Maßnahmen in Diagnostik und Therapie zurückgeführt. Sicherlich darf dabei auch nicht der individuelle Patientenwunsch bei Aufklärung über prinzipiell mögliche und alternative Behandlungsverfahren vergessen werden. Auf der anderen Seite werden der Anstieg der Operationszahlen bzw. seine Variationen im nationalen und internationalen Vergleich durch falsche, besonders ökonomisch unterlegte Anreizsysteme begründet – u. a. die inadäquate Vergütung konservativer Therapiemaßnahmen, Mengenausweitungen bei sehr kostenrelevanten DRG-Positionen sowie die weiterhin bestehenden Bonusvereinbarungen in den Verträgen leitender Ärzte bzw. die Honorierung jährlich gesteigerter Leistung. Dabei ist jedoch auch allen aktiv Beteiligten bewusst, dass eine Steigerung der Erlöse der klinischen Leistungen durchaus auch sachfremd – aufgrund mangelnder finanzieller Unterstützung durch die jeweiligen Bundesländer – zur Deckung von Investitionskosten eingesetzt werden. Zukünftig ist auch keine Veränderung durch das Krankenhausstrukturgesetz zu erkennen.

Auch wenn die dargestellten Problemfelder durchaus kein Novum darstellen, sind sie doch immer wieder Grundlage für sensationsheischende Schlagzeilen, auch in als seriös eingestuften Medien, wie z. B. „Land der fragwürdigen Operationen“. Besonders auch als Folge der ersten Veröffentlichung der OECD-Zahlen (Organisation for Economic Co-operation and Development), die Deutschland als Operationsweltmeister darstellt, wurde diese Art der Berichterstattung geschürt. Gerade eine Studie des wissenschaftlichen Instituts der Privaten Krankenversicherungen vermochte diese Einstufung nach Einsatz einer indirekten Altersjustierung zu korrigieren. Nach Japan weist die deutsche Bevölkerung nämlich mit einem Median-Wert von 44,3 Jahren den höchsten Wert im Vergleich zu anderen europäischen Ländern und den USA auf. Diese Korrektur führte dazu, dass Deutschland weiterhin im Vergleich der Gesundheitsausgaben einen Platz im oberen Drittel einnimmt. Gleichzeitig wurden die Spitzenpositionen bei verschiedenen operativen Eingriffen an andere Nationen weitergereicht, so beim Hüftgelenksersatz bzw. der Knieprothese jetzt mit Platz 5 bzw. 8 sowie bei der koronaren Bypass-Operation mit Platz 10. Zweifelsfrei sind nach dieser altersadjustierten Korrektur noch eine Vielzahl anderer Einflussfaktoren zu berücksichtigen, trotzdem können vor allem interessenbestimmte Hypothesen relativiert werden. Schließlich sollten wir uns stets an die Hippokratische These von „Primum nihil nocere“ erinnern, wenn der Patient über mögliche auch alternative Therapiemaßnahmen aufgeklärt wird. Ferner besteht seit langem die Möglichkeit zur Einholung einer Zweitmeinung, sodass diese im Versorgungsstärkungsgesetz aufgenommene Maßnahme, jetzt lediglich dirigistisch durch den Gemeinsamen Bundesausschuss gesteuert werden soll. Ob sich dadurch eine Veränderung oder Reduktion der operativen Eingriffszahlen erreichen lässt, muss abgewartet werden.

In dieser Ausgabe der Passion Chirurgie zum Thema „Wird in Deutschland zu viel operiert?“ finden Sie eine Auswahl von Beiträgen aus der Politik, aus Sicht der Krankenkassen- und Patientenvertreter und natürlich aus dem Blickwinkel von Chirurgen selbst.

Ich bedanke mich bei allen Autoren für ihr Engagement und wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre.

Meyer H.-J. Wird in Deutschland zu viel operiert? Passion Chirurgie. 2015 September; 5(09): Artikel 01.

Grußworte des neuen BDC-Präsidenten

Sehr geehrte Mitglieder, liebe Kolleginnen und Kollegen,

am 29. April 2015 wurde ich bei der Mitgliederversammlung in der Funktion als neuer Präsident des BDC bestätigt. Ich freue mich sehr über die Aufgaben und Herausforderungen, die während meiner Amtszeit anstehen werden und möchte mich gleichzeitig herzlich für Ihr Vertrauen bedanken!

55 Jahre nach Gründung des Vereins ist der Berufsverband der Deutschen Chirurgen mit seinen rund 17.000 Mitgliedern der mitgliederstärkste Chirurgenverband der Europäischen Union. Während meiner Amtszeit ist es mir nun ein großes Anliegen, dieses Potential weiter zu nutzen, um das Ziel „Einheit der Chirurgie“ zukunftsweisend zu gestalten. In der Doppelfunktion als Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) und gleichzeitig als Präsident des BDC möchte ich die Zusammenarbeit beider Chirurgenvertretungen intensivieren und voranbringen.

Eine Fusion beider Institutionen herbeizuführen ist dabei nicht möglich, denn beide Vertretungen haben unterschiedliche Funktionen, deren Abgrenzung sich in der Vergangenheit als sinnvoll erwiesen hat. Der BDC und die DGCH sollen schrittweise Projekte entwickeln, um die Interessen ihrer Mitglieder nachdrücklicher vertreten zu können. Etwaige Interessenkonflikte müssen dabei einvernehmlich gelöst werden, denn nur bei gemeinsam definierten Zielen können die Mitglieder beider Institutionen profitieren und die Sinnhaftigkeit dieser engen Zusammenarbeit erleben. Wir können und müssen uns gegenüber anderen Meinungsbildnern bei gesundheitspolitischen Entwicklungen und Entscheidungen argumentativ überzeugend und vernehmbar auftreten, um das gebündelte Wissen der Fachgesellschaften und der Berufsverbände im Sinne unserer Mitglieder effektiver einsetzen zu können. Dieses große Ziel können wir nur gemeinsam erreichen.

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Prof. Meyer

Meyer H.-J. Grußworte des neuen BDC-Präsidenten. 2015 Mai, 5(05): Artikel 01_01.

Chirurgisch-Technische Assistenz: Sichtweise der DGCH

Die Diskussion um die Delegation nicht-ärztlicher Leistungen stellt sicherlich kein Novum dar. Bereits im Jahre 2007 positionierte sich die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie wie auch der Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC) zu diesem Thema und auch in den nachfolgenden Jahren sind immer wieder Fragen zu diesem Themenkomplex wie „Megatrend oder Megairrweg?“ bzw. „Problem oder Perspektive?“ gestellt worden. Gleichzeitig wurde aber auch ganz klar die Forderung ausgesprochen: Die Ärzteschaft selbst muss klar definieren, wer, wen, wie, wann und wo behandeln kann und darf. Basierend auf dem Gesetz zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung aus dem Jahr 1939 muss dabei klar zwischen der Delegation und Substitution unterschieden werden. Bei der Delegation werden bestimmte Tätigkeitsbereiche oder Einzelaufgaben an ärztliche bzw. nicht-ärztliche Mitarbeiter zur selbständigen Erledigung übertragen, dieses abhängig vom beruflichen Bildungsstand, den jeweiligen Fähigkeiten und Erfahrungen. Besonders hervorzuheben ist dabei, dass der Arzt stets die ärztliche und juristische Verantwortung für die sach- und fachgerechte Durchführung der delegierten ärztlichen Leistung behält. Bei der Substitution, d. h. dem Ersetzen des Arztes durch nicht-ärztliche Mitarbeiter bei Durchführung von Leistungen, bei denen es sich um eine selbständige Ausübung von Heilkunde handelt, geht die ärztliche und juristische Verantwortung vom Arzt auf den nicht-ärztlichen Mitarbeiter über.

Zur Diskussion steht hier ausschließlich die Delegation von ärztlichen Leistungen. Die Ursachen für eine interdisziplinäre und -professionelle Aufgabenteilung sind zahlreich. So hat sich die ärztliche Profession durch vielfältige Fortschritte und Innovationen in der Medizin, speziell auch in der Chirurgie, in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Dabei sind vor allem auch Strukturveränderungen bei der ärztlichen Versorgung zu beachten, z. B. sind bis zum Jahr 2020 32 bis 55 Prozent der jetzt klinisch aktiven Chirurgen in den Ruhestand getreten. Zudem besteht ein generell zu verzeichnender Mangel im Bereich des ärztlichen Nachwuchses sowie beim Pflegepersonal. In den letzten Jahren geben dabei auch der ökonomische Druck sowie arztfremde Tätigkeiten und die teilweise ausufernde Bürokratie verstärkt die chirurgischen Tätigkeiten vor. Bei Differenzierung und Spezialisierung in den verschiedenen Sektoren der Medizin und Pflege, gefördert auch durch gesundheitspolitische Tendenzen und unterschiedliche Interessengruppen, vor allem im Bereich der Pflege, resultieren in der Entwicklung immer neue ärztliche und nicht-ärztliche Berufsbilder.

Die Chancen der Delegation ärztlicher Aufgaben sind in einem ökonomischen Effekt zu sehen, resultierend in einer möglich höheren Arbeitszufriedenheit bei weiterer Professionalisierung des ärztlichen Berufes. Gleichzeitig resultiert die Delegation ärztlicher Aufgaben auch als Antwort auf den entsprechenden Nachwuchs- bzw. Ärztemangel. Die Nachteile bzw. Risiken ergeben sich in der Befürchtung um mangelnde Qualitätsgarantien, d. h. um einen resultierenden Qualitätsverlust. Ferner könnte sich auch eine Deprofessionalisierung des Arztberufes durch sogenannte „Halbärzte“ ergeben, diese bei zudem noch nicht klar definierten Berufsbildern. Zweifelsfrei ist auch eine Reihe rechtlicher Fragen nicht geklärt, so u. a. auch die immer wieder geforderte Gewährung des sogenannten Facharztstandards, die Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung bzw. ausreichender Versicherungsschutz.

Auch wenn in den USA und in anderen westlichen Ländern positive Erfahrungen zum Einsatz eines „Physician Assistant“ vorliegen, so bzgl. der Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit oder einer Verbesserung der Arbeitsmoral, zeigte eine Umfrage des BDC unter Assistenzpersonal bei mehr als 1.200 Befragten aus dem Jahre 2010, dass die Kompensation des Ärztemangels nur in 29 Prozent durch die Ausführung ärztlicher Leistungen durch Assistenzpersonal zu realisieren sei. Sehr viel häufiger wurde von 92 bzw. 91 Prozent der Befragten angegeben, dass eine Entlastung von nicht ärztlichen Tätigkeiten bzw. Reduktion von bürokratischen und Dokumentationszwängen sehr viel effektiver seien. Dieses drückt sich dann auch in der Beantwortung der Frage aus, in welchen Bereichen die Delegation an einen Chirurgisch-Technischen Assistenten erfolgen sollte: Von 60 Prozent der Befragten wurde die Meinung geäußert, dass dieses vor allem im Bereich der Dokumentation sinnvoll sei, nur von 18 Prozent bei Arbeiten am Patienten, wie Erheben der Anamnese, Grunduntersuchung, Blutentnahme oder Verbandswechsel. Lediglich in 12 Prozent der Befragten wurde eine Delegation bei Arbeiten im OP für sinnvoll erachtet.

Bei etwaigen Tätigkeiten des Chirurgisch-Technischen Assistenten im Operationssaal wurde am häufigsten mit 50 bis über 60 Prozent angegeben, dass durch den Assistenten das Lagern und Abdecken des Patienten erfolgen sollte, zudem die Operationskoordination und Betreuung der operativen Maßnahmen während der Operation. Eine Operationsassistenz wurde aber auch in 56 Prozent für realistisch gehalten, während die selbständige operative Tätigkeit klar abgelehnt wurde. Bzgl. der Tätigkeiten des chirurgisch-technischen Assistenzpersonals in anderen klinischen Bereichen wurden von 90 Prozent der Befragten Blutentnahmen und die Anlage von venösen Zugängen für realistisch gehalten. In 88 Prozent wurde die Dokumentation und Codierung im OP und auf den Stationen im perioperativen Verlauf für sinnvoll angesehen. In jeweils 65 Prozent sollten Verbandswechsel und Wundkontrollen bzw. Aufnahme- und Entlassungsmanagement durch das Assistenzpersonal vorgenommen werden. Das Erheben von Untersuchungsbefunden, auch der Einsatz von operativen Untersuchungen, wurde nur in 5 bzw. 11 Prozent der Fälle für adäquat angesehen.

Die postulierten Vorteile bei der Delegation ärztlicher Aufgaben in der Chirurgie für Ärzte in Weiterbildung werden vor allem in einer Vermeidung zeitraubender Bindung an den OP-Tisch ohne Bezug zur Weiterbildung gesehen. Somit könnte sich der angehende Facharzt gezielt auf die Operationen konzentrieren, die er für seine Weiterbildung noch benötigt. Zudem können Freiräume für ärztliche Tätigkeiten außerhalb der Operationsabteilung geschaffen werden, die sich aber sicherlich nicht in der Erledigung nicht-ärztlicher Tätigkeiten oder bürokratischer Aufgaben niederschlagen sollten. Damit wäre dann letztendlich auch eine Vermeidung von Überstunden in der regulären Arbeitszeit möglich, wobei auch eine Intensivierung der Arzt-Patienten-Beziehung durch längere Verfügbarkeit im nichtoperativen Bereich gegeben wäre.

Im klinischen Alltag, wiederum belegt durch die Umfrage des BDC, zeigt sich bzgl. der Frage einer möglicherweise negativen Beeinflussung der chirurgischen Weiterbildung, dass nur auf Chef- oder Oberarztebene ein negativer Einfluss mit 50 bzw. 35 Prozent verneint wird. Sehr viel skeptischer ist allerdings die Einstellung von Assistenten mit Facharztstatus bzw. Assistenten in Weiterbildung. Von diesen ärztlichen Mitarbeitern wird von knapp 50 bzw. 60 Prozent angegeben, dass durch den Einsatz der Chirurgisch-Technischen Assistenten im Operationsbetrieb die Weiterbildung eindeutig negativ beeinflusst wird. Diese Einschätzung wird auch indirekt durch eine Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts bei 160 Chirurgisch-Technischen Assistenten bestätigt. Bei Selbsteinschätzung zur Akzeptanz bei anderen Berufsgruppen wird diese bei Chef- und Oberärzten mit „gut“ bzw. „sehr gut“ angegeben. Schlechter ist allerdings die Akzeptanz bei Assistenzärzten in Weiterbildung sowie auch bei dem sonstigen OP-Personal eingestuft.

Nach den Ergebnissen dieser Umfrage wird deutlich, dass ein Plädoyer für die Delegation im positiven Sinne möglich ist, allerdings müssen Fehlentwicklungen vermieden werden, indem alle geforderten chirurgischen Fachgesellschaften ihre Kompetenz nutzen und eigene Konzepte entwickeln, so im Bereich der Herz- oder Gefäßchirurgie sowie auch der Unfallchirurgie und Orthopädie. Wir müssen uns aber darüber im klaren sein, dass wir als klinisch tätige Mediziner im Gesundheitssystem in der Minderheit sind. Uns stehen die Interessen von Berufsverbänden der medizinischen Fachberufe eindrücklich gegenüber. Erwähnenswert ist dabei auch, dass in den USA im Jahre 2011 die nicht-ärztlichen Gesundheitsfachberufe unter solchen mit den 50 besten Berufskarrieren eingestuft worden sind. Es ist allerdings festzuhalten, dass die Gesamtverantwortung für den Patienten stets beim Arzt bleiben muss, eine neue Ära von sogenannten „Wundärzten“ ist sicherlich nicht anzustreben.

Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dies auch aus Sicht der DGCH, dass die teure ärztliche Arbeit und der sich abzeichnende Ärztemangel vermehrt zur Delegation ärztlicher Tätigkeiten an nicht-ärztliche Berufsgruppen, so dem Chirurgisch-Technischen Assistenten, führen wird. Die Risiken sind in einer Deprofessionalisierung des ärztlichen Berufes mit möglichen Qualitätsverlusten zu sehen, wobei auch viele Rechtsfragen zu klären sind. Auch bei teilweise positiven Erfahrungen in den verschiedenen Fachgebieten mit dem Einsatz eines Chirurgisch-Technischen Assistenten befürchten die Assistenzärzte, wie eine aktuelle Umfrage bestätigt, eine Konkurrenz in der operativen Tätigkeit. Zu berücksichtigen ist dabei zudem, dass die postulierten Vorteile für die Ärzte in Weiterbildung letztendlich dann auch in einem konsekutiven Abbau der ärztlichen Stellen enden können. Neben den Tätigkeiten im Operationssaal sollten von den Chirurgisch-Technischen Assistenten auch nichtoperative Aufgaben in anderen klinischen Bereichen wahrgenommen werden. Im Gegensatz zu der Meinung anderer Interessengruppen, vor allem bei den medizinischen Fachberufen, halte ich persönlich eine Akademisierung der Ausbildung für nicht angezeigt und sinnvoll.

Meyer H.-J. Chirurgisch-Technische Assistenz: Sichtweise der DGCH. Passion Chirurgie. 2013 August, 3(08): Artikel 02_08.