Alle Artikel von Ralph Lorenz

Arbeitsplatz Entwicklungsland: Albert Schweitzers next generation

Vor genau 100 Jahren gründete Albert Schweitzer sein Urwaldhospital in Lambarene in Gabun – ein wunderbarer aktueller Anlass über einen Arbeitsplatz in Entwicklungsländern nachzudenken.

Viel mehr chirurgische Kollegen als Sie glauben leisten bereits heute einen persönlichen aktiven Beitrag, um das globale Ungleichgewicht wenigstens minimal auszugleichen. Jede Einzelaktion ist einerseits zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aus dem mit Ihrer persönlichen Hilfe jedoch ein Strom entstehen kann.

Insbesondere auch nach Beendigung der aktiven Chirurgenlaufbahn ist ein Einsatz im Ausland eine hervorragende Möglichkeit, die lebenslang gesammelten beruflichen Erfahrungen auch an jüngere Kollegen weiterzugeben. Während Sie diesen Artikel lesen, bereitet sich beispielsweise ein im Ruhestand befindlicher niedergelassener Chirurg aus Berlin auf seinen dreimonatigen Einsatz in Malawi vor. Er wird dort das Team eines Versorgungskrankenhauses unterstützen und zusätzlich jüngere Kollegen ausbilden.

OEBPS/images/02_05_A_02_2013_Entwicklung_image_01.jpgAbb. 1: Operationsteam und Patienten vor Ort

In diesem Artikel will ich Ihnen nicht nur einen Überblick über die Möglichkeiten der humanitären Hilfe geben, sondern auch über die Bedingungen, Fallstricke und das Arbeitsumfeld für Chirurgen in Entwicklungsländern berichten. Lesen Sie im Folgenden die häufigsten Fragen zum Thema „Arbeitsplatz Entwicklungsland“.

Welche Anforderungen sollte ein Chirurg für diesen Arbeitsplatz in Entwicklungsländern erfüllen?

Sicher sollte ein Chirurg Entdeckerfreude, Zielstrebigkeit, Improvisationstalent, Anpassungsfähigkeit und eine gewisse Furchtlosigkeit für einen Arbeitsplatz in Entwicklungsländern mitbringen. Bereits Albert Schweitzer musste für seine Vision der Gründung eines Missionskrankenhauses in Gabun Beharrlichkeit beweisen. So soll er erst nach längerer Zeit aufgrund einer Sondergenehmigung zum Medizinstudium zugelassen worden sein, da er zu diesem Zeitpunkt bereits als Dozent für Theologie an der Universität Strassburg tätig war. Eine breite Kenntnis auf dem Gebiet der Allgemein- und Unfallchirurgie ist generell von Vorteil. Da der häufigste operative Eingriff z. B. in Afrika der Kaiserschnitt ist, ist es sicher sinnvoll, sich ein paar gynäkologische Grundkenntnisse auch über geburtshilfliche Notfälle anzueignen. Durchaus kontrovers kann man die von einigen Hilfsorganisationen empfohlene Zusatzausbildung Public Health beurteilen. Für die eigentliche medizinische Arbeit vor Ort ist sie meines Erachtens nicht nötig.

Notwendig sind in jedem Falle englische und/oder französische Sprachkenntnisse. Auch sind vorherige Urlaubsreisen in Entwicklungsländer von Vorteil, um Infrastruktur, Menschen und Kultur besser zu begreifen.

Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen existieren heutzutage. Es gibt NGO (non-governmental organisations), die vorwiegend in Krisengebieten agieren (z. B. Ärzte ohne Grenzen). Hier ist vorwiegend der breit ausgebildete Allround-Chirurg gefragt.

Es gibt aber auch die Möglichkeit, sich einer fachspezialisierten internationalen Hilfsorganisation wie zum Beispiel Operationhernia (siehe Link am Ende des Artikels) anzuschließen. Hier wird der erfahrene Hernienchirurg solche Patienten operieren, mit denen er auch im eigenen Lande die größte Erfahrung hat. Prof. Andrew Kingsnorth und Chris Oppong aus Plymouth in England begründeten diese Organisation in Jahre 2006. Begann man damals nur mit humanitären Einsätzen in Ghana sind zwischenzeitlich zahlreiche internationale Teams auch für kürzere ein- bis zweiwöchige Missionen in vielen Entwicklungsländern vor allem Afrikas, aber auch in Asien und Südamerika engagiert.

Darüber hinaus gibt es zahlreiche kirchliche Organisationen (z. B.: Brot für die Welt, Evangelischer Entwicklungsdienst (EED), Bischöfliches Hilfswerk Misereor) und zahlreiche Stiftungen (z. B. Alexander von Humboldt- Stiftung, Heinrich Böll-Stiftung, Friedrich Ebert-Stiftung, Konrad Adenauer-Stiftung), die entsprechende Kontakte vermitteln.

Warum sollte ich gerade in ein Entwicklungsland gehen?

Der Mangel an Ärzten in Entwicklungsländern ist bereits jetzt enorm. Die UNESCO beziffert heute 57 Länder mit kritischer Unterversorgung im Gesundheitswesen. Von diesen befinden sich 37 in Afrika [1].

OEBPS/images/02_05_A_02_2013_Entwicklung_image_02.jpgAbb. 2: Europäisches und afrikanisches OP-Personal bei der Arbeit

Die Gesundheitsversorgung wird sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten jedoch keinesfalls verbessern. Diese wird sich durch das sogenannte brain drain (Abwanderung von Akademikern aus den Entwicklungsländern in hochentwickelte Industrieländer) und die weitere Bevölkerungsexplosion in den Entwicklungsländern sogar noch weiter dramatisch verschlechtern.

Wie ist die ärztliche Versorgung in den Krankenhäusern der Entwicklungsländer?

Es gibt erhebliche Unterschiede in den einzelnen Entwicklungsländern und zusätzlich regional. Auch wenn die Spanne weit reicht, ist sie generell mit einer europäischen medizinischen Versorgung (siehe Tab. 1) nicht zu vergleichen.

Tab. 1: Auszug aus World Health Statistics 2012 – Ausgewählte Länder [2]

Land Bevölkerung in Mio. Einwohner Ärzte Anzahl absolut Ärzte/10.000 Einwohner Kranken-schwestern Anzahl absolut Kranken-schwestern/ 10.000 Einwohner
Deutschland 82,3 297.835 36,0 918.000 111,0
Nigeria 158,4 55.376 4,0 224.943 16,1
Ghana 24,4 2033 0,9 24.974 10,4
Malawi 14,9 257 0,2 3896 2,8
Ruanda 10,6 221 0,2 4050 4,5
Liberia 4,0 51 0,1 978 2,7

In den meisten Krankenhäusern z. B. in Westafrika gibt es lediglich einen einzigen praktischen Arzt, der das gesamte Krankenhaus betreut und leitet. Dieser ist dann gleichermaßen für die Behandlung aller häufigen Infektionskrankheiten wie Malaria und Tuberkulose, für die Versorgung von Notfällen und Unfällen, für die Durchführung von Operationen z. B. Appendektomien und Herniotomien, aber auch für Entbindungen und Kaiserschnitte zuständig. Krankenschwestern übernehmen hier recht häufig auch ärztliche Tätigkeiten, die in unserem Gesundheitssystem völlig undenkbar wären. Urlaubs- oder Vertretungsregelungen entfallen. So kann es schon mal vorkommen (wie selbst in Ghana erlebt), dass eine frisch examinierte Anästhesieschwester ohne jegliche Berufserfahrung für die Durchführung einer Narkose alleinig zuständig ist. Entgegen so mancher Vorurteile habe ich sehr oft ein hochmotiviertes und engagiertes medizinisches Personal erleben dürfen.

Welche Patienten erwarten mich in Entwicklungsländern?

Sie sollten Patienten mit oftmals sehr ausgeprägten Krankheitsbildern erwarten, welche meist über Jahre bisher medizinisch unversorgt blieben. Die Leidensfähigkeit und Geduld der Patienten beeindruckt fast ebenso wie die unglaubliche und emotional berührende Dankbarkeit nach erfolgter Therapie. Es gibt darüber hinaus zahlreiche Erkrankungen, die unseren Breiten völlig unbekannt sind. Andere bei uns häufige Erkrankungen spielen im Gegenzug in Entwicklungsländern kaum eine oder gar keine Rolle. Auf die Infektionswege und Ansteckungsmöglichkeiten sollte man stets achten. In vielen allerdings nicht in allen Hospitälern wird vor einer geplanten Operation ein Hepatitis- und/oder HIV-Test des zu operierenden Patienten obligat durchgeführt. Die Verwendung von doppelten Handschuhen und eines Augenschutzes helfen zusätzlich für die eigene Sicherheit während der Operationen.

Die Patientenakquise für einen kurzzeitigen humanitären Einsatz sollte vorab rechtzeitig in Zusammenarbeit mit der entsprechenden Hilfsorganisation geplant werden. Meist werden die potentiellen Patienten über die regionalen Medien, wie Rundfunk und Zeitungen, informiert.

Welche Arbeitsbedingungen erwarten mich in den Krankenhäusern?

Die technische und apparative Ausstattung der Krankenhäuser ist von Land zu Land verschieden und auch regional sehr unterschiedlich, meist jedoch auf niedrigem Niveau. Die extremsten Unterschiede erlebte ich persönlich im Jahre 2010 auf Mauritius, wo sehr einfach ausgestattete staatliche Kliniken direkt neben, von zumeist indischen Investoren, bestausgestatteten Privatkliniken existierten.

OEBPS/images/02_05_A_02_2013_Entwicklung_image_03.jpgAbb. 3: Ein Op-Team bei der Arbeit vor Ort

Meist sind die Kliniken in der Dritten Welt auf ausrangierte Geräte und Spenden aus den Industrieländern angewiesen. Stromausfälle und fehlende Notstromversorgung erschweren die Arbeitsbedingungen zum Teil erheblich. Es macht dennoch insgesamt durchaus viel Spaß, Medizin unter einfachen Bedingungen zu machen. Die Vorstellungen von Arbeitszeiten, Termineinhaltungen und Zuverlässigkeit sind kulturell unterschiedlich. Hier sollten Sensibilität und Kompromissbereitschaft aber auch Disziplin sich ergänzen und zielführend wirken.

Was wird in den Krankenhäusern der Entwicklungsländer benötigt?

Wir versuchen bei jedem geplanten humanitären Einsatz viele Dinge möglichst zum dortigen Verbleib mitzunehmen. Dazu ist es immer notwendig, in dem jeweiligen Krankenhaus anzufragen, was ggf. vorhanden und was benötigt wird. Für chirurgische Einsätze zählen hierzu Monitore, Elektrokautergeräte, einfache Autoklaven, chirurgische Instrumente, resterilisierbare OP- Abdeckungen und -kittel und natürlich sämtliche Verbrauchsmaterialien. So manches bestens funktionierendes allerdings in der deutschen Klinik durch ein neueres und besseres High-Tech-Gerät ersetztes findet so ein neues Zuhause. Hier kann der Kontakt zu den Medizinprodukteherstellern oft überraschende Spenden generieren. Damit jedoch das gespendete Gerät nicht wie so oft in irgendwelchen Abstellkammern afrikanischer Krankenhäuser verstaubt, sollten wirklich nur benötigte Geräte mitgeführt werden und ggf. auch Ersatzteile mitgenommen werden. Ansonsten könnte so manch gut gemeinte Gabe die Wirkung verfehlen oder gar gefährlich für das medizinische Personal oder Patienten werden [3].

OEBPS/images/02_05_A_02_2013_Entwicklung_image_04.jpgAbb. 4: Europäische und afrikanische Ärztinnen im OP

Versuchen Sie darüber hinaus immer auch Kontakt zu Ihrer Fluggesellschaft aufzunehmen, um für das zu planende Übergepäck ggf. Sonderkonditionen zu verhandeln. Damit alles auch am rechten Ort ankommt scheint es immer sinnvoll zu sein, das gesamte Equipment mit dem eigenen Transport mitzuführen.

Welche bürokratischen Hürden gibt es zu beachten?

Über die entsprechende Hilfsorganisation sollten vorab Kontakte zu den entsprechenden Krankenhäusern bzw. regionalen Gesundheitsbehörden hergestellt werden, um eine Arbeitserlaubnis für alle Teammitglieder zu beantragen. Dieses offizielle Einladungsschreiben ist für den Visumantrag bzw. für die Einreise nötig. Darüber hinaus sollte für das mitgeführte medizinische Equipment über das zuständige Gesundheitsministerium eine Einfuhrgenehmigung bzw. Zollbescheinigung erwirkt werden. Auch hier helfen im Allgemeinen die Hilfsorganisationen.

Die Planung eines humanitären Einsatzes benötigt viel Zeit, ein Zeitfenster von bis zu sechs Monaten ist sinnvoll, um alles in Ruhe vorbereiten zu können.

Darüber hinaus benötigen Sie für einen solchen humanitären Einsatz natürlich finanzielle Mittel. Viele internationale Organisationen haben ihren Sitz nicht unbedingt in Deutschland, sodass diese für ggf. eingehende Spendengelder keine Spendenbescheinigung ausstellen können. Große Hilfsorganisationen haben darüber hinaus einen nicht geringen Verwaltungs- und Werbeaufwand.

Wir haben aus diesem Grund 2011 einen steuerbegünstigten, nicht eingetragenen Verein CHIRURGEN für Afrika gegründet, damit den Sponsoren garantiert werden kann, dass die Spendengelder fast ausschließlich für die Projektarbeit verwendet werden und darüber hinaus auch eine entsprechende Bescheinigung für das Finanzamt ausgestellt werden kann.

Vor der Abreise sollten Sie sich natürlich auch über empfohlene Impfungen informieren und Ihren Versicherungsschutz (z. B. Krankenversicherung, Rücktransportversicherung) prüfen.

Sind Sie dann schließlich mit ihrem Team und ihrem Material am Einsatzort angekommen werden Sie überrascht sein, dass man auch mit wenig Bürokratie gute Medizin machen kann. Sie werden sicher auch im eigenen Interesse ein OP-Buch führen. Weitere Formalitäten bestehen jedoch im Allgemeinen nicht. Das heißt, Sie müssen weder akribisch Patientenakten führen, OP-Einwilligungen ausführlich dokumentieren, OP-Berichte oder Entlassungsberichte schreiben, geschweige denn die in deutschen Krankenhäusern und Praxen allgegenwärtigen Versicherungsanfragen beantworten.

Sie werden nach einem solchen humanitären Auslandseinsatz stets geistig und emotional bereichert und vielleicht auch geerdet zurückkehren.

Habe ich Ihr Interesse für eine solche andersartige Erfahrung geweckt?

Literatur

[1] Policies and practices of countries that are experiencing a crisis in human resources for health: tracking survey Human Resources for Health Observer – Issue No. 6, December 2010 , WHO, http://www.who.int/hrh/resources/observer6/en/index.html

[2] World Health Statistics 2012, http://www.who.int/healthinfo 2012,

[3] Schäfer S. Medizinische Spenden können Armen schaden in Spiegel online 02.08.2012 http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/medizinische-geraete-zu-spenden-ist-als-entwicklungshilfe-ungeeignet-a-847181.html

Weiterführende Informationen
Praxishomepage 3CHIRURGEN
Verein Chirurgen für Afrika
Internationalen Hilfsorganisation Operationhernia

Lorenz R. Arbeitsplatz Entwicklungsland: Albert Schweitzers next generation. Passion Chirurgie. 2013 Februar; 3(02): Artikel 02_05.

Editorial: „Sport ist ….“

Wer kennt nicht die Fortsetzung des obigen Spruches als Legitimation der körperlichen Inaktivität. Andererseits fördern Bewegung und sportliche Betätigung die Gesundheit und die Sozialisation des Menschen. Sport ist wichtiger Teil unserer heutigen Gesellschaft, aber auch der Unterhaltungskultur.

„Sport trägt zum Zusammenhalt der Gesellschaft bei, sät aber auch Zwietracht. Sport fördert die Völkerverständigung, ist aber auch für Nationalismus anfällig. Sport hält zur Fairness an, wird aber auch Anknüpfungspunkt für Gewalt. Sport leistet einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsvorsorge, er ist aber auch Quelle großer gesundheitlicher Schäden und ihrer sozialen Folgekosten.“

Dieter Grimm: Gold-Medaillen genügen. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29. Januar 2007, S. 35

In unserer aktuellen Ausgabe von Passion Chirurgie widmen wir uns weniger den gesellschaftlichen als vielmehr den chirurgischen Problemen beim Sport. Sowohl Unfallchirurgen/Orthopäden als auch Allgemein- und Viszeralchirurgen beschäftigen sich mit Sportverletzungen. In Deutschland werden sportmedizinische Fragestellungen jedoch nicht nur von Chirurgen und Orthopäden behandelt. Vielmehr wird die Sportmedizin im Rahmen einer fachübergreifenden ärztlichen Zusatz-Weiterbildung vermittelt und von verschiedenen Fachdisziplinen ausgeführt. Vor der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten gab es in der DDR sogar einen eigenständigen Facharzt für Sportmedizin mit vierjähriger Weiterbildungszeit.

Es gibt zahlreiche sportartspezifische Verletzungen. Dabei spielen neben akuten Verletzungen auch chronische Überlastungsschäden eine zunehmende Rolle – betroffen sind sowohl Breiten- als auch Leistungssportler. Hinzu kommen auch die in der jüngeren Vergangenheit entstandenen Extrem- und Funsportarten, die sich von den traditionellen Sportarten teilweise deutlich unterscheiden. Sportverletzungen gibt es sowohl im Mannschaftssport (zum Beispiel bei den Ballsportarten) als auch im Individualsport.

In unserem Heft geht es weniger um einen sportmedizinischen Gesamtüberblick, sondern vielmehr um einzelne Beispiele aus der Sportmedizin und ihren typischen Problemen. Die unterschiedlichen Sichtweisen der Autoren sollen die Vielfalt des Herangehens demonstrieren. Die Beiträge werden durch themenspezifische Fallbeispiele ergänzt, welche die Probleme für Sie plastisch erlebbar und dadurch leichter nachvollziehbar machen.

Die exakte Diagnostik der Sportverletzungen spielt eine entscheidende Rolle für den Erfolg der nachfolgenden Behandlung. Die Therapie der Sportverletzungen erfordert darüber hinaus immer ein gutes Zusammenspiel verschiedener Fachdisziplinen, einschließlich der Physiotherapeuten und Trainer. Oft sind auf den betroffenen Sportler individuell zugeschnittene Lösungen der Schlüssel zum Erfolg.

Die Sportlerleiste steht nur als eines der vielen möglichen Beispiele für die Komplexität von Sportverletzungen. Die fehlende exakte Begriffsdefinition ist nicht das einzige Problem. Maßgeblich stellt die Differentialdiagnose die entscheidenden Weichen für eine differenzierte und maßgeschneiderte Behandlung. Leitlinien zur Behandlung fehlen jedoch bis heute ebenso wie große Studien mit hoher Evidenz.

Eine in unseren Breiten wenig verbreitete Sportart, das in Großbritannien populäre Polo-Spiel wollen wir Ihnen in einem weiteren Artikel sportlich und medizinisch näher bringen.

Darüber hinaus werden typische sportbedingte knöcherne und Bandverletzungen des Schulter-, Ellenbogen- und Sprunggelenks mit deren Behandlungen übersichtsartig vorgestellt. Hier kommen zahlreiche innovative, sowohl konservative wie operative Behandlungskonzepte zum Einsatz, die eine schnellere Rückkehr zum Sport ermöglichen.

Das vorliegende Heft möchte Sie für eine differenzierte Betrachtung der Sportverletzungen sensibilisieren und zur gemeinsamen Diskussion anregen. Die Autoren freuen sich auf Ihre Kommentare und Meinungen!

Ihr Ralph Lorenz

Lorenz R. Sport ist… Passion Chirurgie. 2012 Mai; 2(05): Artikel 01.

Hernienchirurgische Weiterbildung auf dem Prüfstand

Bericht über den ersten Fortbildungskurs Hernie kompakt 25.-27. Januar 2011 und die 5. Berliner Hernientage 28.-29. Januar 2011

Gibt es eine Notwendigkeit zur Schaffung eines zusätzlichen Kompaktkurses für Hernienchirurgie? Die Antwort liegt in der derzeit immer komplexeren Behandlung der Hernien. Nicht nur eine Vielzahl an OP Techniken stehen heutzutage dem Hernienchirurgen zur Auswahl. sondern auch zahlreiche Netzmaterialien und Fixierungsmöglichkeiten. Es gibt keine eindeutigen Standards und nur grobe Leitlinien, die für viele Weiterbildungsassistenten oft unübersichtlich erscheinen. Laura Hampe, Assistenzärztin für Chirurgie im Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe Berlin konstatierte in ihrem Vortrag anlässlich der 5. Berliner Hernientage, dass man zwar im Laufe der chirurgischen Weiterbildung eine Systematik in diese vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten erhalte, die Ausbildung sei jedoch immer von den in der Weiterbildungsklinik bestehenden Lehrmeinungen abhängig. Nur selten bestehe ein breit gefächertes Spektrum der Therapiemöglichkeiten.

Auch die Umfrageergebnisse bei den Teilnehmern von Hernie kompakt und der Berliner Hernientage kommen zu dem Schluss, dass die Qualität der Ausbildung derzeit noch unzureichend ist.

Die TED-Umfragewerte unter den fast 400 Teilnehmern der 5. Berliner Hernientage 2011 ergeben ein eindeutiges Bild:

Der enorme ökonomische Druck in den Kliniken führt darüber hinaus zu einer vermehrten Übernahme der Hernienoperationen durch erfahrene Chef- und Oberärzte, deren OP-Zeiten deutlich unter denen der Assistenzärzte liegen. Klassische Anfängeroperationen verschwinden zunehmend aus dem Klinikalltag. Entweder werden diese Eingriffe ambulant im niedergelassenen Sektor operiert oder die Eingriffe werden aufgrund des medizinischen Fortschrittes immer komplexer und diffiziler. De facto findet jedoch im niedergelassenen Sektor aufgrund der fehlenden finanziellen Förderung keine chirurgische Weiterbildung statt.

Es existieren daneben keine einheitlichen Weiterbildungsstandards entsprechend der Ausbildungsjahre. Die Teilnehmer des Kompaktkurses forderte n eine regelmäßige Qualitätssicherung nicht nur der Kliniken und Operationen sondern auch der Weiterbildung, ggf. auch mit Entzug der Weiterbildungsermächtigung bei unzureichender Ausbildung.

Die Schaffung neuer Konzepte in der chirurgischen Weiterbildung ist vor diesem Hintergrund eine dringende Aufgabe zur Sicherung der Zukunft der Chirurgie.

Dr. Stechemesser, Dr. Lorenz (Foto: A. Böhmig)

Dr. Reinpold, Dr. Lorenz (Foto: A. Böhmig)

Der erste dreitägige Weiterbildungskurs Hernie kompakt, der eine neue Struktur der Weiterbildung erstmalig umgesetzt hat, fand vom 25.01. bis zum 27.01.2011 in Berlin statt. Bereits Mitte Dezember war dieser Kurs mit 50 Teilnehmern aus allen Teilen Deutschlands und Österreichs vollständig ausgebucht. Zielgruppe waren sowohl Assistenzärzte in chirurgischer Weiterbildung als auch Fachärzte für Chirurgie, die ein grundlegendes Update der Hernienchirurgie erhalten wollten. Ziel war es, die Vielfalt der Möglichkeiten systematisch aufzuarbeiten und einen Blick über den „Tellerrand“ zu ermöglichen.

Der Kompaktkurs bestand aus 3 Teilen:

Tag 1
Anatomie
Tag 2
OP- Hospitation
Tag 3
Theorie
– Vortrag Anatomie
– Praktische Übungen an Präparaten
– Operationen an Leichen unter chirurgischer Anleitung
– Kurzpräsentation über alle wichtigen Techniken
– Quiz
9 beteiligte Kliniken und Praxen
13 OP-Säle
– Kleingruppen mit 4 Teilnehmern je OP-Saal
– Fokus Vielfalt der Möglichkeiten
Themen:
– Fehlermanagement
– Qualitätssicherung
– Hernienregister
– Materialien
– Übersicht Leistenhernie
– Übersicht primäre/sekundäre Ventralhernie
– Schmerz
– Ambulant/stationäre Versorgung

Am ersten Tag wurde mit einer anatomischen Vorlesung begonnen um danach diese Anatomie an ausgesuchten Präparaten entsprechend praktisch zu demonstrieren. Am Nachmittag wurde in Kleingruppen an Leichen unter chirurgischer Anleitung operiert, die zusätzlich von kurzen Präsentationen zu den wichtigsten Operationstechniken begleitet wurden. Abgerundet wurde dieser erste Tag durch ein Quiz zur Anatomie der Leiste und zu allgemeinen Fragen der Hernienchirurgie.

Am zweiten Tag wurden die Teilnehmer je nach Wunsch in einzelne Hospitationszentren in Berlin aufgeteilt. 9 Kliniken und Praxen mit insgesamt 13 OP-Sälen waren daran beteiligt. Somit war garantiert, dass jeder Teilnehmer Hands-on an mehreren Operationen assistieren konnte. Sowohl Kliniken als auch Kooperationsmodelle zwischen Klinik und Praxis und chirurgische Praxen waren an diesen Hospitationen beteiligt. Somit wurde auch eine große Vielfalt an Behandlungsoptionen garantiert.

Der dritte Tag wurde mit Präsentationen über verschiedene Themen der Zeit ergänzt. Dabei standen neben Fachthemen auch politische Themen und sogenannte Soft-skills auf dem Programm. Anschließend wurde viel Raum einer breiten Diskussion gegeben um die Erfahrungen der drei Tage auszutauschen.

Alle Teilnehmer erhielten ein ausführliches Script zu allen derzeit vorhandenen Operationstechniken mit kurzer Historie, OP-Anleitung und derzeitiger Studienlage. Dieses Skript liest sich wie ein „Nachschlagwerk der Hernienchirurgie“.

Das Feedback der Teilnehmer war überaus positiv:

Die Deutsche Herniengesellschaft signalisierte im Rahmen der 5. Berliner Hernientage diese Form von Weiterbildungsangebot künftig zu fördern und zu unterstützen.

Weiterbildungskonzepte bei unseren europäischen Nachbarn

Prof. Andrew Kingsnorth aus Plymouth, Präsident der European Hernia Society, zeigte im Rahmen seiner Präsentation bei den 5. Berliner Hernientagen ein britisches Modell zur Ausbildung in der Hernienchirurgie. Kernpunkt ist dabei eine strenge Systematik mit zusätzlicher Einteilung der Patienten in Schweregrade. Dabei gibt es 42 technische Schritte einer Leistenhernien-Operation und insgesamt 8 Schweregrade von Patienten je nach Ausmaß der Hernie und Dicke des Unterhautfettgewebes. Im 1. bis 3. Weiterbildungsjahr wird demnach die offene Hernienchirurgie erlernt und im 4. und 5. Weiterbildungsjahr werden die laparoskopischen Techniken vermittelt. Entscheidend sei eine kontinuierliche persönliche Supervision und eine stufenweise Ausbildung.

Prof. Marc Miserez aus Leuven ( Belgien), gleichzeitig Tagungspräsident des EHS-Kongresses 2011 im Juni 2011 in Gent, wies in seinem Vortrag darauf hin, dass gerade während der Lernphase Komplikationen häufiger sind, die Operationszeit länger ist und die Rate der Konversionen vom laproskopischen zum offenen Vorgehen höher ist. Auch er favorisiert zur Lösung dieses Problems ein strukturiertes Trainingsprogramm mit einem definierten Stufenmodell. Er empfiehlt jedoch im Gegensatz zu Prof. Kingsnorth mit dem Training der laparoskopischen Techniken bereits frühzeitig, schon während der ersten Weiterbildungsjahre zu beginnen. Eine adäquate Patientenselektion kann die Komplikationsrate während der Lernphase minimieren. Grundsätzlich sollte deshalb die endoskopische Ausbildung am besten mit einer weiblichen Hernie begonnen werden, niemals mit einem Rezidiv, einer Scrotalhernie oder einer rechtsseitigen Hernie nach Appendektomie.

Prof. Kingsnorth, Prof. Miserez, PD Niebuhr (Foto: A. Böhmig)

Neue Weiterbildungskonzepte auch in Deutschland

Prof. Reinhard Bittner aus der EuroMed Klinik Fürth berichtet über seinen mehrjährigen Erfahrungen mit Masterkursen für die laparoskopische Hernienchirugie. Seiner Ansicht nach fehlt es derzeit oft an einem Qualitätsbewusstsein der Chirurgen. Die Masterkurse würden hilfreich sein zur Überprüfung der Technik, zur Aktualisierung des Wissens und für praktische Übungen. Die Ausbildung an sogenannten Hernienmodellen bietet dabei zahlreiche Möglichkeiten für ein systematisches Training einzelner Operationsschritte wie dem operativen Zugang, der Präparation, der Netzeinlage und der Fixierung sowie dem Peritonealverschluss.

Prof. Schumpelick, Laura Hampe, Prof. Bittner (Foto: A. Böhmig)

Über seine Erfahrungen mit der Ausbildung in der mikroinvasiven Hernienchirurgie berichtete PD Henning Niebuhr aus dem Hanse-Hernienzentrum Hamburg. In einer Kostenanalyse zeigt er zusammenfassend, dass Ausbildungseingriffe grundsätzlich deutlich mehr Zeit fordern und deren Finanzierung in der jetzigen Vergütung nicht abgebildet ist.

Herniologen in Deutschland?

Auf die Frage, brauchen wir den Herniologen für die Ausbildung in der Hernienchirurgie, antwortete Prof. Volker Schumpleick in seinem Referat bei den Berliner Hernientagen mit einem klaren „Nein“. Der beste Ausbilder sei nach seiner Ansicht ein Chirurg mit breitbasierter Hernienerfahrung. Er fasste darüber hinaus erstmals 10 Gebote für die Hernienchirurgie zusammen:

DIE 10 GEBOTE DER HERNIENCHIRURGIE 2011

1. KLASSIFIKATION (EHS) IST OBLIGAT

2. STANDARDISIERTE INDIKATION UND VERFAHRENSWAHL

3. OBLIGATE QUALITÄTSKONTROLLE

4. VERBINDLICHES REGISTER

5. TRANSPARENTE AMBULANTE VERSORGUNG

6. AUSBILDUNG OHNE ZU FRÜHE SPEZIALISIERUNG

7. ZERTIFIZIERUNG

8. EBM – BASIERTE OPERATIONSVERFAHREN

9. EBM – BASIERTE NETZPROTHESEN

10. SPEZIALTECHNIKEN DURCH SPEZIALISTEN

Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass die chirurgische Weiterbildung in Deutschland nicht nur auf dem Gebiet der Hernienchirurgie dringend reformiert werden muss um auch langfristig den qualifizierten chirurgischen Nachwuchs zu sichern.

Neben einer eigenständigen Finanzierung oder zumindest finanziellen Unterstützung der chirurgischen Weiterbildung, die insbesondere dem erhöhten Zeitbedarf der Weiterbildung gerecht wird, ist darüber hinaus eine systematische Standardisierung der Ausbildung auch unter Einbeziehung der niedergelassenen Chirurgen im Sinne einer Verbundweiterbildung zu fordern.

Hier sind neben den Ärztekammern auch die Berufsverbände und Fachgesellschaften gefragt gemeinsam Lösungsvorschläge zu erarbeiten.

Zusätzliche Weiterbildungsangebote wie Hernie kompakt ergänzen das derzeitige Angebot sinnvoll, können allerdings eine systematische und standardisierte Weiterbildung in der Chirurgie nicht ersetzen.

Dr. Stechemesser, Prof. Schumpelick, Dr. Lorenz, PD Conze (Foto: A. Böhmig

Saal Berliner Hernientage (Foto: A. Böhmig)

Lorenz R, Stechemesser B, Reinpold W. Hernienchirurgische Weiterbildung auf dem Prüfstand. Passion Chirurgie. 2011 Feb; 1 (2): Artikel 03_02.


Konfliktfeld oder eine Frage der Kommunikation?

Chancen des Konsiliararztmodells

Seit mehreren Jahren hat sich ein neues System in vielen deutschen Krankenhäusern entwickelt – das sogenannte Konsiliararztmodell. Schon die Begriffsbestimmung scheint  problematisch, da ein Konsiliararzt per definitionem ein Arzt ist, der von anderen Ärzten herangezogen wird, um eine weitere Meinung oder einen Rat einzuholen. Er ist eigentlich vertraglich nicht mit dem Patienten verbunden und eine Haftung wird primär ausgeschlossen. Gemeint ist mit dem Begriff Konsiliararzt allerdings heute in der Regel, dass ein niedergelassener Arzt sogenannte Kernleistungen (z. B. Operationen) im Krankenhaus erbringt (siehe auch aktuelles Mustergerichtsurteil  VG Frankfurt vom 09.02.2010 – 5 K 1985/08.F). Im Gegenzug erhält der Konsiliararzt für die Akquiseleistung und die Durchführung der Kernleistung  einen frei(?) verhandelbaren Teil aus dem erwirtschafteten DRG.

Im alltäglichen Sprachgebrauch wird die Tätigkeit des Konsiliararztes oft mit Beleg- und Honorarärzten gleichgesetzt oder gar verwechselt.

Die Initiative zum Abschluss von Konsiliarverträgen geht primär von drei Seiten aus:

  • dem Krankenhausträger,
  • den leitenden Krankenhausärzten,
  • den niedergelassenen Ärzten.

In unserem konkreten Fall ist die Idee einer möglichen sektorenübergreifenden Zusammenarbeit vor 5 Jahren von dem damaligen Chefarzt einer chirurgischen Klinik (Vivantes Klinikum Berlin Spandau) angeregt worden. In der Vorbereitungsphase wurden längst nicht alle Details einer künftigen Zusammenarbeit besprochen. Nachdem die Eckdaten der gemeinsamen Arbeit festgelegt waren, wurden die ersten praktischen Erfahrungen gesammelt  und das seit mittlerweile fünf Jahren mit wachsenden Zahlen und mit wachsender Zufriedenheit für alle Beteiligten  vor allem auch für die Patienten.

Was sind die möglichen Vorteile dieses Systems?

Auch heute ist  vielen Patienten das Krankenhaus zu anonym und in deren Augen ein Massenbetrieb. Der Patient schätzt eine individuelle Behandlung, die im Krankenhaus oft zu kurz kommt und wünscht sich eine Behandlungskontinuität vom Vorgespräch über die Erbringung der Operation bis zur Nachbehandlung. Durch das Konsiliararztmodell ist dies möglich. Es ist als sogenanntes „consulting“-Modell auch international anerkannt und weit verbreitet.

  • Für die Krankenhausträger stehen wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund:
  • Durch Sicherung von Zuweisungen und Fallzahlerhöhungen sind Gewinne zu erzielen.
  • Die vorhandenen eigenen Ressourcen können ggf. optimaler genutzt werden.
  • Darüberhinaus ist die Portfolioerweiterung ein positiver Nebeneffekt.

Für die Krankenhauschirurgen besteht die Chance das bestehende Behandlungsspektrum zu ergänzen und zu erweitern. Durch die Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Chirurgen können Behandlungspfade überarbeitet und optimiert werden. Zusätzlich ist die Erreichung von Mindestmengen zur Schaffung von klinikbezogenen Spezialisierungen oder Zertifizierungen denkbar.

Auch für die niedergelassenen Chirurgen gibt es vielfältige Vorteile:

  • Durch die Einbindung in ein bestehendes Ärzteteam besteht die Möglichkeit des fachlichen Austausches.
  • Daneben stellt die Kooperation mit Kliniken für niedergelassene Chirurgen mit qualitätsorientierter Fachspezialisierung und großen Fallzahlen eine sinnvolle Ergänzung ihres Behandlungsangebotes dar.
  • Bei multimorbiden Patienten, bei denen ambulante Operationen nur eingeschränkt möglich sind, kann der niedergelassene Chirurg eine professionelle Nachbetreuung garantieren und sicherstellen.
  • Entgegen dem allgegenwärtigen Trend erhält der niedergelassene Chirurg erstmals Geldmittel aus dem Krankenhaussektor. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der noch immer bestehenden Kostenunterdeckung des ambulanten Operierens in Deutschland besonders wichtig.

Darüberhinaus bestehen jedoch offensichtlich weitere eher indirekte Vorteile des Konsiliararztmodells:
Die chirurgische Weiterbildung wird heutzutage  immer komplexer und ist oft von einem einzigen Krankenhaus nicht mehr zu gewährleisten.  Teilbereiche der Chirurgie (z. B. Phlebologie, Proktologie, Gastroenterologie und Teile der Hernienchirurgie) sind darüber hinaus bereits teilweise oder gar komplett in den niedergelassenen Sektor abgewandert. Obgleich es nicht wenige niedergelassene Chirurgen mit Weiterbildungsermächtigung für Chirurgie gibt, findet im ambulanten Sektor eine chirurgische Weiterbildung quasi nicht statt. Ein erster Schritt in Richtung einer künftigen Verbundweiterbildung unter Einbeziehung der niedergelassenen Chirurgen könnte durch diese Konsiliartätigkeit  ermöglicht werden.  Mögliche neue Fortbildungskonzepte sind auch bei der von den Autoren beschriebenen konkreten Kooperationsform ein Gesprächsthema.

Durch die bestehenden z. T. rigiden Vertragsstrukturen ist es im ambulanten Sektor nur in Ausnahmefällen möglich sinnvolle medizinische Neuentwicklungen einzusetzen. Stellvertretend seien hier die dopplergestützte Hämorrhoiden-Arterien-Ligatur (HAL) und die Hämorrhoidenstapler-Operation nach LONGO genannt, die im ambulanten Bereich nur über regionale Sonderverträge abrechenbar sind. In unserem konkreten Falle konnte die Kooperation mit dem Vivantes Klinikum eine einfache Lösung schaffen, um diese materialkostenintensiven Spezialbehandlungen einsetzen zu können.

Durch die ambulant-stationäre Kooperation kann die gesetzlich geforderte sektorenübergreifende Qualitätssicherung initiiert und mit Leben erfüllt werden. Als konkretes Beispiel kann auf das von Prof. Köckerling initiierte und neu geschaffene Deutsche Hernienregister „Herniamed“ verwiesen werden.

Nicht zuletzt stellt die Kooperation auch ein Imagegewinn für alle beteiligten Partner dar.

Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Zusammenarbeit sind neben der Bereitschaft sich auf veränderte Hierarchien im Klinikalltag einzulassen,  auch ein hoher Qualitätsanspruch und eine Transparenz der medizinischen Behandlung aller Beteiligten.  Dies dürfte in der deutschen Krankenhauslandschaft mit den gewohnten Chefarztstrukturen eine besondere Herausforderung darstellen. Zwar sind aus unserer Sicht noch zahlreiche noch offene Probleme zu lösen und eine Rechtssicherheit zu schaffen (s. Artikel „Empfehlungen des Landesverbandes Berlin zur Gestaltung von Konsiliararztverträgen“, S. 420). Aber letztendlich ermöglicht diese Form der Kooperation die längst geforderte Überwindung der starren Sektorengrenzen.

In unserem konkreten Beispiel der ambulant stationären Verzahnung erleben wir, die3CHIRURGEN die Zusammenarbeit mit dem Team von Prof. Dr. Ferdinand Köckerling und dem Vivantes Klinikum Spandau als außerordentlich bereichernd und zukunftsweisend.

Fazit

Alles entscheidend für den Erfolg und eine positive Bewertung der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit ist eine hohe Bereitschaft zur Kommunikation zwischen den beteiligten Vertragspartnern!