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„Ausverkauf der Hernienchirurgie?“

Stellungnahme des Vorstandes der Deutschen Herniengesellschaft (DHG) zur Umsetzung der sektorenverbindenden Vergütung mit Hybrid DRG

Grundsätzlich begrüßt der Vorstand der Deutschen Herniengesellschaft (DHG) die Bemühungen zur sogenannten „Ambulantisierung“ auch der Hernienchirurgie. Diese Idee wurde schon vor nahezu 23 Jahren als ambulante DRGs erstmalig formuliert und seit vielen Jahren immer wieder thematisiert. Nach Scheitern der dreiseitigen Verhandlungen zwischen Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) im April 2023 wurde im September 2023 ein erster Entwurf durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) vorgelegt. Dieser wurde danach nochmals überarbeitet und am 18.12.2023 beschlossen. Dieser Beschluss trat zum 01.01.2024 in Kraft ohne jedoch die Ausführungsbestimmungen dieses Gesetzes zu präzisieren. Diese derzeitige Rechtsverordnung für die Hybrid-DRGs soll am 31.12.2024 auslaufen.

Offensichtlich ist die Umsetzung der Hybrid-DRGs mit fehlenden Ausführungsbestimmungen erheblich zeitaufwändiger als vom BMG vermutet und bis heute mehr als drei Monate nach Einführung der Hybrid-DRGs noch in weiten Teilen unklar und viele Probleme sind bisher nicht gelöst.

Weder die Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) noch die Krankenhäuser bzw. chirurgischen Praxen waren auf diese Rechtsverordnung ausreichend vorbereitet.

Die Abrechnungen der seit 1. Januar 2024 erbrachten Leistungen stockt und es sind zunehmend erhebliche Zahlungsrückstände zu beobachten. Alle Chirurginnen und Chirurgen sowie alle beteiligten ärztlichen Kolleginnen und Kollegen gehen derzeit in eine nicht unerhebliche Vorleistung und eine weitere Verzögerung der Honorierung bedroht zunehmend die Existenz der Krankenhäuser und Praxen.

Des Weiteren mangelt es bisher an technischen Voraussetzungen für die Abrechnung der Hybrid DRGs sowohl in den Kliniken als auch in den Praxen. In den Kliniken scheint es möglicherweise zeitnah eine Lösung zu geben. In den chirurgischen Praxen und ambulanten OP-Zentren ist man jedoch von einer Honorierung der bereits erbrachten Leistungen noch weit entfernt. Ursprüngliches Ziel des Gesetzgebers sind 21 Tage bis zur Honorierung, dies ist derzeit jedoch völlig unrealistisch.

Die jetzige Umsetzung erfordert zudem eine erhebliche zusätzliche Bürokratie mit Einrichtung provisorischer DRG-Grouper als Interimslösung, wobei ein frei verfügbarer Grouper im Internet verfügbar ist:  Link zur Seite

Eine Abrechnung über Dritte, z.B. Managementgesellschaften ist ebenfalls vorgesehen, allerdings fehlen dazu seitens der Kassen noch die technischen Voraussetzungen zum Datentransfer, die nach derzeitigem Stand spätestens zum 1.1.2025 vorliegen sollen.

Fast täglich werden neue zum Teil verwirrende Nachbesserungen der Hybrid-DRGs vorgenommen, welche jedoch nur teilweise an die Leistungserbringer weitergeleitet werden. Der Informationsfluss über Veränderungen und Aktualisierungen der Hybrid-DRGs ist mangelhaft und trägt zu einer zunehmenden Verunsicherung und Unzufriedenheit bei den Chirurginnen und Chirurgen bei.

Inzwischen möchten auch die privaten Krankenversicherungen sich diesem Hybrid-DRG-System anschließen. Auch darüber wird bisher nicht vollumfassend informiert.

Ein orientierender Vorschlag über die Aufteilung der Hybrid-DRGs auf Chirurginnen und Chirurgen und Anästhesistinnen und Anästhesisten und den beteiligten OP-Zentren wurde seitens des BDC und BDA publiziert. Die DHG schlägt auch hierbei eine Nachjustierung mit Berücksichtigung persönlicher und lokaler Besonderheiten vor.

Offensichtlich ist allerdings, dass die Fachgesellschaften Deutsche Herniengesellschaft (DHG) und Chirurgische Arbeitsgemeinschaft Hernie (CAH) der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) in die Erarbeitung des Gesetzesentwurfs und deren jetzt notwendigen Nachbesserungen der Hybrid DRG bisher nicht einbezogen wurden. Dies stößt auf Unverständnis.

Folgende Problemfelder bei den derzeitig gültigen Hybrid-DRGs sollten aus unserer Sicht dringend angepasst werden:

  • Das Problem bei beidseitigen Leistenhernien ist wie im bisherigen DRG-System auch weiterhin nicht gelöst. Ein Aufschlag von weniger als 20% bei beidseitigen Eingriffen gegenüber der Vergütung einer einseitigen Hernie ist den Chirurginnen und Chirurgen nicht zu vermitteln. Es muss vermutet werden, dass diese Eingriffe, wenngleich medizinisch sinnvoll, zukünftig immer weniger als Simultaneingriff und stattdessen zweizeitig angeboten werden.
  • Zweiteingriffe wie z.B. simultane Operationen von Leistenhernie plus Nabelhernien werden in der Hybrid-DRG wirtschaftlich nicht abgebildet. Es ist anzunehmen, dass diese Eingriffe zukünftig überwiegend nur noch zweizeitig angeboten werden.
  • Der wirtschaftlich lukrativste Eingriff bei den Hybrid-DRG der Leistenhernien ist offensichtlich ein operativer Eingriff in Lokalanästhesie (ohne Narkose) und ohne Netz.
  • Endoskopische Operationen, teure Netzkosten und technische Innovationen mindern das Honorar der beteiligten Ärzte in einem nicht mehr zu vertretenden Maße.
  • Die Einbeziehung der Sachkosten in die Hybrid DRG wird dazu führen, dass an den Sachkosten zukünftig gespart wird. Die Frage nach der Qualität der ausgewählten Medizinprodukte stellt sich hiermit zeitgleich.
  • Hinzu kommen unterschiedliche Sprechstundenbedarfsregelungen in den verschiedenen KV-Regionen, die für einen Teil der Kosten in den beteiligten Ambulanten Op-Zentren gelten, nicht jedoch in den beteiligten Krankenhäusern.
  • Die Kosten für die Nutzung eines Operationssaals in den OP-Zentren sind in den letzten Jahren dramatisch gestiegen. Insbesondere die Tarifvereinbarungen des angestellten OP-Personals wurden in den letzten Jahren mehrfach erhöht und sind in den derzeit gültigen Hybrid DRGs ebenfalls nicht entsprechend abgebildet. Häufig wird in den OP-Zentren die OP-Zeit bzw. Säulenzeit bereits auf Minutenbasis abgerechnet… es besteht hier das Risiko einer zukünftigen Hernienchirurgie unter enormen Zeitdruck.
  • Für die Weiterbildung der jungen Chirurginnen und Chirurgen ist auch im neuen Hybrid DRG- System kein Platz.
  • Die privat zusatzversicherten Patientinnen und Patienten werden in der Honorierung der Hybrid-DRG nach derzeitigem Stand gegenüber den privatversicherten Patientinnen und Patienten offensichtlich bevorzugt.

Zusätzlich gibt es weitere Unklarheiten und gesundheitspolitische Fehlanreize.

Hervorzuheben ist hierbei vor allem die Sachkostenproblematik: Trotz der Hinweise der Gesellschaften und Berufsverbände vorab wurden im rechtsgültigen Beschluss die Sachkosten in die Gesamtkalkulation der Hybrid-DRG einbezogen und nicht herausgerechnet. Bei der Leistenhernien-Chirurgie wird dies jedoch zum erheblichen Problem, da erhebliche Material – und Sachkosten bei allen Eingriffen mit Netz insbesondere endoskopischen Eingriffen dazu führen werden, die Vergütung für die ärztlichen Kollegen (Chirurgen und Anaesthesisten) zu minimieren.

Kostenintensivere Innovationen haben unter diesen Bedingungen zukünftig keinerlei Chance für eine Umsetzung.

Hinzu kommen die Ungerechtigkeiten bezüglich der seitens der Industrie abgerufenen Preise beispielsweise für Netzmaterialien. Die Kalkulation der Hybrid-DRG durch das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) beruht dabei auf den Zahlen aus dem Krankenhaussektor. Es besteht jedoch eine erhebliche Diskrepanz zum ambulanten Setting. Werden diese Materialien im Krankenhaus eingesetzt, gibt es für das identische Produkt eine Rabattierung, welche im ambulanten Setting jedoch wegfällt. Die Preisunterschiede betragen durchschnittlich über 100%. Somit ist die Idee einer Sektorenverbindung bereits an dieser Stelle gescheitert.

Eine Ausweitung der Hybrid DRGs auf weitere Bereiche der Hernienchirurgie ist offensichtlich bereits geplant. Dies erfolgt, obgleich viele Probleme der bisher umgesetzten Hybrid-DRGs noch nicht abschließend gelöst wurden.

Angedacht ist, dass sowohl Rezidiv-Leistenhernien als auch Narbenhernien in diese Hybrid-DRG-Kataloge einbezogen werden. Gerade bei diesen Eingriffen ist ein individualisiertes Vorgehen in der Regel zwingend notwendig. Bereits die zu kalkulierenden OP-Zeiten sind erheblich länger und lassen sich nicht pauschalieren. Zusätzlich bestehen gerade für diese Eingriffe nicht unerhebliche Kosten für Medizinprodukte, z.B. Netzmaterialien, die einen Umfang von 300 bis weit über 1500€ betragen können. Diese komplexen Eingriffe gehören nach unserer Ansicht definitiv nicht in ein ambulantes Setting.  Auch der BDC sieht bei einer Ausweitung der Hybrid-DRGs auf weitere Diagnosen und Prozeduren einen erheblichen Nachbesserungsbedarf und fordert nachdrücklich die Einbeziehung ausreichender Fachexpertise durch die Verbände.

Eine generelle Pauschalierung aller hernienchirurgischen Eingriffe ist aus Sicht der Fachgesellschaft nicht zu empfehlen.

gez. Vorstand und Erweiterter Vorstand der Deutschen Herniengesellschaft (DHG)

Train-the-Trainer-Kurs in Kigali im April 2022

Eine neue Stufe der chirurgischen Weiterbildung in Ruanda wurde erreicht

„Nun endlich!“ Die Corona-Pandemie hatte die CHIRURGEN FÜR AFRIKA in den letzten beiden Jahren gezwungen, den seit langem geplanten, sechsten humanitären Einsatz in Ruanda immer wieder zu verschieben. Ein diesmal deutlich kleineres deutsches OP-Team der CHIRURGEN FÜR AFRIKA machte sich dann schließlich am 21. April 2022 auf den Weg nach Kigali, der Hauptstadt Ruandas. Durch die Unterstützung der Botschaft Ruandas in Deutschland, insbesondere dem Botschafter, seiner Exzellenz Herrn Igor Cesar, wurde diese Reise und die Einfuhr von großzügigen Sachspenden problemlos ermöglicht. Das 5-köpfige OP-Team 2022 (Dr. Ralph Lorenz – Chirurg aus Berlin, PD Dr. Joachim Conze – Chirurg aus München, Dr. Stefan Erdmenger – Anästhesist aus Berlin, Petra Woelki – leitende OP-Schwester aus Starnberg und Susan Fritzsche – leitende Anästhesieschwester aus Starnberg) hatte in diesem Jahr dank einer großer Spendenaktion Sachspenden im Wert von mehr als 150.000 € (vorwiegend Hernien-Netze) zum Verbleib in Ruanda mit in ihrem Gepäck.

Seit 2016 entwickelten die CHIRURGEN FÜR AFRIKA zusammen mit der Partnerorganisation Operation Hernia einen hernienchirurgischen Basiskurs. In diesem Jahr wurde nunmehr eine weitere Stufe der Weiterbildung mit einem Train-the-Trainer-Kurs erreicht und erfolgreich durchgeführt. Alle Kursteilnehmer des Train-the-Trainer-Kurses hatten coronabedingt im Jahr 2021 bereits einen dreitägigen Online-Kurs via Zoom absolviert und wurden im April 2022 durch das OP-Team nunmehr vor allem praktisch und didaktisch weitergebildet.

Wie in den letzten Jahren erfolgt die Vorbereitung der humanitären Einsätze in enger Zusammenarbeit mit den beiden britischen Partnerorganisationen Operation Hernia mit Dr. Chris Oppong und Rwandan Legacy of Hope mit Pastor Osee Nvatuka. Durch die besondere Unterstützung von Prof. Faustin Ntirenganya, Koordinator der chirurgischen Weiterbildung in Ruanda aus der Universität CHUK Kigali und Dr. Deborah Abimana, ärztliche Direktorin des Nyarugenge Provincial Hospital in Kigali wurde dieses neue Kursformat vorbereitet und durchgeführt. Das vorbereitende theoretische Training fand am Freitag, den 22. April 2022 im Nyarugenge Provincial Hospital statt und umfasste sowohl chirurgische als auch didaktische Vorträge, die durch alle acht Teilnehmer im Anschluss evaluiert wurden (Tab.1):

Abb. 1: Chirurgen für Afrika

Abb. 2: Ankunft des OP-Teams in Kirgali

Abb. 3, 4: Der theoretische Kursteil am Nyarugenge District Hospital in Kigali

Abb. 5-8: Der praktische Kursteil im Kibagabaga Hospital in Kigali

Tab. 1: Evaluation der Vorträge des Train-the-Trainer-Kurses 2022 (*Schulnoten: 5-exzellent, 4-sehr gut, 3-gut, 2-genügend, 1-schlecht)

TOPIC

FACULTY

Ø Bewertung*

1

Objectives of Training of Trainers

Chris Oppong

4,625

2

Review of Anatomy of Groin

Ralph Lorenz

4,5

3

How to Communicate Effectively with Trainees

David Sedgewick

4,5

4

Hernia Training Model

Chris Oppong

4,25

5

The Role of Effective Feedback

Robert Munyaneza

4,625

6

Complications of Hernia Surgery 1 -Prevention

Joachim Conze

4,75

7

Complications of Hernia Surgery 2- Management

Joachim Conze

4,75

8

Managing The Poor Performer

David Sedgewick

4,0

9

How To Assess Trainee’s Competence

Ralph Lorenz

4,125

Von Montag, dem 25. April 2022 bis einschließlich Freitag, den 29. April 2022 wurden die acht Kursteilnehmer von den vier Tutoren in Kleinstgruppen im Kibagabaga Hospital in Kigali (PD Dr. Joachim Conze und Dr. Ralph Lorenz) und im CHUB Universitätsklinikum Butare (Dr. Chris Oppong und Dr. David Sedgwick) vor allem praktisch chirurgisch ausgebildet. Das deutsche Team hat am Kibagabaga Hospital in Kigali in dieser Woche insgesamt 40 Hernien-Operationen durchgeführt, davon wurden 26 Operationen von den Kursteilnehmern selbst unter der Supervision der Trainer durchgeführt. Im OP-Programm waren zahlreiche, auch ausgedehnte Leistenhernien (17 Skrotalhernien). Daneben gab es jedoch auch ganz besondere und auch komplexe Hernienfälle (inkarzerierte Littré Hernie, Amyand Hernie, Sigma-Gleithernie, komplexe Mehrfach-Rezidiv-Leistenhernie und ausgedehnte Unterbauch-Narbenhernie). Hauptfokus des Kurses liegt in der offenen Leistenhernien-Chirurgie und in der Vermittlung standardisierter Operationsverfahren, wie der Shouldice-Technik und der Lichtenstein-Technik. Bei den Ventralhernien wurden sowohl offene Naht- als auch Netzverfahren vermittelt. Alle Operationen verliefen ohne Komplikationen, die meisten Patienten wurden nach einem kurzen Krankenhausaufenthalt bereits am ersten postoperativen Tag wieder nach Hause entlassen.

Nahezu alle Kursteilnehmer waren nach dem einwöchigen praktischen Training im Stande, viele Hernien-Operationen selbstständig durchzuführen und auch andere darin unterrichten zu können. Alle Kursinhalte wurden dabei stets auch durch die Teilnehmer, aber auch durch die Tutoren evaluiert. Die bisherigen Ergebnisse sind überaus vielversprechend, sodass einer Fortsetzung dieses nachhaltigen Kurses zur chirurgischen Weiterbildung in Ruanda nichts im Wege stehen sollte.

Zum Abschluss des Kurses fand am Freitagnachmittag, dem 29. April 2022 eine feierliche Übergabe der Zertifikate für alle Kursteilnehmer statt. Der Gesundheitsminister Ruandas Dr. Daniel Ngamije war leider kurzfristig verhindert und wurde durch Dr. Patrick Ndimubanzi aus dem Gesundheitsministerium Ruandas vertreten. Die CHIRURGEN FÜR AFRIKA übergaben in diesem Rahmen an jeden Kursteilnehmer dank der großzügigen Spenden im Vorfeld ein kleines „Starterpaket mit vielen Naht- und Netzmaterialien“.

Ein ganz besonderer Dank gebührt jedem einzelnen Teammitglied der CHIRURGEN FÜR AFRIKA, die sich im Vorfeld und bei der Umsetzung dieses Einsatzes engagierten und auch einen Teil ihres persönlichen Urlaubs für diesen nachhaltigen humanitären Einsatz investiert haben.

Wir freuen uns auf die Fortsetzung dieses neuen Weiterbildungsformats Anfang 2023.

Abb. 9: Das deutsche Team mit dem Vertreter des Gesundheitsministeriums Ruandas

Lorenz R: Train-the-Trainer-Kurs in Kigali im April 2022. Passion Chirurgie. 2022 Januar; 12(06): Artikel 09_01.

Editorial 05/2022: Bruchoperationen ohne Bruchlandungen?

Hernien- bzw. „Bruchoperationen“ zählen zu den häufigen chirurgischen Prozeduren, die nahezu jeder Chirurg und jede Chirurgin im Alltag ausführt. Jährlich werden mehr als 300.000 Hernienoperationen alleine in Deutschland durchgeführt. Die Vielzahl der heute möglichen und angewendeten Operationsmethoden mit der grundsätzlichen Empfehlung zum individualisierten Vorgehen ermöglicht zwar eine große Variabilität in der Verfahrenswahl, birgt jedoch auch die Gefahr der Desorientierung und für Misserfolge im Sinne von „Bruchlandungen“. Aufgrund der Komplexität des Fachgebietes und der Vielfalt der Behandlungsmöglichkeiten hat sich die Hernienchirurgie zudem in den letzten Jahren zunehmend auch als eigenständiges chirurgisches Fachgebiet entwickelt. Die Deutsche Herniengesellschaft (DHG) bemüht sich in Zusammenarbeit mit der BDC Akademie seit 2011 um eine systematische, fachspezifische berufsbegleitende Weiterbildung. Die hernienchirurgische Weiterbildung konnte durch die Schaffung der Hernienschule erfolgreich ergänzt und vor allem klar strukturiert werden. Inzwischen fand dieses Konzept der speziellen hernienchirurgischen Weiterbildung auch international Beachtung und Nachahmung. Diese Hernienschule besteht aus stufenartigen Weiterbildungsmodulen im Sinne eines Curriculums:

Hernie kompakt als dreitägiges Basismodul richtet sich an die chirurgischen Weiterbildungsassistent:innen und beinhaltet vor allem die Anatomie und einen Überblick über die Vielfalt der Hernienoperationen.

Im zweiten Modul Hernie konkret werden die Hernienoperationen in verschiedenen Teilbereichen (Offene Leistenhernien, Endoskopische Leistenhernien, Ventralhernien, Hiatushernien) mit OP-Hospitationen entsprechend vertieft.

Das dritte Modul Hernie komplex richtet sich an Fachärzt:innen und fortgeschrittene Hernienchirurg:innen und beinhaltet in Videopräsentationen komplexe Fälle der Hernienchirurgie. Ergänzt wird dieses dreistufige Curriculum durch das Webinar Hernie kontakt mit vor allem aktuellen Themen für alle an der Hernienchirurgie interessierten Kolleg:innen. Alle Abschnitte der Hernienschule werden dabei kontinuierlich evaluiert und weiterentwickelt.

Der Abschluss der Hernienschule dient dabei gleichzeitig als Vorbereitung für einen international anerkannten Abschluss als Abdomal Wall Surgeon (FEBS-AWS). Diese Teilgebietsbezeichung als „Fellow of the European Board of Surgeons – Abdominal Wall Surgery“ wird seit 2020 über die UEMS (Union of European Medical Specialists) für alle Hernienchirurg:innen angeboten.

Alle Hintergründe und Modalitäten hierzu werden von einem der Initiatoren in einem Artikel dieses Heftes beleuchtet.

Die Hernienschule kann jedoch immer nur als Ergänzung zur täglichen chirurgischen Weiterbildung verstanden werden. Hier sind möglicherweise neue Konzepte erforderlich, um eine qualitativ hochwertige und vor allem praxisorientierte fachspezifische Weiterbildung auch in Zukunft für alle chirurgischen Weiterbildungsassistentinnen und -assistenten zu ermöglichen. Ein Beitrag dieses Heftes zielt dabei auf eine neuartige und erstmalige Weiterbildungskooperation einer Universität mit einer fachspezialisierten chirurgischen Praxis. Ziel all dieser Initiativen ist es, durch eine fundierte, strukturierte und allumfassende fachspezialisierte Weiterbildung und eine entsprechende zertifizierte Fachspezialisierung eine bestmögliche chirurgische Versorgung unserer Hernien-Patienten zu entwickeln.

Eine weitere besondere Form der Brüche stellen kindliche Leistenhernien dar. Ein Artikel dieses Heftes widmet sich diesem Thema und sollte nicht nur für Hernienchirurg:innen interessant sein.

Hier geht es zum Inhaltsverzeichnis der Maiausgabe „Update Hernienchirurgie“: PASSION CHIRURGIE 05/2022.

Lorenz R: Editorial. Bruchoperationen ohne Bruchlandungen?. Passion Chirurgie. 2022 Mai; 12(05): Artikel_01.

„Wir denken chirurgische Weiterbildung neu“

NEUE KOOPERATIONSFORM ZUR HERNIENCHIRURGISCHEN WEITERBILDUNG ZWISCHEN EINER CHIRURGISCHEN UNIVERSITÄTSKLINIK UND EINER FACHSPEZIALISIERTEN PRAXIS

Die Weiterbildung ist eines der zentralen Themen in der Fachwelt der Chirurg:innen. Der Einführung sowie der Angleichung von Mindestmengen folgt unweigerlich eine stets wachsende Spezialisierung innerhalb der Chirurgie. Gleichzeitig führt die „Ambulantisierung“ zu einer Verschiebung ganzer Teilbereiche der Chirurgie in den ambulanten Sektor, wie beispielsweise die Proktologie und Hernienchirurgie. Dieser Effekt stellt aktuell und auch zukünftig eine Herausforderung für die Strukturierung der chirurgischen Weiterbildung dar. Diese Herausforderung wird umso größer, da im ambulanten Bereich außerhalb der Krankenhäuser eine Weiterbildung in den genannten chirurgischen Teilbereichen aufgrund der fehlenden Finanzierung bisher praktisch nicht stattfindet. Nun gehören allerdings gerade diese Fachbereiche zu den häufigsten chirurgischen Erkrankungen, sind wesentlicher Bestandteil des chirurgischen Alltags und sollten obligater Bestandteil der Weiterbildung für alle jungen Chirurg:innen sein.

Welche Idee stand am Anfang?

Die Idee zu einer möglichen Kooperation zwischen Universitätsklinikum und chirurgischer Schwerpunktpraxis entstand nach einem Gespräch im Rahmen des Kongresses „Viszeralmedizin“, bei dem sich beide Autor:innen im Rahmen eines Vorsitzes einer wissenschaftlichen Sitzung zur chirurgischen Weiterbildung begegneten und untereinander sowie mit den Teilnehmenden der Sitzung austauschten. In der Diskussion wurde schnell klar, dass aufgrund der zunehmenden Spezialisierung und Ambulantisierung eine exzellente chirurgische Weiterbildung neue kreative Lösungsansätze benötigt. Die Autor:innen waren motiviert, die Weiterbildung für die nachwachsende Generation zu verbessern. Im Sinne einer Weiterentwicklung dieses Mottos ging es darum, die Zusammenarbeit mit ärztlichen Experten des stationären mit dem ambulanten Sektor zu intensivieren.

Aus der Idee wurde schließlich die Vision einer Kooperation der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie des Campus Benjamin Franklin der Charité Universitätsmedizin Berlin mit einer fachspezialisierten Praxis, den 3+CHIRURGEN zum Zwecke der hernienchirurgischen Weiterbildung. Im Sommer 2021 entstand aus dieser Vision ein Kooperationsvertrag, als dessen Kern die Rotation der chirurgischen Weiterbildungsassistent:innen der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie der Charité Universitätsmedizin Berlin entstand.

Wie sieht diese Kooperation praktisch aus?

An zwei Tagen der Woche findet ein komprimiertes Training der Hernienchirurgie in der Praxis der 3+CHIRURGEN und in der Havelklinik statt. Für diese Rotation werden die Weiterbildungsassistent:innen von der Klinik freigestellt. Die hernienchirurgische Rotation umfasst für alle Weiterbildungsassistent:innen einen Zeitabschnitt von ca. zwei bis drei Monaten.

Am Vormittag des ersten Tages findet gewöhnlich eine Hernien-Sprechstunde statt. Dabei werden Hernien-Neupatient:innen und Patient:innen mit Leistenschmerzen untersucht und behandelt sowie operierte Patient:innen nachuntersucht.

Am Nachmittag des ersten Tages sowie am zweiten Tag finden in der Regel acht bis 12 verschiedene ambulante und stationäre Hernien-Operationen in der beteiligten Havelklinik statt. Durch die wiederholten Eingriffe mit hohem Grad an Standardisierung sowie dem 1:1-Training gelingt es schnell, zunächst Teilschritte, danach die gesamte Operation an die/den Weiterbildungsassistenten/-in zu vermitteln.

In fünf Stufen wird der/die Weiterbildungsassistent/-in an die Operation herangeführt:

  1. Demonstration der Operation durch den Mentor
  2. Operation durch den Mentor mit allen Erklärungen durch den Mentor
  3. Operation durch den Mentor und Erklärungen der/des Weiterbildungsassistenten/-in
  4. Operation durch die/des Weiterbildungsassistenten/-in mit Erklärungen des Mentors
  5. Operation durch die/des Weiterbildungsassistenten/-in mit Erklärungen der/des Weiterbildungsassistenten/-in

Durch das direkte 1:1-Mentoring ist es möglich, auf die/den Weiterbildungsassistenten/-in mit allen Vorkenntnissen und praktischen Fähigkeiten ganz individuell einzugehen. Ergänzt wird das praktische Training durch die theoretische Weiterbildung mittels wissenschaftlicher Fachartikel und durch Lehrvideos.

Darüber hinaus wird diese Weiterbildung von einer Evaluation begleitet, um die Ergebnisse auch zukünftig vergleichen zu können (Tabelle 1).

Tab. 1: Evaluation vor dem Training (Selbsteinschätzung); Notensystem: 1 = ungenügend, keine Kenntnisse, 2 = ausreichend, geringe Kenntnisse, 3 = genügend, 4 = gut, 5 = sehr gut

Bisherige Operationen

Anzahl

Welche

Techniken?

Nach

Häufigkeit

Anzahl Leistenhernien

Anzahl Ventralhernien

Theoretische Kenntnisse

1

2

3

4

5

1

Grundsätzliche Kenntnisse der Anatomie

2

Kenntnis der EHS-Klassifikation

3

Kenntnis zur Differentialdiagnostik Leistenschmerz

4

Kenntnis der Internationalen Leitlinien

Kenntnis offener Operationstechniken Leistenhernien

5

Lichtenstein-Technik

6

Shouldice Technik

7

Offene präperitoneale Techniken

8

Andere Nahttechniken

Kenntnis offener Operationstechniken Ventralhernien

9

Nahtverfahren

10

Präperitoneale Netzverfahren

11

Sublayverfahren

12

IPOM-Verfahren

Praktische Fähigkeiten

13

Klinische Untersuchung Hernie

14

Untersuchung mit dynamischem Ultraschall

15

Klinische Untersuchung Leistenschmerz – Hüfte

Operationsfähigkeiten

16

Erkennen der anatomischen Strukturen

17

Identifikation der Nerven

18

Bruchsackpräparation

19

Umgang mit Lipomen

Durchführung der einzelnen Operationstechniken

20

Lichtenstein-Technik

21

Shouldice Technik

22

Offene präperitoneale Techniken

23

Andere Nahttechniken

24

Offene Naht Ventralhernien

25

Präperitoneale Netztechnik Ventralhernien

26

Umgang mit Komplikationen

Nach dem Training erfolgt eine nochmalige gleichartige Befragung mit Selbsteinschätzung zu den theoretischen Kenntnissen, den praktischen und Operationsfähigkeiten. Darüber hinaus erfolgt auch eine Gesamteinschätzung der Rotation durch den/die Weiterbildungsassistenten/-in (Tabelle 2).

Tab. 2: Gesamteinschätzung Rotation; Notensystem: 1 = ungenügend, 2 = ausreichend, 3 = genügend, 4 = gut, 5 = sehr gut

1

2

3

4

5

1

Waren Sie mit der Organisation in der Praxis zufrieden?

2

Waren Sie mit der Organisation in der Havelklinik zufrieden?

3

Bestand ausreichend Möglichkeit zur Diskussion und zum wissenschaftlichen Austausch?

4

Wurden Operationstechniken systematisch vermittelt?

5

Wurde genug Raum für praktische Übungen gegeben?

6

Waren Sie mit dem Mentoring zufrieden?

7

Wurden Ihre persönlichen Erwartungen an die Rotation erfüllt?

8

Sollte dieses Modellprojekt auch für andere Fachbereiche der Chirurgie übernommen werden?

9

Würden Sie diese Rotation anderen Kollegen oder auch anderen Universitäten empfehlen?

10

Kann die viszeralchirurgische Weiterbildung durch diese Rotationen grundsätzlich verbessert werden?

Die ersten Befragungen der bisher seit September 2021 beteiligten Weiterbildungsassistent:innen erscheinen überaus vielversprechend.

Womöglich ist diese neuartige und vielleicht ungewöhnliche Kooperation zwischen einer Universitätsklinik und einer chirurgischen Praxis ein Denkanstoß für die Zukunft. Aus Sicht der Autor:innen entsteht hier klar eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Tab. 3: Gesamteinschätzung, offene Fragen

Was hat Ihnen am besten gefallen?

Was könnte besser sein?

Weitere Vorschläge für die Zukunft?

  • Der/Die Weiterbildungsassistent/-in profitiert von der komprimierten fachbezogenen Weiterbildung und bekommt zudem den Blick über den Tellerrand der eigenen Klinik und einen Motivationsschub.
  • Die Weiterbildungsklinik erfüllt durch diese Kooperation viel besser alle chirurgischen Weiterbildungsinhalte.
  • Der/Die niedergelassene Kollege/in kann seine/ihre langjährige fachspezifische Erfahrung aus der Praxis an die nächste Generation weitergeben.

Lorenz R; Beyer K: „Wir denken chirurgische Weiterbildung neu“ – Neue Kooperationsform zur hernienchirurgischen Weiterbildung. Passion Chirurgie. 2022 Mai; 12(05): Artikel 03_01.

HERNIE kontakt – das neue vierte Modul der Hernienschule in kontaktbeschränkten Zeiten

Premiere des Moduls Hernie kontakt als digitale Veranstaltung

Die Hernienschule ist ein Gemeinschaftsprojekt der Deutschen Herniengesellschaft und des Berufsverbands der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC). Die Schule begann im Jahr 2011 mit Hernie kompakt in Berlin und ist inzwischen über die Grenzen Deutschlands auch im Ausland etabliert worden.

Neben den erfolgreichen Modulen Hernie kompakt, dem Basismodul, Hernie konkret und Hernie komplex wurde die Hernienschule in Deutschland nunmehr um ein weiteres Modul erweitert. Der Auslöser für die Initiierung des neuen Moduls HERNIE kontakt war die Corona-Krise, die dazu führte, dass nahezu alle chirurgischen Kongressveranstaltungen verschoben oder abgesagt wurden. Die vier Organisatoren entwickelten dieses Webinar jedoch nicht nur für kontaktbeschränkte Zeiten. Auch in Zukunft sollen die an Thema Hernien interessierten Chirurgen aller Weiterbildungsstufen mit diesem Modul vor allem mit aktuellen und brisanten Themen erreicht werden.

Die Premiere des neuen Moduls HERNIE kontakt in Form eines Webinars fand nach kurzer Vorbereitung am Mittwoch, den 10.06.2020 von 17:00 bis 19:00 Uhr erstmals statt. Dabei wurden von den Initiatoren zwei brandaktuelle Themen ausgewählt: Hernienchirurgie in Zeiten von Corona und die prä-, intra- und postoperative Schmerztherapie.

Trotz der Kürze der Vorbereitung haben sich für die kostenfreie Premiere beachtliche 425 Chirur­gen nicht nur aus Deutschland angemeldet. Am Ende waren während der Veranstaltung zeitweise über 300 Teilnehmer gleichzeitig online. Die Teilnehmer hatten zusätzlich die Möglichkeit Fragen in einem Chat zu stellen, die von den Moderatoren aufgegriffen und von den Referenten sofort beantwortet wurden. Insgesamt wurde dieser Chat sehr gut genutzt und es gab genügend Raum für eine offene Diskussion. Die Veranstaltung wurde zusätzlich durch die Ärztekammer Nordrhein mit insgesamt 3 Fortbildungspunkten zertifiziert. Die Erreichung der vollen Punktzahl inkludiert eine zusätzliche Lernerfolgskontrolle für jeden Teilnehmer.

Das Feedback der Teilnehmer nach der Veranstaltung war überaus positiv und ermutigt die vier Organisatoren aus Köln, Hamburg und Berlin, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Es ist geplant, pro Jahr zwei HERNIE kontakt-Veranstaltungen zu etablieren. Die Veranstaltung mit allen Vorträgen werden jeweils zusätzlich online aufgezeichnet und können somit jederzeit im Internet über Vimeo nochmals angesehen werden.

Tab. 1: Übersicht des Moduls

Programm der 1.HERNIE kontakt – Veranstaltung am 10.06.2020:

Modul I: Brandaktuelles – Hernienchirurgie in Zeiten von Corona

Moderation: Wolfgang Reinpold / Bernd Stechemesser

  • Was ist in welchem Setting möglich? Klinik mit unterschiedlichen Corona Abstufungen vs. Praxis (Wolfgang Reinpold – Hamburg)
  • Was ist ein elektiver, was ist ein Notfalleingriff? (Bernd Stechemesser – Köln)
  • Laparoskopische Hernienoperationen in Corona-Zeiten: ja oder nein? (Henning Niebuhr – Hamburg)

Modul II: prä-, intra- und postoperative Schmerztherapie

Moderation: Ralph Lorenz / Henning Niebuhr

  • Anästhesie bei Hernienoperationen: ITN/LaMa/Spinale/Schmerzkatheter (Jörg Karst – Berlin)
  • Prä-, intra- und postoperative Schmerztherapie mit Lokalanästhetika (Ralph Lorenz – Berlin)
  • Schmerzmanagement und Schmerzschemata (Guido Baschleben – Leipzig)

Gerne vormerken: Die nächste HERNIE kontakt – Veranstaltung ist für Oktober/ November 2020 geplant.

Bitte beachten Sie auch die gesamte Modulreihe Hernienschule der BDC|Akademie mit der Deutschen Herniengesellschaft (DHG), die unter anderem das Hospitationsmodul HERNIE kontakt anbietet. Die nächsten Termine finden Sie unter: https://www.bdc.de/bdcakademie/hernienschule/hernie-konkret/

Abb. 1: o. l. Bernd Stechemesser, o. r. Henning Niebuhr, u. l. Wolfgang Reinpold, u. r. Ralph Lorenz

Lorenz R, Stechemesser B, Niebuhr H, Reinpold W: Hernie kontakt. Passion Chirurgie. 2020 10(7/8): Artikel 04_00a.

Der Nabel der Welt – Neues aus der Welt der Nabelhernien

Die Redewendung Nabel der Welt „Mittelpunkt, wichtigstes Zentrum der Welt“ geht auf das Griechenland im 7. Jahrhundert vor Christus zurück, als man diesen Mittelpunkt treffenderweise im Omphalosstein in Delphi sah. Später war der Nabel der Welt beispielsweise auch als Umbilicus urbis in Rom, im Felsendom in Jerusalem, als Katholikon in der Grabeskirche in Jerusalem, auf den Osterinseln und in Cuzco in Peru zu finden.

Nabelhernien sind gleichsam eine weltweit häufige Erkrankung. Nabelhernien zählen definitionsgemäß zu den primären Ventralhernien. Doch hierin liegt bereits das erste Problem. In der wissenschaftlichen Literatur wurde bereits in der Vergangenheit häufig eine mangelnde Abgrenzung primärer von sekundären Ventralhernien kritisiert [6]. Rezidiv-Nabelhernien und Trokarhernien gehören laut EHS-Klassifikation (European Hernia Society) eindeutig zu den sekundären Ventralhernien bzw. Narbenhernien. Diese Abgrenzung scheint entsprechend der Registerdaten auch in Deutschland bis heute noch nicht klar umgesetzt zu sein [5].

Bisher wurden die Nabelhernien entsprechend der EHS-Klassifikation von 2009 in klein, mittel und groß eingeteilt [6]. Doch zehn Jahre später zeigt sich nun in der wissenschaftlichen Literatur, dass diese bisherige Einteilung für eine Therapieentscheidung möglicherweise nicht sinnvoll ist.

Zudem ist eine Therapieentscheidung bei Nabelhernien häufig abhängig von einer zeitgleich bestehenden Rektusdiastase [4]. Seit 2019 besteht entsprechend der Publikation von Reinpold et al. eine zusätzliche sehr differenzierte Klassifikation der Rektusdiastase [7].

Entsprechend einer 2014 publizierten Datenanalyse aus dem Deutschen Hernienregister Herniamed treten Nabelhernien bei Männern häufiger auf als bei Frauen auf [5]. Nabelhernien haben ihren Altersgipfel zwischen dem 40. und dem 60. Lebensjahr. Dicke Menschen und Raucher scheinen häufiger Nabelhernien zu entwickeln. Der größte Anteil der Nabelhernien scheint eher klein zu sein.

Der Anteil von Notfalleingriffen scheint bei Nabelhernien mit 7,12 % deutlich höher zu liegen als bei Leistenhernien (2,68 %) (5). Zahlreiche wissenschaftliche Studien bestätigten bisher sehr gute Ergebnisse auch mit alleiniger Nahtversorgung [1, 2]. Auch in Deutschland wurde eine große Mehrheit der Nabelhernien bisher mit Naht versorgt [5].

Auf Initiative der Amerikanischen und Europäischen Herniengesellschaften wurde 2017 eine Expertengruppe zur Entwicklung von Leitlinien für primäre Ventralhernien gegründet.

Diese 12-köpfige internationale Expertengruppe führte eine Recherche der bestehenden wissenschaftlichen Literatur durch und entwickelte im Rahmen von mehreren Treffen entsprechende Leitlinien zur Behandlung von primären ventralen Hernien. Die Ergebnisse wurden im Rahmen des Europäischen Hernienkongress im September 2019 in Hamburg erstmals der Fachwelt vorgestellt. Trotz einer stellenweise lückenhaften bzw. geringen wissenschaftlichen Evidenz können dabei folgende grundsätzliche Empfehlungen zusammengefasst werden.

Tab. 1: EHS-Klassifikation primärer Ventralhernien 2009 [6]

Klein=Small (S)

Mittel=Medium (M)

Groß=Large (L)

< 2cm

≥ 2–<4 cm

≥ 4 cm

Mittellinie

Epigastrisch

Umbilikal

Lateral

Spieghel’

Lumbal

Tab. 2: Nabelhernien nach EHS-Klassifikation – Herniamed-Daten [5]

EHS Small klein

(< 2 cm)

EHS Medium mittel

(≥ 2–4 cm)

EHS Large groß

(≥ 4 cm)

58,9%

35,2%

5,9%

Abb. 1: Klassifikation der Rektusdiastase [7]

Empfehlungen

  1. Die Diagnostik der Nabelhernien sollte durch eine klinische Untersuchung erfolgen. Ein dynamischer Ultraschall oder eine Computertomografie kann im Zweifelsfall helfen und zusätzliche Informationen liefern.
  2. Watchful waiting scheint bei asymptomatischen Nabelhernien eine sichere Option zu sein.
  3. Grundsätzlich sollte bei allen Nabelhernien aufgrund der geringeren Rezidivraten ein Netzverfahren zur Anwendung kommen.
  4. Bei kleinen Nabelhernien bis 2 cm sollte dabei eine offene Technik zur Anwendung kommen. Bei mittelgroßen Nabelhernien von 2 bis 4 cm sollte ein offener oder endoskopischer Zugang erfolgen. Alle großen Hernien über 4 cm sollten wie Narbenhernien operativ versorgt werden.
  5. Nahtverfahren stellen bei allen Nabelhernien kleiner als 1 cm eine Behandlungsoption dar.
  6. Grundsätzlich wird bei offener Technik die Verwendung eines Flachnetzes in präperitonealer Netzposition empfohlen.
Abb. 2: AHS/EHS-Guidelines Group-Primary Ventral Hernias v.l.n.r.: Maarten Simons (Niederlande), Nadia Henriksen (Dänemark), Ralph Lorenz (Deutschland), Frederik Berrevoet (Belgien), Ruth Kaufmann (Niederlande), Dennis Klassen (Kanada), Yohann Renard (Frankreich), Agneta Montgomery (Schweden), William Hope (USA), nicht abgebildet: Barbora East (Tschechien), Manuel Garcia Ureña (Spanien), John Fischer (USA)

Im Rahmen der Vorstellung der Leitlinien auf dem EHS-Kongress 2019 in Hamburg wurde auch ein TED-Voting durchgeführt. Diese Umfrage kam zwar trotz genereller Zustimmung für die Leitlinien-Empfehlungen bei einigen Detailfragen zu kontroversen Ergebnissen (Abb. 3).

Abb. 3: EHS-TED-Umfrage: Verwenden Sie bei Nabel- oder epigastrischen Hernien unter 1 cm Defektgröße ein Netz?

Demnach verwendet die Mehrheit der Chirurgen (75 %) bei kleineren Nabelhernien kein Netz. Ebenso scheint die empfohlene Verwendung von Flachnetzen eher kontrovers (Abb. 4). Auch hier scheint die Mehrheit der Chirurgen entgegen der Leilinien-Empfehlung und trotz höherer Materialkosten eines der vielfältigen Ventral-Patches zu verwenden.

Abb. 4: EHS-TED-Umfrage: Verwenden Sie bei einer offenen Netzoperation einer Nabel- oder epigastrischen Hernie ein Ventral-Patch?

Die offene präperitoneale Netzplatzierung wird zwar grundsätzlich bei allen kleinen und mittelgroßen Nabelhernien empfohlen, jedoch muss kritisch angemerkt werden, dass diese Operationstechnik bisher noch nicht standardisiert wurde. Des Weiteren gibt es heute zahlreiche neuere OP-Techniken [3, 8], deren Indikationen im Rahmen eines maßgeschneiderten Vorgehens (= Tailored Approach) noch nicht klar definiert wurden.

Folgendes lässt sich zu den Nabelhernien derzeit zusammenfassen:

  1. Die bisherige EHS-Klassifikation der Nabelhernien steht aufgrund der therapeutischen Konsequenzen auf dem Prüfstand.
  2. Die zeitgleiche Beurteilung der Rektusdiastase erscheint für die Therapieauswahl der Nabelhernien bedeutsam zu sein.
  3. Primäre Ventralhernien sollten von Sekundären (= Narbenhernien) sicher abgegrenzt werden.
  4. Eine extraperitoneale Netzversorgung scheint für viele Nabelhernien vorteilhaft zu sein.
  5. Ein maßgeschneidertes Vorgehen (Tailored Approach) auch unter Einbeziehung neuer OP-Techniken scheint für die Versorgung von Nabelhernien sinnvoll zu sein.

Literatur

[1]Aslani N, Brown C.J. Does mesh offer an advantage over tissue in the open repair of umbilical hernias. Hernia 2010 14:455-462

[2]Dalenbäck J, Andersson C, Ribokas D, Rimbäck G. Long-term follow-up after elective adult umbilical hernia repair: low recurrence rates also after non-mesh repairs. Hernia. 2012 Sep 13.

[3]Kockerling F, Botsinis MD, Rohde C, Reinpold W, Schug-Pass C. Endoscopic-assisted linea alba reconstruction: New technique for treatment of symptomatic umbilical, trocar, and/or epigastric hernias with concomitant rectus abdominis diastasis. Eur Surg 2017;49(2): 71-75.

[4]Kohler G, Luketina RR, Emmanuel K. Sutured repair of primary small umbilical and epigastric hernias: concomitant rectus diastasis is a significant risk factor for recurrence. World J Surg 2015;39(1): 121-126; discussion 127.

[5]Lorenz R, Koch, A., Köckerling, F. . Doch unterschätzt- Nabel- und epigastrische Hernien. CHAZ 2014;06.

[6]Muysoms FE, Miserez M, Berrevoet F, Campanelli G, Champault GG, Chelala E, Dietz UA, Eker HH, El Nakadi I, Hauters P, Hidalgo Pascual M, Hoeferlin A, Klinge U, Montgomery A, Simmermacher RK, Simons MP, Smietan´ski M, Sommeling C, Tollens T, Vierendeels T, Kingsnorth A. Classification of primary and incisional abdominal wall hernias. Hernia. 2009 Aug;13(4):407-14.

[7]Reinpold W, Köckerling F, Bittner R, Conze J, Fortelny R, Koch A, Kukleta J, Kuthe A, Lorenz R, Stechemesser B. Classification of Rectus Diastasis-A Proposal by the German Hernia Society (DHG) and the International Endohernia Society (IEHS) Front Surg. 2019 Jan 28;6:1. doi: 10.3389/fsurg.2019.00001. eCollection 2019.

[8]Reinpold W, Schröder M, Berger C, Stoltenberg W, Köckerling F. MILOS and EMILOS repair of primary umbilical and epigastric hernias. Hernia. 2019 Oct;23(5):935-944. doi: 10.1007/s10029-019-02056-x. Epub 2019 Sep 30.

Lorenz R: Die Leiste ist die Schwachstelle beim Mann. Passion Chirurgie. 2020 Januar, 10(01): Artikel 03_01.

Die Leiste ist die Schwachstelle beim Mann

Jeder vierte Mann bekommt im Laufe seines Lebens Probleme mit der Leiste. Frauen sind nur selten betroffen. Allein in Deutschland werden jedes Jahr mehr als 300 000 Leistenbrüche (Hernien) operiert. Die VdK-ZEITUNG sprach mit dem Experten Dr. med. Ralph Lorenz von der Praxis „3+CHIRURGEN“ in Berlin, der auch Mitglied beim Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC) ist:

Welche Symptome deuten auf Probleme mit der Leiste hin?

R. Lorenz: Viele Patienten mit Leistenbrüchen haben häufig über lange Zeit gar keine Beschwerden. Sie bemerken lediglich eine Schwellung in der Leiste, die sich während Anstrengungen, beim Husten, Pressen, Niesen, Heben oder Tragen vergrößert. Im Liegen verschwindet diese Schwellung häufig wieder. Typische Symptome sind daher belastungsabhängige Schmerzen, ein Ziehen oder Druckgefühl. Schmerzen, die nach Belastungen oder in Ruhe in dieser Region auftreten, sind dagegen für einen Leistenbruch eher untypisch und sollten zunächst einer weiteren Diagnostik zugeführt werden.

Wodurch entsteht ein Leistenbruch?

R. Lorenz: Angeborene Brüche zeigen sich häufig bereits im Säuglings- oder frühen Kindesalter. Sie entstehen bei der Hodenwanderung durch die Bauchdecke noch vor der Geburt. Erworbene Leistenbrüche treten dagegen meist erst im Erwachsenenalter ab Mitte 50 auf und sind überwiegend auf eine Gewebeschwäche zurückzuführen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Einflussfaktoren, die die Entstehung von Hernien fördern: Dazu zählen genetische Anlagen sowie Kollagenerkrankungen wie Krampfaderbildungen, Hämorrhoiden, Divertikel (Ausstülpungen der Darmschleimhaut) oder Aortenaneurysmen (Erweiterung der Hauptschlagader). Auch das Rauchen hat Einfluss auf die Hernienentstehung.

Wann muss ein Leistenbruch operiert werden?

R. Lorenz: Ein Leistenbruch sollte grundsätzlich operiert werden, wenn die Diagnose eindeutig ist und der Patient über entsprechende Symptome klagt. Sollte es zu einer Einklemmung des Leistenbruches kommen – dabei lässt sich der Leistenbruch auch im Liegen nicht wieder zurückschieben – ist eine Operation zeitnah und dringend erforderlich. Bei Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen oder Darmverschluss sollte sofort eine Notfalloperation erfolgen.

Gibt es Möglichkeiten, die Operation hinauszuzögern?

R. Lorenz: Medikamentöse oder konservative Behandlungsmöglichkeiten gibt es bis zum heutigen Zeitpunkt nicht. Bei Männern mit nur geringen oder keinen Beschwerden kann Abwarten eine Option darstellen. Wichtig ist hierbei, dass regelmäßige Kontrolluntersuchungen erfolgen, um ein Fortschreiten des Bruches frühzeitig zu erkennen. Bei Frauen mit Leistenbruch wird aufgrund der höheren Rate an Notfalleingriffen prinzipiell eher nicht abgewartet.

Warum werden Männer öfter operiert?

R. Lorenz: Männer erkranken deutlich häufiger an einem Leistenbruch als Frauen. Jeder vierte Mann und nur jede 27. Frau sind im Laufe seines/ihres Lebens betroffen. Das hat vermutlich anatomische Gründe.

Wie sehen die Methoden einer solchen Operation aus: Wird noch herkömmlich oder eher minimal-invasiv operiert?

R. Lorenz: Grundsätzlich gibt es zahlreiche Operationsmethoden zur Versorgung von Leistenbrüchen. Früher wurden die Leistenbruch-Operationen überwiegend ohne Netz durchgeführt. Heute sehen die derzeitigen internationalen Leitlinien in erster Linie netzbasierte Operationstechniken zur Versorgung von Leistenbrüchen bei Erwachsenen vor, entweder offenchirurgisch oder als Schlüsselloch-Verfahren, also endoskopisch. Im weltweiten Vergleich wird auch heute noch die Mehrheit der Leistenbrüche mit einem einzigen Schnitt versorgt. In den letzten 20 Jahren ist jedoch der Anteil der minimalinvasiven, also endoskopischen Eingriffe, kontinuierlich gestiegen. In Deutschland ist der Anteil endoskopischer Leistenbruch-Eingriffe verglichen mit anderen Ländern besonders hoch.

Was sind die Vorteile einer minimal-invasiven Operation?

R. Lorenz: Bei endoskopischen Operationen ist der operative Zugangsweg durch drei kleine Schnitte minimiert. Das führt in der Regel zu weniger Wundschmerzen. Auch sind Wundkomplikationen oder Wundinfektionen äußerst selten. Während einer Operation können hier alle drei potentiellen Lücken in der Leistenregion sicher beurteilt und großflächig mit einem Netz abgedeckt werden. Darüber hinaus kann während eines laparoskopischen Eingriffs eine Beurteilung der Bauchorgane erfolgen. Dies erweist sich auch bei Notfalleingriffen als sinnvoll.

Wie lange muss man im Krankenhaus bleiben?

R. Lorenz: Entsprechend Internationaler Leitlinien wird die ambulante, also tageschirurgische Operation, für die Mehrheit der Leistenbruchoperationen empfohlen, sofern eine entsprechende Nachbehandlung gesichert ist. In allen anderen Fällen ist in der Regel eine kurze stationäre Behandlung angezeigt. Diese beträgt im Durchschnitt zwei Tage. Im weltweiten Vergleich liegt der Anteil ambulanter Leistenbruchoperationen in Deutschland mit 15 bis 20 Prozent aber deutlich unter dem europäischen Durchschnitt. Das liegt vor allem an gesundheitspolitischen Fehlanreizen, also an der höheren Vergütung für stationäre Eingriffe.

Das Interview führte Petra J. Huschke von VdK-Nachrichten.

Quelle: VdK-Nachrichten im Oktober 2019, Seite 8, erstveröffentlicht.

Lorenz R: Die Leiste ist die Schwachstelle beim Mann. Passion Chirurgie. 2020 Januar, 10(01): Artikel 03_01.

5. Gemeinsame Frühjahrstagung 2019 des BDC|Berlin und Brandenburg

Sehr geehrte Frau Kollegin, Sehr geehrter Herr Kollege,

in diesem Jahr haben wir anlässlich der 5. Gemeinsamen Frühjahrstagung das Hauptthema „Neues in der Chirurgie“ ausgewählt. Dabei haben wir ein breites Spektrum an Themen zusammengestellt. Bewusst haben wir die Anzahl der Vorträge reduziert um mehr Zeit für eine breite Diskussion mit Ihnen zu haben. Dabei geht es sowohl um berufspolitische als auch um Fachthemen in der Chirurgie. Es ist uns gelungen für die einzelnen Themenbereiche kompetente Referenten zu gewinnen.

Wir laden Sie sehr herzlich nach Potsdam ein und würden uns sehr freuen, wenn Sie sich an der offenen und breiten Diskussion zu diesen Themen aktiv beteiligen würden.

Weiterbildungspunkte wurden bei der Ärztekammer Brandenburg beantragt. Für einen Imbiss während der Veranstaltung wird gesorgt.

5. Gemeinsame Frühjahrstagung 2019
BDC Brandenburg und Berlin, ANC Brandenburg und Berlin
Samstag, der 11. Mai 2019
10:00 bis 14:00 Uhr KV Brandenburg, Saal Brandenburg
Pappelallee 5, 14469 Potsdam

Wir würden uns sehr auf ein Wiedersehen mit Ihnen in Potsdam freuen!

Ihr Vorstand des Landesverbands BDC Berlin

Programm

Chirurgie ohne Grenzen: Ausländische Chirurgen in Deutschland – Deutsche Chirurgen im Ausland

Bericht von der 4. Herbsttagung des Landesverband BDC|Berlin und der ANC Berlin

Im Rahmen der 4. Herbsttagung des BDC|Berlin wurde am 21.11.2018 ein durchaus aktuelles und brisantes Thema im Rahmen einer im wahrsten Sinne des Wortes grenzüberschreitenden Podiumsdiskussion erörtert. Die Teilnehmer der internationalen Podiumsdiskussion waren:

  • •Dr. med. Eva Grogro, Fachärztin für Viszeralchirurgie, Vivantes Klinikum Neukölln, 1,5 Jahre Dänemark
  • Dr. med. Andrea Caletti, Facharzt für Chirurgie, plastische Chirurgie, Zentrum für Brandverletzte, Unfallkrankenhaus Berlin, 3 Jahre in Italien
  • Lutz Koch, FRCS Ed., Consultant Orthopaedic Surgeon, Spire Elland Hospital, West Yorkshire (United Kingdom) seit 15 Jahren in England (via Zoom-Videokonferenz aus England)
  • Dr. med. Andreas Weskott, FA für Chirurgie und Viszeralchirurgie Jönköpings län (Schweden), seit 7 Jahren in Schweden (via Zoom-Videokonferenz aus Schweden)

Bei der von Dr. Ralph Lorenz (1. Vorsitzender des Landesverbandes BDC|Berlin) moderierten Veranstaltung gab er zunächst im Rahmen eines Einführungsreferates einen Überblick über die Situation in Deutschland zu diesem Thema. Entsprechend der Daten aus der Bundesärztekammer steigt der Anteil der ausländischen Ärzte in Deutschland seit ca. zehn bis 15 Jahren kontinuierlich an. 2017 ist der Anteil auf inzwischen 11,8 Prozent angewachsen [2]. Waren es in den 90er Jahren jährlich nur 1.000 Ärzte sind es im Jahr 2017 bereits weit über 4.000 Ärzte, die jährlich nach Deutschland kommen (Abb. 1).

Abb. 1: Entwicklung der ausländischen Ärzte in Deutschland (Quelle: Bundesärztekammer).

Die größte Zuwanderung kam 2017 aus Europa (66,8 %), gefolgt von Asien (22,7 %) und von Afrika (6,8 %). Die wenigsten kamen aus Amerika mit 3,2 %. Dabei kam der größte Zustrom im Jahr 2017 aus:

  • Syrien (+ 737)
  • Rumänien (+ 220)
  • Serbien (+ 177)
  • Ägypten (+ 177)
  • Ukraine (+ 149)
  • Russland (+ 134)

In der Gesamtheit kommt die größte Zahl ausländischer Ärzte in Deutschland derzeit aus:

  • Rumänien (4.505)
  • Syrien (3.632)
  • Griechenland (3.147)
  • Österreich (2.642)

Seit 2015 gibt es bundesweit verpflichtend einen Sprachtest für alle Ausländer, die in Deutschland arbeiten wollen. Laut Medienberichten gibt es dabei jedoch eine nicht unerhebliche Durchfallquote von bis zu 36 % (Sachsen-Anhalt 2017).

Der entgegengesetzte Strom der Abwanderung deutscher Ärzte wird seit 2005 durch die Bundeärztekammer statistisch erfasst. Die Zahlen stagnieren derzeit bzw. sind leicht rückläufig. Im Jahr 2017 sind insgesamt 1.965 Ärzte aus Deutschland abgewandert, wovon der Anteil deutscher Ärzte 59,3 % beträgt. Die derzeitigen Abwanderungszahlen liegen derzeit auf dem Niveau von 2003. Zu den beliebtesten Auswanderungsländern gehörten 2017 erwartungsgemäß die Schweiz (- 641), Österreich (- 268) und die USA (- 84).

Vor welchem Hintergrund findet der wechselseitige Abwanderungsstrom statt?

Beim Vergleich des Studiums und der Weiterbildung in verschiedenen europäischen Ländern fallen bereits erhebliche Unterschiede auf. In fast allen europäischen Ländern bestehen Zulassungsbeschränkungen zum Medizinstudium [1]. Bereits bei den Studiengebühren gibt es erhebliche Unterschiede. Während in einigen Ländern wie Frankreich, Griechenland und Deutschland seit 2015 keine Studiengebühren erhoben werden, gibt es andere Länder, die zum Teil erhebliche Studiengebühren (Großbritannien, Schweiz) erheben. In Griechenland korreliert die höchste Arbeitslosenquote an Ärzten in Europa mit der größten Abwanderung aus Griechenland ins Ausland. In Polen scheint das Studium komplett privat finanziert zu sein, sodass eine chirurgische Weiterbildung sogar als unbezahltes Volontariat möglich und üblich scheint. Das Modell des Common Trunks als Basisweiterbildung ist nur in einigen Ländern umgesetzt. In Deutschland besteht sichtlich ein einzigartiges chirurgisches Weiterbildungssystem mit insgesamt acht chirurgischen Säulen nach dem Common Trunk. Diese scheint in keinem weiteren europäischen Land zu bestehen. Die chirurgische Weiterbildung kann demnach zwischen vier und zehn Jahren betragen.

Tab. 1: Vergleich des Studiums und der Weiterbildung in ausgewählten Ländern Europas [1]

D

CH

Austria

UK

F

Ita

Gr

NL

Pol

Studien-gebühren

Keine seit 2015

1000-8000 CHF/a

727 €/a

10.00 0€/ a

keine

850-1000 €/a

keine

1951 €/a

Privat finanziert

WB Dauer

6 J.

6 J.

6 J.

10 J.

4-5 J.

4-6 J.

6 J.

4 J.

6 J.

Common Trunk

+

+

+

+

Dr. Andrea Caletti, plastischer Chirurg aus dem Brandverletztenzentrum des Unfallkrankenhaus Berlin, berichtet, dass in Italien während der gesamten chirurgischen Weiterbildungszeit an allen Orten gleichermaßen ein Festgehalt von lediglich 1.700 Euro pro Monat gezahlt wird. Die Facharztweiterbildung ist grundsätzlich bis auf wenige Ausnahmen in universitärer Hand. Die Verteilung der Weiterbildungsstätten erfolgt nach einem festgelegten Leistungsprinzip im Land. Besonders herausragende Studenten haben die erste Wahl. Ärzte mit unterdurchschnittlichen Leistungen müssen am Ende das nehmen, was an Weiterbildungsstätten übrig bleibt. Die chirurgische Weiterbildung ist in der Regel nach spätestens sechs Jahren abgeschlossen. In Italien gibt es jedoch keine Facharztprüfung wie bei uns üblich.

Frau Dr. Eva Grogro, Fachärztin für Viszeralchirurgie aus dem Vivantes Klinikum Neukölln, berichtete über ihre anderthalbjährige Erfahrungen in Dänemark. Sie erlebte dort sehr wertschätzende und kollegiale Arbeitsbedingungen. Auch bezüglich der Sprache ist man es in Dänemark gewohnt, mit Ausländern zu kommunizieren, die nicht perfekt dänisch sprechen. Sie wurde dort rasch in das bestehende Team integriert. Besonderes Interesse fand die Tatsache, dass es in Dänemark keine Aufklärung gibt, wie wir es in unseren Kliniken und Praxen alltäglich kennen.

Beim Vergleich der Hierarchiestrukturen berichtete Lutz Koch, Unfallchirurg aus Berlin, der seit 15 Jahren in England lebt und arbeitet, dass in England ein Kollegialsystem besteht. In seiner Klinik in West Yorkshire arbeiten ca. 15 Consultants in der Regel fachspezialisiert. Der Job eines Klinikleiters scheint in England prinzipiell eher unbeliebt zu sein, da dieser meist nur noch administrative Aufgaben erfüllen muss und in der Regel patientenfern arbeitet. Dr. Andreas Weskott, früherer Chefarzt aus Berlin, berichtete aus Schweden über eine ähnliche Situation. Auch in Schweden scheint demnach ein Kollegialsystem mit Teamleitern zu bestehen, die in der Regel fachspezialisiert arbeiten. Der administrative Klinikleiter wird dort sogar nicht selten von Krankenschwestern besetzt. In beiden Ländern scheint die Karrieremöglichkeit somit tendenziell nachrangig zu sein, da es kein starres Hierarchiesystem gibt. Besteht möglicherweise auch ein Zusammenhang zwischen niedrigem Krankenstand der Mitarbeiter in den schwedischen Kliniken und einer höheren Wertschätzung ihrer Arbeit?

Die Verdienstmöglichkeiten waren in England schon vor Jahren sehr gut und mit 110.000 Pfund gegenüber deutschen Einkommensmöglichkeiten überdurchschnittlich. Viele Kollegen in England haben zudem neben ihrer angestellten Tätigkeit sichtlich eine private Praxis als Nebentätigkeit. Auch in Schweden sind die Verdienstmöglichkeiten trotz hoher Steuersätze gut, da es beispielsweise keinerlei Krankenversicherungsbeiträge gibt. Die Krankenversicherung ist in Schweden zu 100 % staatlich finanziert ohne Zuschüsse von Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Jeder Arztbesuch kostet in Schweden ca. 25 Euro, bei chronisch Kranken entfallen allerdings diese Gebühren.

Die Dienstbelastung scheint sowohl in Schweden als auch in Großbritannien deutlich geringer zu sein als vergleichsweise in Deutschland. In England wird in der Regel im Dienst tatsächlich nur bei vital bedrohlichen Situationen nachts operiert. Selbst eine frische Unterschenkelfraktur wird normalerweise zunächst nur ruhiggestellt und am nächsten Tag im Tages-OP-Programm definitiv operativ versorgt.

Dr. Weskott berichtete auch darüber, dass in schwedischen Krankenhäusern ein elektronisches Zeiterfassungssystem besteht. Nach seiner Einschätzung gehen schwedische Ärzte damit grundsätzlich sehr achtsam um und ein Missbrauch scheint tendenziell eher ausgeschlossen zu sein.

In Schweden besteht seit Jahren ein nahezu papierfreier Arbeitsalltag. Patientenakten existieren lediglich elektronisch. Die Schwester auf Station ist dann nur noch mit einem Tablet unterwegs. Für nahezu alles gibt es in Schweden spezielle Teams, sodass die ärztliche Tätigkeit auf die Kernkompetenz beschränkt ist. Verwaltungsaufgaben werden dort auch in der Regel vollständig delegiert. Auch in England scheint man sehr effektiv den Arbeitsalltag über spezialisierte Teams zu gestalten, wie Herr Koch berichtete.

England ist seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland. Viele Schwestern und Ärzte kommen dabei aus afrikanischen Ländern, vor allem aus Südafrika, aber auch aus Indien und Pakistan. In Schweden und Dänemark ist man es ebenso seit Jahrzehnten gewohnt, ausländische Kollegen zu haben. Nach Dr. Weskotts Eindruck scheinen auch in Schweden ebenso wie in Deutschland die meisten ausländischen Ärzte aus Rumänien zu kommen. In Schweden gibt es offenbar professionelle Agenturen, sogenannte Rekrutierungsgesellschaften, die für Ausländer Arbeitsplätze vorwiegend in skandinavischen Ländern vermitteln. Die ca. zehnfachen Verdienst- und Einkommensmöglichkeiten in Schweden und die deutlich bessere soziale Absicherung bieten dabei eine starke Verlockung.

Zusammenfassend ist der Tenor der Teilnehmer der Podiumsdiskussion:

  1. Die Work-Life-Balance scheint in vielen europäischen Ländern besser zu sein als in Deutschland.
  2. Die alltägliche Arbeits- und Dienstbelastung ist offenbar in anderen europäischen Ländern geringer als in Deutschland.
  3. Aufgehobene Hierarchiestrukturen im Sinne eines Consultant-Modells, wie sie in vielen europäischen Ländern inzwischen üblich sind, führen durchaus zu einer höheren Zufriedenheit bei den Chirurgen und werden auch vom Patienten geschätzt.

An dieser Stelle sei eine recht politische Frage gestattet: Wie sieht die medizinische Versorgung nach Weggang der Ärzte aus Ländern wie beispielsweise Rumänien aus? Besteht nicht bereits jetzt dort eine eklatante Unterversorgung? Das Thema „Brain Drain“, der Weggang der Akademiker aus geringer entwickelten und vermögenden Ländern, wurde bisher vorwiegend nur für Afrika diskutiert, sichtlich scheint es aber inzwischen ein innereuropäisches Problem zu werden. Bei aller in Deutschland geschätzten Internationalisierung und Globalisierung muss man sich am Ende fragen, welche Mitverantwortung haben wir für dieses globale und auch europäische Ungleichgewicht?

Literatur

[1] Seifert J et al. Chirurgische Aus- und Weiterbildung bei uns und unseren Nachbarn Passion Chirurgie 04/2017

[2] www.bundesärztekammer.de (Zugriff 20.11.2018)

Lorenz R, Grogro E, Caletti A, Koch L, Weskott A: Chirurgie ohne Grenzen: Ausländische Chirurgen in Deutschland – Deutsche Chirurgen im Ausland. Passion Chirurgie. 2019 Januar, 9(01): Artikel 03_02.

Die HERNIENSCHULE

Hernienchirurgische Weiterbildung mit internationalem Modellcharakter

Hernienoperationen zählen weltweit zu den häufigsten Operationen in der Allgemein- und Viszeralchirurgie [1]. Durch die Einführung endoskopischer Operationstechniken und die weltweite Verwendung von Kunststoffimplantaten hat sich die Hernienchirurgie inzwischen zu einem eigenständigen Fachgebiet der Allgemein- und Viszeralchirurgie entwickelt. Trotz kontinuierlicher Weiterentwicklung der Operationstechniken konnten bis heute jedoch die Problemfelder – Rezidive und chronische Schmerzen in Folge von Hernienoperationen – noch nicht beseitigt werden [3–7]. Der Einfluss des Chirurgen auf die Ergebnisqualität scheint heute unbestritten [8-10]. Die Weiterbildung junger Chirurgen stellt vor diesem Hintergrund eine besondere Herausforderung dar.

Die Gründe hierfür liegen vor allem in der:

  • Methodenvielfalt [13]
  • Forderung nach individualiserten Therapiekonzepten
  • fehlenden Standardisierung der neuen Operationstechniken [12]
  • rasante Weiterentwicklung der verwendeten Materialien (Kunststoffnetze und Fixationssysteme) [13]
  • häufig komplexen Operationen
  • Verschiebung einfacherer Operationen in das ambulante Setting [13] und
  • fehlenden Weiterbildungsstandards [11, 12, 14].

Insbesondere bei endoskopischen Eingriffen scheint die Lernkurve besonders lang zu sein [15]. Eine weitere Herausforderung für die künftige Weiterbildung stellt jedoch die Tatsache dar, dass bestimmte Operationstechniken im heutigen Alltag scheinbar nahezu verschwunden sind und somit auch nicht an die nächste Generation vermittelt werden können. Bereits im Rahmen von anonymisierten TED-Umfragen z. B. bei bisherigen Kursen und den Hernientagen scheinen hier besonders die netzfreien Techniken auch bei den Chirurgen selbst mehr nachgefragt zu werden als sie derzeit in der chirurgischen Realität angeboten werden.

Heutzutage bestehen neben der chirurgischen Weiterbildung mittels Demonstrationen und Supervisionen zahlreiche weitere methodische Trainingsmöglichkeiten wie E-Learning, Videos, Simulation-Based- und Hands-On-Kurse, Simulationsmodellen und anderen virtuellen Technologien [15, 19-26].

Analyse des Weiterbildungsbedarfs

2014 hat die Deutsche Herniengesellschaft in Kooperation mit dem Berufsverband der Deutschen Chirurgen eine breit angelegte Online-Umfrage unter den Chirurgen zur Zukunft der hernienchirurgischen Weiterbildung durchgeführt. Insgesamt 1.296 Chirurgen in Deutschland haben an dieser Befragung teilgenommen. Die überwiegende Mehrheit (mehr als 80 %) der Befragten hält die Etablierung einer systematischen, stufenweisen und standardisierten Weiterbildung für sinnvoll bzw. sehr sinnvoll.

Entwicklung der Hernienschule

Aufgrund der Analyse des Weiterbildungsbedarfes entwickelte die DHG in Zusammenarbeit mit dem BDC in Deutschland die Hernienschule. Diese beinhaltet die drei Module Hernie Kompakt, Hernie konkret und Hernie komplex. Alle Kursmodule sind überwiegend praktisch orientiert.

Der dreitägige Basiskurs Hernie kompakt richtet sich vor allem an chirurgische Weiterbildungsassistenten, ist jedoch auch für erfahrene Chirurgen geeignet, die ein grundlegendes Update auf dem Gebiet der Hernienchirurgie erhalten möchten. Hernie kompakt beinhaltet die folgenden Bausteine (Tab.1):

Tab.1: Hernie kompakt Bausteine

Tag

Inhalte

Ort

1

  • Anatomie Grundlagen
  • Pelvitrainer-Übungen
  • Sonografie der Hernien
  • Kadaver-Operationen in Kleingruppen

Anatomisches Institut/Universität

2

Hands-On-Kurs im OP in Kleingruppen

ca.10 regionale Hospitationszentren

3

Theorie: State-of-the-Art-Lectures durch international renommierte Hernienexperten

Kongresszentrum

Seit 2011 wurden in Deutschland und seit 2014 auch in Österreich die Basiskurse Hernie kompakt für jeweils 50 Teilnehmer etabliert. Die deutschsprachigen Basiskurse fanden bisher jährlich wechselnd in Berlin, Hamburg, Köln und München sowie in Salzburg in Österreich statt. Durch Anbindung dieser Hernie kompakt Kurse an große Hernienveranstaltungen ist es gelungen, dass mehr junge Chirurginnen und Chirurgen an großen Hernienkongressen teilnehmen und somit frischen Wind in die Hernienchirurgie bringen.

Hernie kompakt steht unter Schirmherrschaft zahlreicher chirurgischer Verbände wie DHG, BDC, BNC, DGCH und DGAV und wird seitens der regionalen Ärztekammern zertifiziert. Begleitend zum Kurs erhalten alle Kursteilnehmer ein ausführliches Skript und voraussichtlich ab 2019 das begleitende Buch zur Hernienschule. Alle Teilnehmer des Hernie kompakt -Kurses erhalten auf Wunsch eine einjährige kostenfreie Mitgliedschaft in der DHG und somit auch einen Online Zugang zur Zeitschrift „Hernia“.

Die weiteren Stufen der Hernienschule konnten mit dem Modul Hernie konkret seit 2016 und Hernie komplex seit 2018 in Deutschland etabliert werden.

Hernie konkret richtet sich vor allem an Fachärzte für Chirurgie und soll in speziellen Operationstechniken weitergehende vor allem praktische Kenntnisse und Standards vermitteln. Das Modul Hernie konkret beinhaltet 1,5-tägige Hospitationen in renommierten Hernienzentren in den drei Themengebieten:

  • offene Leistenhernienchirurgie (SHOULDICE, DESARDA, LICHTENSTEIN, TIPP)
  • endoskopische Leistenhernienchirurgie (TAPP, TEP)
  • offene und endoskopische Ventralhernienchirurgie (Sublay, IPOM, MILOS)

Hernie komplex wird erstmals mit einem theoretischen Teil am 21. Juni 2018 anlässlich der Jahrestagung der Deutschen Herniengesellschaft in Hamburg angeboten. Dieses Modul besteht aus einem theoretischen Teil sowie praktischen Hospitationen und richtet sich vor allem an Fachärzte mit speziellem Interesse an der Hernienchirurgie. Dabei sollen vor allem folgende Themengebiete besonders berücksichtigt werden:

  • Rezidivhernien und Mehrfachrezidive,
  • Chronische Schmerzen,
  • Komplexe und Loss-of-Domain- Hernien inkl. Komponentenseparation,
  • Parastomale Hernien und
  • Infekt- und Komplikationsmanagement.

Evaluation der bisherigen Kurse

Aufgrund der bisher fehlenden Erfahrungswerte nimmt die kontinuierliche Evaluation der Kursmodule einen wesentlichen Anteil für die Weiterentwicklung dieser Kurse ein. Zusätzlich führt eine systematische Befragung der Kursteilnehmer zu einer kontinuierlichen Anpassung der Kursinhalte an die künftigen Bedürfnisse. Die Evaluation der bisherigen Kurse zeigte, dass sowohl theoretische Kenntnisse als auch praktische Fähigkeiten der Kursteilnehmer durch diese Weiterbildungskurse deutlich verbessert werden können.

Internationaler Modellcharakter

International wurde der Basiskurs seit 2014 auch in Salzburg/Österreich in zweijährigem Turnus umgesetzt. 2017 fand der erste englischsprachige Hernia-Compact-Course im Rahmen des Europäischen Hernienkongress in Wien statt. Das Hernie kompakt -Konzept ist inzwischen ein wichtiger Baustein der European Hernia School der Europäischen Herniengesellschaft (EHS). Mehrere Europäische Länder haben großes Interesse einen gleichartigen Hernien-Basiskurs in ihren Ländern zu entwickeln. Somit ist Hernie kompakt inzwischen ein hernienchirurgischer Weiterbildungskurs mit internationalem Modellcharakter.

Nächste Kurse

  • Die nächsten Hernie kompakt-Kurse finden vom 22. bis 24. Oktober 2018 in Salzburg/Österreich und vom 22. bis 24.Januar 2019 in Berlin statt.
  • Ein englischsprachiger Hernia-Compact-Course ist begleitend für den Europäischen Hernienkongress im September 2019 in Hamburg vorgesehen.
  • Alle Informationen zu den Hernie konkret-Kursen finden Sie auf der Homepage der BDC-Akademie.
  • Hernie komplex wird erstmals am 21.Juni 2018 in Hamburg stattfinden.

Informationen und Anmeldung…

Stechemesser B, Reinpold W, Lorenz R. Die Hernienschule – Hernienchirurgische Weiterbildung mit internationalem Modellcharakter. Passion Chirurgie. 2018 April, 8(04): Artikel 03_02.

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