Alle Artikel von Jörg Heberer

Das Ende der variablen Beteiligung für Chefärzte

Was bedeuten die Regelungen des § 135 c SGB V und 23 MBO?

Problemstellung

Im SGB V und in der Musterberufsordnung für Ärzte (MBO) finden sich mit dem § 135 c SGB V und dem § 23 MBO Regelungen, die dazu verleiten könnten, die variable Beteiligung der Chefärzte bzw. Krankenhausärzte auf dasjenige zu beschränken, was in keiner Weise auch nur im Ansatz einen wirtschaftlichen Anreiz für die Erbringung ärztlicher Leistungen darstellt.

§ 135 c SGB heißt im Wortlaut wie folgt:

„(1) Die Deutsche Krankenhausgesellschaft fördert im Rahmen ihrer Aufgaben die Qualität der Versorgung im Krankenhaus. Sie hat in ihren Beratungs- und Formulierungshilfen für Verträge der Krankenhäuser mit leitenden Ärzten im Einvernehmen mit der Bundesärztekammer Empfehlungen abzugeben, die sicherstellen, dass Zielvereinbarungen ausgeschlossen sind, die auf finanzielle Anreize insbesondere für einzelne Leistungen, Leistungsmengen, Leistungskomplexe oder Messgrößen hierfür abstellen. Die Empfehlungen sollen insbesondere die Unabhängigkeit medizinischer Entscheidungen sichern.

(2) Der Qualitätsbericht des Krankenhauses nach § 136b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 hat eine Erklärung zu enthalten, die unbeschadet der Rechte Dritter Auskunft darüber gibt, ob sich das Krankenhaus bei Verträgen mit leitenden Ärzten an die Empfehlungen nach Absatz 1 Satz 2 hält. Hält sich das Krankenhaus nicht an die Empfehlungen, hat es unbeschadet der Rechte Dritter anzugeben, welche Leistungen oder Leistungsbereiche von solchen Zielvereinbarungen betroffen sind.“

§ 23 MBO lautet wie folgt:

„(1) Die Regeln dieser Berufsordnung gelten auch für Ärztinnen und Ärzte, welche ihre ärztliche Tätigkeit im Rahmen eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses oder öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses ausüben.

(2) Auch in einem Arbeits- oder Dienstverhältnis darf eine Ärztin oder ein Arzt eine Vergütung für ihre oder seine ärztliche Tätigkeit nicht dahingehend vereinbaren, dass die Vergütung die Ärztin oder den Arzt in der Unabhängigkeit ihrer oder seiner medizinischen Entscheidungen beeinträchtigt.“

Insbesondere diese Regelungen lassen den Eindruck entstehen, dass keinerlei wirtschaftlicher Anreiz mehr gestattet ist, der im Zusammenhang mit der Erbringung ärztlicher Leistungen steht. Dass dem aber nicht so ist, wird eigentlich einheitlich so gesehen. So darf verwiesen werden auf einen Artikel im Deutschen Ärzteblatt vom 08.11.2013, in dem beispielsweise es durchaus als angemessen angesehen wird, wenn ein Chefarzt nach wie vor Bonuszahlungen für Erlöse aus ambulanten und stationären Wahlleistungen erhält.

Hier ist folgendes zu lesen:

Bonuszahlung für Erlöse aus ambulanten und stationären Wahlleistungen:

Bewertung: Akzeptabel, wenn die den Erlösen aus ambulanten und stationären Wahlleistungen zugrundeliegenden medizinischen Indikationsstellungen nicht durch ökonomisches Denken in Bezug auf Erlössteigerung beeinflusst werden (Faustregel, 3. Kriterium) [1]

Wie aus dieser Veröffentlichung deutlich wird, ist also nicht jeder wirtschaftliche Anreiz von vornherein verboten. An dieser Stelle schließt sich die Stellungnahme der Koordinierungsstelle der Bundesärztekammer und des Verbandes der Leitenden Krankenhausärzte an, die beispielsweise das Erreichen eines bestimmten Unternehmensziels als akzeptabel erachten, wenn die medizinische Indikationsstellung für die erbrachten Leistungen nicht durch Erlössteigerungsdenken beeinflusst wird (Faustregel). [2]

Insofern besteht also ein durchaus von den Autoren geteilter Konsens, dass nicht jedweder ökonomischer Anreiz bei der Erbringung von medizinischen Leistungen zu verurteilen ist.

Intransparenz der Darstellung

Problematisch wird die gesamte Angelegenheit eigentlich nur deshalb, dass offensichtlich bei der Beurteilung des Zulässigen bzw. des Unzulässigen kein roter Faden zu verzeichnen ist, was insbesondere in der Praxis dazu führt, dass beispielsweise Krankenhausträger an ihre Chefärzte mit dem Wunsch herantreten, eine Beteiligung an den DRGs aufzukündigen, weil diese angeblich gegen § 135 c SGB V bzw. gegen die Musterberufsordnung verstößt und sich dies auch aus den entsprechenden Stellungnahmen der vorbenannten Stellen ergibt.

In der Tat ist beispielsweise im Deutschen Ärzteblatt in einer Stellungnahme zu lesen, dass der Umstand, dass ein Chefarzt eine Prämie von 10 % des jeweiligen DRG-Betrages der von ihm vorgenommenen operativen Eingriffe erhält, abzulehnen ist, da diese Zielvereinbarung dem Wortlaut des ehem. § 136 a SGB V, jetzt § 135 c SGB V, widerspricht. [3]

Nun ist dem § 135 c SGB V mitnichten explizit zu entnehmen, dass eine Beteiligung an den DRG-Erlösen untersagt wäre. § 135 c SGB V stellt lediglich einen abstrakten Rahmen dar, der ausgekleidet werden muss. Und an dieser Stelle darf einmal kritisch von den Autoren gefragt werden, wo denn der qualitative Unterschied zu sehen ist, ob ein Chefarzt an den ambulanten und stationären Wahlleistungen beteiligt wird oder an den jeweiligen DRG-Beträgen. Beides ist nach Auffassung der Autoren akzeptabel, wenn man die Ärzteschaft nicht unter einen Generalverdacht stellt, dass eine Indikationserweiterung allein aus ökonomischen Interessen des handelnden Arztes erfolgt.

Genau diese Unterscheidung unternimmt ja auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Bundesärztekammer, wenn sie beispielsweise Bonuszahlungen für Erlöse aus ambulanten und stationären Wahlleistungen als zulässig erachten, wenn dieser ökonomische Anreiz nicht zur Ausweitung der zugrundeliegenden Indikationen führt. Nun sei den Autoren die etwas pointierte Anmerkung gestattet, dass man sich doch seitens der handelnden Institutionen entscheiden möge, ob man die deutsche Ärzteschaft unter den Generalverdacht stellt, dass ökonomisches Handeln das ärztliche Tun bestimmt, wie sicherlich nicht, oder aber man grundsätzlich den Ärzten insofern ein gewisses Vertrauen entgegenbringt, dass für sie nach wie vor das Wohl des Patienten entscheidend ist und nicht die Schwere des eigenen Geldbeutels. Wenn man sich aber bei der Betrachtung der einzelnen Ziele davon leiten lässt, dass man den Ärzten ­ zu Recht ­ vertraut, so ist in der Tat nicht einzusehen, weshalb eine DRG-Beteiligung unzulässig sein sollte, aber eine Beteiligung an den stationären Wahlleistungen zulässig.

Noch abstruser wird es insbesondere im Hinblick auf das Wohl des Patienten, wenn man sich vor Augen führt, dass beispielsweise ein Ziel zulässig sein soll, das einen Bonus auslobt, wenn man die Verweildauer auf 90 % bzw. auf 85 % des Katalogwertes unterschreitet. Dieses Zielvereinbarungselement ist nach Auffassung der handelnden Gremien nur dann akzeptabel, wenn die Verweildauerreduktion medizinisch begründet ist und unter Beachtung der Faustregel (keine ökonomischen Interessen!) erreicht wird.

Auch an diesem Ziel wird sehr schön deutlich, dass man ja dem Arzt auch hier durchaus vertraut und begründet, dass dieses Ziel dann zulässig ist, wenn der Arzt aus rein medizinischen Überlegungen handelt. Dieses Postulat des Wohles des Patienten wird auch hier also durchaus als wichtig erachtet. Es wird aber auch an dieser Stelle dem Arzt durchaus zugetraut, dass er seine eigenen ökonomischen Interessen hinten anstellt, wenn das Wohl des Patienten betroffen ist.

Wollte man diese Darstellungen und Stellungnahmen als Doppelmoral brandmarken, würde man sicherlich zu weit gehen. Die Forderung der Autoren geht vielmehr dahin, dass man der deutschen Ärzteschaft durchaus zutraut und auch vertraut, dass sie das Wohl der Patienten nicht aus den Augen verliert. Wollte man die Ärzte unter Generalverdacht stellen, so möge man dann doch bitte konsequent sein und sämtliche variablen Boni, die in irgendeiner Art und Weise mit der Leistungserbringung am Patienten in Zusammenhang stehen, abschaffen. Wenn man aber hier punktuelle Schwerpunkte setzt und dies damit rechtfertigt, dass der Arzt im konkreten Handeln nicht durch ökonomische Interessen geleitet wird, so muss dies eigentlich für das gesamte ärztliche Handeln gelten. Insofern verbietet es sich nach Auffassung der Autoren eine Art rote Linie festzustellen, die sich nach Auffassung der Autoren willkürlich darstellt. Denn die einzelne Gewichtung der Ziele als zulässig und unzulässig ist zumindest mit juristischem Augenmaß nicht mehr begründbar.

Gerade das Recht zur Erbringung wahlärztlicher Leistungen bzw. die Beteiligung der Chefärzte daran ist ein Aspekt, der seit Jahrzehnten in der Deutschen Krankenhauslandschaft Fuß gefasst hat und geradezu die variable Vergütung Nr. 1 darstellt. Auch zu Zeiten, als Chefärzte an großen Häusern durchaus erheblich mehr Einnahmen aus der Abrechnung wahlärztlicher Leistungen erzielt haben, als dies heute üblich ist, ging kein Aufschrei durch die Republik, dass die Indikation bei der Behandlung von Privatpatienten allein aufgrund ökonomischer Interessen erfolgt ist. Der Gesetzgeber mag sich daher von den Verfassern dieses Artikels eine gewisse Augenwischerei unterstellen lassen.

Dass dies tatsächlich ein berechtigter Vorwurf ist, macht beispielsweise auch die Regelung des § 136 b SGB V deutlich. Dieser lautet wie folgt:

„(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss fasst für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patientinnen und Patienten auch Beschlüsse über

  1. die im Abstand von fünf Jahren zu erbringenden Nachweise über die Erfüllung der Fortbildungspflichten der Fachärzte, der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten,
  2. einen Katalog planbarer Leistungen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, sowie Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Standort eines Krankenhauses oder je Arzt und Standort eines Krankenhauses und Ausnahmetatbestände,
  3. Inhalt, Umfang und Datenformat eines jährlich zu veröffentlichenden strukturierten Qualitätsberichts der zugelassenen Krankenhäuser,
  4. vier Leistungen oder Leistungsbereiche, zu denen Verträge nach § 110a mit Anreizen für die Einhaltung besonderer Qualitätsanforderungen erprobt werden sollen,
  5. einen Katalog von Leistungen oder Leistungsbereichen, die sich für eine qualitätsabhängige Vergütung mit Zu- und Abschlägen eignen, sowie Qualitätsziele und Qualitätsindikatoren.

§ 136 Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Der Verband der Privaten Krankenversicherung, die Bundesärztekammer sowie die Berufsorganisationen der Pflegeberufe sind bei den Beschlüssen nach den Nummern 1 bis 5 zu beteiligen; bei den Beschlüssen nach den Nummern 1 und 3 ist zusätzlich die Bundespsychotherapeutenkammer zu beteiligen.“

Führt man sich die Regelungen des § 136 b Abs. 1 1 Nr. 2 SGB V vor Augen, so wird nunmehr vom Gesetzgeber vorgeschlagen, dass der gemeinsame Bundesausschuss gewisse Mindestmengen vorschreibt, die für die Erbringung gewisser ärztlicher Leistungen notwendig sind. Mit anderen Worten schafft der Gesetzgeber hier von sich aus bereits einen Anreiz, wollte man den Ärzten böswilliges Handeln unterstellen, dass gewisse Mindestmengen erreicht werden, um die Leistung zukünftig erbringen zu können. Davon hängen dann auch der wirtschaftliche Erfolg der jeweiligen Abteilung und des Krankenhauses ab und damit realiter auch die Existenz des Chefarztes. Denn aus der anwaltlichen Praxis ist es gerade der Trennungsgrund Nr. 1, insbesondere in der privaten Krankenhausträgerlandschaft, wenn der Chefarzt neu deutsch nicht so „performt“, wie sich dies der Krankenhausträger wünscht. Insofern hängt nicht nur ein gewisser Anteil der Vergütungskomponente des Chefarztes am wirtschaftlichen Erfolg seiner Abteilung und des ganzen Krankenhauses, sondern seine gesamte Existenz in diesem Krankenhaus. Denn nicht selten wird der Trennungswunsch des Krankenhausträgers manifest, wenn die Umsatzzahlen der Abteilung sinken. Auch dies macht wiederum deutlich, wie vollkommen an der Realität vorbei die gesetzliche Regelung des § 135 c SGB V ist. Denn wenn man dem Arzt unterstellt, dass das Postulat seines Handelns nicht das Wohl des Patienten, sondern das Wohl der eigenen Person in wirtschaftlicher Hinsicht ist, dann müsste man in der Konsequenz die Uhren auf „Null“ stellen und das Gesundheitswesen vollständig verstaatlichen, sich von der Idee der wirtschaftlichen Krankenversorgung verabschieden und letztlich diese als dasjenige sehen, was sie nämlich tatsächlich ist, ein Grundbedürfnis im Zusammenhang mit der Versorgung der Bevölkerung.

Fazit

Insgesamt wollen die Autoren nicht missverstanden werden. Selbstverständlich hat in der Vergangenheit der ein oder andere Skandal dazu geführt, dass man hier argwöhnisch werden kann. Was die Gesetzgebung aber nunmehr mit § 135 c SGB V verabschiedet hat, ist in sich nicht kongruent. Insbesondere aber auch die Ausgestaltung durch die entsprechenden Vorschläge der Deutschen Krankenhausgesellschaft und des Gemeinsamen Bundesausschusses sind in sich nicht nachvollziehbar und schlüssig. Hier wird punktuell gewichtet. Es wird vereinzelt den Ärzten unterstellt, dass hier der wirtschaftliche Anreiz im Vordergrund steht, wenngleich man bei letztlich fast gleichartigen Vergütungsbestandteilen andererseits dem Arzt durchaus zutraut, das eigene Handeln nicht unter das Postulat des eigenen wirtschaftlichen Erfolges zu stellen.

Der Gesetzgeber selbst hat beispielsweise mit der Vorgabe von gewissen Mindestmengen dazu Anlass gegeben, dass hier möglicherweise schräge Anreize bei der Leistungserbringung von vornherein vorgesehen sind.

Ganz klar muss aber betont werden, dass ein Verstoß gegen die Regelung des § 135 c SGB V letztlich mehr oder weniger unbeachtlich ist. Denn die Regelung des § 135 c Abs. 2 SGB V macht ja deutlich, dass man eine Nichteinhaltung der entsprechenden Empfehlungen nur im Qualitätsbericht veröffentlichen muss. Die Regelung des § 23 MBO führt auch nicht dazu, dass hier etwas anderes gilt.

Denn entweder ist § 23 MBO der Tod jeglicher variabler finanzieller Beteiligung im direkten Zusammenhang mit der Leistungserbringung am Patienten oder aber nicht. Insofern verbietet sich eine qualitative Abstufung beispielsweise im Zusammenhang mit der Erbringung wahlärztlicher Leistungen und einer Beteiligung an den DRGs.

Ein direktes striktes Verbot der in Rede stehenden Chefarzt-Boni ist daraus nicht zu entnehmen und dürfte im Übrigen auch verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt sein.

Alles in allem appellieren daher die Verfasser dieses Artikels dafür, mit einem gewissen Augenmaß zu agieren, insbesondere was die Gestaltung von Chefarztdienstverträgen angeht. Sie verwahren sich insbesondere dagegen, dass man einen punktuellen Generalverdacht gegen die deutsche Ärzteschaft durch Empfehlungen manifestiert, die bei näherer Betrachtung in sich alles andere als kongruent sind.

Literatur

[1] vgl. Flintrop, Deutsches Ärzteblatt, Jg. 110, Heft 45, 08.11.2013, A2108 ff.
[2] Deutsches Ärzteblatt 13. November 2015, DOI: 10.3238/aerztebl.2015.zielvereinbarung2015_01
[3] vgl. Flintrop, a.a.O.

Heberer J. / Hüttl P. Das Ende der variablen Beteiligung für Chefärzte. Passion Chirurgie. 2017 Juli, 7(07): Artikel 04_09.

F&A: Wahlfreiheit des Krankenhauses eines BG-Patienten eingeschränkt

Frage:

Ein niedergelassener Chirurg fragt an, ob die Wahlfreiheit eines BG-Patienten hinsichtlich des Krankenhauses eingeschränkt ist, wenn es sich um eine Verletzung im Rahmen des Verletzungsartenverfahrens handelt.

Antwort:

Das Verletzungsartenverfahren (VAV) findet Anwendung bei bestimmten schweren Verletzungen eines BG-Patienten. Der Verletzte benötigt deshalb eine sofortige besondere unfallmedizinische Behandlung, sodass eine Vorstellungspflicht in speziellen, für das Verletzungsartenverfahren zugelassenen Krankenhäusern besteht. Dies bedeutet zum einen, dass der niedergelassene Arzt die Vorstellungspflicht im Rahmen des berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens zu beachten hat, sodass er gemäß § 37 Abs. 1 Vertrag Ärzte/UV-Träger dafür zu sorgen hat, dass der Unfallverletzte unverzüglich in ein von den Landesverbänden der DGUV am VAV beteiligtes Krankenhaus überwiesen wird.

Eine Ausnahme von der Überweisungsverpflichtung ist nach Ansicht des Verfassers lediglich dann gegeben, wenn es sich in den in den Erläuterungen zu Nummer 8 des Verletzungsartenverzeichnisses mit einem „(V)“ gekennzeichneten Fällen bei dem behandelnden Arzt um einen Handchirurgen handelt, der an der Behandlung Unfallverletzter von einem Landesverband der DGUV beteiligt ist oder in den in den Erläuterungen zu Nummer 8 des Verletzungsartenverzeichnisses mit einem „(S)“ gekennzeichneten Fällen, wenn die Behandlung in einer von den Landesverbänden der DGUV beteiligten handchirurgischen Spezialeinrichtung erfolgt (§ 37 Abs. 3 Vertrag Ärzte/UV-Träger).

Nach Vorstellung im Krankenhaus obliegt sodann die Entscheidung, ob eine stationäre oder ambulante Behandlung erforderlich ist, dem am Krankenhaus tätigen Durchgangsarzt. Dieser trifft seine Entscheidung nach Art oder Schwere der Verletzung. Insofern ist bei einem BG-Patienten aus Sicht des Verfassers aufgrund der Besonderheiten der gesetzlichen Unfallversicherung das Wahlrecht des Patienten zulässigerweise eingeschränkt, insbesondere wenn es sich um ein VAV handelt. Er muss sich hier durch ein am VAV zugelassenes Krankenhaus behandeln lassen, sofern nicht ein Ausnahmefall des § 37 Abs. 3 vorliegt. Im Rahmen einer D-Arzt-Behandlung hat der Patient lediglich unter den zugelassenen D-Ärzten die freie Arztwahl

Heberer J. F+A: Wahlfreiheit des Krankenhauses eines BG-Patientenen eingeschränkt. Passion Chirurgie. 2017 Juli; 7(07): Artikel 04_11.

Der Kooperationsarzt – aus juristischer Sicht eine geeignete Alternative zum Belegarzt?

Der Belegarzt ist die seit langem etablierte und gesetzlich normierte Möglichkeit der sektorenübergreifenden Kooperation zwischen niedergelassenem Arzt und Krankenhaus. In vielen Fällen wurde er jedoch – insbesondere aus finanziellen Motiven – zwischenzeitlich von Kooperationsarzt, oder auch Honorararztmodellen abgelöst.

Gleichzeitig haben sich jedoch zunehmend erhebliche rechtliche Hürden für die Kooperationsarztmodelle ergeben, die die Vertragspartner dazu zwingen, die Verträge den neuen Anforderungen anzupassen. Insbesondere die Neuregelungen durch das Antikorruptionsgesetz werden von Krankenhausträgern zunehmend genutzt, um bestehende vertragliche Regelungen zu kündigen und durch neue Verträge mit in der Regel deutlich schlechteren Konditionen für die externen Ärzte zu ersetzen.

Die rechtlichen Unterschiede zwischen Kooperationsarzt und Belegarzt

Bei dem Kooperationsarzt oder auch Honorararzt handelt es sich um einen externen Arzt, der mit dem Krankenhausträger im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses zusammenarbeitet und gleichzeitig häufig in niedergelassener Praxis arbeitet oder aber auch an weiteren Standorten als Kooperationsarzt tätig ist. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) können Krankenhausleistungen auch durch nicht fest angestellte Ärztinnen und Ärzte erbracht werden. Hier ist also der Kooperationsarzt, wenn auch nur rudimentär, gesetzlich normiert. Weitergehende Regelungen, die die Rechte und Pflichten des Kooperationsarztes festlegen, sind im Gesetz jedoch nicht vorhanden. Ausdrücklich nicht zu den Krankenhausleistungen gehören gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG hingegen die Leistungen der Belegärzte. Dieser nimmt gem. § 121 Abs. 3 SGB V, § 18 Abs. 1 KHEntgG an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Sie rechnen ihre ärztlichen Leistungen also über die KV ab. Zwar ist es gem. § 121 Abs. 5 SGB V, § 18 Abs. 3 KHEntgG, ebenfalls möglich, dass auch der Belegarzt im Rahmen einer Honorarvereinbarung mit dem Krankenhausträger tätig wird. Dieses Modell hat sich in der Praxis jedoch nicht durchgesetzt, da nach den gesetzlichen Vorgaben gleichzeitig das Hauptabteilungs-DRG auf 80 % reduziert wird.

Kooperationsarzt versus Belegarzt

Die Vorteile des Kooperationsarztmodells liegen klar auf der Hand:

Der Krankenhausträger erhält das volle Hauptabteilungs-DRG im Gegensatz zum reduzierten Beleg-DRG. Gleichzeitig tritt der Kooperationsarzt gegenüber dem Patienten als Arzt des Krankenhauses auf, welches hierdurch sein Leistungsspektrum ausweiten und mit diesen Spezialisten werben kann. Er muss aber dennoch im Unterschied zum angestellten Arzt für den freiberuflichen Honorararzt keine Sozialabgaben leisten, keine Zahlungen im Krankheitsfall oder im Urlaub leisten und keinen Kündigungsschutz beachten. Diese Vorteile werden jedoch zunehmend relativiert.

So ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 16.10.2014, Az. III ZR 85/14) dem Kooperationsarzt nicht erlaubt, mit Wahlleistungspatienten Vereinbarungen über die Behandlung gegen Privatrechnung abzuschließen. Diese Möglichkeit sei nach den zwingenden Vorgaben des § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG angestellten Ärzten des Krankenhauses vorbehalten.

Des Weiteren sieht sich der Krankenhausträger nicht selten mit dem Vorwurf der Scheinselbständigkeit von Kooperationsärzten konfrontiert. Aufgrund der häufigen faktischen Weisungsgebundenheit in Bezug auf Dauer und Lage der Arbeitszeit sowie Inhalt der Tätigkeit läuft er deshalb Gefahr, dass die Sozialversicherungsträger von ihm die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen (rückwirkend) fordern.

Auch die Gefahr des Vorwurfs der Zuweisung von Patienten gegen Entgelt stellt ein nicht unerhebliches Risiko dar, welches beim Belegarzt nicht vorhanden ist. Wenn nämlich niedergelassene Ärzte Patienten in das Krankenhaus einweisen und diese dort im Rahmen eines Kooperationsvertrages selbst gegen Honorar operieren, kann dies einen Verstoß gegen den neuen Antikorruptionsparagraphen § 299a des Strafgesetzbuch und des Berufsrechts darstellen. Geprüft wird hierbei die Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung, die im Einzelfall nicht leicht zu bestimmen ist und Sache zukünftiger Rechtsprechung sein wird. Von dem Wert der INeK-Kalkulation für den jeweiligen Anteil des Arztlohnes am DRG bis zur GOÄ-Berechnung der ärztlichen Leistung gibt es eine Bandbreite von Ansatzpunkten, um dem Sonderstatus des freiberuflichen Honorararztes und dessen angemessenen Honoraranspruch gerecht zu werden.

Im Gegensatz dazu hat der gesetzlich weitgehend legitimierte Belegarzt diese Probleme kaum. Da er nach der Definition schon keine Krankenhausleistungen erbringt, ist weder die Scheinselbständigkeitsproblematik relevant, noch ist eine Zuweisung gegen Entgelt hier gegeben, da er vom Krankenhausträger keine direkte Vergütung erhält (von denkbaren Konstellationen im Rahmen des vorgenannten, bisher aber nicht praxisrelevanten Honorarvertragsmodells abgesehen).

Lediglich die Behandlung von Wahlleistungspatienten ist auch bei ihm problematisch. Privatleistungen kann auch der Belegarzt nach herrschender Meinung nur dann erbringen, wenn es sich um reine Privatpatienten handelt oder aber ein schriftlicher Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient im Sinne des § 18 Abs. 8 Nr. 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte abgeschlossen wurde.

Fazit

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass das Kooperationsarztmodell im Hinblick auf die in der Regel höhere Vergütung und die flexiblere Vertragsgestaltung einerseits klar im Vorteil gegenüber dem Belegarzt ist. Dieser Vorteil wird sich jedoch durch größere Rechtsunsicherheit im Vergleich zur belegärztlichen Variante „erkauft“.

Aus unserer Sicht ist deshalb für die weitere Entwicklung beider Modelle maßgeblich entscheidend, welche Gestaltungsspielräume die Rechtsprechung den Kooperationsarztmodellen zukünftig belassen wird. Nach derzeitigem Stand hat das Belegarztwesen jedoch keinesfalls schon ausgedient.

Heberer J. / Butzmann O. Der Kooperationsarzt – aus juristischer Sicht eine geeignete Alternative zum Belegarzt? Passion Chirurgie. 2017 April, 7(04): Artikel 04_08.

Frage & Antwort: Sozialabgaben bei Klinik-Rufbereitschaft niedergelassener Ärzte

Frage:

Ein niedergelassener Chirurg fragt an, ob seine Einbindung in den Rufbereitschaftsdienst einer Klinikabteilung als abhängige Beschäftigung oder als selbständige Tätigkeit zu qualifizieren sei. Hiervon nämlich sei abhängig, ob Sozialabgaben abzuführen sind.

Antwort:

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat in einem ähnlichen Fall mit Beschluss vom 20.08.2015 entschieden, dass ein niedergelassener Arzt, der nach dem zwischen ihm und dem Krankenhaus geschlossenen Vertrag in die Rufbereitschaft einer Sektion einer Abteilung eines Krankenhauses eingebunden ist, abhängig beschäftigt ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.08.2015, Az.: L 4 R 1001/15). Im hier angesprochenen Fall handelte es sich um einen Facharzt für Allgemeinchirurgie und Facharzt für Kinderchirurgie, der zuvor bei dem Krankenhaus angestellt gewesen ist. Nachdem er in eigener Praxis selbständig arbeitete, schloss er aber einen Vertrag mit seinem vorherigen Arbeitgeber und vereinbarte, dass er an etwa zwei Wochenenden pro Monat in den Rufbereitschaftsdienst eingebunden wird. Die Parteien vereinbarten ausdrücklich im Vertrag, dass der niedergelassene Arzt seine Leistungen selbständig und höchstpersönlich zu erbringen habe. Zur Klärung der Frage, ob der niedergelassene Arzt während seiner Rufbereitschaft vom Krankenhaus abhängig beschäftigt wurde, hielt das Gericht jedoch nicht das für entscheidend, was die Parteien vereinbart hatten. Vielmehr sei das Gesamtbild der Arbeitsleistung ausschlaggebend. Hierbei sprächen aber sämtliche Umstände dafür, dass die ausgeübte Tätigkeit als Arzt im Rahmen der Rufbereitschaft in einem abhängigen und in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis erfolge. Denn der Arzt ist während seiner Rufbereitschaft insbesondere in den Betrieb des Krankenhauses eingegliedert und weisungsabhängig. Überdies ist der Arzt verpflichtet, dem Krankenhaus die bei Untersuchungen oder Behandlungen erhobenen Befunde, die sich daraus ergebenden Beurteilungen und die ärztlichen Unterlagen und Aufzeichnungen dem zuständigen leitenden Abteilungsarzt zur Aufnahme in die Krankengeschichte zur Verfügung zu stellen. Er habe auch in identischer Weise wie die angestellten Ärzte des Krankenhauses Zugang zu den erforderlichen EDV-Systemen des Krankenhauses und dieses stellt auch die zur Erbringung der Leistungen notwendigen Mittel (Personal, Räume, Einrichtungen, Gerätschaften und Material) zur Verfügung. All diese Regelungen führen nach Ansicht des LSG Baden-Württemberg in sachlicher, örtlicher und personeller Hinsicht zu einer engen Eingliederung des Arztes in den Betrieb des Krankenhauses. Die für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Indizien wie das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit wurden vom Gericht allesamt verneint.

Diese Rechtsprechung kann auf den angefragten Fall des niedergelassenen Chirurgen übertragen werden, da ein niedergelassener Arzt, der Bereitschaftsdienste im Krankenhaus wahrnimmt, typischerweise in den Betrieb eingegliedert wird. Insbesondere stellt dies jedoch für das Krankenhaus ein Problem dar, das für den Arzt Sozialabgaben abzuführen hat und trotz Vereinbarung einer selbständigen Tätigkeit im Nachhinein oftmals Rückforderungsansprüchen der Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung ausgesetzt ist.

Heberer J. Sozialabgaben bei Klinik-Rufbereitschaft niedergelassener Ärzte. Passion Chirurgie. 2016 November; 6(11): Artikel 08_01.

Frage & Antwort: Anspruch auf Zweitmeinungsverfahren

Frage:

Ein Chefarzt fragt an, ob GKV-Patienten bei allen Eingriffen Anspruch auf eine Zweitmeinung gemäß § 27 b SGB V haben.

Antwort:

Ein Anspruch des Patienten auf das Zweitmeinungsverfahren des § 27b SGB V besteht nur bei bestimmten medizinischen Eingriffen. Hierbei handelt es sich um planbare Eingriffe, bei denen insbesondere im Hinblick auf die zahlenmäßige Entwicklung ihrer Durchführung die Gefahr einer Indikationsausweitung nicht auszuschließen ist. Der Anspruch auf Zweitmeinung kann danach sowohl in der ambulanten als auch in der stationären Versorgung gegeben sein. Nach Sinn und Zweck dieser Gesetzesvorschrift geht es gerade darum, unnötige Operationen zu vermeiden, sodass aus Sicht des Verfassers hiervon auch nur operative Eingriffe betroffen sein können.

Es ist nach dem Gesetz Aufgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses diese Eingriffe in einer Richtlinie konkret festzulegen. Diese Richtlinie, die eigentlich bis zum 31.12.2015 hätte erlassen werden sollen, steht jedoch bislang immer noch aus und deren Verabschiedung ist im Moment nicht vorhersehbar, sodass die Frage, für welche planbaren und mengenanfälligen Eingriffe der Zweitmeinungsanspruch verbindlich sein soll, derzeit nicht beantwortet werden kann. Insofern kann auch der Anspruch auf Einholung einer Zweitmeinung und den damit einhergehenden gesonderten Aufklärungs- bzw. Informationspflichten für den Arzt nach Ansicht des Verfassers erst ab Erlass dieser Richtlinie greifen. Es bleibt somit aufmerksam zu beobachten, wann der G-BA die Zweitmeinungsrichtlinie erlässt.

Für alle anderen Eingriffe, die nicht in der Richtlinie festgelegt werden, besteht nach Auffassung des Verfassers kein Anspruch auf ein Zweitmeinungsverfahren nach § 27 b SGB V. Allerdings können GKV-Patienten auch hier eine zweite ärztliche Meinung einholen. Zu Lasten der GKV ist dies, meiner Ansicht nach, aber nur unter den Voraussetzungen möglich, dass zum einen der zweite Vertragsarzt über besondere Untersuchungs- und Behandlungsmethoden verfügt, sodass eine Überweisung nach § 24 Abs. 4 BMV-Ä zulässig sein muss und zum anderen muss die Einholung der Zweitmeinung medizinisch notwendig sein.

Heberer J. Anspruch auf Zweitmeinungsverfahren. Passion Chirurgie. 2016 Oktober; 6(10): Artikel 08_02.

Editorial: Die ärztliche Tätigkeit und ihre rechtlichen Verstrickungen

Warum entscheiden sich junge Menschen dazu, den Beruf des Arztes zu ergreifen? Hauptmotivation ist sicherlich der Gedanke, anderen Menschen zu helfen und somit im Dienste der Menschlichkeit tätig zu werden. Der Arztberuf genießt immer noch höchstes Ansehen innerhalb der Bevölkerung. Jedoch werden Ärzte im Laufe Ihres Arztlebens auch mit diversen Problemen konfrontiert werden, die diese Vorstellungen – unter Umständen erheblich – ins Wanken bringen können.

Nicht selten ergeben sich die Probleme aufgrund gesetzlich oder durch die Rechtsprechung auferlegter Pflichten bzw. neu aufgestellter oder geänderter Voraussetzungen für die Berufsausübung. Insbesondere das Arztrecht war in den letzten Jahrzehnten gerade von diversen Änderungen und Weiterungen betroffen. Dies gilt vor allem in Bezug auf ärztliche Kooperationen mit Dritten.

Eine sich möglicherweise gravierend auswirkende Veränderung könnte nunmehr durch das seit 04.06.2016 in Kraft getretene Antikorruptionsgesetz geschaffen worden sein. Seit der Veröffentlichung des ersten Gesetzentwurfes führt dieses bis heute zu massiver Verunsicherung in der Ärzteschaft. Von juristischer Seite her kann diese unter Umständen auch nicht immer vollständig beseitigt oder gemildert werden, da die Erteilung einer abschließend gesicherten Rechtsauskunft derzeit aufgrund der zum Teil noch auslegungsbedürftigen Tatbestandsmerkmale und der hierzu fehlenden strafrechtlichen Rechtsprechung nicht gewährleistet werden kann.

Aber auch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.10.2014 (Az.: II ZR 85/14) hat die Lage im Hinblick auf eine honorarärztliche Tätigkeit niedergelassener Ärzte verschärft. Denn hiermit wurde den freiberuflich tätigen Ärzten die Möglichkeit genommen, wahlärztliche Leistungen zu erbringen und abzurechnen. In der Folge kam es zu einer Welle an juristischem Beratungsbedarf, um die vielfachen Kooperationsverträge zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten auf ihre rechtliche Zulässigkeit zu prüfen bzw. die Zusammenarbeit an die neu aufgestellten Bedingungen anzupassen. In mehreren Fällen wurde beispielsweise eine Lösung in Form einer Teilzeitanstellung gewählt. Nun zeigt sich jedoch in der Praxis, dass mittlerweile einige private (Zusatz-)Krankenversicherungen die Berechtigung zur Erbringung und Liquidation wahlärztlicher Leistungen bei Teilanstellung des niedergelassenen Arztes verweigern. Dies mit der Argumentation, dass zum einen die Klinik unrechtmäßig das Liquidationsrecht auf beliebig viele Ärzte ausdehnen würde und zum anderen der für eine Wahlarztbehandlung vom BGH geforderte „Chefarztstandard“ durch eine Teilanstellung nicht eingehalten werden und der mit den Aufgaben eines Chefarztes bzw. eines leitenden Arztes verbundene Arbeitsaufwand gemessen an den Arbeitsstunden pro Woche nicht bewältigt werden könne. Damit ist vorherzusehen, dass dies zukünftig abermals die Gerichte beschäftigen wird und eine endgültige gerichtliche Klärung für die Rechtssicherheit unabdingbar ist. Somit bleibt die „honorarärztliche“ Tätigkeit mangels abschließender gerichtlicher Klärung diverser Punkte auch zukünftig problembehaftet.

Ebenso kann ein Arzt im Rahmen seiner originären ärztlichen Tätigkeit mit den juristischen Feinheiten in Berührung kommen, nämlich immer dann, wenn im Rahmen der ärztlichen Behandlung der Patient einen Schaden erleidet. Hier gilt es regelmäßig danach zu fragen, ob der Arzt den von ihm geschuldeten Facharztstandard eingehalten hat. Die Haftung für Behandlungsfehler betrifft vorwiegend die Rechtsgebiete des Zivil- und des Strafrechts. Beide können zu erheblichen Konsequenzen führen, sei es in Form einer Schadensersatz- und Schmerzensgeldklage oder in Form einer strafrechtlichen Verurteilung, bei der sowohl Geld- als auch Freiheitsstrafe drohen können. Es ist dem Arzt deshalb aus juristischer Sicht im Falle einer Konfrontation mit einem Behandlungsfehlervorwurf dringend zu empfehlen, sich so früh wie möglich hinsichtlich der Verhaltens- und Vorgehensweisen anwaltlich beraten zu lassen. Denn hier gibt es rechtlich zu beachtende Schritte bzw. Notwendigkeiten, die einem Arzt oftmals unbekannt sind.

Die folgenden Beiträge geben Ihnen einen detaillierten Einblick in die angesprochenen Themenbereiche. Sie werden erkennen, dass mit dem Arztberuf mannigfaltige juristische Herausforderungen verbunden sind, bei deren Bewältigung Sie jedoch nicht auf sich allein gestellt sind, sondern Ihnen selbstverständlich genügend im Medizinrecht tätige Fachanwälte mit Rat und Tat zur Seite stehen werden.

Ihr
Dr. jur. Jörg Heberer

Heberer J. Editorial: Die ärztliche Tätigkeit und ihre rechtlichen Verstrickungen. Passion Chirurgie. 2016 Juli-August; 6(07-08): Artikel 01.

Rechtliche Probleme beim Honorararzt

Die neuen §§ 299a und 299b des Strafgesetzbuches sind beschlossen und treten demnächst in Kraft. Sie regeln die Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen und weiten diese auf niedergelassene, freiberufliche Ärzte aus. Die honorarärztliche Tätigkeit kann hiervon ebenfalls betroffen sein.

Nach dem Wegfall der Möglichkeit zur Erbringung wahlärztlicher Leistungen durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 16.10.2014, Az. III ZR 85/14, bedeutet dies einen potentiellen weiteren „Stolperstein“ bei dieser Kooperation niedergelassener bzw. freiberuflicher Ärzte mit Krankenhäusern. In jedem Fall ist anzuraten, bestehende Verträge und Neuabschlüsse unter Berücksichtigung der neuen gesetzlichen Vorgaben einer kritischen Prüfung zu unterziehen.

Folgen der gesetzlichen Neuregelungen

Honarärztliche Tätigkeit in der Klinik

Insbesondere dann, wenn sich die honorarärztliche Tätigkeit des Arztes in der Klinik auf solche Patienten bezieht, die der Arzt ambulant vorbehandelt hat und bei denen er ggf. auch die stationäre Einweisung vorgenommen hat, ist dies relevant. Allerdings lässt sich der Begründung des Regierungsentwurfes zu den neuen Regelungen entnehmen, dass die Gewährung von Vorteilen, die ihren Grund ausschließlich in der Behandlung von Patienten oder anderen heilberuflichen Leistungen haben, den Tatbestand der Bestechung und Bestechlichkeit nicht erfüllt. Es muss sich vielmehr um eine verabredete Gegenleistung für die Zuweisung zwischen Krankenhausträger und Honorararzt handeln, um die Möglichkeit einer Strafbarkeit zu eröffnen.

Letztlich geht es nach der Gesetzesbegründung insbesondere darum, ob das Entgelt nicht entsprechend dem Wert der erbrachten heilberuflichen Leistung in wirtschaftlich angemessener Höhe nachvollziehbar festgelegt worden ist. Allerdings wird nicht ausdrücklich gesagt, was „angemessen“ ist.

Die Ausfüllung dieses unbestimmten Rechtsbegriffes muss deshalb durch die zukünftige Handhabung in der Praxis und Rechtsprechung erfolgen. Hierauf haben die Berufsverbände nur sehr eingeschränkt Einfluss, gefragt sind hier aber auch die Ärztekammern, die sich dahingehend positionieren müssen, welche Honorarbemessung sie für angemessen halten. Hier sollten durchaus die Ärzte selbst im Einzelfall tätig werden – insbesondere aus Eigeninteresse – da es häufig die Krankenhausträger sind, die mit Hilfe des Argumentes der Angemessenheit zunehmend versuchen, die Honorare zu drücken.

Anhaltspunkte für diese Angemessenheit können sich insbesondere aus den jeweiligen DRG ergeben, insbesondere aus dem Vergleich der DRG für die Behandlung in Hauptabteilungen und die Behandlung in Belegabteilungen. Die entsprechende Vergütungsdifferenz stellt letztendlich die Kosten des Operateurs und damit einen Anhaltspunkt für die angemessenen Kosten für ärztliche Leistungen dar.

Ein weiterer Anhaltspunkt in den Hauptabteilungs-DRG sind die kalkulatorisch enthaltenen Kosten für den Ärztlichen Dienst, die sich für jedes DRG auf Basis der InEK-Kalkulation ermitteln lassen.

Zu berücksichtigen ist dann jedoch auch, dass der Honorararzt als Freiberufler tätig ist und sämtliche Kosten und Abgaben selbst zu tragen hat. Bei den Kosten für den Ärztlichen Dienst muss deshalb nach diesseitiger Auffassung durchaus noch ein entsprechender Aufschlag hinzugerechnet werden.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Vorgaben wird man jedenfalls zu einer gewissen Verhandlungsbreite für das Honorar kommen, welches nach derzeitigem Stand als angemessen angesehen werden wird.

Eine weitergehende absolute Sicherheit für die definitive Vermeidung eines Vorwurfs der Zuweisung gegen Entgelt bzw. der Bestechlichkeit lässt sich nach derzeitigem Stand jedoch leider nicht gewährleisten.

Anstellung in Teilzeit

Die Gefahr des Vorwurfes der Zuweisung von Patienten gegen Entgelt betrifft auch solche niedergelassenen Ärzte, die teilzeitig im Krankenhaus angestellt sind und dort Patienten versorgen, die von ihnen selbst in das Krankenhaus eingewiesen worden sind. Diese Anstellungsverhältnisse sind zumeist mit einem variablen Vergütungsanteil versehen, der Arzt erhält DRG-Beteiligung oder aber auch das Liquidationsrecht. In Bezug auf die Frage der Angemessenheit der Vergütung bzw. des Vorwurfes von Vergütungsanteilen rein für die Zuweisung von Patienten gilt hier das für die Honorarärzte gesagte in gleicher Weise. Lediglich hinsichtlich der Beurteilung der Angemessenheit ist zu berücksichtigen, dass es sich nicht um freiberufliche Ärzte handelt, sondern Angestellte mit Sozialversicherungsansprüchen etc.

Vor-und nachstationäre Versorgung durch niedergelassene Ärzte

Auch bei der Einbindung niedergelassener Ärzte in die vor- und nachstationäre Versorgung kann der Korruptionsvorwurf im Raum stehen. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat hier mit einer Entscheidung vom 04.11.2014, Az.: L 5 KR 141/14 ER/B die Gefahren aufgezeigt. Vor- und nachstationäre Behandlungen seien demnach Teil der stationären Versorgung, die Delegation an Vertragsärzte im Rahmen von entsprechenden Kooperationsverträgen dürften keine Leistungen des ambulanten Spektrums enthalten. So sei beispielsweise die Vergütung für die Einweisung, den Arztbericht, die Abklärung der Narkosefähigkeit o. ä. als reine Zuweiserpauschale anzusehen, da sie eben nicht Bestandteil der vorstationären Leistung im Sinne des § 115a SGB V seien.

In ebensolcher Weise seien Leistungen außerhalb des Zeitfensters für die nachstationäre Versorgung, oder Röntgen- und Wundkontrollen, Fadenzug oder Verbandswechsel nicht entsprechende Leistungsbestandteile der stationären Versorgung. Hieraus schloss das LSG Baden-Württemberg direkt, dass diese Leistungen rein für die Zuweisung von Patienten gezahlt würden. Es ist deshalb auch im Rahmen derartiger Kooperationen zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhausträgern streng auf den Leistungsinhalt sowie die Angemessenheit der Vergütung zu achten, bestehende Kooperationen sind zu überprüfen.

Wahlleistungen und Scheinselbständigkeit bleiben weiterhin Problemkreise

Wahlärztliche Leistungen von Honorarärzten

Die Entscheidung des BGH (a.a.O.) war eindeutig: Vom Krankenhausträger nicht fest angestellte Honorarärzte, die im Krankenhaus Operationen durchführen, können ihre operative Tätigkeit gegenüber (Privat-) Patienten nicht als Wahlleistungen i. S. d. §17 Abs. 1 S. 1 KHEntgG erbringen und gesondert abrechnen.

Von einer weiteren Erbringung wahlärztlicher Leistungen durch Honorarärzte ist dringend abzuraten, da im Hinblick auf dieses Urteil nunmehr vom Vorsatz in Bezug auf die Erbringung rechtswidriger Leistungen auszugehen ist und damit ein Betrugstatbestand denkbar ist.

Scheinselbstständigkeit von Honorarärzten

Die sozialgerichtliche Rechtsprechung bestätigt zunehmend auch die Scheinselbständigkeit von im Krankenhaus tätigen Honorarärzten. So hat das Landessozialgericht Niedersachsen jüngst mit Urteil vom 16.12.2015, Az.: L 2 R 516/14 entschieden, dass Honorarärzte, die entsprechend ihrer ärztlichen Ausbildung in den klinischen Alltag eingegliedert sind und einen festen Stundenlohn erhalten, regelmäßig abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig seien. In dem dort entschiedenen Fall hatte eine Ärztin auf Basis eines Honorarvertrages einen Stundenlohn in Höhe von 60 Euro erhalten und die Behandlung zwar eigenständig geführt, das letzte Entscheidungsrecht hatte aber der Chefarzt. Sie arbeitete zudem im Team mit den im Krankenhaus tätigen weiteren Ärzten und dem nichtärztlichen Personal.

Wenn also ein Honorararzt in den Arbeits- und Organisationsablauf des Krankenhauses recht weitgehend eingebunden ist, so droht die Feststellung der Scheinselbständigkeit selbst dann, wenn er gleichzeitig als niedergelassener Arzt tätig ist.

Wählärztliche Leistungen von Belegärzten

Auch bei Belegärzten ist in Bezug auf wahlärztliche Leistungen Vorsicht geboten. Leistungen, die zum Leistungsumfang der Gesetzlichen Krankenversicherung zählen, dem Kassenpatienten somit grundsätzlich kostenlos zustehen, sind gemäß § 18 Abs. 8 Nr. 2 BMV-Ä nur dann privatärztlich nach der GOÄ abrechenbar, wenn der Versicherte vor Beginn der Behandlung ausdrücklich verlangt, auf eigene Kosten behandelt zu werden, und dies dem Vertragsarzt schriftlich bestätigt. § 41 Abs. 4 BMV-Ä nimmt für die belegärztliche Behandlung ausdrücklich Bezug auf § 18 BMV-Ä, sodass diese Formvorschriften auch bei der Behandlung von GKV-Versicherten durch einen Belegarzt Anwendung finden.

In der juristischen Literatur wird zum Teil vertreten, dass gesetzlich krankenversicherte Patienten mit einer privaten Zusatzversicherung gegenüber diesen Formvorschriften einen Sonderfall darstellen. Die strengen Formvorschriften des § 18 Abs. 8 BMV-Ä bezögen sich ausgehend von seinem Wortlaut allein auf den Vergütungsanspruch des Vertragsarztes gegenüber GKV-Patienten, die nicht über eine private Zusatzversicherung verfügen.

In der Rechtsprechung wird aber leider eine andere Auffassung vertreten: Das Amtsgericht München hat mit Urteil vom 28.04.2010 – 136 C 34297/09, das bestätigt wurde durch das Landgericht München I (Urteil vom 31.05.2011 – 31 S 10959/10), entschieden, dass eine belegärztliche Privatbehandlung eines privat zusatzversicherten Kassenpatienten nur dann wirksam erfolgen könne, wenn zuvor ein schriftlicher Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient im Sinne von § 18 Abs. 8 Nr. 2 BMV-Ä abgeschlossen worden sei. Diese Ansicht vertritt auch das Landgericht Regensburg in seinem Urteil vom 11.12.2012 – 2 S 118/12.

Somit ist Belegärzten aus juristischer Sicht zur Sicherung ihres Honoraranspruchs zu empfehlen, zukünftig vor Behandlungsbeginn mit privat zusatzversicherten GKV-Patienten, die eine private Abrechnung über ihre Zusatzversicherung wünschen, einen den Anforderungen des § 18 Abs. 8 Nr. 2 BMV-Ä genügenden schriftlichen Behandlungsvertrag mit den Patienten zu schließen. Insbesondere hinsichtlich der im Leistungskatalog der GKV enthaltenen Leistungen, sollte sich aus der schriftlichen Bestätigung ergeben, dass die Privatbehandlung auf ausdrücklichen Wunsch und auf eigene Kosten des Patienten erfolgt.

Aufgrund der vorgenannten Schwierigkeiten bei der Einordnung des Belegarztes in Bezug auf wahlärztliche Leistungen sollte der Patient zudem stets vor Behandlungsbeginn mit seiner Zusatzversicherung Rücksprache und von dort Bestätigung erhalten, dass die Kosten der geplanten Belegarztbehandlung übernommen werden.

Heberer J. / Butzmann O. Rechtliche Probleme beim Honorararzt. Passion Chirurgie. 2016 Juli-August; 6(07-08): Artikel 02_02.

Rezension: Arztrecht

Dieses Buch erschien zum ersten Mal 1977, ist also ein wahrer Klassiker und liegt nun in der 7. Auflage vor. In die Neuauflage mitaufgenommen wurden zwei neue Kapitel zu Sterilisation, Schwangerschaftsabbruch und Sexualmedizin (Kapitel VII) sowie zur Fortpflanzungs- und Genmedizin (Kapitel VIII). Es wurde grundsätzlich die Rechtslage bis Januar 2015 berücksichtigt, in Einzelfällen auch zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gewordene Rechtsprechung und Literatur.

Bis auf das Vertragsarztrecht werden sämtliche wichtigen Bereiche, mit denen ein Arzt oder ein im Medizinrecht tätiger Rechtsanwalt sich im Laufe seiner beruflichen Tätigkeit auseinandersetzen muss, ausführlich und klar verständlich dargestellt.

Besondere Relevanz, vor allem in der anwaltlichen Beratungspraxis, weisen dabei die Ausführungen über ärztliches Berufsrecht, Behandlungsverträge, Aufklärungspflicht und Einwilligung, Rechtsfragen der Transplantation, Transfusion, Sektion und Intensivmedizin, Berufsgeheimnis und Dokumentation, Arztfehler und Haftpflicht sowie die Ausführungen über Passivlegitimation und Beweisrecht auf.

Aber auch die Beiträge zur ärztlichen Hilfspflicht, dem Arzt als medizinischer Sachverständiger, zu Heilversuch und medizinischer Forschung sowie die beiden vorgenannten, neu hinzugefügten Kapitel sind für das weitreichende Gebiet des Arztrechts aus juristischer und medizinischer Sicht unverzichtbar.

Die einzelnen Kapitel sind in sich logisch aufgebaut und überzeugen inhaltlich durch ihre richtige Schwerpunktsetzung und Argumentation. Dem Leser werden nicht nur die jeweiligen Grundlagen der Themen sehr gut nachvollziehbar näher gebracht, sondern speziell auch die juristischen Details eindrucksvoll erläutert. Insbesondere werden auch die Regelungen des Patientenrechtegesetzes umfassend aufgegriffen. Selbst eine kritische Beleuchtung der Materie, wie beispielsweise der durch die Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an die ärztlichen Aufklärungspflichten, fehlt nicht.

Dieses hervorragende Werk ist als umfassender Ratgeber sowohl für niedergelassene Ärzte und Krankenhausärzte als auch für Studenten und Anwälte, die sich mit dem Medizin- und speziell dem Arztrecht befassen bzw. sich hierfür interessieren, aufgrund der für die Praxis wertvollen Informationen unbedingt zu empfehlen.

02_08_A_08_2016_Rez_Heberer_image_01_newArztrecht
Laufs/Katzenmeier/Lipp
Verlag C. H. Beck oHG
7., völlig neu bearbeitete Auflage 2015, Band 29,
586 Seiten, Kartoniert
75,00 €, ISBN 978-3-662-43640-0
ISBN 978-3-406-64773-4

Heberer J. Rezension: Arztrecht. Passion Chirurgie. 2016 August; 6(08): Artikel 03_08.

Frage und Antwort: Verordnung von Arzneimitteln durch niedergelassenen Arzt während stationärer Behandlung

Frage:

Ein niedergelassener Chirurg fragt an, ob ein rechtmäßiger Schadensersatzanspruch der Krankenkassen bestehe, wenn er einem GKV-Patienten während dessen stationärer Behandlung im Krankenhaus Arzneimittel verordnet habe. Von der stationären Behandlung habe er jedoch nichts gewusst.

Antwort:

Aus § 48 Abs. 1 BMV-Ä ergibt sich zunächst, dass die Prüfungseinrichtungen nach § 106 SGB V, also die auch für die Wirtschaftlichkeitsprüfung zuständigen Prüfungsstellen, den durch einen Vertragsarzt verursachten sonstigen Schaden, der einer Krankenkasse aus der unzulässigen Verordnung von Leistungen, die aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind, oder aus der fehlerhaften Ausstellung von Bescheinigungen entsteht, feststellen.

Aus Sicht des Verfassers kommt es für die Rechtmäßigkeit eines Ersatzanspruchs der Krankenkasse im Hinblick auf einen „sonstigen Schaden“ darauf an, ob eine unzulässige Verordnung vorliegt, ob der Kasse hierdurch ein Schaden entstanden ist und ob dieser vom Vertragsarzt schuldhaft verursacht wurde.

Im vorliegenden Fall könnte ein Ersatzanspruch deshalb nach Meinung des Verfassers schon aufgrund des fehlenden Verschuldens des niedergelassenen Vertragsarztes ausscheiden. Für ein Verschulden wäre ein vorsätzliches oder zumindest fahrlässiges Verhalten des Vertragsarztes erforderlich. Das LSG Rheinland-Pfalz hat zur Frage des Verschuldens in einem nach Ansicht des Verfassers vergleichbaren Sachverhalt jüngst in einem Urteil Stellung genommen (vgl. Urteil vom 03.03.2016 – L 5 KA 41/14).

Hier hatte der Hausarzt der Versicherten, die sich in der Zeit vom 20.3.2002 bis zum 9.4.2002 in stationärer Behandlung befand, am 2.4.2002 zwei Arzneimittel (Blutdrucksenker) verordnet, die auch am selben Tag eingelöst wurden. Der Behandlungsschein wies für den 2.4.2002 einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt aus, den der Arzt mit der GOP 1 EBM abrechnete. Der Arzt ließ sich dahingehend ein, dass er die Patientin nicht stationär eingewiesen und auch keine Kenntnis von dem Krankenhausaufenthalt gehabt habe. Ferner habe es sich um eine Dauerpatientin gehandelt, weshalb er gemäß § 15 Abs. 2 BMV-Ä eine Verordnung für die Versicherte ausstellen durfte, auch ohne sich persönlich von deren Krankheitszustand überzeugt zu haben.

Die Krankenkasse hatte mit ihrer Klage hingegen behauptet, der Arzt habe seine ärztliche Sorgfaltspflicht verletzt, indem er die Arzneimittelverordnungen ausgestellt habe. Denn vor Ausstellung einer Verordnung habe der Arzt stets die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse zu klären, wie dies bereits das SG Stuttgart im Jahr 2012 entschieden habe. Vorliegend habe jedoch der Arzt weder geklärt, wo sich die Patientin befunden habe, noch die Notwendigkeit der Verordnungen überprüft. Dies stelle somit ein fahrlässiges Verhalten des Vertragsarztes dar. Die Verordnungen wurden zudem während der stationären Behandlung eingelöst, weshalb die Arzneimittelkosten Bestandteil der Krankenhausvergütung seien. Denn grundsätzlich falle die Arzneimittelversorgung während einer stationären Behandlung in den Zuständigkeitsbereich des Krankenhauses.

Das SG wies die Klage der Krankenkasse in I. Instanz ab. Das LSG Rheinland-Pfalz hat sodann das klageabweisende Urteil bestätigt und die Berufung als unbegründet zurückgewiesen.

Das Gericht vertrat dabei die Auffassung, dass selbst wenn der Arzt die Versicherte im Zusammenhang mit den am 2.4.2002 ausgestellten Arzneimittelverordnungen nicht persönlich untersucht haben sollte, von einem Fehlverhalten nicht ausgegangen werden könne. Denn die Regelung in § 15 Abs. 2 Satz 1 BMV-Ä (ebenso nach C.11. der Arzneimittel-Richtlinien in der zum Zeitpunkt der Verordnung maßgebenden, zuletzt am 3.8.1998 geänderten Fassung) bestimme, dass der Vertragsarzt Arzneimittelverordnungen nicht nur dann ausstellen dürfe, wenn er sich persönlich von dem Krankheitszustand des Patienten überzeugt habe, sondern auch, wenn ihm der Zustand aus der laufenden Behandlung bekannt sei. Diese Voraussetzung war hier erfüllt, da die Patientin sich in dauerhafter Behandlung bei dem Arzt befand. Aus Sicht des LSG war weiterhin nichts dafür ersichtlich, dass bei dem Arzt Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass sich die Patientin im Zeitpunkt der Ausstellung der Arzneimittelverordnungen in stationärer Behandlung im 13 km entfernten Krankenhaus befand und die Medikamente zur Einnahme in dieser Zeit bestimmt waren (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, a. a. O). Das Gericht lehnte deshalb bei einem Fehlen konkreter Anhaltspunkte eine entsprechende Verpflichtung des Arztes zur Nachfrage ab. Denn für eine solche Nachfragepflicht ohne bestimmten Anlass existiere seiner Auffassung nach keine gesetzliche Grundlage. Das LSG Rheinland-Pfalz vertrat hierbei eine andere Rechtsauffassung als das SG Stuttgart (vgl. Urteil vom 14.3.2012 – S 20 KA 5198/10), auf das sich die klagende Krankenkasse bezog und folgte diesem ausdrücklich nicht.

Das LSG stellte somit im Ergebnis fest, dass ein Schadensersatzanspruch der Krankenkasse gegenüber dem Arzt jedenfalls an dem für die Feststellung eines sonstigen Schadens erforderlichen Verschulden des Vertragsarztes in der Form eines fahrlässigen Verhaltens mangels bestehender Nachfrageverpflichtung im konkreten Fall scheitere. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Abrechnung der GOP 1 EBM war im Übrigen nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits. Ferner konnte aufgrund des fehlenden Verschuldens dahinstehen, ob der Kasse ein Schaden entstanden war. Das Urteil des LSG ist rechtskräftig, da die Revision nicht zugelassen wurde.

Folglich kommt es für eine Schadensersatzverpflichtung darauf an, ob tatsächliche Anhaltspunkte für einen stationären Krankenhausaufenthalt im Zeitpunkt der Verordnung beim Vertragsarzt gegeben sind. Liegen solche vor, besteht aus Sicht des Verfassers aufgrund der dargestellten Rechtsprechung eine Pflicht zur Nachfrage, ob sich der Patient in stationärer Behandlung befindet. Verletzt der Arzt diese Pflicht, so kann dies ein fahrlässiges Verhalten und damit Verschulden darstellen, das einen Schadensersatzanspruch der Kasse begründen kann.

Heberer J. Verordnung von Arzneimitteln durch niedergelassenen Arzt während stationärer Behandlung. Passion Chirurgie. 2016 Juni; 6(06): Artikel 08_01.

GEMA-Gebühren in der Arztpraxis

Die Rechtsprechung der deutschen Gerichte war bislang leider nicht immer einheitlich. Denn die Frage der Gebührenpflicht für das Abspielen von Musik in der Praxis richtet sich im Wesentlichen danach, ob im Sinne des § 15 Abs. 3 UrhG die Wiedergabe öffentlich ist. Folglich waren die Räumlichkeiten der Praxis danach zu beurteilen, ob sie der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen oder nicht.

Nachdem der EuGH mit Urteil vom 15.03.2012 – C-135/10 für einen in Italien gelagerten Fall entschieden hatte, dass das Abspielen von Hörfunksendungen als Hintergrundmusik für Patienten im Wartezimmer keine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Urheberrechtes sei, hatte sich nun auch der BGH mit einem, dem EuGH-Sachverhalt in allen wesentlichen Punkten übereinstimmenden Fall zu befassen.

Urteil des BGH vom 18.06.2015 – I ZR 14/14

Der beklagte Zahnarzt, der im Wartebereich seiner Praxis für seine Patienten Hörfunksendungen als Hintergrundmusik übertrug, hatte den mit der GEMA im Jahr 2003 geschlossenen Lizenzvertrag im Dezember 2012 fristlos gekündigt und dies damit begründet, dass nach der EuGH-Rechtsprechung die Wiedergabe nicht öffentlich sei. Die GEMA hatte ihn daraufhin zur Zahlung verklagt.

Der BGH bestätigte nunmehr mit diesem Urteil, dass die fristlose Kündigung des Arztes berechtigt war, da die Geschäftsgrundlage des Lizenzvertrages durch das EuGH-Urteil vom 15.03.2012 entfallen sei.

Bei seiner Entscheidung war der BGH an die Auslegung des Unionsrechts durch den EuGH gebunden und musste § 15 Abs. 3 UrhG richtlinienkonform auslegen. Demzufolge entschied der BGH, dass die Wiedergabe von Hörfunksendungen in Wartezimmern von Zahnarztpraxen im Allgemeinen nicht öffentlich i. S. d. § 15 Abs. 3 UrhG und damit auch nicht vergütungspflichtig sei.

Der BGH führte dazu aber aus, dass die Frage, ob ein Sachverhalt eine öffentliche Wiedergabe darstelle, stets eine individuelle Beurteilung erforderlich mache, bei der die durch den EuGH aufgestellten drei unselbstständigen und miteinander verflochtenen Kriterien – Wiedergabe, Öffentlichkeit und Dienen der Wiedergabe zu Erwerbszwecken – einzeln und in ihrem Zusammenwirken miteinander zu berücksichtigen seien. Denn diese könnten je nach Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maße gegeben sein (vgl. BGH, a. a. O., Rdn. 29).

Danach sei Bedingung für eine „Wiedergabe“, dass der Nutzer (= Arzt) in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig werde, um Dritten (= Patienten) einen Zugang zum geschützten Werk zu verschaffen, den diese ohne sein Tätigwerden nicht hätten.

Das Merkmal der „Öffentlichkeit“ sei nur bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und recht vielen Personen erfüllt, wobei es hierbei auch darauf ankomme, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk hätten.

Das letzte Kriterium des „Dienens der Nutzungshandlung zu Erwerbszwecken“ setze voraus, dass sich der Nutzer gezielt an das Publikum wende, für das die Wiedergabe vorgenommen werde, und dieses für die Wiedergabe aufnahmebereit sei und nicht nur zufällig erreicht werde (vgl. BGH a. a. O. Rdn. 30-32).

Eine Wiedergabe wurde durch den EuGH bejaht, da der Zahnarzt die Tonträger absichtlich abspiele, um seinen Patienten in deren Genuss kommen zu lassen.

Allerdings gehen sowohl EuGH als auch daran anschließend der BGH davon aus, dass das Kriterium der Öffentlichkeit hier nicht erfüllt war. Sie begründen dies damit, dass normalerweise die Patienten eines Zahnarztes eine bestimmte Gesamtheit potentieller Leistungsempfänger darstellen, da andere Personen in der Regel keinen Zugang zur Behandlung durch den Zahnarzt hätten. Unmaßgeblich sei die Zahl der Patienten, für die derselbe Tonträger hörbar gemacht werde, da der Kreis der zur selben Zeit in der Praxis anwesenden Personen im Allgemeinen sehr begrenzt sei und nacheinander kommende Patienten in aller Regel nicht Hörer derselben Tonträger seien, insbesondere wenn eine Wiedergabe über Rundfunk erfolge (vgl. BGH, a. a. O., Rdn. 45).

Ebenso verneinte der EuGH damals, dass die Wiedergabe Erwerbszwecken des Zahnarztes diene. Er vertrat hier die Auffassung, dass der Zahnarzt allein aufgrund der Wiedergabe der Hörfunksendungen keine Zunahme seines Patientenbestandes erwarten und die Behandlungspreise nicht steigern könne. Aus diesen Gründen fehle einer solchen Wiedergabe die Eignung, die Einkünfte der Praxis zu beeinflussen. Zudem seien die Patienten für eine solche Wiedergabe gewöhnlich nicht aufnahmebereit, nachdem sie ausschließlich zum Zweck der Behandlung eine Zahnarztpraxis aufsuchen würden, die Wiedergabe nicht Bestandteil der Zahnbehandlung sei und lediglich ein zufälliger und von den Patientenwünschen unabhängiger Zugang zu bestimmten Tonträgern stattfinde (vgl. BGH, a. a. O., Rdn. 36). Offengelassen hat der BGH in seiner Entscheidung jedoch, ob das Dienen der Wiedergabe zu Erwerbszwecken eine zwingende Voraussetzung für einen Vergütungsanspruch ist, da dies nicht entscheidungsrelevant war, nachdem das Kriterium der Öffentlichkeit im streitgegenständlichen Fall schon nicht erfüllt war.

Letztendlich bejahte der BGH deshalb die Berechtigung zur fristlosen Kündigung des Lizenzvertrags gemäß § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB, da dessen Geschäftsgrundlage mit dem Urteil des EuGH entfallen und dem Zahnarzt eine Fortsetzung des Vertrags bis zum Ende der Vertragslaufzeit unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien nicht zumutbar war. Hieraus folgt zugleich, dass der BGH es für die GEMA als zumutbar einstuft, wenn bei Erfüllung der vorgenannten Bedingungen eine Abkehr vom Vertrag erfolgt.

Stellungnahme

Nach Auffassung des Verfassers muss diese Rechtsprechung auf alle Arztpraxen unabhängig von der Fachrichtung angewandt werden, sodass im Allgemeinen keine Vergütungspflicht für Hörfunksendungen als Hintergrundmusik im Wartezimmer besteht.

Entscheidend ist nach Ansicht des Verfassers vor allem, dass die Öffentlichkeit der Wiedergabe ausgeschlossen sein muss. Das bedeutet zum einen, dass die Zusammensetzung der Patienten des Arztes als Gesamtheit weitgehend stabil sein muss. Dies dürfte wohl üblicherweise bei Arztpraxen der Fall sein. Zum anderen muss der Kreis der gleichzeitig sich in der Praxis befindenden Personen im Allgemeinen sehr beschränkt sein. Ferner muss eine Abwechslung der in der Arztpraxis nacheinander folgenden Patienten stattfinden. Auch diese Merkmale dürften aus Sicht des Verfassers in Arztpraxen üblich sein.

Niedergelassenen Ärzten ist deshalb aus juristischer Sicht in der Regel zu empfehlen, falls der den oben genannten Urteilen zu Grunde liegende Sachverhalt mit den Verhältnissen in der eigenen Praxis identisch ist, Zahlungsansprüche der GEMA zurückzuweisen sowie etwaige Lizenzverträge fristlos zu kündigen. Dem Verfasser ist derzeit aus der anwaltlichen Praxis ein Fall eines Orthopäden bekannt, in dem die GEMA dieses BGH-Urteil auch auf dessen orthopädische Praxis übertragen hat und die fristlose Kündigung mit dem Argument akzeptiert hat, dass die Patienten den Arzt nur zur Behandlung aufsuchten und nicht um Hörfunksendungen im Wartezimmer zu hören..

Heberer J. GEMA-Gebühren in der Arztpraxis. Passion Chirurgie. 2016 Mai; 6(05): Artikel 06_01