Alle Artikel von Jörg Heberer

Zum 100. alles Gute – Prof. Dr. Walther Weißauer

Der BDC gratuliert Herrn Senator E. h., Professor Dr. med. h. c. Walther Weißauer zum 100. Geburtstag und dankt für drei Jahrzehnte als Justitiar im BDC

Walther Weißauer gilt als Nestor des Medizinrechts. Er hat sich als hervorragender Sachkenner des Arztrechts und des Grenzbereiches zwischen Jurisprudenz und Medizin einen Namen gemacht. Er wurde am 10.11.1921 in Freising geboren. Weißauer schloss 1948 sein durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochenes Jurastudium ab. Zunächst nahm er eine Stelle im Bayerischen Staatsministerium an, bevor er von 1952 bis 1954 als Richter am Landgericht München tätig war. Er kehrte dann an das Justizministerium zurück und wurde dort 1963 zum Ministerialrat und 1970 zum Ministerialdirigenten befördert. 1984 wurde er pensioniert.

Bereits 1953 begann seine zweite medico-legale Karriere als Vorsitzender des Disziplinarausschusses der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. 1961 fertigte er ein wegweisendes Rechtsgutachten zur Frage der Arbeitsteilung und Verantwortung zwischen Anästhesie und Chirurgie. Damit ebnete er den Weg für die eigenständige und weisungsungebundene Anästhesie. Viele kluge und ebenfalls wegweisende Impulse gab Weißauer für das gesamt Medizinrecht, beispielsweise für das noch heute im Wesentlichen geltende Institut der Aufklärung. Rund 30 Jahre von 1968 bis 1998 war Weißauer unter anderem Justitiar des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen.

Als genialer Medizinrechtlicher, als ehrlicher Makler zwischen auch anderen Fachrichtungen der Medizin, insbesondere auch der Anästhesisten, als bescheidener und humorvoller Mensch war Walther Weißauer in dieser langen Zeit eine große Unterstützung für den Berufsverband der Deutschen Chirurgen. Anlässlich seines 100. Geburtstages dankt ihm der BDC hierfür und wünscht ihm weiterhin gute Gesundheit.

Das Ende der gleichzeitigen Gesellschafterstellung und Anstellung im MVZ?

Anmerkungen zur Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 27.01.2022, Az. B 6 KA 2/21 R

Die Entscheidung

In dem Urteil geht es um ein als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) von zwei Ärzten geführtes Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ). Die GbR beantragte die beiden Gesellschafter in dem von ihr betriebenen MVZ als Ärzte anzustellen. Beide Gesellschafter waren zugleich Geschäftsführer und jeweils zur Hälfte am Vermögen und am Gewinn der Klägerin beteiligt.

Nach Ablehnung durch den Zulassungs- und Berufungsausschuss gab das SG Marburg dem Genehmigungsantrag statt. Dass die beiden Vertragsärzte Gesellschafter der Klägerin mit jeweils hälftigem Anteil seien, schließe den Anspruch nicht aus. Die zu erteilende Genehmigung sei allein an vertragsärztlichen Gesichtspunkten zu messen. Zivil-, gesellschafts-, steuer-, arbeits- oder sozialversicherungsrechtliche Aspekte hinderten die Erteilung der Genehmigung nicht. Ärzte könnten bei einem MVZ angestellt sein, auch und gerade, wenn sie Gesellschafter der Träger-GbR seien. Weder die Größe ihres Gesellschafteranteils noch ihr Einfluss auf die MVZ-GbR und damit die arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Einordnung ihrer Beschäftigung als abhängig Beschäftigte oder als selbstständig Tätige erlaube es den Zulassungsgremien, die Genehmigung der Anstellung zu versagen.

Der Berufungsausschuss legte hiergegen Sprungrevision zum BSG ein. Dieses hob die SG-Entscheidung mit Urteil vom 27.01.22 auf. Das schriftliche Urteil liegt noch nicht vor. Aus dem Terminbericht lässt sich entnehmen, dass die Anstellungsgenehmigungen nach Meinung des BSG nicht erteilt werden dürften, weil die verzichtenden Ärzte als Geschäftsführer und Gesellschafter derart an der Gesellschaft beteiligt seien, dass sie über ihre Möglichkeiten der Einflussnahme die Geschicke der Gesellschaft lenken können. Dies stehe einer Angestelltenstellung entgegen. Hierfür sehe das Gesetz die Variante des Vertragsarzt-MVZ vor.

Stellungnahme

Die Entscheidung betrifft zunächst die konkrete Konstellation eines MVZ in der Rechtsform der GbR und mit lediglich zwei Ärzten. Klar ist jedoch auch, dass zukünftig bei vergleichbaren Anträgen auf Anstellungsgenehmigung regelhaft eine Berücksichtigung der gesellschafts- und sozialversicherungsrechtlichen Regeln zu erfolgen hat und nicht nur die vertragsarztrechtlichen Vorgaben maßgeblich sind. Es ist also im Einzelfall zu prüfen, in welcher Rechtsform das MVZ betrieben wird und wie die Rechte der einzelnen Arzt-Gesellschafter konkret ausgestaltet sind.

Denn das BSG orientiert sich in seiner Entscheidung offensichtlich primär an dem sozialversicherungsrechtlichen Begriff der abhängigen Beschäftigung. Dieses Thema ist seit langem relevant bei der Frage, ob Geschäftsführer Sozialversicherungsabgaben zahlen müssen, wenn sie zugleich Gesellschafter sind. Nach der einschlägigen Rechtsprechung hierzu können viele unterschiedliche Aspekte eine Rolle für die Beurteilung des Einzelfalls haben.

Hilfreich kann es z. B. sein, die Befugnisse der Gesellschafter-Ärzte in bestimmten Bereichen so zu beschränken, dass diese sie selbst betreffende Beschlüsse des MVZ nicht verhindern können. Dies wird allerdings in kleineren MVZ, wie das in der BSG-Entscheidung betroffene, kaum möglich sein. Viele Fragen bleiben aber auch offen, wie z. B.:

  • Welche Rolle spielt zukünftig die Vertragsarztvariante?
  • Gibt es eine wesentlich andere Beurteilung bei der GmbH?
  • Besteht Bestandsschutz für vorhandene MVZ mit dieser Konstellation.

Ob die schriftlichen Urteilsgründe etwas mehr Klarheit bringen werden, bleibt abzuwarten. In jedem Fall sollten aber Ärzte, die eine MVZ-Gründung planen, die genannten gesellschafts- und sozialversicherungsrechtlichen Aspekte ebenso wie das Vertragsarztrecht in ihre Beratung mit einbeziehen.

Butzmann O, Heberer J: Das Ende der gleichzeitigen Gesellschafterstellung und Anstellung im MVZ? Passion Chirurgie. 2022 August, 12(07/08), Artikel 04_09. 

Entschädigungsansprüche aufgrund einer Maßnahme nach dem Infektionsschutzgesetz anlässlich der Covid-19-Pandemie

Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen der Landesregierungen wirken sich nach wie vor privat und beruflich auf die Menschen aus.

Nunmehr hat nach Kenntnis des Verfassers erstmals ein Zivilgericht über Entschädigungsansprüche eines selbständigen (Zahn-) Arztes (im Folgenden: Kläger) aufgrund finanzieller Mindereinnahmen während des ersten Lockdowns, die aufgrund der durch die Landesregierung Niedersachsen mit Verordnung vom 17.04.2020 getroffenen Regelungen verursacht worden seien, entschieden. Rechtsgrundlage der Verordnung vom 17.04.2020 war das Infektionsschutzgesetz (IfSG).

Das LG Hannover entschied hierüber mit Urteil vom 20.11.2020 – 8 O 4/20 (vgl. im Folgenden:LG Hannover, Urteil vom 20.11.2020 – 8 O 4/20, juris).

SACHVERHALT

Das Bundesland Niedersachsen erließ am 27.03.2020, gestützt auf § 32 S. 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG die zeitlich befristete Niedersächsische Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus. Am 17.04.2020 wurde dann eine Anschlussverordnung erlassen, die u. a. in § 1 Abs. 1 eine physische Kontaktreduzierung außerhalb der Personen des eigenen Hausstands auf das nötigste Minimum vorsah sowie in § 3 Nr. 3 die Inanspruchnahme dringend erforderlicher zahnmedizinischer Behandlungen für zulässig erklärte. Diese Anschlussverordnung galt vom 20.04.2020 – 06.05.2020 (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 3).

Der Kläger verklagte zusammen mit anderen Branchenbeteiligten deshalb das Land Niedersachsen unter der Behauptung, dass ihm während dieses ersten Lockdowns finanzielle Einbußen von über EUR 10.000,00 entstanden seien. Er begehrte deshalb den Ausgleich aller Mindererträge, die ihm durch die oben genannte Infektionsschutzmaßnahme des beklagten Landes vom 17.04.2020 entstanden seien (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 8, 12).

Zwar stimmte der Kläger zu, dass diese Maßnahmen zum Infektionsschutz auf der primären Eingriffsebene rechtmäßig waren. Allerdings müssten diese Eingriffe aus verfassungsrechtlichen Gründen auf sekundärer Ebene finanziell ausgeglichen werden. Hierfür verwies er darauf, dass die wirtschaftlichen Folgen der coronabedingten Betriebsschließungen und Betriebseinschränkungen trotz staatlicher Fördermaßnahmen für viele Betriebsinhaber eine existentielle Notlage bedeuteten (vgl. LG Hannover a. a. O., Rn. 14).

Sofern auch die gebotene verfassungskonforme Auslegung ergebe, dass das Infektionsschutzgesetz derzeit einem Ausgleichsanspruch für seine aufgrund der Infektionsschutzmaßnahmen erlittenen finanziellen Nachteile entgegenstehe, sei es verfassungswidrig. Denn aus Sicht des Klägers verlangten Artikel 12, insbesondere aber Artikel 14 GG als Kompensation für die erheblichen Eingriffe eine angemessene finanzielle Entschädigung, da es für ihn bei einer Güterabwägung nicht zumutbar sei, selbst kurzzeitige Betriebsschließungen entschädigungslos hinnehmen zu müssen. Werde die Privatnützigkeit des Eigentums wenn auch nur vorübergehend ganz oder teilweise entzogen, liege ein Fall des verfassungsrechtlichen Ausgleichsanspruchs vor. Diese Entschädigung müsse vom Gesetzgeber geregelt werden, wobei kein voller Schadensersatz, aber zumindest eine Deckung der Betriebskosten und eine angemessene Vergütung des Betriebsinhabers vorzusehen sei, um Insolvenzen zu vermeiden. Dass dies zu erheblichen Belastungen für die öffentlichen Haushalte führe, sei der Preis der gewählten Strategie zur Pandemiebekämpfung, da die Grundrechte nicht kostenlos seien (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 15, 16).

Das beklagte Land wandte hiergegen ein, dass der klägerische Vortrag zu Grund und Höhe der behaupteten finanziellen Nachteile unsubstantiiert sei. Insbesondere sei festzustellen, dass die hierzu vorgelegte Übersicht des Klägers nur eine Umsatzveränderung ausweise und damit keinerlei Aussagekraft habe, weil aus Artikel 14 GG allenfalls Substanzeinbußen finanziell ausgleichsfähig seien, nicht aber Erwerbschancen. Zudem enthalte die angegriffene Verordnung keine Vorschrift, die den Betrieb seiner Arztpraxis beschränkt habe. Darüber hinaus verwies das beklagte Land darauf, dass der Praxisbetrieb des Klägers auch ohne die angegriffene Verord­nung erhebliche Einbußen gehabt hätte, da seine Dienstleistungen allein schon aufgrund der Pandemielage nicht oder nur in geringem Umfang nachgefragt worden wären, weil sich der Großteil der Bevölkerung ohnehin und auch ohne die angegriffene Verordnung nur auf lebensnotwendige Kontakte beschränkt habe, sodass es auch ohne explizite staatliche Schließungsanordnung zu deutlichen Umsatzrückgängen gekommen wäre (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 24, 25).

ENTSCHEIDUNG

Das LG Hannover wies die Klage als unbegründet ab. Es sah die Voraussetzungen eines Zahlungsanspruchs aus dem IfSG, dem allgemeinem Gefahrenabwehrrecht oder dem allgemeinen Staatshaftungsrecht nicht als erfüllt an.

ZAHLUNGSANSPRUCH AUS § 56 ABS. 1 ODER 1A IFSG

Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch gem. § 56 Abs. 1 IfSG ist, dass der Anspruchsteller einen Verdienstausfall erlitten hat, weil er als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern einem infektionsschutzrechtlichen Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit oder einem infektionsschutzrechtlichen Absonderungsgebot unterliegt (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 36).

Das LG verneinte hiernach einen Zahlungsanspruch, da der Kläger weder zum Personenkreis des Abs. 1 gehörte, noch die Tatbestandsvoraussetzungen des Abs. 1a erfüllt waren.

ZAHLUNGSANSPRUCH AUS § 65 ABS. 1 IFSG

Diese Tatbestandsvoraussetzungen waren vorliegend ebenfalls nicht erfüllt, da anspruchsbegründende Maßnahmen nur solche gem. § 16 oder § 17 IfSG sind, während die streitgegenständliche Verordnung des beklagten Landes auf § 28 Abs. 1 IfSG gestützt worden war (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 40). Mit der streitgegenständlichen Verordnung wurden nach detaillierter Begründung des Gerichts Bekämpfungsmaßnahmen nach § 28 IfSG und keine Verhütungsmaßnahmen nach § 16 IfSG getroffen.

ANALO GE ANWENDUNG DER ENTSCHÄDIGUNGSTATBESTÄNDE GEM. § 56 BZW. § 65 IFSG

Einen aus einer analogen Anwendung des § 56 bzw. § 65 IfSG hergeleiteten Zahlungsanspruch lehnte das LG Hannover ebenfalls ab, da es keine planwidrige Regelungslücke des Gesetzgebers sah.

ZAHLUNGSANSPRUCH AUS DEM ALLGEMEINEN POLIZEIRECHT GEM. § 80 NPOG I.V.M. § 8 NPOG

Das Gericht erläuterte zunächst, dass zwar der Tatbestand des § 80 Abs. 1 NPOG nach seinem Wortlaut einschlägig sein könnte, da die dem Kläger auferlegte Betriebsschließung eine Inanspruchnahme darstellt, die sich unstreitig weder auf einen von ihm selbst noch von seinem Betrieb ausgehenden Corona-Verdachtsfall bezieht und er daher als Nichtstörer im Sinne von § 8 Abs. 1 NPOG angesehen werden könnte. Jedoch sei aus Sicht des Gerichts Voraussetzung für dessen Anwendbarkeit gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 und 3 NPOG, dass das IfSG insoweit keine abschließende Regelung enthalte, da Ansprüche aus § 80 NPOG nur dann in Frage kommen, wenn das IfSG als spezielles Gefahrenabwehrrecht keine Normen enthält, die die Anwendung des NPOG sperren (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 68, 69).

Das LG vertrat sodann die Auffassung, dass ein Anspruch des Klägers aus § 80 Abs. 1 S. 1 NPOG aufgrund der Sperrwirkung der speziellen Regeln des IfSG ausscheide, da hierfür ausreichend sei, wenn die Normen des IfSG eine abschließende Regelung für die einschlägige Fallkonstellation der Inanspruchnahme von Nichtstörern treffen (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 71). Dies sei mit § 65 IfSG jedenfalls gegeben.

ZAHLUNGSANSPRUCH AUFGRUND ENTEIGNENDEN EINGRIFFS

Ansprüche aus enteignendem Eingriff kommen nach ständiger Rechtsprechung des BGH in Frage, wenn an sich rechtmäßige hoheitliche Maßnahmen bei einem Betroffenen unmittelbar zu meist atypischen und unvorhergesehenen Eigentumsbeeinträchtigungen führen, die er aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen hinnehmen muss, die aber die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren übersteigen (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 77).

Zwar sah das Gericht in den durch die Verordnung angeordneten Betriebsschließungen bzw. in der Untersagung, den bereits vorhandenen Betrieb im bisherigen Umfang zu nutzen, einen Eingriff in den eigentumsrechtlichen Schutzbereich von Artikel 14 GG.

Allerdings verneinte es die weitere Anspruchsvoraussetzung eines dem Kläger auferlegten Sonderopfers. Ein ausgleichspflichtiges Sonderopfer besteht, wenn ein Eingriff in eine eigentumsmäßig geschützte Rechtsposition vorliegt, durch die der Betroffene als Eigentümer unverhältnismäßig oder im Verhältnis zu anderen ungleich betroffen wird und er mit einem besonderen, den übrigen nicht zugemutetes Opfer für die Allgemeinheit belastet wird (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 80).

Nachdem ein sehr weiter Personenkreis von den Schließungsmaßnahmen bzw. Betriebseinschränkungen betroffen war, wurde dem Kläger schon kein individuelles Sonderopfer auferlegt. Darüber hinaus hegte das Gericht auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Verordnung und die Verhältnismäßigkeit der hierdurch bewirkten Eingriffe in die Rechtspositionen des Klägers (vgl. LG Hannover a. a. O., Rn. 81, 83).

Ferner wies das Gericht hierzu auf die Rechtsprechung des BGH hin, wonach bei der im Rahmen der Prüfung eines Sonderopfers geforderten „wertenden Betrachtung der Kollision zwischen Gemeinwohl und Einzelinteresse“ (vgl. BGH, Urteil vom 05. März 1981 – III ZR 9/80 –, BGHZ 80, 111–118, Rn. 22) dem gemeinwohlorientierten Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr zum Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit der Bevölkerung der Vorrang vor den Eigentümerbelangen des Klägers einzuräumen sei (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 108).

Ein Anspruch des Klägers wegen enteignenden Eingriffs scheitere nach Meinung des LG darüber hinaus auch an dem Umstand, dass diese Anspruchsgrundlage auf die vorliegende Fallkonstellation keine Anwendung finden würde. Denn die vom BGH zur Ablehnung der Haftung für legislatives Unrecht entwickelte Argumentation treffe nach dem Verständnis des LG auch auf den vorliegenden Fall zu, in dem massenhafte Ansprüche auf Grund von Rechtsverordnungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu erwarten wären. Die Zubilligung von Entschädigungs- oder Ausgleichsansprüchen gegen den Staat für vielfach auftretende Eigentumsbeschränkungen könnte so weitreichende Folgen für die staatlichen Finanzen haben, dass hierdurch dem Haushaltsgesetzgeber die freie Entscheidungskompetenz aus der Hand genommen würde, wie, wofür und in welchem Umfang er in einer nationalen Krisensituation die begrenzten staatlichen Mittel einsetzt. Dies widerspräche dem Grundsatz der Gewaltenteilung, da die grundlegenden Entscheidungen über die Verwendung der staatlichen Mittel zum Kern der parlamentarischen Rechte in der Demokratie gehören und es insoweit für die Auswirkung auf den Entscheidungsspielraum des parlamentarischen Gesetzgebers unerheblich sei, welche Rechtsform der als entschädigungspflichtig angesehene staatliche Akt habe. Das richterrechtlich entwickelte Rechtsinstitut des enteignenden Eingriffs biete keine geeignete Grundlage, um die generellen und typischen Folgen einer in einem formellen Gesetz enthaltenen oder auch auf einem formellen Gesetz beruhenden Inhalts- oder Schrankenbestimmung finanziell abzugelten. Denn die Gewährung von Ausgleichsansprüchen durch die Zivilgerichte würde hier im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass das den hoheitlichen Eingriff betreffende Gesetz kraft Richterrechts um eine Klausel für Ausgleichsleistungen ergänzt werde. Eine solche Befugnis stehe aber dem an Recht und Gesetz gebundenen Richter nicht zu (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 109, 111).

WEITERE ANSPRUCHSGRUNDLAGEN UND HILFSANTRAG DES KLÄGERS

Weitere Anspruchsgrundlagen kamen aus Sicht des Gerichts nicht in Betracht. Da das Gericht damit den Hauptantrag des Klägers auf Zahlung abgewiesen hatte, musste es nunmehr noch über dessen Hilfsantrag entscheiden.

Diesbezüglich hatte der Kläger hilfsweise beantragt, dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob das IfSG insoweit mit Artikel 12 und 14 GG vereinbar sei, als es keine angemessene Entschädigung für die Anordnung von Betriebsschließungen und Tätigkeitsverboten gegenüber Personen und Betrieben vorsehe, die nicht unter die §§ 31, 56, 65 IfSG fallen, sowie dem Gesetzgeber in zu bestimmender Frist aufzugeben, das IfSG insoweit um Regelungen der angemessenen Entschädigung zu ergänzen.

Auch diesen Hilfsantrag hielt das LG Hannover letztendlich für unbegründet.

STELLUNGNAHME

Damit bestätigt sich nunmehr, dass eine zivilrechtliche Durchsetzung von Erstattungsansprüchen aufgrund Mindereinnahmen einer Arztpraxis während des ersten Lockdowns im Frühjahr dieses Jahres, die Folge der von den Bundesländern erlassenen Maßnahmen zur Bekämpfung bzw. Eindämmung der Corona- Pandemie per Verordnung waren, äußerst schlechte bis gar keine Erfolgsaussichten haben dürfte.

Hinzu kommt, dass bereits diverse Oberverwaltungsgerichte die formelle und materielle Rechtmäßigkeit dieser jeweiligen landesrechtlichen Verordnungen zwischenzeitlich bestätigt haben (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 107 mit weiteren Nachweisen, u. a. OVG Magdeburg, Beschluss vom 30.4.2020 – 3 R 69/20; OVG Schleswig, Beschluss vom 30.4.2020 – 3 MR 15/20; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 30.03.2020 – 20 NE 20.632, Rn. 33–34, juris).

Damit müssen betroffene Ärzte nach Auffassung des Verfassers aus Gründen der Rechtssicherheit bedauerlicherweise weiterhin zum Ausgleich ihrer coronabedingten finanziellen Verluste auf die bisher beschlossenen staatlichen Hilfsmaßnahmen verwiesen werden, sofern hier natürlich überhaupt eine Anspruchsberechtigung im jeweiligen Einzelfall gegeben ist.

Heberer J.: Entschädigungsansprüche aufgrund einer Maßnahme nach dem Infektionsschutzgesetz anlässlich der covid-19-Pandemie. 2021 April; 11(04): Artikel 04_06.

F+A: Urheberrecht im Arbeitsrecht

Frage:

Ein Oberarzt fragt an, ob er seinem Arbeitgeber mit Verweis auf das Urheberrecht verbieten kann, von ihm im Rahmen des Arbeitsverhältnisses entwickelte und erstellte Standards für Operationen ohne sein Einverständnis zu nutzen und, z. B. im Rahmen eines vom Arbeitgeber als Herausgeber noch zu publizierenden Buches, zu veröffentlichen.

Antwort:

Sofern die entwickelten Standards ein urheberrechtsfähiges Werk i. S. d. Urhebergesetzes (UrhG) sind, gilt, dass derjenige Urheber bleibt, der das Werk geschaffen hat. Dies gilt auch im Arbeitsverhältnis.

Nach § 43 UrhG gilt, dass die Vorschriften der §§ 31 – 44 UrhG auch anzuwenden sind, wenn der Urheber das Werk in Erfüllung seiner Verpflichtung aus einem Arbeits- oder Dienstverhältnis geschaffen hat, soweit sich aus dem Inhalt oder dem Wesen des Arbeits- oder Dienstverhältnisses nichts anderes ergibt. Dies bedeutet letztendlich jedoch aus juristischer Sicht, dass der Arbeitgeber grundsätzlich die Nutzungsrechte an den vom angestellten Arbeitnehmer in Erfüllung seines Arbeitsvertrages geschaffenen Werken erhält, soweit er diese für betriebliche Zwecke benötigt. Denn aus dem Wesen eines Arbeitsverhältnisses ergibt sich nach herrschender Meinung, dass das Arbeitsergebnis gerade dem Arbeitgeber und eben nicht dem Arbeitnehmer zusteht sowie, dass eine Pflicht des Arbeitnehmers zur Übertragung der Nutzungsrechte an von ihm im Rahmen des Arbeitsverhältnisses geschaffenen Werken besteht.

Es ist in der Rechtsprechung deshalb auch anerkannt, dass aufgrund des Arbeitsvertrages bzw. des Arbeitsverhältnisses der Arbeitgeber die urheberrechtlichen und regelmäßig ausschließlichen Nutzungsrechte eingeräumt erhält. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Arbeitnehmer das Werk im Rahmen des Arbeitsverhältnisses und in Erfüllung der ihm obliegenden arbeitsrechtlichen Pflichten geschaffen hat.

Damit fallen nur solche Werke aus dem Anwendungsbereich des § 43 UrhG raus, die weder in Zusammenhang mit einer Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis stehen, noch zu betrieblichen Zwecken nutzbar sind.

Es muss somit auch stets anhand des konkreten Arbeitsvertrages, etwaiger kollektivvertraglicher Regelungen sowie sonstiger Individualvereinbarungen geprüft werden, welche urheberrechtlichen Regelungen getroffen wurden. Fehlt es an jeglicher Regelung, so ist sowohl auf die betriebliche Funktion und das Berufsbild des Arbeitnehmers abzustellen als auch auf die Verwendbarkeit des Werkes für den Arbeitgeber. Maßgebend sind dabei ausschließlich objektive Kriterien. Subjektiver Wille oder subjektive Vorstellungen spielen bei dieser Beurteilung keine Rolle.

In der Regel stehen die Arbeitsergebnisse damit dem Arbeitgeber zu. Der angestellte Arbeitnehmerurheber ist deshalb auch zur Einräumung der Nutzungsrechte verpflichtet. Diese Pflicht kann sich aus ausdrücklicher Regelung oder aber auch stillschweigend aus dem Arbeitsvertrag ergeben. Die Einräumung selbst erfolgt oftmals durch sog. Vorausverfügung oder sodann mit Übergabe des Werkes. Eine bestimmte Formvorschrift besteht hier nicht.

Wird der Umfang der Nutzungsrechtseinräumung nach Inhalt, räumlichem und zeitlichem Geltungsbereich nicht ausdrücklich festgelegt, so gilt die Zweckübertragungsregel des § 31 Abs. 5 UrhG. Dies bedeutet, dass dem Arbeitgeber die Nutzungsrechte insoweit einzuräumen bzw. durch Vorausverfügung eingeräumt sind, wie dieser sie für seine betrieblichen Zwecke benötigt.

Der Arbeitnehmer selbst bleibt zwar weiterhin Urheber. Allerdings kann er die sich aus dem Urheberrecht ergebenden Rechte zum einen nur insoweit selbst ausüben bzw. verwerten, wie diese nicht schon dem Arbeitgeber eingeräumt wurden. Zum anderen unterliegt er diesbezüglich den Einschränkungen durch die arbeitsrechtliche Treuepflicht sowie dem arbeitsvertraglichen Wettbewerbsverbot. Damit stehen dem Arbeitnehmer oftmals nur seine Urheberpersönlichkeitsrechte, also die Rechte auf Veröffentlichung, Namensnennung, Rückruf, Zugang und das Änderungsverbot, im Kern zu.

Zudem besteht regelmäßig kein gesonderter Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers für die dem Arbeitgeber eingeräumte Nutzung, da diese zumeist bereits bei der Festlegung des Arbeitsentgelts berücksichtigt ist. Lediglich wenn der Arbeitgeber das Werk nicht zu betrieblichen Zwecken nutzen will, könnte sich ein gesonderter Vergütungsanspruch nach dem Urhebergesetz sowie den arbeitsrechtlichen Grundsätzen ergeben, sofern vertraglich nicht schon eine Regelung getroffen wurde. Inwieweit beispielsweise eine Buchveröffentlichung noch vom Betriebszweck umfasst ist, richtet sich aus Sicht des Verfassers u. a. nach dem Inhalt des Buches und ggf. sonstigen Umständen. Dies bedarf stets einer Beurteilung im Einzelfall anhand der konkreten Tatsachen.

Daneben bleiben aber nach Auffassung des Verfassers, wie gesagt, die genannten Urheberpersönlichkeitsrechte dem Grunde nach bestehen, sodass beispielsweise bezüglich eigener Veröffentlichung des Arbeitnehmers und dessen Namensnennung empfohlen wird, dies mit dem Arbeitgeber zu besprechen und auf diese im Kern unentziehbaren Rechte hinzuweisen.

Im Zweifel oder bei Streitigkeiten sollte ggf. ein Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz in Anspruch genommen werden.

Heberer J. F+A: Urheberrecht im Arbeitsrecht. 2021 März; 11(03): Artikel 04_09.

F+A: Unterzeichnung des Arztbriefs

Frage:

Ein Oberarzt fragt an, ob ein Arztbrief, der von einem ärztlichen Mitarbeiter im Homeoffice, der nicht in die Behandlung involviert war, nach Diktat des behandelnden Arztes geschrieben wurde, von diesem zu unterzeichnen ist oder vom behandelnden Arzt.

Antwort:

Die Verpflichtung zur Erstellung des Arztbriefs trifft den behandelnden Arzt. Allerdings muss die Anfertigung aus Sicht des Verfassers nicht eigenhändig erfolgen, sondern kann vielmehr beispielsweise auf ärztliche Kollegen delegiert werden. Dennoch bleibt der behandelnde Arzt für die ordnungsgemäße Dokumentation, also den Inhalt des Arztbriefs, (haftungsrechtlich) verantwortlich. Auch die übergeordneten Ärzte, insbesondere der Chefarzt, können bei Dokumentationsfehlern aufgrund eines Organisationsverschuldens haften, sofern hieraus ein Schaden beim Patienten entsteht.

Ein solcher Arztbrief gilt in einem Zivilprozess, beispielsweise im Rahmen eines Schadensersatzprozesses wegen Behandlungsfehler, als Urkundenbeweis und damit grundsätzlich als starkes Beweismittel. Die Patientendokumentation gehört i.d.R. zu den Privaturkunden, die den vollen Beweis dafür begründen, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von dem Aussteller abgegeben sind. Der Beweiswert einer solchen Urkunde ist jedoch an die strengen Voraussetzungen der Authentizität sowie der Integrität geknüpft. Authentizität bedeutet, dass die Urkunde ihren Aussteller erkennen lassen muss. Unter Integrität versteht man, dass die Urkunde im Nachhinein nicht mehr veränderbar sein darf.

Der Aussteller des Arztbriefes, also nach Meinung des Verfassers der behandelnde und unterzeichnende Arzt, ist damit verantwortlich für die in einem Arztbrief enthaltenen Angaben und Erklärungen, auch wenn er diesen nicht selbst getippt hat. Der im Homeoffice tätige Mitarbeiter würde mit seiner Unterschrift ebenfalls zum Aussteller und damit nach Ansicht des Verfassers auch haftbar für den Inhalt des Arztbriefes. Folglich ist die Frage, ob diese Haftungserweiterung von Seiten der Klinik gewünscht ist. Wenn dies der Fall ist, wäre dies juristisch nicht zu beanstanden. Ansonsten sollte der ärztliche Mitarbeiter, der in die Behandlung nicht involviert war, sondern lediglich den Brief aufgrund des Diktates des behandelnden Arztes geschrieben hat, diesen nicht unterzeichnen.

Heberer J. F+A: Unterzeichnung des Arztbriefs. 2021 Januar/Februar; 11(01/02): Artikel 04_09.

Rechtsbeistand für BDC-Mitglieder

Nachdem im April 1960 der Berufsverband gegründet war, beschloss acht Jahre später der geschäftsführende Vorstand in Hamburg in seiner Sitzung am 10.02.1968 die Schaffung eines Justitiariats und gleichzeitig die Zusammenarbeit mit dem Justitiar, Prof. Dr. med. h.c. W. Weißauer. Professor Weißauer erklärte sich damals bereit, für die Beratung in grundsätzlichen rechtlichen Fragen, die mit der Berufspolitik zusammenhängen, zur Verfügung zu stehen und zwar in folgenden juristischen Bereichen: Arztrecht, Straf-, Zivil-, Verfassungs- und öffentliches Recht. 1968 hatte der BDC 1.433 Mitglieder, sein Kassenstand betrug 50.158,61 DM.

Knapp drei Jahrzehnte arbeitete Professor Weißauer überaus erfolgreich und segensreich für die Mitglieder des BDC sowie in engem Vertrauen mit dem Präsidenten und den Vorstandsmitgliedern des Berufsverbandes. Maßgeblich war Professor Weißauer an der Entwicklung der guten Serviceleistungen des Berufsverbandes beteiligt. In diesem Zusammenhang sei beispielhaft die 1980 eingeführte Strafrechtsschutzversicherung für die Mitglieder des Berufsverbandes erwähnt. Im Jahr 1985 betrug die Jahresprämie hierfür 45,00 DM. Als weitere Serviceleistung wurde 1986 die juristische Beratung von sogenannten Chefarztdienstverträgen angeboten. Bis heute konnte auf diesen Serviceleistungen aufgebaut und dieselben ganz erheblich erweitert werden. Durch die Weiterentwicklung wurde die Rechtsschutzversicherung in den letzten zehn Jahren und auch die Vertragsberatung um ein Vielfaches erweitert. Umso erstaunlicher ist die Prämienentwicklung von heute sage und schreibe nur 49,00 EUR für die seit 25 Jahren währende und immer wieder um weitere Rechtsgebiete erweiterte und verbesserte Rechtsschutzversicherung für unsere Mitglieder.

In den 90er Jahren sind weitere Aktivitäten des BDC-Justitiars Weißauer zu Fragen medico-legaler Bedeutung besonders der Aufklärung, zum sogenannten Facharzturteil, zur Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen etc. wegweisend beantwortet worden. Die klare Denkweise des Juristen Professor Weißauer wurde nicht nur von Professor Hempel in der Chronik „40 Jahre BDC“ gelobt, sondern seine „juristische Lehre“ setzte auch über die Grenzen der Chirurgie wichtige Klarstellungen. Im Jahre 1997 äußerte Professor Weißauer die Absicht, mit dem anstehenden Präsidentenwechsel im Jahr 1998 seine Tätigkeit als Justitiar des BDCs zu beenden.

Aus der Beraterpraxis erzählte mir Professor Hempel einige kuriose Fälle. So wünschte zum Beispiel ein sehr aufgebrachter Chefarzt einen Besprechungstermin mit dem Präsidenten und dem Justitiar des BDC. Zu dem vereinbarten Termin in der Geschäftsstelle des BDC in Hamburg erschien der Chefarzt und berichtete hoch emotional von den Ärgerlichkeiten mit der Geschäftsführung und den Kollegen in seiner Klinik.

Nachdem über eine Stunde die Herren Professoren Hempel und Weißauer den verärgerten Schilderungen des Chefarztes wortlos zugehört hatten, sprang dieser auf, bedankte sich überschwänglich für das gute und hilfreiche Gespräch und verabschiedete sich. Ein Beispiel für eine gute, wortarme Beratung, so Professor Hempel zu seinem Justitiar.

Wie aus der Chronik von Professor Hempel zu entnehmen, standen einige hochqualifizierte Juristen als Nachfolger für Professor Weißauer zur Auswahl. Nach eingehender Diskussion im geschäftsführenden Präsidium im November 1997 fiel die Wahl einstimmig auf den Verfasser dieses Berichtes.

Ich erinnere mich bei meinem Beginn als Nachfolger von Professor Weißauer mit großer Dankbarkeit an den damaligen Präsidenten und leider verstorbenen Ehrenpräsidenten Professor Hempel, mit dem ich bis zu dem Präsidentenwechsel an Professor Witte eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet habe. Jedes Mal, wenn ich wöchentlich in Hamburg eintraf, haben wir die täglichen medico-legalen Alltagsprobleme der Chirurgen sowie Grundsatzfragen, Hintergründe und Zusammenhänge des chirurgischen Alltages und dessen Probleme ausführlich besprochen.

Nach fast drei Jahrzehnten erfolgreicher Justitiarstätigkeit durch Professor Weißauer war es für mich eine große Aufgabe, das Justitiariat in den seither vergangenen 23 Jahren beständig weiterzuentwickeln. Damals bei Beginn meiner Aufgabenbewältigung als Justitiar hatte der Berufsverband knapp 10.000 Mitglieder, heute zählt er gut 17.000. Geht man daher von einer 75-prozentigen Steigerung der Mitgliederzahl und einer erheblichen Vermehrung der Verrechtlichung in der Medizin und im Besonderen in der Chirurgie aus, so hat sich das Arbeitsaufkommen des Justititars in dieser Zeit weit mehr als verdoppelt.

Alle Bereiche des Straf-, Zivil-, Sozial- und insbesondere des Arbeitsrechtes haben deutlich zugenommen. Veröffentlichungen und Seminare vermehrten auch im juristischen Bereich das Tätigkeitsfeld des Berufsverbandes.

Während damals die Schreibarbeiten als persönliche Eigenart des damaligen Justitiars handschriftlich und dann von der Geschäftsstelle in Brief und Fax umgesetzt wurden, sind heute das Diktat, das Schreiben und Versenden vornehmlich als E-Mail von der Geschäftsstelle des Berufsverbandes nach München in meine Kanzlei verlagert.

Regelmäßig bin ich einen Tag in der Woche in der Geschäftsstelle zunächst in Hamburg und nunmehr seit 20 Jahren in Berlin anwesend. Daneben bin ich täglich in meiner Kanzlei in München persönlich, telefonisch, per Fax oder E-Mail immer erreichbar. Im Schnitt erreichen mich pro Tag ca. 12 Fragen von Mitgliedern des Berufsverbandes. Dazu zählen schriftliche Anfragen – überwiegend mittlerweile per E-Mail – sowie im Besonderen kurze und auch überaus ausführliche Telefongespräche. Hierbei stehen natürlich in der Hauptsache berufliche Belange im Vordergrund, teilweise aber auch sehr persönliche Anfragen bis hin zu Ehe- und Erbstreitigkeiten.

Ich bin froh und dankbar, dass ich dabei auf die volle Unterstützung meiner Kanzlei bauen kann und ich darf an dieser Stelle erwähnen, dass die umfangreiche Arbeit ohne die Unterstützung meiner Kollegen und Fachanwälte für Medizinrecht, Strafrecht und Arbeitsrecht in der Kanzlei sicherlich nicht in dieser Form möglich wäre.

Trotz der Fülle der Anfragen ist es mir ein Anliegen, dass auch alle schriftlichen Anfragen zeitgerecht (oftmals noch am selben Tag – spätestens innerhalb einer Woche) beantwortet werden.

Insgesamt wurden im Jahr 2019 nahezu 100 Gutachten für die Dienstverträge vornehmlich der Chefärzte aber auch der Oberärzte erstellt. So haben wir beispielsweise in 2019 insgesamt ca. 1.500 Stunden, also rund 40 Arbeitswochen (gerechnet auf einen Anwalt) aufgewandt, um die Mitglieder des Berufsverbandes zu beraten.

Aus der Fülle an kuriosen Fällen sei einer beispielhaft erwähnt: Ein Chefarzt wurde fristlos gekündigt. Die Gründe waren eher unbedeutend und hätten vor dem Arbeitsgericht nicht Stand halten können, allenfalls eine Abmahnung hätte gerechtfertigt sein können. Einen Tag vor dem Arbeitsgerichtstermin rief mich der Chefarzt an, ich möge bitte die Kündigungsschutzklage zurücknehmen. Ungläubig erwiderte ich, wir würden die Klage nahezu mit Sicherheit gewinnen. Nein, er wollte trotz dieser Erfolgsaussichten mit der Klinik nichts mehr zu tun haben. Er habe letzte Woche einen mehrstelligen Millionenbetrag im Lotto gewonnen. Eher würde er die Klinik kaufen, und den Herren zeigen, wo es langgeht. Auf diese Weise hatte sich meine Beratung bzw. der Arbeitsgerichtsprozess erledigt.

Nicht mit eingerechnet sind dabei die Anwesenheitszeiten in Berlin, die für mich einen der zentralen Punkte meiner Tätigkeit darstellen. Gerade auch das erfreuliche und von wechselseitiger Wertschätzung und Unterstützung getragene Teamwork mit den Mitarbeitern des Berufsverbandes, allen voran natürlich Professor Meyer als Präsident und der Geschäftsführerin Frau Dr. Burgdorf, ist eine der Säulen der erfolgreichen Tätigkeit als Justitiar eines Verbandes mit einer so großen Mitgliederzahl.

Beispielhaft für die höchst vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit mit den Gremien des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen sei das außerordentlich gute und konstruktive Verhältnis mit den fünf Präsidenten, Professor Hempel, Professor Witte, Professor Polonius, Professor Bruch und insbesondere nunmehr mit Professor Meyer, von mir dankbar erwähnt. Letzterer hatte auch durch seine Eigenschaft als Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie eine erfreuliche Nähe zwischen BDC und DGCH geschaffen, die in den vergangenen Jahrzehnten nicht immer gegeben war. Die steten Zusammentreffen in Sitzungen, an meinen Arbeitstagen in Berlin sowie in zahlreichen Telefongesprächen halfen und helfen mir bei der Bewältigung der juristischen Aufgaben des Berufsverbandes sehr viel weiter. In diesem Zusammenhang möchte ich auch die vier Geschäftsführer des BDC, Dr. Felsing, Dr. Ansorg, Dr. Dittmar und jetzt Frau Dr. Burgdorf erwähnen, mit denen ich allesamt stets sehr eng und vertrauensvoll zum Wohle unserer Mitglieder zusammenarbeiten durfte.

Die Verrechtlichung der Medizin und auch die Zahl der Haftungs- und Strafverfahren werden langsam steigen, sicher aber nicht sprunghaft, wie dies manche Kommentare in der Literatur befürchten.

Ich werde mich auch zukünftig mit großer Freude und mit großem Engagement für die Belange unserer sämtlichen Mitglieder des Berufsverbandes einsetzen und weiter daran arbeiten, dass der BDC als kompetenter Partner seiner Mitglieder in allen medico-legalen Aspekten wahrgenommen wird.

Heberer J: Rechtsbeistand für BDC-Mitglieder. Passion Chirurgie. 2020 März, 10(03): Artikel 04_08.

F+A: Terminvergabe durch Callcenter

Frage:

Ein niedergelassener Chirurg fragt an, ob rechtliche Bedenken gegen die Übernahme der Terminvergabe seiner Praxis durch ein Callcenter bestehen.

Antwort:

Die Organisation der Terminvergabe durch ein auf Arztpraxen spezialisiertes externes Callcenter muss aus juristischer Sicht des Verfassers zwingend die Vorgaben des Datenschutzes und der ärztlichen Schweigepflicht beachten und einhalten, damit dies rechtskonform ist.

Die Beauftragung eines Callcenters zur Terminvergabe stellt juristisch eine Auftragsverarbeitung gemäß Art. 28 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) dar. Folglich muss ein entsprechender schriftlicher Vertrag mit dem hierin geforderten Mindestinhalt abgeschlossen werden sowie die in der DSGVO geforderten Sicherheitsmaßnahmen, z. B. technisch-organisatorische Maßnahmen, umgesetzt werden. Diese richten sich jeweils nach dem Schutzbedarf der Daten, wobei wenn sensible Daten wie Gesundheitsdaten Gegenstand der Verarbeitung sind, der Schutzbedarf grundsätzlich sehr hoch anzusetzen ist. Sichergestellt werden muss in jedem Fall, dass Datenschutzverletzungen, z. B. durch unberechtigte Zugriffe Dritter auf die Patientendaten, vermieden werden. Ferner müssen die Mitarbeiter des Callcenters, die mit der Datenverarbeitung beschäftigt sind, auf die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Anforderungen nach der DSGVO verpflichtet werden.

Zudem muss unabhängig hiervon selbstverständlich die ärztliche Schweigepflicht gewahrt werden, um sich keinen berufs- und strafrechtlichen Konsequenzen auszusetzen. Im Falle einer Auftragsverarbeitung ist nach Ansicht des Verfassers der neugefasste § 203 StGB zu berücksichtigen, wonach der Einsatz von „sonstigen mitwirkenden Personen“ unter bestimmten Voraussetzungen straffrei gestellt wird. Zu diesem Personenkreis zählen insbesondere Mitarbeiter von Dienstleistungsunternehmen oder selbstständig tätige Personen, die Dienstleistungen für Ärzte erbringen. Folglich würden die Callcenter-Mitarbeiter nach Meinung des Verfassers hierunter subsumiert werden können. Ärzte sind diesem Personenkreis gegenüber dann zur Offenbarung von Patientengeheimnissen berechtigt, soweit bestimmte Informationen für die konkrete Tätigkeit der jeweiligen Person erforderlich sind (§ 203 Abs. 3 S. 2 StGB). Hieraus folgt nach Auffassung des Verfassers, dass den Callcenter-Mitarbeitern also nur insoweit unter die Schweigepflicht fallende Informationen übersandt bzw. bekanntgegeben werden dürfen, als diese für die konkrete Tätigkeit der jeweiligen Person erforderlich sind. Welche Daten bzw. Informationen erforderlich sind, ist anhand der konkreten Umstände der Callcenter-Tätigkeit zu bestimmen. Dies sollte aus Sicht des Verfassers zumindest im Vertrag detailliert festgelegt werden, auch wenn die vertraglichen Bestimmungen unmaßgeblich für die Beurteilung einer etwaigen Strafbarkeit sind, da stets der tatsächlich gelebte Sachverhalt entscheidend ist.

Ebenso sind die Mitarbeiter des Callcenters im Hinblick auf die Strafbarkeit nach § 203 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB zwingend zur Geheimhaltung zu verpflichten. Hierfür hat der Arzt nach der vorgenannten Vorschrift zu sorgen. Daraus folgt, dass der Arzt entweder selbst die Geheimhaltungsverpflichtung der Callcenter-Mitarbeiter durchführen muss, oder er das von ihm beauftragte Callcenter-Unternehmen vertraglich zu dieser Durchführung verpflichtet. Die zweite Alternative ist dabei nach Auffassung des Verfassers wohl die praktikabelste, da der Arzt regelmäßig keine Kenntnis über den Personalbestand der Callcenter-Mitarbeiter haben wird.

Bevor die Auslagerung der Terminvergabe an ein externes Callcenter erfolgt, ist aus Gründen der Rechtssicherheit zudem zwingend zu empfehlen, dies vorab mit der zuständigen Landesärztekammer sowie dem Landesdatenschutzbeauftragten abzuklären, um berufs-, straf- und datenschutzrechtliche Verstöße zu vermeiden.

Heberer J. F+A: Terminvergabe durch Callcenter. 2019 September; 9(09): Artikel 04_10.

Wer haftet für den Honorararzt?

Niedergelassene Vertragsärzte, die in Krankenhäusern auf freiberuflicher Basis allgemeine Klinikleistungen, insbesondere Operationen, durchführen, sind aus dem Alltag vieler Krankenhäuser nicht mehr wegzudenken. Auch für die niedergelassenen Ärzte eröffnet solch eine Honorararzttätigkeit weitere, sowohl fachliche als auch wirtschaftliche, Möglichkeiten. Allerdings birgt dies natürlich ein weiteres Risiko im Hinblick auf eine Haftungserweiterung für beide ­Seiten.

Definition „Honorararzt“

Eine Legaldefinition des Begriffs „Honorararzt“ gibt es bislang nicht. Die Bundesärztekammer definiert den Honorararzt als externen Facharzt, der in einer medizinischen Einrichtung zeitlich befristet und auf freiberuflicher Basis persönlich ärztliche Leistungen erbringt und hierfür von der Einrichtung eine Vergütung erhält. Sein Einsatz ist sowohl in ambulanter als auch stationärer Versorgung möglich.

Der Bundesgerichtshof versteht darunter gemäß seinem Urteil vom 16.10.2014, welches sich konkret auf die Kooperation mit einem Krankenhausträger bezog, einen Facharzt, der im stationären und/oder ambulanten Bereich des Krankenhauses ärztliche Leistungen für den Krankenhausträger erbringt, ohne bei diesem angestellt oder als Belegarzt oder Konsiliararzt tätig zu sein. Er wird zeitlich befristet freiberuflich auf Honorarbasis tätig, wobei das Honorar mit dem Krankenhausträger frei und unabhängig von den Vorgaben der GOÄ vereinbart wird und mangels Anstellung des Honorararztes keinen tarifvertraglichen Bindungen unterliegt (vgl. BGH, Urteil vom 16.10.2014 – III ZR 85/14).

Diese beiden Definitionen unterscheiden sich somit von ihrem Inhalt her aus Sicht des Verfassers nicht wesentlich, wobei die vom BGH für den Krankenhausbereich aufgestellte Definition detaillierter und damit auch juristisch klarer ist.

Deliktische Haftung

Unabhängig von der Art der Behandlung, also ambulant oder stationär, sowie von der vertraglichen Situation zwischen Patient und Honorararzt besteht im Falle eines vorwerfbaren Behandlungsfehlers des Honorararztes zunächst stets die gesetzlich normierte Haftung des Arztes aus unerlaubter Handlung gemäß §§ 823 ff. BGB.

Der Honorararzt haftet danach für eigene Behandlungsfehler stets aus Delikt gemäß § 823 Abs. 1 BGB persönlich gegenüber dem Patienten.

Daneben ist eine Haftung der Einrichtung für fremde Fehler ihrer Verrichtungsgehilfen (z. B. sonstige Ärzte, Pflegepersonal) gem. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB möglich. Allerdings steht der Einrichtung die Führung des sog. Entlastungsbeweises gem. § 831 Abs. 1 S. 2 BGB offen, wenn diese bei der Auswahl der bestellten Person und, sofern sie Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

Vertragliche Haftung

Als weitere Anspruchsgrundlage zu Gunsten des Patienten kommt neben dem gesetzlichen Haftungstatbestand im Falle eines Behandlungsfehlers die Haftung aus dem Behandlungsvertrag zum Tragen. Hierbei ist stets die jeweilige vertragliche Konstellation zwischen der Einrichtung (Krankenhaus/MVZ/Praxis), dem Honorararzt und dem Patienten maßgeblich.

1) Ambulante Versorgung

Im Rahmen der ambulanten Versorgung kommt der Behandlungsvertrag ausschließlich mit der medizinischen Einrichtung zu Stande, also mit der Arztpraxis oder dem MVZ. Rechtlich kommt es damit zu einer alleinigen Haftung der Einrichtung nach Vertrag gegenüber ihren Patienten für ein schuldhaftes Handeln des Honorararztes. Denn Behandlungsfehler des Honorararztes werden der Einrichtung zugerechnet, da dieser deren Erfüllungsgehilfe gem. § 278 BGB ist.

Nicht vergessen werden darf dabei aber, dass selbstverständlich der Honorararzt, wie oben dargestellt, daneben aus Delikt gemäß § 823 Abs. 1 BGB haftet.

2) Stationäre Versorgung

Bei der stationären Versorgung ist zwischen den folgenden drei Vertragstypen zu unterscheiden:

  • dem totalen Krankenhausaufnahmevertrag,
  • dem totalen Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag und
  • dem gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag.

2. 1) Totaler Krankenhausaufnahmevertrag

a) Für die Haftung gilt zunächst im Rahmen eines totalen Krankenhausaufnahmevertrages, wie er in der Konstellation der Erbringung von Regelleistungen gemäß § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 KHEntgG durch den Honorararzt üblicherweise vorliegt, dass lediglich der Krankenhausträger dem Patienten gegenüber aus dem Behandlungsvertrag haftet, da dieser ausschließlich zwischen Krankenhaus und Patient zu Stande kommt. Das Krankenhaus ist danach nämlich verpflichtet, alle für die stationäre Versorgung des Patienten erforderlichen Leistungen, und somit auch sämtliche ärztliche Regelleistungen, zu erbringen. Zur Erfüllung der allgemeinen Krankenhausleistungen kann das Krankenhaus externe, nicht festangestellte Honorarärzte heranziehen (§ 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 KHEntgG). Dem Krankenhausträger wird deshalb auch das Verschulden des Honorararztes nach § 278 Satz 1 BGB zugerechnet. Ein eigenständiges Vertragsverhältnis zwischen dem Honorararzt und dem Patienten wird jedenfalls nicht begründet.

b) Wie sieht jedoch die Haftungsverteilung aus, wenn dem Honorararzt im Rahmen seiner niedergelassenen Praxistätigkeit bei einem Patienten, der dann später auch von ihm im Krankenhaus im Rahmen seiner Honorararzttätigkeit als Regelleistung operiert wird, sowohl ein Behandlungsfehler im Rahmen der niedergelassenen Praxistätigkeit als auch später bei der OP unterläuft? Mit Urteil vom 13.03.2018 – VI ZR 151/17 – hat der BGH nunmehr hierzu entschieden (siehe HIER).

Sachverhalt

In vorliegendem Fall verklagte die Haftpflichtversicherung des Krankenhausträgers den honorarärztlich tätigen Arzt auf Gesamtschuldnerausgleich, d. h. auf Zahlung der Hälfte des von der Haftpflichtversicherung an den geschädigten Patienten gezahlten Betrages.

Der beklagte Arzt behandelte in seiner Praxis den Patienten wegen seit Jahren andauernder Rückenschmerzen. Nach Durchführung eines Magnetresonanztomographie (MRT) wurde die weitere Behandlung inkl. einer möglichen Operation (OP) von ihm gegenüber dem Patienten erklärt. Nachdem der Patient sich zur OP entschieden hatte, führte der Arzt die Aufklärung in seiner Praxis durch. In der Folge wurde die vom beklagten Arzt gestellte OP-Indikation auch durch die orthopädische Abteilung des Krankenhauses anhand der Auswertung radiologischer, kardiologischer und allgemeinärztlicher Unterlagen überprüft. Etwas mehr als einen Monat nach dem Aufklärungsgespräch überprüfte auch der Arzt erneut die OP-Indikation. Zwei Tage später begab sich dann der Patient in die stationäre Behandlung des Krankenhauses, in dem der beklagte Arzt als Honorararzt tätig war. Der Arzt führte sodann im Rahmen seiner honorarärztlichen Tätigkeit die Operation durch. Zwei Tage nach der OP kam es zu einer Komplikation, in deren Folge eine Revisions-OP durch den Arzt notwendig wurde. Diese blieb jedoch erfolglos. Der Patient wurde dann verlegt und musste sich einem weiteren Revisionseingriff unterziehen, jedoch wurde ein beschwerdefreier Zustand nicht erreicht.

Im Honorararztvertrag zwischen Krankenhausträger und niedergelassenem Arzt war in § 6 vereinbart, dass sich die Betriebshaftpflichtversicherung des Krankenhausträgers auch auf die im Rahmen des Honorararztvertrages zu erbringenden ärztlichen Leistungen des Arztes bezieht. Für seine niedergelassene Tätigkeit besaß der Arzt eine eigenständige Haftpflichtversicherung.

Im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens zwischen Krankenhausträger und Patient wurde sodann festgestellt, dass sowohl Indikation als auch Aufklärung fehlerhaft gewesen waren. Zudem wurden die eigentliche OP sowie die erste Revisions-OP nicht fachgerecht vom Honorararzt durchgeführt. Hierdurch war dem Patienten ein Dauerschaden entstanden. Aufgrund dieses Ergebnisses schloss die Haftpflichtversicherung des Krankenhauses mit dem Patienten eine Abfindungsvereinbarung in Höhe von 170.000 Euro zzgl. dessen Anwaltskosten. Der Patient verzichtete dafür auf alle Ansprüche gegen das Krankenhaus und den Arzt. Des Weiteren zahlte die Haftpflichtversicherung an die gesetzliche Krankenkasse des Patienten einen Betrag in Höhe von 24.500 Euro im Hinblick auf den von dieser gemäß § 116 SGB X geltend gemachten Behandlungskostenregresses zurück. Die Hälfte dieser gezahlten Beträge verlangte die Haftpflichtversicherung des Krankenhauses nunmehr vom Arzt zurück, indem sie sich auf einen Erstattungsanspruch aus einem behaupteten Gesamtschuldverhältnis berief (vgl. zu alldem: BGH, a. a. O. Rn. 1-7).

Das Landgericht wies die Klage in I. Instanz ab. Auch das OLG Naumburg als Berufungsgericht lehnte in der Folge einen Gesamtschuldnerausgleich ab.

Hierbei kam das OLG Naumburg — aus Sicht des Verfassers richtigerweise — zu der Auffassung, dass im Außenverhältnis sowohl der Arzt als auch das Krankenhaus gegenüber dem Patienten als Gesamtschuldner haften würden. Denn das Behandlungsverschulden des Arztes bei dessen honorarärztlicher Tätigkeit im Krankenhaus sei dem Krankenhaus vertraglich im Rahmen des einheitlichen Krankenhausaufnahmevertrages nach § 278 Satz 1 BGB, deliktsrechtlich nach § 831 BGB zuzurechnen. Zudem hafte der Arzt dem Patienten gegenüber auch aus seiner niedergelassenen Tätigkeit aufgrund des Indikations- und Aufklärungsfehlers. Auch mit dieser Haftung stünde er in einem Gesamtschuldverhältnis mit dem Krankenhaus, denn es bestehe sowohl eine Identität des Leistungsinteresses als auch eine Gleichstufigkeit der Verpflichtungen (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 10).

Nach Auffassung des OLG bestehe ein Ausgleichsanspruch des Krankenhauses im Innenverhältnis der Gesamtschuldner dabei aber nur bei einer Zuordnungsfähigkeit der schadensursächlichen Tätigkeit zur niedergelassenen Tätigkeit des Arztes, die nicht von der Haftpflichtversicherung des Krankenhauses umfasst werde.

Hierzu führte das OLG sodann aus, dass eine solch klare Zuordnung in der vorliegenden Konstellation gerade nicht möglich sei, da bei einem honorarärztlich operierenden Arzt, der in seiner ambulanten Praxis die OP-Indikation stelle und den Patienten aufkläre, eine unteilbare Verbindung mit der späteren stationären Leistung bestehe. Bei Personenidentität zwischen ambulant vorbehandelndem Arzt und honorarärztlichem Operateur liege eine einheitliche Behandlung mit Operationsschwerpunkt vor (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 11).

Aus diesem Grund sei eine klare Trennung der Verantwortlichkeit für die OP-Vorbereitung und die OP-Durchführung nicht möglich, sodass sich eine eindeutige Zuordnung zum Verantwortungsbereich des einen oder des anderen verbiete, wie dies beispielsweise bei personenverschiedenem ambulanten Behandler und stationärem Operateur sei. Das OLG stellte hierbei zudem auf die Patientensicht ab, da diesem klar gewesen sei, dass der Arzt ihn nicht nur ambulant behandele, sondern, dass dieser auch die stationäre Leistung, konkret die OP, erbringen werde und dass die im Rahmen der niedergelassenen Tätigkeit durchgeführten Arbeitsschritte in Vorbereitung der Operation im Krankenhaus erfolgten. Über die OP könne nach Ansicht des OLG auch nicht hinweggedacht werden, da wenn sie nicht stattgefunden hätte, Indikationsstellung und Aufklärung für sich genommen keinen Gesundheitsschaden ausgelöst hätten. Insofern urteilte das OLG, dass das honorarärztliche Haftpflichtversicherungsverhältnis auch für die operationsvorbereitenden ärztlichen Tätigkeiten „ein anderes“ im Sinne des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimme, selbst wenn diese zeitlich und örtlich vorverlagert in der ambulanten Praxis des Honorararztes durchgeführt worden seien (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 11).

Diese Ausführungen des OLG Naumburg bedeuten mit anderen Worten: die ambulanten Tätigkeiten des Arztes und seine honorarärztliche Tätigkeit stellen in dieser Konstellation eine einheitliche Behandlung dar, sodass auch die ambulanten Tätigkeiten bei Personenidentität unter den vereinbarten Betriebshaftpflichtversicherungsschutz des Krankenhauses fallen.

Entscheidung des BGH

Der BGH bestätigte zwar die OLG-Entschei­dung im Ergebnis, jedoch hielt er die höchst brisante Frage, ob die zeitlich und örtlich vorgelagerten Behandlungsteile im Rahmen der niedergelassenen Tätigkeit des Honorararztes einem einheitlichen Behandlungsgeschehen mit Operationsschwerpunkt und damit als untrennbare Einheit insgesamt der honorarärztlichen Tätigkeit zuzuordnen sind, nicht für erforderlich.

Der BGH bestätigte dabei zunächst noch einmal die oben genannten Haftungsgrundlagen und die bestehende Gesamtschuldnerschaft zwischen Krankenhaus und Arzt.

Im Hinblick auf die Gesamtschuld führte der BGH aus, dass jedoch zwischen dem Krankenhaus und dem Arzt nur ein einheitliches Gesamtschuldinnenverhältnis bestehe. Er lehnte nämlich eine gesonderte Gesamtschuld im Sinne des § 421 BGB ab, d. h. der Arzt haftet hier nicht zusätzlich wegen der schuldhaften Verletzung ärztlicher Pflichten im Rahmen seiner niedergelassenen Tätigkeit. Denn der BGH stellte klar, dass durch die Verdopplung der Anknüpfungspunkte für eine Haftung des beklagten Arztes gegenüber dem Patienten die Gesamtschuld zwischen dem Krankenhausträger und dem Arzt nicht um einen zusätzlichen Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 BGB erweitert werde (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 16).

Die Erstattungsansprüche der Haftpflichtversicherung des Krankenhausträgers aus dem Gesamtschuldverhältnis wies der BGH sodann aber aus zwei Gründen zurück:

1. Zum einen verneinte er die Ansprüche, da der Arzt, soweit das Behandlungsverschulden die honorarärztliche Tätigkeit betrifft, im Innenverhältnis nicht ausgleichspflichtig und zudem nicht Dritter i. S. d. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG sei.

Denn im konkreten Fall sei eine von der gesetzlichen Grundregel des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB abweichende, andere Bestimmung als die hälftige Verpflichtung beider Schuldner getroffen worden. Diese abweichende Bestimmung ergab sich nach Auffassung des BGH vorliegend aus § 6 des Honorararztvertrages zwischen Krankenhaus und Arzt. Denn hierin wurde dem Arzt für den Fall der Verletzung von im Rahmen des Honorararztverhältnisses zu erbringenden ärztlichen Pflichten Haftpflichtschutz gegen Ansprüche von Patienten aus zivilrechtlicher Haftung zugesagt, ohne dass sich das Krankenhaus einen Rückgriff vorbehalten hätte (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 18).

Folglich wurde die gesetzliche hälftige Ausgleichspflicht durch die Regelung im Honorararztvertrag in Verbindung mit dem vereinbarten Versicherungsschutz des Krankenhauses abgeändert.

Nachdem sich der Versicherungsschutz des Krankenhauses somit jedenfalls auch auf die honorarärztliche Tätigkeit erstreckte, sei der Arzt als versicherte Person anzusehen und damit jedenfalls nicht Dritter im Sinne des § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG, sodass ebenso hiernach schon kein Anspruch übergehen könne (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 19).

2. Hinsichtlich des im niedergelassenen Bereich erfolgten Behandlungsverschuldens sah der BGH einen Fall der Mehrfachversicherung, weswegen er den Ausgleichsanspruch der klagenden Haftpflichtversicherung insoweit jedenfalls wegen des Vorrangs des Ausgleichs unter den Haftpflichtversicherern gemäß § 78 Abs. 1 und 2 VVG verneinte.

Hierzu stellte der BGH fest, dass der Arzt für Behandlungsfehler bei seiner niedergelassenen Tätigkeit nach den allgemeinen Grundsätzen selbst hafte. Soweit diese Fehler (hier fehlerhafte Indikation und Aufklärung) mitursächlich für den später durch die fehlerhafte OP eingetretenen Schaden des Patienten geworden sein sollten, hafte der Arzt gegenüber dem Patienten daher schon aus diesem vorgelagerten Fehlverhalten grundsätzlich in voller Höhe. Dieses eigene Haftungsrisiko unterfiele dem Versicherungsschutz bei seiner Haftpflichtversicherung für den niedergelassenen Bereich, sodass dieser Versicherungsschutz insoweit neben den Versicherungsschutz durch das Krankenhaus trete.

Das Versicherungsinteresse des Arztes, nämlich die Absicherung vor Vermögenseinbußen durch eine Belastung mit Schadensersatzansprüchen des Patienten, sei auf Basis der vom OLG vorgenommen tatsächlichen Annahmen somit doppelt abgedeckt. Nämlich durch die eigene Haftpflichtversicherung und durch die auf ihn ausgedehnte Haftpflichtversicherung des Krankenhauses. Wenn jedoch das identische Interesse gegen die identische Gefahr mehrfach haftpflichtversichert sei, so liege aus Sicht des BGH ein Fall des § 78 Abs. 1 Alternative 2 VVG vor, der einen Innenausgleich zwischen den Haftpflichtversicherern bedingt. Dies gelte nach Meinung des BGH auch dann, wenn sich die Mehrfachversicherung nur für eine Schnittmenge bestimmter Tätigkeiten (hier: ambulante Vorbereitungsmaßnahmen für eine spätere stationäre operative Behandlung) ergäbe. Folglich habe der Innenausgleich zwischen den Haftpflichtversicherern, wenn keine Subsidiaritätsklauseln vorliegen, Vorrang vor einem Regress gegen den Arzt nach § 86 Abs. 1 VVG (vgl. zu alldem: BGH, a. a. O., Rn. 20-22). Dies hatte hier konkret zur Folge, dass der Arzt schon nicht passivlegitimiert und damit nicht richtiger Beklagter des Anspruches war. Die Haftpflichtversicherung des Krankenhauses hätte ihren Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich damit allein gegenüber der Haftpflichtversicherung des Arztes geltend machen müssen.

Für die honorarärztlich tätigen Ärzte wäre zwar nach Ansicht des Verfassers eine klare Bestätigung der OLG Auffassung durch den BGH sicherlich wünschenswert und erfreulich gewesen, da dies zu einem erweiterten Haftungsrisiko der Krankenhausträger geführt hätte. Sofern nämlich im jeweils konkreten Einzelfall die honorarärztliche Tätigkeit durch die Betriebshaftpflichtversicherung des Krankenhauses abgedeckt wäre, hätte die Rechtsprechung des OLG Naumburg aus Sicht des Verfassers in der Folge bedeutet, dass selbst bei einem Behandlungsfehler ausschließlich im niedergelassenen Bereich, also beispielsweise wie hier bei der Indikationsstellung oder der Aufklärung, dies von der Haftpflichtversicherung des Krankenhausträgers gedeckt gewesen wäre, obwohl bei der eigentlichen Behandlung im Krankenhaus kein Fehler unterlaufen war. Allerdings hätte dies als mögliche Konsequenz aus Sicht der Krankenhausträger auch zu einer Reduzierung von Kooperationen mit Honorarärzten führen können, was regelmäßig aus Sicht der Ärzteschaft nicht wünschenswert ist.

2. 2) totaler Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag

In dieser Konstellation wird ein Behandlungsvertrag zwischen Krankenhausträger und Patient über allgemeine Krankenhausleistungen und Wahlleistungen sowie zusätzlich ein gesonderter, i. d. R. konkludenter Vertrag zwischen dem Arzt und dem Patienten über die Erbringung ärztlicher Leistungen geschlossen. Allerdings ist diese Vertragsgestaltung für nicht festangestellte Honorarärzte nicht mehr rechtlich zulässig, da die gefestigte BGH-Rechtsprechung die Erbringung und Abrechnung wahlärztlicher Leistungen durch diese verbietet (vgl. BGH, Urteil v. 16.10.2014 – III ZR 85/14; ders. Urteil vom 10.01.2019 – III ZR 325/17).) Insofern sind weitere rechtliche Ausführungen hierzu aus Sicht des Verfassers nicht veranlasst.

2. 3) gespaltener Krankenhausaufnahmevertrag

Zum einen kommt ein Behandlungsvertrag zwischen dem Krankenhausträger und dem Patienten über allgemeine Krankenhausleistungen (Unterbringung, Verpflegung, pflegerische Versorgung und ärztliche Versorgung, soweit sie nicht zum Fachgebiet des externen Arztes gehört) zu Stande. Zum anderen wird zusätzlich ein Behandlungsvertrag zwischen dem externen Arzt und seinen eigenen Patienten über ärztliche Leistungen seines Fachgebiets abgeschlossen. Als klassisches Beispiel ist hier der Belegarztvertrag zu nennen. Eigentlich ist auch hier nicht von einem „Honorararzt“ i. S. d. Definition gemäß Ziffer 1. zu sprechen, da der Arzt ja gerade keine ärztlichen Leistungen für das Krankenhaus erbringt, sondern eigene ärztliche Leistungen gegenüber seinen eigenen Patienten.

Bei einer derartigen Kooperation haftet der Arzt aus dem Behandlungsvertrag gegenüber dem Patienten sowohl für seine eigenen Fehler als auch für fremde Fehler des von ihm herangezogenen Personals (z. B. der von ihm angestellten Hilfspersonen oder des nichtärztlichen und ärztlichen KH-Personals, soweit er sich dieses zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten aus dem Behandlungsvertrag bedient, da diese wiederum juristisch als Erfüllungsgehilfen des Arztes gemäß § 278 BGB gelten). Bei dieser Kooperationsform ergibt sich somit aufgrund der Haftungserweiterung auch ein erhöhtes Haftungsrisiko für den Arzt. Der Krankenhausträger haftet dabei lediglich aus dem mit dem Patienten geschlossenen Behandlungsvertrag für Fehler seiner Krankenhausärzte, die nicht zum Fachgebiet des Arztes gehören sowie seines Pflegepersonals, das nicht von ihm hinzugezogen wurde.

Haftungsschuldner im Verhältnis Einrichtung + Honorararzt gegenüber Patient (= Außenverhältnis)

Im Fall eines vom Honorararzt verursachten Behandlungsfehlers ist grundsätzlich eine gesamtschuldnerische Haftung von medizinischer Einrichtung (aus Vertrag und ggf. Delikt) und Honorararzt (stets aus Delikt und ggf. aus Vertrag) im Außenverhältnis gegenüber dem Patienten gegeben.

Der medizinischen Einrichtung wird dabei das Verschulden des Honorararztes entweder aus Vertrag gemäß § 278 BGB aufgrund Erfüllungsgehilfeneigenschaft oder nach § 831 BGB deliktsrechtlich aufgrund Verrichtungsgehilfeneigenschaft zugerechnet.

Die Haftung von medizinischer Einrichtung und Honorararzt als Gesamtschuldner nach § 421 BGB bedeutet, dass der Patient im Falle eines Behandlungsfehlers sowohl gegenüber der Einrichtung als auch gegenüber dem Honorararzt etwaige Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Denn im Rahmen einer Gesamtschuldnerschaft kann der Patient Schadensersatz nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern, wobei er die Leistung insgesamt nur einmal beanspruchen kann. In der Regel werden damit die Einrichtung und der Honorararzt nebeneinander in Anspruch genommen. Dem Patienten stehen somit im Außenverhältnis zwei Schuldner zur Verfügung, an die er sich im Falle eines Schadens halten kann.

Eine vertragliche Abbedingung oder Begrenzung der Gesamtschuldnerschaft betreffend das Außenverhältnis gegenüber dem Patienten zwischen medizinischer Einrichtung und Honorararzt ist rechtlich nicht möglich, da dies einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter darstellen würde.

Haftungsverhältnis zwischen medizinischer Einrichtung und Honorararzt (= Innenverhältnis)

Die Haftung im Innenverhältnis, also ob beispielsweise die medizinische Einrichtung den Honorararzt von einer Haftung im Rahmen seiner honorarärztlichen Tätigkeit freizustellen hat oder der Honorararzt hierfür ein Ausgleich zu leisten hat, ist stets Frage der Regelungen im Honorararztvertrag zwischen Krankenhausträger und Honorararzt. Auf die Anspruchsgeltendmachung durch den Patienten haben diese Regelungen im Innenverhältnis aber, wie bereits erläutert, keine Auswirkungen.

Ebenso ist aus ärztlicher Sicht die Einbeziehung honorarärztlicher Tätigkeit in die Betriebshaftpflichtversicherung der medizinischen Einrichtung zwingend im Kooperationsvertrag zu regeln und durch Einblick in die Versicherungsunterlagen zu prüfen. Die Mitversicherung der honorarärztlichen Tätigkeit in der Betriebshaftpflichtversicherung der medizinischen Einrichtung ist aus juristischer Sicht des Verfassers für Honorarärzte unbedingt anzuraten.

Dabei ist Honorarärzten ebenfalls zwingend zu empfehlen, auch darauf zu achten, dass im Kooperationsvertrag keine Vereinbarung dahingehend getroffen wird, dass sich die medizinische Einrichtung einen Regress gegenüber dem Honorararzt vorbehält.

Fazit

Niedergelassenen Ärzten, die in einer medizinischen Einrichtung honorarärztlich tätig sind, insbesondere im Rahmen von § 2 Abs. 1, 2 KHEntgG in einem Krankenhaus Regelleistungen erbringen, sollten deshalb aus juristischer Sicht des Verfassers zwingend ein Augenmerk darauf legen, dass die honorarärztliche Tätigkeit von der Haftpflichtversicherung der Einrichtung umfasst ist und dass dies auch im Honorararztvertrag so vereinbart wird. Ferner sollte ein Rückgriffsvorbehalt zu Gunsten der Einrichtung nicht vereinbart werden. Sofern bezüglich vorgenannter Punkte kein ausreichender Versicherungsschutz der Betriebshaftpflichtversicherung der medizinischen Einrichtung festgestellt werden kann, ist dem Honorararzt dringend anzuraten, eine eigene Haftpflichtversicherung für die honorarärztliche Tätigkeit abzuschließen und auch auf einen ausreichenden Versicherungsschutz der niedergelassenen Tätigkeit zu achten.

Heberer J: Wer haftet für den Honorararzt? Juli; 9(07): Artikel 04_06.

Der Datenschutzbeauftragte in Arztpraxen

Nachdem am 25.05.2018 die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und das neue Bundesdatenschutzgesetz (BDSGneu) in Kraft getreten sind, gehören Fragen zum Datenschutzbeauftragten zu den häufigsten der juristischen Beratungspraxis. Einige dieser Fragen werden im Nachfolgenden behandelt.

Wann muss eine Arztpraxis einen Datenschutzbeauftragten bestellen?

Zunächst seien die Rechtsgrundlagen genannt, da in der Praxis oftmals der Irrtum herrscht, dass es für die Benennungspflicht lediglich auf die Anzahl der Beschäftigten ankomme:

Art. 37 Abs. 1 lit. c) DSGVO legt fest, dass auf jeden Fall ein Datenschutzbeauftragter vom Verantwortlichen zu benennen ist, wenn die Kerntätigkeit des Verantwortlichen in der umfangreichen Verarbeitung besonderer Kategorien von Daten gemäß Artikel 9 DSGVO besteht. Zu diesen besonders sensiblen Daten zählen genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person.

Ergänzend ist nach der deutschen Gesetzeslage gemäß § 38 Abs. 1 BDSGneu von einer Arztpraxis ein Datenschutzbeauftragter zu benennen, wenn

  1. in der Arztpraxis in der Regel mindestens zehn Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt sind, oder
  2. in der Arztpraxis Datenverarbeitungen vorgenommen werden, die einer Datenschutz-Folgenabschätzung i. S. d. Artikel 35 DSGVO unterliegen.

Folglich ist die Benennungspflicht eines Datenschutzbeauftragten entweder abhängig

  1. von der Beschäftigtenzahl oder
  2. von der Erforderlichkeit einer Datenschutz-Folgenabschätzung oder
  3. von der Kerntätigkeit des Verantwortlichen, die in der umfangreichen Verarbeitung besonderer Kategorien von Daten, wie Gesundheitsdaten, bestehen muss.

Hinsichtlich der Anzahl der Beschäftigten ist zu sagen, dass hierzu angestellte und freie Mitarbeiter (also angestellte Ärzte, MFAs, Verwaltungskräfte), Leiharbeitnehmer, Auszubildende und Praktikanten, sofern diese ständig, also nicht nur gelegentlich, personenbezogene Daten automatisiert verarbeiten, zählen. Leider wurde durch den Gesetzgeber versäumt, eindeutig zu klären, ob der/die Praxisinhaber selbst auch dazu zählen. Denn dieser ist schließlich auch selbst mit der automatisierten Datenverarbeitung ständig beschäftigt. Die Bundesärztekammer sowie die Kassenärztliche Bundesvereinigung vertreten allerdings die Auffassung, dass der/die Praxisinhaber nicht mitzuzählen sind. Diese Auffassung dürfte nach Ansicht des Verfassers auch richtig sein, da der Wortlaut davon spricht, dass der „Verantwortliche (= Praxisinhaber) mindestens zehn Personen beschäftigt“. Ebenso war nach der bisherigen datenschutzrechtlichen Regelung die verantwortliche Stelle nicht mitzuzählen. Hätte man hier eine Rechtsänderung gewollt, hätte dies nach Meinung des Verfassers klar geregelt werden müssen. Gleichwohl ist dies ein Umstand, der gegebenenfalls abschließend durch die zukünftige Rechtsprechung geklärt werden müsste.

Für die Zahl der beschäftigten Personen ist ansonsten ausschließlich die „Kopfzahl“ maßgeblich, sodass der Umfang der Beschäftigung, also Teilzeit- oder Vollzeit, irrelevant ist. Unberücksichtigt bleiben können dabei Beschäftigte, die normalerweise nicht auf die Daten zugreifen können, wie dies beispielsweise beim Reinigungspersonal der Fall ist.

Sofern danach regelmäßig weniger als zehn Personen ständig mit der Datenverarbeitung zu tun haben, kann eine Benennung aber trotzdem erforderlich sein, wenn die Kerntätigkeit der Praxis in der umfangreichen Verarbeitung von Gesundheitsdaten besteht. Aus Erwägungsgrund 97 DSGVO ergibt sich, dass im privaten Sektor sich die Kerntätigkeit eines Verantwortlichen auf seine Haupttätigkeiten und nicht auf die Verarbeitung personenbezogener Daten als Nebentätigkeit bezieht. Hierbei wird nach derzeitiger Kenntnis des Verfassers allgemein davon ausgegangen, dass zur Kerntätigkeit auch alle Vorgänge zählen, die fester Bestandteil der Haupttätigkeit sind. Dies bedeutet nach Ansicht des Verfassers, dass die ärztliche Dokumentation und die Patientendatenverwaltung in Arztpraxen damit letztendlich dem Begriff der Kerntätigkeit unterliegen. Folglich wäre gemäß Art. 37 Abs. 1 lit. c) DSGVO allein hiernach von einer Benennungspflicht einer jeden Arztpraxis unabhängig von der Beschäftigtenzahl auszugehen.

Allerdings muss die Kerntätigkeit der Verarbeitung nach dem Verordnungswortlaut „umfangreich“ sein. Hier stellt sich also die nächste Frage. Leider ist der Wortlaut der DSGVO nicht eindeutig. Dies muss also zukünftig durch die Rechtsprechung ausgelegt werden. Einen Hinweis bietet zumindest Erwägungsgrund 91, wonach eine umfangreiche Verarbeitung nicht vorliegen soll, wenn die Verarbeitung personenbezogene Daten von Patienten betrifft und durch einen einzelnen Arzt erfolgt. Wenn also die Arztpraxis aus einem Einzelarzt besteht (und weniger als zehn Beschäftigte im vorgenannten Sinne hat), dann wird aus Sicht des Verfassers in der Regel keine umfangreiche Verarbeitung von Gesundheitsdaten vorliegen, sodass grundsätzlich kein Datenschutzbeauftragter zu benennen ist.

Dies kann jedoch im Einzelfall anhand der konkreten Umstände und der sonstigen Anforderungen an eine umfangreiche Verarbeitung dann anders zu beurteilen sein, wenn die Gesundheitsdatenverarbeitung der Einzelpraxis weit über den Umfang einer üblichen Einzelarztpraxis hinausgeht, beispielsweise wenn diese derart viele Patienten hat, sodass der Betroffenenkreis erheblich den eines nach dem genannten Erwägungsgrund privilegierten, durchschnittlichen Einzelarztes überschreitet.

Was hier unter einem üblichen Umfang zu verstehen ist, ist rechtlich derzeit noch nicht abschließend geklärt. Die Bundesärztekammer und die KBV gehen in ihren Hinweisen und Empfehlungen vom 16.02.2018 davon aus, dass für einzelne Facharztbereiche Behandlungsfallzahlen von bis zu 1.500 Patienten pro Quartal durchschnittlich sind, sodass eine Orientierung am Wert von ca. 6.000 Datensätzen über einen Zeitraum von einem Jahr erfolgen könne, wobei die aufgrund von Aufbewahrungsfristen ohnehin schon dokumentierten Patientendatensätze hinzuzurechnen seien [1]. Dieses Tatbestandsmerkmal bedarf somit der Auslegung und Klarstellung durch die Verordnungsgeber oder die zukünftige Rechtsprechung.

Letztendlich kann ebenfalls unabhängig von der Beschäftigtenzahl die Bestellung eines Datenschutzbeauftragten nach der dritten Variante gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 2 BDSGneu dann erforderlich werden, wenn die Datenverarbeitung in der Arztpraxis eine Datenschutz-Folgenabschätzung nach Art. 35 DSGVO erfordert. Eine solche ist immer dann erforderlich, wenn eine Form der Datenverarbeitung, insbesondere bei Verwendung neuer Technologien, aufgrund der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung voraussichtlich ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen zur Folge hat. Eine Verwendung neuer Technologien liegt beispielsweise im Fall der Telemedizin vor. Ein solch hohes Risiko liegt nach dem Verordnungswortlaut insbesondere vor, bei einer umfangreichen Verarbeitung besonderer Kategorien von personenbezogenen Daten. Unter Bezugnahme auf die zuvor gemachten Ausführungen zur Annahme einer umfangreichen Verarbeitung wird man somit auch hier davon ausgehen können, dass dies bei einer durchschnittlichen Einzelarztpraxis nicht gegeben sein wird, sodass diese auch hiernach keinen Datenschutzbeauftragten benötigt.

Zusammenfassend kann man somit feststellen, dass in jeder ärztlichen Einrichtung zwingend ein Datenschutzbeauftragter zu benennen ist, wenn mindestens zehn Mitarbeiter mit der automatisierten Datenverarbeitung ständig befasst sind.

Bei weniger als zehn derart Beschäftigten ist nach dem Verordnungswortlaut lediglich eine durchschnittliche Einzelarztpraxis von den beiden anderen Tatbeständen einer Benennungspflicht ausgenommen.

Umstritten und noch nicht rechtssicher geklärt ist die Frage, ob dies bedeutet, dass alle sonstigen Arzteinrichtungen, also Praxen mit mehreren Berufsträgern, wie Berufsausübungsgemeinschaften, Mehrarzteinrichtungen wie ein MZV oder Organisationsgemeinschaften wie Praxisgemeinschaften, zwingend im Umkehrschluss einen Datenschutzbeauftragten benennen müssen, wenn diese weniger als zehn Beschäftigte haben. Hierfür spricht, dass der Wortlaut der Verordnung ausdrücklich die Verarbeitung lediglich durch einen einzelnen Arzt als nicht umfangreich privilegiert.

Dagegen lassen sich jedoch folgende Argumente anführen: Die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung vertreten diesbezüglich in ihren Hinweisen vom Februar 2018 in Bezug auf Berufsausübungsgemeinschafen eine andere Auffassung, wenn dort die Behandlung durch einen „einzelnen Arzt“ erfolgt und dieser die Dokumentation verantwortet. Wenn in einer Berufsausübungsgemeinschaft mit mehreren Ärzten im Vergleich zum durchschnittlichen Einzelarzt keine umfangreiche Verarbeitung stattfindet, wenn also keine signifikant höhere Anzahl an Patientendatensätzen verarbeitet wird, dann könne man auch hiernach nicht von einer umfangreichen Verarbeitung ausgehen (vgl. BÄK/KBV, a. a. O). Folglich werde dann auch kein Datenschutzbeauftragter benötigt. Dieses Argument lässt sich aus Sicht des Verfassers zumindest dann gut vertreten, wenn es sich um eine übliche BAG handelt, die weder fach- noch ortsübergreifend tätig ist und auch aufgrund der weiteren Umstände des Einzelfalls, insbesondere Praxisgröße, Patientenanzahl sowie geplanten Verarbeitungen, sich hiervon keine abweichende Beurteilung ergibt.

Die gleiche Rechtsunsicherheit gilt für Organisationsgemeinschaften wie einer Praxisgemeinschaft. Denn hier arbeiten zwar mehrere Ärzte unter gemeinsamer Nutzung der Infrastruktur zusammen, es liegen aber eigentlich getrennte Praxen vor, d. h. es findet eine getrennte Behandlung, Dokumentation, Abrechnung und damit eine getrennte Datenverarbeitung statt. Bundesärztekammer und KBV vertreten auch hier die Auffassung, dass für diese nichts anderes gelten kann als für eine Einzelarztpraxis, da die Voraussetzungen des Erwägungsgrundes 91 aufgrund der getrennten Behandlung durch nur einen Arzt in diesen Fällen regelmäßig erfüllt werden, sodass keine Benennungspflicht vorliegt. Auch der Verfasser ist der Meinung, dass für Praxisgemeinschaften, wenn aufgrund der übrigen Umstände keine abweichende Beurteilung einer umfangreichen Verarbeitung gerechtfertigt ist, diese Privilegierung gelten muss.

Eine rechtssichere Auskunft für BAGs, MVZs und Praxisgemeinschaften verbietet sich bedauerlicherweise mangels abschließend geklärter Rechtslage. Folglich muss aus juristischer Sicht diesen Einrichtungen aus Gründen der Rechtssicherheit, gerade im Hinblick auf die Bußgelder, geraten werden, einen Datenschutzbeauftragten zu benennen, wenn sie weniger als 10 Beschäftigte unterhalten.

Zur Rechtssicherheit wird auch empfohlen, dies mit der jeweils zuständigen Landesdatenschutzbehörde zu klären, da diese die Einhaltung der DSGVO überwacht.

Somit ist dies leider abermals eine Frage, die rechtlich nicht abschließend geklärt ist und abgewartet werden muss, wie die Landesdatenschutzbehörden oder auch die künftige Rechtsprechung sich hierzu positionieren werden.

Wer kann Datenschutzbeauftragter sein?

Die DSGVO sieht ausdrücklich vor, dass sowohl ein Mitarbeiter der Arztpraxis (interner Datenschutzbeauftragter) als auch ein Dritter außerhalb der Arztpraxis (externer Datenschutzbeauftragter) zum Datenschutzbeauftragten benannt werden kann.

Mit dem externen Datenschutzbeauftragten muss ein Dienstleistungsvertrag abgeschlossen werden, auf dessen Grundlage er tätig wird. Dieser muss auch zudem zur Geheimhaltung verpflichtet werden, da ansonsten eine Strafbarkeit nach § 203 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StGB droht.

Bei der Benennung eines internen Datenschutzbeauftragten ist zu beachten, dass der Praxisinhaber nach herrschender Meinung selbst nicht Datenschutzbeauftragter sein kann, da sich aus der gleichzeitigen Stellung als Verantwortlicher und Datenschutzbeauftragter Interessenkonflikte ergeben können, die nach der DSGVO ausgeschlossen sein müssen. Dem internen Datenschutzbeauftragten muss zur Erfüllung seiner Aufgaben und zur Erhaltung seiner Fachkunde die erforderliche Arbeitszeit gewährt werden. Der konkrete Umfang muss im Einzelfall bestimmt werden. Des Weiteren muss der Praxisinhaber die für die Erfüllung dieser Aufgaben sowie die zur Erhaltung des Fachwissens erforderlichen Ressourcen und den Zugang zu personenbezogenen Daten und Verarbeitungsvorgängen stellen. Dies bedeutet, dass hierunter unter anderem auch die Stellung ausreichender finanzieller Mittel, aus Sicht des Verfassers beispielsweise für Aus-, Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen, fällt.

Anzumerken ist noch zum einen, dass der Datenschutzbeauftragte bei der Ausübung seiner Tätigkeit weisungsfrei ist. Zum anderen besteht ein gesetzlicher Abberufungs- und Sonderkündigungsschutz, wenn ein Datenschutzbeauftragter verpflichtend ist, dessen Benennung also nicht auf rein freiwilliger Basis erfolgt. Sowohl eine Abberufung als auch eine Kündigung sind dann nämlich nur aus wichtigem Grund wie im Falle einer fristlosten Kündigung nach § 626 BGB möglich. Sofern die Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter regulär beendet wird, ist zudem nach § 6 Abs. 4 Satz 3 i. V. m. § 38 Abs. 2 BDSGneu eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses für ein Jahr ausgeschlossen, sofern nicht eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund gerechtfertigt ist.

Welche Qualifikation muss ein Datenschutzbeauftragter besitzen?

Nach Art. 37 Abs. 5 DSGVO wird dieser auf der Grundlage seiner beruflichen Qualifikation und insbesondere des Fachwissens auf dem Gebiet des Datenschutzrechts und der Datenschutzpraxis sowie seiner Fähigkeit zur Erfüllung der in Art. 39 DSGVO genannten Aufgaben benannt. Der Umfang der Datenverarbeitung und der Schutzbedarf der personenbezogenen Daten sind nach der DSGVO der Maßstab für die erforderliche Fachkunde. Der Datenschutzbeauftragte benötigt damit, wie nach bisheriger Rechtslage auch, entsprechende rechtliche, technische und organisatorische Kenntnisse.

Gemäß dem Beschluss der obersten Aufsichtsbehörden für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich vom 24./25.11.2010 über die Mindestanforderungen an Fachkunde und Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten nach dem alten BDSG, der aus Sicht des Verfassers aber nach wie vor als maßgebliche Orientierungshilfe herangezogen werden kann, muss dieser zum einen über allgemeine datenschutzrechtliche und technisch-organisatorische Kenntnisse sowie zum anderen über solch branchenspezifische Kenntnisse verfügen.

Zum allgemeinen Datenschutzrecht zählen:

  • Grundkenntnisse zu verfassungsrechtlich garantierten Persönlichkeitsrechten der Betroffenen und Mitarbeiter des Verantwortlichen und
  • umfassende Kenntnisse zum Inhalt und zur rechtlichen Anwendung der für den Verantwortlichen einschlägigen Regelungen der DSGVO und des BDSGneu, auch technischer und organisatorischer Art, sowie
  • Kenntnisse des Anwendungsbereiches datenschutzrechtlicher und einschlägiger technischer Vorschriften, der Datenschutzprinzipien und der Datensicherheitsanforderungen insbesondere nach Art. 32 DSGVO.

Die branchenspezifischen Kenntnisse umfassen [2]:

  • umfassende Kenntnisse der spezialgesetzlichen datenschutzrelevanten Vorschriften, die für das eigene Unternehmen relevant sind,
  • Kenntnisse der Informations- und Telekommunikationstechnologie und der Datensicherheit (physische Sicherheit, Kryptographie, Netzwerksicherheit, Schadsoftware und Schutzmaßnahmen, etc.),
  • betriebswirtschaftliche Grundkompetenz (Personalwirtschaft, Controlling, Finanzwesen, Vertrieb, Management, Marketing etc.),
  • Kenntnisse der technischen und organisatorischen Struktur sowie deren Wechselwirkung bei dem zu betreuenden Verantwortlichen (Aufbau- und Ablaufstruktur bzw. Organisation der verantwortlichen Stelle) und
  • Kenntnisse im praktischen Datenschutzmanagement eines Verantwortlichen (z. B. Durchführung von Kontrollen, Beratung, Strategieentwicklung, Dokumentation, Verzeichnisse, Logfile-Auswertung, Risikomanagement, Analyse von Sicherheitskonzepten, Betriebsvereinbarungen, Videoüberwachungen, Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat etc.).

Wie der aufmerksame Leser erkennt, sind dies lediglich die zu gewährleistenden Mindestanforderungen. Es wird somit deutlich, dass an die Fachkunde des Datenschutzbeauftragten hohe Anforderungen gestellt werden. Aus diesen Gründen wird man um eine Empfehlung, dass nur eine Person zum Datenschutzbeauftragten benannt werden sollte, die entsprechend geeignete Aus-, Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen absolviert hat, nicht herumkommen.

Form und Befristung der Benennung

Weder die DSGVO noch das BDSGneu schreiben eine einzuhaltende Form vor. Aus Nachweisgründen empfiehlt sich jedoch die Schriftform oder zumindest die Textform. Auch über eine Dauer der Benennung wird nicht festgelegt, sodass grundsätzlich eine befristete Benennung zulässig ist. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass die Befristung nicht zu kurz gewählt wird, da hierdurch die zu gewährleistende Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten gefährdet werden kann. Hier wird man wohl davon ausgehen müssen, dass eine lediglich sechsmonatige Befristung zur Probezeit für neu eingestellte Datenschutzbeauftragte unwirksam sein dürfte (vgl. Arbeitsgericht Dortmund, Urteil vom 20.02.2013 – 10 Ca 4800/12). Allgemein wird von einer wirksamen Befristung ausgegangen, wenn diese mindestens zwei Jahre beträgt, da nur dann der Datenschutzbeauftragte seine Aufgaben sinnvoll wahrnehmen kann.

Fazit

Der Datenschutz und dessen praktische bzw. technisch-organisatorische Umsetzung sind keine einfachen Themen. Es muss in jedem Einzelfall genauestens geprüft werden, ob ein Datenschutzbeauftragter benötigt wird, wer damit beauftragt wird und ob diese Person auch die notwendigen Anforderungen, die einem Datenschutzbeauftragten abverlangt werden, erfüllen kann. Aufgrund der zum Teil noch ungeklärten Rechtslage ist es allerdings leider auch für Juristen oftmals schwer und beruflich unbefriedigend, wenn in einigen Fällen keine eindeutigen und abschließend gesicherten Rechtsauskünfte erteilt werden können.

Literatur

[1] vgl. BÄK/KBV, Hinweise und Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis, Dt. Ärzteblatt 2018; 115 (10): A-453/B-395/C-395; DOI: 10.3238/arztebl.2018.ds01

[2] s. hierzu insgesamt: Beschluss der obersten Aufsichtsbehörden für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich, Mindestanforderungen an Fachkunde und Unabhängigkeit des Beauftragten für den Datenschutz nach § 4f Abs. 2 und 3 BDSG, S. 1-2, unter: https://www.bfdi.bund.de/SharedDocs/Publikationen/Entschliessungssammlung/DuesseldorferKreis/24112010-MindestanforderungenAnFachkunde.html

PRAXISTIPP

Am 25.05.2018 traten die neue EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und das hiermit korrespondierende neue Bundesdatenschutzgesetz (BDSGneu) in Kraft. Die darin enthaltenen Regelungen gelten unmittelbar und sind somit ab diesem Zeitpunkt für Ärzte verbindlich, d. h. sowohl die DSGVO als auch das BDSGneu sind zu beachten.

Die für Arztpraxen einschlägigsten Neuerungen hat der BDC-Justitiar Herr Dr. J. Heberer für Sie in enem Artikel „Das neue Datenschutzrecht“ zusammengestellt. Sie finden ihn HIER auf BDC|Online.

Der BDC ermöglicht seinen Mitgliedern im Rahmen von individuellen Einzelvertragsvereinbarung gemeinsam mit dem BDC-Datenschutzbeauftragten Herrn Menge (bei Bedarf Kontakt via BDC) die neue Datenschutzgrundverordnung in der eigenen Praxis zu organisieren und einzuhalten.

Heberer J: Der Datenschutzbeauftragte in Arztpraxen. Passion Chirurgie. 2018 September, 8(09): Artikel 04_09.

Update 2018: Honorararzt und Antikorruption

Zunächst bleibt es dabei: In der Gesamtschau mit den Risiken der Scheinselbständigkeit, den Problemen bei der Erbringung von Wahlleistungen und der Gefahr eines „verdeckten Belegarztverhältnisses“ raten wir nach wie vor zu Teilzeit-Anstellungen zwischen Vertragsärzten und Krankenhäusern anstelle von Honorararztverträgen.

Der reine Honorar- bzw. Kooperationsarzt hat dort nach wie vor seine Berechtigung, wo tatsächlich eine nur konsiliarärztliche Hinzuziehung in besonderen Fällen und die Behandlung von Regelleistungspatienten des Krankenhauses im Vordergrund stehen.

Auch im Anstellungsverhältnis sind die Themen der erforderlichen Angemessenheit der Vergütung bzw. des lauteren Wettbewerbs und der Zuweiserpauschale jedoch relevant. Es reicht mithin nicht, bestehende Kooperationen umzustellen. Die Partner müssen sich dezidiert mit den vorgenannten Rechtsfragen befassen, um zu einer rechtskonformen und für beide Parteien tragfähigen Lösung zu kommen. Das Dilemma der Ärzte ist es, dass es nach wie vor eine rechtssichere Ausgestaltung mangels klarer gesetzlicher Vorgaben oder verbindlicher höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht gibt. Es gibt bis dato nicht einmal erstinstanzgerichtliche Urteile, welche die Grenzen angemessener Vergütung im Sinne der antikorruptionsrechtlichen Vorgaben festlegen würden.

Es ist hierbei jedoch nach einer sich offenbar zunehmend durchsetzenden Auffassung der falsche Ansatz, die Angemessenheit der Vergütung der mit einem Krankenhaus kooperierenden Ärzte und BAGen rein in der „Welt“ Krankenhaus zu beurteilen und z. B. allein die in der InEK-Matrix ausgewiesenen ärztlichen Bestandteile wie für reine Krankenhausärzte als maßgeblich anzusehen. Denn auch bei einer Teilzeittätigkeit bleibt der niedergelassene Arzt ein primär freiberuflicher Unternehmer, dessen versorgungsübergreifende Position in der heutigen Realität der Krankenhäuser für diese und für die Sicherstellung der Versorgung allgemein von essenzieller Wichtigkeit ist. Dieser besonderen Situation des Arztes, der sich eben in zwei „Welten“ bewegt, müssen die Vertragspartner gerecht werden.

Gerade die hoch spezialisierten und qualifizierten teilzeitig angestellten Ärzte, insbesondere auch deren kooperierende BAGen erbringen in aller Regel diverse Begleitleistungen im Sinne des Krankenhauses, wie z. B. Ausbildung, Qualitätsmanagement, Beurteilung von MDK-Gutachten, Zertifizierungshilfe etc. Diese Leistungen werden von InEK eben nicht abgebildet und führen auch nicht zu einer verdeckten Belegarztstellung, da sie krankenhausspezifisch sind.

Auch werden in aller Regel durch diese externen Ärzte weniger Ressourcen in Anspruch genommen als vom Durchschnitt der Abteilungen. Dies lässt die Wirtschaftlichkeit einer solchen Abteilung im Unterschied zur Kontrolle der Gesamtwirtschaftlichkeit eines Hauses völlig anders aussehen.

Es kann deshalb nicht dem lauteren Wettbewerb widersprechen, wenn sich der KH-Träger gerade unter Beachtung seiner eigenen Wirtschaftlichkeit ein solches „Gesamtpaket“ für eine entsprechende faire Honorierung einkauft, dies hat nichts mit Zuweiserpauschalen zu tun.

Für die Beurteilung angemessener DRG-Anteile von Kooperationärzten können zudem die Unterschiede zwischen Beleg- und HA-DRG viel aussagekräftiger als die InEK-Matrix sein, da sich hieraus Anhaltspunkte für die Bewertung der stationären Leistungen des niedergelassenen Arztes widerspiegeln.

Nach dem aktuellen DRG-Bericht für 2018 ergibt sich bei den kalkulierten belegärztlichen DRG über alle Fachgruppen errechnet eine Differenz zu den Hauptabteilungs-DRG von sogar 32,8 Prozent! Im Bereich der Orthopädie und Unfallchirurgie beträgt die Differenz immer noch 18,2 Prozent.

Von wesentlicher Relevanz ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass beim Honorar-Belegarztmodell gem. § 121 Absatz 5 SGB V eine Reduzierung des HA-DRG um 20 Prozent erfolgt, was sich allein durch das Einsparpotenzial bei der Kooperation mit einem niedergelassenen Arzt rechtfertigt.

Auch aus unserer Sicht bedeutet dies schon im Hinblick auf die Unterschiede der Arztanteile in den DRG und des variierenden Umfanges der vorgenannten Begleitleistungen nicht, dass eine pauschale DRG-Beteiligung in bestimmter Höhe über alle Leistungen hinweg als variable Vergütung grundsätzlich gerechtfertigt ist. Es ist aber gleichzeitig aus den vorgenannten Gründen eben doch denkbar, dass bei entsprechender umfassender Würdigung der konkreten Situation der kooperierenden Ärzte auch ein erheblich über der reinen InEK-Bewertung liegender Anteil an einer DRG als Vergütungsanteil im Einzelfall angemessen sein kann und von den Ärzten im Rahmen der Verhandlungen berechtigterweise eingefordert wird.

Das Bundesgesundheitsministerium ist bei seinen bisherigen Verlautbarungen in diesem Zusammenhang erfreulich differenziert und praxisnah. So stellt es wiederholt in den Vordergrund, dass die sektorenübergreifende Kooperation grundsätzlich gewollt und im Interesse des Patienten sei. Eine angemessene Vergütung sei zulässig und notwendig. Diese sei im Einzelfall anhand aller Umstände zu beurteilen.

Ein dogmatisches Abstellen rein auf die InEK-Matrix, für jeden Arzt, der sich auf eine stationäre Tätigkeit einlässt, wird also auch vom Ministerium nicht vertreten. Folgen können wir aber der auch dort vertretenen Ansicht, dass die Parteien gehalten sind, die Hintergründe, Kalkulationsgrundlagen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte, die zu der vereinbarten Honorierung führten, so transparent und nachvollziehbar wie möglich auszugestalten. Hierzu gehört als wesentlicher Bestandteil aus unserer Sicht auch eine genaue Wirtschaftlichkeitsanalyse für die Abteilung, die die vorgenannten Besonderheiten und Begleitleistungen hinreichend berücksichtigt.

Dringend empfehlen wir zudem die Einbindung der Kooperation in ein professionelles Compliance-Management seitens der KH-Träger. Zu dessen Aufgabe gehört z. B. die Kontrolle des Anteils selbst eingewiesener Patienten an der Gesamttätigkeit des angestellten Kooperationsarztes. Aus unserer Sicht ist auch sicherzustellen, dass die Drittkontrolle der Krankenhauseinweisung durch einen weiteren Arzt durchgeführt wird. Denn die Prüfung des Vorliegens eines stationären Falls durch den selbst aus seiner eigenen ambulanten Praxis einweisenden Operateur birgt bereits den Anschein einer Zuweiserproblematik bzw. eines verdeckten Belegarztverhältnisses.

Nicht vergessen werden darf bei der Diskussion um die Ausgestaltung der Kooperationen aber, dass der Gesetzgeber durchaus konkrete Regelungen für die sektorenübergreifende Versorgung vorgesehen hat – nämlich in Form des Belegarztes. Das Belegarztwesen bedarf nach allgemeiner Auffassung in diversen Bereichen jedoch dringend einer strukturellen und finanziellen Anpassung. Hier ist der Gesetz- und Verordnungsgeber gefragt. Er könnte durch eine zeitgemäße und attraktivere Ausgestaltung diese Kooperationsform selbst rechtssicher gestalten, anstelle das Problem durch schwammige gesetzliche Vorgaben auf Ärzte, Krankenhäuser und die Rechtsprechung abzuwälzen.

Heberer J, Butzmann O. Update 2018: Honorararzt und Antikorruption. Passion Chirurgie. 2018 Juni, 8(06): Artikel 04_08.