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CME: 20 Jahre laparoskopische Antireflux- und Hiatushernienchirurgie

Indikation, Verfahrenswahl und Komplikationsvermeidung

Für die operative Therapie der gastroösophagealen Refluxerkrankung und der Hiatushernien liegen inzwischen gute Daten zum Langzeiterfolg vor. Kontrollierte Studien belegen eine gute Langzeit-Symptomkontrolle von 360°-Fundoplikationes vs. Medikation, wenngleich unerwünschte Post-Fundoplikatio-Symptome eine gewisse Prolematik darstellen [12, 26].

Geagea [15] und Dallemagne et al. [6] beschrieben unabhängig voneinander im Jahre 1991 erstmals die laparoskopische Technik der Fundoplikatio, inzwischen wird diese Operation an mehr als 50 Prozent der chirurgischen Kliniken durchgeführt und ihre laparoskopische Durchführung darf heute als Standard angesehen werden [19]. Nach wie vor besteht jedoch eine erhebliche Methodenvielfalt.

Mit unserem CME-Artikel wollen wir den aktuellen Stand der Antirefluxchirurgie darstellen und Hilfestellungen für die Praxis einschließlich Hintergrundinformationen zur Verfahrenswahl und Komplikationsvermeidung geben. Die dargestellten Operationsschritte entsprechen der eigenen Vorgehensweise bei inzwischen mehr als 800 Fundoplikationes (Teil- und Vollmanschetten) unter Berücksichtigung der Empfehlungen der „European Association for Endoscopic Surgery“ (E.A.E.S.) wie auch der SAGES („Society of American Gastrointestinal Endoscopic Surgeons“) und anderer Arbeitsgemeinschften inklusive neuerer Studienergebnisse.

Den vollständigen CME-Kurs, finden Sie unter www.ecme-center.org

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Zum Kurs "20 Jahre laparoskopische Antireflux- und Hiatushernienchirurgie"

Hüttl TP, Kramer KM. 20 Jahre laparoskopische Antireflux- und Hiatushernienchirurgie – Indikation, Verfahrenswahl und Komplikationsvermeidung. Passion Chirurgie. 2011 Feb; 1 (2): Artikel 03_01.

Editorial: Anti-Refluxtherapie

Zwanzig Jahre laparoskopische Antireflux- und Hiatushernien-Chirurgie

Die beiden ersten Publikationen über erfolgreich laparoskopisch ausgeführte Fundoplikationes (Geagea und Dallemagne) jähren sich heuer zum 20. Mal – ein schöner Anlass für ein Schwerpunktheft zu dieser Thematik. Was hat sich seither getan? Gibt es „Das-Eine-Standardverfahren“? Welche Manschette soll gewählt werden? Wohin geht die Reise?

Dieser Frage gehen in dieser Ausgabe verschiedene Chirurgen nach, die sich seit Jahren, z. T. Jahrzehnten mit dieser Thematik beschäftigen. Jeder der Artikel in dieser Ausgabe der Passion Chirurgie, der neuen Mitgliederzeitschrift des BDC, zeigt eine mehr oder weniger vorhandene Subjektivität basierend auf einer speziellen Chirurgenschule, kombiniert mit der jeweilig persönlichen Erfahrung und Überzeugung. Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse werden dabei aber in keinem Artikel außer Acht gelassen.

In vielen Punkten wie Lebensqualitätsverbesserung als Hauptzielgröße der Antireflux- und Hiatushernienchirurgie, der Notwendigkeit eingehender Naht- und Knüpftechniken oder der Durchführung einer eingehenden mediastinalen Ösophagusmobilisation etc. besteht Einigkeit. Die Wahl der Manschette dagegen erfolgt weiterhin sehr individuell, die Diskussion darüber im Alltag oft sehr emotional. Ein chirurgischer Lehrstuhlinhaber brach vor wenigen Jahren eine öffentliche Diskussion mit mir über das Thema „Teil- oder Vollmanschette“ ab mit den Worten: „An meiner Klinik gibt es keine halben Sachen“.

Zahlreiche kontrollierte randomisierte Studien zu dieser Thematik liegen inzwischen vor. Die Interpretation jedoch ist sehr unterschiedlich. So konnte wiederholt klar gezeigt werden, dass Manschettenkomplikationen, anatomisch wie funktionell, einschließlich der dadurch bedingten Reinterventionen bei 360°-Manschetten im Vergleich zu anterioren oder posterioren 180-270°-Teilmanschetten signifikant häufiger auftreten und zu Reinterventionen führen. Auf der anderen Seite belegen die gleichen Studien eine etwas bessere Kontrolle der Refluxsymptome durch Vollmanschetten. Gut 90 Prozent der operierten Patienten sind unabhängig vom gewählten Rekonstruktionsverfahren über lange Jahre höchst zufrieden.

Neu hinzugekommen ist in den vergangenen Jahren die Diskussion um die Verwendung von Netzmaterialien am Hiatus mit guter Evidenz für ein geringeres anatomisches Rezidiv bei gleichzeitig neuen, zum Teil katastrophalen Komplikationen. Auch dies wird in den verschiedenen Arbeitsgruppen und Schulen sehr unterschiedlich interpretiert. Auch mein Lieblingszitat zu dieser Thematik von M. Rossetti jährt sich zum 20. Mal und war doch noch nie so aktuell wie heute: “Paraösophageale und gemischte Hernien werden in der Welt noch verschiedenartig und phantasievoll angegangen. Wegen der kleinen Fallzahlen wird darüber wenig berichtet und publiziert.”

Martin Fein aus der Würzburger Schule, jetzt Bielefeld, fokussiert in seinem Artikel die Lebensqualität nach Fundoplikatio als oberstes Ziel. Die Auswahl des Operationsverfahrens empfiehlt er von der eigenen operativen Erfahrung abhängig zu machen. Die 360°-Fundoplikatio sollte demnach nur in Zentren erfolgen, die diese Technik mit einer niedrigen Dysphagierate realisieren können, andernfalls empfiehlt er die 270°-Toupet-Manschette. Mein langjähriger Mitstreiter Reinhold Lang aus der Arbeitsgruppe München-Großhadern hat unsere Daten zur Therapie des Upside-down-Magens zusammengestellt. Wir beziehen hier klar Position zugunsten einer stabilen Fixierung des Fundus am Zwerchfellschenkel durch eine anteriore 180°-Fundoplikatio.

Spätestens die Rezidivhernie gehört – auch hier besteht Einigkeit – in die Hand des Spezialisten. Griffith Pearson interpretiert in seinem Standardwerk zur Thorax- und Ösophaguschirugie Redo-Eingriffe als “one of the most challenging and technically difficult problems in our speciality” und führt aus, dass er wie auch schon Belsey allenfalls das Eröffnen und Schließen der Leibeshöhle bei derartigen Eingriffen anderen überließ. Inzwischen werden auch Redo-Eingriffe nicht nur häufiger sondern auch zunehmend routinemäßig in Zentren laparoskopisch durchgeführt. Die österreichische Arbeitsgruppe um Rudolph Pointner, Zell am See, und Frank Granderath, inzwischen Mönchengladbach, hat sich sehr mit Lebensqualität und Redo-Eingriffen auseinandergesetzt und plädiert aufgrund eigener, guter Erfahrung zur großzügigen Anwendung von Netzen als Hiatusverstärkung. Sie betonen wiederum die Wichtigkeit der korrekten Indikationsstellung basierend auf einer Kombination aus verminderter Lebensqualität und Nachweis funktioneller oder anatomischer Pathologien. Ihren Hinweis auf die Notwendigkeit einer präoperativen endoskopischen Beurteilung durch den Chirurgen selbst (Zitat: „dem Gastroenterologen fehlt das Wissen der operationsbedingt veränderten Morphologie und Anatomie“), erlaube ich mir hier nochmals nachdrücklich zu unterstreichen.

Hubertus Feußner, München – Rechts der Isar, beleuchtet Chancen und Risiken in der Verwendung von Netzmaterialien und kommt hier zu einem eher kritischen Ergebnis. Dies leitet dann gleich über zur rein endoskopischen Antirefluxtherapie, die sich in den vergangenen Jahren von frustranen Versuchen mit z. T. fragwürdiger Konzeption erheblich weiterentwickelt hat. Auch diese endoskopisch ausgeführten chirurgischen Naht-Techniken gehören in chirurgische oder interdisziplinäre Arbeitsgruppen, die ihren Patienten das gesamte Therapiespektrum und auch ein professionelles chirurgisches Komplikationsmanagement oder Umwandlungsoperationen anbieten können.

Georg Kähler aus dem interdisziplinären Endoskopiezentrum Mannheim setzt sich in seinem Übersichtsartikel mit diesem Thema auseinander. Der CME-Beitrag „20 Jahre laparoskopische Antirefluxchirurgie“ geht nochmals didaktisch auf Indikationsstellung, Verfahrenswahl und Komplikationsvermeidung ein und gibt einen Ausblick auf neue Entwicklungen.

Gemeinsam mit den Autoren dieser Ausgabe hoffe ich, Ihnen eine aktuelle Übersicht und ein paar spannende Anregungen für die eigene Praxis gegeben zu haben. Die Diskussion bleibt offen, lassen Sie uns gemeinsam strukturiert diese wunderschönen und anspruchsvollen laparoskopischen und endoskopischen Eingriffe fortentwickeln.

Editorial: Adipositaschirurgie ist keine Lifestyle-Medizin

Die chirurgische Therapie der Adipositas erfährt zunehmend auch in Deutschland die ihr gebührende Aufmerksamkeit. Nach wie vor sind adipöse Menschen in Deutschland derzeit unterversorgt, insbesondere weil die Finanzierung therapeutischer Maßnahmen – konservativ wie chirurgisch – nicht gesichert ist. Gemäß statistischem Bundesamt war 2009 ein Anteil von 51 Prozent der erwachsenen Bevölkerung (60 Prozent Männer, 43 Prozent Frauen) in Deutschland übergewichtig. Betrachtet man die Daten der Mikrozensus-Befragungen 1999 bis 2009 genauer, so ist dies noch wesentlich problematischer: In Deutschland ist die Anzahl der morbid adipösen Erwachsenen in diesem Zehnjahreszeitraum um 74 Prozent angestiegen. Gemäß der biometrischen Erhebung der nationalen Verzehrstudie II des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz liegt der Anteil der morbid adipösen Erwachsenen mit einem BMI > 40 kg/m² in unserem Land bei >1,5 Prozent. Auf den Punkt gebracht leiden also mehr als 1 Million Erwachsene in Deutschland unter einer Adipositas Grad 3, einer chronisch-progredienten und derzeit nahezu unheilbaren Erkrankung.

Diese Zunahme an Übergewichtskranken wird zunehmend als eine Bedrohung der westlichen Gesundheitssysteme angesehen. So geht die Erkrankung nicht allein mit einer verkürzten Lebenserwartung, einer verminderten Lebensqualität und häufig sozialem Abstieg und Ausgrenzung der Betroffenen einher, sondern ist auch mit einer Reihe von schwerwiegenden Komorbiditäten behaftet wie Typ-2-Diabetes, kardiopulmonale Komplikationen und muskuloskelettale Erkrankungen.

Von dieser Problematik sind wir Chirurgen in verschiedener Hinsicht betroffen. Spätestens das fortgeschrittene Stadium der Erkrankung (BMI ³ 40 kg/m², z. T. früher) ist nur noch durch chirurgische Verfahren nachhaltig therapierbar, die Adipositaschirurgie muss also sowohl integraler Bestandteil der multimodalen Therapie der Adipositas sein wie sie Bestandteil der viszeralchirurgischen Spezialisierung werden muss.

Diese Thematik wird im Beitrag von N. Runkel et al. mit einer Kurzfassung der neuen evidenzbasierten „S3-Leitlinie Chirurgie der Adipositas“ vertieft. Sie ist derzeit die einzige in Deutschland gültige Leitlinie zum Thema Adipositas.

Außerdem müssen wir uns aber auf den extrem dicken Patienten in der täglichen chirurgischen Routine, in der Viszeralchirurgie ebenso wie in allen anderen chirurgischen Spezialgebieten einstellen. Entsprechende Ausstattung wie Schwerlasttische und XXL-Instrumente sowie Sicherheit in deren Handhabung ist flächendeckend vonnöten, um Standardeingriffe unverzüglich und heimatnah auch im Notfall auch bei einem 170 kg schweren Patienten durchführen zu können. Dies ist ein für jede chirurgische Klinik interessanter Teilaspekt der in diesem Heft erstmals vorgestellten „Umfrageergebnisse aus Bayern“, die neben adipositaschirurgischen Besonderheiten und einer auffallend großen Methodenvielfalt ein erhebliches Defizit hinsichtlich der Infrastruktur für adipöse allgemein- und viszeralchirurgische Patienten widerspiegelt.

Bisher kaum akzeptiert ist in Deutschland die sog. „Metabolische Chirurgie“. Hierunter versteht man den chirurgischen Ansatz zur Therapie von Diabetes und anderen metabolischen Erkrankungen durch (adipositas-)chirurgische Operationverfahren bei bereits geringeren BMI-Klassen wie einer Adipositas Grad 1. Es liegen bereits erste vielversprechende Ergebnisse vor. Der Artikel „Bariatrische Chirurgie und Insulinresistenz“ von M. Möhling und F. H. Pfeiffer spannt den Bogen von der Adipositaschirurgie zur metabolischen Chirurgie.

In diesem Zusammenhang ist auf die neu gegründete „Expertengruppe Metabolische Chirurgie“ (www.expertengruppe-mbc.de) zu verweisen. Diese interdisziplinär zusammengesetzte und von verschiedenen Fachgesellschaften mandatierte Arbeitsgruppe bündelt die Expertise verschiedener Fachgebiete und möchte den Diskurs über die Möglichkeiten und evidenzbasierten Erfolge der Adipositaschirurgie und ihrer metabolischen Effekte in Fach- und allgemeiner Öffentlichkeit aktiv mitgestalten.