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Ambulantes Operieren in Zeiten der (anstehenden) Krankenhausreform

Der Redaktionsplan dieser Zeitschrift wird aus organisatorischen Gründen in der Regel etwa ein Jahr vor Veröffentlichung des Themenhefts oder der angeforderten Publikation erstellt. Zu diesem Zeitpunkt ging die Redaktion davon aus, dass die Krankenhausreform, wenn nicht implementiert, so doch zumindest eine klarere Kontur angenommen hätte. Zum Zeitpunkt Anfang März 2024 aber ist die Ausgestaltung der Zukunft der stationären Versorgung noch nicht viel weitergekommen. Folglich wissen wir nicht konkret, wie sich das ambulante Operieren in dem neuen Setting darstellen wird. Da sich aber in der jüngeren Vergangenheit ganz erhebliche Veränderungen für die ambulant tätigen Operateure ergeben haben, gilt es an dieser Stelle den Ist-Zustand darzustellen – dieser ist komplex genug.

Das ambulante Operieren führt in Deutschland seit Jahrzehnten ein Schattendasein, auch wenn diese Art der Versorgung immer wieder von den Krankenkassen, den Vertragsärzten und nicht zuletzt den Patientinnen und Patienten nachgefragt wird. Der einfache Grund dafür ist, dass unser Gesundheitssystem so aufgebaut ist, dass eine Verschiebung von Patienten und Leistungen aus einem Sektor in den anderen zwangsweise zu einem Verlust von Erlösen führt. Hauptsächlich wäre davon der stationäre Bereich betroffen. Verständlicherweise war so das Interesse des beteiligten Vertragspartners DKG als Vertreter der Krankenhäuser gering, hier große Änderungen zu unterstützen. Dies wird weiter gehemmt durch die föderal bestehenden Zuständigkeiten in der Gesundheitspolitik. Welcher Landrat oder Oberbürgermeister ließe es zu, dass ganze Krankenhäuser oder zumindest Teilbereiche schließen als Folge einer Ambulantisierung – damit macht man sich in der Bevölkerung nicht beliebt. Und damit belegt Deutschland unter den hochentwickelten OECD Staaten bzgl. des ambulanten Operierens weiterhin einen der letzten Plätze [6]. Dies ist umso weniger nachvollziehbar, da reichlich Evidenz vorliegt bezüglich Sicherheit, Komplikationsarmut und Patientenzufriedenheit beim ambulanten Operieren [1, 3, 4]. Andere entwickelte Länder um uns herumhaben gezeigt, wie man das ambulante Operieren mittels Incentivierung unterstützen und ausbauen kann [2].

Nach jahrelangem Stillstand ist vor einigen Jahren eine grundlegende Änderung angeschoben worden und nun überschlagen sich die Ereignisse förmlich. So wurde noch von der vorherigen Bundesregierung im MDK-Gesetz aus 2020 festgelegt, dass eine Förderung und damit Besserstellung der Vergütung beim ambulanten Operieren, kalkuliert auf aktuellen Kosten bei der Betreibung eines ambulanten Op.-Zentrums, zu erfolgen hat. Darüber hinaus hatte kurz zuvor der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen angemahnt, dass zusätzlich zum aktuell gültigen AOP-Katalog weitere operative Leistungen aus dem stationären Sektor herausgelöst werden sollen [8]. Das Zauberwort ist hier die einheitliche sektorengleiche Vergütung.

Was haben diese beiden Entwicklungen nun für Auswirkungen auf das ambulante Operieren?

Mit Wirkung 01.01.2023 wurde nach zweiseitigen Verhandlungen ein Beschluss des Bewertungsausschusses erwirkt, der die Kassen verpflichtet zusätzliches Geld in Höhe von 60 Mio € pro Jahr den ambulant tätigen Operateuren zur Verfügung zu stellen. Dies führte zwar zu einer geringen Abwertung von einigen operativen Eingriffen der EBM Kategorie 1 und 2, befriedete aber einen von Kassenseite bereits im Jahr 2013 erwirkten Beschluss, dass aufgrund von reduzierter Schnitt-Naht-Zeit bei hauptsächlich ambulant erbrachten Eingriffen der ärztliche Anteil der GOP und damit auch die Vergütung gemindert werden sollte. Im Ergebnis haben die Chirurginnen und Chirurgen profitiert durch Zuschläge bei komplexeren Operationen, die teilweise bis zu 30 % Mehrerlös zur Folge haben. Dies betraf im Besonderen die Hernienchirurgie, die Arthroskopien, die Vorfußchirurgie und ausgewählte Eingriffe aus der Proktologie und Handchirurgie. Als weitere Förderung des ambulanten Operierens wird es perspektivisch noch in diesem Jahr einen seit Jahren vom BDC geforderten Hygienezuschlag geben, ebenfalls erwirkt über den Bewertungsausschuss und ebenfalls in einer Höhe von 60 Mio. € pro Jahr. Aktuell hapert es noch bei der Umsetzung. Dies wird aber nun durch Zuschläge in Abhängigkeit von Kritikalität und auch der Komplexität des Eingriffes geschehen. Berechnungen der KBV zufolge darf ein ambulant operativ tätiger Chirurg durchschnittlich eine Verbesserung der Vergütung in Höhe von 8,2 Prozent erwarten.

Auch der Paragraph 115b wurde weiterentwickelt. Nach dreiseitigen Verhandlungen gilt ab 01.04.2023 der neue AOP-Vertrag. Er beinhaltet unter anderem die Aufnahme zusätzlicher Prozeduren und für Chirurginnen und Chirurgen wichtig einen Zuschlag für Rezidiveingriffe. Die eigentliche Brisanz aber liegt in der Einführung sogenannter Kontextfaktoren zur Begründung einer stationär erforderlichen Behandlung. Grundsätzlich gilt, dass jede der im Anhang 1 des AOP-Vertrages gelistete Prozedur ambulant zu erbringen ist – und dies betrifft eine große Zahl von Eingriffen, z. B. fallen auch die Kreuzbandersatzplastik und die laparoskopische Hernien Versorgung darunter. In der Vergangenheit hatten sich Krankenhausgesellschaft und die Krankenkassen auf die sogenannten G-AEP Kriterien verständigt, die eine stationäre Leistungserbringung begründen konnten. Diese wurden nun ersatzlos gestrichen und durch insgesamt nur drei Kontextfaktoren ersetzt. Eine stationäre Versorgung wäre für eine laparoskopische TAPP oder TEP demnach nur dann möglich, wenn der Patient ein Säugling ist, einen Pflegegrad von 4 oder 5 hat oder beatmet wird. Dies hat zu erheblichem Unmut besonders bei den verantwortlichen Chirurginnen und Chirurgen in den Krankenhäusern geführt, die nachvollziehbar dies für nicht vereinbar mit Patientensicherheit oder anderen medicolegalen Aspekten sehen. Bis dato sind nach Kenntnis des BDC wegen fehlender Kontextfaktoren vom MD noch keine Prüfungen in größerem Ausmaß erfolgt. Es steht aber zu befürchten, dass genau dieses mit Implementierung der sektorengleichen Vergütung und Einführung von Hybrid-DRGs zukünftig passieren wird.

Der AOP-Vertrag hält aber nicht nur Zumutungen bereit. Mit Datum 01.01.24 wurden Zuschläge für eine ganze Reihe von Osteosynthesen und Repositionen eingeführt. Diese finden sich in der Anlage 3 und führen im Schnitt zu einem Mehrerlös von 20 %.

Das schon angesprochene Sachverständigengutachten aus 2018 führte zur Implementierung einer speziellen sektorengleichen Vergütung, verankert im Krankenhauspflegeentlastungsgesetz vom 02.12.2022. Die Vertragsparteien werden darin aufgefordert innerhalb eines Zeitraumes von gut drei Monaten eine Einigung herbeizuführen bzgl. Festlegung der Eingriffe, Höhe der Vergütung, Abrechnungsmodalitäten usw. Ein solches Mega-Projekt mit Umstellung der Finanzierung im Gesundheitssystem auf einen dritten, gemeinsamen Sektor aber ist unmöglich in der Kürze der vorgegebenen Zeit zu verhandeln. Nun sollte eine Rechtsverordnung (RVO) aus dem BMG es richten. Nachdem ein erster Entwurf der RVO aus dem September 2023 wegen rechtlicher Bedenken aus dem Justizministerium zurückgezogen wurde, kam dann kurz vor Weihnachten der Paukenschlag mit Einführung von Hybrid-DRGs (h-DRG) mit Geltung wenige Tage später ab 01.01.2024. Es wurden zwar insgesamt 12 h-DRGs aus fünf Leistungsgruppen vom InEK kalkuliert und bepreist, die Ausführungsbestimmungen aber sollen nun wieder von den drei Vertragsparteien ausgehandelt werden. Damit ist Stand Anfang März 2024 so gut wie nichts geregelt – außer der Benennung der in Frage kommenden OPS und der Höhe des Erlöses.

Im Speziellen besteht Unklarheit bzgl. einer möglichen alternativen Abrechnungsmöglichkeit für Vertragsärzte über EBM, dies war im ersten Entwurf der RVO noch so enthalten. Der größte Knackpunkt aktuell ist eine fehlende Spreizung und eine Nicht-Berücksichtigung der Sachkosten im Vertragsarztsektor, die deutlich über Denjenigen vom InEK kalkulierten liegen. Im EBM sind die Eingriffe nach Komplexität differenziert und bewertet. In der h-DRG fallen z. B. in der Vorfußchirurgie einfache Knochenresektionen in die gleiche DRG wie auch komplexere Umstellungsosteotomien. Da in beiden Fällen aber die kompletten Sachkosten und alle ärztlichen Leistungen aus dem Erlös bezahlt werden müssen, führt dies unweigerlich zu einer Unterfinanzierung, die deutlich unter EBM liegen kann. Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche weitere Probleme und Konflikte mit anderen Gesetzen, wie z. B. Entwicklung der zukünftigen Preisdynamik, Kalkulationsgrundlage des InEK, fehlende empirische Daten zu Sachkosten aus dem Vertragsarztbereich, mögliche Sozialversicherungspflicht, usw. Es steht zu befürchten, dass viele Unklarheiten letztendlich erst einer sozialgerichtlichen Klärung bedürfen.

Ungemach droht auch aus der Notwendigkeit sich den Erlös mit anderen Leistungserbringern zu teilen. Viele Kolleginnen und Kollegen hatten bis dato keine Erfahrungen mit Selektivverträgen und sind noch nie in die Bredouille gekommen mit ihrem Anästhesisten über die Vergütung der ärztlichen Leistung zu verhandeln. Von vielen Mitgliedern wurde daher eine Empfehlung zur Aufteilung des Erlöses aus der h-DRG von ihrem Berufsverband erbeten. Der BDC und der Berufsverband der Anästhesistinnen und Anästhesisten in Deutschland (BDA) haben Anfang Februar einen entsprechenden Rahmen konsentiert in Anlehnung an die Berechnung der ärztlichen Leistungsanteile aus der InEK-Kalkulation und auch aus dem EBM. Den Beteiligten war dabei klar, dass dies keineswegs eine Blaupause ist und schon gar keine Rechtsverbindlichkeit besitzt, dafür sind die individuellen Gegebenheiten vor Ort und die gelebte Beziehung zwischen Operateur und Anästhesist viel zu verschieden. Unabdingbar bei Verhandlungen zur Aufteilung des Erlöses aus der h-DRG ist es, dass alle Kosten transparent auf den Tisch kommen und im Konsens mit dem Anästhesisten vom Erlös abgezogen werden, erst dann kann über den Verteilungsschlüssel verhandelt werden.

Abschließend fällt es schwer für die Anwendung der h-DRG eine fundierte Empfehlung von Seiten des BDC auszusprechen. Wir sollten die sektorengleiche Vergütung mit all ihren momentanen Unzulänglichkeiten und Fehlern aber als Chance begreifen – schließlich ist sie das Ergebnis dessen, was wir schon seit 20 Jahren fordern, die gleichlangen Spieße zwischen Krankenhaus und vertragsärztlichem Sektor. Essenziell für jeden einzelnen Operateur ist es nun sich mit seinem Op.-Spektrum zu beschäftigen, die in Frage kommenden OPS zu identifizieren und für jeden einzelnen dieser Eingriffe eine Kostenkalkulation durchzuführen. Ohne dies wäre eine Beurteilung, ob ein Eingriff lukrativ oder defizitär ist, nicht möglich. Grundsätzlich ist bzgl. der OPS des aktuell vorliegenden Kataloges festzustellen, dass die Operateure bei einfachen Eingriffen der EBM-Kategorien 1 bis maximal 3 eigentlich nur gewinnen. Komplexe Eingriffe aber stellen eine Gefahr bezüglich der Sachkosten dar. Dies ist auch der Grund dafür, dass der BDC in Absprache mit den anderen chirurgischen und orthopädischen Berufsverbänden auf der Bremse steht bzgl. der für den 01.01.25 vorgesehenen Weiterentwicklung der h-DRGs.

Eine weitere große Veränderung deutet sich am Horizont an – die Krankenhausreform. Auch wenn die Verhandlungen zwischen BMG und den Bundesländern aktuell stocken, ist zu erwarten, dass über die vormals vorgesehenen Level Ii – Krankenhäuser ein neuer Player in Erscheinung treten wird, der zwangsläufig zu einer weiteren Verlagerung von aktuell noch stationär erbrachten Leistungen in den ambulanten Sektor führen wird. Und dies wiederum hat erhebliche Auswirkungen auf die Weiterbildung [5]. Die zukünftigen Chirurginnen und Unfallchirurgen und Orthopäden werden einen Großteil der notwendigen Operationen nicht mehr unter stationären Bedingungen im Krankenhaus, sondern im ambulanten Sektor erlernen müssen. Hierzu hat der Marburger Bund am 14.02.2024 ein Positionspapier veröffentlicht [7]. Dazu mehr in einem Beitrag zu diesem Thema in dieser Ausgabe, Rubrik „Gesundheitspolitik“. [5] Und sobald sich die Krankenhausreform zukünftig klarer abzeichnet wird auch das Thema des ambulanten Operierens unter diesen neuen Bedingungen zu beleuchten sein.

Literatur

[1]   Chung, F., Mezei, G., Tong, D.: Adverse events in ambulatory surgery. A comparison between elderly and younger patients. Canadian Journal of Anaesthesia 1999 46 (4), S. 309. DOI: 10.1007/BF03013221
[2]   Eckhardt, H., Kreutzberg, A., Bussse, R.: Tageschirurgie – internationale Erfahrungen, Vergütungssysteme und finanzielle Anreize in England, Frankreich und Österreich. Arthroskopie. 2024 37 S. 3
[3]   Friedlander, D. F., Krimphove, M. J., Cole, A. P., Marchese, M., Lipsitz, S. R., Weissman, J.S. et al.: Where Is the Value in Ambulatory Versus Inpatient Surgery? In: Annals of Surgery. 2019 Online verfügbar unter https://journals.lww.com/annalsofsurgery/Fulltext/9000/Where_Is_the_Value_in_Ambulatory_Versus_Inpatient.94938.aspx
[4]   Gensior, T.J., Scheffler, S.: Ambulante rekonstruktive Kniegelenkschirurgie – wie weit kann man gehen? Arthroskopie 2024 37 S. 11
[5]   Ludwig, J., Schmitz, R.W.: Strukturierte intersektoraler Weiterbildungsverbund. Passion Chirurgie. 2024 zur Veröffentlichung vorgesehen
[6]   OECD (2020): Health care utilisation. Surgical Procedures. Paris. Online verfügbar unter https://stats.oecd.org/Index.aspx?DataSetCode=HEALTH_PROC.
[7]   Positionspapier Weiterbildung Marburger Bund vom 15.2.2024 Online verfügbar unter https://www.marburger-bund.de/sites/default/files/files/2024-02/MB-Positionen-aerztliche_Weiterbildung_%20Februar%202024_1.pdf
[8]   Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen: Bedarfsgerechte Steuerung der Gesundheitsversorgung. 2018 Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Berlin

Schmitz RW: Ambulantes Operieren in Zeiten der (anstehenden) Krankenhausreform. Passion Chirurgie. 2024 April; 14(04): Artikel 03_03.

Strukturierter intersektoraler Weiterbildungsverbund in O und U

Das Thema Weiterbildung und Nachwuchsgewinnung in der Chirurgie wird schon seit vielen Jahren bestimmt durch eine zunehmend aufgehende Schere zwischen erhöhtem Bedarf und schrumpfenden Ressourcen. Der Bedarf wird im Wesentlichen definiert über die demografische Entwicklung. Auf der anderen Seite lässt die Altersstruktur der chirurgischen Fachärztinnen und -ärzte die Alarmglocken schrillen. So sind die im chirurgischen Bereich Tätigen im Krankenhaus in den letzten Jahren nach Angaben der BÄK weiter gealtert. 13 % der stationär tätigen Kolleginnen und Kollegen sind älter als 60 Jahre, im Vertragsarztbereich sind dies sogar 30,3 % [1, 2]. Dies ist ein klares Zeichen dafür, dass nicht ausreichend qualifizierter Nachwuchs zur Verfügung steht und nachrückt. Warum das so ist, wurde in den letzten Jahren vielfach untersucht. Neben den üblichen Verdächtigen, der veränderten Work-Life-Balance und der Familie als ein Hauptfaktor, ist es die ungenügende Qualität der angebotenen Weiterbildung, die junge Kolleginnen und Kollegen das Berufsfeld wechseln lassen [3–6].

Jede Diskussion über Veränderungen in der Weiterbildung führt oft zu einem Abwehrverhalten der etablierten Kolleginnen und Kollegen. Schließlich sind heutige Chefärzte und -ärztinnen in dem bekannten Weiterbildungssystem zu erfolgreichen Operateuren und Operateurinnen geworden. Wieso also sollte sich etwas ändern? Weil zwischenzeitlich eingetretene Entwicklungen in Krankenhaus und Gesellschaft uns dazu zwingen, und die Weiterbildung sich durch die veränderten Strukturen längst passiv verändert hat [7, 8].

Die noch vor einiger Zeit vorliegende Ärzteschwemme ist einem relativen Ärztemangel gewichen. Musste man sich vor einigen Jahren noch unter einer Vielzahl von jungen Kollegen und Kolleginnen durchsetzen und seinen Vorgesetzen hohes Wissen, Motivation und Engagement demonstrieren, sehen sich heute Weiterbildungsbefugte häufig mit einer ungewohnten Anspruchshaltung konfrontiert. Häufig wird dies als reduzierte Kritikfähigkeit und Einsatzbereitschaft wahrgenommen [7]. Das – ohne Zweifel sinnvolle – Arbeitszeitschutzgesetz führt über eine reduzierte Anwesenheit zwangsläufig auch zu verminderter klinischer und operativer Erfahrung. Die gleichzeitig steigende administrative Arbeit der jungen Kolleginnen und Kollegen verstärkt zusätzlich den Mangel an Gelegenheiten, Patienten und Patientinnen zu untersuchen oder gar zu operieren. Hinzu kommt noch der vielerorts bestehende Personalmangel – wie soll dabei eine strukturierte Weiterbildung zustande kommen?

Die zunehmende Spezialisierung und eine immer komplexer werdende Medizin erfordern aber eine solide Grundausbildung und ausreichende Vermittlung von Kompetenzen, die für die Ausübung unseres Faches erforderlich sind [9]. Diesen Überlegungen folgend wurde bereits vor einigen Jahren in Schleswig-Holstein ein bundesweit viel beachtetes Modellprojekt auf den Weg gebracht, die Chirurgische Verbundweiterbildung Kiel [10]. Grundlage war eine seit vielen Jahren bestehende enge Kooperation zwischen der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) und dem vertragsärztlich geleiteten MVZ Chirurgie, beide Institutionen in Kiel [18]. Im November 2015 wurde von der Ärztekammer Schleswig-Holstein (ÄKSH) damals für den Geltungsbereich der Weiterbildungsordnung (WBO) 2011 eine Verbundweiterbildungsbefugnis erteilt für das Fachgebiet Orthopädie und Unfallchirurgie über insgesamt 48 Monate. Diese Verbundweiterbildung wurde mit Unterstützung des Vorstandes der ÄKSH und der Kassenärztlichen Vereinigung (KVSH) implementiert, um darzustellen, dass ein solches intersektorales Konzept machbar ist und die Qualität der Weiterbildung dadurch erhöht werden kann. Der Weiterzubildende wurde dabei nicht im MVZ angestellt, sondern erlernte oder vertiefte fehlende Kompetenzen – in erster Linie operative Eingriffe – im Rahmen einer Hospitation. Dabei gelang es entgegen allen Widerständen zu demonstrieren, dass eine solche sektorenübergreifende Ausgestaltung der Weiterbildung auch tatsächlich funktioniert. Immer wieder ins Feld geführte Argumente gegen eine Weiterbildung im vertragsärztlichen Sektor, wie z. B. die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung oder Probleme mit der Berufshaftpflichtversicherung oder Anerkennung von sehr kurzen Weiterbildungszeiten durch die Ärztekammer, konnten so ausgeräumt werden. Trotz des Erfolges wurde von Beginn an darauf hingewiesen, dass ohne eine finanzielle Förderung ein solches Modell nicht in die Regelversorgung überführt werden kann.

Weiterbildung kostet Geld! Entgegen einer landläufigen Auffassung sind diese Kosten in der DRG nicht einmal annähernd abgebildet – und im Vertragsarztsektor fehlt eine solche Berücksichtigung vollständig. Weiterbildung ist besonders teuer im Operationssaal, dies haben zahlreiche Untersuchungen zeigen können [11–15]. Die Zeit für Weiterbildungseingriffe erhöht sich um durchschnittlich 34 %. Dieser Wert kann bei komplexen Eingriffen wie z. B. eine Rekonstruktion der Rotatorenmanschette auf bis zu 140 % ansteigen [11, 15].

Bis heute ist unverständlicherweise in Deutschland eine breite Diskussion bezüglich einer auskömmlichen Finanzierung der Weiterbildung nicht in Gang gekommen. In vielen anderen entwickelten Ländern haben ähnliche Entwicklungen im Gesundheitssystem zu einer geänderten Erwartungshaltung der Gesellschaft geführt. Dort wird die Qualität der Weiterbildung als ein Hauptfaktor für Patientensicherheit gesehen [10] und konsequenterweise auch eine Finanzierung sichergestellt. Dies bedeutet dann finanzierte Fortbildungen und Kurse und für die Kliniken eine höhere Vergütung – wenn denn auch tatsächlich eine qualifizierte Weiterbildung angeboten wird. Die Weiterbildung der jungen Kolleginnen und Kollegen wird als eine Investition in die zukünftige Gesundheitsversorgung der Bevölkerung und damit als Teil der Daseinsfürsorge gesehen.

Und in Deutschland? Die anstehende Krankenhausreform und insbesondere die für Anfang 2024 vorgesehene Implementierung des neu eingeführten § 115f im SGB V werden den Trend zur Ambulantisierung, also zur Verlagerung von stationären Leistungen in den Vertragsarztsektor, erheblich beschleunigen. Dies wiederum hat zusätzliche massive Auswirkungen auf die Weiterbildung des fachärztlichen Nachwuchses. Selbst Krankenhäuser der Maximalversorgung werden zukünftig nicht mehr in der Lage sein, eine allumfassende Weiterbildung anbieten zu können. Dies gilt ganz besonders für den chirurgischen Bereich mit der Notwendigkeit des Erwerbs von operativen Kompetenzen [3, 6, 10, 17]. Daher werden zwingend intersektorale Weiterbildungsverbünde konzipiert werden müssen, d. h. junge Kolleginnen und Kollegen beginnen ihre Weiterbildung in einer Klinik oder Praxis und werden dann für einen definierten Zeitraum in eine Vertragsarztpraxis oder Vertragsklinik wechseln müssen.

Ein solcher intersektoraler Weiterbildungsverbund soll nun als Neuauflage des Modellprojektes Chirurgische Verbundweiterbildung Kiel auch für die neue WBO aus 2020 im Fachgebiet Orthopädie und Unfallchirurgie etabliert werden. Grundlage sind hierbei die von der ÄKSH bereits erteilten Weiterbildungsbefugnisse. Die Weiterzubildenden werden zunächst angestellt und beginnen ihre Tätigkeit am UKSH in Kiel. Vorgesehen ist, dass die Weiterbildungskandidatinnen und -kandidaten nach Ableistung von Zeiten in der Zentralen Notaufnahme (ZNA) und Intensivstation nach einem festen Curriculum im vierten Weiterbildungsjahr für 12 Monate ins MVZ Chirurgie Kiel rotieren, dabei findet ein Arbeitgeberwechsel statt. Im MVZ erfolgt der Erwerb von Kompetenzen bei operativen Eingriffen, die typischerweise im vertragsärztlichen Sektor erbracht werden. Nach einem Jahr wechseln die Weiterzubildenden dann wieder ins UKSH.

Ohne eine verbindliche Finanzierung könnte eine solche Weiterbildung im Vertragsarztsektor nicht gewährleistet werden. Seit einigen Jahren besteht die Möglichkeit für den Zeitraum der Beschäftigung eines Weiterzubildenden im Vertragsarztsektor eine Förderung nach Maßgabe des § 75a SGB V zu beantragen. Ursprünglich eingeführt zur Sicherung der allgemeinmedizinischen Versorgung wurde diese Paragraph vor kurzem geöffnet auch für eine chirurgische Facharztausbildung [5]. Dabei erhält die Praxis aktuell einen Zuschuss in Höhe von 5.400 € pro Monat und Weiterzubildenden, wenn sie sich verpflichtet, den Weiterzubildenden nach Tarifvertrag Kommunale Arbeitgeber (TV-KA) zu entlohnen. Die Anzahl dieser geförderten Stellen ist allerdings sehr begrenzt und die Weiterbildung in operativ ausgerichteten Praxen ist eigentlich sogar ausgeschlossen, da die Förderung ursprünglich ausschließlich konzipiert war zur Sicherstellung der Grundversorgung auf dem Land. Gleichwohl hat das MVZ Chirurgie mit erneuter Unterstützung der Ärztekammer eine solche Förderung beantragt und die Abgeordnetenversammlung der KVSH hat dem in ihrer Novembersitzung 2023 zugestimmt. Damit ist der Weg frei für eine planbare und auskömmlich finanzierte intersektorale Rotationsstelle.

Trotz dieser erfreulichen Entwicklung muss weiterhin klar sein, dass es sich auch hier nur um ein Modellprojekt handelt, was nicht geeignet ist, in die Versorgungsrealität übernommen zu werden. So erfolgt die Finanzierung im vorgestellten Fall paritätisch ausschließlich über die gesetzlichen Krankenkassen und aus den Honoraren der Vertragsärzte in Schleswig-Holstein. Eine qualitativ hochwertige Facharztweiterbildung ist im Interesse der gesamten Gesellschaft. Es ist daher zwingend erforderlich, alternative Finanzierungsmöglichkeiten zu diskutieren. Best Practice-Modelle aus anderen entwickelten Ländern gibt es genug. Es gilt, eine sichere Lösung für Deutschland zu finden.

Literatur

[1]   Bundesärztekammer. Stationär tätige Ärztinnen/Ärzte nach Gebietsbezeichnungen und Altersgruppen. 2018; Im Internet: https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/Statistik2018/StatTab07.pdf; Stand: 16.06.2019
[2]   Kassenärztliche Bundesvereinigung. Statistische Informationen aus dem Bundesarztregister. 2022
[3]   Youssef Y, Hättich A, Friemert B. Orthopädie und Unfallchirurgie – Zehnkampf der Medizin. springermedizin.de. Im Internet: https://www.springermedizin.de/orthopaedie-und-unfallchirurgie-zehnkampf-der-medizin/23842880; Stand: 19.02.2024
[4]   Perl M, Stange R, Niethard M, et al. Weiterbildung im Fach Orthopädie und Unfallchirurgie. springermedizin.de. Im Internet: https://www.springermedizin.de/weiterbildung-im-fach-orthopaedie-und-unfallchirurgie/8056848; Stand: 19.02.2024
[5]   DKG, KBV, GKV. Vereinbarung zur Förderung der Weiterbildung gemäß § 75a SGB V1. 2022
[6]   Brandt O, Tjardes T, Grimaldi G, et al. Risikofaktorenanalyse zu den Gründen des Ausscheidens aus der fachärztlichen Weiterbildung im Fach Orthopädie und Unfallchirurgie | Die Unfallchirurgie. Im Internet: https://link.springer.com/article/10.1007/s00113-022-01249-x; Stand: 19.02.2024
[7]   Ludwig J, Seifert J, Schorlemmer J. Challenges and Deficiencies in Orthopaedic Surgical Training in Germany – A Qualitative Study. Journal of Surgery and Research 2022; 5: 64–79
[8]   Ludwig J, Seifert J, Schorlemmer J. [Survey on training in orthopedics/trauma surgery : Is Germany ready for a competence-based training?]. Chirurg 2021; doi:10.1007/s00104-021-01536-0
[9]   Ludwig J, Heumann P, Gümbel D, et al. Full-body MR imaging: a retrospective study on a novel diagnostic approach for children sustaining high-energy trauma. European Journal of Trauma and Emergency Surgery 2021; doi:10.1007/s00068-021-01736-7
[10] Schmitz D med RW. Chirurgische Verbundweiterbildung in Kiel – BDC|Online. BDC 2015; Im Internet: https://www.bdc.de/chirurgische-verbundweiterbildung-in-kiel-2/; Stand: 19.02.2024
[11] Aitken RJ. Lost opportunity cost of surgical training in the Australian private sector. ANZ Journal of Surgery 2012; 82: 145–150. doi:10.1111/j.1445-2197.2011.05968.x
[12] Bridges Matthew, Diamond D. The financial impact of teaching surgical residents in the operating room. The American Journal of Surgery 1999; 177: 28–32. doi:10.1016/S0002-9610(98)00289-X
[13] Farnworth LR, Lemay DE, Wooldridge T, et al. A comparison of operative times in arthroscopic ACL reconstruction between orthopaedic faculty and residents: the financial impact of orthopaedic surgical training in the operating room. Iowa Orthop J 2001; 21: 31–35
[14] Singh P, Madanipour S, Fontalis A, et al. A systematic review and meta-analysis of trainee- versus consultant surgeon-performed elective total hip arthroplasty. EFORT Open Rev 2019; 4: 44–55. doi:10.1302/2058-5241.4.180034
[15] Wilson T, Sahu A, Johnson DS, et al. The effect of trainee involvement on procedure and list times: A statistical analysis with discussion of current issues affecting orthopaedic training in UK. Surgeon 2010; 8: 15–19
[16] Pankert J, Psathakis N, Schmidt J, et al. Nachwuchs: Heute PJ – Morgen Chirurgie?! – BDC|Online. BDC 2022; Im Internet: https://www.bdc.de/nachwuchs-heute-pj-morgen-chirurgie/; Stand: 19.02.2024
[17] Schmitz RW, Müller M, Seekamp A Intersektorale Versorgung von unfallchirurgischen Patienten. Passion Chirurgie 2022 April; 12(04): Artikel 03_03

Ludwig J, Schmitz R: Strukturierter intersektoraler Weiterbildungsverbund in O und U. Passion Chirurgie. 2024 April; 14(04): Artikel 05_02.

Entlassmanagement – unverzichtbares Tool in der sektorenverbindenden Versorgung

Die Älteren unter uns werden es noch wissen: stand ein Patient zur Entlassung an, wurde ihm ein handschriftlicher Kurzbrief ausschließlich mit Diagnose, Therapie und Weiterbehandlungsempfehlung ausgehändigt. Sollte die Entlassung vor einem Wochenende erfolgen (was selten vorkam in Zeiten einer Vergütung mittels tagesgleicher Pflegesätze), erhielt er auch noch die bis zum ersten Werktag danach erforderlichen Medikamente aus der Krankenhausapotheke. Kosten waren egal, da die Pflegesatzverhandlungen mit den Kassen immer den tatsächlichen Bedarf berücksichtigten – ein Paradies verglichen mit der aktuellen Situation.

Mit Einführung der DRGs und begleitet von zunehmender Personalnot und vollkommen unzureichender Finanzierung der Strukturkosten im Krankenhaus durch die zuständigen Länder entwickelten sich dann konsequent die allseits bekannten Defizite. Zum Erreichen einer schwarzen Null mussten immer mehr Patienten in immer kürzerer Zeit von immer weniger ärztlichem und pflegerischem Personal versorgt werden. Begrifflichkeiten wie die blutige Entlassung machten die Runde und veranlassten die Politik, das Entlassmanagement gesetzlich zu regeln, vorgeblich, weil die Selbstverwaltung dies nicht regeln könne.

Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) aus dem Jahr 2015 wurde das schon zuvor im § 39 Abs. 1a S. 9 SGB V verankerte Entlassmanagement umfassend reformiert [1]. Zum einen wurden die bisher begrenzten Möglichkeiten der Krankenhäuser ausgedehnt, Nachbehandlungen zu veranlassen und Leistungen zu verordnen. Verantwortliche Krankenhausärztinnen und -ärzte können nunmehr Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmittel, häusliche Krankenpflege und Soziotherapie für einen Übergangszeitraum von bis zu sieben Tagen verordnen sowie Arbeitsunfähigkeit bescheinigen. Zum anderen wurden der GKV-Spitzenverband als Spitzenverband Bund der Krankenkassen und als Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V. gesetzlich beauftragt, einen verbindlichen Rahmenvertrag über das Entlassmanagement zu schließen und die Anforderungen im Einzelnen zu konkretisieren.

Der Rahmenvertrag Entlassmanagement ist zum 1. Oktober 2017 für die Krankenhäuser verbindlich geworden [2]. Danach haben Krankenhäuser zur Gewährleistung eines nahtlosen Übergangs der Patientinnen und Patienten in die nachfolgenden Versorgungsbereiche durch die Anwendung eines geeigneten Assessments den patientenindividuellen Bedarf für die Anschlussversorgung möglichst frühzeitig zu erfassen und einen Entlassplan aufzustellen. Das Krankenhaus hat dann gemeinsam mit der Kranken- und Pflegekasse rechtzeitig vor der Entlassung die für die Umsetzung erforderliche Versorgung zu organisieren, etwa die notwendigen Leistungserbringer zu kontaktieren (zum Beispiel Vertragsärzte, Reha-Einrichtungen, ambulante Pflegedienste, stationäre Pflegeeinrichtungen) und für deren zeitgerechten Einsatz zu sorgen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V. hat zu den Anforderungen weitergehende Umsetzungshinweise für die Krankenhäuser veröffentlicht, in denen insbesondere die Mindestinhalte eines Entlassplans festgehalten sind [2]. Zudem sind die Krankenhäuser verpflichtet, auf ihren jeweiligen Internetseiten über ihr Entlassmanagement informieren.

Soweit die Rechtslage. Aber was braucht es ganz konkret, dass die Patienten möglichst ohne Informations- und Qualitätsverluste reibungsarm vom stationären in den ambulanten Sektor transferiert werden können?

Zunächst einmal Kooperation, und das geht nicht ohne Kommunikation. Es hilft sehr, wenn die handelnden Personen sich kennen und im besten Fall Vertrauen zueinander gefunden haben. Daher empfiehlt es sich, dass sowohl der neue Chefarzt als auch die neu niedergelassene Kollegin sich einander vorstellen und grob abklären, wer was behandeln und wie dies organisiert werden soll. Im Idealfall wird so die Saat für eine alle Seiten befriedigende intersektorale Versorgung gelegt.

Aber natürlich werden nicht alle Kolleginnen und Kolleginnen eines Fachgebiets der näheren und weiteren Umgebung persönlich miteinander in Kontakt kommen. Daher braucht es Standards, wie eine Entlassung in den anderen Sektor erfolgen sollte. Zuallererst gilt es praktische Erfordernisse gegenüber mediocolegal intendierten Epikrisen abzugrenzen. Für die mich als Vertragsarzt interessierenden Informationen benötige ich keine ausführliche Epikrise oder jeden bildgebenden oder Labor-Befund, der in der Diagnostikschleife erhoben wurde. Dies mag zur Rechtfertigung der Indikation notwendig sein, ist aber für den Zweck des Entlassungsmanagements eher kontraproduktiv. So erschließt sich der wesentliche Inhalt oft erst nach Lektüre eines mehrere Seiten langen aus Textbausteinen des KISS zusammenkopierten und schlecht strukturierten Briefes. Hier braucht es allein eine kurze und knackige Informationsvermittlung. Wichtig sind Hauptdiagnose, therapierelevante Nebendiagnosen, Therapie mit verwendeten Implantaten bei Operationen, eine konkrete Weiterbehandlungsempfehlung und die zuletzt verordnete Medikation.

Für die Weiterbehandlung von unfallchirurgisch-orthopädischen Patienten ist die Mitgabe der postoperativen Röntgenbilder Voraussetzung für eine fachgerechte Weiterbehandlung. Als Facharzt dürfen wir uns in der Niederlassung nicht auf einen schriftlichen bildgebenden Befund verlassen, sondern wir müssen uns selbst im wahrsten Sinne des Wortes „ein Bild“ machen. Erst danach kann ich eine Therapie beginnen und z. B. eine Teilbelastungsphase anordnen oder auch entgegen der Empfehlung aus dem Krankenhaus eine solche für nicht notwendig erklären. In jedem Falle ist der niedergelassene Vertragsarzt nach Übernahme der Behandlung allein verantwortlich für das Wohl und Wehe des Patienten, dies eben auch unter forensischen Gesichtspunkten. Habe ich also kein aktuelles Röntgenbild und kann dies zeitnah nicht beschafft werden so wird eine Kontrollaufnahme erforderlich, die aus strahlenhygienischen Gründen hätte vermieden werden können.

Hilfreich können auch gemeinsam mit dem Krankenhaus erarbeitete SOPs, also Verfahrensanweisungen, und ein datensicherer Messenger, wie z. B. Siilo© sein. Hierbei handelt es sich um eine frei erhältliche App in der man sich mit seinem Heilberufe-Ausweis registrieren lassen muss [5]. In unserem Setting in Kiel tut dieses Medium gute Dienste und vermeidet Zeitverluste, wie sie bei telefonischen Kontaktaufnahmen nahezu zwangsläufig entstehen [4]. Dies können die ersten Schritte zu einem sektorenübergreifenden Versorgungsmodell sein, von dem alle profitieren. Informationsverluste an der Schnittstelle der Sektoren können so vermieden werden und der gemeinsame Patient profitiert von einer zielgerichteten Behandlung aus einem Guss.

In Zukunft wird wohl auch die zwingend notwendige sektorenübergreifende Weiterbildung eine bessere Vernetzung der handelnden Chirurginnen und Chirurgen in Praxis und Krankenhaus zur Folge haben [3]. Es darf erhofft werden, dass sich auch dies positiv auf ein qualitativ gutes Entlassmanagement auswirken wird.

Literatur

[1]   https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/e/entlassmanagement
[2]   https://www.dkgev.de/fileadmin/default/Mediapool/3_Service/3.2._Rechtsquellen/Entlassmanagement/1._Aenderungsvereinbarung_Rahmenvertrag_Entlassmanagement.pdf
[3]   Schmitz R. Chirurgische Verbundweiterbildung in Kiel. Passion Chirurgie. 2015 August, 5(08): Artikel 02_08
[4]   Schmitz, R: Intersektorale Versorgung in der Chirurgie – es wird Zeit! Passion Chirurgie. 2022 Januar/Februar; 12(01/02): Artikel 03_06.
[5]   https://www.siilo.com/de/

Schmitz RW: Entlassmanagement – unverzichtbares Tool in der sektorenverbindenden Versorgung. Passion Chirurgie. 2024 Januar/Februar; 14(01/02): Artikel 03_03.

BDC|Schleswig-Holstein: Jahrestreffen 2023

Sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen,

im Namen des Vorstands des Landesverbandes BDC|Schleswig-Holstein möchte ich Sie herzlich zu unserem Jahrestreffen am 22.11.2023 einladen.

Wir werden uns intensiv mit dem Thema Ambulantisierung und deren Fogen auf die chirurgischen Praxen beschäftigen. Die Details zum Programm finden Sie unten stehend.

Für die Planung der Veranstaltung ist eine Anmeldung per E-Mail an [email protected] oder per Fax 0431 7206443 hilfreich.

Ich freue mich auf ihre Teilnahme und eine rege Diskussion und verbleibe im Namen des gesamten Vorstands

mit freundlichen Grüßen

Ralf W. Schmitz
Vorsitzender BDC|Schleswig-Holstein

Datum: 22.11.2023
Uhrzeit: 18:00 Uhr
Ort: Haus des Sports, Raum Hassee, Winterbeker Weg 49, 24114 Kiel (Tel.: 0431 642107)
Agenda
Anmeldung

Was bedeutet das neue Leitbild für das Referat Niedergelassene?

Als Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sind wir immer mehr auf eine gedeihliche Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen aus den Krankenhäusern angewiesen. Der Bedeutung dieser Kooperation bewusst, hat der BDC im neuen Leitbild unter Punkt sieben folgerichtig festgehalten: „Der BDC unterstützt sektorenübergreifend eine stetige Verbesserung der medizinischen Versorgungsstrukturen.“ Dazu gehört eine novellierte Notfallversorgung ebenso wie die Integration der vertragsärztlichen Bedarfsplanung und der Krankenhausplanung der Länder. Auch gemeinsame Fallakten, Behandlungspfade und konsiliarische Beratungen sind für den BDC wichtige Bestandteile der sektorenübergreifenden Versorgung. Alleine schon aus diesem Grund hat das Leitbild für das BDC-Referat Niedergelassene eine ganz besondere Bedeutung. Es ist jedoch nicht der einzige.

Als das Thema „Leitbild“ vor etwas mehr als einem Jahr auf die Agenda des erweiterten Vorstands kam, dachte ich zunächst, dass wir schnell damit durch sind. Ich hatte ein schick eingerahmtes Poster vor Augen mit allgemeinen Grundsätzen, ähnlich wie es auch im Empfangsbereich meiner Arbeitsstelle hängt.

Im Vorstand entspann sich dann aber eine tiefgründige Diskussion, die immer um das zentrale Thema kreiste: Wer sind wir und wo wollen wir hin? Ich war sehr überrascht, wie sehr mich diese Diskussion berührte. Denn obgleich vieles im Leitbild möglicherweise schon immer in unseren Köpfen war und letztendlich auch die Motivation für unser Handeln darstellte, ist eines wirklich neu: nämlich das beim Lesen aufkommende Gefühl einer starken Verinnerlichung und sich daraus ableitenden konkreten Verpflichtung. Wir verpflichten uns der Chirurgie, den Patientinnen und Patienten und der Gesellschaft zu dienen, gleichwohl aber auch tatkräftig die Belange der in unserem Verband organisierten Kolleginnen und Kollegen zu vertreten. Neudeutsch und modern ist das Leitbild ein „Commitment“ der Mandatsträger:innen und aktiven Mitglieder im BDC.

Was eint die Chirurgie?

Was bedeutet dieses Leitbild nun für das Referat Niedergelassene Chirurginnen und Chirurgen im BDC? Zunächst einmal definieren wir uns im Referat eben nicht als Kampfverband für höhere Honorare im Vertragsarztsystem. Natürlich haben wir unsere Partikularinteressen, die auch manchmal mit anderen Positionen im Verband nicht konform gehen.

Aber: Über allem steht, was die Chirurgie eint. Nicht umsonst heißt es im Leitbild unter Punkt eins direkt am Anfang: „Der Berufsverband der Deutschen Chirurgie e.V. (BDC) vertritt die berufspolitischen Interessen von Chirurginnen und Chirurgen aller chirurgischen Fachgebiete auf nationaler und internationaler Ebene.“

Das ergibt sich aber nicht nur aus dem Leitbild, sondern ist einfach ein Erfordernis der Realität. Die „Einheit der Chirurgie“ ist nicht nur ein Mantra, das wir immer wieder vorbeten. Es ist die conditio sine qua non, um etwas in unserem Sinne zu bewegen. Nur so werden wir gehört und können auch etwas verändern, ansonsten würde ein weiteres lateinisches Dogma gelten: Divide et impera! Und beherrscht werden wollen wir ganz sicher nicht.

Was ist heute überhaupt ein niedergelassener Chirurg oder eine niedergelassene Chirurgin?

Zum Zeitpunkt meiner Niederlassung vor etwa 20 Jahren war die chirurgische Einzelpraxis noch der Regelfall. Dies war zu einem großen Teil der damaligen Weiterbildung geschuldet mit breiter Ausbildung im Gesamtgebiet der Chirurgie. Selbst wenn das eigene Steckenpferd die Leistenhernien-Chirurgie war, wurden natürlich auch unfallchirurgische Patienten behandelt und in der Regel lag auch eine D-Arzt-Qualifikation vor. Damit konnte eine Einzelpraxis wirtschaftlich auskömmlich arbeiten.

Mit zunehmender Spezialisierung und den nachfolgenden Änderungen der Weiterbildungsordnung gibt es aber den Generalisten oder „Alleskönner“ nicht mehr. Schon früh gilt es, sich zu entscheiden, in welche Richtung es gehen soll: Bauchchirurgie oder Unfallchirurgie – oder doch die Handchirurgie? Eine Einzelpraxis für einen Chirurgen, gleich welcher neuen Fachrichtung, ist aber nur in seltenen Fällen wirtschaftlich. Da die gesamte Breite des Gebiets durch einen „Einzelkämpfer“ zudem nicht abgedeckt werden kann, besteht ein ungebrochener Trend zum Zusammenschluss von Chirurginnen und Chirurgen, sinnvollerweise unterschiedlichen Facharztsäulen angehörend. Besonders durch den Zusammenschluss zu größeren Praxen, Medizinischen Versorgungszentren (MVZs) oder sonstigen – auch überörtlichen – Berufsausübungsgemeinschaften wird es möglich, qualitativ hochwertige Chirurgie auch im ambulanten Setting anbieten zu können.

Diese sektorenübergreifende Behandlung ist schon seit vielen Jahren in aller Munde. Sie wird lautstark von Kassenseite und auch diversen politischen Parteien eingefordert – allein eine Umsetzung ist bis dato allenfalls sporadisch zu beobachten [4]. Und das nur, weil in unserem Gesundheitssystem eine Verschiebung von Patienten und Leistungen aus einem Sektor in den anderen zwangsweise zu einem Verlust von Erlösen führt. Hauptsächlich ist davon der stationäre Bereich betroffen. Verständlicherweise war so das Interesse der beteiligten Vertragspartner an Änderungen in der Vergangenheit gering. Auch ein Grund dafür, dass Deutschland unter den hoch entwickelten OECD-Staaten bezüglich des ambulanten Operierens weiterhin einen der hinteren Plätze belegt [6]. Nach jahrelangem Stillstand deuten sich nun Veränderungen an. So wurde im MDK-Gesetz 2020 festgelegt, dass eine Förderung und damit Besserstellung der Vergütung zu erfolgen hat, kalkuliert anhand der aktuellen Kosten beim Betrieb eines ambulanten OP-Zentrums. Darüber hinaus hatte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen angemahnt, dass zusätzlich zum aktuell gültigen Katalog ambulant durchführbarer Operationen und sonstiger stationsersetzender Eingriffe (AOP-Katalog) weitere operative Leistungen aus der stationären Behandlung herausgelöst werden sollen [7]. In der Zwischenzeit sind sowohl vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) als auch von den Vertragspartnern Gutachten in Auftrag gegeben worden, die ein erhebliches Ambulantisierungspotenzial aufdecken [1, 10]. Nun geht es um die konkrete Umsetzung. Hier ist der BDC aktiv in den Gremien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und natürlich auch in der Politik – soweit dies überhaupt möglich ist (siehe die Besetzung der vom BMG installierten Krankenhauskommission).

Wenn wir schon beim Geld sind: Unter Punkt acht im Leitbild steht, dass der BDC für eine angemessene Vergütung von Chirurginnen und Chirurgen eintritt. Damit ist auch gemeint, dass sich der BDC für die Einführung eines sektorenübergreifenden, nach Schweregrad und Investitionsbedingungen differenzierten Leistungskatalogs für die Vergütung von Leistungen verwendet, die sektorengleich sowohl in Krankenhäusern als auch in Arztpraxen erbracht werden können. Also gleiches Geld für gleiche Leistung, unabhängig vom Leistungsort. Auch das ist uns im Referat Niedergelassene ein spezielles Anliegen.

Abseits von Vergütungsformen wird oft vergessen, dass eine sektorenübergreifende Behandlung von chirurgischen Patienten vielerorts schon gelebt wird. Ein klassisches Beispiel ist die Versorgung im niedergelassenen Belegarztwesen. Dabei handelt es sich um eine seit Jahrzehnten bewährte Behandlungsform, welche die beiden Sektoren stationär und ambulant vereint.

Eine weitere Form der Zusammenarbeit über die Sektoren hinweg besteht in der Versorgung von schwerverletzen Patienten im Rahmen des berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens. In den letzten Jahren wurden von der Akademie für Unfallchirurgie (AUC) Kliniken im Rahmen von Trauma-Netzwerken zertifiziert [3]. Dies ist für Praxen derzeit zwar nicht vorgesehen, gleichwohl besteht aber die Möglichkeit, als „Kooperierende Praxis“ an ein TraumaNetzwerk© angeschlossen zu werden. Hilfreich ist dabei auch der Anschluss der Praxen über das Tele-Radiologie Netzwerk (TKmed©). So ist die Versorgung von schwer verletzten Patienten auch nach der stationären Versorgung gesichert. Gleichzeitig dient dieses Konstrukt einer koordinierten Behandlung von Patienten im Verletzungsartenverfahren (VAV) und im Schwerstverletzungsartenverfahren (SAV), auch im Rahmen mit von den Berufsgenossenschaften (BGen) gemeinsam abgehaltenen Reha-Plan-Sprechstunden [9].

Zusammenfassend ist die Arbeit im Vertragsarztbereich bereits jetzt stark intersektoral ausgerichtet. Die Vernetzung mit anderen Praxen, MVZs und den Krankenhäusern wird weiter fortschreiten und auch die Weiterbildung muss folgen und die Grenzen der Sektoren zwingend überschreiten [5, 8]. Dem folgt der BDC konsequent im neuen Leitbild, wenn er sich als sektorenübergreifend ausgerichteter Berufsverband bezeichnet, der die Interessen seiner Mitglieder in Klinik und Praxis gleichermaßen vertritt. Besonders erfreulich ist darüber hinaus unter Punkt drei im Leitbild das klare Bekenntnis des BDC zur freien Berufsausübung und fachlichen Unabhängigkeit von Chirurginnen und Chirurgen. Wir werden die ärztliche Therapiefreiheit auch künftig gegen eine Über-Kommerzialisierung der Medizin schützen und verteidigen müssen.

Fazit

Für all dies braucht es einen starken Berufsverband mit einem Leitbild, hinter dem wir uns alle versammeln können, egal ob in der Niederlassung oder im Krankenhaus, als D-Arzt oder Belegärztin, als Weiterzubildender oder als Weiterbildungsbefugte – als Chirurg:in!

Literatur

[1]   Albrecht, M., Mansky, T., Sander, M., Schiffhorst, G.: Gutachten nach § 115b Abs. 1a SGB V (2022) IGES Institut, Berlin
[2]   Burgdorf F, Kunze C: BDC-Mitgliederbefragung 2020: Herzlichen Dank für Ihre wertvolle Beteiligung! Passion Chirurgie. 2020 September; 9(09): Artikel 07_03
[3]   DGU: Weißbuch Schwerverletztenversorgung. 2019 https://dgu-online.de/q-s/schwerverletzte/weissbuch-schwerverletztenversorgung.html
[4]   Dittrich, S.: Schein und Sein der sektorenverbindenden und intersektoralen Versorgung. Chirurgenmagazin 2021 19 S. 18
[5]   Ludwig, J: Kompetenzbasierte Weiterbildung: Ursprünge, Inhalte und Erfahrungen. Passion Chirurgie. 2020 September, 10(09): Artikel 05_01
[6]   OECD (2020): Health care utilisation. Surgical Procedures. Paris. Online verfügbar unter https://stats.oecd.org/Index.aspx?DataSetCode=HEALTH_PROC.
[7]   Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2018): Bedarfsgerechte Steuerung der Gesundheitsversorgung.Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft:Berlin
[8]   Schmitz, R.: Chirurgische Verbundweiterbildung in Kiel. Passion Chirurgie. 2015 August, 5(08): Artikel 02_08
[9]   Schmitz RW, Müller M, Seekamp A: Intersektorale Versorgung von unfallchirurgischen Patienten. Passion Chirurgie. 2022 April;12(04): Artikel 03_03
[10] Schreyögg, J., Milstein, R.: Identifizierung einer initialen Auswahl von Leistungsbereichen für eine sektorengleiche Vergütung. Gutachten im Auftrag des BMG Hamburg Center for Health Economics 26.03.2021

Schmitz RW: Was bedeutet das neue Leitbild für das Referat Niedergelassene? Passion Chirurgie. 2022 Dezember; 12(12): Artikel 03_02.

BDC|Schleswig-Holstein: Jahrestreffen 2022

Sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen,

im Namen des Vorstands des BDC|Schleswig-Holstein möchte ich Sie herzlich zu unserem Jahrestreffen am 16.11.2022 einladen.

Kosten und CME-Punkte: Es werden keine Teilnehmergebühren erhoben. Fortbildungspunkte sind bei der Ärztekammer Schleswig-Holstein beantragt.
Hinweis: In Zeiten der Corona-Pandemie besteht ein Hygienekonzept. Im UKSH in Kiel wird die Angabe des Impf- oder Genesenenstatus erforderlich sein. Teilnahme ist nur in diesen beiden Fällen möglich.

Ich freue mich auf ihre Teilnahme und eine rege Diskussion und verbleibe im Namen des gesamten Vorstands

mit freundlichen Grüßen

Ralf W. Schmitz
Vorsitzender BDC|Schleswig-Holstein

16.11.2022
18.00 – 21.00 Uhr
UKSH Campus Kiel, Haus C – Raum Frankreich 3, Arnold-Heller-Str. 3, 24105 Kiel
Agenda

Intersektorale Versorgung von unfallchirurgischen Patienten

Die sektorenübergreifende Behandlung von Patienten ist schon seit vielen Jahren in aller Munde. Sie wird lautstark von Kassenseite und auch diversen politischen Parteien eingefordert – allein eine Umsetzung ist bis dato ausschließlich allenfalls sporadisch zu beobachten [2]. Der einfache Grund dafür ist, dass unser Gesundheitssystem so aufgebaut ist, dass eine Verschiebung von Patienten und Leistungen aus einem Sektor in den anderen zwangsweise zu einem Verlust von Erlösen führt. Hauptsächlich ist davon der stationäre Bereich betroffen. Verständlicherweise war so das Interesse der beteiligten Vertragspartner gering, hier große Änderungen herbeizuführen. Und damit belegt Deutschland unter den hochentwickelten OECD-Staaten bezüglich des ambulanten Operierens weiterhin einen der letzten Plätze [8]. Dies ist umso weniger nachvollziehbar, da in diesem Bereich genug Evidenz vorliegt hinsichtlich Sicherheit, Komplikationsarmut und Patientenzufriedenheit [1, 4]. Nach jahrelangem Stillstand deuten sich nun am Horizont Veränderungen an. So wurde im MDK-Gesetz aus 2020 festgelegt, dass eine Förderung und damit Besserstellung der Vergütung, kalkuliert auf aktuellen Kosten bei der Betreibung eines ambulanten OP-Zentrums, zu erfolgen hat. Darüber hinaus hatte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen angemahnt, dass zusätzlich zum aktuell gültigen AOP-Katalog weitere operative Leistungen aus dem stationären Sektor herausgelöst werden sollen [9]. Dem folgte das BMG mit der Vergabe eines ersten Gutachtens zur Identifizierung von initialen Leistungsbereichen [11]. Von der KBV, dem GKV-Spitzenverband und der Deutschen Krankenhausgesellschaft wurde zur Konkretisierung ein weiteres Gutachten vergeben. So soll das IGES-Institut Vorschläge erarbeiten, welche der bisher hauptsächlich stationär erbrachten Eingriffe dafür in Frage kommen und wie diese zukünftig vergütet werden sollen. Im Endeffekt sollen also gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die unter dem Schlagwort intersektorale Versorgung eine Verbesserung der Versorgung, ketzerisch formuliert auch eine Reduktion der Kosten, zur Folge haben sollen. Abseits von Vergütungsformen wird dabei vergessen, dass eine solche sektorenübergreifende Behandlung von chirurgischen Patienten vielerorts schon gelebt wird, ja für eine patientengerechte Versorgung unabdingbar ist.

Kürzlich hatte das Referat Niedergelassene Chirurgen (RNC) zusammen mit Vertretern des Referates Leitende Krankenhauschirurgen einen Workshop zu diesem Thema veranstaltet. Dabei zeigte sich grundsätzlich der gute Wille, eine solche Versorgungsform zu etablieren. Gleichzeitig zeigte sich aber auch, dass insbesondere die Kolleginnen und Kollegen aus den Kliniken nur rudimentär darüber informiert waren, was tatsächlich heute im ambulanten Sektor an Leistungen erbracht wird. Daher wurde die Idee geboren, am Beispiel des MVZ Chirurgie Kiel die dort gelebte Versorgung der Patienten über die Sektorengrenzen hinweg zu beschreiben.

Das MVZ Chirurgie Kiel wurde am 01.10.2006 zugelassen, damals fachübergreifend als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit fünf Fachärzten für Chirurgie und einer Fachärztin für Anästhesie. Nach dem ab Januar 2007 geltenden Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) durfte ein MVZ auch von Ärzten einer einzigen Facharztgruppe betrieben werden und so entwickelte sich in den folgenden Jahren ein „reinrassiges“ chirurgisches MVZ, aktuell acht KV-Sitze umfassend. Die Gesellschaftsform ist unverändert eine vertragsärztliche GbR aktuell mit sechs gleichberechtigten Partnern, weitere sieben Kolleginnen und Kollegen sind angestellt tätig, manche in Teilzeit. Eine Beteiligung einer Klinik oder eines sonstigen Investors besteht nicht.

Angesiedelt ist das MVZ im Haus einer ehemaligen Praxisklinik auf dem Ostufer von Kiel, einem Stadtgebiet geprägt durch Hafen und Schiffbau, das traditionell medizinisch schlecht versorgt war. So befinden sich sämtliche Kliniken (Universitätsklinikum, zwei Schwerpunktversorger und diverse Belegarztkliniken) auf dem Westufer. Das Einzugsgebiet des MVZs umfasst die Regiopolregion Kiel, also die Großstadt mit den benachbarten Kreisgebieten, mit etwa 650.000 Einwohnern. Abgedeckt wird das klassische chirurgische Spektrum mit den Facharztbezeichnungen Chirurgie, Unfallchirurgie, Orthopädie, Handchirurgie, Viszeralchirurgie und Gefäßchirurgie. Vier D-Ärzte sind vom Landesverband Nordwest der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) zugelassen, darüber hinaus besteht eine Beteiligung im Rahmen des Modellprojekts Handchirurgie.

Pro Jahr werden etwa 30.000 Patienten ambulant behandelt, davon etwa 4.000 Schul- und Arbeitsunfälle. Gemeinsam mit einer im gleichen Haus ansässigen Gemeinschaftspraxis für Anästhesie wird ein ambulantes OP-Zentrum betrieben. Hier werden etwa 3.500 Patienten pro Jahr operativ versorgt. Weitere 1.000 Operationen werden jährlich belegärztlich stationär in zwei verschiedenen Kliniken durchgeführt.

Bei der belegärztlichen Versorgung handelt es sich um eine seit Jahrzehnten bewährte Behandlungsform, die von Beginn an die beiden Sektoren stationär und ambulant in der Person des Belegarztes vereinte. Per definitionem handelt es sich also um intersektorale Versorgung. Damit bräuchte man diese auch nicht neu zu erfinden. Leider befindet sich dieses System aber auf dem absteigenden Ast, in erster Linie bedingt durch eine nicht auskömmliche Vergütung [6]. Weiter sind belegärztliche Kliniken in der Regel nicht mit einer 24/7 Notaufnahme und einer Intensivstation ausgerüstet, daher müssen Akutpatienten natürlich in einer chirurgischen Hauptabteilung behandelt werden. Dies gilt auch für Patienten im Rahmen des stationären berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens. Daher besteht zwangsläufig die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit stationären Einrichtungen, um eine Versorgung dieser Patienten zu gewährleisten.

Wie gestaltet sich nun konkret die Zusammenarbeit über die Sektorengrenzen hinweg?

Bereits im Jahr 2010 wurde im MVZ Chirurgie eine Indikationssprechstunde der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) in Kiel eingerichtet. Dazu wurde der leitende Oberarzt in Teilzeit angestellt. In der Sprechstunde werden diesem stationär behandlungsbedürftige Patienten und Patientinnen vorgestellt. Dabei wird nicht nur die Indikation gestellt, sondern auch der Aufnahme- bzw. OP-Termin festgelegt, ebenso wie eventuell zusätzlich notwendige Untersuchungen. Gleichzeitig bietet sich für die Klinik die Möglichkeit, ihre operierten Patienten nachzusorgen, inklusive der Anfertigung von Röntgenkontroll-Aufnahmen, was im normalen Klinikgeschäft mit Ausnahme von Privat- und BG-Patienten nicht möglich ist. Ähnliche Modelle wurden in der Zwischenzeit auch mit zwei Schwerpunktversorgern auf den Gebieten endovaskuläre Gefäßchirurgie und Wechselendoprothetik etabliert. Hier verhält es sich nur umgekehrt, das heißt, Vollzeit im MVZ tätige Chirurgen operieren in Teilzeit angestellt in den auswärtigen Kliniken.

Nicht erst seit der Verabschiedung der neuen kompetenzbasierten Weiterbildungsordnung werden immer mehr Weiterbildungsinhalte im ambulanten Sektor erbracht [7]. Dies deutete sich schon vor Jahren an und so wurde bereits 2015 ein bundesweit viel beachtetes Modellprojekt zur strukturierten chirurgischen Weiterbildung etabliert [10]. Es besteht eine gemeinsam ausgeübte Verbundweiterbildung des ärztlichen Leiters des MVZ und des Klinikleiters Unfallchirurgie am UKSH Kiel. Stationär in der Klinik angestellte Kolleginnen und Kollegen in der Weiterbildung haben dabei die Möglichkeit, ohne Nachweis einer Anstellung im MVZ Kompetenzen bei häufig im ambulanten Bereich durchgeführten operativen Eingriffen zu erwerben, also zum Beispiel Arthroskopien, Materialentfernungen, Hand- und Fußchirurgie unter anderem. Dieses Modell wurde von der Ärztekammer Schleswig-Holstein begleitet und dient nun als Blaupause für eine hoffentlich in der Zukunft geregelte finanzielle Förderung der Weiterbildung. Aktuell besteht auf Antrag bei den zuständigen KVen die Möglichkeit auf Zuschussgewährung analog der Förderung in der Allgemeinmedizin.

Eine weitere Form der intersektoralen Zusammenarbeit besteht in der Versorgung schwer verletzter Patienten im Rahmen des berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens. In den letzten Jahren wurden von der Akademie für Unfallchirurgie (AUC) Kliniken im Rahmen von Trauma-Netzwerken zertifiziert [3]. Dies ist für Praxen derzeit nicht vorgesehen. Gleichwohl besteht die Möglichkeit, als „Kooperierende Praxis“ an einem TraumaNetzwerk© angedockt zu werden. Hilfreich ist dabei auch der Anschluss der Praxen über das Teleradiologienetzwerk (TKmed©). So ist die Versorgung schwerverletzter Patienten auch nach der stationären Versorgung gesichert. Gleichzeitig dient dieses Konstrukt auch der Koordinierung der Behandlung von Patienten im SAV oder VAV-Verfahren (Schwerstverletzungsartenverfahren oder Verletzungsartenverfahren), auch im Rahmen mit von den BGen gemeinsam abgehaltenen Reha-Plan-Sprechstunden [5].

Natürlich ist nicht alles rosa in einer langjährigen Beziehung. Trotz der zuvor dargestellten intensiven Zusammenarbeit zwischen der Praxis und den stationären Hauptabteilungen bestehen wie überall anders auch Probleme. Bekanntermaßen gibt es an der Schnittstelle Vertragsarztpraxis/Hauptabteilung Reibungs- und Informationsverluste. Der Grund ist oftmals die schlechte telefonische Erreichbarkeit eines Ansprechpartners auf der Gegenseite bei Einweisung oder Entlassung und damit eintretende unnötige Verzögerungen im Heilverfahren bis hin zu Qualitätsverlusten. Wir haben daher kürzlich mit Hilfe eines medizinischen Messengers (Siilo©) das Netzwerk „Orthopädie und Unfallchirurgie Kiel“ eingerichtet. Damit besteht nun die Möglichkeit, einen Patienten mit relevanten Befunden über eine hochgesicherte App in die Gruppe der an der Behandlung beteiligten Fachärzte zu stellen. Da heute jeder in der Regel sein Smartphone dabei hat, erreicht diese Meldung zum Beispiel auch den diensthabenden Oberarzt in der Klinik, der dann umgehend Kontakt aufnehmen oder direkt die Operation anmelden kann. Analog soll bereits vor der Entlassung das weiterbehandelnde MVZ über den Patienten informiert werden, um Informationsverluste an der Schnittstelle stationär-ambulant zu minimieren.

Konkret in Planung sind derzeit weitergehende Kooperationen in Fort- und Weiterbildung und die gemeinsame Entwicklung von Standard Operating Procedures (SOPs). Auch die Teilnahme an Klinikkonferenzen (M und M, Tumorboard) ist heute mit Zoom©, Teams© und GoTo Meeting© kein Problem mehr. Das vorläufige Endziel der Zusammenarbeit ist die Entwicklung einer gemeinsamen Fallakte – dies wird aber insbesondere wegen datenschutzrechtlicher Aspekte wohl noch eine Weile dauern.

Zusammengefasst hat sich die vorgestellte intersektorale Kooperation zwischen dem MVZ Chirurgie Kiel und dem Maximalversorger UKSH Kiel durchaus gedeihlich entwickelt, dies zum Wohl des Patienten und verbunden mit einem deutlich verbesserten Zeitmanagement der beteiligten Ärztinnen und Ärzte. Lange Wartezeiten am Telefon sind passé und Informationsverluste bei Einweisung und Entlassung konnten deutlich reduziert werden. Zudem kennen wir nun den Ansprechpartner auf der anderen Seite auch persönlich, was einer Zusammenarbeit sehr zuträglich ist. Damit besteht tatsächlich eine Win-Win-Win-Situation – das heißt, Krankenhaus, Praxis und Patient profitieren gleichermaßen. Aus unserer Sicht kann daher der Aufbau ähnlicher Strukturen nur empfohlen werden. Wie viele andere Dinge auch, zum Beispiel das Qualitätsmanagement oder die Zertifizierung, bedeutet dies zunächst viel zeitaufwendiges Engagement – aber es lohnt sich.

Literatur

[1]   Chung, F., Mezei, G., Tong, D.: Adverse events in ambulatory surgery. A comparison between elderly and younger patients. Canadian Journal of Anaesthesia 1999 46 (4), S. 309. DOI: 10.1007/BF03013221
[2]   DGU: Weißbuch Schwerverletztenversorgung. 2019 https://dgu-online.de/q-s/schwerverletzte/weissbuch-schwerverletztenversorgung.html
[3]   Dittrich, S.: Schein und Sein der sektorenverbindenden und intersektoralen Versorgung. Chirurgenmagazin 2021 19 S. 18
[4]   Friedlander, D. F., Krimphove, M. J., Cole, A. P., Marchese, M., Lipsitz, S. R., Weissman, J.S. et al.: Where Is the Value in Ambulatory Versus Inpatient Surgery? In: Annals of Surgery. 2019 Online verfügbar unter https://journals.lww.com/annalsofsurgery/Fulltext/9000/Where_Is_the_Value_in_Ambulatory_Versus_Inpatient.94938.aspx
[5]   Kalbe, P.: Anpassungen der ambulanten D-Arzt-Versorgung. Passion Chirurgie. 2021 Oktober; 11(10): Artikel 04_06
[6]   Korzilius, H.: Belegärzte: die Letzten ihrer Art. Deutsches Ärzteblatt 2019; 116 S. 33
[7]   Ludwig, J.: Kompetenzbasierte Weiterbildung: Ursprünge, Inhalte und Erfahrungen. Passion Chirurgie. 2020 September, 10(09): Artikel 05_01
[8]   OECD (2020): Health care utilisation. Surgical Procedures. Paris. Online verfügbar unter https://stats.oecd.org/Index.aspx?DataSetCode=HEALTH_PROC.
[9]   Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen: Bedarfsgerechte Steuerung der Gesundheitsversorgung. 2018 Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Berlin
[10]  Schmitz, R.: Chirurgische Verbundweiterbildung in Kiel. Passion Chirurgie. 2015 August, 5(08): Artikel 02_08
[11]  Schreyögg, J., Milstein, R.: Identifizierung einer initialen Auswahl von Leistungsbereichen für eine sektorengleiche Vergütung. Gutachten im Auftrag des BMG Hamburg Center for Health Economics 26.03.2021

Schmitz RW, Müller M, Seekamp A: Intersektorale Versorgung von unfallchirurgischen Patienten. Passion Chirurgie. 2022 April; 12(04): Artikel 03_03.

Intersektorale Versorgung in der Chirurgie – es wird Zeit!

Am 1. und 2. Oktober 2021 traf sich das Referat Niedergelassene Chirurgen (RNC) im Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC) zu einer Klausurtagung in Werder am Schwielowsee. Am ersten Tag wurden anstehende Änderungen im Verband und allgemein im ambulanten Sektor diskutiert. Unter anderem wurde ein Beschluss gefasst zur Konkretisierung des Status des/der niedergelassenen Chirurgen/Chirurgin in der anstehenden Satzungsänderung des BDC, welche den Mitgliedern 2022 auf der BDC-Mitgliederversammlung zur Abstimmung vorgelegt werden wird.

Ausführlich diskutiert wurden in der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung anstehende Veränderungen bezüglich der Weiterentwicklung des D-Arztsystems im niedergelassenen Bereich. Die Position des BDC hierzu wurde kürzlich an dieser Stelle publiziert [3], ebenso wie zum leidigen Thema der Finanzierung von Hygienekosten im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) [7]. Nach jahrelangem Stillstand beim Thema ambulantes Operieren deuten sich nun am Horizont Veränderungen an, die sich durchaus positiv für die Vertragsärzte entwickeln dürften. So ist zum einen von politischer Seite erkannt worden, dass wir in Deutschland beim ambulanten Operieren im Vergleich zu ähnlich entwickelten OECD-Staaten immer noch weit hinterherhinken [5]. Zum anderen ist durch zahlreiche Studien in der Vergangenheit belegt, dass ambulante Operationen nicht nur sicher sind, sondern oftmals auch eine niedrigere Komplikationsrate haben [1, 2]. Daher wurde im MDK-Gesetz aus 2020 festgelegt, dass eine Förderung und damit Besserstellung der Vergütung, kalkuliert auf aktuellen Kosten bei der Betreibung eines ambulanten OP-Zentrums, zu erfolgen hat. In diesem Zusammenhang tagen derzeit unter aktiver Beteiligung des BDC diverse Arbeitsgruppen, koordiniert durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Darüber hinaus hatte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen angemahnt, dass zusätzlich zum aktuell gültigen AOP-Katalog weitere operative Leistungen aus dem stationären Sektor herausgelöst werden sollen [6]. Dem folgte das Bundesgesundheitsministerium mit der Vergabe eines ersten Gutachtens zur Identifizierung von initialen Leistungsbereichen [9]. Von der KBV, dem Spitzenverband der GKV und der Deutschen Krankenhausgesellschaft wurde zur Konkretisierung ein weiteres Gutachten ausgeschrieben. Bis Ende Januar 2022 soll das IGES-Institut Vorschläge erarbeiten, welche der bisher hauptsächlich stationär erbrachten Eingriffe dafür in Frage kommen und wie diese zukünftig vergütet werden sollen.

Dieses Thema wurde vertieft am zweiten Tag der Klausur, der im Zeichen eines Workshops zur Verbesserung der intersektoralen Versorgung stand. Das RNC hatte sich zum Ziel gesetzt unter Beteiligung von Klinikärzten eine Position zu diesem Thema zu erbarbeiten. Dabei sollte es im Gegensatz zu bisher erfolgten Diskussionen nicht in erster Linie um pekuniäre Auswirkungen bei der Verschiebung von Leistungen aus dem einen in den anderen Sektor gehen, im Vordergrund sollte vielmehr eine Verbesserung der Versorgung der Patienten stehen.

Zur Einführung in das Thema wurde zunächst vom Leiter des Referates vorgestellt, was heutzutage in einer chirurgischen Praxis oder einem MVZ angeboten wird und wie sich insbesondere die Zusammenarbeit mit dem stationären Sektor darstellt unter besonderer Berücksichtigung der Schnittstellenproblematik. Dem schloss sich ein Impulsreferat von Prof. D. Vallböhmer, viszeralchirurgischer Chefarzt aus Duisburg, an, der darlegte, wo es aus Sicht eines Klinikers in der Zusammenarbeit zwischen den Sektoren hakt. Abgerundet wurde die Einführung durch eine Vorstellung der aktuellen politischen Diskussion zum Thema intersektorale Versorgung, der beteiligten Player, also Bund-Länder-Arbeitsgruppe, SpiFa, MDK-Gesetz usw. Im Anschluss daran entwickelte sich eine lebhafte Diskussion und abschließend konnte vom Referat der niedergelassenen Chirurgen eine Position erarbeitet werden.

Gefordert wird als Voraussetzung ein gemeinsamer Leistungskatalog von ambulant und/oder intersektoral zu erbringenden Leistungen auf Basis des bestehenden AOP-Vertrages. Das Ergebnis des IGES-Gutachtens bleibt abzuwarten. Das daraus abzuleitende Pilotprojekt sollte nach Überzeugung der niedergelassenen Chirurgen mindestens 30 Leistungen umfassen, einschließlich der Definition von Ausschlusskriterien und Ausnahmeindikationen.

Die neuen intersektoral zu erbringenden Leistungen sollen nicht nach EBM, sondern im Sinne einer Anpassung oder Modifizierung der DRG vergütet werden. Die Begründung dafür liegt in einer konsequenten, jährlichen Anpassung der Kostenstrukturen der DRGs. Dies hat im EBM-System nie so richtig funktioniert und basiert aktuell immer noch auf einem 1995 kalkulierten Standardbewertungssystem (STABS).

Weiter muss für die vorgesehenen operativen Eingriffe eine Differenzierung bzgl. des Schweregrades erfolgen auf der Basis einer akzeptierten und praktikablen Klassifikation.

Einige Eingriffe werden nicht in großer Zahl durchgeführt, sodass eine Wirtschaftlichkeit aus dem Erlös des Eingriffes allein kaum darstellbar sein wird. Daher sollen ähnlich wie bei der dualen Finanzierung des Krankenhauses Vorhalte- und Investitionskosten berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang soll die Leistung auch dort vergütet werden, wo sie anfällt. So soll eine leistungsgerechte Aufteilung der zu erbringenden Komplexe, z. B. durch Differenzierung von Strukturkosten (ambulantes OP-Zentrum) und medizinischen Kosten (Arzt) erfolgen.

Die Verschiebung von operativen oder auch konservativen Leistungen aus dem Krankenhaus in den ambulanten oder einen neuen dritten Sektor hat Einfluss auf die Bedarfsplanung. Diese muss zukünftig intersektoral ausgerichtet sein. Im dafür zuständigen Gemeinsamen Bundesausschuss bedarf es auch des Aushandelns von Qualitätskriterien für die neuen Versorgungsstrukturen.

Bekanntermaßen gibt es an der Schnittstelle Vertragsarztpraxis/Hauptabteilung Krankenhaus Reibungs- und Informationsverluste. Der Grund ist oftmals die schlechte Erreichbarkeit eines Ansprechpartners auf der Gegenseite oder auch ein suboptimales Entlassungsmanagement, z. B. an den Hausarzt und damit eintretende unnötige Verzögerungen im Heilverfahren bis hin zu Qualitätsverlusten. Daher fordert das Referat eine Intensivierung der digitalen Vernetzung der Sektoren mit dem Ziel eine elektronische (cloudbasierte) Fallakte zu implementieren. Dadurch sollen Schnittstellenprobleme und Informationsverluste bei Überführung in einen anderen Sektor minimiert werden. In diesem Zusammenhang wird weiter empfohlen Raum für intersektorale Konferenzen (Tumorboard, Morbidity und Mortality) und die gemeinsame Entwicklung von Standard Operating Procedures (SOPs) zu schaffen. Die dafür notwendigen Kosten in der Entwicklung und Anschaffung von Software, Apps, Messenger Diensten etc. sollen refinanziert werden. Und last but not least: vor dem Hintergrund der neuen kompetenzbasierten Weiterbildungsordnung müssen immer mehr Weiterbildungsinhalte im ambulanten Sektor erbracht werden, da dort die entsprechenden Leistungen ausgeübt werden [4]. Daher wird dringend empfohlen intersektorale Verbundweiterbildungen zu implementieren, wie sie z. T. in Form von Modellprojekten schon funktionieren [8].

Die von allen anwesenden Regionalvertretern konsentierte Position soll bei weiteren Treffen des BDC unter Beteiligung der stationär tätigen Kolleginnen und Kollegen thematisiert und diskutiert werden. So soll das gemeinsame Ziel einer echten intersektoral ausgerichteten Behandlung basierend auf einer qualitativ besseren Versorgung der Patienten erreicht werden.

Literatur

[1]   Chung, F.; Mezei, G.; Tong, D. (1999): Adverse events in ambulatory surgery. A comparison between elderly and younger patients. In: Canadian Journal of 29 Anaesthesia 46 (4), S. 309. DOI: 10.1007/BF03013221
[2]   Friedlander, D. F.; Krimphove, M. J.; Cole, A. P.; Marchese, M.; Lipsitz, S. R.; Weissman, J.S. et al. (2019): Where Is the Value in Ambulatory Versus Inpatient Surgery?
[3]   Kalbe P: Anpassungen der ambulanten D-Arzt-Versorgung. Passion Chirurgie. 2021 Oktober; 11(10): Artikel 04_06
[4]   Ludwig, J: Kompetenzbasierte Weiterbildung: Ursprünge, Inhalte und Erfahrungen. Passion Chirurgie. 2020 September, 10(09): Artikel 05_01
[5]   OECD (2020): Health care utilisation. Surgical Procedures. Paris.
[6]   Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2018): Bedarfsgerechte Steuerung der Gesundheitsversorgung.Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft:Berlin
[7]   Schmitz R: Hygienekosten in der chirurgischen Praxis – ein Update. Passion Chirurgie. 2021 November; 11(11): Artikel 04_06.
[8]   Schmitz R. Chirurgische Verbundweiterbildung in Kiel. Passion Chirurgie. 2015 August, 5(08): Artikel 02_08
[9]   Schreyögg, J., Milstein, R.: Identifizierung einer initialen Auswahl von Leistungsbereichen für eine sektorengleiche Vergütung. Gutachten im Auftrag des BMG Hamburg Center for Health Economics 26.03.2021

Schmitz, R: Intersektorale Versorgung in der Chirurgie – es wird Zeit! Passion Chirurgie. 2022 Januar/Februar; 12(01/02): Artikel 03_06.

Editorial im Januar/Februar 2022: Ambulante Niederlassung

Zum Zeitpunkt meiner Niederlassung vor etwa 20 Jahren war die chirurgische Einzelpraxis der Regelfall. Dies war zu einem großen Teil der damaligen Weiterbildung geschuldet mit breiter Ausbildung im Gesamtgebiet der Chirurgie. Selbst wenn das eigene Steckenpferd die Leistenhernie-Chirurgie war, so wurden natürlich auch unfallchirurgische Patienten behandelt und in der Regel lag auch eine D-Arzt-Qualifikation vor. So konnte eine Einzelpraxis auch wirtschaftlich auskömmlich arbeiten.

Mit zunehmender Spezialisierung und den nachfolgenden Änderungen der Weiterbildungsordnung gibt es aber den Generalisten oder „Alleskönner“ nicht mehr. Schon früh gilt es sich zu entscheiden in welche Richtung es gehen soll: Bauchchirurgie oder Unfallchirurgie – oder doch die Handchirurgie? Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit auch den Facharzt für Allgemeinchirurgie zu erwerben mit nachgewiesenen Kompetenzen in Viszeral-, Gefäß- und Unfallchirurgie/Orthopädie, eine Zulassung zum D-Arzt kann damit aber nicht erfolgen. Diese ist selbst in der Basisvariante an den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie gebunden. Eine chirurgische Einzelpraxis, gleich welcher neuen Fachrichtung, ist so nur in seltenen Fällen wirtschaftlich. Da die gesamte Breite des Gebietes durch einen „Einzelkämpfer“ zudem nicht abgedeckt werden kann, besteht ein ungebrochener Trend zum Zusammenschluss von mehreren Chirurginnen und Chirurgen, sinnvoller Weise unterschiedlicher Facharztsäulen angehörend.

So kann nicht nur die ambulante chirurgische Versorgung der Patienten aufrechterhalten, sondern auch eine Reduktion von Investitionskosten, bezogen auf den einzelnen Arzt, erreicht werden. Es stellt finanziell nämlich einen erheblichen Unterschied dar, ob ich eine digitale Röntgenanlage oder einen Steri allein betreibe, oder mit anderen zusammen. Gleiches gilt für die Nutzung ambulanter Operationseinrichtungen. Erst durch den Zusammenschluss zu größeren Praxen, MVZs oder sonstigen – auch überörtlichen – Berufsausübungsgemeinschaften wird es möglich, qualitativ hochwertige, leitliniengerechte Chirurgie auch im ambulanten Setting anbieten zu können.

Bereits unmittelbar nach Einführung des ambulanten Operierens, etwa zur Jahrtausendwende, zeigte sich in zahlreichen Untersuchungen ein niedriges Infektions- und Komplikationsrisiko und insbesondere eine hohe Patientenzufriedenheit. Leider wurde der anfänglich von der Kassenseite beschrittene Weg einer Förderung des ambulanten Operierens, etwa durch Strukturverträge, schnell wieder verlassen, und so drohte zuletzt eine Unterfinanzierung. Dies führte eben nicht zu einer Ausweitung der ambulanten Operationen, sondern vielmehr zur Stagnation. Dies wurde von der Politik erkannt und fand ihren Niederschlag im MDK-Reformgesetz. Dort wurde verbindlich festgeschrieben, das ambulante Operieren auf finanziell gesicherten Boden zu stellen und einen Eingriffskatalog zu definieren, der zukünftig in den ambulanten oder einen neuen intersektoralen Bereich verschoben werden soll. Zusätzlich laufen aktuell dreiseitige Verhandlungen (KBV, DKG und GKV) zur Kalkulation der Kosten des ambulanten Operierens. Darüber hinaus sind verschiedene Gutachten zur Benennung von Eingriffen mit hohem Ambulantisierungs-Potenzial beauftragt worden, die in Kürze veröffentlicht werden sollen.

Insgesamt erscheint der Schritt in die Niederlassung unverändert attraktiv, dies auch vor dem Hintergrund, dass die neue kompetenzbasierte Weiterbildungsordnung auch ambulante Weiterbildungszeiten ermöglicht, da zahlreiche Eingriffe auch zukünftig vermehrt ambulant erbracht werden.

Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen eine spannende Lektüre: PASSION CHIRURGIE 01/02/2022.

Schmitz R: Ambulante Niederlassung. Passion Chirurgie. 2022 Januar/Februar; 12(01/02): Artikel 01_Editorial.

Editorial: Gemeinsam stark! Sektorenübergreifende Versorgung

In den letzten Jahren gab es unter den niedergelassenen Vertragsärzten reichlich Grund zur Klage wegen ungenügender finanzieller Ausstattung, überbordender Bürokratie und drohender Regressregelungen bei der Verordnung von Medikamenten und Heil- und Hilfsmitteln. Seit einigen Monaten aber ist die Aufregung nun besonders groß und dies bemerkenswerterweise, obwohl vom BMG nun die schon seit Jahren geforderte Entbudgetierung, zumindest teilweise, in Aussicht gestellt wird. Der Hintergrund ist, dass die angebotenen Honorarzuwächse verknüpft werden mit einem erheblichen Eingriff des Staates in die eigentlich freiberufliche Praxisführung, niedergeschrieben im anstehenden Terminservice und Versorgungsgesetz (TSVG). In seltener Einigkeit haben sich die Vertragsärzte und -psychotherapeuten dagegen zur Wehr gesetzt und werden dies auch weiter tun – zum Wohle der Versorgung der uns anvertrauten Patienten.

Eines vorweg: Das deutsche Gesundheitssystem ist nach meiner festen Überzeugung das Beste und auch das Gerechteste der Welt. Diese Aussage mag zunächst verwundern, insbesondere vor dem Hintergrund der Diskussion einer gefühlten Zweiklassenmedizin. Durch mein Studium, welches ich teilweise in Amerika absolvierte und meine Tätigkeiten in dortigen Krankenhäusern wurde mir aber vor Augen geführt, was für eine Perle wir hier bei uns haben. Ich kenne kein anderes Gesundheitssystem der Welt, wo Versicherte zeitnah und im Bedarfsfall sofort zum Facharzt ihres Vertrauens gelangen.

Dieses unzweifelhaft gute System einer medizinischen Versorgung steht aber nun schon seit Jahren auf der Kippe. Der Grund dafür ist eine im Vergleich zu anderen OECD-Staaten relativ mäßige finanzielle Ausstattung und dies vor dem Hintergrund, dass praktisch jede Leistung bezahlt wird. Nicht vollkommen unerwartet resultiert daraus ein zunehmender Run auf die Praxen und Notfallambulanzen im Land. Jeder Besuch beim Arzt produziert dabei nicht nur Kosten, sondern nimmt auch teure medizinische Behandlungszeit in Anspruch. Diese aber wird vor dem Hintergrund schwindender Arztressourcen immer kostbarer und dringend von den wirklich kranken und versorgungsbedürftigen Patientinnen und Patienten benötigt.

Ich persönlich halte es für eine Katastrophe, wie von unserem Bundesgesundheitsminister versucht wird, über das neue TSVG auf die Art und Weise unserer Behandlung Einfluss zu nehmen. Zum einen wird mit einem unverschämt populistischen Zungenschlag durch die Forderung, die offenen Sprechstundenzeiten zu erhöhen, suggeriert, dass die Ärzte ja viel zu wenig arbeiten, wir uns zumindest nicht ausreichend um die gesetzlich versicherten Patienten kümmern. Zum anderen ist auch die Aufwertung der Terminservicestellen (TSS) der KVen wenig durchdacht. Selbst bei Ausweitung der Sprechstunde und Freigabe eingeräumter Slots für die TSS wird dieses System nur zur Folge haben, dass tendenziell der Zugang zum System noch einfacher gemacht wird und damit die Arbeitszeit des Arztes pro Patient noch weiter schwindet. Dies kann nur deletäre Folgen haben für die akut und chronisch kranken Patienten. Diese werden ihren Arzt noch weniger zu Gesicht bekommen, da sich dieser mit genau der gleichen Arbeitszeit und -intensität – behördlich angeordnet – nun um Befindlichkeitsgestörte, dafür aber EDV-affine Mitbürgerinnen und Mitbürger kümmern muss.

Nur ein freier Arztberuf im eigentlichen Sinne ist der Garant dafür, dass unser Gesundheitssystem mit exzellenter Qualität unsere Bevölkerung versorgen wird. Staatsmedizinische Eingriffe führen immer in die falsche Richtung und dies dürfte in der Bevölkerung und damit auch beim Wähler nicht gut ankommen. Von daher bleibt nur zu hoffen, dass sich die Politik dieser Argumentation anschließt und die Versorgung weiterhin den dafür qualifizierten Organen der Selbstverwaltung überlässt.

Neben den beschriebenen Widrigkeiten muss aber gleichwohl festgestellt werden, dass die Versorgung der Patienten im ambulanten Sektor für den Vertragsarzt durchaus befriedigend und erfüllend ist. Eine entsprechende Organisation vorausgesetzt, ist die Arbeit als Niedergelassener auch wirtschaftlich auskömmlich. Der niedergelassene Chirurg ist zudem das klassische Beispiel für gelebte sektorenübergreifende Versorgung. So ist er in der Regel nicht nur ambulant vertragsärztlich oder als D-Arzt tätig, sondern oft auch stationär als Beleg-, Honorar- oder Konsiliararzt.

Ein kleiner Ausschnitt aus dem Portfolio der Tätigkeiten aus unserem Versorgungsgebiet soll Ihnen in diesem Schwerpunktheft zur Kenntnis gebracht werden. Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre und hoffe dabei, den einen oder die andere für eine dauerhafte Tätigkeit in unserem Sektor zu gewinnen. Es lohnt sich!

R.W. Schmitz: Editorial. Gemeinsam stark! Sektorenübergreifende Versorgung. Passion Chirurgie. 2019 Mai; 9(05): Artikel 01.