Alle Artikel von Ingrid Mühlnikel

Mehr Bundeskompetenz im Gesundheitssektor erforderlich

Krankenhauszukunftsgesetz setzt richtige Investitionsschwerpunkte.  Eine Neuordnung der Versorgungsstrukturen steht dagegen noch aus.

Berlin, 24. September 2020 – Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC) befürwortet die mit dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) implementierten Investitionshilfen des Bundes und der Länder für eine moderne Ausstattung der Kliniken. „Mit der Digitalisierung und der Modernisierung von Notfallstrukturen werden zwei Kernthemen angegangen, deren hohe Bedeutung auch in der Pandemie erneut deutlich geworden ist“, so Dr. Friederike Burgdorf, Geschäftsführerin des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen.

Dem Bund sollten bei einer Kofinanzierung perspektivisch auch Mitbestimmungsrechte eingeräumt werden, denn „die eigentliche Neuordnung der Versorgungsstrukturen mit einer Konsolidierung von Krankenhausstrukturen auf der einen Seite und der Schaffung sektorenübergreifender Strukturen andererseits steht weiterhin aus“, so Burgdorf. Letzteres scheiterte bisher regelmäßig an der föderal bestimmten Planung.

Der BDC spricht sich zudem gegen die Einführung eines zweiprozentigen Abschlages für Kliniken aus, die keine ausreichenden digitalen Dienste anbieten. Der Verband hält Sanktionen dieser Art in seinen Auswirkungen auch im stationären Bereich für kontraproduktiv.

Die Einheit der Chirurgie hat weiterhin hohe Priorität

» Prof. Dr. Dr. Michael Ehrenfeld über die Ziele seiner Präsidentschaft, die Arbeit am nächsten DCK und warum es sinnvoll ist, die Approbationsordnungen für Zahn- und für Humanmedizin stärker aufeinander abzustimmen.

Passion Chirurgie: Herr Prof. Ehrenfeld, Sie haben zum 1. Juli 2020 das Amt des Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie angetreten. Welche zentralen Themen möchten Sie in der Zeit Ihrer Präsidentschaft für die Chirurgen im Allgemeinen und für die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen im Besonderen anstoßen?

Michael Ehrenfeld: Ein wichtiger Punkt ist und bleibt die Weiterentwicklung der DGCH in ihrer Funktion als „Muttergesellschaft“ für alle Chirurgen. Das Projekt „Einheit der Chirurgie“ ist weiterhin schwierig voranzutreiben und braucht aus meiner Sicht neuen Schwung.

Daneben wird die Weiterentwicklung und besondere Positionierung des DCK als zentraler Kongress aller chirurgischen Fächer eine Rolle spielen. Hierzu ist bereits seit Jahren eine sehr aktive und produktive Arbeitsgruppe eingerichtet, die unbedingt erhalten bleiben und befördert werden sollte.

Eine Herausforderung – sicherlich in jeder Präsidentschaft – ist unsere heterogene Mitgliederschaft. Es geht darum, den sogenannten Mehrwert für jede einzelne Fachgesellschaft deutlich zu machen. Potenzial sehe ich beispielsweise in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, auch ein seit Jahren bereits im Vorstand der DGCH diskutiertes Thema. Wir sollten Themen gemeinsam strukturierter bearbeiten und Synergien in der Pressearbeit heben. Insgesamt wünsche ich mir eine stärkere Präsenz unseres Berufsstandes in der Öffentlichkeit, auch in Kooperation mit dem Berufsverband der Deutschen Chirurgen.

Ein weiteres wichtiges Handlungsfeld stellt unsere Mitgliederstruktur dar. Mit der Zeit hat sich ein Geflecht aus persönlichen und assoziierten Mitgliedern entwickelt, das ein relativ kompliziertes Stimmrecht nach sich zieht. Projekte gibt’s also genug.

PC: Der diesjährige DGCH-Kongress musste aufgrund von Corona abgesagt werden. Welche Pläne haben Sie für den Kongress 2021? Ist eine rein digitale Veranstaltung eine denkbare Lösung?

ME: Wir planen zunächst einen Präsenzkongress und sind bereits in intensiven Gesprächen mit der Messe München. Diese wird uns ein Hygienekonzept vorstellen, aus dem hervorgeht, welche Veranstaltungsformate letztlich möglich sein werden, wie viele Besucher in einen Raum dürfen und welche Anforderungen die Aussteller erfüllen müssen. Wir prüfen auch die Option, ob wir mehr Fläche für den Kongress anmieten können.

Da heute niemand weiß, wie sich die Coronaepidemie in einem dreiviertel Jahr darstellt, brauchen wir einen Plan B. Das heißt, wir planen auch für einen sogenannten Hybridkongress, also einen Kongress mit kombinierten Präsenz- und Onlineveranstaltungen. Die dritte Alternative wäre ein komplett digitaler DCK. Die höchste Priorität räumen wir aber einem Präsenzkongress ein. Die zwischenmenschlichen Komponenten in den Pausen und beim Besuch der Industrieausstellung sind nicht hoch genug einzuschätzen, Stichwort Netzwerkbildung. Im Oktober werden wir dann entscheiden, in welcher Form der DCK nächstes Jahr in München stattfinden wird.

PC: Im November 2019 hat das Bundesgesundheitsministerium ein Referentenentwurf für ein Gesetz zur Neuordnung der Approbationsordnung vorgelegt. Trotz der Nähe zur Humanmedizin und speziell zum Fach Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie ist die Zahnmedizin nicht Bestandteil des humanmedizinischen Studiums. Sollten die Studiengänge nicht teilweise harmonisiert werden und auch die Zahnmedizin in die Studienordnung integriert werden?

ME: Die Approbationsordnung für Zahnmedizin stammt in ihrer Grundkonzeption von 1955. Sie ist zwar vor kurzem novelliert worden, trotzdem bietet die in Diskussion befindliche neue Approbationsordnung Ärzte (Projekt Medizin 2020) einen perfekten Rahmen, die beiden Approbationsordnungen der Humanmedizin im Kontext zu überarbeiten und wenn möglich auch enger zu verzahnen. Künftig ist es sinnvoll, wenn Zahnmedizinstudenten mehr medizinische Zusammenhänge vermittelt bekommen, denn die Gesellschaft wandelt sich und die Zahnmediziner behandeln beispielsweise immer mehr Patienten im höheren Alter oder auch Personen mit Vorerkrankungen und Einschränkungen. Deshalb begrüßen wir eine gemeinsame Vorklinik, in der Studierende der Zahnmedizin und Medizin gemeinsam lernen. Aber auch in den klinischen Abschnitten ist aus meiner Sicht die gegenseitige Wissensvermittlung sinnvoll, das heißt auch Vermittlung von Kenntnissen einiger grundlegender zahnärztlicher Krankheitsbilder in die Medizin, wie aktuelle Kariestheorien, Prophylaxekonzepte oder der Ätiopathologie von Parodontitis, eine der Erkrankungen mit der höchsten Prävalenz in unserer Bevölkerung.

Auch vor dem Hintergrund, dass wir immer jüngere Studienanfänger haben, kann eine gemeinsame Vorklinik Zahnmedizin und Humanmedizin als Orientierungsphase dienen. Der einfachere Wechsel zwischen Human- und Zahnmedizin stellt eine bessere Entscheidungsgrundlage für die Studierenden dar, ob sie nun besser für Humanmedizin oder Zahnmedizin geeignet sind. Deswegen ist eine gemeinsame Novellierung der beiden Approbationsordnungen in unserem Sinne.

PC: Wie können die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen die Einheit der Chirurgie befördern?

ME: Gerade weil die DGMKG eine kleinere Fachgesellschaft ist, sehe ich die Möglichkeit aus der „Außenseiterposition“ heraus, wertvolle Impulse beispielsweise für das Projekt „Einheit der Chirurgie“ zu geben, da für uns der sogenannte Mehrwert der Mitgliedschaft in der DGCH klar erkennbar und unbestritten ist. Größere Fachgesellschaften stehen mitunter in einem Spannungsfeld, dass sich nur schwer auflösen lässt. Und nicht zu vergessen, die Idee der Einheit leben wir seit 2000 vor. Die DGMKG ist aus einer Fusion der wissenschaftlichen Fachgesellschaft und des Berufsverbandes entstanden. Das war kein einfacher Weg. Die Erfahrungen, die wir gemacht haben, können für das strategische Ziel „Einheit der Chirurgie“ aber durchaus bedeutsam sein.

PC: Wie hat das Sars-CoV-2 Virus Ihren Berufsstand herausgefordert? Die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen sind Aerosolen in besonderer Weise ausgesetzt: Benötigen Sie und Ihre Kollegen einen besonders hohen Schutz?

ME: Zunächst einmal sind alle Fächer, die in einem engen Kontakt zum oberen Luftweg arbeiten, betroffen: also beispielsweise auch Anästhesisten oder Hals-Nasen-Ohren-Ärzte. Aber es ist richtig, viele unserer Mitarbeiter waren und sind sehr besorgt und wir nehmen diese Ängste auch sehr ernst. Insofern haben wir unseren ohnehin hohen Schutzstandard noch einmal deutlich ausgebaut und arbeiten mit Kittel- und Augenschutz sowie bei Bedarf FFP2-Masken. Vor Operationen werden die Patienten auf das Sars-CoV-2 getestet.

»Zur Person

Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Michael Ehrenfeld begann 1974 sein Studium der Zahnmedizin an der Johann-Wolfgang-Goethe Universität in Frankfurt am Main. 1977 nahm er das Studium der Medizin an der gleichnamigen Universität auf. Es folgten die Promotion in Zahnmedizin und Medizin in den Jahren 1980 und 1985 sowie die Habilitation 1989 an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen. 1988 trat er die Stelle als Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie in Tübingen an. Seit 1996 leitet er als Direktor die Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie an der Universität München.

Der dreifache Familienvater von inzwischen erwachsenen Kindern bezeichnet sich als „Workaholic“ mit den Interessen Literatur, Musik und Sport, insbesondere Mountain-biken und Bergwandern, in seiner Freizeit.

Work-Life-Balance hält Einzug auch in der Chirurgie

zur Artikelserie …

Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen feiert in diesem Jahr sein 60-jähriges Bestehen. Präsident Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer im Gespräch über Veränderungen in der Arbeitskultur und ihre Auswirkungen auf das Fach, über Effekte der Kommerzialisierung in der Medizin und wie Nachwuchskräfte gewonnen werden können.

Interview mit Dr. Frauke Fritze-Büttner aus der Jubiläumsartikelserie zu 60 Jahre BDC.

Die leitende Oberärztin und Fachärztin für Chirurgie, Viszeralchirurgie und spezielle Viszeralchirurgie, Frau Dr. Frauke Fritze-Büttner, über den Spagat zwischen Job und Beruf, das Mutterschutzgesetz und ihre Motivation, Chirurgin zu werden.

PC: Was war Ihr Impuls bzw. Ihre Motivation Chirurgin zu werden?
Fritze-Büttner: Den festen Wunsch Ärztin zu werden, hatte ich bereits in der achten Schulklasse. Einen Patienten durch eine Operation zu heilen oder auch zu retten, war Faszination und mein persönlicher Antrieb zugleich, diesen Beruf zu ergreifen. Im Übrigen gegen den Ratschlag meines Vaters, der selbst Mediziner war. Er dachte an all diese Hindernisse wie überlange Arbeitszeiten und die mitunter schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

PC: Mehr als 60 Prozent der Medizinstudierenden sind weiblich. Als Chirurginnen arbeiten aktuell nur 17 Prozent. Warum ist das Fach Chirurgie offenkundig nicht so attraktiv für Frauen?
FB: Zu berücksichtigen ist, dass innerhalb der chirurgischen Fachdisziplinen der Anteil an Frauen variiert, so sind viel mehr Chirurginnen viszeralchirurgisch als kardiochirurgisch tätig. Ein Teil der Medizinstudentinnen schreckt sicherlich vor dem Alltag in der Chirurgie zurück – auch weil die Arbeit in einem chirurgischen Fach nicht immer planbar ist. Zum anderen sollten sich die jungen Kolleginnen selbstbewusst den chirurgischen Beruf zutrauen, der neben handwerklicher Geschicklichkeit eine hohe Einsatzbereitschaft und Courage erfordert.

PC: Sie sind selbst Mutter eines Sohnes. Wie schaffen Sie den Spagat zwischen Job und Familie?
FB: In meinem Falle kann ich auf ein gut funktionierendes familiäres Back-up zurückgreifen: Das heißt, mein Mann unterstützt mich und auch die Großeltern springen mal ein. Ich habe aber auch das persönliche Ziel, die Klinik zu einer gewissen Uhrzeit zu verlassen, um dann auch intensiv Zeit mit meinem Sohn verbringen zu können. Um dies umsetzen zu können, hilft auch unsere Abteilungskultur, in der die Vereinbarkeit von Beruf und Familie Priorität hat.

PC: Inwieweit spielt es eine Rolle, dass es in der Chirurgie nur wenig weibliche Vorbilder gibt?
FB: Das stimmt. In der Vergangenheit war die Chirurgie ein männlich dominiertes Fach. Die Chirurginnen profilierten sich erst in den letzten Jahrzehnten. Als ich 1996 an der chirurgischen Klinik in Greifswald anfing, waren wir von zirka 23 Kollegen nur drei Frauen. Das ändert sich nun erfreulicherweise, wenn auch langsam.

PC: Studien zeigen, dass besonders viele Medizinstudierende im Praktischen Jahr (PJ) abspringen. Muss sich die Ärztezunft nicht darüber Gedanken machen, wie das PJ attraktiver gestaltet werden kann?
FB: Wir müssen die Studierenden für unser Fach begeistern. Das geht vor allem, wenn wir auf sie eingehen und sie in unsere Tätigkeit einbeziehen. Dazu gehören Vorlesungen, Bedside-Teaching und Nahtkurse. Wichtig ist aber auch, dass wir ihnen Wertschätzung entgegenbringen und ihnen vorleben, wie ein gutes Team funktioniert und wie man auch in unserer Profession eine Work-Life-Balance umsetzen kann.

PC: Das Mutterschutzgesetz, das eine Hürde für angehende Chirurginnen darstellte, wurde inzwischen reformiert, sodass auch schwangere Chirurginnen ihre Weiterbildung fortsetzen können. War das eine ausreichende Reform oder gibt es noch Handlungsbedarf?
FB: Leider ja, es ist nach wir vor so, dass schwangere Chirurginnen ihre operative Tätigkeit nicht oder nur sehr erschwert fortführen können. Das Problem sind die „unverantwortbaren Gefährdungen“. Die Ärztinnen könnten unter Umständen zum Beispiel Röntgenstrahlen, Narkosegasen oder auch Infektionskrankheiten ausgesetzt sein, die die Gesundheit von Mutter und Kind gefährden könnten. Und weil die Haftungsfrage ungeklärt ist, entscheiden Arbeitgeber in der Regel sehr restriktiv.

Im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist mittlerweile ein Ausschuss eingerichtet worden, der in Fragen des Mutterschutzes beratend tätig ist. Das hat aber bislang noch keine Auswirkungen auf die Praxis der Chirurginnen. Das heißt, junge angehende Chirurginnen, die schwanger werden, müssen mit Unterbrechungen in ihrer operativen fachärztlichen Weiterbildung rechnen.

PC: Flexible Arbeitszeiten, die den Beruf mit der Familie vereinbaren, sind nicht nur für Chirurginnen, sondern auch für ihre männlichen Kollegen ein großes Thema. Inwieweit sind die Arbeitgeber schon darauf eingestellt und was müsste sich da noch tun?
FB: Das Thema betrifft im Grunde alle Fachrichtungen. Ich bin überzeugt davon, dass es ein Umdenken bei den Chefärzten und Geschäftsführungen der Kliniken geben wird. Einfach, weil sich die jungen ÄrztInnen den Arbeitsplatz künftig aussuchen können. Und da spielen die Themen Teilzeit, Überstundenerfassung und -ausgleich, Elternzeit – für Mütter und Väter –, Kinderbetreuung und flexible Arbeitszeiten, angepasst an die Organisationsstrukturen der Abteilung, eine ganz große Rolle. Auch über Jobsharing sollten wir uns zunehmend Gedanken machen. Warum sollen sich nicht zwei KollegInnen eine Stelle teilen?

» Zur Person

Frau Dr. med. Frauke Fritze-Büttner ist leitende Oberärztin und Fachärztin für Chirurgie, Viszeralchirurgie und spezielle Viszeralchirurgie, Sana-Kliniken AG, Sana Klinik Lichtenberg. Frau Dr. Fritze-Büttner ist Mutter eines Sohnes.

Mühlnikel I: Work-Life-Balance hält Einzug auch in der Chirurgie. Passion Chirurgie. 2020 September, 10(09/III): Artikel 09_01.

ZDF-Morgenmagazin: OP-Aufkommen normalisiert sich

Das MOMA berichtete am 20. August 2020 über die Situation in deutschen OP-Sälen nach dem Lockdown. Dabei gab Prof. Joachim Jähne, Chefarzt Chirurgie, Viszeralchirurgie, spezielle Viszeralchirurgie und chirurgische Intensivmedizin am DIAKOVERE-Klinikum in Hannover seine Einschätzung stellvertretend für den Berufsverband der Deutschen Chirurgen und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie: „Seit Mitte Juni arbeitet das Klinikum wieder im Normalbetrieb. Eine deutliche Entspannung ist zu verzeichnen.“ Patienten, deren Eingriffe verschoben werden mussten, würden wieder einbestellt. „Wir sind auf einem guten Weg“, so Professor Joachim Jähne.

Hier geht’s zum Beitrag:

https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/morgenmagazin/videos/corona-aktuell-aufgeschobene-ops-100.html

Bundesgesundheitsminister Spahn konkretisiert Digitalisierungsoffensive

Vom Konjunkturprogramm der Bundesregierung profitieren auch die Krankenhäuser in Milliardenhöhe. Jetzt hat Gesundheitsminister Jens Spahn einen Entwurf für ein Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) vorgelegt, in dem er darlegt, wie die Mittel verwendet werden sollen. Bereits als das Konjunkturprogramm beschlossen wurde, machte Spahn deutlich, dass insbesondere die Digitalisierung in den Krankenhäusern vorangetrieben werden soll: Gefördert werden demzufolge Investitionen in moderne Notfallkapazitäten und in eine bessere digitale Infrastruktur, wie zum Beispiel Patientenportale, elektronische Dokumentation von Pflege- und Behandlungsleistungen, digitales Medikationsmanagement. 15 Prozent der Fördersumme soll in IT-Sicherheit investiert werden. Darüber hinaus sind die Gelder für eine verbesserte sektorenübergreifende regionale Versorgung vorgesehen.

Der Erfolg der Fördermaßnahmen soll durch eine Evaluation Mitte nächsten Jahres und Mitte 2023 geprüft werden. Dabei wird der digitale Reifegrad – nicht nur der geförderten – sondern aller Krankenhäuser in Deutschland erhoben.

Die Gelder werden in einem Krankenhauszukunftsfonds gebündelt und über den bereits bestehenden Krankenhausstrukturfonds verwaltet werden: 70 Prozent der Förderung trägt der Bund, die restlichen 30 Prozent sollen über die Länder beziehungsweise Krankenhausträger finanziert werden.

Kleinlicher Streit um Erfolge in der Pandemiebewältigung

Bislang erzielte medizinische Erfolge in der Pandemiebewältigung sind auf die sachgerechte und sektorenübergreifende  Kooperation zwischen Praxen und Kliniken zurückzuführen

Die aktuelle Auseinandersetzung zwischen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und den Kassenärztlichen Vereinigungen um bisher erreichte Erfolge in der Pandemiebewältigung ist unangemessen und wird der Tragweite dieser weltweiten medizinischen Krise nicht gerecht.

Prof. Dr. Dr. Hans-Joachim Meyer, Präsident des Berufsverbands der Deutschen Chirurgen: „Der Streit darum, ob die niedergelassenen Ärzte, die nach eigenen Aussagen sechs von sieben Covid-19-Patienten erfolgreich behandelt haben oder ob die Ärzte in den Notfallambulanzen und auf den Intensivstationen der Krankenhäuser den Ausbruch des Sars-CoV-2 maßgeblich haben bewältigen können, ist wenig nachvollziehbar und schadet dem Ansehen unseres Gesundheitssystems insgesamt. Die niedergelassenen Kollegen konnten einen hohen Anteil der Patienten behandeln, weil Patienten mit vergleichsweise milden Verläufen vor allem in die Praxen gekommen sind; so ist es gelungen, Kapazitäten in Krankenhäusern primär für Patienten mit schweren Symptomen vorzuhalten.

Darüber hinaus konnte im Gegensatz zu anderen Ländern ein Großteil der Abstrichdiagnostik und damit eine potenzielle Infektionsquelle von den Kliniken ferngehalten werden. Dies zeigt einmal mehr, wie leistungsstark das deutsche Gesundheitswesen insgesamt im Zusammenspiel der Sektoren ist.

Auch der weitere medizinische Erfolg im Umgang mit der weiterhin bestehenden Bedrohung durch das Virus bei erneut ansteigenden Infektionszahlen wird entscheidend  davon abhängen, wie gut die verschiedenen Sektoren in der medizinischen Versorgung der Covid-19-Patienten kooperieren.

Diese ernste Thematik zu instrumentalisieren, um etwa Gesetzesentwürfe, wie die Reform der Notfallversorgung oder anstehende Strukturdiskussionen im Gesundheitswesen generell, in die eine oder andere Richtung beeinflussen zu wollen, lehne ich entschieden ab und halte eine solche Diskussion für wenig zielführend.“

Katarakt – am häufigsten verschobene Op

Das Ziel des medizinischen Shutdowns wurde erreicht. Auswirkungen der Verschiebungen müssen genau untersucht und Pandemiepläne künftig regional und lokal angepasst werden.

Berlin, den 28.07.2020 – Die Auswertung von Daten eines bundesweiten Benchmarking-Programms für OP-Prozesszeiten hat einen Rückgang der Operationen während des Shutdowns im April von 41 Prozent ergeben. Am häufigsten unter den verschobenen Eingriffen waren Katarakt-operationen mit -79 Prozent, die Entfernung der Rachenmandeln mit -82 Prozent und die Implantation von Kniegelenkendoprothesen mit -80 Prozent. Etwas häufiger unter den verschobenen Operationen wurden noch Kniegelenkathroskopien, -67 Prozent, durchgeführt sowie Osteosynthesematerial, also beispielsweise Schrauben und andere Befestigungen, -51 Prozent entfernt. Demgegenüber hat die Anzahl der Kaiserschnitte, der versorgten Knochenbrüche und Blinddarment-zündungen gar nicht beziehungsweise nur sehr geringfügig abgenommen.

Prof. Dr. Dr. Hans-Joachim Meyer, Präsident des Berufsverbands der Deutschen Chirurgen kommentiert die Ergebnisse: „Das Ziel des medizinischen Shutdowns, elektive Operationen weitestgehend zu verschieben und den medizinischen Betrieb von Volllast in einen auf Covid-19 ausgerichteten Notbetrieb umzusteuern, wurde in den Krankenhäusern vorbildlich umsetzt. Wir sehen jetzt aber auch, dass viele Betten, die für Covid-19-Patienten freigehalten, dafür nicht benötigt wurden.

Die Epidemie ist jedoch noch nicht ausgestanden und jetzt geht es darum, Lehren aus dieser Zeit für eine etwaige zweite Welle zu ziehen. Dazu gehört auch, die Pandemiepläne so umzuarbeiten, dass bei einem Anstieg des Infektionsgeschehens, die Krankenhäuser ihren Betrieb mit einem Anteil elektiver Operationen weiter aufrechterhalten können. Einen nahezu vollständigen Shutdown mit einer Priorisierung der Behandlung von Patienten mit Covid-19 sollte möglichst vermieden werden – insbesondere auch, um nicht Patientengruppen mit komplexen Krankheitsbildern zu verunsichern.

Dies könnte unter anderem erreicht werden, indem bundesweit Pläne für die Steuerung von Patienten unter Pandemiebedingungen entwickelt werden. Diese sollten dann lokal und regional, durch sektorenübergreifende Gremien auf die Rahmenbedingungen vor Ort angepasst werden.“

„Unsere Auswertung der OP-Prozesszeiten zeigt einen verantwortungsvollen Umgang der Ärzte bei der Verschiebung planbarer Operationen. Jetzt geht es darum, den Stau der aufgeschobenen Operationen abzuarbeiten. Es wird selbst bei einer Steigerung des OP-Aufkommens auf 110 Prozent des Vor-Corona-Niveaus zirka 27 Wochen dauern“, so Dr. Enno Bialas, Geschäftsführer von digmed und Autor der Studie.

Zum Benchmarking-Programm für OP-Prozesszeiten:

Das Programm gibt es seit 2009: Es analysiert perioperative Prozesszeiten wie zum Beispiel Schnitt-Naht-Zeiten im OP. Tragende Verbände bzw. Fachgesellschaften sind der Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA), die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie (DGAI), der Verband für OP-Management (VOPM) sowie der Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC). Insgesamt wurden Daten von 170 Krankenhäusern aller Versorgungsstufen für die Auswertung zu den Auswirkungen des Lockdowns berücksichtigt.

Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC)

Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC) ist mit über 17.600 Mitgliedern die größte europäische Chirurgenvereinigung. Er vertritt die berufspolitischen Interessen deutscher Chirurginnen und Chirurgen in Klinik und Praxis.

digmed GmbH

digmed ist eine Hamburger Unternehmensberatung im Gesundheitswesen mit Schwerpunkt auf OP-Management. Das Unternehmen hat 2009 ein bundesweites Benchmarkingprogramm aufgesetzt zur Optimierung der OP-Prozesszeiten. Knapp 300 Kliniken von der Grund- und Regelversorgung über Maximalversorger und Universitätskliniken nutzen das Internetportal zur Analyse ihrer Daten.

Mit Arroganz und Ignoranz kann kein Nachwuchs akquiriert werden

zur Artikelserie …

Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen feiert in diesem Jahr sein 60-jähriges Bestehen. Präsident Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer im Gespräch über Veränderungen in der Arbeitskultur und ihre Auswirkungen auf das Fach, über Effekte der Kommerzialisierung in der Medizin und wie Nachwuchskräfte gewonnen werden können.

 

Aus der Perspektive des Mediziners, aber auch der des Funktionärs, wo sehen Sie den stärksten Wandel in berufspolitischer Hinsicht?

Meyer: Den Gedanken an ein Arbeitszeitschutzgesetz in der Chirurgie gab es früher weitgehend nicht. Es war egal, ob man um 22 oder 24 Uhr nach Hause gekommen ist. Am nächsten Tag wurde weiter gearbeitet. Familie und Beruf waren auch damals von Bedeutung. Heute werden die Bereiche aber sehr viel intensiver eingefordert und es ist selbstverständlich sinnvoll, Arbeitszeitbeschränkungen vorzugeben. Zu meiner Zeit in der Weiterbildung oder auch als Oberarzt hat nur keiner darüber geredet.

Diese Einstellung der nachfolgenden Generationen ist auch gut, aber in der Realität eben mitunter schwer umzusetzen. Oft können die Vertreter der Generation Y oder Z ihre Eingriffe wegen der Arbeitszeitgesetze nicht im ausreichenden Umfang durchführen.

Ist das ein internationales Phänomen?

Meyer: Es ist ein internationales Phänomen. Wenn ich mit Kollegen aus Italien, aus England spreche bis hin nach Asien – bei der berühmten Arbeitsbereitwilligkeit der Asiaten – höre ich gleichlautende Schilderungen. Auch was die Feminisierung der Medizin betrifft, entwickeln sich die Zahlen ähnlich wie in Deutschland, wo 66 Prozent der Medizinstudierenden weiblich sind. Das sind Herausforderungen, die wir versuchen, bestmöglich zu regeln.

Wir haben jetzt knapp 400.000 Ärzte in der Bundesrepublik, von denen aber immer mehr in Teilzeit arbeiten möchten. Und das bewundere ich wieder an der jüngeren Generation: Sie sagt, hoppla, wir wollen ja, aber bitte auch zu unseren Bedingungen. Das hätte sich vor 50 Jahren keiner zu sagen getraut.

Wie wirkt sich die vielzitierte Ökonomisierung im Gesundheitswesen auf das Fach Chirurgie aus?

Meyer: Der Einfluss der Ökonomie ist generell sicherlich auch gut und notwendig in der Medizin. Aber nach meiner Definition gehört er abgekoppelt von der Kommerzialisierung. Nicht nur in einem Haus der Grund- und Regelversorgung, bei einem Maximalversorger oder einer Universitätsklinik hat die Einführung des DRG-Systems negative Effekte gezeigt, so dass sich manche Eingriffe finanziell gar  nicht mehr lohnen. Und dann gibt es wiederum Eingriffe, die besonders attraktiv sind und entsprechend das Einkommen für das Krankenhaus sichern. Ich bin der festen Überzeugung, die Ökonomisierung darf nicht darin gipfeln, dass in den Krankenhäusern reizvollen, kostensparenden oder einkommenssteigernden Eingriffen der Vorzug gegeben wird. Das Vergütungssystem ist zu holzschnittartig und produziert so enorme Verwerfungen.

Prof. Dr. Dr. hc. Hans-Joachim Meyer im Kurzporträt

Präsident des Berufsverbands der Deutschen Chirurgen und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie

Prof. Dr. Dr. hc. Hans-Joachim Meyer blickt auf eine jahrzehntelange Karriere als Chirurg in der Transplantations- und Abdominalchirurgie zurück. 1974 begann er seine Facharztausbildung an der Medizinischen Hochschule Hannover. 1981 erfolgte seine Habilitation. 1996 wechselte Prof. Hans-Joachim Meyer als Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie an das Städtische Klinikum Solingen.  Zu seinen wissenschaftlichen Schwerpunkten zählen die Laserchirurgie und multimodale Behandlungsverfahren bei malignen Tumoren des Gastrointestinaltraktes mit besonderem Schwerpunkt der Ösophagus- und Magenkarzinome.

Im Jahr 2012 wurde Prof. Hans-Joachim Meyer zum Generalsekretär der DGCH gewählt. 2015 trat er das Amt des BDC-Präsidenten an. Er repräsentiert damit in Personalunion die angestrebte „Einheit der Chirurgie“. Ebenfalls seit 2015 vertritt er das Fach Chirurgie im Präsidium der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF).

Er ist darüber hinaus Träger der Ehrendoktorwürde der Jagiellonien Universität Krakau.

Wo sehen Sie die Trennlinie zwischen einer Kommerzialisierung und einer Ökonomisierung in der Medizin?

Meyer: Wir sehen ganz klare Veränderungen in der Krankenhauslandschaft. Seit Jahren konstatieren wir eine Zunahme der privatwirtschaftlichen Krankenhausträger im Vergleich zu den gemeinnützigen und den kommunalen. Und bei privaten Krankenhausträgern haben wir in der Vergangenheit teilweise deutliche Maßnahmen zur Kostenreduktion gesehen. Zuerst wurde die Kostensäule Pflege ausgedünnt, dann ist man zur Kostensäule Ärzte übergegangen. Ein Beispiel hierfür ist auch der sogenannte Physician Assistant als Arztersatz, den ich klar ablehne, als Unterstützung für den Arzt im Sinne einer Delegation habe ich nichts dagegen. Bei einigen privatwirtschaftlichen Trägern ist die Problematik erkannt worden. Ein Punkt trifft allerdings eindeutig zu: Die Zahl der Mitarbeiter, die ich noch zu meiner Zeit hatte, sind heute bei weitem nicht mehr möglich.

Schauen wir in die Zukunft, Herr Prof. Meyer. Über Jahrhunderte hat sich an der Art und Weise wie am Menschen operiert worden ist wenig geändert. Dann war sicherlich ein großer Meilenstein die minimalinvasive Chirurgie und heute sprechen wir von der robotergestützten Chirurgie. Wie wird sich das Fach Chirurgie dadurch verändern?

Meyer: Es hat sich seit den 80er Jahren sehr viel verändert. Als wir in der MHH die ersten Entfernungen der Gallenblase minimalinvasiv durchgeführt haben, hat mein damaliger Chef gesagt: Das ist furchtbar. Das ist kein Operieren, das ist ein – in bayerisch – Gezutzel. Das lag aber vor allem daran, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht die geeigneten Instrumentarien zur Verfügung standen, die’s heute gibt.

Wir sollten allerdings auch Entwicklungen im Blick haben wie diese: Mittlerweile bieten die amerikanischen Kollegen Kurse an: How to do it in open surgery? Die junge Generation hat zum Teil gar nicht mehr gelernt, offen zu operieren. Durch technische Verbesserungen ist in der Vergrößerung bei minimalinvasiven Eingriffen alles ganz wunderbar zu sehen. Aber es geht auch das Gefühl, das Haptische verloren, das meiner Meinung nach auch sehr wichtig ist, wenn im Zweifelsfall ein Patient dann doch offen operiert werden muss.

Gegen robotergestützte Chirurgie, die heute in aller Munde ist, ist nichts einzuwenden, aber es muss immer noch ein Mensch dahinterstehen, der das Ganze kontrolliert, der auch vorgibt, wo wird der Clip gesetzt, was wird durchgeschnitten. Insgesamt ist es natürlich angenehmer, wenn man vor einer Konsole sitzt und das ganze Operationsfeld vergrößert vor sich sieht und auch die Instrumente besser bewegen kann. Fazit ist aber auch: Wir können heute noch nicht eindeutig belegen, dass die roboterassistierte Chirurgie bessere Ergebnisse aufweist als eine gut durchgeführte minimalinvasive Chirurgie.

Zur Zukunft gehört auch der Nachwuchs. Hat die Chirurgie ein Imageproblem? Studien belegen, dass angehende Mediziner, gerade im PJ, sich vom chirurgischen Fach abwenden. Ist das so und was könnte man dagegen tun?

Meyer: Das ist ein Problem, welches nicht neu ist. Die Zahlen schwanken, je nach Umfrage. Ich halte es für illusorisch, in der Chirurgie auf ein hierarchisches Gefüge völlig verzichten zu können. Einer muss das Ruder in der Hand halten und sagen: Hier geht’s lang. Meiner Meinung nach ist das der Erfahrenste,  der den Eingriff sicher beherrscht. Den in Weiterbildung befindlichen Kollegen müssen die Erfahrenden also helfen und ihm die nächsten Schritte vorgeben. Wir müssen die jungen Leute vielmehr begeistern. Das heißt, es liegt an uns, die jungen Leute zu motivieren. Nur so können wir den Nachwuchs für das facettenreiche Gebiet Chirurgie begeistern. Denn mit Arroganz und Ignoranz kann mit Sicherheit kein Nachwuchs gewonnen werden.

BDC: Schutzmasken sinnvoll einsetzen

Berlin, den 1. April 2020 – Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC) warnt vor einer weiteren Verknappung von Schutzmasken durch die Schutzmaskenpflicht in öffentlichen Räumen. Die Stadt Jena hat als erste deutsche Großstadt das Tragen von Schutzmasken in Verwaltungsgebäuden, beim Einkauf und in öffentlichen Verkehrsmitteln angeordnet. In Österreich ist das Tragen von Schutzmasken in Supermärkten bereits Pflicht.

Die Masken dienen nicht, wie vielfach fälschlich angenommen, dem Eigenschutz, sondern sollen eine Übertragung vom Träger auf Dritte vermeiden. Sinnvoll und notwendig im täglichen Leben ist es, Abstand zum Gegenüber zu wahren und den Mindestabstand von 1,5 Metern auch einzuhalten. Masken sind erforderlich, wenn dieser Abstand nicht eingehalten werden kann. Dies ist vor allem im medizinischen Bereich der Fall, insbesondere bei operativen Eingriffen. Denn trotz des Verzichts auf plan- und aufschiebbare Eingriffe gibt es immer noch eine Vielzahl von notwendigen und lebensrettenden Operationen, die medizinisch absolut indiziert sind.

„Wir weisen deswegen daraufhin, dass Schutzmasken für den medizinischen Gebrauch primär den Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegeheimen vorbehalten sein sollten in Zeiten, in denen diese Medizinprodukte nur schwer zu beschaffen sind“, so Prof. Dr. med. Dr. med. h.c. H.-J. Meyer, Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen (BDC) und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH). „Eine Priorisierung bei der Zuteilung medizinischer Schutzmasken ist dringend geboten.“

Um nicht Ärzte und Pflegepersonal sowie Patienten, die erkrankungsbedingt zur Risikogruppe gehören, zu gefährden, müssen Schutzmasken, sofern sie überhaupt beschafft werden können, vordringlich dem medizinischen Versorgungssektor zugeteilt werden – bevor sie anderenorts zwar sinnvoll, aber nicht zwingend verbraucht werden. Insgesamt begrüßt der BDC jede Vorsichtsmaßnahme, die die weitere Ausbreitung des Corona-Virus eindämmt, so zum Beispiel das Tragen selbstgefertigter Masken.

Work-Life-Balance hält Einzug auch in der Chirurgie

zur Artikelserie …

Die leitende Oberärztin und Fachärztin für Chirurgie, Viszeralchirurgie und spezielle Viszeralchirurgie, Frau Dr. Frauke Fritze-Büttner, über den Spagat zwischen Job und Beruf, das Mutterschutzgesetz und ihre Motivation, Chirurgin zu werden.

Was war Ihr Impuls bzw. Motivation Chirurgin zu werden?

Fritze-Büttner: Den festen Wunsch Ärztin zu werden, hatte ich bereits in der achten Schulklasse. Einen Patienten durch eine Operation zu heilen oder auch zu retten, war Faszination und mein persönlicher Antrieb zugleich, diesen Beruf zu ergreifen. Im Übrigen gegen den Ratschlag meines Vaters, der selbst Mediziner war. Er dachte an all diese Hindernisse wie überlange Arbeitszeiten und die mitunter schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Mehr als 60 Prozent der Medizinstudierenden sind weiblich. Als Chirurginnen arbeiten gerade aktuell nur 17 Prozent. Warum ist das Fach Chirurgie offenkundig nicht so attraktiv für Frauen?

Fritze-Büttner: Zu berücksichtigen ist, dass innerhalb der chirurgischen Fachdisziplinen der Anteil an Frauen variiert, so sind viel mehr Chirurginnen viszeralchirurgisch als kardiochirurgisch tätig. Ein Teil der Medizinstudentinnen schreckt sicherlich vor dem Alltag in der Chirurgie zurück – auch weil die Arbeit in einem chirurgischen Fach nicht immer planbar ist. Zum anderen sollten sich die jungen Kolleginnen selbstbewusst den chirurgischen Beruf  zutrauen, der neben handwerklicher Geschicklichkeit, eine hohe Einsatzbereitschaft und Courage erfordert.

Dr. med. Frauke Fritze-Büttner

Sie sind selbst Mutter eines Sohnes. Wie schaffen Sie den Spagat zwischen Job und Familie?

Fritze-Büttner: In meinem Falle kann ich auf ein gut funktionierendes familiäres Back-up zurückgreifen: Das heißt, mein Mann unterstützt mich und auch die Großeltern springen mal ein. Ich habe aber auch das persönliche Ziel, die Klinik zu einer gewissen Uhrzeit zu verlassen, um dann auch intensiv Zeit mit meinem Sohn verbringen zu können. Um dies umsetzen zu können, hilft auch unsere Abteilungskultur, in der die  Vereinbarkeit von Beruf und Familie Priorität hat.

Inwieweit spielt es eine Rolle, dass es in der Chirurgie nur wenig weibliche Vorbilder gibt?

Fritze-Büttner: Das stimmt. In der Vergangenheit war die Chirurgie ein männlich dominiertes Fach. Die Chirurginnen profilierten sich erst in den letzten Jahrzehnten.  Als ich  1996 an der chirurgischen Klinik in Greifswald anfing, waren wir von zirka  23 Kollegen nur drei Frauen. Das ändert sich nun erfreulicherweise, wenn auch langsam.

Studien zeigen, dass besonders viele Medizinstudierende im Praktischen Jahr (PJ) abspringen. Muss sich die Ärztezunft nicht darüber Gedanken machen, wie das PJ attraktiver gestaltet werden kann?

Fritze-Büttner: Wir müssen die Studenten für unser Fach begeistern. Das geht vor allem, wenn wir auf sie eingehen und sie in unsere Tätigkeit einbeziehen. Dazu gehören Vorlesungen, Bedside-Teaching und Nahtkurse. Wichtig ist aber auch, dass wir ihnen Wertschätzung entgegenbringen und ihnen vorleben, wie ein gutes Team funktioniert und wie man auch in unserer Profession eine work-life-balance umsetzen kann.

Das Mutterschutzgesetz, das eine Hürde für angehende Chirurginnen darstellte, wurde inzwischen reformiert, so dass auch schwangere Chirurginnen ihre Weiterbildung fortsetzen können.  War das eine ausreichende Reform oder gibt es noch Handlungsbedarf?

Fritze-Büttner: Leider ja, es ist nach wir vor so, dass schwangere Chirurginnen ihre operative Tätigkeit nicht oder nur sehr erschwert fortführen können. Das Problem sind die “unverantwortbaren Gefährdungen“. Die Ärztinnen könnten unter Umständen zum Beispiel Röntgenstrahlen, Narkosegasen oder auch Infektionskrankheiten ausgesetzt sein, die die Gesundheit von Mutter und Kind gefährden könnten.  Und weil die Haftungsfrage ungeklärt ist, entscheiden Arbeitgeber in der Regel sehr restriktiv.

Im Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend ist mittlerweile ein Ausschuss eingerichtet worden, der in Fragen des Mutterschutzes beratend tätig ist. Das hat aber bislang noch keine Auswirkungen auf die Praxis der Chirurginnen. Das heißt, junge angehende Chirurginnen, die schwanger werden, müssen mit Unterbrechungen in ihrer operativen fachärztlichen Weiterbildung rechnen.

Flexible Arbeitszeiten, die den Beruf mit der Familie vereinbaren, sind nicht nur für Chirurginnen, sondern auch für ihre männlichen Kollegen ein großes Thema. Inwieweit sind die Arbeitgeber schon darauf eingestellt und was müsste sich da noch tun?

Fritze-Büttner: Das Thema betrifft im Grunde alle Fachrichtungen. Ich bin überzeugt davon, dass es ein Umdenken bei den Chefärzten und Geschäftsführungen der Kliniken geben wird. Einfach, weil sich die jungen und ÄrztInnen den Arbeitsplatz künftig aussuchen können. Und da spielen die Themen Teilzeit, Überstundenerfassung und -ausgleich, Elternzeit – für Mütter und Väter –, Kinderbetreuung und flexible Arbeitszeiten, angepasst an die Organisationsstrukturen der Abteilung, eine ganz große Rolle. Auch über Jobsharing sollten wir uns zunehmend Gedanken machen. Warum sollen sich nicht zwei KollegenInnen eine Stelle teilen?