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Ambulantes Operieren und Hybrid-DRG-Verordnung im Zeitalter der Krankenhausreform aus Sicht der Kliniken

Vorbemerkung: aktualisiert am 22.4.2024.

Derzeit ändert sich die Gesetzeslage nahezu täglich. Insofern ist es möglich, dass einzelne Passagen dieses Textes zum Zeitpunkt der Manuskriptabgabe bereits nicht mehr gültig sind.

Im Mai 2022 wurde, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, eine Kommission eingerichtet, um notwendige Reformen im Krankenhausbereich anzugehen. Es sollte laut Gesundheitsminister Lauterbach der „große Wurf“ werden. Übrig geblieben sind neben dem sogenannten Transparenzgesetz zum aktuellen Zeitpunkt aus chirurgisch operativer Sicht die Verordnung über eine spezielle sektorengleiche Vergütung vom 21. Dezember 2023 [1]. Dieser Auszug aus dem Bundesgesetzblatt zu Hybrid-DRGs trat innerhalb von zehn Tagen zum 1.1.2024 bezogen auf die Regelungen in deutlich reduziertem Umfang in Kraft. Lediglich die im Anhang gelisteten Leistungen sind geblieben. Was bedeutet die Verordnung für Krankenhäuser?

Mit Hybrid-DRGs sollen Anreize geschaffen werden, Leistungen aus dem Katalog des ambulanten Operierens, die überwiegend noch stationär erfolgen, ambulant mit maximal einer Übernachtung zu erbringen. In der Verordnung sind für nachfolgende Leistungsbereiche OPS definiert, die in 12 Hybrid-DRGs münden:

  • Bestimmte Hernieneingriffe
  • Entfernung von Harnleitersteinen
  • Ovariektomien
  • Bestimmte Eingriffe der Vorfußchirurgie
  • Exzision eines Sinus pilonidalis

Deren Gültigkeit endet zunächst am 31.12.2024. Vorgesehen ist eine Evaluierung zum 01.04.2024. Die Zuordnung der Fälle erfolgt wie bei anderen stationären Behandlungen über den bekannten Grouping-Algorithmus des aG-DRG-Groupers. Hybrid-DRGs sind an der Endung M bzw. N zu erkennen. Maßgeblich ist im Wesentlichen die Verweildauer von einem Tag (Entlassung am gleichen Tag oder am Folgetag der Aufnahme) und ein PCCL < 3. Für die Hybrid-DRGs sind in der Versorgung feste Preise hinterlegt, die bei 41 % bis 76 % des entsprechenden aDRG-Erlöses liegen. Entspricht der Patient nicht den Kriterien für die Eingruppierung in eine Hybrid-DRG (Verweildauer 2 Nächte oder PCCL > 2), wird er über die korrespondierende DRG abgerechnet (beispielsweise Eingriffe bei Sinus pilonidalis J09N zu J09B).

Tabelle 1: Vergütung der Hybrid-DRG [1]

Hybrid DRG

Beschreibung

Vergütung in €

G09N

Beidseitige Eingriffe bei Leisten- und Schenkelhernien, Alter > 55 Jahre oder komplexe Herniotomien oder Operation einer Hydrocele testis oder andere kleine Eingriffe an Dünn- und Dickdarm

2.021,82

G24N

Eingriffe bei Hernien ohne plastische Rekonstruktion der Bauchwand, mit beidseitigem oder komplexem Eingriff oder Alter < 14 Jahre mit äußerst schweren oder schweren CC

1.965,05

G24M

Eingriffe bei Hernien ohne plastische Rekonstruktion der Bauchwand, ohne beidseitigen Eingriff, ohne komplexen Eingriff, Alter > 13 Jahre oder ohne äußerst schwere oder schwere CC

1.653,41

I20N

Andere Eingriffe am Fuß oder chronische Polyarthritis oder Diabetes Mellitus mit Komplikationen oder Alter < 16 Jahre

1.072,95

I20M

Eingriffe am Fuß ohne komplexe Eingriffe oder komplizierende Faktoren, Alter > 15 Jahre

909,25

J09M

Eingriffe bei Sinus pilonidalis und perianal, Alter > 15 Jahre

1.038,17

L17N

Andere Eingriffe an der Urethra außer bei Para-/Tetraplegie, kleine Eingriffe an den Harnorganen, ohne bestimmte Eingriffe an der Urethra, Alter > 15 Jahre

1.189,09

L20N

Transurethrale Eingriffe außer Prostataresektion und komplexe Ureterorenoskopien oder bestimmte Eingriffe an den Harnorganen, ohne äußerst schwere CC oder Alter < 16 Jahre oder Alter > 89 Jahre

1.791,58

L20M

Transurethrale Eingriffe außer Prostataresektion und komplexe Ureterorenoskopien oder bestimmte Eingriffe an den Harnorganen, ohne äußerst schwere CC oder Alter > 15 Jahre oder Alter < 90 Jahre

1.412,05

N05N

Ovariektomien und komplexe Eingriffe an den Tubae uterinae außer bei bösartiger Neubildung, ohne äußerst schwere oder schwere CC oder anderer Eingriff an der Harnblase oder Adhäsiolyse, Alter > 15 Jahre

1.554,58

N07N

Andere Eingriffe an Uterus und Adnexen oder bestimmten Hernien außer bei bösartiger Neubildung, mit komplexer Diagnose oder bestimmte Eingriffe am Uterus oder kleine rekonstruktive Eingriffe an den weiblichen Geschlechtsorganen, mit bestimmtem Eingriff

1.587,73

N25N

Andere Eingriffe an Uterus und Adnexen oder bestimmten Hernien außer bei bösartiger Neubildung, ohne komplexe Diagnose oder andere kleine Eingriffe an den weiblichen Geschlechtsorganen, Alter > 13 Jahre

1.458,20

Alle OPS, die in Hybrid-DRGs führen, sind auch im Katalog für Ambulantes Operieren nach § 115b SGB V für 2024 enthalten. Der Erlös über Hybrid-DRGs ist in den meisten Fällen im Vergleich zum AOP-Entgelt höher.

Die endgültige Verordnung enthielt im Vergleich zum ursprünglichen Referentenentwurf keine weiteren Hinweise, beispielsweise zur zusätzlichen Abrechnung von Pflege-BWR und bestimmten Zusatzentgelten durch Krankenhäuser, aber auch wer die Leistung erbringen darf und wie die Abrechnung erfolgt. Hierfür ist noch eine Vereinbarung auf Bundesebene zwischen GKV/DKG/KV erforderlich; diese soll im ersten Quartal verabschiedet werden [2]. Am 8. Februar dieses Jahres folgte eine Hybrid-DRG-Änderungs- und Umsetzungsvereinbarung zwischen Krankenkassen und Krankenhausgesellschaft [3]. Eine entsprechende Vereinbarung für den ambulanten Sektor steht aus.

Umfang der Leistung

Verordnungstext: „Die Leistung beginnt mit den Maßnahmen zur Operationsvorbereitung und -planung und endet mit dem Abschluss der postoperativen Nachbeobachtung, jeweils in der Einrichtung, in der die Operation durchgeführt wird. Mit der Hybrid-DRG sind alle im Zusammenhang mit der Behandlung des Versicherten genannten Leistung entstandenen Aufwände abgegolten.“

Die zusätzliche Abrechnung von Pflege-BWR und bestimmten Zusatzentgelten durch das Krankenhaus ergab sich aus dem Entwurf der Verordnung und muss erst in der Bundesvereinbarung berücksichtigt werden. In der Begründung zur endgültigen Verordnung ist ausgeführt, dass Pflegepersonalkosten in der Kalkulation der Hybrid-DRGs ebenso nicht berücksichtigt sind wie Aufwände für Bluter- und Dialysepatienten. Das bedeutet, wenn sich zum Beispiel bei Hernienoperationen die in der Regel verwendeten Netze nicht mehr abbilden, können diese Eingriffe nicht kostendeckend erfolgen und sind für die Kliniken unattraktiv. Diese Sachkostenproblematik führt entweder dazu, dass bestimmte Eingriffe nicht mehr erbracht werden oder, schlimmer, ein Methodenwechsel ohne Einsatz teurer Implantate droht.

Die Nachsorge ist gemäß Begründung „grundsätzlich Aufgabe der vertragsärztlichen Versorgung und nicht von der Hybrid-DRG erfasst.“

Das Ambulantisierungspotential in deutschen Akutkrankenhäusern liegt nach IGES-Gutachten bei 15,7 Millionen Behandlungsfällen (19,3 %). Dem stehen vergleichbare Zahlen des AOP-Katalogs gegenüber (15,4 Millionen Behandlungsfälle; 19 %) [4]. Die ambulante, sektorenübergreifende Versorgung in Deutschland fußt auf dem neuen AOP-Katalog vom 01.01.2023. Zum gleichen Zeitpunkt wurden tagesstationäre Behandlungen implementiert. Die nachfolgende Tabelle beinhaltet die aktuellen Möglichkeiten der ambulanten, sektorenübergreifenden Versorgung nach § 115.

Hybrid-DRGs können eine relevante Säule der ambulanten Versorgung werden. Für viele Patienten stellt die ambulante Behandlung einer operativ zu therapierenden Erkrankung die erste Wahl dar. Nicht erforderlicher stationärer Versorgungsaufwand entfällt. Pflegepersonal in den Kliniken wird entlastet. Ambulante Maßnahmen verursachen geringere Kosten als ein vergleichbares Vorgehen im stationärem Setting [5]. Die Anzahl ambulant erbrachter Operationen im Krankenhaus von 1999 bis 2021 weist Handlungsbedarf auf.

Tabelle 2: Ambulante, sektorenübergreifende Versorgung § 115 SGB V

§ 115 b

Ambulantes Operieren im Krankenhaus

§ 115 e

Tagesstationäre Behandlung

§ 115 f

Spezielle, sektorengleiche Vergütung (Hybrid-DRG)

§ 115 g

Behandlung in einer sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtung

§ 115 h

Medizinisch pflegerische Versorgung durch sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen

Abb. 1: Ambulante Operationen GKV-Versicherter im Krankenhaus (§ 115b SGB V) [6]

Praktisches Tutorial für Hybrid-DRGs

Aufnahmeart/Patientenpfad

Die Patienten sind – auch wenn sie bereits am OP-Tag entlassen werden – grundsätzlich stationär aufzunehmen. Dies gilt auch für Patienten, die bisher ambulant operiert worden wären. Mit dem Aufnahmesatz nach § 301 liegen alle Daten bereits vor und eine Umwandlung ambulant zu stationär/Hybrid-DRG ist aufwendig.

MVZ/Niedergelassene: Diese können nach Auffassung des BMG über EBM abrechnen, die Kassen lehnen das aber großenteils ab; für eine Abrechnung der H-DRG fehlte der Rechtsrahmen. Möglich war bei Vorliegen entsprechender Vereinbarungen, die Hybrid-DRG-Leistungen über die jeweilige Klinik in Rechnung zu stellen. Hier sind wie beim Honorararztsystem nachvollziehbare Kostenaufteilungen zu beachten gewesen, um Korruptionsvorwürfe und Scheinselbständigkeit zu vermeiden.

Aufnahmevertrag

Es gilt vorerst der reguläre stationäre Aufnahmevertrag.

Eine Ergänzung um die Abrechnung nach Hybrid-DRGs wird derzeit nicht als erforderlich angesehen.

Abrechnung

Ab dem 01.05.2024 liegt ein definitiver Abrechnungsmodus für H-DRGs vor.

Verweildauer

Nur bei einer Verweildauer von einem Tag (Entlassung sowohl am gleichen Tag oder am Folgetag zur Aufnahme) kann eine Hybrid-DRG ermittelt werden.

Nebendiagnosen/Kodierung

Die Gruppierung in eine Hybrid-DRG erfolgt nicht bei einem PCCL > 2. Insofern ist die Kodierung von Nebendiagnosen von zentraler Bedeutung. Die Nebendiagnosen sollten beim Aufnahmegespräch bereits dokumentiert werden.

Kontextfaktoren sind zu beachten. Liegt exemplarisch als Begleiterkrankung eine bösartige Neubildung vor, ist keine Hybrid-DRG abrechenbar. Zu beachten sind die sich hieraus ergebenden Sonderfälle. Beispiel: Ein Patient, der aufgrund eines PCCL > 2 nicht als Hybrid-DRG gruppiert wird, sondern als reguläre DRG, wird bei Entlassung am Tag der Aufnahme (Same Day) vom MD vermutlich nicht als vollstationäre DRG anerkannt, sondern nur als AOP. Auch die Frage der Abrechnung von Simultaneingriffen ist bisher ungeklärt und könnte zu vermehrtem zweizeitigen Vorgehen führen.

Wiederaufnahmen

Die Hybrid-DRGs unterliegen nicht den Fallzusammenführungsregeln der Fallpauschalenvereinbarung; daher ist aktuell davon auszugehen, dass keine Fallzusammenführung bei einer Wiederaufnahme eines Patienten stattfindet.

Fahrtkosten

Für Fahrtkosten gelten nach aktuellem Stand die gleichen Voraussetzungen wie bei stationärer Behandlung bzw. Aufnahme zu einer ambulanten Operation.

Zuzahlung

Die Zuzahlung ist in allen Fällen zu erheben, bei denen eine stationäre Aufnahme erfolgt. Hybrid-DRGs sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht auszunehmen.

Patienten mit privater Vollversicherung

Für privatversicherte Patienten erfolgt gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 KHEntgG die Abrechnung über Hybrid-DRGs, sofern die Leistung durch das Krankenhaus erbracht wird; bei ambulanten Leistungen außerhalb des Krankenhauses ist die GOÄ maßgeblich (Stellungnahme PKV zum Verordnungsentwurf).

Bei Abrechnung durch das Krankenhaus ist damit neben der Hybrid-DRG die geminderte GOÄ-Abrechnung möglich (vgl. Stellungnahme PKV: „Die Überführung der Katalog-Leistungen in die neue Vergütungsform der Hybrid-DRGs lässt die Möglichkeit der Krankenhäuser, Wahlarztleistungen zu erbringen, unberührt“).

Ob die PKVen es auf Dauer akzeptieren, vor allem bei Same-Day-Fällen, neben der Hybrid-DRG die geminderte GOÄ zzgl. ggf. Pflege-BWR zu bezahlen, wird sich zeigen. Entsprechend ist aktuell davon auszugehen, dass bei Abrechnung einer Hybrid-DRG mit einer Übernachtung auch Versicherungsschutz für die Wahlleistung Unterkunft besteht. Bei Abrechnung als DRG mit einer Verweildauer von mindestens zwei Nächten ist die medizinische Behandlungsnotwendigkeit zu prüfen und zu dokumentieren; das Prüfrisiko ist auch bei PKV-Patienten gegeben.

Hinweis zur GOÄ-Abrechnung bei stationären Leistungen: Hier ist anders als bei ambulanten Leistungen die persönliche Leistungserbringung zu beachten! Ggf. kann ein gesonderter Wahlarzt für die einzelnen Hybrid-Leistungen benannt werden.

Umgang mit GKV-Zusatzversicherten (Wahlleistung Unterkunft und Wahlleistung Arzt)

Bei GKV-Zusatzversicherten ist analog zu den vollversicherten PKV-Patienten zu erwarten, dass der Versicherungsschutz für Wahlleistung Unterkunft und hier auch Wahlarzt im Rahmen der Hybrid-DRG-Behandlung gegeben ist, sofern die Leistung vom Krankenhaus erbracht wird.

Umgang mit Externen (Niedergelassene/(eigene) MVZ/Belegärzte), die die Leistung in unseren Kliniken erbringen

Belegarztleistungen: Im Entwurf der Verordnung stand hierzu, dass Belegarzt und Krankenhaus sich einigen müssen, wer abrechnet und in welcher Höhe die Aufteilung erfolgt.

Externer Niedergelassener/(eigene) MVZ Mitarbeitende: Rechnet ein Niedergelassener die Hybrid-DRG ab, dann muss eine Vergütung mit diesem über die Inanspruchnahme OP/Nachsorge sowie ggf. Übernachtungsleistung des Patienten im Krankenhaus vereinbart werden, auch wenn der Niedergelassene keine zusätzliche Pflege abrechnen kann.

Empfehlung: Prüfung der Vertraglichkeiten, ggf. Ergänzung um Hybrid-DRGs. Bei allen Vereinbarungen zur Aufteilung der DRG-Honorare müssen die Gefahr der Scheinselbständigkeit ebenso wie mögliche Korruptionstatbestände beachtet werden.

Wechselwirkungen zum Budget/Pflegebudget

Gemäß Entwurf der Hybrid-DRG-Verordnung war bislang vorgegeben, Hybrid-DRG-Fälle des Krankenhauses mit Pflege-BWR und PEW des Hauses abzurechnen; damit wäre im Rahmen der Budgets eine Vorausschätzung der Anzahl Hybrid-DRGs erforderlich (als „E1-Hybrid“, inklusive der bislang AOP-Fälle) und es würde nur eine leichte Absenkung des PEW erfolgen; ansonsten bliebe das Pflegebudget unberührt (keine Abzugsposition).

Kliniken, die bisher für AOP einen Abzug im Rahmen der Erstellung des Pflegebudgets vorgenommen haben (bspw. Pflegeaufwand 20 Minuten je Fall), müssen die Anzahl der AOPs um die Hybrid-DRGs korrigieren.

Bei Hybrid-DRG-Fällen, die nicht vom Krankenhaus abgerechnet werden (bspw. Niedergelassene, MVZ) und Leistungen in der Klinik in Anspruch nehmen, ist zu prüfen, ob hierfür ein Abzug stattfinden muss (v.a. bei Übernachtung).

Bei der Ermittlung des Katalogeffekts wird die Herausnahme der Hybrid-DRGs zu berücksichtigen sein; insofern sinkt die bislang vereinbarte Summe der Bewertungsrelationen.

Vorstationäre Leistungen

Der Beginn der Leistung wird auf den „Zeitpunkt, an dem die Maßnahmen zur Operationsvorbereitung und -planung in der Einrichtung, in der die Operation durchgeführt wird“, festgelegt.

Eine vorstationäre Abrechnung gemäß § 115a SGB V durch das Krankenhaus wird hier nicht möglich sein.

Nachsorge

Nach § 1 der Verordnung endet die Leistung mit dem Abschluss der postoperativen Nachbeobachtung, jeweils in der Einrichtung, in der die Operation durchgeführt wird. Gemäß Begründung ist vorgegeben, dass die Nachsorge, die erforderlich werden kann, um den Behandlungserfolg zu sichern, grundsätzlich Aufgabe der vertragsärztlichen Versorgung ist. Diese Kosten sind in der Hybrid-DRG somit nicht einkalkuliert und daher nicht ohne gesonderte Abrechnungsmöglichkeit zu tragen.

Eine nachstationäre Abrechnung gemäß § 115a SGB V wird hier nicht möglich sein.

PpUGV

Die stationären Aufnahmen müssen in den Systemen einer Station zugeordnet werden. Hierzu empfiehlt sich eine Aufnahmestation, die nicht der PpUGV unterliegt, die Pflegekosten aber dem Pflegebudget zugeordnet werden. Dies entspricht auch der Intention des Gesetzgebers, zusätzlich zur Hybrid-DRG Pflege-Bewertungsrelationen und damit die Kosten der Pflege abzurechnen.

Dokumentation/MD-Risiko

Die Dokumentation der stationären Behandlungsnotwendigkeit sowie der korrekten OPS und ICD ist von besonderer Bedeutung. Zu erwarten ist eine MD-Prüfung v. a. der Fälle mit zwei Tagen Verweildauer, die bei einem Tag Verweildauer über eine Hybrid-DRG abgerechnet worden wären.

Qualitätssicherung

Derzeit ist davon auszugehen, dass die QS-Bögen sowohl bei ambulanten wie auch stationären Fällen auszufüllen sind.

Patientensteuerung

Anpassungen der Behandlungspfade ambulant/stationär sind erforderlich.

Empfehlungen für die Praxis

Im ersten Schritt muss in einem Krankenhaus geklärt werden, wie die Patienten, die im Rahmen einer Hybrid-DRG in Kliniken behandelt werden, zu detektieren sind. Folglich ist bei der primären ärztlichen Sichtung in Kenntnis von Komorbidität und sozialem Umfeld das „Behandlungssetting“ festzulegen. Hybrid-DRGs sind zwingend einer Fachabteilung und Station zuzuordnen.

Erst die Auswertungen der Grouper werden uns die Systematik nachhaltig verstehen lassen. Zudem bleiben ausstehende Abrechnungen abzuwarten.

Die neuen Hybrid-DRGs sollen eine Ambulantisierung der gesundheitlichen Versorgung im Interesse der betroffenen Patienten befördern. Sie tragen zu einer Entlastung der Krankenhäuser bei. Zudem wird auf diese Weise eine wirtschaftliche Erbringung der Leistung in einem klinischen Setting erzwungen. Es bedarf hierfür definitiv der strukturellen und baulichen Anpassung unserer Krankenhäuser in Deutschland!

Wir Allgemein- und Viszeralchirurgen haben beispielhaft als Krankenhaus der Maximalversorgung in Hamburg mit angeschlossenem (ambulanten) Operationszentrum in Form von drei zusätzlichen Sälen bis Ende März 2024 16 Hybrid-DRGs erbracht. Vierzehn einfache Leistenhernienversorgungen und zwei Exzisionen eines Sinus pilonidalis. Aus der praktischen Beschäftigung mit den Grouper-Ergebnissen resultierte, dass weder Leistenbruchrezidive noch Nabelhernieneingriffe mit Netzimplantationen in Sublay-Position (PUMP) in Hybrid-DRG führen. Auch die Deckung nach Exzision eines Sinus pilonidalis mit Karydakis-Plastik sind exkludiert. Beide Eingriffsarten stehen auf der Liste der Krankenkassen für eine Erweiterung des Katalogs ab dem 01.01.2025.

Aktueller Sachstand zur Abrechnung

Gesetzgebung

Änderungsvereinbarung zur Fallpauschalenvereinbarung 2024

Gemäß § 3 Abs. 2 der Vereinbarung zur Umsetzung des Abrechnungsverfahrens der speziellen sektorengleichen Vergütung gemäß § 115f SGB V (Hybrid-DRG) im Rahmen der Datenübermittlung gemäß § 301 Abs. 1 und 2 SGB V (Hybrid-DRG-Umsetzungsvereinbarung) vom 6. Februar 2024 haben sich die DKG, der GKV-Spitzenverband und der PKV darauf verständigt, die Anlage 3c der Fallpauschalenvereinbarung 2024 zu streichen. Dies wird im Rahmen einer Änderungsvereinbarung formell umgesetzt [3].

Hybrid-DRG-Umsetzungsvereinbarung

Datenübermittlung gemäß § 301 Abs. 1 und 2 SGB V bzw. § 17c Abs. 5 KHG

Die DKG und der GKV-SV haben sich auf eine Vereinbarung zur Umsetzung des Abrechnungsverfahrens der speziellen sektorengleichen Vergütung gemäß § 115f SGB V (Hybrid-DRG) im Rahmen der Datenübermittlung gemäß § 301 Abs. 1 und 2 SGB V (Hybrid-DRG-Umsetzungsvereinbarung) verständigt. In der Vereinbarung werden die Grundlagen der Abrechnung der Hybrid-DRG sowie die Vorgehensweise bei der Datenübermittlung zu Abrechnungszwecken geregelt. Für den Leistungsbereich der PKV wurde zwischen DKG und PKV-Verband eine eigene Umsetzungsvereinbarung (PKV-Hybrid-DRG-Umsetzungsvereinbarung) abgeschlossen. Die Vereinbarungen treten rückwirkend zum 1. Januar 2024 in Kraft und gelten für Hybrid-DRG-Fälle mit Aufnahme der Patientin oder des Patienten vom 1. Januar 2024 bis zum 31. Dezember 2024 [3].

Praxis

Eine Abrechnung findet bei uns im Haus aktuell noch nicht statt. Derzeit mögliche Zwischenabrechnungen bedeuten viel bürokratischen Aufwand. Der Startschuss für eine reguläre monetäre Vergütung fällt am 1. Mai 2024. Wir dürfen gespannt sein!

Hybrid-DRG-Umsetzungsvereinbarung (08.02.2024) [3]

Tritt rückwirkend zum 01.01.2024 in Kraft

Gilt für Hybrid-DRG-Fälle mit Aufnahmedatum 01.01.2024 bis 31.12.2024

Vereinbarung für GKV und PKV getrennt, jeweils angepasst

Hybrid ist Hybrid, sobald es der Grouper definiert

Abrechnung

Alle Leistungen abgegolten

Keine Erhebung von Zuzahlungen

Keine weiteren Zusatzentgelte, Zu- oder Abschläge oder sonstige Entgelte

Abrechnung von weiteren Entgelten mit der Abrechnung der Hybrid-DRG ausgeschlossen (Bluter?, Dialyse?)

Keine Abrechnung über Vergütungssystematik nach § 115b SGB V

Bei vollstationärer Aufnahme am Tag der Entlassung, in unmittelbarem Zusammenhang mit § 115f SGB V, -> Zusammenfassung der Falldaten

Zahlungsfrist: 5 Tage

Entlassmanagement ist Bestandteil der Leistungserbringung (Verordnung von Arzneimittel, Heil- und Hilfsmitteln, Krankentransport, häusliche Krankenpflege, AU)

Literatur

[1]   Bundesgesetzblatt Teil I: Verordnung über eine spezielle sektorengleiche Vergütung (Hybrid-DRG-Verordnung) vom 19.12.2023
[2]   Bär, Gerd: persönliche Mitteilung, Asklepios, 2024
[3]   Hamburger Krankenhausgesellschaft, Rundschreiben Nr. 98/24 vom 08. Februar 2024
[4]   Ambulantisierungspotential: Studie der Technischen Universität Berlin, 2023
[5]   Wilke, Ralf: Vortrag Diskussionsforum der DGAV, 2024
[6]   GBE-Bund, Barmer Krankenhausreport 2023

Tonus C: Ambulantes Operieren und Hybrid-DRG-Verordnung im Zeitalter der Krankenhausreform aus Sicht der Kliniken. Passion Chirurgie. 2024 April; 14(04): Artikel 03_02.

Jahrestagung BDC|Hamburg am 22.11.2023

Der Landesverband BDC|Hamburg lädt zur Jahrestagung 2023 ein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

gespannt blicken wir Alle auf die bevorstehende Krankenhausreform. Chirurgisch Tätige werden in allen Bereichen betroffen sein, sei es Niederlassung, MVZ oder Krankenhaus. Zudem beschäftigt uns deutschlandweit ein eklatanter Fachkräfte-mangel. Die Generation der Babyboomer verlässt in den kommenden Jahren sukzessive den Arbeitsmarkt. Gepaart mit Inflation sowie steigenden Sach- und Energiekosten wird die moderne Medizin so zu einer nicht nur ökonomischen Herausforderung.

Die Unterfinanzierung der Krankenhäuser ist nahezu überall spürbar. Lieferkettenabrisse gehören zur Tagesordnung. Zudem wartet der Herbst mit der spannenden Frage auf uns: Was lässt sich das Corona-Virus einfallen?

Die Berufspolitik ist gefragt!
Ich wünsche mir für Hamburg einen aktiven Landesverband!

Daher schrieben wir uns im vergangenen Jahr auf die Fahnen, dass alle Anwesenden zu der Jahrestagung 2023 eine/n neue/n „Sitznachbar:in“ mitbringen. Lassen Sie uns gemeinsam für Hamburg diskutieren und über Lösungen nachdenken.

Datum: Mittwoch, 22. November 2023
Uhrzeit: 18:00 Uhr
Ort: Steigenberger Hotel, Heiligengeistbrücke 4, 20459 Hamburg

Die Punktebeantragung erfolgt durch uns.

Wir bitten um Anmeldung mit dem unten stehenden Anmeldeformular bis spätestens 15.11.2023.
Herzliche und kollegiale Grüße

Prof. Dr. med. Carolin Tonus
Vorsitzende Landesverband BDC|Hamburg

Krebs & Fürsorge – Menschlichkeit im Fokus des ATZHH

Asklepios Krebskongress 2023

Das Asklepios Tumorzentrum Hamburg (ATZHH) lädt Sie vom 09.-11. Februar 2023 zum 4. Asklepios Krebskongress ein. Die Hybridveranstaltung steht unter dem Motto „Krebs & Fürsorge“ und wird mit modernster Kameratechnik live aus Hamburg übertragen. Diskutieren Sie mit und tauschen Sie sich gemeinsam mit nationalen und internationalen Referent:innen über die neuesten medizinischen Entwicklungen und innovative Therapieverfahren aus.

Im Interview gibt die Kongresspräsidentin Prof. Dr. med. Carolin Tonus, Chefärztin für Allgemein- und Viszeralchirurgie und ärztliche Direktorin der Asklepios Klinik St. Georg sowie Hamburger Landesvorsitzende des Bundesverbandes der Deutschen Chirurgie e. V. (BDC) einen Ausblick darauf, was Sie als Teilnehmer:in erwartet und beleuchtet die Besonderheit des Kongressschwerpunktes.

Asklepios Tumorzentrum Hamburg

Das Asklepios Tumorzentrum Hamburg ist ein Zusammenschluss von sieben Asklepios Kliniken der Maximal- und Schwerpunktversorgung und sechs onkologischen MVZ in der Metropolregion Hamburg. Im Norden Deutschlands bietet das Netzwerk das größte fachübergreifende Spektrum mit rund 200 Krebsexpert:innen.

www.asklepios.com/hamburg/tumorzentrum

Warum haben Sie das Motto Krebs & Fürsorge gewählt und was zeichnet für Sie die Fürsorge in der Tumormedizin aus?
Krebs ist für die Betroffenen eine existenzielle Erkrankung. Im Moment der Diagnosestellung ändert sich alles. Es ist wie eine Zäsur im Leben, die nicht nur den Körper, sondern auch die Seele betrifft. Ich blicke als Allgemein- und Viszeralchirurgin mittlerweile auf 30 Jahre klinische Erfahrung zurück. Mein Bestreben war und ist es, die uns anvertrauten Patient:innen als Ganzes zu sehen. Nicht die Operation alleine heilt, auch Ängste und Sorgen müssen berücksichtigt werden. Ich öffne mich als Mensch und bin nahbar. Dies nehmen die meisten Krebserkrankten dankbar an. Idealerweise bilden Ärzt:in und Patient:in ein Team und gehen den Behandlungsweg gemeinsam. Schritt für Schritt. Mit Fürsorge!

Auf welche Kongresshighlights freuen Sie sich am meisten?
Das Wort Fürsorge hat für mich viele Facetten. Medizin bedeutet für mich als Operateurin Chirurgie mit Herz. Es bedarf aber auch der Fürsorge für die Therapeut:innen, die sich tagtäglich mit bösartigen Erkrankungen befassen. Dabei handelt es sich über Jahre hinweg um eine fachlich anspruchsvolle und menschlich belastende Tätigkeit. Gesundheitspolitisch trägt unser Staat eine Fürsorgepflicht für medizinische Einrichtungen. Wie viel ist unserem Land Gesundheit wert? Wissenschaft und Forschung kreieren neue Therapieformen. Wird es zukünftig auf der Basis von Studien nicht nur eine personalisierte Krebstherapie, sondern auch vorbeugende Impfungen gegen bestimmte bösartige Tumore geben? Also medizinische Innovation als Fürsorge. Sie sehen, die Aspekte sind vielfältig! Auf den persönlichen Austausch rund um die Diversität von Fürsorge freue ich mich am meisten.

Asklepios Krebskongress 2023 vom 09.-11. Februar 2023

Kongresspräsidentin: Prof. Dr. med. Carolin Tonus, CO-Kongresspräsident: Dr. med. Claas Wesseler

  • Über 20 wissenschaftliche Sessions in 4 parallelen Tracks mit 3 Live-Streams
  • Keynote Lecture: „From early cancer hypothesis to treatment strategies – the changing role of tumour detection“, Charles Swanton, Crick Institute, University of London, UK
  • Plenarveranstaltung: Krebs & Fürsorge mit Diskussionsforum unter politischer Beteiligung
  • Programm für Studierende und junge Onkolog:innen
Pflegetag: 10. Februar, 13:30 – 18:00 Uhr
Wiss. Leitung und Moderation: Suad Kamberovic
Patientenaktionstag: 11. Februar, 14:00 – 17:00 Uhr
Wiss. Leitung und Moderation: PD Dr. med. Georgia Schilling
Organisation und weiterführende Informationen
Akademie für ärztliche Fortbildung – Ärzteakademie
Christin Fink – Tel.: +49 40 181885-2520
Myriam Ahrens – Tel.: +49 40 181885-2512
[email protected]

Krebs & Fürsorge – Menschlichkeit im Fokus des ATZHH. Passion Chirurgie. 2022 Dezember; 12(12): Artikel 04_10.

Jahrestagung BDC|Hamburg am 30.11.2022

Der BDC|Hamburg lädt seine Mitglieder für den 30.11.2022 ganz herzlich zu seiner Jahrestagung ein. Anmeldung bitte bis spätestens zum 21.11.2022.

Hier finden Sie die Einladung und Agenda.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

zweieinhalb Jahre Pandemie liegen hinter uns. Seit Februar 2022 erreichen uns täglich Kriegsbilder aus Europa… Die Unterfinanzierung der Krankenhäuser ist nahezu überall spürbar. Lieferkettenabrisse gehören zur Tagesordnung. Zudem wartet der Herbst mit spannenden Fragen auf uns. Was lässt sich das Corona-Virus einfallen? Woher beziehen wir ausreichend welche Energie? Wird es einen Inflationsausgleich geben? Fachkräftemangel allerorts. Wie sichern Kliniken ihre Liquidität?

Fragen über Fragen, die selbst dem größten Optimisten Sorgen bereiten…

Lassen Sie uns gemeinsam für Hamburg diskutieren und über Lösungen nachdenken.

Würde mich freuen, wenn Sie zahlreich an traditioneller Wirkungsstätte erscheinen.

30.11.2022
18:30 Uhr
Steigenberger Hotel, Heiligengeistbrücke 4
20459 Hamburg

Punktebeantragung erfolgt durch uns.

Wir bitten Sie um Ihre Anmeldung bis spätestens 21.11.2022.

Herzliche und kollegiale Grüße
Ihre

Prof. Dr. med. Carolin Tonus
Vorsitzende Landesverband BDC|Hamburg

Personalbemessung in der Chirurgie: Wie ist der IST-Zustand?

Ergebnisse der BDC|Umfrage 2019

Die Personalbemessung in chirurgischen Fachabteilungen ist ein zentrales Thema aller leitenden, in der medizinischen Verantwortung stehenden Ärzt:innen. Für kon­struktive Gespräche mit Geschäftsführungen werden fundierte Kennzahlen benötigt, die eine realistische Abschätzung erforderlicher personeller Ressourcen erlauben.

Zusätzliche Bedeutung erhält die Fragestellung durch die aktuellen Diskussionen um die Personaluntergrenzen in der Pflege. Während die Ärzteschaft noch immer um eine empirische Grundlage als Basis für die Kommunikation mit den Geschäftsleitungen der Krankenhäuser ringt, wurden für die Pflege bereits verbindlich geltende Personaluntergrenzen sozialrechtlich verankert und normativ jenseits der Pandemie umgesetzt.

Ziel der Umfrage ist daher die Beschreibung des Personalschlüssels, ärztlicher Zuständigkeiten, des Case Mix Index und der Bewertungsrelationen in chirurgischen Fachabteilungen deutscher Krankenhäuser unterschiedlicher Versorgungsgrade. Neben einer Charakterisierung der Krankenhausstrukturen erfolgt auch eine differenzierte Darstellung des Aufgabenspektrums, das durch Chirurg:innen an Krankenhäusern in Deutschland bewältigt wird.

Um eine gemeinsame Basis für zukünftige Forderungen nach einer angemessenen Personalausstattung zu generieren, benötigen wir eine flächendeckende Erhebung des chirurgischen Personalschlüssels im ärztlichen Dienst in Abhängigkeit von Einflussfaktoren wie der individuellen Krankenhausstruktur, dem jeweiligen Behandlungsspektrum und auch dem Tätigkeitsspektrum von Chirurg:innen, also eine Beschreibung des „Ist-Zustands“. Die Ergebnisse der vorliegenden Umfrage liefern erste Anhaltspunkte und können als Argumentationshilfe dienen. Weitere Analysen sind erforderlich, um Benchmarks zu etablieren.

Methodik und Basisdaten

Gegenstand der Analyse sind die Ergebnisse einer Umfrage anhand eines strukturierten Online-Fragebogens, der sich an alle BDC-Mitglieder richtete, die gleichzeitig als Chefärzt:innen tätig waren. Die Umfrage erfolgte im Zeitraum von Mai bis Dezember 2019. Als Befragungsinstrument wurde Survey Monkey genutzt. Der Online-Fragebogen beinhaltete 16 Detailfragen sowie ein Freifeld für Kommentare.

Der Fragebogen beinhaltete Fragen:

  • zur Person
  • zur Krankenhausstruktur und Abteilung (Klinikgröße, Fachbereich, Versorgungsstufe, Abteilungsgröße, ambulantes Operieren)
  • zur Personalausstattung
  • zu zusätzlichen Tätigkeiten (u. a. ZNA, Rettungsstelle, Intensivstation, Funktionsdienst, Konsile, Administration)
  • zum Case Mix Index, Bewertungsrelationen

Abb. 1: Geschlecht der Teilnehmer:innen

Abb. 2: Alter der Teilnehmer:innen

Abb. 3: Krankenhausgröße (Tätigkeitsort der Teilnehmer:innen)

Abb. 4: Versorgungsstufe (Tätigkeitsort der Teilnehmer:innen)

Abb. 5: Abteilungsgröße (Tätigkeitsort der TeilnehmerInnen)

Abb. 6: Altersverteilung auf Krankenhausgröße

Abb. 7: Ambulantes Operieren

Abb. 8: Personalschlüssel

Abb. 9: Zusätzliche Tätigkeiten

Abb. 10: Teilnahme an der studentischen Ausbildung im Praktischen Jahr

Abb. 11: Berücksichtigung der zusätzlichen Tätigkeiten

Abb. 12: Unbesetzte Arztstellen

Abb. 13: Verteilung unbesetzter Arztstellen nach Krankenhausgröße

Abb. 14: Verteilung unbesetzter Arztstellen nach Fachgruppe

Abb. 15: Beschäftigung weiterer Fachkräfte

Abb. 16: Case Mix Index

Abb. 17: Case Mix Index mit durchschnittlicher Anzahl an beschäftigten Vollzeitkräften

Abb. 18: Case Mix Index bezogen auf verschiedene chirurgische Fachbereiche

Abb. 19: Bewertungsrelation bezogen auf die Krankenhausgröße

Abb. 20: Bewertungsrelation bezogen auf die Abteilungsgröße

Abb. 21: Bewertungsrelation bezogen auf die Anzahl an beschäftigten Vollzeitkräften

Abb. 22: Bewertungsrelation bezogen auf die chirurgischen Fachbereiche

Abb. 23: Bewertungsrelation bezogen auf die Versorgungsstufe

Beschreibung des Befragungskollektivs

Altersstruktur und Geschlecht

576 Chefärzte (82,6 %), 115 (17,1 %) Chefärztinnen und 2 Diverse (0,3 %) haben an der Umfrage teilgenommen (n=693).

Die größte Gruppe gehört der Altersgruppe der 56- bis 60-Jährigen an. Der Altersgipfel liegt damit – entsprechend der Karrierestufe der Befragten – erwartungsgemäß über dem Altersdurchschnitt in Deutschland von 44,5 Jahren Ende 2019 (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung).

Krankenhausstruktur

Mit ca. 36 % werden Krankenhäuser mit 200 bis 400 Betten am häufigsten als Arbeitsstelle der Teilnehmenden genannt, gefolgt von 29,5 % der Befragten, die an Krankenhäusern mit 401 bis 750 Betten tätig sind.

Chirurgische Schwerpunkte der Befragten

Der größte Anteil der Befragten stammt mit knapp 50 % aus der Fachgruppe der Allgemein- und Viszeralchirurgie. Ca. 29 % gehören dem Bereich der Orthopädie und Unfallchirurgie an. Dies entspricht tendenziell der Verteilung der Chefärzt:innen im BDC.

Tab. 1: Fachgruppenverteilung der Teilnehmer:innen (Mehrfachnennungen waren möglich)

Allgemein- und Viszeralchirurgie

49,6 %

Orthopädie/Unfallchirurgie

28,9 %

Gefäßchirurgie

19,3 %

Chirurgie

11,2 %

Thoraxchirurgie

9,3 %

Kinderchirurgie

3,6 %

Plastische Chirurgie

3,45 %

Herzchirurgie

0,75 %

Sonstiges

3,45 %

Versorgungsstufe der Krankenhäuser und Abteilungsgröße

Ca. 43 % der Befragten sind an Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung beschäftigt. Krankenhäuser der Maximalversorgung und Universitätskliniken machen zusammen nur 20 % des Gesamtkollektivs aus. Die durchschnittliche Abteilungsgröße liegt bei 20 bis 40 Betten.

Altersverteilung auf die Krankenhausgröße

Es zeigt sich, dass die Altersgruppen Ü40 relativ ähnlich auf die Krankenhausgrößen verteilt sind. Dabei imponiert der Anteil der Chirurg:innen, die an Kliniken mit weniger als 200 Betten arbeiten, bei über 50-Jährigen merklich höher. Bei Ärzt:innen zwischen 30 und 40 Jahren ist dieser Prozentsatz deutlich geringer. Dafür arbeitet die Majorität derer an großen Krankenhäusern mit mehr als 750 Betten.

Wichtige Ergebnisse

Ambulantes Operieren

Mehr als 90 % der Umfrageteilnehmer besitzen die Möglichkeit, ambulant zu operieren. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis 2021) werden in 1.121 von insgesamt 1.914 Krankenhäusern in Deutschland (entspricht ca. 59 %) ambulante Operationen und stationsersetzende Eingriffe nach § 115b SGB V erbracht. Die Auswertung der Personalbemessung in der Chirurgie zeigt, dass in Krankenhäusern mit chirurgischer Fachabteilung dieses Merkmal deutlich stärker ausgeprägt ist.

Personalschlüssel

Aus den Antworten der Befragten kann ermittelt werden, dass in ihrem Verantwortungsbereich durchschnittlich 1,2 Chefärzt:innen, 1,7 Oberärzt:innen, 5,3 Fachärzt:innen und 6,6 Assistenzärzt:innen in Weiterbildung beschäftigt sind.

Zusätzliche Tätigkeiten und deren Berücksichtigung im Stellenschlüssel

Durch das ärztliche Personal werden erwartungsgemäß zahlreiche zusätzliche Tätigkeiten abgedeckt. Unter anderem geben 95 % der Teilnehmer an, dass Konsiliardienste in ihren Verantwortungsbereich entfallen. 85 % sind ebenfalls für administrative Aufgaben, wie die Kodierung, MD-Anfragen und die Organisation des Qualitätsmanagements zuständig. 72 % besetzen zusätzlich die jeweilige ZNA/Rettungsstelle.

Mit ca. 76 % bekundet ein hoher Anteil der Befragten, sich an der studentischen Ausbildung im Rahmen des praktischen Jahres zu beteiligen.

Trotz der Fülle an zusätzlichen Aufgaben beantworten nur 27 % der Teilnehmenden die Frage, ob die zusätzlichen Tätigkeiten in ihrem Stellenschlüssel berücksichtigt werden, positiv.

Etwa ein Drittel (ca. 34 %) der Chefärzt:innen gibt an, bereits unter den gegebenen Umständen unbesetzte Arztstellen zu haben.

Die relative Verteilung der Antworten nach Größe der Krankenhäuser zeigt, dass in Häusern mit über 750 Betten (28,5 %) tendenziell weniger chirurgische Arztstellen unbesetzt sind als in Häusern mit 400 und weniger Betten (36 %).

Der geringste Anteil unbesetzter Arztstellen wird seitens der teilnehmenden plastischen Chirurg:innen (18 %) angegeben, die höchste Anzahl von Gefäßchirurg:innen (40,5 %). In der Gruppe der Allgemein- und Viszeralchirurgie bekunden im Vergleich 34 % unbesetzte Arztstellen zu haben, Orthopädie und Unfallchirurgie 32 %.

Vor dem Hintergrund unbesetzter Arztstellen und mangelnder Berücksichtigung zusätzlicher Aufgaben im Stellenschlüssel erscheint es plausibel, dass 47 % der Befragten angeben, Case Manager bzw. Dokumentationskräfte zu beschäftigen. Rund ein Viertel (24 %) verfügen über Physician Assistants in ihren Abteilungen. Honorarärzte (18 %), Gastärzte (18,5 %) und Belegärzte (10 %) ergänzen die Klinikteams, wobei sich auch in dieser Umfrage widerspiegelt, dass das Belegarztwesen offenbar an Attraktivität verloren hat.

Orientierende Analyse der angegebenen Bewertungsrelationen

Der Case Mix Index (CMI) liegt mit 54 % bei der Mehrheit der Befragten zwischen 1,0 und 1,5. Die Verteilung erscheint plausibel.

Bezieht man den angegebenen CMI auf die durchschnittliche Anzahl an beschäftigten Vollzeitkräften in den entsprechenden Abteilungen, fällt auf, dass ein besonders hoher CMI (> 4,0) mit einer durchschnittlich hohen Anzahl an Vollzeitkräften (> 23) einhergeht.

Aufgeschlüsselt nach den Fachbereichen zeigen sich mit einem durchschnittlichen CMI von 1,0 bis 1,5 ähnliche Ergebnisse für die Allgemein- und Viszeralchirurgie, die Orthopädie und Unfallchirurgie und die Plastische Chirurgie. Der durchschnittliche CMI in den Abteilungen der befragten Gefäß- und Thoraxchirurg:innen liegt deutlich höher.

Ähnliche Gesetze gelten für Bewertungsrelationen. Auch Leistungsentgelte steigen erwartungsgemäß mit der Krankenhaus-/Abteilungsgröße und korrelieren mit der Anzahl qualifizierter Mitarbeiter:innen.

Bezogen auf die verschiedenen Fachbereiche fällt auf, dass die am häufigsten angegebene Bewertungsrelation zwischen 1.000 und 2.000 liegen. Nur im Bereich der Orthopädie/Unfallchirurgie ist ein Bereich von 2.001 bis 3.000 häufiger angegeben.

Betrachtet man die Versorgungsstufen der Krankenhäuser, zeigt sich, dass insbesondere für die Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung und „Andere“ der Anteil eines BWR-Wertes zwischen 1.000 und 2.000 besonders groß ist. In Kliniken der Schwerpunkt- und der Maximalversorgung und Universitätskliniken liegt ein erheblicher Anteil der BWR-Angaben über 3.000 und sie werden damit erwartungsgemäß höher bewertet als niedrigere Versorgungsstufen.

47 % der Befragten beschäftigen Casemanager:innen und/oder medizinische Dokumentationskräfte. Eine Assoziation zwischen der Höhe der Bewertungsrelation und dem Anteil der Befragten mit Casemanager:in/Dokumentationskraft ließ sich nicht nachweisen. Zwar scheint im Bereich von 1.000 bis 4.000 ein positiver Zusammenhang erkennbar zu sein. Danach jedoch weichen die Angaben vom anfänglichen Trend ab.

Die Größe der Effekte, bzw. die Unabhängigkeit der Variablen in ihrer Assoziation mit Bewertungsrelationen bzw. Case Mix Index waren nicht Gegenstand dieser Analyse und sollten Inhalt weiterer Untersuchungen sein.

Bereitschaft zur weiteren Unterstützung

Die abschließende Frage nach der individuellen Bereitschaft, ggf. weitere Daten für detailliertere Analysen, wie z. B. DRG-Listen oder § 21-Daten zur Verfügung zu stellen, beantworten 61,8 % mit „nein“. Knapp 40 % der Befragten hingegen wären bereit, weitere Auswertungen zu unterstützen.

Abb. 24: Zusammenhang zwischen der Bewertungsrelation und dem Einsatz von Casemamnager:innen

Abb. 25: Bereitschaft für weitere Analysen Daten bereit zu stellen

Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Das Kollektiv der befragten Chefärzt:innen im BDC entsprach überwiegend den Erwartungen: Etwa 89 % der Teilnehmer waren männlich. Der Altersgipfel lag bei 51 bis 60 Jahren. Knapp 75 % aller Antwortenden waren Ü50. Dieses Resultat ist neben der „hierarchischen Timeline einer chirurgischen Karriereleiter“ in Relation zur demografischen Entwicklung zu sehen. Das Ausscheiden der Babyboomer aus dem aktiven Berufsleben wird eine Herausforderung. Verlängerungen von Arbeitsverhältnissen über den Renteneintritt hinaus sind zu erwarten. Darüber hinaus trafen wir ältere Chirurg:innen eher in kleineren Krankenhäusern an. Dieses Phänomen wird der Arbeitsbelastung – insbesondere im Notfallgeschäft – geschuldet sein. Die Mehrzahl der Studienteilnehmenden war an Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung mit 200 bis 400 Betten in Abteilungen mit 20 bis 40 Betten tätig. Mit über 50 % der Befragten gehörten, entsprechend der Verteilung der BDC-Mitglieder, überproportional viele Umfrageteilnehmer der Fachgruppe der Allgemein- und Viszeralchirurgie an.

Die Tatsache, dass mehr als 90 % der Chirurg:innen in Deutschland die Infrastruktur besitzen, ambulant zu operieren, überrascht positiv.

Durchschnittlich waren im Verantwortungsbereich der Befragten 1,2 Chefärzt:innen, 1,7 Oberärzt:innen, 5,3 Fachärzt:innen und 6,6 Assistenzärzt:innen in Weiterbildung beschäftigt.

Die Befragten gaben an, neben der chirurgischen Kerntätigkeit für zahlreiche zusätzliche Aufgaben verantwortlich zu sein, z. B. Konsiliardienste (95 %), Dokumentation/Administration (85 %) sowie ZNA/Rettungsdienste (72 %). 76 % aller Antwortenden beteiligten sich an der Ausbildung von Studierenden im Praktischen Jahr. Die Diversifizierung der ärztlichen Tätigkeiten zeigte, dass bei 73 % der Umfrageteilnehmer – dem entsprechen fast Dreiviertel des Studienkollektivs – zusätzliche Aufgaben wie Konsiliar- und Notaufnahmedienste sowie Administration/Dokumentation nicht im Stellenschlüssel berücksichtigt werden. Hinzu kommt, dass 34 % des Studienkollektivs angaben, unbesetzte Arztstellen zu haben. Demgegenüber imponierte zwangsläufig eine relativ hohe Quote an „paramedizinischen“ Angestellten. 47 % beschäftigen Case Manager bzw. Dokumentationskräfte und 24 % haben ihr Team durch Physician Assistants erweitert. Interessant erscheint die Tatsache, dass sich unbesetzte Arztstellen fachspezifisch und indirekt proportional zur Krankenhausgröße darstellten. Zukünftig werden große Kliniken mit innovativen Techniken, wie zum Beispiel der Robotik, Wettbewerbsvorteile haben. Zudem sorgt die Neuauflage europäischer Mindestmengen anspruchsvoller operative Prozeduren für deren Zentralisierung.

Die Schaffung weiterer Arztstellen, um zusätzliche Tätigkeitsfelder zu berücksichtigen, würde voraussichtlich dazu führen, dass weitere Stellen nicht besetzt werden können. Dies spricht einmal mehr dafür, dass das Nachwuchsproblem dringend adressiert werden muss.

Vor dem Hintergrund knapper personeller Ressourcen lag ein besonderes Augenmerk auf der Analyse von Case Mix Index und Bewertungsrelationen in Hinblick auf die ärztliche Personalausstattung. Der CMI rangierte bei 47 % aller Befragten zwischen 1,0 bis 1,4. Zum einen konnte dargestellt werden, dass Universitätskliniken, Krankenhäuser der Maximalversorgung und Krankenhäuser der Schwerpunktversorgung tendenziell höhere Bewertungsrelationen erreichen als Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung. Zum anderen korrelierten erwartungsgemäß höhere Bewertungsrelationen mit größeren Krankenhäusern, größeren Abteilungen und mehr Vollzeitäquivalenten für Chirurg:innen. Ob die höhere Anzahl an Vollzeitäquivalenten im Zusammenhang mit den höheren Bewertungsrelationen steht oder letztlich eine Folge der höheren Abteilungsgrößen ist, kann anhand der vorliegenden Auswertungen nicht beurteilt werden. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass chirurgische Fächer differente Deckungsbeiträge erzielen sowie unterschiedlich refinanziert sind.

Diskussion und Ausblick

Als Limitation der Ergebnisse ist zu beachten, dass es sich bei dem Untersuchungskollektiv um freiwillige Teilnehmer an einer Online-Befragung zur Personalbemessung handelt. Ein Bias, der sich aus der Bereitschaft zur Teilnahme ergibt, ist insofern nicht auszuschließen. Zudem handelt es sich um rein orientierende Auswertungen. Quantitative statistische Verfahren wurden nicht eingesetzt. Die Unabhängigkeit der unterschiedlichen Variablen war nicht Gegenstand der statistischen Analyse.

Die vorliegende Studie liefert Hinweise für eine Ressourcenknappheit im Bereich des chirurgischen Personals in deutschen Krankenhäusern. Um die empirische Grundlage für etwaige Personalverhandlungen zu verbessern und es Kolleg:innen zu erleichtern, anhand anerkannter Benchmarks mit Geschäftsführungen auf Augenhöhe zu sprechen, sollten weitergehende Analysen des Status quo der Personalausstattung, differenziert u. a. nach Krankenhausstruktur, Abteilungsgröße, Fachrichtung, Aufgabenspektrum und Versorgungsauftrag, erfolgen, z. B. auf Basis der InEk-Daten von rund 200 Kalkulationshäusern. In einem weiteren Schritt könnten differenzierte Darstellungen des Ist-Zustands um arbeitsanalytische Auswertungen vor Ort erweitert werden. Erst anhand einer Gegenüberstellung des Status quo mit dem tatsächlichen Mitarbeiterbedarf vor Ort, also dem Soll-Zustand, ist eine fachlich fundierte Personalabschätzung möglich.

Tonus C: Personalbemessung in der Chirurgie: Wie ist der IST-Zustand? Passion Chirurgie. 2022 Mai; 12(05): Artikel 04_01.

BDC|Umfrage: Die Zusammenarbeit zwischen leitenden ChirurgInnen und Klinik-Geschäftsleitungen

Ergebnisse der BDC|Umfrage 2018/2019 im Vergleich zu 2011/2012

Nach wie vor ist die Ökonomisierung in deutschen Krankenhäusern ein wichtiger Faktor für die Kommunikation zwischen ChefärztInnen und GeschäftsführerInnen. Der wirtschaftliche Druck bestimmt das Arbeitsklima – nicht nur innerhalb der chirurgischen Abteilungen.

Die Zusammenarbeit von leitenden ÄrztInnen mit der Klinikgeschäftsführung ist allerdings entscheidend für den Erfolg des Unternehmens Krankenhaus. Aus den Berichten vieler Kolleginnen und Kollegen sowie der im Jahr 2011/2012 durchgeführten BDC|Umfrage zum gleichen Thema wird klar, dass gerade an dieser Schnittstelle immer noch erhebliche Reibungsverluste auftreten und Ressourcen nicht zielführend zum Einsatz kommen. Die Daten der aktuellen Umfrage geben Aufschluss darüber, wie sich die Zusammenarbeit im Laufe der letzten sieben Jahre verändert hat.

Methodik und Basisdaten

Grundlage stellte ein strukturierter Online-Fragebogen mit insgesamt 89 Detailfragen und drei zentralen Themenbereichen dar. Beide Umfragen waren inhaltlich identisch.

Die Grundlagen:

  • Prolog Krankenhausstatistik
  • Prolog Fragen zur Person
  • Themenbereich 1: Organisation des Gesprächsrahmens zwischen ärztlichen Führungskräften und Managern
  • Themenbereich 2: Fragen zum Arbeitsalltag mit der Geschäftsführung
  • Themenbereich 3: Typische Konflikte und Konfliktmanagement

2018/2019 waren insgesamt 546 Beantwortungen eingegangen. Im Vergleich zur Umfrage 2011/2012 (649 Beantwortungen) sind das 103 Teilnehmer weniger.

Altersstruktur und Geschlecht

Die Anzahl der weiblichen Teilnehmer ist um mehr als das Doppelte von 4,23 % in 2011/2012 auf 11,05 % in 2018 gestiegen (Abb. 1).

Abb. 1: Anteil der männlichen und weiblichen TeilnehmerInnen im Vergleich 2011/2012 und 2018/2019

In Abbildung 2 wird die Altersstruktur der Befragten dargestellt. Der Anteil an TeilnehmerInnen zwischen 45 bis 50 Jahren ist von 29,02 % auf 14,9 % in den Jahren 2018/2019 gefallen. Hingegen hat sich der Anteil der 56- bis 60-jährigen von 19,34 % auf 32,45 % erhöht. Insgesamt ist der Altersdurchschnitt des Gesamtkollektivs gestiegen.

Abb. 2: Altersstruktur 2011/2012 und 2018/2019 im Vergleich. Das Durchschnittsalter der TeilnehmerInnen an der Umfrage ist gestiegen.

Berufliche Position und Erfolgskomponente

83 % der Befragten waren zum Erhebungszeitpunkt ChefärztIn oder Ordinarius/Ordinaria – 2011/2012 waren es 89 %. Zusätzlich haben 26 (2011/2012: 44) Ärztliche DirektorInnen – das entspricht 5 % versus 7 % in 2011/2012 – und 61 (12 %) sonstige ÄrztInnen (darunter 39 ltd. OberärztInnen) teilgenommen. Die Anzahl der leitenden OberärztInnen unter den Teilnehmern ist im Vergleich zur Befragung in 2011/2012 von 1 % auf 7 % gestiegen.

27 % der Befragten hatten Dienst-/Arbeitsverträge mit Fixgehalt ohne Erfolgskomponente. 48 % besaßen einen vertraglichen Bonus zwischen 1 bis 20 %, 25 % der Befragten konnten zusätzlich eine Variable von mehr als 21 % des Fixgehalts realisieren. Im Vergleich zur Erhebung in 2011/2012 liegt die größte Veränderung bei der Anzahl der ÄrztInnen mit Fixgehalt und Erfolgskomponente von 0-10 % der Grundvergütung: In 2018 waren es 29 % und 2011/2012 18 %. Die Anzahl der TeilnehmerInnen mit einer Grundvergütung und hoher Erfolgskomponente (> 21 % der Grundvergütung) ist dagegen gefallen: In 2018 waren es 25 % im Vergleich zu 36 % in 2011/2012 (Abb. 3).

Abb. 3: Bei den Angaben zum Dienst- bzw. Arztvertrag lagen die größten Veränderungen im Vergleich zur Umfrage in 2011/2012 beim Fixgehalt mit Erfolgskomponente (0-10 % der Grundvergütung) und Grundvergütung mit hoher Erfolgskomponente (>21 % der Grundvergütung).

Angaben zur Abteilung und zum Krankenhaus

Die Befragten vertreten mit ihren Abteilungen die folgenden chirurgischen Schwerpunkte (Mehrfach-Nennungen waren möglich, n = 1.011):

  • Allgemeinchirurgie: 48,80 %
  • Viszeralchirurgie: 47,32 %
  • Orthopädie u. Unfallchirurgie: 33,09 %
  • Gefäßchirurgie: 24,21 %
  • Thoraxchirurgie: 12,75 %
  • Plastische u. Ästhetische Chirurgie: 4,81 %
  • Kinderchirurgie: 4,62 %
  • Herzchirurgie: 1,66 %
  • Sonstiges: 9,61 %

Abteilungen mit allgemeinchirurgischen und viszeralchirurgischen Schwerpunkten (520) stellten zusammen mit Abteilungen für Orthopädie und Unfallchirurgie (179) insgesamt 69 % der benannten Spezialisierungen. In 2011/2012 umfasste die Gruppe der TeilnehmerInnen dieser Fachbereiche 84 %.

Auf die Frage nach dem Krankenhaus-Betreiber antworteten 34 % (181) der befragten ÄrztInnen, dass sie in Kliniken öffentlicher Trägerschaft arbeiten. Dieses Ergebnis liegt ein Prozentpunkt unter dem Ergebnis aus 2011/2012. 40 % (216) der TeilnehmerInnen gaben an, bei einem frei-gemeinnützigen Arbeitgeber angestellt zu sein, 24 % (130) sind in Kliniken mit privater oder sonstiger Trägerschaft tätig. Bei der Umfrage aus 2011/2012 waren die Ergebnisse ähnlich: frei-gemeinnützige Träger lagen bei 44 % und private/sonstige Träger bei 22 % der Befragten.

Bei den Angaben zu den Abteilungsgrößen der Umfrage-TeilnehmerInnen zeigten sich in der aktuellen Studie Abweichungen zur Erhebung 2011/2012: 2018/2019 stieg die Anzahl kleinerer Abteilungen deutlich (< 20 Betten: 6 % in 2011/2012, 14 % in 2018/19; 21-40 Betten: 37 % in 2011/2012, 49 %) (Abb. 4).

Abb. 4: Angaben zur Abteilungsgröße

Die Angaben zur Krankenhausgröße insgesamt haben sich allerdings nicht signifikant verändert.

Wichtige Ergebnisse – Themenbereich 1

Organisation des Gesprächsrahmens zwischen ärztlichen Führungskräften und Managern

Wie auch schon bei der ersten Umfrage im Jahr 2011/2012 wurde dieser Themenblock entworfen, um die Struktur der Gespräche zwischen GeschäftsführerInnen und leitenden ÄrztInnen einzuschätzen. Die Organisation dieser Treffen war ebenfalls ein wichtiger Schwerpunkt der Befragung.

  • Was sind die typischen Anlässe für Gespräche zwischen leitenden ÄrztInnen und KrankenhausmanagerInnen?
  • Wie erfolgt die Einladung zum gemeinsamen Meeting?
  • Wie lange vorher wird zur Besprechung durch die Geschäftsleitung eingeladen?
  • Wie vollständig ist die Vorabinformation zur Besprechungsagenda?
  • Wie ist die typische Gesprächssituation (TeilnehmerInnen)?

Gesprächsanlässe

In der Verteilung der Anlässe im Vergleich beider Befragungen zeigt sich auffällig, dass sowohl GeschäftsfürerInnen als auch ÄrztInnen weniger häufig spontan Gründe zu einem Gespräch miteinander sehen. Häufigste Anlässe sind nach wie vor Einzelthemen und Personalgespräche. Bei der aktuellen Umfrage haben dies insgesamt 67 % bzw. 39 % der TeilnehmerInnen angegeben (2011/2012: 66 % bzw. 32 %). Meetings im Rahmen von Gremienarbeiten wurden ebenfalls weniger genannt: Waren dies 2011/2012 insgesamt 67 % der Antworten, sind es in der Umfrage aus 2018/2019 nur noch 38 % (Abb. 5).

Abb. 5: Häufige Gesprächsanlässe, Mehrfachnennung möglich

Form der Einladung

In 71 % aller Nennungen in 2018/2019 wurde eine schriftliche Einladung zur Besprechung zugesandt (2011/2012: 66 %), 29 % aller Invitationen erfolgten mündlich oder nicht-schriftlich (2011/2012: 34 %). Bei mehr als der Hälfte aller Gesprächseinladungen erging diese ohne schriftliche Tagesordnung. Dieser Anteil stieg im Vergleich zu 2011/2012 weiter an: von 58 % auf 62 %. Die Verfügbarkeit verbindlicher, weil schriftlich fixierter Vorabinformationen für die Ärzteseite, lag damit auch im zeitlichen Verlauf von sieben Jahren weiterhin deutlich unter 50 % (Abb. 6)!

Abb. 6: 2018/2019: Auf diese Art und Weise wurden ÄrztInnen zum Gesprächstermin gebeten.

Vorabinformation zur Besprechungsagenda

In einer Zusatzfrage wurde deshalb das Thema der Vorabinformation des/der ärztliche/n Gesprächspartners/-in vertiefend beleuchtet (Abb. 7): In 19 % aller Fälle erging das Einladungsschreiben mit vollständiger Tagesordnung und allen Tischvorlagen. Das sind nochmals 3 % weniger als 2011/2012. Somit entstehen nach wie vor erhebliche asymmetrische Informationsstände.

Abb. 7: 2018/2019 Inhalte der Besprechungsagenda

Zeitlicher Vorlauf zur Besprechung

Beim zeitlichen Vorlauf zu den Gesprächen hat sich etwas verändert: Im Vergleich zur letzten Umfrage sind langfristige bzw. Routinetermine in der Jahresplanung fast um das Doppelte gestiegen. 2011/2012 gaben 9 % der Teilnehmer an, Treffen langfristig planen zu können, 2018/2019 waren es hingegen 17 %. Ungefähr die Hälfte der Verabredungen erfolgt nach wie vor mit einem zeitlichen Vorlauf von bis zu einer Woche.

Die langfristige Planung von Terminen oder Routineterminen sind generell positiv zu werten, da sich sowohl GeschäftsführerInnen als auch ÄrztInnen dadurch vorbereitet auf Augenhöhe begegnen können.

Typische Gesprächsgruppen-Situation

Dass ein großer Teil der Gespräche als Vier-Augen-Gespräch durchgeführt werden, hat sich auch in der aktuellen Umfrage nicht geändert. Allerdings ist der Anteil der Beantwortungen zu dieser Frage von 37 % (2011/2012) auf 45 % (2018/2019) gestiegen. Demnach ist der Anteil der Unterredungen mit mehr als zwei Personen gesunken: in 50 % aller Gespräche sind mehr als zwei Personen anwesend, als Klein- oder multiprofessionelle Gruppen.

Wichtige Ergebnisse – Themenbereich 2

Fragen zum Arbeitsalltag ärztlicher Führungskräfte

Ziel der Datenerhebung in dieser Themengruppe war es herauszufinden, wie strukturiert die betriebliche Zusammenarbeit zwischen leitenden ÄrztInnen und der Krankenhaus-Geschäftsleitung im Alltag organisiert ist:

  • In welchem Rahmen arbeiten leitende ÄrztInnen überwiegend mit der Geschäftsführung/Geschäftsleitung zusammen?
  • Was sind die typischen Themen der Zusammenarbeit?
  • Wie schätzen ärztliche Führungskräfte die routinemäßige Umsetzung der praktischen Betriebssteuerung/Controlling ein?

Hintergrundthese ist die Annahme, dass sich eine effiziente und partnerschaftlich orientierte Zusammenarbeit ärztlicher und kaufmännischer Führungskräfte in Form und Inhalt auf alle wichtigen betrieblichen Fragestellungen beziehen muss. Die gemeinsam vereinbarten Ziele und Vorgehensweisen sollten wirksam und nachhaltig umgesetzt werden.

Rahmen der Zusammenarbeit zwischen leitenden ÄrztInnen und der Geschäftsführung

Die TeilnehmerInnen wurden in der Befragung aufgefordert, die Häufigkeit der Nutzung der einzelnen Kommunikationswege einzuschätzen. Der typische Rahmen der Zusammenarbeit ist in dem nachfolgenden Diagramm (Abb. 8) dargestellt und hat sich im Vergleich zur Umfrage aus 2011/2012 nur um wenige Prozentpunkte verändert: Sehr häufig oder häufig treffen sich die Führungskräfte bei Gremienbesprechungen (64 %), tauschen E-Mails (64 %) aus oder sprechen persönlich miteinander (55 %). Die größte Veränderung der beiden Umfragen bezüglich des Rahmens der Zusammenarbeit ist beim Verfassen von Briefen zu beobachten: Der Anteil derer, die sehr häufig/häufig den Briefverkehr nutzen, ist von 11 % auf 4 % gesunken. Diese Entwicklung entspricht dem Trend der Digitalisierung.

Abb. 8: 2018/2019: „In welchem typischen Rahmen arbeiten Sie überwiegend mit der Geschäftsführung/Geschäftsleitung zusammen?“

Was sind die typischen Themen der Zusammenarbeit?

Die typischen Themen der Zusammenarbeit zwischen leitenden ÄrztInnen und kaufmännischen Führungskräften sind in Abbildung 9 dargestellt:

Abb. 9: 2018/2019: Häufigkeit der besprochenen Themen während der Treffen von GeschäftsführerInnen und leitenden ÄrztInnen

Wie bei der ersten Umfrage fällt auf, dass sich häufigkeitsbezogen drei große Themenblöcke ergeben. In den folgenden Tabellen sind die einzelnen Angaben aus den jeweiligen Schwerpunkten aufgeschlüsselt und im Vergleich zur ersten Erhebung dargestellt. Die Ergebnisse von mehr als der Hälfte der Einzelthemen haben sich in der neuesten Umfrage um maximal drei Prozentpunkte nur marginal geändert. Die meisten Inhalte sind in ihrer Häufigkeit gleichgeblieben (v. a. im Geld-Finanzen-Block, Tab. 1). Bei fünf Themen war die Änderung zwischen beiden Umfragen relevant größer bzw. kleiner. Die deutlichsten Abweichungen sind im Betrieb-Block zu beobachten (Tab. 2).

Tab. 1: Der „Geld-Finanzen-Block“ mit den sehr häufigen oder häufigen gemeinsamen Themen

2011/2012

2018/2019

Strategische Leistungsplanung

70 %

68 %

Wirtschaftlichkeit

66 %

67 %

Budgetfragen/Budgetplanung

62 %

61 %

Einsparungen/Sanierung

57 %

54 %

Personalmanagement

48 %

51 %

Tab. 2: Der „Betrieb-Block“ mit den seltenen oder sehr seltenen gemeinsamen Themen

2011/2012

2018/2019

OP-Management

43 %

42 %

Qualitätsmanagement

42 %

40 %

Klinik-Marketing

40 %

34 %

Marktbearbeitung

38 %

37 %

Sachmittel-Management

38 %

32 %

Infrastruktur (Bau/Geräte)

34 %

33 %

Zusammenarbeit mit MVZ und Niedergelassenen

30 %

28 %

Führungsthemen der Geschäftsführung/Geschäftsleitung

24 %

29 %

Führungsthemen leitender ÄrztInnen

22 %

33 %

Diagnostische Ausstattung

22 %

12 %

Stationsbetrieb

19 %

24 %

Betrieb Intensiv-Bereich(e)/Aufwachräume

17 %

21 %

Klinik-Marketing, Sachmittel-Management und Diagnostische Ausstattung sind Themen, die im Vergleich häufiger besprochen werden. In Anbetracht der vielerorts manifesten Unterfinanzierung der Krankenhäuser sind diese Ergebnisse plausibel. Dafür treten Führungsthemen und klinische Betriebsabläufe in den Hintergrund.

Drittmittel, Forschung und Lehre stellen in beiden Umfragezeiträumen seltene Gesprächsinhalte dar (Tab. 3). Es bleibt anzumerken, dass die Angaben der 33 beteiligten Unikliniken in der aktuellen Gesamtstichprobe der Erhebung wiederum – statistisch bedingt – unterrepräsentiert sind.

Tab. 3: Der „Wissen-Block“ mit den laut Erhebung so gut wie nie besprochenen gemeinsamen Themen

2011/2012

2018/2019

Drittmittel-Themen

3 %

2 %

Forschung und Lehre

2 %

2 %

Wie schätzen ärztliche Führungskräfte die routinemäßige Umsetzung der praktischen Betriebssteuerung/Controlling ein?

Damit leitende ÄrztInnen in einem arbeitsteilig angelegten Managementprozess ihren Steuerungsbeitrag zum Gesamtunternehmen einbringen können, ist es unverzichtbar, diese Personengruppe hierfür auch situationsbezogen und „Werkzeug-bezogen“ in die Lage zu versetzen. Die in dieser Frage betrachteten Sachverhalte wurden deshalb vor dem Hintergrund der Annahme nachgefragt, dass vor allem fünf wesentliche Managementbereiche wichtige Schnittstellen bzw. Vorbedingungen einer konstruktiven und effizienten Zusammenarbeit zwischen leitenden ChirurgInnen und kaufmännischen Führungskräften darstellen sollten:

  1. Erfolgsfaktor Information: Wird den leitenden ÄrztInnen ein strukturiertes monatliches Reporting von der Geschäftsführung/Geschäftsleitung bereitgestellt?
  2. Erfolgsfaktor Projektmanagement: Werden für gemeinsame Themen (verantwortungsadressierend) sogenannte Themen-Verantwortliche benannt?
  3. Erfolgsfaktor Transparenz I: Haben die ärztlichen Führungskräfte eine klinische Kostentransparenz für ihre Fachabteilung?
  4. Erfolgsfaktor Transparenz II: Gibt es eine Datentransparenz Top-Down (ChefärztIn -> AssistenzärztIn) in der Fachabteilung?
  5. Erfolgsfaktor Steuerung vor Ort: Werden den leitenden ÄrztInnen Steuerungstools zur Verfügung gestellt?

Das Befragungsergebnis hierzu ist in Abbildung 10 dargestellt.

Abb. 10: 2018/2019: Praktische Betriebssteuerung/Controlling: Wie schätzen Sie die routinemäßige Umsetzung in Ihrem Haus ein?

Das für leitende ChirurgInnen unerfreuliche Befragungsergebnis hat sich im Vergleich noch verschärft:

  • Beim Thema Klinische Kostentransparenz empfinden mittlerweile 50 % der Befragten die Situation als „schlecht/sehr schlecht“ oder sagen schlichtweg: Nicht vorhanden! Bei der Umfrage im Jahr 2011/2012 waren es „nur“ 41 %.
  • Bei der Frage nach existierenden Steuerungsinstrumenten, also letztlich nach den entscheidenden Hebeln ärztlichen Ressourcenmanagements, gaben im Vergleich sogar 55 % (2011/2012: 49 %) der Befragten an, dass diese „schlecht/sehr schlecht“ oder „nicht vorhanden“ seien.

Wichtige Ergebnisse – Themenbereich 3

Typische Konflikte und Konfliktmanagement

Dass die berufliche Zusammenarbeit zwischen Berufsgruppen sehr unterschiedlicher professioneller Konditionierung nicht immer konfliktfrei sein kann, ist offensichtlich. Deshalb wurde in dieser Erhebung auch danach gefragt, was besonders stört in der Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung/Geschäftsführung des Hauses:

  • Themenkreis „(persönliche) Beziehungsebene“
  • Themenkreis „Managementrahmen als ÄrztIn“
  • Themenkreis „Erlebte problematische Wirkungen“

Für alle drei Fragestellungen wurde eine vertiefende Auswertung der Befragungsergebnisse durchgeführt.

Themenkreis „(persönliche) Beziehungsebene“

Abbildung 11 fasst die Antworten zusammen. Auffällig zur letzten Befragung ist, dass der hohe Anteil des häufigen Anstoßnehmens leitender ÄrztInnen am persönlichen Benehmen der kaufmännischen Führungskräfte aktuell von 41 % auf 28 % gesunken ist. Verspürte Wertschätzungsdefizite und stattfindende Dominanz- statt Sachkonflikte sind hingegen in der Häufigkeit gestiegen: Wertschätzungsdefizite von 35 % auf 39 % und Angaben zu Dominanz von 32 % auf 36 %.

Abb. 11: 2018/2019 Themenkreis „Beziehungsebene“

Themenkreis „Managementrahmen als Arzt“

Abbildung 12 fasst die Befragungsantworten zusammen. Faktoren für den absehbaren Misserfolg ärztlicher Managementbemühungen (Tab. 4) wurden auch in der aktuellen Umfrage mit relevanten Anteilen als „sehr häufig“ bzw. „häufig“ angegeben und sind größtenteils im zeitlichen Verlauf sogar noch angestiegen. Besonders bemerkenswert ist das weit verbreitete Gefühl des „Verantwortlichseins ohne Aktionsmöglichkeit“ (67%)!

Tab. 4: Faktoren für den absehbaren Misserfolg ärztlicher Managementbemühungen

2011/2012

2018/2019

Verantwortlich-sein ohne Aktionsmöglichkeit

61 %

67 %

Fehlende Datentransparenz für Sie (ltd. Ärztinnen)

49 %

55 %

Fehlende Informationen von der GF/GL

47 %

51 %

Zeitdruck bei der Entscheidungsvorbereitung

47 %

42 %

Unklares Leitbild der Zusammenarbeit ltd. Arzt/Ärztin/GL

43 %

46 %

Unklare persönliche Werthaltungen der GL/GF

40 %

43 %

Die egozentrische Selbstdarstellung

31 %

34 %

Abb. 12: 2018/2019 Themenkreis „Ihr Managementrahmen als Arzt/Ärztin“

Themenkreis „Erlebte problematische Wirkungen“

Abbildung 13 betrachtet die konkreten Eindrücke und Auswirkungen der optimierungsfähigen Management-Schnittstelle zwischen ärztlichen Führungskräften und Krankenhausmanagern:

Abb. 13: 2018/2019 Welche problematischen Wirkungen erleben Sie?

Die hier signifikant mit „sehr häufig“ oder „häufig“ ausgeprägten Befragungsergebnisse sind ein klarer Katalog derjenigen Sachverhalte und Situationen, die einen wirksamen Managementbeitrag Leitender ChirurgInnen zum Gesamterfolg des Krankenhauses nach wie vor massiv behindern. Auch bei dieser Frage hat die Häufigkeit bei sechs von acht den klinischen Alltag prägenden Themen zugenommen.

Zusammenfassung

Das Interesse an dem Thema „Zusammenarbeit ChefärztInnen und Geschäftsführung“ ist nach wie vor groß.

Geschlecht, Altersstruktur, Einkommen und Klinikstruktur

Die deutlich höhere Beteiligung von weiblichen Chefärzten in der aktuellen Umfrage spiegelt den zunehmenden Anteil an Frauen in der Chirurgie wider. Der Anstieg des Altersdurchschnitts aller Befragten entspricht dem zu erwartenden demographischen Wandel. Der variable Part des ärztlichen Einkommens ist innerhalb der letzten Jahre nachweisbar kleiner geworden, gleichbedeutend mit einem verlässlicheren Gehalt für unseren Berufsstand. Leistungsbezogene Boni stellen per se einen legitimen Anreiz dar. Auch die jüngste Umfrage ist in Hinblick auf strukturelle Klinikdaten als repräsentativ anzusehen. Flächendeckend hat die Größe der einzelnen chirurgischen Fachabteilungen faktisch abgenommen.

Organisation des Gesprächsrahmens

Bezüglich der Organisation des Gesprächsrahmens zwischen ärztlichen Führungskräften und GeschäftsführerInnen besteht nach wie vor Verbesserungspotential. Lediglich der zeitliche Vorlauf für vereinbarte Treffen hat sich im Laufe der Jahre nachweisbar verbessert. Fundierte und zielführende Gespräche sind nur durch die adäquate Vorbereitung aller Beteiligten möglich. Unabdingbare Voraussetzung hierfür ist eine ehrliche Fakten- und Datentransparenz des Arbeitgebers.

Themen der Zusammenarbeit

Nach wie vor sprechen Geschäftsführungen mit leitenden ÄrztInnen vor allem über Geld und Wirtschaftlichkeit. Betriebliche Strukturen und Abläufe der einzelnen chirurgischen Fachabteilungen treten oft in den Hintergrund, über Themen wie „Drittmittel“ sowie „Forschung & Lehre“ wird aus Sicht der Gesamterhebung so gut wie nie kommuniziert. Insbesondere die Aspekte des „Betrieb-Blocks“ bergen Ressourcen und Potentiale für die Steigerung von Effizienz und Erlösen im Krankenhaus. Hier ist ein intensiverer kooperativer Austausch zwischen Ökonomie und chirurgischer Zunft dringend erforderlich. Die Stärken der operativen Führungskräfte werden nicht in ausreichendem Maß genutzt.

Tab. 5: Prägende Themen, die den Erfolg behindern

2011/2012

2018/2019

Verlagerung administrativer Arbeit auf Mediziner

68 %

74 %

Unvollständige Umsetzung der Entscheidungen

55 %

61 %

Kein Vorteil aus erfolgreichem Managen erzielbar

48 %

57 %

Unklare Fachkompetenz Ihrer Gesprächspartner

46 %

51 %

Beteiligung an Entscheidung und Umsetzung?

45 %

48 %

Asynchrone Arbeitszeiten Mediziner/Verwaltung

43 %

42 %

Unzureichende fachliche Aussprache

41 %

44 %

Politiklastigkeit statt Unternehmensorientierung

29 %

27 %

Kostentransparenz

Die Hälfte aller chirurgischen ChefärztInnen beklagt eine unzureichende klinische Kostentransparenz. Das ist ein eindeutiger Appell an die Geschäftsführungen. Es stellt für das Medizincontrolling des Krankenhauses eine leicht lösbare Aufgabe dar, diese Informationsdefizite der ÄrztInnen auszugleichen. Kenntnis der Kosten ist eine der wichtigsten Anforderungen, um operativ tätige Führungskräfte in die Lage zu versetzen, tatsächlich in der Klinik betriebspraktisch steuern zu können.

Wirtschaftliche Steuerungsinstrumente der ärztlichen Führungskräfte

Anders verhält es sich aus Sicht der Autoren mit den existierenden Steuerungsinstrumenten. Hier liegen Lösungen nicht so offenkundig auf der Hand. Die Erlösmargen im stationären Bereich sind bei Deutschlandweit rückläufigen Fallzahlen limitiert. Die Ambulantisierung der Chirurgie schreitet entsprechend ausländischer Vorbilder stetig voran. Es wird in Zukunft eine sinnvolle und qualitativ hochwertige Verzahnung des ambulanten und stationären Sektors in Deutschland praktisch umgesetzt werden müssen. Zudem ist die Wertschöpfungskette im vor- und nachstationären Bereich als alternative Einnahmequelle zu identifizieren. Die Möglichkeiten der Digitalisierung und die Chancen der künstlichen Intelligenz runden die notwendigen Veränderungen ab. Nichtsdestotrotz gilt: So wenig wie ChirurgInnen ohne OP-Besteck erfolgreich operieren könnten, so wenig können sie als „Nicht-Kaufleute“ ihre Kliniken im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten ohne geeignete betriebswirtschaftliche Steuerungsinstrumente managen. Dass hier häufig Hilflosigkeit empfunden wird, z. B. ein Gefühl des Verantwortlichseins ohne Aktionsmöglichkeit, sollte dem Krankenhausmanagement 2020 zu denken geben.

Typische Konflikte und Konfliktmanagement

Die Kernbotschaft der vorliegenden Umfrage stellt die Tatsache dar, dass „Störfeuer“ auf der persönlichen Beziehungsebene zwischen Ökonomen und chirurgischen Führungskräften nach wie vor den Klinikalltag prägen. Dieses Problemfeld ist Träger-unabhängig und besteht Deutschlandweit. Auch die zeitliche Latenz von sieben Jahren zwischen den beiden vorliegenden Studien hat daran nichts verändert. Im Gegenteil, die kritischen Antworten der leitenden ÄrztInnen hat nochmals zugenommen. Lösungen hierzu sind als Kern eines Katalogs von fachlichen und menschlichen Anforderungen zu sehen, welche zukünftig eine zielführende Zusammenarbeit von „Managementexperten“ und „Medizinexperten“ ermöglichen. Partnerschaftlichkeit und vertrauensvolle Kooperation zwischen den beiden Berufsgruppen funktioniert friktionsarm nur dann, wenn die Beziehungsebene zwischen den Protagonisten intakt ist. Dafür Sorge zu tragen, gehört zu den wichtigsten professionellen Pflichten von Führungskräften, die miteinander erfolgreich sein wollen und müssen.

Ausblick

Die aktuellen Ergebnisse sind ernüchternd. Jeder von uns kennt Krankenhäuser, in denen das Direktorium vertrauensvoll, partnerschaftlich und kooperativ zusammenarbeitet. Die täglichen Herausforderungen des Klinikalltags und der Gesundheitspolitik werden mit ehrlicher Zahlentransparenz gemeinsam angegangen und bestenfalls gelöst. Warum gelingt es uns nicht, von den funktionierenden Vorbildern als Erfolgsmodell zu lernen? Wo ist die Nachhaltigkeit, auch der handelnden Personen, in der Medizin geblieben? Sowohl die Akzeptanz der jeweiligen Akteure als auch die Umsetzung von Konzepten benötigen Zeit, um das Vertrauen der PatientInnen und ZuweiserInnen zu gewinnen. Kurzfristige Wechsel in der Geschäftsführung und/oder auf der CA-Position konterkarieren oftmals das Bedürfnis unserer PartnerInnen im Gesundheitssystem nach Verlässlichkeit.

Um diesem Artikel einen versöhnlichen und inspirierenden Abschluss zu verleihen, sei der Hinweis auf die letzten beiden Tabellen zum Themenbereich „Konflikte und Konfliktmanagement“ gestattet. Jeder einzelne Gesichtspunkt birgt handfestes Potential, das es nur zu heben gilt. Für GeschäftsführerInnen und chirurgische ChefärztInnen!

Tonus C: BDC|Umfrage: Die Zusammenarbeit zwischen leitenden ChirurgInnen und Klinik-Geschäftsleitungen: Was hat sich verändert? Passion Chirurgie. 2020 März, 10(03): Artikel 04_0X.

Literaturhinweis: Kapitza T. / Tonus C. Kooperation oder Konflikt – Die Zusammenarbeit zwischen leitenden Chirurgen und Klinik-Geschäftsleitungen. Passion Chirurgie. 2012 März; 2(03): Artikel 02_03

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BDC|Umfrage: Personalbemessung in der Chirurgie

Die Umfrage ist geschlossen! Vielen Dank für Ihre rege Teilnahme.

Die Personalbemessung in chirurgischen Fachabteilungen ist ein zentrales Thema aller leitenden, in der medizinischen Verantwortung stehenden Ärztinnen und Ärzte. Für das konstruktive Gespräch mit der Geschäftsführung benötigen wir fundierte Kennzahlen. Der Personalschlüssel im ärztlichen Dienst wird in vielen Kliniken an Bewertungsrelationen pro Vollkraft bemessen. Eine verlässliche Beschreibung des Istzustands in Deutschland existiert bis dato nicht!

Diese kurze Umfrage dient – wie in der Einleitung beschrieben – einer Erhebung des „IST-Zustands“ in Deutschland. Getriggert von den aktuellen Diskussionen um die Personaluntergrenzen in der Pflege machen wir uns für eine vergleichbare Transparenz im ärztlichen Dienst stark! 

Um dieses Ziel gemeinsam zu erreichen, benötigen wir eine flächendeckende Erhebung des chirurgischen Personalschlüssels im ärztlichen Dienst in Abhängigkeit von der individuellen Krankenhausstruktur. Deren Ergebnisse sollen zukünftig für jeden Einzelnen von uns belastbare Argumentationshilfen liefern.  

Die Resultate werden streng vertraulich behandelt und die Bearbeitung des Fragebogens wird ca. 10 Minuten dauern.

Vielen Dank für Ihre Teilnahme!

Mit kollegialen Grüßen

Prof. Dr. med. Carolin Tonus
Themen-Referat Chirurgie, Ökonomie & Zukunftsfragen

Dr. med. Matthias Krüger
Themen-Referat Chirurgie, Ökonomie & Zukunftsfragen

BDC|Umfrage: Schnittstellenmanagement zwischen Chefärzten und Geschäftsleitungen 2018/2019

Die Umfrage ist geschlossen! Vielen Dank für Ihre rege Teilnahme.

In der Hochleistungsorganisation „Krankenhaus” ist die vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit zwischen ärztlichen Führungskräften und den kaufmännischen Geschäftsleitungen ein wichtiger Einflussfaktor für wirtschaftlichen Erfolg und medizinische Leistungsqualität – so lautet wenigstens die theoretische Anforderung. Wie sich die Zusammenarbeit zwischen leitenden Ärztinnen/Ärzten und Krankenhausmanagern im betrieblichen Alltag tatsächlich gestaltet, hat der BDC mit einer umfangreichen Online-Umfrage im Zeitraum September bis November 2011 ermittelt.

Es ist unser Bestreben, ein Umdenken einzuleiten, das eine Kooperation auf Augenhöhe zum Wohle unserer Patienten zum Ziel hat. Nur gemeinsam werden wir die Herausforderungen der Zukunft im Gesundheitssystem meistern können. Deshalb ist es wichtig, dass möglichst viele leitende Ärztinnen und Ärzte an dieser Umfrage teilnehmen, um ein realistisches Bild von der aktuellen Situation zu erhalten.

Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit zur Beantwortung der Fragen nehmen.

Aktuelle BDC|Umfrage

Die Umfrage wird aktuell wiederholt, um den Status Quo erheben zu können, Vergleiche zu den Umfrageergebnissen 2011 durchzuführen und auf Basis der Ergebnisse weitere Strategien für die zukünftige berufspolitische Arbeit im BDC zu entwickeln.

Die Ergebnisse werden in Passion Chirurgie, der Mitgliederzeitschrift von BDC und DGCH zeitnah publiziert.

Tonus P: Schnittstellenmanagement zwischen Chefärzten und Geschäftsleitungen 2018/2019. Passion Chirurgie. 2019 März, 9(03): Artikel 04_02.

BDC-Umfrage: Wirtschaftlichkeit und Kodierung in Praxis und Krankenhaus

Wer ist in deutschen Krankenhäusern und Praxen für die Ökonomie verantwortlich? Diese Frage beeinträchtigt den chirurgischen Alltag flächendeckend. Um belastbare Fakten zu schaffen und auch bezüglich wirtschaftlicher Themen unterstützen zu können, hat der Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC) Anfang des Jahres 2016 zur Teilnahme an der Umfrage „Wirtschaftlichkeit und Kodierung in Praxis und Krankenhaus“ aufgerufen.

Umfragedesign

Die Umfrage wurde online durchgeführt und per Newsletter an alle BDC-Mitglieder sowie auf BDC|Online und innerhalb sozialer Netzwerke wie Facebook kommuniziert. Somit war die Teilnahme nicht auf BDC-Mitglieder beschränkt. Der Erhebungszeitraum belief sich von Januar bis Mai 2016. Insgesamt wurden 1.172 Teilnehmer registriert, wovon 1.074 den Fragebogen (29 Fragen) vollständig beantworteten.

Strukturdaten

1.143 Umfrageteilnehmer machten Angaben zur ihrer aktuellen beruflichen Position: Niedergelassene Chirurgen waren mit 26,3 % vertreten, 25,1 % firmierten als Oberärzte, 19,1 % als Chefärzte und 13,9 % als leitende Oberärzte. Die Assistentenschaft zählte 15,6 %. Knapp drei Viertel der Befragten (73,7 %) konnten somit dem klinischen Bereich zugeordnet werden (Abb. 1a). Im Vergleich zur Ärztestatistik 2015 der Bundesärztekammer zu berufstätigen Chirurgen sind niedergelassene Chirurgen (BÄK, 33 %) in der Umfrage leicht unterrepräsentiert und klinisch tätige Chirurgen (BÄK, 60%) überrepräsentiert.

Abb. 1a: Aktuelle berufliche Position der Umfrageteilnehmer (n=1.143)

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Bei der Frage nach den Krankenhausstrukturen sind in der Umfrage im Vergleich zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes 2014 Öffentliche Krankenhäuser unterrepräsentiert (Destatis, 30 %), gemeinnützige Träger nahezu identisch repräsentiert (Destatis, 35 %) und private Träger überrepräsentiert (Destatis, 35 %) (Abb. 1b).

Abb. 1b: Wer ist der Träger Ihrer Arbeitsstätte? (n=832)

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Kodierung

Sowohl von niedergelassenen Chirurgen als auch von Angestellten im Krankenhaus wurde die Frage danach, ob sie in ihrem medizinischen Alltag kodieren, mehrheitlich mit „Ja“ beantwortet: Nur 16,21 % (n=137) der Ärzte im Krankenhaus und 5,02 % (n=14) der niedergelassenen Ärzte kodierten demnach nicht (Abb. 2a, b).

Abb. 2a: Krankenhaus: Kodieren Sie in Ihrem medizinischen Alltag? (n=845)

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Abb. 2b: Praxis: Kodieren Sie in Ihrem medizinischen Alltag? (n=279)

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Die Frage nach Kodierassistenten bzw. Kodierfachkräften innerhalb der Abteilung bzw. Praxis wurde von 76,05 % der im Krankenhaus Tätigen bejaht (n=806) (Abb. 3).

Abb. 3: Krankenhaus: Verfügt Ihre Praxis über Kodierassistenten bzw. Kodierfachkräfte? (n=806)

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Von Ärzten im niedergelassenen Bereich hingegen gaben im Vergleich nur 16,25 % an, Unterstützung von qualifiziertem Fachpersonal zu bekommen (n=277) (Abb. 4).

Abb. 4: Praxis: Verfügt Ihre Praxis über Kodierassistenten bzw. Kodierfachkräfte? (n=277)

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Schulung

Was Schulungsunterweisungen betrifft, gibt es laut der BDC-Umfrage sowohl in Praxis als auch in deutschen Krankenhäusern Nachholbedarf. 60,94 % (n=415) der Befragten aus dem Krankenhaussektor und 72,10 % (n=276,) der Niedergelassenen berichteten, nicht ausreichend geschult worden zu sein (Abb. 5, 6).

Abb. 5: Krankenhaus: Sind Sie für Kodiertätigkeiten ausreichend geschult worden? (n=681)

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Abb. 6: Praxis: Sind Sie für Kodiertätigkeiten ausreichend geschult worden? (n=276)

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Ein sehr großer Unterschied zeigte sich bei der Beantwortung der Frage nach jährlichen Aktualisierungskursen über Neuigkeiten im DRG-Abrechnungssystem bzw. ICD-Codes/OPS-Prozeduren zwischen im Krankenhaus tätigen und niedergelassenen Chirurgen (Abb. 7, 8). So gaben 91,30 % (n=252) der Selbständigen an, dass keine diesbezüglichen Fortbildungen stattfinden (Abb. 8). Mit 50,37 % bejahte hingegen ca. die Hälfte der teilnehmenden Krankenhausärzte die Frage nach jährlich stattfindenden Refresher-Kursen (Abb. 7).

Abb. 7: Krankenhaus: Finden jährlich Aktualisierungskurse über Neuigkeiten im DRG-Abrechnungssystem statt? (n=679)

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Abb. 8: Praxis: Finden jährlich Aktualisierungskurse über Neuigkeiten im ICD-Code statt? (n=276)

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Priorität der Kodierung

Welche gefühlte Priorität dem Kodieren im beruflichen Alltag zukommt, wurde von Chirurgen im Krankenhaus laut den Ergebnissen ähnlich eingeschätzt wie von niedergelassenen Kollegen. Demnach gaben 50,15 % (n=339) der im Krankenhaus Tätigen an, die Kodierung hätte einen ähnlichen Stellenwert wie medizinische Aufgaben. 42,31 % (n=286) beschrieben hingegen eine vergleichbar niedrigere Priorität. 7,54 % (n=51) empfanden, dass Kodierung im Arbeitsalltag sogar wichtiger als medizinische Aufgaben seien. Bei niedergelassenen Chirurgen war dieser Wert noch höher: 10,43 % (n=29) stuften das Kodieren in der empfundenen Priorität höher ein als medizinische Aufgaben, 41,01 % (n=114) priorisierten die Aufgaben gleichwertig und 48,56 % (n=135) der Selbständigen stuften Kodierung in der Priorität niedriger ein (Abb. 9, 10).

Abb. 9: Krankenhaus: Welche gefühlte Priorität hat das Kodieren in Ihrem beruflichen Alltag? (n=676)

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Abb. 10: Praxis: Welche gefühlte Priorität hat das Kodieren in Ihrem beruflichen Alltag? (n=278)

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Wirtschaftlichkeit

Auch bei der Frage nach der Motivation zum „Up-Coding“ antworteten beide Gruppen ähnlich. So verneinten 60,77 % (n=412) der im Krankenhaus angestellten Chirurgen und 67,15 % (n=186) der Niedergelassenen, dass sie diese Motivation verspüren würden. Im Vergleich beantworteten 39,23 % (n=266) aus dem Krankenhaus-Umfeld und 32,85 % (n=91) aus den Praxen die Frage hingegen mit „Ja“ (Abb. 11, 12a).

Abb. 11: Krankenhaus: Verspüren Sie Motivationen zum „Up-Coding“? (n=678)

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Abb. 12a: Praxis: Verspüren Sie Motivationen zum „Up-Coding“? (n=277)

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Zudem gaben 10,2 % der Niedergelassenen an, dass sie Prämienanreize von dritter

Seite für spezielle Kodierungen erhalten (Abb. 12b).

Abb. 12b: Praxis: Erhalten Sie Prämienanreize von dritter Seite für spezielle Kodierungen? (n=284)

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Bei der Frage, ob aufgrund ökonomischer Aspekte medizinische Entscheidungen zum Nachteil des Patienten getroffen würden (z. B. Liegezeiten, Therapieregime etc.), ergaben sich signifikante Unterschiede (p≤0,05) zwischen den einzelnen Dienststellungen im Krankenhaus. Insgesamt wurde die Frage von 36,95 % der Umfrageteilnehmer aus dem Krankenhaus-Sektor mit „Ja“ beantwortet. Dabei waren allerdings „nur“ 25,74 % der Chefärzte dieser Meinung, wobei im Vergleich 51,5 % der Assistenzärzte entstehende Nachteile für Patienten sahen (Abb. 13, Tab. 1).

Abb. 13: Krankenhaus: Werden in Ihrer Abteilung/Klinik aus Ihrer Sicht aufgrund ökonomischer Aspekte medizinische Entscheidungen zum Nachteil des Patienten getroffen (z. B. Liegezeiten, Therapieregime etc.)? (n=801)

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Tab. 1: Signifikante Unterschiede in Bezug auf die Dienststellung bei der Frage, ob ökonomische Aspekte medizinische Entscheidungen zum Nachteil des Patienten getroffen würden

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Bei knapp 20 % der befragten Krankenhauschirurgen hatte das ökonomische Ergebnis der eigenen Abteilung direkte Auswirkungen auf das persönliche Einkommen (Abb. 14). Auch beschrieben fast zwei Drittel der in Kliniken tätigen Operateure spürbaren wirtschaftlichen Druck im medizinischen Alltag (Abb. 14). Dabei zeigten sich signifikante Unterschiede (p≤0,05) der Beantwortung in Abhängigkeit von der Dienststellung. Beide Fragen wurden häufiger bejahend beantwortet, je höher der Befragte hierarchisch im Krankenhaus angesiedelt ist.

Abb. 14: Krankenhaus: Hat das wirtschaftliche Ergebnis Ihrer Abteilung Auswirkungen auf Ihr Einkommen? (n=803)

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Abb. 15: Krankenhaus: Empfinden Sie wirtschaftlichen Druck durch Ihren Vorgesetzten bzw. Ihren Arbeitgeber? (n=807)

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Fazit

Der Interessenskonflikt zwischen Medizin und Ökonomie ist vielerorts spürbar. Das zeigt die hohe Umfragebeteiligung. Knapp drei Viertel der Teilnehmer kamen aus Kliniken. Das entspricht in Kenntnis der Tatsache, dass im Bundesdurchschnitt ca. ein Drittel aller Chirurgen in Praxen tätig ist, einem leichten Übergewicht der Krankenhausvertreter in vorliegender Studie.

  • Das Kodieren hat sowohl im niedergelassenen als auch im stationären Alltag Einzug gehalten.
  • Auf die Unterstützung von Kodierassistenten können fast ausschließlich Krankenhausärzte zurückgreifen.
  • Die aktuelle Umfrage weist auf einen deutlichen primären DRG-Schulungsbedarf hin.
  • Auffrischungskurse absolvieren hingegen fast die Hälfte der im stationären Bereich angestellten Chirurgen im Vergleich zu weniger als 10 % der Selbständigen.
  • Der hohe Stellenwert der Ökonomie ist der Majorität der deutschen Operateure mittlerweile sektorenübergreifend bewusst.
  • Als Folge geben ein Drittel aller Chirurgen Motivationen zum „Up-Coding“ zu.
  • Das wirtschaftliche Ergebnis hat heutzutage nicht nur bei Selbständigen Einfluss auf das eigene Einkommen. Auch die schneidende Zunft der Krankenhäuser sieht sich dem ökonomischen Druck ausgesetzt. Das bedeutet für den modernen chirurgischen Chefarzt: Willkommen als Unternehmer im Krankenhaus!

 

Tonus C. / Dittmar R. BDC-Umfrage: Wirtschaftlichkeit und Kodierung in Praxis und Krankenhaus. Passion Chirurgie. 2016 November, 6(11): Artikel 02_01.

Editorial: Wirtschaftlichkeit & Kodierung

 

Als ich 1992 mit meiner chirurgischen Weiterbildung begann, stand für mich die Behandlung kranker Menschen und das Operieren im Fokus meines persönlichen Interesses. Der berufliche Alltag war geprägt von Idealismus und Stolz auf die Zugehörigkeit zur schneidenden Zunft. Ökonomische Zwänge ließen sich nur marginal in Form erwünschter hoher Bettenauslastung – wohlgemerkt ohne Relevanz der Belegungsdauer – und dem mahnenden Blick auf Sachkosten erahnen.

Mit Einführung von Fallpauschalen und Sonderentgelten fand eine Zäsur historischen Ausmaßes im Gesundheitssektor statt. Uns jungen angehenden Chirurgen wurde erstmals der Stellenwert der Vergütung medizinischer Leistungen bewusst vor Augen geführt.

Mittlerweile ist der wirtschaftliche Druck allerorts spürbar. Schon lange müssen nicht nur die niedergelassenen Kollegen als selbständige Unternehmer ökonomische Kennzahlen beachten und verstehen. Die Gesetze der Finanzwelt haben auch in den Krankenhäusern Einzug gehalten. Der Druck im Kessel „Gesundheitswesen“ ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Die Dominanz der Ökonomie droht die Faszination der Heilkunst zu entzaubern.

Heutzutage kämpfen Kliniken zum Teil um das blanke Überleben. Die Bereinigung der Krankenhauslandschaft um ca. 200 weitere Häuser durch Schließung oder Fusion ist politisch gewollt. Die Darstellung unserer erbrachten operativen Leistung ist zum überlebensnotwendigen Lebenselixier geworden. Dokumentation und Kodieren haben somit existentielle Bedeutung erlangt. Heute bedarf es in der Medizin nicht nur guter Ärzte, sondern auch DRG-geschulter Mitarbeiter im Team. Der messbare Nutzen hauptberuflicher fallbegleitender Kodierassistenten ist nach anfänglichen Diskussionen bewiesen. Dennoch müssen alle am Prozess Beteiligten erbrachte Leistungen detailliert schriftlich fixieren, um den Fragen des MDK Stand zu halten. DRG-Grouper sind zum Instrument des Verteilungskampfes avanciert. Diese wirtschaftliche Bedrohung verleitet aufgrund des hohen Leidensdruckes – wie die nachfolgende Befragung zeigt – sogar zum Up-Coding.

Wir sind als Ärzte schon lange auch zu Managern im Gesundheitswesen geworden. Ich selbst blicke, als Aufsichtsrätin auf der Arbeitgeberbank, über den sogenannten medizinischen Tellerrand hinaus. Und dennoch ist die Bürde der Gewinnoptimierung und Marge an manchen Tagen an der chirurgischen Front kaum zu ertragen… Mit Einführung des Fixkostendegressionsabschlags über drei Jahre ist eine weitere historische Schallmauer durchbrochen. Die Erlöse werden gedeckelt, Kosten weiter steigen, der Personalabbau ist vorprogrammiert. Zudem scheint der definitive Einzug der Rationalisierung medizinischer Leistungen im Gesundheitssystem zu befürchten.

In dieser Ausgabe Passion Chirurgie wird das Werkzeug der erlösrelevanten Kodierung aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Ich wünsche Ihnen, dass Sie bei der Lektüre in Bezug auf Ihr persönliches berufliches Umfeld Anregungen und Impulse erhalten. Darüber hinaus wünsche ich jedem Einzelnen, sich Ethik und Moral in unserem faszinierenden Beruf mit höchster Priorität und Nachhaltigkeit zu bewahren!

Herzlichst,

Ihre

Carolin Tonus

Tonus C. Editorial Wirtschaftlichkeit & Kodierung. Passion Chirurgie. 2016 November; 6(11): Artikel 01.