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Es muss nicht immer Vollzeit sein… „Working Moms“ in Teilzeit aus Sicht einer Chefärztin

„Teilzeit“ in der Chirurgie. Unvorstellbar als ich 1992 meine operative Ausbildung begann. Auf eine Weiterbildungsstelle kamen gleich mehrere Stapel (!) Bewerbungen unterschiedlichster Qualifikationen. Heute, 23 Jahre später, haben sich die Rahmenbedingungen verändert. Ein Umdenken fand statt: Teilzeit-Mitarbeiter* können unsere Arbeitsmodelle nachweisbar entlasten, ja sogar bereichern.

Inwieweit dieses Faktum dem Mangel versierter Mediziner oder dem Selbstverständnis der Generation Y geschuldet ist, sei dahingestellt.

Ich möchte über meine persönlichen Erfahrungen berichten, beginnend im Jahr 2006. Mit 39 Jahren war ich gerade Chefärztin der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie eines kirchlichen Trägers in einer ländlich geprägten Region Osthessens geworden. Ärztliches Personal in der Fläche – außerhalb von Großstädten – war schon zu damaliger Zeit Mangelware. Insbesondere im Assistentenbereich schneidender Fächer. Der innovative Geschäftsführer vor Ort propagierte konstruktives Querdenken. Also lautete die Devise, neue Wege gehen. Wir stellten gemeinsam die Frage: Wie wollen und können Chirurgen, auch in der Weiterbildung, arbeiten?

Das Abfragen der persönlichen Belange brachte uns auf folgende Idee: Zwei junge Mütter teilen sich einen vollen Weiterbildungsplatz! Ich stellte damals nur eine einzige Bedingung. Bei fachlichen Nachfragen durfte es nicht entschuldigend heißen: „Das weiß ich nicht; ich war nicht da.“ Die Zeiteinteilung hatte ich den „Working Moms“ in Gänze eigenverantwortlich überlassen. Halbe Tage arbeiten, Tage oder Wochen im Wechsel, gerne auch flexibel, wenn der Nachwuchs kränkelt. Entstandene Überstunden sollten wechselseitig ausgeglichen werden. Umfassende zeitnahe Kommunikation an das Team und mich stellte die tragfähige Basis der vorgenannten Arbeitsteilung dar.

Dieses Konzept hat hervorragend funktioniert. Ich war selten von derart motivierten Mitarbeiterinnen umgeben. Die Freude an der klinischen Arbeit war nicht zu übersehen. Die Ärztinnen befanden sich in Folge umfassender Übergaben immer auf dem neuesten Stand. Manchmal beschlich uns Vollzeitler das Gefühl, die beiden empfanden im Krankenhaus ein wenig „Urlaub“ von den häuslichen Pflichten. Die Teilzeit-Damen wurden schnell als vollwertige Mitglieder des chirurgischen Teams akzeptiert. Zudem leisteten sie in Summe mehr Bereitschaftsdienste als ein einzelner Weiterbildungsassistent in Vollzeit. Ausfallzeiten gingen gegen Null, denn der komplementäre Part sorgte stets für Vertretung. Das Fair-Play untereinander hielten die beiden Protagonistinnen unaufgefordert und selbstverständlich ein. Ein weiteres hervorzuhebendes Merkmal war die beispiellose Flexibilität und das erfrischende Element dieses Tandems im arbeitsverdichteten Alltag. Unter dem Strich ein Erfolgsmodell für alle Beteiligten.

Freude an der chirurgischen Arbeit, Weiterbildung, flexible Unterstützung und Entlastung der Assistentenschaft, zufriedene Patienten in Folge motivierter Ärzte und last but not least Planungssicherheit für die Chefärztin.

Doch wo liegen die Probleme im operativen Alltag? Nicht jeder, insbesondere anspruchsvolle, chirurgische Eingriff lässt sich minutiös planen. Deshalb sind Teilzeitmitarbeiter nicht in jedem schneidenden Fach operativ uneingeschränkt einsetzbar. Häufig habe ich zum Beispiel „Working Moms“ in abteilungsinternen Nischen erlebt. Die stringente Weiterbildung – insbesondere im praktischen Segment – steht bei den jungen Absolventen oft zugunsten der Termintreue im konservativen Bereich zurück. Deshalb favorisiere ich für den Einsatz im OP tageweise Lösungen. Andererseits genießen Teilzeitmitarbeiter keinen Sonderstatus. Für die Akzeptanz im Team sind 100 Prozent persönlicher Einsatz, die konsequente Übernahme von Verantwortung, ehrliche Identifikation mit der eigenen Abteilung und ein Wir-Gefühl zu fordern. Ich habe arbeitende Eltern häufig als sehr gut strukturiert und organisiert erlebt. Wie Sie sehen handelt es sich bei Teilzeitmodellen in der Chirurgie um ein lernendes System! Derzeit beschäftigen wir einen Oberarzt im Rahmen einer Dreiviertelstelle.

Allerdings möchte ich es abschließend nicht versäumen, aus der täglichen Praxis einen Wehrmutstropfen in den Wein zu gießen. Um ein allgemeingültiges Patentrezept handelt es sich trotz aller Weiterentwicklung des Projektes leider nicht. Ein ähnliches Angebot für Mütter in Teilzeit, mittlerweile in einem Haus der Schwerpunktversorgung in Hamburg, scheiterte. Eine Kollegin wurde innerhalb der Elternzeit wieder schwanger, die andere fühlte sich mit einer Halbtagsstelle und drei Kindern praktisch überfordert.

Mit diesen Situationen konstruktiv und emotionsarm umzugehen, stellt eine Herausforderung an die Führungskräfte von Morgen dar. Soll heißen, es ist immer wieder zeitgerechtes, flexibles Querdenken gefragt. Das Leben und auch die Personalführung bedeuten Veränderung.

*Die Verwendung dieses oder vergleichbarer Begriffe erfolgt geschlechtsneutral.

Tonus C. Es muss nicht immer Vollzeit sein… „Working Moms“ in Teilzeit aus Sicht einer Chefärztin. Passion Chirurgie. 2015 März, 5(03): Artikel 02_05.

Kommunikation und Konfrontation zwischen chirurgischen Chefärzten und der Krankenhaus-Geschäftsleitung in Deutschland

Ergebnisse von Erhebungen unter chirurgischen Chefärzten (2011) und Krankenhausgeschäftsführern (2013)

Die Zusammenarbeit von leitenden Ärzten und Geschäftsführern stellt die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg einer Klinik dar. Jedes Jahr gilt es aufs Neue, durch eine sinnvolle Balance zwischen Erlösen und Kosten das Überleben des eigenen Unternehmens zu sichern. Die Institution „Krankenhaus“ ist unterfinanziert, der Druck im System entsprechend hoch.

2011 initiierte der Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC) eine Umfrage zur Management-Schnittstelle zwischen leitenden Chirurgen und Krankenhausmanagern [1]. Aufgrund der Brisanz des Themas folgte eine vergleichbare Studie der internistischen Chef- und Oberärzte im vergangenen Jahr durch die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) [2].

Um eine objektive Bewertung der Ergebnisse zu ermöglichen, bedurfte es zusätzlich des Meinungsbildes der deutschen Klinik-Geschäftsführungen. Daher führten wir 2013 – erstmalig in Zusammenarbeit des Verbands der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD) und des BDC – eine entsprechende Befragung der Geschäftsführer durch.

Zwischen den Erhebungen lag eine Zeitspanne von zwei Jahren. Aufgrund der Dynamik des Gesundheitssystems und der Kliniklandschaft ist davon auszugehen, dass in diesem Zeitraum bereits einige Veränderungen in den Kliniken und im Alltag des Umganges zwischen Geschäftsleitung und leitenden Ärzten realisiert wurden. Deshalb haben wir im folgenden Artikel nicht nur den Ist-Zustand bei den Geschäftsführern dargestellt, sondern uns durch Vergleich mit den Ergebnissen bei den leitenden Ärzten auch bemüht, Veränderungen über die Zeit von zwei Jahren heraus zu arbeiten.

Durch die Einführung von Fragen nach der Rentabilität der Krankenhäuser eröffnete sich außerdem die Option, das Kommunikations- und Kooperationsverhalten in Relation zum wirtschaftlichen Erfolg der Häuser zu analysieren. Dabei konnte in vielen Fragen erstmals die gefühlte Realität mit objektivierbaren Daten hinterlegt werden.

Allgemeines

Durchführung

Die Umfrage bei Geschäftsführern erfolgte in digitaler Form im Zeitraum September bis Oktober 2013 unter den Mitgliedern des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD). Dazu wurde das Marktforschungsinstrument SurveyMonkey eingesetzt und alle VKD-Mitglieder per E-Mail und Weblink eingeladen, sich an der Umfrage zu beteiligen.

Sowohl das Design der Umfrage, als auch die Formulierung der Fragen, lehnte sich an die vom BDC im Jahr 2011 durchgeführte Befragung von chirurgischen Chefärzten an. Dadurch werden die Ergebnisse der Umfragen vergleichbar, was wesentliches Ziel der Initiative war.

Beteiligung und Altersstruktur

Geschäftsführer (2013):

529 Antworten, Durchschnittsalter 50,4 Jahre

Chirurgische Chefärzte (2011):

641 Antworten, Durchschnittsalter 52,2 Jahre

Die Altersstruktur der Befragten entsprach in etwa dem bekannten Durchschnittsalter der Beschäftigten in unseren Krankenhäusern sowie dem Durchschnittsalter der chirurgischen Chefärzte.

87 % der teilnehmenden Krankenhausdirektoren waren Männer. Dem gegenüber standen 4 % Chefärztinnen der schneidenden Zunft bei der Umfrage 2011.

Klinikstrukturen

Die Schwerpunktverteilung der chirurgischen Abteilungen bei den Befragten entsprach der Häufigkeitsverteilung der einzelnen chirurgischen Fachdisziplinen in deutschen Krankenhäusern und der Verteilung bei der Umfrage der Chefärzte aus 2011. Als einzige Ausnahme waren die Chefärzte der Allgemein- und Viszeralchirurgie in der Chirurgenumfrage überrepräsentiert.

Die meisten Antworten erreichten uns aus Kliniken, die Abteilungen für Allgemein- und Viszeralchirurgie (335 Kliniken, 69 %) sowie für Orthopädie und Unfallchirurgie (354 Kliniken, 73 %) vorhalten. 15 % der Antwortenden (78 Kliniken) gaben an, über eine ungeteilte chirurgische Abteilung zu verfügen. In 39 % der jeweiligen Krankenhäuser (188) existierte eine eigenständige gefäßchirurgische Abteilung, Thoraxchirurgie (15 %) und Plastische Chirurgie (15 %).

Knapp die Hälfte (49 %) der Rückmeldungen erreichte uns aus Häusern der Grund- und Regelversorgung (Basisversorgung), ein Fünftel (22 %) aus Einrichtungen der Schwerpunktversorgung. Fachkrankenhäuser waren mit 10 %, Kliniken der Maximalversorgung mit 8 % vertreten. Ca. 5 % der verwertbaren Antworten kamen aus universitären Einrichtungen. Mit 23 Unikliniken haben sich – absolut gesehen – mehr als die Hälfte aller Universitätskliniken in Deutschland an der Umfrage beteiligt.

Sowohl bei der Verteilung der chirurgischen Fachdisziplinen, als auch bei der Versorgungsstufe ist das Portfolio der Rückmeldungen mit dem vergleichbar, das im Jahr 2011 bei den chirurgischen Chefärzten skizziert wurde.

Jeweils ca. 200 Antworten erreichten uns aus Kliniken in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft (39 %) und von gemeinnützig getragenen Häusern (44 %). Aus Kliniken in privater Trägerschaft kamen 75 Antworten (15 %). Damit sind die privaten Träger in dieser Umfrage im Vergleich zur Chefarztumfrage des BDC und zur Versorgungsrealität in Deutschland leicht unterrepräsentiert, was auf die Mitgliederstruktur des VKD zurückzuführen ist.

Kommunikation zwischen Geschäftsführern und leitenden Ärzten

Grundsätzlich hat die Kommunikation zwischen Geschäftsleitung und Chefärzten in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Insbesondere persönliche Gespräche und der E-Mail-Verkehr finden in nahezu allen Kliniken regelmäßig statt. Ebenso ist die Zahl der Gremiensitzungen gestiegen (Abb. 1).

Abb. 1: Kommunikationsalltag zwischen ltd. Ärzten und GF

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Einladung und Tagesordnung

Etwa 70 % der Befragten beider Seiten bestätigen die schriftliche Form der Gesprächseinladung, ein Viertel der Einladungen ergeht mündlich auf dem „kurzen Dienstweg“.

Der Einladung wird heute häufiger als noch vor drei Jahren eine Tagesordnung und/oder Tischvorlagen beigefügt. Nur noch bei einem Viertel (23 %) der Geschäftsführer erfolgt die Einladung ohne Detailangaben, bei der Chefarztumfrage war das noch bei einem Drittel der Befragten (32 %) der Fall. Trotz gestiegener Transparenz sehen die Autoren hier noch Verbesserungspotential für die Kommunikation auf Augenhöhe.

Bei gut 50 % beider Seiten ergeht die Einladung zum Gespräch binnen Wochenfrist, beim Rest mittel- und langfristig.

Gesprächsthemen

Die Häufigkeit der behandelten Themen wird von beiden Seiten ähnlich eingeschätzt. Spitzenreiter bilden typische Managementthemen wie strategische Leistungsplanung (80 %), Wirtschaftlichkeit (86 %), Budget (75 %) und Personalmanagement (78 %).

Aufgrund der mehrheitlich aus den unteren Versorgungsstufen kommenden Teilnehmer sind universitäre Themen wie Forschung und Lehre oder Drittmittel deutlich seltener Gesprächsthema zwischen Geschäftsführern und Chefärzten.

Interessant ist, dass der Trend zur sektorübergreifenden Versorgung und die Zusammenarbeit mit Niedergelassenen und MVZ nur bei einem Viertel der Befragten ein häufiges Thema von Gesprächen zwischen Geschäftsleitung und Chefärzten darstellt.

Einflussmöglichkeiten für beide Seiten

Das Vorhandensein und der Einsatz von Betriebssteuerungs- und Controllinginstrumenten hat sich deutlich verbessert. So gibt es in nahezu allen Kliniken ein strukturiertes monatliches Reporting und Kostentransparenz.

Die Hälfte der Chefärzte beklagte bei der Befragung 2011, keine Steuerungstools zur Verfügung zu haben. Dies sieht heute nach Angaben der Geschäftsführer erheblich besser aus. Dreiviertel der leitenden Ärzte sind mit Steuerungstools ausgestattet.

Nachholbedarf besteht nach Angaben der Geschäftsführer beim Transfer dieser Informationen innerhalb des ärztlichen Personals, was von den Chefärzten augenscheinlich anders wahrgenommen wird.

Managementrahmen, persönlicher Umgang und Wertschätzung

Auswirkungen von Selbstdarstellung und persönlichen Werthaltungen auf die Kommunikationskultur sind vorhanden und werden von beiden Seiten als weniger bedeutend eingestuft. Grundsätzlich attestieren die Geschäftsführer den leitenden Krankenhauschirurgen häufiger einen besseren Wertecodex.

Leitende Ärzte empfinden ihren Managementrahmen in höherem Maße problematisch als Geschäftsführer. Sie beklagen ein Ungleichgewicht bei Informationen und Steuerungsmöglichkeiten. So gibt mehr als die Hälfte der Chefärzte (60 %) an, trotz der übernommenen Verantwortung keine adäquaten Aktionsoptionen zu besitzen. Dies bestätigt nur ein Viertel (24 %) der Geschäftsführer.

Leitende Chirurgen empfinden zum Teil doppelt so häufig wie die Geschäftsführer problematische Wirkungen in ihrer Zusammenarbeit mit der „Gegenseite“ (Abb. 2). Es fehlt ihnen die fachliche Aussprache. Knapp 50 % der chirurgischen Chefärzte zweifelt an der Fachkompetenz ihrer Geschäftsführer, während nur 10 % der Geschäftsführer an der Fachkompetenz ihrer leitenden Ärzte zweifeln. Hier wäre es für die Chirurgen an der Zeit, dem Gegenüber mehr Vertrauen und Wertschätzung von dessen Arbeit und Kompetenz entgegen zu bringen.

Abb. 2: Erlebte problematische Wirkungen

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Die Mehrheit der Chefärzte und Geschäftsführer beklagt die Häufung administrativer Tätigkeiten sowie die unvollständige Umsetzung getroffener Entscheidungen; die Ärzte etwas mehr als die Geschäftsführer.

Im persönlichen Umgang scheinen chirurgische Chefärzte deutlich sensibler auf Störungen zu reagieren als die Geschäftsführer (Abb. 3). Leitende Ärzte hegen doppelt so häufig Misstrauen gegen die Geschäftsleitung wie umgekehrt. Auch die persönliche Wertschätzung der Gegenseite wird doppelt so häufig bemängelt.

Dem gegenüber schätzen gut zwei Drittel (70 %) der Geschäftsführer die Zusammenarbeit mit den leitenden Ärzten positiv ein.

Abb. 3: Störungen auf Beziehungsebene

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Mögliche Erklärung

Chefarzt und Geschäftsführer sind derzeit keine gleichberechtigten Partner in der Klinikführung. Die Letztentscheidung obliegt dem geschäftsführenden Direktor. Daher erklärt sich der höhere Leidensdruck der Mediziner.

Dem gegenüber korreliert der wirtschaftliche Erfolg eines Hauses mit dem persönlichen Umgang und der Wertschätzung gegenüber dem ärztlichen Führungspersonal. Hier wird direkt und nur selten per Brief kommuniziert (Abb. 4). Die Wege sind kurz, der Kontakt direkt und auch eine kurzfristige Einladung zu Gesprächen stellt kein Problem dar.

Abb. 4: Persönlicher Umgang und Wertschätzung

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Wirtschaftlich defizitäre Häuser scheinen doppelt so häufig Dominanz- und Machtkonflikte sowie Vertrauensdefizite zwischen Ärzten und Geschäftsleitung zu haben als es bei wirtschaftlich gesunden Kliniken der Fall ist (Abb. 5).

Abb. 5: Probleme auf der Beziehungsebene I

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Wirtschaftliche Verantwortung und Erfolgsbeteiligung leitender Ärzte

Tendenziell zeichnet sich die Tatsache ab, dass wirtschaftlich erfolgreiche Häuser ihr ärztliches Führungspersonal häufiger am Erfolg beteiligen. Wichtigste Instrumente für die Erfolgsbeteiligung bilden durchgängig in allen Trägergruppen Zielvereinbarungen und jährliche Strategiegespräche. Häufig kommen dazu monatliche Jour fixes.

Interessant ist der Vergleich der Höhe der Erfolgsbeteiligung im Verhältnis zum Grundeinkommen bei einzelnen Fachdisziplinen. Hierbei können wir auf Daten für drei unterschiedliche Gruppen im Krankenhaus zurückgreifen (Abb. 6):

Leitende Chirurgen (Umfrage BDC 2011)

Leitende Internisten (Umfrage DGIM 2014)

Leitende Ärzte aller Abteilungen (Umfrage VKD/BDC 2013)

Abb. 6: Erfolgsbeteiligung leitender Ärzte

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Dabei zeigt sich, dass der variable, sprich erfolgsabhängig Gehaltsanteil bei Chirurgen deutlich höher ausfällt als bei Internisten und anderen leitenden Ärzten. In cumulo erhalten über die Hälfte der leitenden Chirurgen eine Erfolgsbeteiligung von mehr als 10 % ihres Grundgehaltes, über ein Drittel mehr als 20 % des Grundgehaltes. Bei den anderen Fachgebieten bekommen laut den Umfrageergebnissen nur ein Viertel der leitenden Ärzte eine nennenswerte erfolgsabhängige Zusatzvergütung.

Wie diese Ergebnisse zu erklären sind, bleibt unklar. In die Befragung der Internisten wurden auch leitende Oberärzte einbezogen, was die Ergebnisse diesbezüglich verfälschen könnte. Eine Subgruppenanalyse in diesem Punkt fand in der Erhebung der DGIM nicht statt.

Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Erfolg sowie Kommunikation und persönliche Wertschätzung im Krankenhaus

Vorbemerkungen

Der Fragebogen der Geschäftsführer enthielt Fragen nach dem wirtschaftlichen Erfolg und zur Rentabilität des eigenen Krankenhauses. Dabei wurden drei Gruppen betrachtet:

Umsatzrentabilität < 0 % (d.h. Defizit)

Umsatzrentabilität zwischen 0 – 4 %

Umsatzrentabilität > 4 %

Diese Einteilung schafft eine gute Differenzierung bzgl. des wirtschaftlichen Erfolges von Krankenhäusern. Als wirtschaftlich erfolgreich gelten lediglich die Häuser der dritten Kategorie mit über 4 % Umsatzrendite, die der zweiten werden als potentiell überlebensfähig eingeschätzt. Dauerhaft defizitär arbeitende Häuser drohen mittelfristig vom Markt zu verschwinden oder bedürfen einer konstanten Bezuschussung [3].

Wir haben auf Basis dieser Fragestellung eine Subgruppenanalyse durchgeführt. Bei dieser werden alle Antworten der drei Rentabilitäts-Gruppen miteinander verglichen und auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede untersucht. Die zum Teil sehr interessanten Ergebnisse sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.

Zu beachten ist dabei, dass nur wenige der teilnehmenden Kliniken eine Rentabilität von mehr als 4 % ausweisen (57 Kliniken). Das sind lediglich 12 % aller Antworten. Die Datenbasis dieser Subgruppe ist deshalb im Gegensatz zur mittleren Rentabilitätsgruppe (251 Antworten, 52 %) und der Defizithäuser (141 Antworten, 29 %) eher dünn. Deshalb sind alle folgenden Aussagen mit einer gewissen Vorsicht zu interpretieren, auch wenn sie sehr interessant und naheliegend erscheinen.

Die wirtschaftlich erfolgreichen Häuser sind in der Mehrheit privat geführt (62 %). Die Hälfte der Kliniken mit einer Rendite zwischen 0 und 4 % sind gemeinnützig. Die Hälfte der defizitären Häuser (51 %) befindet sich in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft (Abb. 7).

Abb. 7: Krankenhausträger und wirtschaftlicher Erfolg

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Erfolgsbeteiligung

Wirtschaftlich erfolgreiche Häuser bieten ihren Chefärzten häufiger (ca. 80 % im Vergleich zu ca. 60 %) flexible Gehaltsanteile und eine finanzielle Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg (Abb. 8). Dabei setzen sie häufiger als die anderen Krankenhäuser Zielvereinbarungen und jährliche Strategiegespräche als Führungsinstrumente ein.

Abb. 8: Beteiligung leitender Ärzte am wirtschaftlichen Erfolg

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Das ist für die betroffenen Chefärzte eine sicher willkommene Entwicklung. Bei der Mehrheit der Ärzteschaft und der Bundesärztekammer trifft diese direkte Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg der eigenen Abteilung jedoch eher auf Widerstand. Die Mediziner fordern seit den Transplantationsskandalen eine völlige Entkopplung des wirtschaftlichen Erfolgs einer Abteilung oder Klinik von den Gehältern der ärztlichen Führungskräfte [4, 5].

Hier ist perspektivisch ein Mittelweg zu finden, da leitende Ärzte Verantwortung für den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Abteilung übernehmen wollen und sollen. Dabei besteht ein dauerhaftes Schisma zwischen fachlich-ethischen Grundwerten des Arztes und den gesellschaftlichen sowie wirtschaftlichen Erwartungen, die gerade an leitende Ärzte gestellt werden (siehe Artikel von Marcus Siebolds in dieser Ausgabe).

Formen der Kommunikation und Zusammenarbeit

Zusätzlich zu One-to-One-Gesprächen, die in allen Gruppen zu ca. 90% genutzt werden, scheint die Einbindung von Mitarbeitern in Unternehmensentscheidungen in Form von Kleingruppenarbeit und multiprofessionellen Teams zum wirtschaftlichen Erfolg beizutragen bzw. in wirtschaftlich erfolgreichen Häusern häufiger gelebt zu werden.

Gesprächsthemen und Transparenz

Geschäftsführer erfolgreicher Kliniken reden häufiger mit ihren leitenden Ärzten über Qualität und Klinik-Marketing (Abb. 9). Budgets und Wirtschaftlichkeit sind dagegen seltener Gesprächsthema (Abb. 10). Rentable Krankenhäuser kommunizieren seltener mit ihren leitenden Ärzten über Einsparungen und Sanierung.

Erfolgreiche Kliniken eruieren doppelt so häufig wie defizitäre Häuser mit ihren leitenden Ärzten sektorübergreifende Kooperationsformen. Das ist erstaunlich, da dieses Thema in der Gesamtübersicht der Gesprächsthemen eher unterrepräsentiert wird.

Abb. 9: Gesprächsthemen I

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Abb. 10: Gesprächsthemen II

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Erfolgreiche Kliniken verfügen am häufigsten über klinische Kostentransparenz und stellen ihren leitenden Ärzten zu 100 % ein strukturiertes monatliches Reporting zur Verfügung. Diese Datentransparenz wird doppelt so häufig auch in den nachgeordneten Hierarchieebenen der Ärzteschaft hergestellt, wie bei wirtschaftlich wenig erfolgreichen Häusern.

Interpretationsmöglichkeiten gibt es hier viele. Was ist Henne, was ist Ei? Wenn es einem Haus wirtschaftlich gut geht, muss in der Führung nicht permanent über die Ökonomie gesprochen werden. Es könnte aber auch sein, dass in rentablen Einrichtungen die Arbeitsteilung zwischen Geschäftsführung und ärztlicher Leitung besser funktioniert, weil sich die Partner gezielter auf die eigenen Kompetenzen konzentrieren können.

Eine weitere Erklärung wäre, dass durch besseres Reporting und Datentransparenz durch alle Hierarchiestufen der ärztlichen Mitarbeiter der Gesprächsbedarf bei wirtschaftlichen Themen geringer ist als in weniger erfolgreichen Häusern, denen diese Transparenz häufiger fehlt.

Persönliche Umgangsformen und wirtschaftlicher Erfolg

Die Form des persönlichen Umgangs und die gegenseitige Wertschätzung bilden weitere Erfolgsfaktoren.

Die leitenden Ärzte in wirtschaftlich erfolgreichen Häusern haben nach Ansicht ihrer Geschäftsführer ein klares Leitbild und gefestigte persönliche Werte. Wirtschaftlich defizitäre Häuser scheinen einen höheren Anteil an Egozentrikern in den Reihen der leitenden Ärzte verkraften zu müssen. Allerdings sei hier auch der Rückschluss erlaubt, dass permanenter Zahlendruck im täglichen Miteinander zu Sand im Getriebe führen kann.

Wirtschaftlich erfolgreiche Krankenhäuser haben ökonomisch kompetente leitende Ärzte. Allerdings bescheinigt hier auch die Mehrheit der Geschäftsführer ihren leitenden Ärzten gute bis ausreichende betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Diese Tatsache unterstützt das Anforderungsprofil an den modernen Chefarzt, das über die alleinige medizinische Leistungserbringung hinausgeht.

Die Geschäftsführer wirtschaftlich erfolgreicher Krankenhäuser schätzen die Zusammenarbeit mit ihren leitenden Ärzten am häufigsten positiv und sehr positiv ein (Abb. 11).

Abb. 11: Ökonomische Kompetenz leitender Ärzte

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Zusammenfassend lässt sich anhand der vorliegenden Erhebung und der differenzierten Betrachtung zum wirtschaftlichen Erfolg eindeutig belegen, dass Machtkonflikte, Vertrauensdefizite, ein fehlendes Leitbild sowie egozentrische Persönlichkeitsstrukturen den wirtschaftlichen Erfolg eines Krankenhauses schmälern. Kompetenter und respektvoller Umgang zwischen Geschäftsführung und leitenden Ärzten beeinflusst den wirtschaftlichen Unternehmenserfolg unabhängig von der Trägerschaft in positiver Weise.

Zusammenfassung

Unternehmenskultur, der persönliche Umgang zwischen den Führungsebenen, Transparenz und wirtschaftlicher Erfolg hängen in deutschen Kliniken eng zusammen und bedingen sich gegenseitig.

Mangelt es an einem dieser vier Punkte, sind Konflikte vorprogrammiert. Diese führen rasch zu zwischenmenschlichen und später zu wirtschaftlichen Problemen.

Der offenen und vertrauensvollen Kommunikation fällt die entscheidende Bedeutung für die Konfliktprävention und beim Krisenmanagement zu. An ihr muss quasi täglich und insbesondere in guten bzw. wirtschaftlich ruhigen Zeiten gearbeitet werden, um in kritischen Situationen den Faden zwischen Geschäftsführung und ärztlicher Leitung im Krankenhaus nicht abreißen zu lassen.

In der Konsequenz sollte es für alle Player mit Führungsverantwortung im Unternehmen Krankenhaus zum Selbstverständnis werden, dem Gegenüber in der ärztlichen oder kaufmännischen Leitung mit Respekt und Wertschätzung zu begegnen und Vertrauen zu entwickeln. Hier haben nach unseren Erhebungen die Chefärzte Nachholbedarf, auch wenn sicher schlechte Erfahrungen die Ursache für Misstrauen und Wertschätzungsdefizite sind.

Höchste Qualität und Patientenorientierung in der Leistungserbringung werden sich in Zukunft zu den entscheidenden Erfolgsfaktoren für deutsche Krankenhäuser entwickeln. Eine robuste kaufmännische Basis sowie qualifizierte, motivierte ärztliche und pflegerische Mitarbeiter sind wesentliche Erfolgsvoraussetzung. Hinzu kommt als Bindeglied eine vertrauensvolle und wertschätzende Kommunikation zwischen ärztlicher und kaufmännischer Führung sowie die Anerkennung und Entwicklung der Kompetenzen der jeweils anderen Ebene.

Den Verbänden der kaufmännischen Direktoren, der leitenden Ärzte und den großen Berufsverbänden fällt die Aufgabe zu, sich als Brückenbauer in den Prozess einer Annäherung der Leitungsebenen im Krankenhaus einzubringen und auf ihre Klientel motivierend und wo nötig moderierend einzuwirken. Nur gemeinsam können wir das Unternehmen Krankenhaus, im Großen wie im Kleinen, zukunftsfähig gestalten und auf die Veränderungen der kommenden Jahre vorbereiten.

Sitzung zum Thema „Qualität, Patientensicherheit, Wirtschaftlichkeit“

Kooperation und Kommunikation zwischen Verwaltungsleitung und leitenden Ärzten

Freitag, 27.02.2015, 15.00 – 18.00 Uhr

Auf dem Bundeskongress Chirurgie in Nürnberg (27.02. bis 01.03.2015)

Anmeldung und Informationen über: http://www.bundeskongress-chirurgie.de/index.html

Literatur

[1] T.Kapitza, C. Tonus, Kooperation oder Konflikt – Die Zusammenarbeit zwischen leitenden Chirurgen und Klinikgeschäftsleitung Passion Chirurgie, Q2 (2012), 7-15

[2] UR Fölsch, E Märker-Hermann, PM Schumm-Draeger et al. DGIM-Studie „Ärzte-Manager 2013“- Konfliktpotenzial im Krankenhaus: Die Zusammenarbeit zwischen ärztlicher und kaufmännisch-wirtschaftlicher Leitung. Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: 726-734

[3] VKD Geschäftsbericht 2013, S. 32.

[4] Empfehlungen zu leistungsbezogenen Zielvereinbarungen in Chefarztverträgen vorgelegt. Pressemitteilung der Bundesärztekammer vom 10.05.2013. http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=3.71.11025.11227.11237

[5] Gemeinsame Empfehlungen von VLK und VKD zur wirtschaftlichen Mitverantwortung des Leitenden Krankenhausarztes und zu Zielvereinbarungen vom 27.09.2013. http://www.vkd-online.de/der-vkd/veroeffentlichungen-stellungnahmen/20136/gemeinsame-empfehlungen-von-vlk-und-vkd-zur-wirtschaftlichen-mitverantwortung-des-leitenden-krankenhausarztes-und-zu-zielvereinbarungen-vom-27092013

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Langversion „Kommunikation und Konfrontation zwischen chirurgischen Chefärzten und der Krankenhaus-Geschäftsleitung in Deutschland“ mit zusätzlichen Grafiken

Tonus C. / Ansorg J. / Löbus P. Kommunikation und Konfrontation zwischen chirurgischen Chefärzten und der Krankenhaus-Geschäftsleitung in Deutschland. Passion Chirurgie. 2014 Oktober, 4(10): Artikel 02_03.

Editorial: Chefärzte in Bedrängnis

Eine Unternehmenskultur, die von Wertschätzung und Transparenz geprägt ist, begründet häufig wirtschaftlichen Erfolg. Insbesondere die vertrauensvolle Kommunikation auf Augenhöhe unter Führungskräften hat Vorbildfunktion für nachgeordnete Mitarbeiter.

Aber wie sieht die gelebte Praxis aus?

Im Jahr 2012 hat der BDC eine Umfrage zur Zusammenarbeit zwischen Geschäftsleitungen und Chefärzten publiziert. Aus Gründen der Objektivität folgte 2013 die Befragung aller geschäftsführenden Direktoren. Es handelt sich hierbei um ein gemeinsames Projekt mit dem Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VDK) und dem Verband der leitenden Krankenhausärzte (VLK). Der Vergleich der Studien – mit einem zeitlichen Versatz von zwei Jahren – zeigt nachweisbar eine Entwicklung in die richtige Richtung.

Ärzte müssen akzeptieren, dass sich die Rolle des modernen Chefarztes verändert hat. Unser Verantwortungsbereich umfasst nicht mehr ausschließlich die medizinische Leistungserbringung. Es ist ein Dreiklang zu bedienen zwischen fachlicher Kompetenz, Organisation der Abteilung mit existentieller Personalakquise, -entwicklung und -bindung sowie Repräsentation, visionärer Positionierung und wirtschaftlicher Steuerung. Im Gegenzug gilt es, den Managementrahmen des Chefarztes der betriebswirtschaftlichen Verantwortung anzupassen.

Allerdings gelingt die ökonomisch und menschlich erfolgreiche Zusammenarbeit nicht allerorts. Störungen auf der Beziehungsebene sind auf Dauer nicht immer vermeidbar. Daher ist eine gelebte konstruktive Konfliktkultur zu fordern. Die Chefarztposition stellt heutzutage keine sichere Lebensstellung mehr dar. Kündigungen gehören zum Alltag. In letzter Instanz ist der juristische Notfallkoffer (siehe Artikel „Juristischen Notfallkoffer für Kündigungssituationen“ in diesem Heft) gefragt.

Liebe Leserinnen und Leser, dieses Schwerpunktheft befasst sich mit den täglichen Herausforderungen an die individuelle Sozialkompetenz ärztlicher und kaufmännischer Führungspersönlichkeiten in deutschen Kliniken. Nur dann, wenn wir alle näher zusammen rücken, ist dem politisch tolerierten Druck im Gesundheitssystem mit schwindenden personellen und materiellen Ressourcen effektiv zu begegnen. Die Zeiten des Klassenkampfs sollten längst der Vergangenheit angehören. Wir tragen eine gemeinsame Verantwortung für die Zukunft!

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Carolin Tonus

Tonus C. Editorial: Chefärzte in Bedrängnis. Passion Chirurgie. 2014 Oktober; 4(10): Artikel 01.

Kooperation oder Konflikt – Die Zusammenarbeit zwischen leitenden Chirurgen und Klinik-Geschäftsleitungen

Ergebnisse der BDC-Umfrage 2011 zur Management-Schnittstelle zwischen leitenden Chirurgen und Krankenhausmanagern (Kurztitel: „CHIRURG-MANAGER“)

In der Hochleistungsorganisation “Krankenhaus” ist die vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit zwischen ärztlichen Führungskräften und den kaufmännischen Geschäftsleitungen ein wichtiger Einflussfaktor für wirtschaftlichen Erfolg und medizinische Leistungsqualität – so lautet wenigstens die theoretische Anforderung. Wie sich die Zusammenarbeit zwischen leitenden Ärzten und Krankenhausmanagern im betrieblichen Alltag tatsächlich gestaltet, hat der BDC mit einer umfangreichen Online-Umfrage im Zeitraum September bis November 2011 ermittelt.

Die Befragungsergebnisse ergeben ein vielschichtiges und prägnantes Gesamtbild der Einschätzungen ärztlicher Führungskräfte chirurgischer Kliniken über die Zusammenarbeit mit kaufmännischem Leitungspersonal in deutschen Kliniken. Hierbei ist den Verfassern bewusst, dass die beschriebenen Managementschnittstellen je nach Klinik, Trägerschaft und handelnden Personen extrem unterschiedlich ausgeprägt sind.

Diese Befragung stellt die umfangreichste Erhebung zur Management-Schnittstelle „Leitende Ärzte vs. Geschäftsführungen/Geschäftsleitungen“ dar, die bisher in Deutschland durchgeführt wurde.

Allen Beteiligten sei an dieser Stelle herzlich gedankt für Ihr Mitwirken!

Methodik und Basisdaten

Grundlage war ein strukturierter Online-Fragebogen mit insgesamt 89 Detailfragen und drei zentralen Themenbereichen:

  • Prolog Krankenhausstatistik
  • Prolog Fragen zur Person
  • Themenbereich 1: Organisation des Gesprächsrahmens zwischen
    ärztlichen Führungskräften und Managern
  • Themenbereich 2: Fragen zum Arbeitsalltag mit der Geschäftsführung
  • Themenbereich 3: Typische Konflikte und Konfliktmanagement

In die Auswertung sind 649 Fragebögen eingegangen.

Berufliche Position der Befragten

89 % der Befragten waren zum Erhebungszeitpunkt Chefarzt/Chefärztin oder Ordinarius, zusätzlich haben 44 ärztliche Direktoren (7 %) und 22 (3 %) sonstige Ärzte (darunter 8 ltd. Oberärzte) teilgenommen. 96 % (614) der Befragten waren männlich, 4 % (27) waren weiblich.

Erfolgskomponente im Dienst-/Arbeitsvertrag

25 % der Befragten hatten Dienst-/Arbeitsverträge mit Fixgehalt ohne Erfolgskomponente. 38 % der Befragten hatten eine vertragliche Erfolgskomponente zwischen 1 bis 20 %, und 36 % der Befragten konnten zusätzlich eine Erfolgskomponente von mehr als 21 % des Fixgehalts realisieren.

Altersstruktur der Befragten

Die nachfolgende Tabelle stellt die Altersstruktur der Befragten dar:

Chirurgische Schwerpunkte der Abteilungen

Die Befragten vertreten mit ihren Abteilungen die folgenden chirurgischen Schwerpunkte (Mehrfach-Nennungen waren möglich):

Abteilungen mit allgemeinchirurgischen und viszeralchirurgischen Schwerpunkten (655) stellten zusammen mit Abteilungen für Orthopädie und Unfallchirurgie (283) insgesamt 84 % der benannten Spezialisierungen.

Befragte nach Krankenhaus-Versorgungsstufe

Die befragten Ärzte/Ärztinnen sind in Krankenhäusern der folgenden Versorgungsstufen tätig:

35 % (222) der befragten Ärzte/Ärztinnen arbeiten in Krankenhäusern öffentlicher Trägerschaft, 44 % (279) haben frei-gemeinnützige Träger, und 21 % (140) sind in Kliniken mit privater oder sonstiger Trägerschaft tätig.

Betriebsgrößen

Dabei wiesen 20 % (131) dieser Krankenhäuser eine Betriebsgröße von weniger als 200 Betten auf. 358 Krankenhäuser (56 %) hatten zwischen 201 bis 600 Betten, 21 % (157) der Krankenhäuser hatten 601 Betten oder mehr, davon 60 Kliniken mit mehr als 1000 Betten.

Wichtige Ergebnisse der Themengruppe 1:

Organisation des Gesprächsrahmens zwischen ärztlichen Führungskräften und Managern

Ziel der Datenerhebung in dieser Themengruppe war es herauszufinden, wie strukturiert die Gespräche und Treffen zwischen leitenden Ärzten und der Krankenhaus-Geschäftsleitung im Alltag organisiert sind:

        • Was sind die typischen Anlässe für Gespräche zwischen leitenden Ärzten und Krankenhausmanagern?
        • Wie erfolgt die Einladung zum gemeinsamen Meeting?
        • Wie lang vorher wird zur Besprechung durch die Geschäftsleitung eingeladen?
        • Wie vollständig ist die Vorabinformation zur Besprechungsagenda?
        • Wie ist die typische Gesprächssituation (Teilnehmer)?

Hintergrundthese hierbei ist die Annahme, dass sich insbesondere durch eine professionelle Meetingvorbereitung die Erfolgschancen eines gemeinsamen und formal fairen Gesprächs erhöhen.

        • Gesprächsanlässe
          Als häufige Anlässe für solche Gespräche wurden Einzelthemen (27 %), Meetings im Rahmen von Gremienarbeiten (19 %), Spontane Idee ärztlicherseits (18 %) und spontane Idee seitens der Geschäftsleitung (16 %) benannt. Personalgespräche und sonstige Anlässe machen insgesamt mit 21 % aus.
        • Form der Einladung
          66 % (412) aller Nennungen wurde eine schriftliche Einladung zur Besprechung zugesandt, 34 % (214) aller Einladungen erfolgten mündlich oder nicht-schriftlich (siehe Tabelle 4). Bei mehr als der Hälfte aller Gesprächseinladungen (58 %) erfolgte diese ohne schriftliche Tagesordnung. Die Verfügbarkeit verbindlicher weil schriftlich fixierter Vorabinformationen für die Ärzteseite war damit relativ gering. Keine gute Voraussetzung für Interaktion und Verhandlungen auf gleicher Augenhöhe!

        • Vorabinformation zur Besprechungsagenda
          In einer Zusatzfrage wurde deshalb das Thema der Vorabinformation des ärztlichen Gesprächspartners/-in vertiefend nachgefragt (siehe Tab. 5): Nur in 23 % (139) aller Fälle wird das Einladungsschreiben mit vollständiger Tagesordnung und allen Tischvorlagen zusammen dem ärztlichen Gesprächspartner übersandt! So entstehen erhebliche asymmetrische Informationsstände. Einer effizienten (weil beiderseits vorbereitbaren) und fairen, weil ohne einseitige Informationsvorsprung stattfindenden Führungskräfte-Besprechung, wird damit nur bedingt Vorschub geleistet. Solche verbesserungsfähigen Gesprächsvorbereitungen unter Führungskräften in anderen Wirtschaftsbranchen bei Unternehmen vergleichbarer Umsatzgrößen würden sicher als optimierbar angesehen.

        • Zeitlicher Vorlauf zur Besprechung
          Mit welchem zeitlichen Vorlauf wird zu Besprechungen eingeladen? 61 % (381) aller Einladungen erfolgen mit einem zeitlichen Vorlauf von bis zu einer Woche. Mittel- und langfristige Terminvorläufe werden bei 39 % aller Einladungen eingeplant.
        • Typische Gesprächsgruppen-Situation
          Nur 37 % (232) aller Gespräche zwischen leitendem Arzt/Ärztin und der Geschäftsführung werden als Vier-Augen-Gespräch „Face-to-Face“ durchgeführt. In 56 % aller Gespräche sind mehr als zwei Personen anwesend (Kleingruppen-Gespräche). Hierin sind auch 14 % Gespräche multiprofessioneller Gruppen enthalten. Es fällt auf, dass Vier-Augen-Gespräche auf Führungskräfte-Ebene nur relativ wenig genannt wurden.

Wichtige Ergebnisse der Themengruppe 2:

Fragen zum Arbeitsalltag ärztlicher Führungskräfte

Ziel der Datenerhebung in dieser Themengruppe war es herauszufinden, wie strukturiert die betriebliche Zusammenarbeit zwischen leitenden Ärzten und der Krankenhaus-Geschäftsleitung im Alltag organisiert ist:

          • In welchem Rahmen arbeiten leitende Ärzte überwiegend mit der Geschäftsführung/Geschäftsleitung zusammen?
          • Was sind die typischen Themen der Zusammenarbeit?
          • Wie schätzen ärztliche Führungskräfte die routinemäßige Umsetzung der praktischen Betriebssteuerung/Controlling ein?

Hintergrundthese hierbei ist die Annahme, dass sich eine effiziente und partnerschaftlich orientierte Zusammenarbeit ärztlicher und kaufmännischer Führungskräfte in Form und Inhalt auf alle wichtigen betrieblichen Fragestellungen beziehen muss. Die gemeinsam vereinbarten Ziele und Vorgehensweisen sollten wirksam umgesetzt werden.

          • Rahmen der Zusammenarbeit zwischen leitenden Ärzte und der Geschäftsführung/Geschäftsleitung
            Der typische Rahmen der Zusammenarbeit ist in der nachfolgenden Tabelle 6 dargestellt: Sehr häufig oder häufig treffen sich die Führungskräfte bei Gremienbesprechungen (66 %), tauschen E-Mails (62 %) aus, oder sprechen miteinander persönlich (54 %). Selten oder sehr selten werden Geschäftsbriefe geschrieben (11 %), was angesichts der mit dem geschriebenen Wort verbundenen Verbindlichkeitswirkung, trotz der Arbeitsmühe des Brief-Verfassens, kritisch hinterfragt werden sollte.

          • Was sind die typischen Themen der Zusammenarbeit?
            Die typischen Themen der Zusammenarbeit zwischen leitenden Ärzten und kaufmännischen Führungskräften sind in Tabelle 7 nach ihrer Häufigkeit dargestellt:

            Es fällt auf, dass sich Häufigkeitsbezogen drei große Themenblöcke ergeben:

            a.   Der „Geld-Finanzen-Block“ mit den sehr häufigen oder häufigen gemeinsamen Themen

               Strategische Leistungsplanung (70 %)

               Wirtschaftlichkeit (66 %)

               Budgetfragen/Budgetplanung (62 %)

               Einsparungen/Sanierung (57 %)
            Personalmanagement (48 %)

            b.   Der „Betrieb-Block“ mit den seltenen oder sehr seltenen gemeinsamen Themen

               OP-Management (43 %)

               Qualitätsmanagement (42 %)

               Klinik-Marketing (40 %)

               Marktbearbeitung (38 %)

               Sachmittel-Management (38 %)

               Infrastruktur (Bau/Geräte) (34 %)

               Zusammenarbeit mit MVZ und Niedergelassenen (30 %)

               Führungsthemen der Geschäftsführung/Geschäftsleitung (24 %)

               Führungsthemen des ltd. Arztes (22 %)

               Diagnostische Ausstattung 22 %)

               Stationsbetrieb (19 %)

               Betrieb Intensiv-Bereich(e)/Aufwachräume (17 %)

            c.   Der „Wissen-Block“ mit den laut Erhebung so gut wie nie besprochenen gemeinsamen Themen

               Drittmittel-Themen (3 %)

               Forschung und Lehre (2 %)

            Das Ergebnis lässt sich etwas salopp-verkürzt wie folgt zusammenfassen: Kaufmännische Geschäftsleitungen sprechen mit leitenden Ärzten vor allem häufig über Geld oder Finanzen. Das Thema „Strategische Leistungsplanung“ kann hierbei, vor dem Hintergrund der anderen Antwortmöglichkeiten zu dieser Frage und aus der gelebten Praxis in vielen Häusern heraus, letztlich meist auch als „Budgetthema“ oder „Finanzthema“ interpretiert werden.

            Über betriebliche Fragen der chirurgischen Fachabteilungen wird deutlich seltener gesprochen, über Themen wie „Drittmittel“ und „Forschung & Lehre“ (aus Sicht der Gesamterhebung) so gut wie nie. Es kann sein, dass insbesondere die Angaben der 33 beteiligten Unikliniken natürlich auch in der Gesamtstichprobe der Erhebung mit ihren hunderten von Kliniken statistisch marginalisiert worden sind.

            Würden die Geschäftsleitungen und ärztliche Führungskräften umfassender miteinander kommunizieren, vor allem auch über den Themenbereich „Betrieb-Block“, könnten sicherlich neue Chancen und Ressourcen im gemeinsamen Management genutzt werden. Hier scheint es noch erhebliche Defizite bezüglich einer gemeinsamen Managementagenda zu geben.

          • Wie schätzen ärztliche Führungskräfte die routinemäßige Umsetzung der praktischen Betriebssteuerung/Controlling ein?Damit leitende Ärzte in einem arbeitsteilig angelegten Managementprozess ihren Steuerungsbeitrag zum Gesamtunternehmen einbringen können, ist es unverzichtbar, diese Personengruppe hierfür auch situationsbezogen und „Werkzeug-bezogen“ in die Lage zu versetzen.Die in dieser Frage betrachteten Sachverhalte wurden deshalb vor dem Hintergrund der Annahme nachgefragt, dass vor allem fünf wesentliche Managementbereiche wichtige Schnittstellen bzw. Vorbedingungen einer konstruktiven und effizienten Zusammenarbeit zwischen Leitenden Chirurgen/Chirurginnen und kaufmännischen Führungskräften darstellen sollten:

            1)   Erfolgsfaktor Information: Wird den leitenden Ärzten ein strukturiertes monatliches Reporting von der Geschäftsführung/Geschäftsleitung bereitgestellt?

            2)   Erfolgsfaktor Projektmanagement: Werden für gemeinsame Themen (verantwortungsadressierend) sogenannte Themen-Verantwortliche benannt?

            3)   Erfolgsfaktor Transparenz I: Haben die ärztliche Führungskräfte eine klinische Kostentransparenz für ihre Fachabteilung?

            4)   Erfolgsfaktor Transparenz II: Gibt es eine Datentransparenz Top-Down (Chefarzt -> Assistenzarzt) in der Fachabteilung?

            5)   Erfolgsfaktor Steuerung vor Ort: Werden den leitenden Ärzten Steuerungstools zur Verfügung gestellt?
            Das Befragungsergebnis hierzu ist in der nachfolgenden Tabelle dargestellt:

            Das für leitende Chirurgen/Chirurginnen unerfreuliche Befragungsergebnis:

              Beim Thema „Klinische Kostentransparenz“ empfinden 41 % der Befragten die Situation als „schlecht/sehr schlecht“ oder sagen schlichtweg: Nicht vorhanden! Die Frage drängt sich auf: Wie soll erfolgreich gesteuert werden, wenn eine wichtige Grundlage hierfür fehlt? Die Verantwortlichkeit hierfür im Sinne einer Bereitstellung der erforderlichen Informationen liegt nach Meinung der Verfasser bei der Geschäftsführung/Geschäftsleitung.

              Bei der Frage nach existierenden Steuerungsinstrumenten, also letztlich nach den entscheidenden Hebeln ärztlichen Ressourcenmanagements, gaben sogar 49 % der Befragten an, dass diese „schlecht/sehr schlecht“ oder „nicht vorhanden“ seien. Unter diesen Bedingungen chirurgische Führungskräfte zu wirtschaftlich wirksamen Steuerungsmaßnahmen durch die Krankenhaus-Geschäftsführungen verpflichten zu wollen, erscheint sehr problematisch!

Wichtige Ergebnisse der Themengruppe 3:

Typische Konflikte und Konfliktmanagement

Das die berufliche Zusammenarbeit zwischen Berufsgruppen sehr unterschiedlicher professioneller Konditionierung nicht immer konfliktfrei sein kann, ist offensichtlich. Deshalb wurde in dieser Befragung auch danach gefragt, was besonders stört in der Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung/Geschäftsführung des Hauses:

            • Themenkreis „(persönliche) Beziehungsebene“
            • Themenkreis „Managementrahmen als Arzt“
            • Themenkreis „Erlebte problematische Wirkungen“

Für alle drei Fragestellungen wurde eine vertiefende Auswertung der Befragungsergebnisse durchgeführt.

            • Themenkreis „(persönliche) Beziehungsebene“
              Tabelle 9 fasst die Antworten zusammen. Das Ergebnis ist schnell beschrieben: Es menschelt, wie überall im Leben, auch zwischen Führungskräften in Krankenhäusern.

              Was allerdings verwundert, ist der hohe Anteil des häufigen Anstoßnehmens leitender Ärzte am persönlichen Benehmen der kaufmännischen Führungskräfte (41 %) im Unternehmen. Verspürte Wertschätzungsdefizite (35 %) und stattfindende Dominanz- statt Sachkonflikte (32 %) werfen einen Schatten auf das professionelle Beziehungsmanagement von Geschäftsleitungen und Geschäftsführungen gegenüber „ihren Ärzten/Ärztinnen“. Die hieraus entstehenden Konflikte und Zerwürfnisse sind aller Erfahrung nach ein Indiz für letztlich unprofessionelles Verhalten, unabhängig von Auslöserfragen. Das gilt auch für den im beruflichen Alltag nachvollziehbaren Fall, dass auf beiden Führungskräfte-Seiten berufliche „Alphatiere“ durchaus vehement aufeinandertreffen können und dabei Gefahr laufen, ihre Energien sinnlos in Konflikten zu vergeuden, statt diese Energie in die gemeinsamen Aufgaben einzubringen.

            • Themenkreis „Managementrahmen als Arzt“
              Tabelle 10 fasst die Befragungsantworten zusammen. Das Ergebnis ist eindeutig und durchaus bestürzend:

              Alle wichtigen Faktoren für den absehbaren Misserfolg ärztlicher Managementbemühungen sind leider mit signifikanten Anteilen als „sehr häufig“ bzw. „häufig“ vertreten:

              Verantwortlich-sein ohne Aktionsmöglichkeit 61 % aller Antworten
              Fehlende Datentransparenz für Sie (ltd. Ärzte) 49 % aller Antworten
              Fehlende Informationen von der GF/GL 47 % aller Antworten
              Zeitdruck bei der Entscheidungsvorbereitung 47 % aller Antworten
              Unklares Leitbild der Zusammenarbeit ltd. Arzt/GL 43 % aller Antworten
              Unklare persönliche Werthaltungen der GL/GF 40 % aller Antworten
              Die egozentrische Selbstdarstellung der GL/GF 31 % aller Antworten

              Diese Antworten müssen aus Sicht der Verfasser auch der Kern eines Katalogs von Anforderungen sein, welche zukünftig an die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen den „Medizinexperten“ und den „Managementexperten“ zu stellen sind.

              Es handelt sich hier aus Sicht der Verfasser nicht um unverrückbare Gegebenheiten, sondern um eine von Seiten des Krankenhausmanagements mit Unterstützung der chirurgischen Führungskräfte aufzuarbeitende Managementagenda!

              Eine Detailbetrachtung der Zusammenhänge bei den Negativbewertungen (siehe Tab. 11) ergab ein deutliches Bild:

              Diese Teilanalyse zeigt deutlich auf, dass insbesondere die Sachverhalte

                 fehlende Existenz von Steuerungstools für ärztliche Führungskräfte und

                 geringe klinische Kostentransparenz

              bei den negativen Einschätzungen des Managementrahmens für ärztliche Führungskräfte durch leitende Chirurgen/Chirurginnen zusammenhängen.

            • Themenkreis „Erlebte problematische Wirkungen“
              Tabelle 12 betrachtet die konkreten Eindrücke und Auswirkungen der optimierungsfähigen Management-Schnittstelle zwischen ärztlichen Führungskräften und Krankenhausmanagern:

              Die hier signifikant mit „sehr häufig“ oder „häufig“ ausgeprägten Befragungsergebnisse sind ein klarer Katalog derjenigen Sachverhalte und Situationen, die einen wirksamen Managementbeitrag Leitender Chirurgen/Chirurginnen zum Gesamterfolg des Krankenhauses massiv behindern:

              Verlagerung administrativer Arbeit auf Mediziner 68 % aller Antworten
              Unvollständige Umsetzung der Entscheidungen 55 % aller Antworten
              Kein Vorteil aus erfolgreichem Managen erzielbar 48 % aller Antworten
              Unklare Fachkompetenz Ihrer Gesprächspartner 46 % aller Antworten
              Beteiligung an Entscheidung und Umsetzung? 45 % aller Antworten
              Asynchrone Arbeitszeiten Mediziner/Verwaltung 43 % aller Antworten
              Unzureichende fachliche Aussprache 41 % aller Antworten
              Politiklastigkeit statt Unternehmensorientierung 29 % aller Antworten

              Diese Antworten zeigen deutlich auf, warum in der Fachöffentlichkeit immer wieder solche Themen mit Vehemenz berufsständisch diskutiert werden und weiterhin offensiv eingefordert werden sollten.

Zusammenfassung und Ausblick

Die vorliegende BDC-Befragung zeigt deutlich auf, wo aus Chirurgensicht managementbezogen an der Schnittstelle zur Geschäftsführung/Geschäftsleitung in Krankenhäusern die „großen Hasen im Pfeffer liegen“ können:

            • Organisationsdefizite (Rahmenaspekt):
              Die Vorbereitung und Durchführung von Gesprächen und Meetings zwischen diesen beiden Gruppen von Führungskräften ist optimierbar. Im Sinne eines partnerschaftlichen Miteinanders sollte hier mehr Sorgfalt auf die „formalen Dinge“ gelegt werden. Insbesondere eine vollständige Vorinformation der Ärzte/Ärztinnen durch die Krankenhausmanager (Agenda/ TOPs/alle Tischvorlagen) kann eine effiziente Besprechung auf Basis von „Vorinformiertheit“ beider Seiten gut vorbereiten.
            • Themendefizite (typische Themen der Zusammenarbeit):
              Wenn Krankenhausmanager mit Chirurgen hauptsächlich nur über Geld und Finanzen sprechen, erscheint dieses zu wenig, angesichts der häufig nutzbaren exzellenten Betriebskenntnisse der Mediziner im komplexen täglichen Krankenhausbetrieb. Gute Chancen zur gemeinsamen Themenbearbeitung sind nur eingeschränkt erzeugbar. Eine umfassendere Managementagenda zwischen den beiden Führungsgruppen als Ausgangspunkt gemeinsamen Handelns sollte festgelegt werden.
            • Informationsdefizite (Steuerungsinformationen für Ärzte):
              Klinische Kostentransparenz ist eine der wichtigsten Anforderungen, um leitende Ärzte in die Lage zu versetzen, tatsächlich in der Klinik betriebspraktisch steuern zu können. Hier gibt es offensichtlich Bedarf, den Medizinern die relevanten Informationen adressatengerecht zur Verfügung zu stellen.
            • Defizite bei Managementinstrumenten (Steuerungsinstrumente):
              So wenig wie Chirurgen ohne OP-Besteck erfolgreich operieren könnten, so wenig können sie als „Nicht-Kaufleute“ ihre Kliniken im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten ohne geeignete betriebswirtschaftliche Steuerungsinstrumente managen. Das hier häufig Hilflosigkeit empfunden wird, z. B. ein Gefühl des Verantwortlich-seins ohne Aktionsmöglichkeit, sollte dem Krankenhausmanagement dann zu denken geben.
            • Defizite im Umgang miteinander (Wertschätzungsdefizite):
              Partnerschaftlichkeit und vertrauensvolle Kooperation zwischen den beiden Berufsgruppen funktioniert friktionsarm nur dann, wenn die Beziehungsebene zwischen den Protagonisten intakt ist. Dafür Sorge zu tragen, gehört zu den wichtigsten professionellen Pflichten von Führungskräften, die miteinander erfolgreich sein wollen und müssen. Wenn Wertschätzungsdefizite oder andere störende „weiche Faktoren“ aus Sicht einer der beiden Führungsgruppen gesehen werden, ist deren unverzüglicher Abbau eine wichtige Anforderung.

Der BDC hat vor diesem, bisher in Teilen durchaus bekannten, in seiner Gesamtschau mit der vorliegenden Befragung aber empirisch präzisierten Hintergrund, bereits wichtige Service- und Fortbildungsangebote aufgebaut.

Viele der in dieser CHIRURG-MANAGER-Befragung beschriebenen Sachverhalte und Anforderungen sind bereits Inhalte angebotener Managementkurse wie z. B. der BDC-Seminarreihe Simplify your hospital. Selbstmanagement, Verhandlungskompetenz oder Managertools für Ärzte werden als wichtige Kompetenzbausteine komplementär zur medizinischen Spezialistenexpertise vermittelt. Die BDC-Angebote werden hierfür, auch mit externer Unterstützung, kontinuierlich weiterentwickelt.

Der mit dieser umfassenden Befragung weiter vorangetriebene Diskussionsprozess der chirurgischen Ärzteschaft mit den Gesprächspartnern im Krankenhaus- und Trägermanagement sollte intensiv fortgesetzt werden: Zum Wohle der Patienten, welche eine hochqualitative chirurgische Versorgung erwarten. Und für den in kooperativ-partnerschaftlicher Weise gemeinsam durch ärztliche und kaufmännische Führungskräfte anzustrebenden Erfolg der einzelnen Abteilung und des gesamten Krankenhauses!

Schach,

BDC|Landesverband Hessen

Jahresbericht 2009

2009 ist Geschichte – 2010 liegt vor uns. Gestatten Sie mir, einen Moment innezuhalten und das Vergangene Revue passieren zu lassen.

Das Jahr 2009 startete mit einer Protestwelle gegen die neu implementierten Regelleistungsvolumina. Der Vizepräsident des BDC, Dr. Rüggeberg, bezeichnete diese treffend als eine „nicht für möglich gehaltene Steigerung der gegenwärtigen Budgetierungsorgie“. Verbunden mit viel persönlichem Engagement wurden allen Mitgliedern beispielhafte Vorlagen für Protestschreiben zur Verfügung gestellt. Rückblickend gestaltete sich das letzte Jahr für die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen in Hessen besser als erwartet. Faktische Auswirkungen für 2010 bleiben abzuwarten.

Inwieweit der Regierungswechsel mit schwarz-gelber Koalition (auch) als Folge der politischen Positionierung der Ärzteschaft zu werten ist, obliegt der individuellen Beurteilung und Phantasie eines jeden Einzelnen von uns!

Im März und November fanden die Jahrestagungen des BDC Hessen in Offenbach und Frankfurt am Main statt mit einer jeweils gelungenen Mischung aus Fortbildung und Berufspolitik auf Landes- und Bundesebene. Rüggeberg überbrachte im Frühjahr Aktuelles aus Berlin. Im Herbst wurden die Regionalvertreter Dr. Henrich und Sailer im Amt bestätigt. Ein Wermutstropfen: Die Teilnehmerzahlen waren mit ca. 15 bis 30 Mitgliedern aus meiner Sicht nicht zufriedenstellend.

Harte Fakten 2009: 4 Vorstandssitzungen, 2 Fortbildungsveranstaltungen, 2 BDC Weiterbildungsseminare in Frankfurt und Kassel, Mitgliederzahl 2008: 977, 2009: 983 (plus 6), keine Beitragsrückstände.

Als Reaktion auf das Märzheft „Der Chirurg BDC“ hat sich Kollege Sailer als Regionalvertreter unseres Bundeslandes öffentlich für die Freiberuflichkeit nieder-gelassener Chirurgen und die Beanspruchung des konservativen Behandlungs-segmentes unserer Zunft positioniert (BDC/Online – 01.11.2009).

Das erweiterte Präsidium tagte Ende November in Berlin. Professor Polonius begrüßte die gute Zusammenarbeit von BDC und HCV in Hessen. Die „Befriedung“ der chirurgischen Interessensvertreter sei gelungen, die Rückmeldungen der Mitglieder durchweg positiv. Die Landesvertreter berichteten einhellig, dass es zunehmend schwieriger sei, Angehörige des BDC zu „motivieren“. In Sachsen wurden zuletzt Eventmanager zwecks Attraktivitätssteigerung der Jahrestreffen engagiert. Es drängte sich mir die Frage auf, ob dies ein Spiegel unserer zukünftigen berufspolitischen Ambitionen sein soll?

Beschlussfassungen auf Bundesebene: Prof. Jähne übergibt die Akademie-Leitung des BDC an die Kollegen PD Dres. Krones und Schröder – Der Chirurgentag wird zukünftig im Frühjahr stattfinden – Die gemeinsame Nutzung administrativer Ressourcen durch die verschiedenen chirurgischen Fachgebiete wurde lebhaft diskutiert.

Bundesweit führte der BDC eine Aktualisierung der Datenbanken für chirurgische Kliniken, Krankenhäuser und Praxen durch. Einen Schwerpunkt der Umfrage stellten die Themen „Weiterbildungsermächtigung und Weiterbildungsangebote“ dar. Hintergrund war und ist der zunehmend flächendeckend spürbare Ärztemangel – auch und insbesondere für das Fachgebiet der Chirurgie.

Wie angekündigt haben wir uns im vergangenen Jahr schwerpunktmäßig den Sorgen der Krankenhausärzte gewidmet. Grundlage bildete eine Umfrage an alle Chefärzte und Weiterbildungsermächtigte im Juli 2009 in Hinblick auf den ärztlichen „Ist-Zustand“ chirurgischer Abteilungen. Sowohl Stellenbesetzungen als auch Weiterbildungsoptionen wurden thematisiert.

Ziel der Befragung ist die Gründung eines „Weiterbildungsnetzes in Hessen“ als Pilotprojekt für Deutschland. Denkbar erscheinen Rotationen zwischen Krankenhäusern unterschiedlicher Versorgungs¬stufen, um junge Ärzte zeitgerecht zur jeweiligen Facharztprüfung führen zu können. Die hohe Zahl an Rückmeldungen spiegelt sowohl Interesse als auch Leidensdruck aller Beteiligten wider.

Im Januar 2010 werde ich Ihnen die Umfrageergebnisse präsentieren sowie ein Brainstorming in Hinblick auf die praktische Umsetzung des Weiterbildungsnetzes in Hessen initiieren:

Abschließend möchte ich es nicht versäumen, meinen Vorstandskollegen für die kooperative und kollegiale Zusammenarbeit zu danken. Die chirurgischen Arbeits-felder haben sich derart spezifiziert, dass das „Know-how“ aus den Bereichen Niederlassung, Belegarztwesen und Krankenhaus unabdingbar ist. Gemeinsam decken wir alle Tätigkeitsfelder ab. Unser Erfolg basiert auf gegenseitiger Wert-schätzung, inhaltlichem Austausch und Bündelung fachübergreifender Interessen.

Wenn Sie mich nach meinem persönlichen Ziel für 2010 fragen, so wünsche ich mir mehr Teilnahme und aktive Mitarbeit Ihrerseits. Das Angebot des BDC steht – nutzen Sie es!