Alle Artikel von Holger Wannenwetsch

Zeitplan für NRW-Krankenhausreform steht

Der Landes­ausschuss für Krankenhausplanung hat am Mittwoch (10.8.2022) den Zeitplan für die Umsetzung der Krankenhausreform in Nordrhein-Westfalen (NRW) vorgestellt.

Laut einer Meldung im Deutschen Ärzteblatt vom selben Tag sieht dieser Zeitplan wie folgt aus:

1. September 2022 – Die Krankenhäuser erhalten umfangreiche Informationen und Unterlagen für das Verfahren, damit sie sich sorgfältig vorbereiten können.

17. Oktober 2022 – Die Bezirksregierun­gen fordern die Krankenhäuser zu Verhandlungen mit den Krankenkassen über regionale Planungskonzepte auf. Ab dann können die Krankenhäuser dafür benötige Unterlagen digital in eine Datenaustausch- und Analyseplattform einstellen.

17. November 2022 – Start der Verhandlungen zwischen den Kranken­häusern und den Krankenkassen.

Danach prüfen die Bezirksregierungen und das Gesundheitsministerium die regionalen Pla­nungs­konzepte, auch unter Anhörung von Verbänden, Kommunen und Gewerkschaften.

Am Ende entschei­det das Gesundheitsministerium über den Versorgungsauftrag der einzelnen Krankenhäuser.

Künftig wird nicht mehr die Bettenzahl das zentrale Planungsinstrument sein. Die 337 Kliniken in NRW dürfen auch nicht mehr alle Leistungen anbieten, sondern sollen sich auf bestimmte spezialisieren, zum Beispiel auf Hüft- oder Knieprothesen oder auf die Geburtshilfe, so das Deutsche Ärzteblatt.

Ein Krankenhaus mit internistischer und chirurgischer Versorgung muss dann für 90 Prozent der Bevölkerung innerhalb von 20 Autominuten erreichbar sein. Die Intensivmedizin ist flächendeckend vor­zuhalten.

Laut dem Deutschen Ärzteblatt ist NRW das erste Bundesland mit einem solchen Modell.

Ukraine: Nachholbedarf bei Schussverletzungen für deutsche Ärzte

Das wehrmedizinische Wissen ist Deutschland ist offensichtlich ausbaufähig. Viele Operationstech­ni­ken im Bereich von Schussverletzungen stammten noch aus der Zeit der Weltkriege. Entsprechend hoch sei jetzt der Fortbildungs­bedarf, sagt Prof. Stefan Schultze-Mosgau, Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am Universitätsklinikum Jena nach einem Bericht des Deutschen Ärzteblattes vom 4.8.2022. Das Blatt beruft sich auf eine Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG).

Deutsche Ärztinnen und Ärzte müssten bei der Versorgung verwundeter ukrainischer Soldaten vor allem mit hierzulande seltenen Verletzungen, hervorgerufen durch Schüsse oder Explosionen, rechnen. Bis zu 50 Prozent der Verletzungen beträfen Kopf, Hals oder Gesicht, so die DGMKG.

Nach einer anderen Meldung des Deutschen Ärzteblattes vom 5.8.2022 sind die ukrainischen Krankenhäuser durch die täglich steigende Zahl von Verwundeten mittlerweile an der Belas­tungs­grenze. Auch Polen, Moldau und die Slowakei hätten angesichts des großen Zustroms um Notevaku­ierungen in andere europäische Staaten gebeten. Der Zivilschutz der Europäischen Union (EU) habe bislang 1.000 medizinische Überführungen ukraini­scher Patienten koordiniert, so das Blatt nach einer Mitteilung der EU-Kommission vom selben Tag.

Neben Deutschland hätten bisher 17 weitere EU-Staaten Behandlungsbedürftige aufgenommen, Kriegsverwun­dete und chronisch Kranke. 

Deutscher Ärztetag: 6.000 neue Medizinstudienplätze und mehr Kindeswohl in Pandemiebekämpfung

Um den steigenden ärztlichen Versorgungsbedarf in einer „Gesellschaft des langen Lebens“ zu decken, richtete der 126. Deutsche Ärztetag 2022 in Bremen an die Bundesländer den Appell, kurzfristig mindestens 6.000 neue staatlich finanzierte Medizinstudienplätze zu schaffen. Auch demografisch bestehe dringender Handlungsbedarf: Die Ärzteschaft stehe vor einer enormen Ruhestandswelle, denn etwa 20 Prozent der Ärztinnen und Ärzte schieden in den kommenden Jahren altersbedingt aus dem Berufsleben aus. Der Deutsche Ärztetag hält die Einführung valider Berechnungen für die patienten- und aufgabengerechte ärztliche Personalausstattung für dringend geboten. Daher beauftragte er die Bundesärztekammer damit, ein von ihr weiterentwickeltes Personalbemessungsinstrument noch zu verfeinern und den Nutzern zur Verfügung zu stellen.

Eine zweite zentrale Forderung war, den Umgang mit Kindern und Jugendlichen in künftigen Pandemiesituationen deutlich höher zu gewichten. Pandemiebedingte Schließungen von Kitas und Schulen solle man künftig nur noch in extremen Situationen in Erwägung ziehen. Bund und Länder hätten bei Maßnahmen der Pandemiebekämpfung das Wohl von Kindern und Jugendlichen umfassend zu berücksichtigen. Für die Entwicklung konkreter Maßnahmen sei ein Expertenrat einzurichten.

Weitere wichtige Forderungen des 126. Deutschen Ärztetages:

Krankenhauslandschaft – grundlegend reformieren

Bund und Länder sollten sich künftig gemeinsam der Krankenhausfinanzierung und -planung annehmen. Die Planungsbereiche müssten auch die dem jeweiligen Bundesland angrenzenden Krankenhäuser berücksichtigen. Die Länder müssten ihrer Verpflichtung zur Finanzierung der Investitionskosten in vollem Umfang nachkommen. Auf Bundesebene sei eine grundlegende Reform des Vergütungssystems erforderlich, die sich vor allem an den tatsächlich erbrachten Leistungen, dem tatsächlichem Personalbedarf, der Personalentwicklung, Flächendeckung und den Vorhalteleistungen ausrichten soll.

GOÄ – jetzt umsetzen

Bundesärztekammer, PKV-Verband und Beihilfe haben Bundesgesundheitsminister Lauterbach auf dem Ärztetag einen Vorschlag für eine überarbeitete GOÄ übergeben. Die Delegierten forderten ihn auf, sie bis zum 31.12.2022 in Kraft zu setzen. Im anderen Fall soll die Bundesärztekammer über die rechtskonforme Möglichkeit der Anwendung besonderer Honorarvereinbarungen mit höheren Steigerungsfaktoren als dem 2,3-fachen Regelsteigerungssatz informieren.

Digitale Gesundheitsanwendungen – nutzenfokussiert einführen

In den Fokus der Digitalisierung des Gesundheitswesens müssten Anwendungen rücken, die einen konkreten, messbaren Nutzen in der medizinischen Versorgung haben. Dazu zähle vor allem der Notfalldatensatz auf der elektronischen Gesundheitskarte. Um die Potenziale einer vernetzten Medizin zu nutzen, seien enorme Investitionen in den digitalen Ausbau der Praxen erforderlich. Dazu bedürfe es eines Praxiszukunftsgesetzes. Für den Ausbau des ambulanten Sektors zur Vernetzung mit anderen Versorgungsbereichen seien Finanzhilfen von Bund und Ländern dringend geboten.

Klimaneutralität – Investitionshilfen einfordern

Die Delegierten forderten von Politik und Krankenkassen auch, Gesundheitseinrichtungen ausreichend Geld für die Erreichung der Klimaschutzziele bis 2030 zur Verfügung zu stellen. Die Transformation in Kliniken und Praxen erfordere erhebliche Anstrengungen. Die notwendigen Mittel seien nicht allein aus den Betriebsmitteln zu bewältigen.

Kommerzialisierung – Druck mit Gegenmaßnahmen kontern

Mit einem Maßnahmenkatalog möchte die Ärzteschaft gegen den Kommerzialisierungsdruck in der ambulanten und stationären Versorgung vorgehen. Eine der Forderungen besteht darin, die Gründung von Medizinischen Versorgungszentren durch Krankenhäuser an einen fachlichen, räumlichen und regionalen Bezug zu deren Versorgungsauftrag zu koppeln. Auch solle der Gesetzgeber den fortschreitenden Aufkauf des ambulanten medizinischen Sektors durch Private Equity und börsennotierte Aktienunternehmen stoppen.

Notfallversorgung – sektorübergreifendes Gesamtkonzept erstellen

Der Gesetzgeber soll ein schlüssiges Gesamtkonzept für die sektorenübergreifende Kooperation in der Akut- und Notfallversorgung vorlegen. Die isolierte Einführung einer zusätzlichen verpflichtenden, standardisierten Ersteinschätzung, wie im Entwurf zum GKV-GVWG vorgesehen, lehnten die Delegierten ab. Eine solche Ersteinschätzung könne das Vertrauen der Patienten „massiv erschüttern“. In der Notaufnahme eines Krankenhauses müssten Patienten ärztliche Hilfe erhalten und keine Abweisung nur wegen eines Software-Algorithmus.

Zusätzliche Themen und Forderungen hat die Bundesärztekammer in zwei Pressemitteilungen vom 27. Mai und 29. Mai zusammengefasst.

Zitate zum Deutschen Ärztetag

Bundesärztekammer-Vorstandsmitglied Dr. Susanne Johna zur Personalbemessung:
„Wir brauchen einen echten Paradigmenwechsel: Der Erlös darf nicht den Bedarf bestimmen – vielmehr muss der Bedarf durch die Aufgaben bestimmt werden.“

Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, zur GOÄneu:
„Wir fordern den Bundesgesundheitsminister auf, diesen Konsens der Beteiligten umzusetzen. Der gemeinsam von Ärzteschaft sowie PKV und Beihilfe entwickelte Vorschlag garantiert eine rasche Integration zukünftiger medizinischer Innovationen und stärkt die ‚sprechende Medizin‘.“

Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister, nachdem er die GOÄneu in Buchform erhalten hat:
„Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das der richtige Weg ist.“ Aber: „Ich werde die neue GOÄ vorurteilsfrei prüfen.“

Die Delegierten zur Verteilung der ärztlichen Arbeitszeit:
„Auf Dokumentationsaufgaben und Arztbriefe wird deutlich mehr Arbeitszeit verwendet als auf den direkten Patientenkontakt.“

Die Delegierten zu den Auswirkungen der Klimakrise:
„Eine besondere Herausforderung stellt die Behandlung multimorbider und hochbetagter Patientinnen und Patienten im Rahmen von Hitzewellen dar.“

Wannenwetsch H: Deutscher Ärztetag: 6.000 neue Medizinstudienplätze und mehr Kindeswohl in Pandemiebekämpfung. Passion Chirurgie. 2022 Juli/August; 12(07/08): Artikel 05_03.

COVID-19 als Berufskrankheit im Gesundheitswesen

Eines der beruflichen Risiken im Gesundheitswesen besteht in der Ansteckungsgefahr mit einer Infektionskrankheit. Auch die Erkrankung an COVID-19 kann unter anderem bei Beschäftigten im Gesundheitswesen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit erfüllen.

Laut der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) können aus dem Kreis der versicherten Personen insbesondere Beschäftigte in stationären oder ambulanten medizinischen Einrichtungen und in Laboratorien die Voraussetzungen einer Berufskrankheit erfüllen: Darunter fallen Arbeitnehmer oder ehrenamtliche Helfer, wie zum Beispiel Studentinnen und Studenten oder Personen, die sich bereits im Ruhestand befinden und aufgrund der Pandemie in den aktiven Dienst zurückgekehrt sind. Freiberuflich Selbstständige auf Honorarbasis klären Fragen zum Versicherungsschutz am besten mit dem für die Einrichtung zuständigen Unfallversicherungsträger.

Voraussetzungen für eine Anerkennung einer COVID-19-Erkrankung als Berufskrankheit sind nach Angaben der DGUV:

  • der Kontakt mit SARS-CoV-2-infizierten Personen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit im Gesundheitswesen und
  • relevante Krankheitserscheinungen wie zum Beispiel Fieber, Husten und
  • ein positiver Nachweis des Virus durch einen PCR-Test

Hier gibt es allgemeine Informationen zum Thema: www.bgw-online.de.

Hier finden Sie Hinweise zur freiwilligen Versicherung für selbständige Ärztinnen und Ärzte: www.bit.ly/FreiwilligeVersicherung.

Kommentar von Dr. Björn Ackermann, Regionalvertreter BDC-LV|Bremen zum Thema COVID-19 als Berufskrankheit:

„Corona-Infektion als Berufserkrankung anerkannt“

Eine Infektion mit SARS-CoV-2 sollte unbedingt der entsprechenden Berufsgenossenschaft (meist die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, BGW) gemeldet werden. Dies gilt für eigene Infektionen und aber auch für Infektionen von Mitarbeitern.

Sollte es keinen Hinweis darauf geben, dass man sich die Infektion im persönlichen privaten Umfeld zugezogen hat, kann eine Beweiserleichterung greifen. Dann gehen die Berufsgenossenschaften möglicherweise davon aus, dass die Infizierung während der Arbeitszeit erfolgt ist. Dies gilt insbesondere für Praxen, die auch Coronatests durchführen oder durchgeführt haben.

Eine Anerkennung als Berufserkrankung (siehe das auch das Merkblatt zur Berufskrankheit Nr. 3101 zu Infektionskrankheiten unter anderem im Gesundheitsdienst) hat den Vorteil, dass für etwaige weitere Behandlungen die Berufsgenossenschaft der Kostenträger ist. Noch unklar ist allerdings, wie es mit der Anerkennung des sogenannten „Long Covid“ aussieht.“

Zum Merkblatt 3101: www.bit.ly/Merkblatt3101

Kommentar des BDC-Justitiars, Dr. Jörg Heberer:

Niedergelassene Ärzte sind im Gegensatz zu angestellten Ärzten oder dem nichtärztlichen Praxispersonal nicht pflichtversichert in der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies bedeutet, damit sie in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung fallen, müssen sie sich freiwillig bei der BGW versichern. Sofern also ein niedergelassener Arzt nicht freiwillig bei der BGW versichert ist, kann er auch keine Ansprüche aus dem SGB VII u.a. auf Leistungen bei Berufskrankheit herleiten.

§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII definiert die Voraussetzungen einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung. Hiernach sind Berufskrankheiten diejenigen Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden.

Die Bundesregierung hat hierzu die Berufskrankheitenverordnung (BKV) erlassen, in der solche Krankheiten als Berufskrankheiten bezeichnet sind, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Manche Krankheiten sind hiernach nur dann eine Berufskrankheit, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind.

Folglich müsste eine Erkrankung mit dem Coronavirus in der sogenannten Berufskrankheiten-Liste (BK-Liste), die als Anlage 1 der BKV beigefügt ist, aufgeführt sein, um als Berufskrankheit anerkannt zu werden.

Gemäß Ziffer 3101 der BK-Liste stellen Infektionskrankheiten eine Berufskrankheit dar, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war. Somit kommt hier meiner Auffassung nach die Anerkennung als Berufskrankheit bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 im Rahmen der ärztlichen Tätigkeit durchaus in Betracht. Die DGUV verweist in diesem Zusammenhang sogar darauf, dass die Allgemeingefahr dabei wegen des erhöhten beruflichen Risikos in den Hintergrund tritt.

Die Ankerkennung als Berufskrankheit muss bei Vorliegen der obigen Voraussetzungen meiner Ansicht nach grundsätzlich auch für durch die Covid-19-Erkrankung verursachte gesundheitliche Folgeschäden gelten, wie Langzeitfolgen, die länger als vier Wochen nach Infektion noch bestehen (Long Covid) oder erst 12 Wochen nach Infektion neu auftreten oder bis dahin fortbestehen (Post Covid).

Ebenfalls stellt die DGUV hierzu auf ihrer Homepage ausdrücklich klar, dass bei positiver Testung, entsprechenden Krankheitsanzeichen sowie der Vermutung eines Infektionsweges über die berufliche Tätigkeit bei einem begründeten Verdacht um Erstattung der ärztlichen Berufskrankheitenanzeige (F6000) gebeten wird (s. hierzu unter: www.bit.ly/DGUV-FAQ).

Wannenwetsch H, Ackermann B: COVID-19 als Berufskrankheit im Gesundheitswesen. Passion Chirurgie. 2022 August, 12(07/08), Artikel 04_10.

Die Klassiker, nicht die Kolibris!

Was haben Superman Christopher Reeve, Ex-Papst Johannes Paul II. und Schriftstellerin Christa Wolf gemein? Mit einer solchen Frage muss man in der dritten mündlichen Prüfung im Medizinstudium nicht ernsthaft rechnen. Was versteht man im Zusammenhang mit der Blutgasanalyse unter der „Anionenlücke“? Auch eher unwahrscheinlich. Und wenn, dann sind solche „Kolibris“ höchstens Kür, niemals Pflicht. Aber: Wie untersuchen Sie einen 35-jährigen rumänischen Wanderarbeiter, der mit Magenschmerzen zu Ihnen kommt? Welche sicheren Frakturzeichen sind Ihnen bekannt? Auf solche Klassiker sollte man vorbereitet sein.

Dazu haben sich 80 Medizinstudentinnen und -studenten am 18. und 19. März 2022 im Essener Haus der Technik eingefunden. Sie haben das M3-Abschlusstraining „Staatsexamen & Karriere“ des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgie (BDC) und des Berufsverbandes Deutscher Internistinnen und Internisten (BDI) gebucht. Vor ihnen liegen zwei Tage mit 16 Stunden Programm, durchgeführt von 13 renommierten Dozentinnen und Dozenten aus allen Teilen Deutschlands, gefüllt mit Vorträgen, Diskussionen und jeder Menge Fallpräsentationen und Übungen. Professor Dr. Andreas Kirschniak, Spezialist für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Chefarzt an den Kliniken Maria Hilf in Mönchengladbach, und Dr. Andreas Jerrentrup, Internist und Chefarzt an der Universitätsklinik Marburg, begrüßen die Teilnehmer. Die erwarten sich von den beiden Tagen vor allem mehr Sicherheit, Struktur und Wissen in der Vorbereitung auf das bevorstehende „Hammerexamen“.

Nach den Studienabschnitten Vorklinik und Klinik beendet die mündliche Prüfung den dritten und letzten Teil des Medizinstudiums, das Praktische Jahr. Tipps zu Prüfungsformalien, -strategien und zur mündlichen Präsentation gibt es gleich zu Beginn von Chirurg Professor Dr. Daniel Vallböhmer, Chefarzt am Evangelischen Klinikum Niederrhein, und Chirurgin Dr. Johanna Miller, Assistenzärztin an den Kliniken Maria Hilf in Mönchengladbach. Am Ende einer erfolgreichen Prüfung steht die Approbation. Bis dahin ist es ein steiniger Weg.

„Eine gute Anamnese ist das A&O“

In Essen wird der Ernstfall simuliert: In einem großen Vortragssaal liegt eine Studentin auf einer Liege. Sie spielt die Patientin. Ein Student gibt den Arzt. Von den beiden Prüfern erhält er Vorabinformation zum Fall. Dann muss er seine Patientin vorstellen, die komplette Anamnese durchgehen. Der erste Prüfer, ein Internist, fragt nach dem weiteren Vorgehen. Prüfling: „Jetzt würde ich das Herz näher untersuchen.“ Dann nimmt er sein Stethoskop, hört die Patientin ab, schildert dabei, was er hört. Der zweite Prüfer, ein Chirurg, hätte gerne eine Demonstration: „Die Patientin hatte eine Gallenblasen-OP. Zeigen Sie uns bitte eine situationsgerechte Gallenblasen-Untersuchung des Bauchs.“ Zeitvorgaben und Schwierigkeitsgrad sind ähnlich wie in der echten Prüfung. „Für die Patienten-Untersuchung haben Sie etwa eine Stunde Zeit. So viel Zeit haben Sie später nie wieder. Schließen Sie dabei einen Pakt mit dem Patienten, damit die Prüfung sicher klappt,“ rät Vallböhmer. Und: „Eine gute Anamnese ist das A & O – sie führt in 90 Prozent aller Fälle zum Ziel.“

Den Ablauf der M3-Prüfung regelt die Ärztliche Approbationsordnung. Nach der Prüfung am Krankenbett sieht sie eine mündlich-praktische Prüfung vor. In Essen sieht das so aus: „Was ist der Hauptindikator für eine Pneumonie?“, „Wie untersuchen Sie eine Patientin, der gerade die Schilddrüse entfernt worden ist?“, „Wie klären Sie einen Patienten auf, der vor einer Cholezystekomie steht?“ Auch mit fachfremden Prüfern muss man unter Umständen rechnen: So stellt in Essen die Nephrologin Dr. Evelyn Martin von der Uniklinik Marburg die Prüfungsfragen zu einem kardiologischen Fall.

„Denken Sie laut und denken Sie strukturiert“

Wie ergeht es den „Prüflingen“ in den Simulationen? Den Dozenten sind Rückmeldungen sehr wichtig. Eine Studentin hat noch Lücken im Lernstoff bemerkt, ein Student hatte eher mit der Situation zu kämpfen. „Ganz banale Antworten fallen einem nicht ein!“, „Es ist nicht einfach, in so einer Lage Informationen strukturiert rüberzubringen!“, „Man muss gleichzeitig reden und nachdenken!“, „Musste immer ganz kurzfristig reagieren, keine Zeit zum Ausruhen!“, „Schwer, wenn es nichts Greifbares gibt!“ Anhand der Rückmeldungen geben die Dozenten Tipps, wie man diese Situation am besten handhabt: „Üben Sie, mindestens drei Minuten flüssig zu sprechen und gleichzeitig strukturiert vorzutragen. Sprechen Sie an, was Ihnen durch den Kopf geht, gerade auch, wenn Sie sich unsicher sind. So lange Sie selbst reden, kann Sie keiner was fragen. Und versuchen Sie nach Möglichkeit, von kritischen Themen fließend auf sicheres Terrain überzuleiten.“

Die Prüfungssimulationen werden eingerahmt von fachlichen Vorträgen. In der Rubrik „Untersuchungstechniken“ beschäftigt man sich vornehmlich mit Körperregionen und Fachbereichen, die von größter Prüfungsrelevanz sind: Das sind Herz-Lunge, Abdomen und die Neurologie. Jerrentrup spielt die Atemgeräusche eines gesunden und eines an Pneumonie erkrankten Menschen ein. Vallböhmer gibt den Tipp, bei der Untersuchung des Abdomens immer gleich vorzugehen: Anamnese, Inspektion, Palpation, Auskultation. „Was ist häufig, was ist typisch, gebrauchen Sie vor allem Ihre Augen, wonach sieht es auf den ersten Blick aus?“ Und Neurologe Dr. Christoph Leinert, Oberarzt an der Agaplesion Bethesda Klinik Ulm, verweist darauf, dass man eine beginnende Hirnstammeinklemmung zum Beispiel an einseitig geweiteten Pupillen erkennen kann. Deshalb leuchte der Notarzt oft in die Augen von Unfallopfern, sagt Leinert.

Mittagspause. In den weiten Fluren um den Vortragssaal herum verteilen sich die Studentinnen und Studenten, verdauen nicht nur das Essen, sondern auch das Gehörte oder schalten einfach nur mal ab. Nach einer Stunde geht es schon weiter. Auf der Agenda steht jetzt die klinische Beurteilung von Befunden. Darunter auch häufige Magen- und Darmbefunde. Bei dem rumänischen Wanderarbeiter mit den Magenschmerzen ergibt eine Untersuchung den Hinweis auf okkultes Blut im Stuhl. Das legt den Verdacht auf eine Blutung im oberen Gastrointestinaltrakt nahe. Warum man nun zur weiteren Abklärung in eine Gastroskopie und keine Koloskopie macht, möchte Dr. Philipp Zimmermann, Internist und Assistenzarzt Anästhesiologie am Marienhaus Klinikum in Neustadt/Weinstraße, wissen: Weil es schneller geht, der Patient nicht abgeführt ist und die Blutung eher weiter oben liegt. Die Gastroskopie ergibt ein Ulcus duodeni. Wahrscheinlichste Ursache sind laut Zimmermann mit Helicobacter Pylori entweder ein Bakterium oder mit NSAR eine bestimmte Medikamentengruppe.

„Treat first that kills first“

Der Chirurg Dr. Benedikt Braun ist geschäftsführender Oberarzt an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen. Er entführt die Studentinnen und Studenten nun in seinen Fachbereich. Auch er denkt in Klassikern und Kolibris. Zu den Klassikern in der Chirurgie gehören neben den sicheren Frakturzeichen die AO-Klassifikation, also eine einfache Einordnung von Brüchen, die Garden-Klassifikation für Schenkelhalsfakturen und die „Trauma Big Five“, zu der auch die proximale Humerusfraktur zählt. Eine Sternchenfrage dazu wäre allerdings die nach einer inversen Schulterprothese, genau wie die Frage nach dem Böhler-Winkel im Rahmen der Therapie einer distalen Radiusfraktur. Braun ist im Rahmen der Prüfungsvorbereitung auch für die Lektion zum Schockraummanagement bei Polytrauma zuständig. Nach der Devise „Treat first that kills first!“ gilt es, Patienten zunächst nach der ABCDE-Regel auf gefährdete Vitalparameter zu untersuchen und dann eine strukturierte Anamnese folgen zu lassen.

Den Abschluss des ersten Trainingstags bildet das sogenannte „Clinical Reasoning“: Dabei prüfen sich die Dozenten gegenseitig in verschiedenen Rollen: Einer als Prüfer, der andere als Prüfling. Der „Prüfer“ schildert einen Patientenfall, der „Prüfling“ erfragt weitere Informationen, die er zusätzlich braucht. Dann legt er seine Gedanken offen. Der Fall entwickelt sich nach und nach und nimmt so manche überraschende Wendung. Wie ein Kriminalfall, den man bei einem gegebenen Setting durch Nachfragen selbst lösen muss. Dabei bleiben die Dozenten immer in Kontakt mit dem Auditorium: Wer möchte, kann gerne eigene Ideen und Lösungsansätze zur Diskussion stellen. Gegen 19.30 Uhr ist der erste Trainingstag beendet.

„Untersuchen Sie, wie sie es gewohnt sind, ziehen Sie Ihren Stiefel durch“

Exemplarische Fallstudien sind der Schwerpunkt am zweiten Tag, einem Samstag. Im internistischen Bereich sind Niereninsuffizienz, Brustschmerz, Abgeschlagenheit und Luftnot die Themen. Die Dozentinnen und Dozenten versuchen immer auch, Muster und Schemata an die Hand zu geben zum generellen Ablauf bei bestimmten Indikationen. So gilt beim Thoraxschmerz die Reihenfolge: Ersteinschätzung zu Vitalparametern, Anamnese, körperliche Untersuchung, Bildgebung, Labor, Verdachtsdiagnose, Differenzialdiagnosen, Therapieempfehlung. „Untersuchen Sie immer, wie Sie es gewohnt sind, ziehen Sie einfach Ihren Stiefel durch“, sagt Vallböhmer. Wer ein gewisses Schema, eine Struktur im Kopf hat, kann sicherer agieren und geht in der Prüfung nicht so leicht verloren.

Das lässt sich hervorragend auch im chirurgischen Bereich üben. Kirschniak schildert den Fall einer 76-jährigen Frau, die seit 14 Tagen Schmerzen im Unterbauch hat, keinen Appetit verspürt, nicht einmal Wärmeflasche und Melissengeist helfen. Was ist zu tun? Also: Vitalparameter? Vorerkrankungen, Medikation, letzte Koloskopie? „Wenn Sie das Abdomen untersuchen, muss der Patient immer liegen, untersuchen Sie ihn nie im Stehen!“, warnt Kirschniak. Und: „Kommen Sie dann zu einer Verdachtsdiagnose und schließen Sie Differenzialdiagnosen aus!“ Im Fall ergibt die weitere Diagnostik den Verdacht auf ein Kolonkarzinom. Weniger wahrscheinlich ist eine Colitis Ulcerosa oder Morbus Crohn. Es folgen Staging und Therapiewahl.

Im Anschluss referiert Assistenzärztin Miller über häufige Krankheitsbilder in der Viszeralchirurgie und unterteilt sie nach elektiven/benignen (zum Beispiel Hernien, Schilddrüse, Beckenboden), onkologischen/malignen und Notfällen (unter anderem eingeklemmte Hernien, Passagestörungen oder freie Luft). Gerade die Schilddrüse und ihre Untersuchung sei immer wieder Gegenstand von Prüfungen, so Miller.

„Train The Brain“ – in den letzten Fallpräsentationen der Veranstaltung können nun alle überprüfen, was aus den Übungen hängengeblieben ist und herausfinden, wie flexibel sie mit verschiedenen Patientensettings und Problemkonstellationen umgehen können: So gilt es bei einer 64-jährigen Patientin mit osteoplastischer Trepanation und Aneurysma-Clipping, die Kontroll-Computertomografie des Schädels und das Röntgenbild des Thorax zu begutachten und die weitere Diagnostik vorzuschlagen. Bei einem anderen Patienten mit einer seit längerem andauernden Belastungsdyspnoe ist eine umfassende Anamnese zu erheben, einschließlich Berufs- und Sozialanamnese und Altersabfrage, denn eine Reihe von Erkrankungen sind stark altersabhängig. Und für einen 62-jährigen Patienten mit starken thorakalen Schmerzen bekommen die Prüflinge ein EKG zur Befundung.

„Wie war das damals bei mir selbst?“

Am Ende der Veranstaltung erzählen die Referentinnen und Referenten aus ihrem eigenen beruflichen Leben. Was ist gut gelaufen? Was würden sie heute anders machen? Was war wichtig, was weniger? Die Fragen aus dem Auditorium beziehen sich meist auf die Situation nach bestandener Prüfung.

So möchte eine Studentin wissen, welche Rolle heute Examensnoten für die spätere Bewerbung spielen. Sie erfährt von einer Dozentin, dass Examensnoten zwar wichtig seien, aber eben nicht alles. Wichtig sei auch, was daneben so gelaufen sei, also Tutorien oder Praktika zum Beispiel. Gerade für Unikliniken, die auch in der Forschung aktiv seien, spiele das eine große Rolle. Zwei andere Dozenten verweisen auf die Bedeutung von Angebot und Nachfrage und dass der ärztliche Markt derzeit leer sei und daher gute berufliche Chancen biete.

Ein Student fragt, ob man sich am Anfang eher in einem großen oder kleinen Haus bewerben solle. In einem größeren Haus – so eine Antwort – erhalte man unter Umständen mehr Unterstützung von anderen Ärzten. In einem kleineren Haus sei man in einer Nachtschicht schon mal alleine. Dafür könne man in kleineren Häusern unter Umständen auf eine intensivere Ausbildung setzen, meint eine andere Dozentin. Auf jeden Fall solle man sich jeden Wechsel zwischen einzelnen Häusern gut überlegen, weil man in jedem Haus in gewisser Hinsicht wieder von vorne anfange, so ein weiterer Dozent.

Als die Studentinnen und Studenten dann wie schon zu Beginn nochmals elektronisch abstimmen, dieses Mal zu den Ergebnissen der Veranstaltung, zeigt sich, dass die Erwartungen erfüllt wurden: „Sicherheit“, „Struktur“ und „Überblick“ erscheinen auf der Videoleinwand im Zentrum, viele nennen aber auch „Spaß“ und „Zuversicht“. Es hat sich also gelohnt.

Und was ist nun mit der Kolibri-Frage vom Anfang? Was haben Superman Christopher Reeve, Ex-Papst Johannes Paul II. und Schriftstellerin Christa Wolf gemein? Alle drei sind mit einer Sepsis verstorben. Kann man wissen, muss man aber nicht.

Was aber muss man wissen und was sollte man beherzigen?

  1. Was häufig ist, wird auch häufig abgefragt.
  2. Systematik ist der Schlüssel zum Erfolg.
  3. Prüfungssituationen kann man trainieren.

Viel Erfolg bei der Prüfung!

STAATSEXAMEN & KARRIERE

Der nächste Kongress „Staatsexamen & Karriere“ findet am 16./17.9.2022 in Berlin statt. Hier geht’s zum Programm und zur Anmeldung.

Alle Aktivitäten des BDC im Bereich Nachwuchsförderung.

Ansprechpartnerin beim BDC:
Dr. phil. Natalia Kandinskaja
Nachwuchs & Karriere
Tel.: 030/28004-123
E-Mail: [email protected]

Wannenwetsch H: Die Klassiker, nicht die Kolibris! Passion Chirurgie. 2022 Juli/August; 12(07/08): Artikel 04_03.

Forum Ambulantes Operieren im November – Jetzt anmelden!

Im Koalitionsvertrag wurde die seit über 15 Jahren gewünschte integrierte bzw. sektorenübergreifende Patientenversorgung erneut aufgegriffen. Gutachten des Sachverständigenrates unterstreichen die Bedeutung einer effizienten Gestaltung des stationär-ambulanten Schnittstellenbereiches. Doch wie sehen die Lösungen aus? Was sind die Hemmnisse? An welchen Stellschrauben muss man drehen?

Diesem Thema widmet sich die Aesculap Akademie in diesem Jahr auf ihrem 6. Forum unter dem Titel: „Ambulantisierung – Wunsch und Wirklichkeit“. Experten aus allen Bereichen des Gesundheitswesens, der Politik und Berufspolitik sowie der Geschäftsführer des IGES-Instituts zeigen Veränderungen auf, mit denen wir uns in Zukunft auseinanderzusetzen haben und diskutieren mit Ihnen Perspektiven.

Wie bei jedem Forum stehen natürlich auch in diesem Jahr Empfehlungen für die tägliche Praxis, Abrechnungshinweise, konkrete Erfahrungen des praxisklinischen, krankenhausambulanten Operierens und das „Hygiene-Update“ für AOZ auf dem Programm.

6. Forum Ambulantes Operieren
25. – 26. November 2022
Aesculap Akademie GmbH
Langenbeck-Virchow-Haus
10117 Berlin
Zum Programm
Zur Anmeldung

International Surgical Week demnächst in Wien

Ein Weltkongress für Chirurgie vor der eigenen Haustür – vom 15. bis zum 18. August 2022 findet in der Hofburg in Wien die International Surgical Week ISW 2022, der 49. Weltkongress der International Society of Surgery ISS/SIC statt. Treffen Sie alte Bekannte und lernen Sie neue Kollegen aus aller Welt kennen!

ISW 2022 ist akkreditiert mit 24 CME Credits.

Alle Informationen zum Programm und zur Registration gibt es hier.

Zum Veranstaltungsflyer

Aufklärung erst am OP-Tag ist unzulässig

Die Aufklärung vor einer Operation muss so frühzeitig erfolgen, dass dem Patienten genügend Bedenkzeit für die Entscheidung verbleibt. Wegen des bestehenden Zeitdrucks ist ein Aufklärungsgespräch erst am Tag der Operation oder noch während der OP-Vorbereitung grundsätzlich verspätet, die sich anschließende Operation damit rechtswidrig. Dieses Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 30.5.2022 haben die Justizbehörden in Rheinland-Pfalz nun (27.7.2022) gegenüber der Presse kommuniziert.

Die Klägerin, eine Frau aus Baden-Württemberg, hat in einem solchen Fall nun ein Schmerzensgeld von 10.000 € zugesprochen erhalten.

Zudem sei die Einwilligung eines Patienten in einen ärztlichen Eingriff nur dann wirksam, wenn der Arzt zuvor verständlich und ausführlich über die Risiken der OP aufgeklärt habe, so das Gericht.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Das Verfahren befindet sich mittlerweile in der Berufung vor dem Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken.

Zur Frage, wie eine patientenorientierte und fehlerlose Aufklärung durchzuführen ist, hören Sie den Podcast von Surgeon Talk.

Zweitmeinung jetzt auch bei Herzschrittmachern und Defibrillatoren

Heute (28.7.2022) tritt der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vom 19.5.2022 in Kraft, wonach die Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren nun auch für den Einsatz von Herzschrittmachern und Defibrillatoren gilt. Damit können ambulant oder stationär tätige Ärztinnen und Ärzte bei ihrer Kassenärztlichen Vereinigungen eine Genehmigung beantragen, Zweitmeinungen abgeben und gegenüber der GKV abrechnen zu dürfen.

Herzschrittmacher und Defibrillatoren kommen zum Beispiel bei Herzrhythmusstörungen und einer verminderten Herzfunktion (Herzinsuffizienz) zum Einsatz. Diese Geräte können den Herzrhythmus stabilisieren und auch Todesfälle aufgrund eines Herzstillstandes verhindern.

Die Herzchirurgie ist – neben bestimmten Ausrichtungen der Inneren und der Kinder- und Jugendmedizin – eine für die Abgabe einer Zweitmeinung für den Einsatz von Herzschrittmachern und Defibrillatoren geeignete Fachrichtung.

Damit umfasst die Richtline zum Zweitmeinungsverfahren nun folgende Eingriffe:

  • Mandeloperationen (Tonsillektomien, Tonsillotomien)
  • Gebärmutterentfernungen (Hysterektomien)
  • Arthroskopische Eingriffe an der Schulter
  • Amputation beim diabetischen Fußsyndrom
  • Implantationen einer Knieendoprothese
  • Eingriff an der Wirbelsäule
  • Einsatz von Herzschrittmachern und Defibrillatoren

Pressemitteilung des G-BA vom 19.5.2022

Zweitmeinungsverfahren bei planbaren Eingriffen

Kabinett kippt Neupatientenregelung

Das Bundeskabinett hat heute (27.7.2022) den von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eingebrachten Entwurf eines GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes (GKV-FinStG) verabschiedet und damit auch die mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) eingeführte Neupatientenregelung gekippt. Damit sollen die Leistungen der sogenannten offenen Sprechstunde künftig einer unbefristeten Bereinigung unterliegen. Scharfe Kritik kam von Seiten verschiedener Ärzteverbände:

Von einem “Schlag ins Gesicht der Patientinnen und Patienten” sprach die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) am Mittwoch gegenüber der Presse. „Mit diesem Gesetz konterkariert der Minister den Koalitionsvertrag, nachdem die ambulante Versorgung gestärkt werden sollte. Nun wird es so sein, dass die Kolleginnen und Kollegen gar nicht mehr anders können, als das Terminangebot zurückzufahren“, sagte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen.

Die Begründung des Bundesgesundheitsministers für die Streichung, man sei “nicht richtig in der Lage, zu prüfen, wer Bestands- und wer Neupatient ist”, spreche entweder für eine erschreckende Ahnungslosigkeit oder aber für schlichte Dreistigkeit, erklärte der Hartmannbund. Beides sei einer kultivierten politischen Debatte unwürdig.  Man werde im Laufe des nun beginnenden parlamentarischen Verfahrens alles tun, um deutlich zu machen, dass der Minister nicht nur in der Sache auf dem Holzweg sei, sondern auch seine Argumentation jeglicher Grundlage entbehre, so der Hartmannbund weiter. 

Lauterbachs Politik werde zum “Sargnagel der ambulanten Versorgung”, kritisierte der Virchowbund. Die Fehlsteuerung der GKV-Finanzen durch den Minister sei der Tropfen, der das Fass zu Überlaufen bringe.

Der KBV-Vorstand will sich nun mit den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Berufsverbänden zum weiteren Vorgehen beraten und abstimmen.