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Safety Clip: „Kein Ausruhen“ – Dauerbrenner aus der Prozesswelt des klinischen Risikomanagements

Sicherheits- und Risikoaudits der letzten Jahre zeigen, dass Prozesse und Themen des klinischen Risikomanagements nicht vernachlässigt werden dürfen. Diese werden seit Jahren von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), in den Leitlinien der Fachgesellschaften oder von Initiativen zur Patientensicherheit (zum Beispiel dem Aktionsbündnis Patientensicherheit, der Plattform Patientensicherheit oder der Stiftung Patientensicherheit Schweiz) durch eindeutige Empfehlungen promotet.

Das Bewusstsein für die Patientensicherheit hat zugenommen. Mittlerweile ist das Thema in allen deutschen Krankenhäusern ein fester Bestandteil des Krankenhausmanagements und es hat beträchtlich an Akzeptanz gewonnen, nicht zuletzt durch die Gesundheitspolitik der Bundesregierung. Dennoch gibt es Prozesse, die in der Praxis durch Sicherheits- und Risikoaudits immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden müssen. Zudem sollten die Verantwortlichen stetig bestehende oder neue Verbesserungsmaßnahmen seitens des Qualitäts- und Risikomanagements initiieren – auch wenn diese längst umgesetzt sein müssten.

Im Folgenden werden einige plakative Beispiele aus der Beratungserfahrung im Bereich der Chirurgie besprochen. Diese zeigen, wo immer wieder Optimierungspotenzial des Patientensicherheitsniveaus identifiziert wird.

Brainstorming

Das Management in der Zentralen Notaufnahme gehört zu den Kernprozessen im Krankenhaus und auch zu den risikoträchtigsten Prozessen. Denn die Ersteinschätzung von Patientinnen und Patienten und die damit einhergehende Triagierung ist unerlässlich für die Patientensicherheit.

Ersteinschätzung und Triagierung

  • Nicht immer übernehmen Notfallpflegende oder Ärztinnen und Ärzte die Ersteinschätzung (aufgrund von zu wenigen qualifizierten Mitarbeitenden).
  • Die Ersteinschätzung erfolgt nicht immer unmittelbar (spätestens nach zehn Minuten) und ebenso fehlen häufig geeignete Räumlichkeiten für die Triage (Triage und administrative Aufnahme sind oftmals räumlich nicht miteinander vereint).
  • Nicht immer steht geeignete Software für die Ersteinschätzung/Triagierung zur Verfügung (zum Beispiel fehlender elektronischer Stempel des Zeitpunkts, wann der erste Kontakt zwischen Ärztin/Arzt und Patientin/Patient stattfand und demnach den Nachweis der Rechtzeitigkeit dokumentiert).

Diagnostik

Oftmals fehlen Regelungen für besondere Situationen in der Notfallversorgung (unvorhergesehene Komplikationen, mehrere Aufnahmen gleichzeitig), so wie es der G-BA-Beschluss zur Stufung der stationären Notfallversorgung eigentlich vorsieht.

Anlage von Patientenarmbändern

Nicht alle Patientinnen und Patienten erhalten in der Notaufnahme ein entsprechendes Patientenidentifikationsarmband – ambulante Patientinnen und Patienten zumeist nicht (oftmals ist dies auf stationäre oder demente Patientinnen und Patienten beschränkt).

Überwachung

Patientinnen und Patienten werden nicht überall ausreichend im Bereich der Notaufnahme überwacht. Die Gefahr besteht, dass sie in einigen Bereichen, wie Wartezimmern oder Toiletten, vital auffällig werden und dies nicht bemerkt wird (zum Beispiel aufgrund fehlender oder nicht scharf geschalteter technischer Hilfsmittel wie Kameras oder Klingelanlagen).

Das Aufnahme- und Belegungsmanagement hat in vielen Krankenhäusern Optimierungspotenzial. Probleme sind insbesondere zu lange Wartezeiten und nicht vollständig vorliegende Befunde. Infolgedessen beschweren sich die zu Behandelnden häufig und bei nicht optimalem Behandlungserfolg suchen sie den Rat eines Anwalts.

Wartezeiten

Aktuell werden aufgrund der erforderlichen PCR-Tests in einigen Krankenhäusern alle Patientinnen und Patienten zur selben Uhrzeit am Aufnahmetag einbestellt.

Vollständige Befunde

Der Anästhesistin oder dem Anästhesisten liegen oftmals nicht alle erforderlichen Befunde zur Prämedikation der Patientin oder des Patienten vor.

Im Bereich des intraoperativen Managements sind folgende Prozesse/Themen herauszustellen:

OP-Sicherheitscheckliste

Die Checkliste wird nicht immer gemäß der Vorlage genutzt und mit Handzeichen der durchführenden Person abgezeichnet (zum Teil existieren Lücken in der Dokumentation oder die Checks werden nicht zeitnah zur Durchführung abgezeichnet).

Team-Time-out

Praxisbeobachtungen zeigen, dass das Team-Time-out nicht immer die gelebte Praxis darstellt und zum Teil nur ein Austausch zwischen der Operateurin oder dem Operateur und der Anästhesistin oder dem Anästhesisten darstellt und die instrumentierende Pflegekraft und die Springer ihre Vorbereitungsmaßnahmen noch nicht abgeschlossen haben, wenn mit dem Team-Time-out begonnen wird.

Immer wieder birgt im Rahmen des postoperativen Managements der Verlegungsprozess der Patientinnen und Patienten aus dem Aufwachraum in die Peripherie Verbesserungsbedarf:

  • Die Entscheidung zur Verlegung treffen sehr oft die Pflegekräfte im Aufwachraum. Die Verlegungsentscheidung gehört allerdings zu den nicht delegierbaren ärztlichen Tätigkeiten.

Weiterhin sind folgende Instrumente des Risikomanagements zu nennen, bei denen es durchaus in den meisten Fällen noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt.

CIRS

Die Anzahl der Meldungen ist oftmals steigerungswürdig, um tatsächlich wertvolle Erkenntnisse aus den genannten Informationen ableiten zu können. Zum Teil lässt die Meldebereitschaft nach, wenn die Meldenden keine nachstehenden Informationen zum Umsetzungsstand oder zu den eingeleiteten Maßnahmen erhalten.

Interaktion CIRS und Schadenmanagement

Der Austausch zwischen den Bereichen CIRS und Schadenmanagement fehlt oftmals. Gegenseitige Erkenntnisse können dazu beitragen, rechtzeitig Auffälligkeiten zu erkennen und darauf zu reagieren.

Mortalitäts- und Morbiditätskonferenzen (M&M)

Sehr oft ist dieses Instrument noch nicht umfassend genug und insbesondere interdisziplinär implementiert. Die Dokumentation von Ergebnissen und das Nachhalten von Umsetzungsständen birgt in der Regel Verbesserungsbedarf. Auch das Risiko- und Qualitätsmanagement ist oftmals nicht im Kontext von eingeleiteten Verbesserungsmaßnahmen involviert.

Alarm- und Einsatzplan

Aufgrund der aktuellen weltwirtschaftspolitischen Situation sind die Alarm- und Einsatzpläne in Krankenhäusern zum Teil optimierungsbedürftig. Insbesondere im Kontext von etwaigen Versorgungsengpässen (wie Gas und Strom) besteht Anpassungsbedarf.

Fazit

Die aufgeführten Beispiele sind nur ein Ausschnitt aus der Risikolandkarte und sollen zeigen, dass die Aktivitäten für ein funktionierendes klinisches Risikomanagement stetig vorangetrieben werden müssen, um nachhaltig Risiken einzugrenzen und damit die Patientensicherheit zu gewährleisten. Dieser Safety Clip soll dazu motivieren, lang installierte und etablierte Risikomanagementaktivitäten im Fokus des Risikomanagements zu belassen. Zudem gilt es, immer wieder aufgezeigte Risiken durch geeignete Präventionsmaßnahmen zu minimieren.

Fleischer M: Safety Clip: „Kein Ausruhen“ – Dauerbrenner aus der Prozesswelt des klinischen Risikomanagements. Passion Chirurgie. 2023 März; 13(03): Artikel 04_04.

Safety Clip: „Sichere Medikation“: Fehlervermeidungsstrategien im Prozess der Arzneimitteltherapie

Welttag Patientensicherheit: Motto „Medication without harm“

In diesem Jahr widmet die Weltgesundheitsorganisation WHO den Welttag zur Patientensicherheit dem Thema „Medikation ohne Schaden“ – „Medication without harm“. Unter der Überschrift „Mach Dich stark für Patientensicherheit: Sichere Medikation“ richtet das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) den Fokus auf den hochkomplexen Prozess der Arzneimitteltherapie.

In der Pressekonferenz zum Welttag der Patientensicherheit, der jährlich am 17. September stattfindet, gingen die Vorstandsmitglieder des APS (Dr. Ruth Hecker, Constantin Grosch und Dr. Peter Gausmann) sowie Birgit Vogt, Fachapothekerin für Arzneimittelinformation, Referentin Arzneimitteltherapiesicherheit im Bereich Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft der Bundesärztekammer gezielt auf die folgenden Aspekte ein:

  • Wie sicher ist die Arzneimitteltherapie?
  • Wie können Patientinnen und Patienten selbst zu ihrer sicheren Versorgung mit Arzneien beitragen – Patient Empowerment?
  • Wie kann Digitalisierung zu mehr Sicherheit im Umgang mit Medikamenten beitragen?
  • Wie trägt Teamarbeit zu einer erhöhten Arzneimitteltherapiesicherheit bei?

Die genannte Zahl von 250.000 Krankenhauseinweisungen aufgrund von Medikationsfehlern zeigt, dass ein Handlungsbedarf für mehr Sicherheit im Umgang mit Medikamenten besteht – auch zu Hause. Fehleinnahmen – wie zum Beispiel Vergessen der Einnahme, falscher Einnahmezeitpunkt oder falsches (verwechseltes) Medikament – führen zu dieser hohen Anzahl an Vorkommnissen. Dr. Ruth Hecker verwies auf eine norwegische Studie, die belege, dass 18,2 Todesfälle im Krankenhaus auf Medikamentenfehler, Schlagwort „Polypharmazie“, zurückzuführen seien. Wenn Patientinnen und Patienten dauerhaft viele verschiedene Medikamente einnehmen müssen, spricht man von „Polypharmazie“. Dabei steigt das Risiko für arzneimittelbezogene Probleme wie unerwünschte Arzneimittelwirkungen stark an.

Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, stellt in einer Pressemitteilung vom 2. März 2021 heraus: „Wir haben bei polymedikamentierten Patientinnen und Patienten echte Versorgungslücken. Teilweise bleiben Wechselwirkungen zwischen ihren Medikamenten unentdeckt, auch weil längst nicht alle einen Medikationsplan haben. Und wenn sie einen haben, ist er oft weder vollständig noch korrekt. Vielfach stimmt der Plan nicht mit dem überein, was der Patient aktuell einnimmt. Es ist höchste Zeit, dass das Problem angegangen wird.“

Auch ein Jahr später wird auf diesen Aspekt des „unzureichenden Medikationsplans“ im Rahmen der Pressekonferenz des APS in Berlin eingegangen. Folglich sind Verbesserungen noch nicht zufriedenstellend erreicht worden.

Der vorliegende Artikel richtet sich im Weiteren auf die Wichtigkeit des Prozesses „Arzneimitteltherapie in der klinischen Versorgung von Patientinnen und Patienten“, um aktiv Patientenschäden zu vermeiden. Welche Möglichkeiten der Prozessoptimierung gibt es? Erfahrungen aus Schadendaten, Erkenntnisse aus Audits in Krankenhäusern sowie Handlungsempfehlungen aus nationalen und internationalen Empfehlungen dienen als Grundlage, um effektive Präventionsmaßnamen zur Arzneimitteltherapiesicherheit aufzuzeigen. Im Folgenden werden einige vorbeugende Maßnahmen exemplarisch dargelegt, die eine Anregung für die Etablierung in der Krankenhauspraxis darstellen solle. Sie reichen von der Anamnese über Anordnung, Vorbereitung, Verteilung und Verabreichung bis hin zur Entlassung der Patientin oder des Patienten. Die Anregungen berücksichtigen auch Aspekte, die in der Pressekonferenz des APS zum Welttag der Patientensicherheit „sichere Medikation”, diskutiert wurden.

Beispiele für effektive Prävention

Anamnese und Kontrolle

  • Bei jeder Patientin und jedem Patienten wird im Rahmen der Aufnahme eine strukturierte und vollständige ärztliche Anamnese erstellt.
  • Bei jeder Patientin und jedem Patienten wird im Rahmen der Aufnahme eine strukturierte und vollständige Pflegeanamnese erstellt.
  • Die elektronische Patientenakte stellt eine vollständige Erhebung aller erforderlichen, relevanten Anamnesedaten sicher.
  • Es ist ein abgestimmtes Verfahren zur Arzneimittelanamnese etabliert:
    Wer erfragt die Vormedikation der Patientin beziehungsweise des Patienten?
    Wo beziehungsweise an welcher Stelle wird die Vormedikation dokumentiert?
    Wird der (vorliegende) Medikationsplan der Patientin oder des Patienten für die Arzneimittelanamnese und -anordnung zugrunde gelegt und auf Aktualität geprüft?
    Werden Medikamente, die eine besondere Relevanz für die weitere Behandlung haben, zum Beispiel Antikoagulanzien, gezielt erfragt?
    Werden bestehende Arzneimittelunverträglichkeiten erfragt und an definierter Stelle in der elektronischen Dokumentation festgehalten?
    Ist die Angabe, ob eine Unverträglichkeit eines Medikaments vorliegt oder nicht, als Pflichtfeld in der elektronischen Patientenakte definiert?
    Werden die Arzneimitteltherapieanamnese sowie die Weiterverordnung der Vormedikation (inklusive Ersatzpräparate) von der aufnehmenden Ärztin/dem aufnehmenden Arzt und der Apothekerin/dem Apotheker geprüft, beziehungsweise erfolgt die Prüfung in Abstimmung mit der Apothekerin/dem Apotheker und wird an definierter Stelle von beiden Personen in der Dokumentation quittiert?

Anordnung und Kontrolle

  • Elektronische Medikationsanordnungen enthalten alle relevanten Angaben, wie zum Beispiel Medikamentenname, Dosierung, Applikationsart.
  • Zu den im Krankenhaus verfügbaren Medikamenten liegen Informationen zur Medikamentenzubereitung und Verabreichung vor (Austauschpräparate, Dosierungstabellen, Kompatibilitätshinweise, Antidots u. a.).
  • Eine funktionsfähige IT-Schnittstelle zwischen der elektronischen Patientenakte und dem Apothekenprogramm ist eingerichtet. Die Programme kommunizieren so miteinander, dass keine Informationslücken entstehen.
  • Das elektronische Verordnungsprogramm beugt Dosierungsfehlern vor. Zum Beispiel lassen sich Hochrisikoarzneien wie Methotrexat (MTX) nur im wöchentlichen Intervall anordnen beziehungsweise es sind IT-technisch Sicherheitsbarrieren eingerichtet, die Dosierungsfehlern vorbeugen.
  • Der Zeitpunkt und die Art bei Medikationsänderung sind nachvollziehbar in der elektronischen Patientenakte ersichtlich.
  • Es finden Medikationsvisiten gemeinsam mit der Apothekerin oder dem Apotheker statt. Bei Unstimmigkeiten wird dies im Behandlungsteam kommuniziert.
  • Bei Entlassung erhält der Patient oder die Patientin einen detaillierten und individuellen Medikationsplan.

Vorbereitung, Verteilung, Verabreichung und Kontrolle

  • Die „Unit-Dose-Versorgung“ wird praktiziert. Das Prozedere der Verteilung per Unit-Dose ist geregelt.
  • Mitarbeitende des Pflegeteams prüfen die sachgerechte Zusammenstellung der Medikation vor Weitergabe an die Patientin oder den Patienten.
  • Anhand der elektronischen Patientenakte ist nachvollziehbar, welche Medikamente der Patientin oder dem Patienten ausgehändigt oder verabreicht wurden. Die ausführende Person ist in der elektronischen Akte verifizierbar.
  • Alle Patientinnen und Patienten erhalten ein Patientenarmband zur Identitätssicherung. Eine aktive Patientenbefragung inklusive Abgleich mit dem Namensband erfolgt bei Übergabe der Medikation beziehungsweise Applikation.
  • Bei Injektionen ist das Verfahren „Stop-Injekt-Check“ etabliert.

Kommunikation, Information und Schulungen

  • Das Thema Arzneimitteltherapiesicherheit ist fester Bestandteil von stattfindenden Schulungen in der Einarbeitung von neuen Mitarbeitenden.
  • Im jährlichen Fort- und Weiterbildungskatalog ist das Thema Arzneimitteltherapiesicherheit fester Bestandteil.
  • Aktuelle Themen im Kontext Arzneimitteltherapiesicherheit werden den Mitarbeitenden unmittelbar vermittelt, zum Beispiel während der Übergaben und Abteilungsbesprechungen.
  • Die Mitarbeitenden nutzen das Critical Incident Reporting System zur Erfassung von Zwischenfällen oder Beinahe-Ereignissen unter anderem im Zusammenhang mit Arzneien.
  • Die Mitarbeitenden werden regelmäßig über Erkenntnisse zur Verbesserung im Umgang mit Arzneien informiert.
  • Es finden interne prozessbezogene Audits zur Arzneimitteltherapiesicherheit statt. Die Umsetzung der daraus abgeleiteten Verbesserungsmaßnahmen wird evaluiert und nachgehalten. Die Wirksamkeit etablierter Maßnahmen wird dabei ebenfalls überprüft.
  • Eine Fehlerkultur ist etabliert und es wird offen bei Problemen im Zusammenhang mit der Arzneimitteltherapie kommuniziert.

Patient Empowerment

  • Im Rahmen der Patientenaufnahme und Anamnese wird die Patientin oder der Patient aktiv dazu ermuntert, eine „Partnerrolle“ einzunehmen und Fragen, Bedenken, Beobachtungen und Abweichungen jederzeit während des Aufenthaltes anzusprechen.
  • Die Patientinnen und Patienten erhalten bei Aufnahme einen Informationsflyer (orientiert am APS-Material), in dem fünf Fragen zur Medikamentensicherheit aufgeführt sind:
    1.Was ändert sich bei meinen Medikamenten?
    2.Wie fühle ich mich mit meinen Medikamenten?
    3.Wie wende ich meine Medikamente richtig an?
    4.Wirken die Medikamente, wie sie sollen?
    5.Wie ist das weitere Vorgehen?

Fazit

Medikationsfehler gehören zu den Hauptursachen für vermeidbare Schäden im Gesundheitswesen. Die zuvor exemplarisch aufgeführten Präventionsmaßnahmen können derartigen Fehlern vorbeugen und dienen als Orientierung, um eine bestmögliche Sicherheit in der Arzneimitteltherapie zu gewährleisten.

Voraussetzung für die Umsetzung und Einhaltung (Compliance) von krankenhausintern implementierten Präventionsmaßnahmen ist jedoch, dass auch die geeigneten Rahmenbedingungen zur Verfügung stehen. Zu den Rahmenbedingungen gehört auch, dass die Personaleinsatzplanung eine sichere Patientenversorgung im Tagdienst, im Nachtdienst und an den Wochenenden ermöglicht. Personalmangel kann die Patientensicherheit beeinträchtigen. Der menschliche Faktor ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Prävention!

In der finanziellen und personellen Situation, in der sich Krankenhäuser aktuell befinden, ist es eindeutig nicht leicht, immer die entsprechenden personellen Voraussetzungen qualitativ und quantitativ sicherzustellen. Dennoch sollten alle Beteiligten aufmerksam sein.

Literatur

[1]   Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. / AG AMTS / 08.2022, www.aps-ev.de., Presseinformation „5 Fragen, wenn es um Ihre Medikamente geht“ Pressemappe anlässlich des Welttags der Patientensicherheit 2022 in Berlin, 14.09.2022
[2]   Asklepios Kliniken GmbH & Co. KGaA – Exposé STOP-INJEKT CHECK, 16.11.2018

Fleischer M: Safety Clip: „Sichere Medikation“: Fehlervermeidungsstrategien im Prozess der Arzneimitteltherapie. Passion Chirurgie. 2022 Dezember; 12(12): Artikel 04_02.

Safety-Clip: Der Patientensicherheitsindex – angewandt am Kernprozess „Interdisziplinäres perioperatives Management“

Reifegrad des klinischen Risikomanagements transparent machen

Nicht nur das Management eines Krankenhauses hat großes Interesse an einer hohen Patientensicherheit. Auch Versicherungsunternehmen wollen sehen, ob und wie sich Aktivitäten des Qualitätsmanagements und des klinischen Risikomanagements auf die Patientensicherheit auswirken. Einige Versicherer haben angefangen, eigene Anforderungskataloge zum klinischen Risikomanagement zu erstellen und fordern Antworten von ihren Bestandskunden und potentiellen Kunden ein, denn sie möchten das Risiko, welches sie übernehmen sollen, besser einschätzen können. Manche Versicherungsunternehmen organisieren sogar eigene oder externe Audits in Kliniken. Nicht zuletzt deswegen ist es für das Krankenhausmanagement notwendig, Aktivitäten des Risikomanagements vor allem in den Hochrisikobereichen und in den Kernprozessen zu etablieren und die Ergebnisse gegenüber den Stakeholdern – zum Beispiel den Haftpflichtversicherern – transparent darzustellen.

Im Folgenden soll am Kernprozess „Perioperatives Management“ dargelegt werden, wie die Ergebnisse einer Messung zur Patientensicherheit konkret aussehen und welche Faktoren das Messinstrument Patientensicherheitsindex umfasst [1].

Perioperatives Management

Mit „Interdisziplinärem perioperativen Management“ werden alle Prozesse des prä-, intra- und postoperativen Managements bezeichnet. Die Organisation von Abläufen und Zuständigkeiten hat das Ziel, eine möglichst hohe Sicherheit bei Operationen zu gewährleisten [2].

Prozesse des präoperativen Managements

  • Prämedikation (Anästhesist)
  • Patientenaufklärung (Chirurg)
  • OP-Feldkennzeichnung
  • Patientenvorbereitung pflegerisch (inklusive Anwendung OP-Sicherheitscheckliste)
  • OP-Planung und -Koordination
  • Patiententransport

Prozesse des intraoperativen Managements

  • Patienteneinschleusung
  • Patientenidentifikation (inklusive Anwendung OP-Sicherheitscheckliste)
  • Sturzmanagement
  • Arzneimitteltherapie (Spritzenkennzeichnung u. a.)
  • Airway-Management
  • OP-Lagerung
  • Team-Time-Out
  • Organisation Anästhesie (Überwachung Narkose u. a.)
  • Hochfrequenz-Chirurgie
  • Zählkontrolle
  • Gewebeproben
  • Dokumentation Anästhesie (Narkoseprotokoll)
  • OP-Dokumentation (OP-Protokoll, OP-Bericht u. a.)
  • Überleitung an Aufwachraum (wenn Patient hier und nicht intensivmedizinisch überwacht wird)

Prozesse des postoperativen Managements:

  • Überwachung im Aufwachraum
  • Schmerzmanagement
  • Anordnungs- und Verabreichungsprozedere von Arzneien im Aufwachraum
  • Dokumentation im Aufwachraum
  • Verlegungsmanagement
  • Entlassmanagement nach ambulanten Operationen
  • Überwachung im stationären Bereich
  • Visitenmanagement
  • Arzneimitteltherapie im stationären Bereich
  • Patientendokumentation

Beim perioperativen Management spielen ferner allgemeine Maßnahmen eine wichtige Rolle für die Sicherheit. Dazu zählen unter anderem:

  • Einarbeitungsmanagement
  • Fort- und Weiterbildungsmanagement
  • Einweisung in medizintechnische Geräte
  • Notfallmanagement
  • Hygienemanagement
  • CIRS
  • Mortalitäts- und Morbiditätskonferenzen

Zu jedem der Prozesse gehören Präventionsmaßnahmen, die es umzusetzen gilt. Darunter sind patientennahe und patientenferne Präventionsmaßnahmen. Die Sicherheitsmaßnahmen bei der Arbeit am Patienten sowie die organisatorischen Aspekte im Hintergrund gewährleisten gemeinsam die ganzheitliche Patientensicherheit.

In einem Risiko- und Sicherheitsaudit wird hinterfragt und bewertet, inwieweit diese Präventionsmaßnahmen in der Praxis umgesetzt, sprich erfüllt werden.

Beispiel: Bewertung von Präventionsmaßnahmen bei der Hochfrequenz-Chirurgie

In Interviews und Praxisbeobachtungen werden unter anderem folgende Präventionsmaßnahmen beurteilt:

  • Verfahrensbeschreibung: Das Verfahren der Hochfrequenz-Chirurgie (HF-Chirurgie) ist schriftlich festgelegt. Die Zuständigkeit für die richtige Positionierung der Neutralelektrode ist eindeutig geregelt.
  • OP-Sicherheitscheckliste: Es ist sichergestellt, dass Stromleiter (Herzschrittmacher, Metallteile und Piercings) bekannt und wenn möglich entfernt sind. Dies ist Inhalt der OP-Sicherheitscheckliste und wird in ihr abgezeichnet.
  • Alarmsystem: Die HF-Geräte sind mit zuverlässigen Alarm- beziehungsweise Kontrollsystemen ausgestattet.
  • Hautkontrolle: Postoperativ wird nach Abnahme der Neutralelektrode die Hautoberfläche kontrolliert. Auffälligkeiten werden in der OP-Dokumentation festgehalten und bei Übergabe des Patienten kommunizier

Die Umsetzung dieser Präventionsmaßnahmen beugt im Wesentlichen dem Risiko der Verbrennung vor, das bei der HF-Chirurgie sehr häufig zum Tragen kommt.

Jede dieser Präventionsmaßnahmen ist mit individuellen Gewichtungsfaktoren hinterlegt. Die Gewichtungsfaktoren sind

  • Schadenschweregrad (Tabelle 1)
  • Eintrittswahrscheinlichkeit (Tabelle 2)
  • Wirksamkeit
  • Objektivität

Tab. 1: Schadenschweregrad in Stufen

unbedeutend

Vorkommnis ohne Folgen

gering

Gesundheitsschaden mit vorübergehenden Folgen (zum Beispiel akute Schmerzen, vorübergehende Einschränkungen in der Beweglichkeit)

spürbar

Gesundheitsschaden mit dauerhaften Folgen ohne relevante Einschränkungen im Alltag (zum Beispiel chronische Schmerzen, dauerhafte Einschränkungen in der Beweglichkeit)

kritisch

Schwerer Gesundheitsschaden mit in der Regel dauerhaften Folgen, die mit relevanten Einschränkungen im Alltag einhergehen, jedoch ohne Hilfe Dritter bewältigt werden können (zum Beispiel massiver Organ- oder Nervenschaden, Lähmungen, Sepsis)

katastrophal

Schwerer Gesundheitsschaden mit dauerhaften Folgen und erforderlicher täglicher Hilfe Dritter im Alltag (dauerhafte Pflegebedürftigkeit, zum Beispiel hypoxischer Hirnschaden, Wachkoma) oder Tod

Tab. 2: Eintrittswahrscheinlichkeiten

unwahrscheinlich

seltener als alle fünf Jahre

sehr selten

alle zwei bis fünf Jahre

selten

häufiger als alle zwei Jahre bis einmal pro Jahr

möglich

häufiger als einmal bis zweimal pro Jahr

häufig

häufiger als zweimal pro Jahr

Die Stufen und Interpretationen des Schadenschweregrades und der Eintrittswahrscheinlichkeit sind angelehnt an die österreichische Norm ONR 49002-2:2014 des Österreichischen Normungsinstituts (ONR 2014) und mit den Erfahrungen aus einer der größten Heilwesen-Schadendatenbank im deutschsprachigen Raum abgeglichen.

Einteilung der Präventionsmaßnahmen nach Wirksamkeit

  • Extrem wirksam
  • Sehr wirksam
  • Wirksam
  • Kaum bis gar nicht wirksam

Einteilung der Präventionsmaßnahmen nach Objektivität

  • Ja
  • Teilweise
  • Nein

Die Objektivität bedeutet, wie realistisch beurteilbar eine Präventionsmaßnahme ist. Es gibt zum einen Präventionsmaßnahmen, die sich mit einer hohen Objektivität bewerten lassen, zum Beispiel: „Das Verfahren der Hochfrequenz-Chirurgie ist schriftlich festgelegt.“ Zum anderen gibt es diejenigen, die zur Nachvollziehung des Behandlungsprozesses sehr relevant, jedoch nicht objektiv genug beurteilbar sind, zum Beispiel: „Der Operateur kennt den Patienten.“

Wie die zuvor dargestellten Faktoren je Präventionsmaßnahme gewichtet werden, legt das statistische Verfahren der modifizierten Delphi-Methode fest [3].

Den Schadenschweregrad und die Eintrittswahrscheinlichkeit des potentiellen Risikos (zum Beispiel des Verbrennungsrisikos beim Verfahren HF-Chirurgie) haben Arzthaftpflichtjuristen für jede Präventionsmaßnahme bewertet. Den Wirkfaktor sowie die Objektivität haben klinische Experten des Gesundheitswesens bestimmt.

Letztendlich kann somit jede Präventionsmaßnahme, die in einem Audit auf den Prüfstand gestellt werden soll, mit dem Risiko, dem sie entgegenwirkt, sowie mit den spezifischen Gewichtungsfaktoren beschrieben werden. Dies ist maßgeblich für die Berechnung des Patientensicherheitsindizes. Allerdings nicht allein: Weitere Parameter wie beispielsweise die Anzahl der zugrunde gelegten, indexrelevanten Präventionsmaßnahmen während eines Audits kommen hinzu.

In einem Sicherheits- und Risikoaudit erfolgt letztendlich die Erhebung des Patientensicherheitsindizes – fachabteilungs-, prozessbezogen oder auf Ebene der Präventionsmaßnahmen –, da der Auditor anhand der Fünferskalierung 0, 25, 50, 75 oder 100 Prozent jede in dem Audit zugrunde gelegte Präventionsmaßnahme hinsichtlich ihrer Erfüllung in der Praxis bewertet. Die Anzahl der zugrunde gelegten indexrelevanten Präventionsmaßnahmen in einem Audit sowie derer hinterlegten gewichteten Einzelparameter entsprechend Schadenausmaß, Eintrittswahrscheinlichkeit, Wirkfaktor und Objektivität bilden die Bemessungsgrundlage des Patientensicherheitsindex.

Patientensicherheitsindex im Audit

Am Beispiel eines realen Audits zum Kernprozess „Interdisziplinäres perioperatives Management“ werden nachstehend die Ergebnisse einer Indexberechnung exemplarisch aufgezeigt. Die Präventionsmaßnahmen sind definierten Sicherheitskategorien zugeordnet. Die Sicherheit bewegt sich auf einer Skala von 0 bis 100. Der Wert 100 bedeutet, dass das bestmögliche Sicherheitsniveau erreicht ist (siehe Tabelle 3 und zugehörige Tabelle 4 = Farblegende für den Patientensicherheitsindex).

Tab. 3: Patientensicherheitsindex nach Prozessaudit „Interdiziplinäres perioperatives Management“

Sicherheitskategorie

Index

Präoperativ

Prämedikation

100

Patientenaufklärung (Chirurg:in)

81

OP-Feldkennzeichnung

60

Patientenvorbereitung (pflegerisch)

92

OP-Planung/-Koordination

70

Patiententransport

75

Intraoperativ

Patienteneinschleusung

64

Patientenidentifikation

52

Sturzmanagement OP

59

Arzneimitteltherapie (Spritzenkennzeichnung u. a.)

80

Airway-Management

100

OP-Lagerung

100

Team-Time-Out

65

Organisation Anästhesie (Überwachung Narkose u. a.)

79

HF-Chirurgie

100

Zählkontrolle

100

Gewebeproben

65

Dokumentation Anästhesie

100

OP-Dokumentation

100

Überleitung Aufwachraum

97

Postoperativ

Überwachung Aufwachraum

100

Schmerzmanagement

75

Anordnungs-/Verabreichungsprozedere Arzneien Aufwachraum

82

Dokumentation Aufwachraum

100

Verlegungsmanagement

98

Entlassmanagement ambulante Operationen

88

Überwachung stationärer Bereich

91

Visitenmanagement

77

Arzmeimitteltherapie im stationären Bereich

81

Patientendokumentation

83

Allgemein

Einarbeitungsmanagement

81

Fort- und Weiterbildungsmanagement

90

Einweisung medizinische Geräte

98

Notfallmanagement

48

Hygienemanagement

100

CIRS

40

M&M-Konferenzen

31

Tab. 4: Legende der Farben des Patientensicherheitsindex

sehr hohes Sicherheitsniveau

Der Indexwert ist ≥ 95

mittleres Sicherheitsniveau

Der Indexwert ist ≥ 80 und < 95

ungenügendes Sicherheitsniveau

Der Indexwert ist < 80

Fazit: Ein sehr flexibles, nützliches Messinstrument

Der Patientensicherheitsindex ist flexibel anwendbar. Mit dem Index kann der Reifegrad des klinischen Risikomanagements gemessen werden, sei es in einem Fachbereich, in mehreren Hochrisikobereichen, auf Prozessebene – hier in der Grafik Kernprozess „Perioperatives Management“ – oder sogar nur zu einzelnen Präventionsmaßnahmen.

Das Qualitäts- und Risikomanagement kann durch Instrumente wie Audits, CIRS, Beschwerdemanagement und anderes mehr Risiken erkennen. Der Patientensicherheitsindex ermöglicht es darüber hinaus, nach einem Sicherheits- und Risikoaudit das Patientensicherheitsniveau aufgrund valider und reliabler Kennzahlen tatsächlich zu bestimmen und damit bewertbar zu machen Dies stellt für das Krankenhausmanagement eine echte Grundlage dar, um Entscheidungen im Sinne eines ganzheitlichen Risikomanagements zu treffen. Zudem kann es seinen Stakeholdern, zum Beispiel den Haftpflichtversichern, die Wirksamkeit etablierter Sicherheitsmaßnahmen objektiv darlegen.

Literatur

[1]   Zum Thema Patientensicherheitsindex siehe auch die Safety Clips „Sicherheitsindex in chirurgischen Fachabteilungen“ (10/2018) sowie „riskala.INDEX – Patientensicherheitsindex“ (8/2013).

[2]   Perioperatives Management: Abstract (2021), from https://www.amboss.com/de/wissen/Perioperatives_Management; abgerufen am 13. März 2021.

[3]   Zinn W., Fleischer M. (2015): Bewertung und Evaluation des klinischen Risikomanagements durch einen Sicherheitsindex. In Gausmann, P., Henniger, M., & Koppenberg, J. Patienten-Sicherheits-Management. Berlin/Boston: de Gruyter, 425–432.

 

Fleischer M: Safety Clip: Der Patientensicherheitsindex – angewandt am Kernprozess „Interdisziplinäres perioperatives Management“. Passion Chirurgie. 2021 Juni; 11(06): Artikel 04_02.

Safety Clip: Sicherheitsindex in chirurgischen Fachabteilungen

 

Die Gewährleistung der Patientensicherheit stellt nach wie vor eine der wichtigsten Aufgaben für das Krankenhausmanagement dar. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, den Reifegrad des klinischen Risikomanagements mittels geeigneter Kennzahlen messbar und somit transparent zu machen. Ist der Reifegrad bekannt, kann rechtzeitig mit geeigneten Maßnahmen den potenziellen Gefahren für die Patientensicherheit entgegengewirkt werden.

Patientensicherheitsindex

Mit dem Sicherheitsindex wird der Reifegrad des klinischen Risikomanagements und damit der Grad der Patientensicherheit objektiv messbar. Der Sicherheitsindex als wissenschaftlich validiertes Verfahren wurde bereits im Safety Clip „riskala.INDEX – Patientensicherheitsindex“ von 2013 vorgestellt. Im Folgenden wird der Fokus auf Neuigkeiten und insbesondere auf Anwendungs- und Auswertungsmöglichkeiten in chirurgischen Fachabteilungen gelegt [1].

Grundlagen

Für die Ermittlung des Sicherheitsindex sind Sicherheitsanalysen in einem Gesundheitsunternehmen oder in einzelnen Abteilungen desselben grundlegend. Die Analysen können in unterschiedlichen Fach- oder Leistungsabteilungen stattfinden, so auch in unterschiedlichsten chirurgischen Disziplinen. Vor der Analyse werden zunächst die Prozesse definiert, die begutachtet werden sollen. Typische Prozesse, die im Rahmen einer Analyse im chirurgischen Bereich begutachtet werden, sind zum Beispiel:

  • das Notaufnahmemanagement,
  • das Aufnahme- und Entlassungsmanagement,
  • das OP-Management inklusive Narkose,
  • das Management der Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte,
  • das postoperative Überwachungsmanagement,
  • die Dokumentation und Patientenaufklärung,
  • das Medikamentenmanagement und
  • das Hygienemanagement.

Im Rahmen der Analyse wird geprüft, ob risikopräventive Maßnahmen im Gesundheitsunternehmen vorhanden sind. Grundlage sind schadenfallbasierte Präventionsmaßnahmen, die aus der Heilwesen-Schadendatenbank (Schadendatenbank der Ecclesia Gruppe) abgeleitet werden. Durch Gespräche mit Mitarbeitenden der Bereiche und Begutachtung der Praxis wird bewertet, inwieweit die Präventionsmaßnahmen umgesetzt werden. Die Ergebnisse werden schriftlich festgehalten.

Sicherheitskategorien

Jede Präventionsmaßnahme wird mit einem Faktor für das potenzielle Risiko gewichtet. Der Gewichtungsfaktor jeder Präventionsmaßnahme setzt sich aus drei Bestandteilen zusammen:

1.Eintrittswahrscheinlichkeit mit den Stufen

  • sehr selten (einmal in drei Jahren oder seltener)
  • manchmal (einmal in ein bis drei Jahren) und
  • wahrscheinlich (häufiger als einmal pro Jahr)

2.Schadenschweregrad mit den Stufen

  • ohne Schaden
  • mit Verletzungsfolgen
  • mit dauerhaften Verletzungsfolgen
  • mit dauerhaften Verletzungsfolgen und Pflegebedürftigkeit oder Tod

3.Wirkfaktor mit den Stufen

  • extrem wirksam
  • sehr wirksam
  • wirksam
  • kaum bis gar nicht wirksam [2]

Abb. 1: Gegenüberstellung einiger bewerteter Präventionsmaßnahmen der Sicherheitskategorie „Organisation in der Notaufnahme“ eines Krankenhausträgers, Fachabteilung Allgemeine Chirurgie (ein Auszug, keine Echtdaten). Die Bewertung des Erfüllungsgrads jeder Präventionsmaßnahme erfolgt in den Prozentschritten 0, 25, 50, 75 und 100 Prozent.

Steigerung der Patientensicherheit und Benchmark

Am Ende einer Analyse steht eine definierte Anzahl bewerteter Präventionsmaßnahmen, die entsprechenden Sicherheitskategorien zugeordnet sind (die Bezeichnung „Risikothemen“ wurde in der Weiterentwicklung des Index in „Sicherheitskategorien“ geändert). Diese ermöglicht dem Krankenhausmanagement, insbesondere dem/der Risikomanager/in vor Ort, die Gefahrenzonen im Gesundheitsunternehmen anhand einer Sicherheitslandkarte zu erkennen. Zeitnah lassen sich somit die richtigen Instrumente zur Gegensteuerung entwickeln, in die Krankenhausprozesse implementieren und zuverlässig anwenden.

Abb 2: Gegenüberstellung Indexwerte von Krankenhäusern eines Trägers inkl. Benchmark (keine Echtdaten)

Bei krankenhausübergreifenden Analysen kann die Führungsebene eines Trägers mit mehreren Einrichtungen die bewerteten Präventionsmaßnahmen miteinander vergleichen (auf Ebene der Sicherheitskategorien). Mit einem Blick können sie im Sinne des „Voneinander Lernens“ Unterschiede und Auffälligkeiten erkennen und Verbesserungsmaßnahmen einleiten.

Weiterhin können die Vergleichsdaten einer anonymisierten Referenzgruppe (Benchmark) diesen Daten gegenübergestellt werden. Bei fachübergreifenden Sicherheits- und Risikoanalysen, wie z. B. in Fachabteilungen der Allgemein-, Viszeral-, Unfallchirurgie und Orthopädie können die Indexwerte der einzelnen Disziplinen ausgewiesen und gegenübergestellt werden.

Abb. 3: Vergleich Stand Ist-Analyse 2017 mit Stand Evaluation 2018, Krankenhaus A, Fachabteilung Allgemeine Chirurgie (keine Echtdaten)

Nach einem bestimmten Zeitintervall kann der Index in Form einer Evaluation erneut erhoben werden.

Literatur

[1] Fleischer, M (2013): riskala.INDEX: Patientensicherheitsindex. Safety Clip. Passion Chirurgie. Artikel 03.

[2] Zinn W., Fleischer M. (2015): Bewertung und Evaluation des klinischen Risikomanagements durch einen Sicherheitsindex. In Gausmann, P., Henniger, M., & Koppenberg, J. (Hrsg.): Patientensicherheitsmanagement. S.425- 432. Berlin/Boston: de Gruyter

Fleischer M. Safety Clip: Sicherheitsindex in chirurgischen Fachabteilungen. Passion Chirurgie. 2018 Oktober, 8(10): Artikel 04_03.

Safety Clip: Sicherheitsaudits versus Sicherheitskultur

Handlungsempfehlungen des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS)

Die Gewährleistung der Patientensicherheit ist eine der bedeutendsten Aufgaben für das Gesundheitssystem.

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts sind Einrichtungen des Gesundheitssystems nicht nur in Deutschland verstärkt gefordert, neuen politischen, gesetzlichen und wirtschaftlichen Anforderungen, die auf die Verbesserung der Patientensicherheit abzielen, gerecht zu werden. Diese Entwicklungen schreiten unaufhörlich voran. Schon heute geht es längst nicht mehr ausschließlich darum, einzelne medizinische und organisatorische Prozesse so zu justieren, dass am Ende eine gute Behandlungsqualität herauskommt. Es geht vielmehr darum, zuverlässig Maßnahmen zu initiieren, die dazu beitragen, dauerhaft eine optimale Patientensicherheit in Gesundheitseinrichtungen zu garantieren und Patientenschäden abzuwenden. Hierbei spielt insbesondere die Etablierung einer Sicherheitskultur bei der Mitarbeiterschaft eine entscheidende Rolle.

Sicherheitskultur

Sicherheitskultur bedeutet, dass die Kultur in einem Unternehmen auf ein sicherheitsförderndes Handeln der Mitarbeitenden ausgerichtet ist. Besonderes Kennzeichen einer „gelebten Sicherheitskultur“ in einer Institution ist die offene und vertrauensvolle Kommunikation unter- und Verständnis füreinander sowie das gemeinsame Ziel „Sicherheit“. [1]

Die Weiterentwicklungen der Aktivitäten des Aktionsbündnisses Patientensicherheit sind genau auf dieses Ziel ausgerichtet. In der Pressemitteilung Berlin, August 2016, erklärt das APS, dass als zentrales Ziel eine bessere Sicherheitskultur in deutschen Gesundheitseinrichtungen verfolgt werden würde. Mit der jährlichen Vergabe des Deutschen Preises für Patientensicherheit sollen Forschungs- und/oder Best-Practice-Projekte für mehr Patientensicherheit und klinisches Risikomanagement getriggert werden. [2]

Das Aktionsbündnis Patientensicherheit wurde im April 2005 gegründet. Ziel war es seit den Anfängen, sich durch Erforschung, Entwicklung und Verbreitung geeigneter Methoden für eine sichere Gesundheitsversorgung einzusetzen. Viele Projekte wurden seit der Gründung ins Leben gerufen und in fachgerechten Arbeitsgruppen entwickelt und umgesetzt.

Handlungsempfehlungen

Neben der Einführung von Critical Incident Reporting Systems (CIRS) in vielen Krankenhäusern hat das APS bereits zahlreiche Handlungsempfehlungen erfolgreich erarbeitet, u. a.

  • Jeder Tupfer zählt
  • Vermeidung von Eingriffsverwechslungen in der Chirurgie
  • Arzneimitteltherapiesicherheit im Krankenhaus
  • Vermeidung von Stürzen älterer Patienten im Krankenhaus
  • Patientensicherheit durch Prävention medizinprodukteassoziierter Risiken

Die Handlungsempfehlungen des APS, die sich an international anerkannten medizinischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen (World Health Organization u. a.) [3] orientieren, sind mittlerweile essenzielle Praxisliteratur, welche die Mitarbeitenden in Gesundheitseinrichtungen dabei unterstützt, wirksame Maßnahmen des klinischen Risikomanagements zu installieren.

Sicherheitsaudits

Im Rahmen von Sicherheitsaudits oder Sicherheits- und Risikoanalysen spielen die Handlungsempfehlungen eine wichtige Rolle. Die dabei angewendeten Fragestellungen basieren auf Erkenntnissen aus

  • Analysen von Heilwesenschäden,
  • einzelnen Schadenereignissen,
  • Fällen aus CIRS-Meldungen,
  • Beschwerdemeldungen von Patienten,
  • externen medizinischen und juristischen Empfehlungen
  • etc.

Aus diesen Erkenntnissen und Erfahrungen lassen sich gezielt Schwerpunkte für einen Kriterien- bzw. Auditkatalog mit risikoadjustierten oder schadenfallbasierten Präventionsmaßnahmen ableiten. [4]

Fallbeispiel

Achillessehnen-Operation mit Achillessehnen-Revision vorgesehen. Am OP-Tag erfolgen Maßnahmen zur präoperativen Vorbereitung (u. a. Kennzeichnung der zu operierenden Seite). Diese erfolgt am distalen Unterschenkel auf der Seitenbeinvorderseite.

Assistierender Oberarzt kennt Patienten sowie den Befund und den geplanten Eingriff. Im Rahmen präoperativer Maßnahmen wird Patient mehrfach gefragt, welche Seite zu operieren ist. Im Rahmen der Vorbereitung im OP-Saal, nach Narkotisierung Patient, wird auf richtiger linker Seite eine Oberschenkelblutsperre angebracht und diese mit Druck befüllt. Anschließend wird Patient in Bauchlage umgelagert, um OP vornehmen zu können.

Nach abgeschlossener Vorbereitung des OP-Gebietes befindet sich Patient vollständig unter den Operationstüchern. Nur distaler Unterschenkel ist sichtbar.

Nach sterilem Waschen betreten Ärzte den OP-Saal und bemerken etwaige Seitenverwechslung nicht. Team-Time-Out wird inkl. erneuter Abfrage der OP-Seite durchgeführt. Es scheint alles korrekt und Diskrepanz zwischen dokumentierter OP-Seite und tatsächlich steril vorbereiteter Seite fällt nicht auf.

Operateur führt einen Hautschnitt am rechten distalen Unterschenkel durch. Es kommt zu einer typischen Unterhautblutung durch Schnittführung. Dies erscheint assistierendem Arzt sofort suspekt, da aufgrund Blutsperre eigentlich keine Blutung zu erwarten ist. OP wird daraufhin sofort gestoppt und Anlage Blutsperre am zu operierenden Bein überprüft. Es wird festgestellt, dass an gerade operiertem Bein keine Blutsperre angelegt ist, sondern dass sich diese richtigerweise am linken Oberschenkel befindet. Seitenverwechslung wird bemerkt und OP gestoppt und nach erneuter Vorbereitung am richtigen Unterschenkel fortgesetzt.

Problem: Operateure waren bei Patientenlagerung, jedoch nicht bei Vorbereitung des OP-Gebietes zugegen. Im weiteren Verlauf nach Patientenlagerung erfolgt anschließend, trotz Anbringen der Blutsperren-Manschette auf richtiger linken Oberschenkelseite, Hautdesinfektion und sterile Abdeckung fälschlicherweise am rechten Bein. Dies bleibt ab diesem Zeitpunkt und bis zum ersten Hautschnitt unbemerkt. [5]

Der aufgeführte Fall zeigt, dass es trotz vereinbarter Sicherheitsmaßnahmen zu Seitenverwechslungen kommen kann, vor allem, wenn diese nicht konsequent eingehalten werden. In einem Sicherheitsaudit würden z. B. in Gesprächen mit den OP-Mitarbeitenden und der Ärzteschaft sowie in Praxisbegehungen folgende schadenfallbasierte Präventionsmaßnahmen bzw. Fragestellungen beleuchtet werden:

  1. Ist die Zuständigkeit für die Kontrollschritte während der Einschleusung des Patienten in den OP eindeutig geregelt und ist das Verfahren schriftlich festgelegt?
  2. Erfolgt ein persönliches Übergabegespräch und werden mitgelieferte Unterlagen auf Vollständigkeit geprüft?
  3. Kommt eine bedarfsgerecht entwickelte OP-Sicherheits-Checkliste zum Einsatz, die sich an anerkannten wissenschaftlich-medizinischen Empfehlungen orientiert?
  4. Kennt der Operateur/die Operateurin den Patienten?
  5. Kommt zur Vermeidung von Verwechslungen des Operationsgebietes (rechte Seite/linke Seite) ein abteilungsübergreifendes, einheitliches Kennzeichnungssystem zum Einsatz und ist dies in schriftlicher Form geregelt?
  6. Wird die OP-Feld-Markierung eindeutig (z. B. Kreuz, Pfeil) und mit einem nicht abwaschbaren Stift vorgenommen?
  7. Findet die Markierung immer in unmittelbarer der Nähe des OP-Gebietes statt und in jedem Fall auf der Körperseite (rechts/links, vorne/hinten), die operiert werden soll?
  8. Wird bei Umlagerungen des Patienten im OP-Saal nochmals besondere Aufmerksamkeit auf die zu operierende Seite gelegt und die richtige OP-Seite im Rahmen des Team-Time-Outs von allen Beteiligten bestätigt?
  9. Sind für OP-Abdeckungen, die OP-Feldkennzeichnungen nicht mehr erkennen lassen, zusätzliche Sicherheitschecks etabliert (z. B. Aufhängen eines Schildes auf dem „rechts“ oder „links“ steht und das für alle Beteiligten sichtbar ist)?
  10. Erfolgt präoperativ eine sichtbare Präsentation der zur OP erforderlichen Befunde inkl. des zu operierenden OP-Gebietes/der zu operierenden Seite für das gesamte OP-Team?
  11. Bestehen innerhalb des OP-Teams klare bzw. sichere Kommunikationsregeln, um Missverständnisse vor, während und nach der OP zu vermeiden (Team-Time-Out u. a.)? [5]

Zusammenspiel

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Die aufgeführten Präventionsmaßnahmen/Fragestellungen haben einen direkten Bezug zu der Handlungsempfehlung „Vermeidung von Eingriffsverwechslungen in der Chirurgie“ des APS, die sich größtenteils in den Beschreibungen der folgenden vier Stufen wiederfinden. [6]

  1. Aufklärung und Identifikation des Patienten
  2. Markierung des Eingriffsortes
  3. korrekte Identifikation des Patienten für die Zuordnung zum richtigen Saal
  4. Team-Time-Out

Andere Handlungsempfehlungen des APS haben ebenfalls diesen inhaltlichen Risikomanagementbezug. Die Ausführungen, Erkenntnisse und Implementierungshilfen, die sich aus den Empfehlungen ergeben, sind für die Erarbeitung risikoadjustierter Auditkataloge in Gesundheitseinrichtungen geeignet. Somit unterstützen die Handlungsempfehlungen die Mitarbeitenden in der Praxis dabei, geeignete Maßnahmen zu etablieren und dadurch Risiken für Patienten zu minimieren.

Gleichzeitig sind Sicherheitsaudits notwendig, um kontinuierlich die Umsetzung und Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen bzw. Präventionsmaßnahmen in der Praxis zu reflektieren und ggf. Prozesse nachzujustieren. Für ein erfolgreiches Audit ist es unabdingbar, dass der Auditor/die Auditorin und die in den zu auditierenden Bereich involvierten Mitarbeiter/innen auf Augenhöhe miteinander kommunizieren. Gemeinsam sind Prozesse zu begutachten und realistisch hinsichtlich des potenziellen Risikos für Patienten zu beleuchten. Nur so werden Audits als wirksames Instrument von der Mitarbeiterschaft akzeptiert und nur so lässt sich mittel- bis langfristig eine Sicherheitskultur in Gesundheitseinrichtungen aufbauen.

Die Sicherheitskultur ermöglicht es klinisch Tätigen jeder Berufsgruppe und Berufserfahrung, offen und vertrauensvoll mit potenziellen Risiken und auch mit Fehlern umzugehen und diese im Team anzusprechen. [7]

Nutzen

Essenzieller Nutzen der Implementation von Handlungsempfehlungen, Sicherheitsaudits sowie einer Sicherheitskultur ist es u. a., dass die eingeführten Instrumente bei richtiger Bedienung helfen, sukzessive die externen Anforderungen an klinische Risikomanagementsysteme in Gesundheitseinrichtungen (primär Krankenhäuser) umzusetzen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat Mindeststandards für klinische Risikomanagementsysteme in Krankenhäusern festgelegt. Das APS hat auf der Metaebene erarbeitet, welche Risikomanagementgrundsätze und -prozesse für die Umsetzung dieser Mindeststandards relevant sind, und mögliche Mindestanforderungen aus dem G-BA-Beschluss in seiner Handlungsempfehlung „Anforderungen an klinische Risikomanagementsysteme im Krankenhaus“ definiert.

Es zeigt sich, dass auch bei den vom G-BA geforderten Mindeststandards die Elemente „Präventionsmaßnahmen“, „Handlungsempfehlungen“, „Sicherheitsaudits“ und „Sicherheitskultur“ eine entscheidende Rolle einnehmen. Im Wesentlichen bedeutet dies u. a.

  • wirkungsvolle Präventionsmaßnahmen in allen für das klinische Risikomanagement relevanten Leistungs- und Unterstützungsprozessen zu implementieren;
  • die Umsetzung von externen Leitlinien, Vorgaben und Modellen zu bewerten;
  • durch regelmäßige Sicherheitsaudits spezifische Risiken in Diagnostik, Therapie und Pflege zu reflektieren sowie
  • die Sicherheitskultur in der Einrichtung kontinuierlich zu evaluieren. [8]

Anreiz

Besonders in den vergangenen zehn Jahren haben sich Gesundheitseinrichtungen intensiv damit beschäftigt, mit Präventionskonzepten die Patientensicherheit nachhaltig zu fördern. Die Bereitschaft ist vorhanden, sich neuen politischen, gesetzlichen und wirtschaftlichen Anforderungen zu stellen. Viele Klinikbetreiber haben das Thema Patientensicherheit bereits zum Unternehmensziel erklärt. [9]

Die „Scheuklappenmentalität“ der Vergangenheit ist erfreulicherweise größtenteils passé. Zunehmend werden Risikomanagementinstrumente nicht mehr als Zwangsmaßnahmen gesehen, um externe Erwartungen zu erfüllen, sondern es wird das „große Ganze“ erkannt.

Klinisches Risikomanagement und damit Sicherheitsaudits, Handlungsempfehlungen und alles, was dranhängt, sind dynamisch und nicht starr. Permanent sind neue Erkenntnisse aus Medizin und Fortschritt, Wissenschaft, Recht, Politik usw. sinnvoll in die klinischen Prozesse zu implementieren. Die Mitarbeitenden sind in die Weiterentwicklungen einzubeziehen und an ihnen zu beteiligen. Denn sie sind der Impuls – der Motor – des Systems. Eines Systems, das nur mit wirksamen, gewinnbringenden und geschickt eingesetzten Instrumenten funktionieren kann.

Die Patientensicherheit als großes Ziel, das hinter all dem steht, sollte für Klinikbetreiber und Träger anderer Einrichtungen des Gesundheitswesens stets der Inspirationsfaktor sein.

Literatur

[1]  Köhler, Carolin (2016): Sicherheitskultur in deutschen Krankenhäusern. Entwicklung eines Messinstruments für den OP-Bereich: Medizinische Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.
[2]  Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS) (August 2016): Pressemitteilung. Berlin. Wiebe Franzen, Conny, http://www.aktionsbuendnis-patientensicherheit.de/. (Stand: 17.08.2016).
[3]  Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS), http://www.aktionsbuendnis-patientensicherheit.de/ (Stand: 17.08.2016).
[4]  Gausmann, Peter; Henniger, Michael; Koppenberg, Joachim (Hg.) (2015): Patientensicherheits-Management. 6.7 Risikoaudits. Autorin Marsha Fleischer, S. 339–346. Berlin/Boston: de Gruyter.
[5]  Fleischer, Marsha; Henken-Mellies, Bianca; Stüldt-Borsetzky, Miriam (2015): Seitenverwechslung trotz etablierter Sicherungsmaßnahmen. Schadenfall im Blick, Monitor, hg. v. Ecclesia Versicherungsdienst GmbH.
[6]  Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS) (Hg.) (2006): Handlungsempfehlungen zur Eingriffsverwechslung in der Chirurgie.
[7]  Rosen, Kathrin (2014): Zuverlässigkeitsmanagement im Krankenhaus: Der HRO-Ansatz, Safety Clip, in: Passion Chirurgie (12)
[8]  Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS) (Hg.) (2016): Anforderungen an klinische Risikomanagementsysteme im Krankenhaus. Handlungsempfehlung
[9]  Peilnsteiner, Holger (2016): Klinisches Risikomanagement ist nicht Kür, sondern Pflicht. Interview mit Dr. Peter Gausmann, Geschäftsführer der GRB, in: KU Gesundheitsmanagement (5)

Fleischer M. Safety Clip: Sicherheitsaudits versus Sicherheitskultur. Passion Chirurgie. 2016 November; 6(11): Artikel 03_03.

Safety Clip: riskala.INDEX – Patientensicherheitsindex

 „Was meinen Sie – wo stehen wir im Krankenhausvergleich? Liegt die Patientensicherheit bei uns über oder unter dem Durchschnitt?“

Diese Frage bewegt sehr oft die Chefetagen von Krankenhäusern und Krankenhausverbünden ebenso wie die Ärzteschaft nach einem Sicherheits- und Risikoaudit der GRB Gesellschaft für Risiko-Beratung mbH.

Eine Antwort darauf bleiben die GRB-Beraterinnen und -Berater selten schuldig – wobei sie sich bisher allerdings eher auf ihre langjährige Beratererfahrung als auf empirische Untersuchungen stützen konnten. Um dieses subjektive „Bauchgefühl“ zu festigen und zu objektivieren, hat die GRB einen speziellen Patientensicherheitsindex entwickelt, den riskala.INDEX. Ziel ist es, den Reifegrad des klinischen Risikomanagements in Gesundheitseinrichtungen, primär Krankenhäusern, bewertbar zu machen.

Die Grundlage des riskala.INDEX ist der gemeinsam mit der Sana Klinken AG entwickelte Risikoindex. Seit mehr als sieben Jahren berät die GRB die Sana in Angelegenheiten des klinischen Risikomanagements. Um ein hohes Maß an Patientensicherheit zu gewährleisten, unterziehen sich die Sana Kliniken kontinuierlich den Sicherheits- und Risikoaudits der GRB sowie eigenen internen Audits. Um Ergebnisse der einzelnen Audits unter Aspekten des Risikomanagements vergleichen zu können, entwickelten die Sana und die GRB im Jahr 2011 den „Risikoindex“ als Messgröße [1].

Im GRB-Programm riskala® ist der Risikoindex als riskala.INDEX – Patientensicherheitsindex implementiert. Der Fokus liegt dabei auf dem Umsetzungsgrad risikopräventiver Maßnahmen. Mit Hilfe des riskala.INDEX kann dargestellt werden, in welchem Maße zum Zeitpunkt x Maßnahmen zur Patientensicherheit/zum klinischen Risikomanagement in einem Krankenhaus oder in einzelnen Fachbereichen/Abteilungen etabliert sind.

Sicherheits- und Risikoaudit

Ein Sicherheits- und Risikoaudit ist ein essenzielles Instrument des klinischen Risikomanagements, mit dem „schadenstiftende Prozesse“ rechtzeitig erkannt, bewertet, bewältigt und damit kontrolliert werden können.

Der riskala.INDEX wird bei einem GRB-Audit ermittelt bzw. ergibt sich aus den Ergebnissen, die mit dem Assessment-Instrument riskala® erhoben worden sind. Der Index kann zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen einer Projektevaluation neu berechnet werden, um zu sehen, ob der Reifegrad der risikopräventiven Maßnahmen sich im untersuchten Bereich verändert, bestenfalls natürlich erhöht hat.

riskala®-Assessments lassen sich gezielt für einen Krankenhaus- oder Abteilungsvergleich heranziehen. So können beispielsweise die Indexe aus unterschiedlichen fachabteilungsspezifischen Audits gegenübergestellt werden. Mit riskala® lassen sich sowohl Assessmentvergleiche von Ist-Analysen als auch von Projektevaluationen durchführen.

Präventionsmaßnahmen

Die wesentliche Grundlage für die Sicherheits- und Risikoaudits sowie für die Berechnung des riskala.INDEX bildet der im Programm riskala® hinterlegte Katalog schadenfallbasierter Präventionsmaßnahmen zur Patientensicherheit. Diese beruhen auf den anonymisierten Schadenfallanalysen und der langjährigen Schadenerfahrung aus dem Zusammenspiel des Unternehmensbereichs „Schaden Krankenhaus“ der Ecclesia Versicherungsdienst GmbH und der GRB.

Mittlerweile sind über 150.000 anonymisierte Anspruchsstellungen von Patientinnen und Patienten dahingehend untersucht worden, welche risikobehafteten Gegebenheiten zu den angemeldeten Schadenfällen geführt haben. Neben den Erkenntnissen aus der umfangreichen Schadendatenbank finden externe medizinische und juristische Empfehlungen in riskala® in Form von Präventionsmaßnahmen kontinuierlich inhaltliche Berücksichtigung.

Derzeit sind ca. 3.000 Präventionsmaßnahmen entwickelt und im Assessment-Instrument riskala® eingestellt worden, die ein Expertenteam regelmäßig aus medizinischer und juristischer Sicht auf Aktualität prüft und reflektiert.

Eine Teilmenge dieser Präventionsmaßnahmen wird dem standardisierten Vergleich unterzogen und fließt in die Berechnung des riskala.INDEX ein.

Risikothemen

Jede für die Berechnung des riskala.INDEX relevante Präventionsmaßnahme wird einem Risikothema zugeordnet (z. B. Facharztstandard, Safe Surgery, Schmerzmanagement, Organisation in der Notaufnahme, Organisation im OP, Organisation in der Geburtshilfe, Notfallmanagement, Medikamentenmanagement, Hygienemanagement, Medizintechnik, Zwischenfälle und Komplikationen). Der riskala.INDEX ermöglicht so einen dezidierten Überblick über den Umsetzungsgrad einzelner Risikothemen innerhalb eines Krankenhauses/einer Abteilung. Mit riskala® lassen sich zudem Reifegrade einzelner Risikothemen assessmentübergreifend miteinander vergleichen.

Risikokategorie und Berechnung des Index

Alle Präventionsmaßnahmen werden mit Blick auf ihre Bedeutsamkeit eingeschätzt. Zur Gewichtung der Präventionsmaßnahmen wird das GRB-Portfolio (gemäß ONR 49000 ff., ISO 31000) zugrundegelegt. Die Achsen „Schadenausmaß“ und „Eintrittswahrscheinlichkeit” sind dabei in fünf Bewertungsstufen unterteilt (Abb. 1). Die Präventionsmaßnahmen werden einzeln gewichtet, indem beurteilt wird, welches Risiko besteht, wenn die Maßnahme nicht erfüllt ist.

Abb. 1: Portfolio mit identifizierten Risiken aus der riskala®

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Daraus resultieren, analog zu den farbigen Portfoliodimensionen, drei Riskiokategorien*:

rot hohes Risiko unverzüglicher Änderungsbedarf
gelb mittleres Risiko zeitnaher Änderungsbedarf
grün niedriges Risiko mittelfristige Anpassung erwünscht

*Jeder Risikokategorie sind Rechenregeln zugeordnet, die derzeit einer umfassenden Validierung unterzogen werden. Diese wird Mitte des Jahres 2013 abgeschlossen.

Für jedes Sicherheits- und Risikoaudit wird schon in der Projektplanungsphase – abhängig vom zu untersuchenden Bereich – ein spezielles Set von Präventionsmaßnahmen aus riskala® zusammengestellt. Im Audit werden die Präventionsmaßnahmen im Rahmen von Interviews mit den an der Behandlung beteiligten Mitarbeitenden (z. B. Ärztinnen und Ärzten, Pflegekräften, Hebammen, Hygienefachkräften, Therapeutinnen und Therapeuten, Qualitätsmanagementbeauftragten, Medizintechnikern und -technikerinnen) und Praxisbegehungen (z. B. in der Notaufnahme, im OP, im Kreißsaal, in der Endoskopie, im Herzkatheterlabor, im Bereich der Intensivstation) von den Risikoauditoren (GRB-Beraterinnen und -Berater) begutachtet und abschließend bei der Erstellung des Präventions- und Risikoprofils (Ergebnisbericht) hinsichtlich des Umsetzungsgrads („erfüllt“, „teilweise erfüllt“ oder „nicht erfüllt“) bewertet (Abb. 2).

Abb. 2: Auszug einer Bewertung indexrelevanter Präventionsmaßnahmen aus der riskala®

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Komponenten für den riskala.INDEX

Die relevanten Größen für die Berechnung des Patientensicherheitsindex sind (pro Audit):

  • Anzahl der zu bewertenden Präventionsmaßnahmen
  • Risikokategorie der zu bewertenden Präventionsmaßnahmen
  • Umsetzungsgrad der zu bewertenden Präventionsmaßnahmen

Die Grundlage für die mathematische Berechnung des riskala.INDEX bilden die zuvor genannten Komponenten. Der Index zur Bestimmung des Reifegrades des klinischen Risikomanagements in einem Krankenhaus oder in einer Abteilung kann einen Wert von 0 bis 100 einnehmen (0 = keine der zu bewertenden Präventionsmaßnahmen sind erfüllt, 100 = alle der zu bewertenden Präventionsmaßnahmen sind erfüllt).

Zusammengefasst

Welche Erkenntnisse können durch den riskala.INDEX und den Assessmentvergleich gewonnen werden? Was ist der Benefit?

Abb. 3 zeigt einen allgemeinchirurgischen Vergleich aus riskala®. Verglichen werden hier die Assessments A bis F (Ergebnisse aus Sicherheits- und Risikoaudits). Die Anzahl der zu bewertenden Präventionsmaßnahmen kann je Assessment durchaus variieren, da die Audits sich in der Regel in ihrem Umfang unterscheiden. In den Assessments D, E und F wurden folglich mehr Krankenhausbereiche als in A, B und C – z. B. Notaufnahme, Intensivstation sowie zum Teil Radiologie und Transfusionsmedizin – begutachtet. Somit wurden auch mehr Risikothemen behandelt. Auf den Assessmentvergleich der einzelnen riskala.INDEXE hat dies jedoch keinerlei Auswirkungen, da diese Variabilität in der Berechnungsformel Berücksichtigung findet.

Abb. 3: Darstellung des Assessmentvergleichs aus der riskala®

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Das Assessment F schneidet im Vergleich am besten ab. Nur 26 der 284 bewerteten Präventionsmaßnahmen sind nicht oder nur teilweise erfüllt worden. Davon gehören fünf der hohen, 19 der mittleren und zwei der niedrigen Risikokategorie an. Welche Präventionsmaßnahmen diese im Einzelnen sind, geht aus jeder riskala.INDEX-Berechnung hervor (vgl. Abb. 2).

In der Detailansicht der begutachteten Risikothemen je Assessment (einzeln ausgewiesene Indexe) ist ersichtlich, wo Krankenhäuser, Fachbereiche und Abteilungen aus Sicht des klinischen Risikomanagements schon sehr gut aufgestellt sind und wo noch feinjustiert werden muss. Weiterhin ist sehr gut nachzuvollziehen, in welchen risikorelevanten Bereichen generell Krankenhäuser noch Nachholbedarf haben und in welchen weniger. In Abb. 4 z. B. ist zu erkennen, dass in den miteinander verglichenen Fachbereichen das Thema „Safe Surgery“ durchaus noch Handlungsbedarf aufweist.

Abb. 4: Detailansicht einzelner Risikothemen im Assessmentvergleich aus der riskala®

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  • Hier ein Einblick in die Präventionsmaßnahmen aus riskala® zum Thema „Safe Surgery“:
  • Die Zuständigkeit für die Kontrollschritte während der Einschleusung der Patientin/des Patienten in den OP ist eindeutig geregelt. Das Verfahren ist schriftlich festgelegt.
  • Eine bedarfsgerecht entwickelte OP-Sicherheits-Checkliste kommt zum Einsatz. Diese orientiert sich an anerkannten wissenschaftlich-medizinischen Empfehlungen.
  • Die Identität der Patientin/des Patienten wird durch persönliche, aktive Ansprache geprüft. Bei paarig angelegten Organen und Extremitäten erfolgt eine Kontrolle der richtigen Seitenangabe.
  • Patientinnen und Patienten tragen bei der Einschleusung in den OP ein Namensband.
  • Zur Vermeidung von Verwechslungen des Operationsgebiets (rechte Seite/linke Seite) kommt ein abteilungsübergreifendes, einheitliches Kennzeichnungssystem zum Einsatz. Dies ist in schriftlicher Form geregelt.
  • Präoperativ erfolgt die sichtbare Präsentation der zur OP erforderlichen Befunde für das gesamte OP-Team.
  • Die anerkannten medizinischen Handlungsempfehlungen zur Vermeidung von Eingriffsverwechslungen in der Chirurgie sind bekannt und werden umgesetzt:
  1. Aufklärung und Identifikation der Patientin/des Patienten
  2. Markierung des Eingriffsortes
  3. Identifikation der richtigen Patientin/des richtigen Patienten im richtigen Saal
  4. Etablierung eines routinemäßigen „Team-Time-out” mit standardmäßigen Abfragepunkten unmittelbar vor Schnitt.

Der riskala.INDEX ermöglicht es Mitgliedern der Krankenhausleitung, Ärztinnen und Ärzten sowie Geschäftsführungen von Krankenhausverbünden bei jedem einzelnen Sicherheits- und Risikoaudit, den Ausprägungsgrad risikopräventiver Maßnahmen, orientiert an risikospezifischen Themen, zu bestimmen. Auf Basis valider Vergleichsdaten kann so ein Krankenhaus/ein Fachbereich/eine Abteilung im Hinblick auf die Patientensicherheit sehr konkret beurteilt werden. Die Möglichkeit des Assessmentvergleiches fördert zudem die Transparenz zwischen Krankenhäusern – dies ist insbesondere innerhalb von Krankenhausverbünden sinnvoll.

riskala® und riskala.INDEX ermöglichen auch länderübergreifende Vergleiche mit Krankenhäusern/Gesundheitseinrichtungen z. B. in Österreich und der Schweiz im Hinblick auf die Entwicklung und den Umsetzungsgrad risikopräventiver Maßnahmen.

Literatur

[1] Pohl A, Fleischer M, van Arkel R. Risikoaudits und die Entwicklung eines Risikoindex – Implementierung eines Risikomanagementsystems am Beispiel der Sana Kliniken AG. KU Gesundheitsmanagement. 2012; 5; 36-39

Fleischer M. riskala.INDEX – Patientensicherheitsindex. Passion Chirurgie. 2013 August; 3(08): Artikel 03_01.