Alle Artikel von Prof. Dr. med. Klaus-Dieter Zastrow

Krankenhausinfektionen – ein medizinisches, soziales und ökonomisches Problem

Jährlich werden in Deutschland 18 Millionen Patienten stationär im Krankenhaus behandelt. Mit ca. 900.000 Krankenhausinfektionen ist die nosokomiale Infektion (Krankenhausinfektion) die mit großem Abstand häufigste Infektionskrankheit in Deutschland und fordert die meisten Todesopfer – mehr als der Straßenverkehr. Diese Zahlen sind seit langer Zeit bekannt. Dennoch werden Krankenhausinfektionen nicht annähernd so intensiv bekämpft wie die meldepflichtigen Erkrankungen gemäß Infektionsschutzgesetz.

Das Bundesgesundheitsamt hat bereits 1976 die „Richtlinie zur Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von Krankenhausinfektionen“ veröffentlicht, weil nicht zu übersehen war, dass zum damaligen Zeitpunkt ca. 500.000 Patienten von nosokomialen Infektionen betroffen waren. In der o. g. Richtlinie wurden Krankenhausinfektionen folgendermaßen definiert: „Eine Krankenhausinfektion ist jede durch Mikroorganismen hervorgerufene Infektion, die im kausalen Zusammenhang mit einem Krankenhausaufenthalt steht, unabhängig davon, ob Krankheitssymptome bestehen oder nicht. Eine epidemische Krankenhausinfektion liegt dann vor, wenn Infektionen mit einheitlichem Erregertyp in zeitlichem, örtlichem und kausalem Zusammenhang mit einem Krankenhausaufenthalt nicht nur vereinzelt auftreten.“

Die häufigsten Krankenhausinfektionen sind:

  • Harnwegsinfektionen,
  • Wundinfektionen,
  • Atemwegsinfektionen,
  • Sepsis.

Eine Harnwegsinfektion liegt vor, wenn mehr als 100.000 Mikroorganismen pro Milliliter Mittelstrahlurin nachgewiesen werden. Harnwegsinfektionen können folgende Symptome nach sich ziehen: Müdigkeit, Kopfschmerz, Rückenschmerzen, Fieberschübe, Beschwerden beim Wasserlassen, Lendenschmerzen und Blutungen. Als Komplikation kann das schwere Krankheitsbild der Urosepsis auftreten.

Wundinfektionen sind eitrige Wundheilungsstörungen und werden durch bakterielle Kontaminationen hervorgerufen. Grundsätzlich ist jede Wunde infektionsgefährdet. Keime werden entweder durch direkten Kontakt oder durch Tröpfchen, seltener aber auch durch Schmutzpartikel in die Wunde eingebracht, vermehren sich und verursachen die Infektion. Diese Erreger können ihren Weg über die Lymphbahnen fortsetzen. Hochvirulente Keime können die regionären Lymphknotengruppen überwinden und zu einer Allgemeininfektion (Sepsis) führen. Atemwegsinfektionen können als katarrhalische Infekte, Pharyngitis oder Pneumonie auftreten. Die Patienten klagen über Schmerzen im Bereich des Brustkorbs, Husten, Auswurf und Fieber.

Die Sepsis ist die gefährlichste Krankenhausinfektion. An ihr sterben heute noch 40 % aller Betroffenen. Schweres Krankheitsgefühl, wiederkehrende Fieberschübe bis 41 Celsius, Schüttelfrost, Zunahme der weißen Blutkörperchen und Blutdruckabfall zeichnen den Patienten.

Welche Mikroorganismen sind die Verursacher?

Die Erreger der Krankenhausinfektionen sind fast immer fakultativ-pathogene Mikroorganismen und gehören in der Mehrzahl zur physiologischen Flora des Menschen an verschiedenen Standorten.

Koagulase-negative Staphylokokken siedeln auf der Haut und im Nasen-Rachen-Raum des Menschen und sind dort als Standortflora unverzichtbar.

Streptokokken und der Pilz Candida albicans (Soor) finden sich im Rachenraum des Menschen.

Escherichia coli, Klebsiella spp, Enterobacter, Proteus, Pseudomonas aeruginosa, Enterokokken und die anaeroben Bacteroides-Arten finden sich im menschlichen Darmtrakt als Standortflora.

Bei zahlreichen Infektionskrankheiten konnte die Krankheit eingedämmt werden, indem die „Keimstreuer“ isoliert wurden. Dieses erfolgreich erprobte Instrument der Isolierung muss bei Krankenhausinfektionen erfolglos bleiben. Grundsätzlich ist der Mensch – Patient und medizinisches Personal – Infektionsquelle. Aus diesem Grund sind krankenhauserworbene Infektionen wesentlich schwerer zu bekämpfen als die klassischen Infektionskrankheiten. Die Hauptrolle bei exogenen infektiösen Krankenhausinfektionen spielt also der Mensch als Infektionsquelle. Durch Ausscheidung der Erreger, vorwiegend durch die Körperöffnungen Nase, Mund und Anus, werden die o. g. Mikroorganismen im Krankenhaus verteilt und erreichen den Patienten. Als weitere Infektionsquellen müssen natürlich auch Lebensmittel, Wasser, Luft und Erde angesehen werden. Bei der überwiegenden Mehrzahl aller Krankenhauspatienten sind Teile der natürlichen, körpereigenen Abwehr außer Kraft gesetzt:

Staphylokokkus aureus allerdings gehört nicht zur physiologischen Flora des Menschen. Er ist sehr oft Verursacher von „chirurgischen Infektionen“ und einer der häufigsten Verursacher von Krankenhausinfektionen. Ebenfalls ist er für eine große Zahl von Lebensmittelinfektionen und -intoxikationen verantwortlich. Eine postoperative Wundinfektion nach einem aseptischen Eingriff, verursacht durch S. aureus, gehört immer zu den Infektionen, die durch sachgerechte Hygiene vermeidbar sind.

Gelegentlich wird behauptet, dass S. aureus ein Hautkeim sei. Diese Aussage ist falsch, wird allerdings nur von Autoren, die in Mikrobiologie und Hygiene nur unzureichend bewandert sind, getroffen. Er siedelt vorübergehend im Nasen-Rachen-Raum, deshalb werden Screening-Untersuchungen zuerst dort durchgeführt.

Auf der Haut findet sich S. aureus lediglich als transiente, also als Anflugflora, die durch Haut- und Händedesinfektion beseitigt wird und nur durch Rekontamination wieder auftaucht.

70 % aller Patienten die im Krankenhaus einen Harnwegsinfekt erleiden, sind zuvor katheterisiert worden. Der Blasenkatheter stellt eine direkte Verbindung von der Außenwelt zur Blase dar. Sämtliche Schutzmechanismen sind ausgeschaltet. Auf dem Weg des Katheters können sämtliche Mikroorganismen in die Blase eintreten.

Jeder operierte Patient hat eine geschlossene oder offene Wunde. Die Schutzbarriere Haut ist vom Skalpell des Arztes durchtrennt worden, die Mikroorganismen finden ungehinderten Zugang zum Körperinneren, dem idealen Milieu für Mikroorganismen. Auch die durch Naht verschlossene Wunde ist erst dann vor Mikroorganismen sicher, wenn der letzte Faden oder die letzte Klammer entfernt ist.

Beatmungspatienten haben ihre körpereigenen, natürlichen Abwehrmechanismen durch den für die Beatmung notwendigen Tubus verloren. Der Tubus stellt eine direkte Verbindung von der Außenwelt in die Tiefe der Lunge dar und bahnt somit den nosokomialen Infektionserregern den Weg für die Pneumonie. Der „filternde“ Nasen-Rachen-Raum ist hierbei völlig ausgeschaltet.

Die häufigste Ursache für Bakteriämie und Sepsis ist die Verwendung von Kathetern, die über eine periphere Vene (Armvene) oder einen zentralen Zugang (z. B. Vena subclavia, Vena jugularis) ins Körperinnere führen. Auch hier ist der Schutzmechanismus der Haut außer Kraft gesetzt, weil ein „Schlauch“ direkt in die Blutbahn gelegt wurde. Dieser Weg eröffnet Bakterien in geradezu idealer Weise den Weg in das Innere des Körpers.

Die Hauptgefahrenquellen sind also alle invasiven Maßnahmen. Dort, wo die körpereigene Abwehr durch Blasenkatheter, OP-Instrumente, Tubus, Venenkatheter oder Endoskop außer Kraft gesetzt wird und der direkte Zugang in das Körperinnere geschaffen wird, findet sich auch die Eintrittspforte für Bakterien und Viren. Gern wird von device-assoziierten Infektionen gesprochen.

Was kosten Krankenhausinfektionen?

Die Infektionsraten in bundesdeutschen Krankenhäusern liegen zwischen 4 und 5 %. Dies bedeutet, dass von den derzeit ca.18 Millionen Krankenhauspatienten etwa 900.000 während des Krankenhausaufenthaltes eine Infektion erleiden. Krankenhausinfektionen erfordern durchschnittlich zehn Tage zusätzlichen Krankenhausaufenthalt. Dies bedeutet, dass Krankenkassen und Krankenhäuser und damit die Versicherten pro Jahr Kosten in Milliardenhöhe für nosokomiale Infektionen aufbringen müssen.

Zusätzlich müssen die Verluste durch Fehlzeiten am Arbeitsplatz und dauerhafte Invalidität eingerechnet werden. Ohne Frage ist unsere Gesellschaft sehr ökonomisch orientiert. Jedoch müssen alle im Gesundheitswesen Tätigen über die Zahl von 900.000 Krankenhausinfektionen und über ca. 30 – 40.000 verstorbene Patienten mit der Todesursache bzw. Mittodesursache Krankenhausinfektion zutiefst betroffen sein. Die soziale Komponente der Krankenhausinfektionen wird häufig falsch eingeschätzt oder nicht berücksichtigt. Wenn z. B. Mutter oder Vater durch eine nosokomiale Infektion weitere 8 bis14 Tage – im Extremfall bis zu mehreren Monaten – länger im Krankenhaus bleiben muss, so ist dies für die Familie und besonders für die Kinder ein herber Verlust.

Wie können Krankenhausinfektionen verhindert werden?

Nach dem heutigen Kenntnisstand muss davon ausgegangen werden, dass Krankenhausinfektionen nicht ausgerottet werden können. Dies ist darin begründet, dass nicht alle nosokomialen Infektionen durch ärztliche Eingriffe, pflegerische Maßnahmen und Mängel in der Desinfektion sowie Sterilisation hervorgerufen werden. Wenn nur die Hälfte – ca. 450.000 – aller Krankenhausinfektionen verhindert werden können, bewahrt man 450.000 Patienten vor einer außerordentlich unangenehmen und oft folgenschweren Infektion und ca.15.000 Patienten vor dem vorzeitigen Tode bewahrt.

Krankenhausinfektionen können jedoch nur durch qualifiziertes Fachpersonal und ausgeprägtes Hygienebewusstsein bei allen Krankenhausmitarbeitern vermindert werden. Dazu benötigt jede Klinik mindestens einen Arzt/Ärztin für Hygiene und eine oder mehrere Hygienefachkräfte. Jede Fachdisziplin muss über einen geschulten Hygienebeauftragten Arzt verfügen. Jede Klinik muss eine gemäß den Richtlinien der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention zusammengesetzte Hygienekommission einsetzen. In jeder Klinik müssen aussagekräftige Infektionsstatistiken geführt werden.

Diese Maßnahmen sind seit 2011 durch den §23 des Infektionsschutzgesetzes und in den Krankenhaushygieneverordnungen der Länder festgeschrieben. Der Arzt für Hygiene ist Konsiliararzt für alle Fachdisziplinen, berät diese in allen Fragestellungen der Hygiene und erarbeitet mit der jeweiligen Fachdisziplin medizinische und pflegerische Handlungsweisen aus Sicht der Hygiene.

Zur erfolgreichen Bekämpfung von nosokomialen Infektionen gehören auch die sachgerechte Planung baulicher Maßnahmen und die Beachtung der Regeln der Desinfektion und Sterilisation.

Die Aufsichtsbehörde (zuständiges Gesundheitsamt) muss sich regelmäßig davon überzeugen, dass die Leiter der Kliniken mit geeignetem Personal (Arzt für Hygiene, Hygienefachkraft) optimale Klinikhygiene sicherstellen und die vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen eingehalten werden. Nosokomiale Infektionen sind meldepflichtig, wenn sie nicht nur vereinzelt auftreten. Diese Forderung wird den Krankenhausinfektionen jedoch nicht gerecht.

Jede nosokomiale Sepsis sowie jeder Todesfall, der im ursächlichen oder vermutlich ursächlichen Zusammenhang mit einer nosokomialen Infektion steht, muss zukünftig meldepflichtig und in den § 6 des Infektionsschutzgesetzes aufgenommen werden.

Ebenfalls fehlt der „Tod durch nosokomiale Infektion“ in der Todesursachenstatistik des Statistischen Bundesamtes.

Im Dt. Ärztebl. 86, Heft 25/26, 26. Juni 1989, also vor 26 Jahren war, zu lesen:

„Bis zum Jahr 2000 wird die Altersgruppe der über 60jährigen um 2,2 Millionen zunehmen, die der über 85jährigen um 450.000, wo hingegen bei den 15-20jährigen mit einem Rückgang um 750.000 zu rechnen ist. Dies bedeutet: Der Anteil der über 60jährigen an der Bevölkerung und damit der präsumtiven Krankenhausbenutzer wird von derzeit 20,5 % bis zum Jahr 2000 auf 25 % steigen“.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft erklärte in der Pressemitteilung vom 28. Juni 1989:

„Die Infektionsraten älterer Patienten (65-74 Jahre) liegen mit 7,2 % bzw. 7,6 % überdurchschnittlich hoch; bei über 75-jährigen Patienten sind sie mit 8,7 % bzw. 9,4 % signifikant hoch.“

„In Zukunft werden sich zwischen den einzelnen Altersgruppen aber auch strukturelle Änderungen ergeben. So prognostiziert das Zentralinstitut der Kassenärzte, dass die Zahl der Fälle bei den unter 25jährigen um 19,2 % (absolut 560.000) abnimmt. Hingegen wächst die Zahl der Krankenhausfälle der 35-45jährigen um 28,2 % (240.000). Progressiv steigt auch die Zahl der Fälle bei den 55-65jährigen, und zwar um 14,7 % (280.000 Fälle). Bis zur Jahrtausendwende wird bei den 65-75jährigen eine Zunahme um 23,3 % (240.000 Fälle) prognostiziert.“ (Dt. Ärztebl. 86, Heft 25/26, 26. Juni 1989).

Die deutsche Krankenhausgesellschaft vertrat bis 2011 die Auffassung, dass der Arzt für Hygiene und die Hygienefachkraft verzichtbar seien und auf dem 15. Deutschen Krankenhaustag (1989) äußerte ein Vertreter des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung Bedenken gegen die Arbeit der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention. Diese Auffassungen waren aufgrund der bekannten Situation und der o .g. Zukunftsaussichten schon damals gänzlich unverständlich.

Das Bundesgesundheitsamt hatte im Juni 1989 die Vertreter der Spitzenverbände der Krankenkassen zu einem Informationsgespräch zur Krankenhaushygiene eingeladen. Hier wurde deutlich, dass es den Krankenkassen nicht darum geht, durch verbesserte Krankenhaushygiene Geld einzusparen, sondern dass die Qualität der medizinischen Versorgung für die Versicherten optimiert wird. Die Krankenkassen haben gegenüber ihren Versicherten eine Fürsorgepflicht. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Angewandte Krankenhaushygiene kann auch nach dem neuesten Stand der Wissenschaft nicht jede nosokomiale Infektion verhindern. Schwangerschaftsvorsorge, Krebsvorsorgeuntersuchungen und Schutzimpfungen können nicht jegliches Gesundheitsrisiko oder Manifestationen einer Krankheit ausschließen. Alle genannten Präventivmaßnahmen minimieren jedoch das Risiko zu erkranken. Zu diesen Präventivmaßnahmen gehört auch die Krankenhaushygiene. Welcher Arzt, ärztliche Direktor, Betreiber oder Leiter eines Krankenhauses kann aus finanziellen Gründen auf Maßnahmen verzichten, die die Gesundheit der ihm anvertrauten Patienten sichern, zusätzliche Krankheiten verhüten oder gar Leben retten? Krankenhausinfektionen schaden allen. Der Patient erleidet neben seinem Grundleiden – z. B. einem Leistenbruch – die Komplikation einer Wundinfektion in Form eines Abszesses. Der Verbrennungspatient, dem Flüssigkeit über die Vene gegeben werden muss, erleidet eine Bakteriämie oder gar Sepsis. Beide Infektionsformen sind bei jungen sowie älteren Patienten zu finden. Für den jungen und alten Patienten wird die Aufenthaltszeit, die mit Schmerzen und Beeinträchtigung unterschiedlicher Stärke verbunden ist, verlängert. Für beide können die Komplikationen einen tödlichen Ausgang nehmen.

Die Krankenhäuser müssen den verlängerten Krankenhausaufenthalt bezahlen, bei Verlegung in eine teurere Klinik mit besserer Ausrüstung z. B. einer Intensivstation. Diese Kosten wiederum müssen von der Solidargemeinschaft der Versicherten übernommen werden. Der Arzt für Hygiene, die Hygienefachkraft, der Hygienebeauftragte Arzt sowie die Hygienekommission sind seit 2011 fester Bestandteil jeder Klinik. Der Sachverstand dieser Fachleute hilft, die Patienten vor einer zusätzlichen Infektion, die von einem leichten Infekt bis zur tödlichen Sepsis reichen kann, zu schützen.

Jedoch fehlt häufig noch bei vielen Mitarbeitern das nötige Hygienebewusstsein, sonst würde man die wichtigen 30 Sekunde der Haut- oder Händedesinfektion nicht als Belastung, sondern als integralen Bestandteil des medizinischen Handelns ansehen.

Zastrow K.-D. Krankenhausinfektionen – ein medizinisches, soziales und ökonomisches Problem. Passion Chirurgie. 2016 Januar, 6(01): Artikel 02_02.

Hygiene-Tipp: Letales Risiko durch nosokomiale Infektionen

In den 1970er Jahren starben in Deutschland über 20.000 Menschen pro Jahr durch Unfälle im Straßenverkehr. Seitdem wurden viele Maßnahmen ergriffen, um diese Zahl zu senken: Geschwindigkeitsbeschränkungen, Führerschein auf Probe, technische Maßnahmen an den Fahrzeugen usw. Heute liegt die Zahl der Verkehrstoten unter 4.000 pro Jahr.

Ähnlich ist es im Arbeitsschutz: Todesfälle durch Arbeitsunfälle sind heute die Ausnahme und ziehen umfangreiche Ermittlungen, oft auch des Staatsanwaltes, nach sich.

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Im Gesundheitswesen ist es völlig anders: Laut den offiziellen Angaben erleiden etwa 3,5 % der stationären Patienten eine nosokomiale Infektion. Dies wären bei 19 Millionen stationären Patienten pro Jahr 665.000 Patienten. Nach offiziellen Angaben versterben an einer nosokomialen Infektion 10.000 bis 15.000 Patienten pro Jahr. Das Sepsis-Netzwerk schätzt aber, gestützt auf gut abgesicherte Erhebungen, dass allein durch die nosokomiale Sepsis pro Jahr weit über 20.000 Patienten versterben, also weit mehr als die offiziellen Gesamtzahlen.

Die DGKH geht von mindestens einer Million nosokomialer Infektionen und wenigstens 30.000 Todesfällen hierdurch aus. Ermittelt man – aus verschiedenen Quellen – das letale Risiko für verschiedene Ereignisse des Lebens, so ergibt sich die folgende Tabelle (Tab. 1).

Die Tabelle zeigt, dass der Tod durch nosokomiale Infektionen heute eine relevante Position bei den Lebensrisiken einnimmt und daher hoher Handlungsbedarf besteht.

Der Hygiene-Tipp gibt die Meinung der Autoren wieder.

Popp W. / Zastrow K.D. Hygiene-Tipp: Letales Risiko durch nosokomiale Infektionen. Passion Chirurgie. 2015 Dezember; 5(12): Artikel 03_05.

Hygiene-Tipp: Multiresistente Erreger – Verlust mindestens 8.000 € pro Fall

Schon eine frühere Studie aus den Vivantes Kliniken zeigte massive finanzielle Einbußen der Krankenhäuser bei der Behandlung von MRE-Patienten im deutschen DRG-System. Die Daten werden nunmehr untermauert durch Auswertungen der InEK-Daten durch Prof. Kersting und Kollegen aus dem IGES-Institut: Danach werden immerhin 3,1 % der Patienten mit einer MRE-spezifischen OPS abgerechnet. Zusätzliche Kosten entstehen vor allem durch Isolierung, Medikamenteneinsatz und längere Liegezeiten.

Die durchschnittlichen Zusatzkosten pro MRE-Patient belaufen sich so auf 10.000 €. Da die Krankenhäuser pro Fall im allgemeinen 1.000 bis 2.000 € maximal zusätzlich erhalten dürften, bleiben sie also pro MRE-Patient auf mindestens 8.000 € Verlust sitzen. Hochgerechnet auf 2.000 Krankenhäuser bedeutet dies wahrscheinlich Einnahmeverluste in Milliarden-Höhe pro Jahr!

Beispiel: Für ein Universitätsklinikum mit 1.000 MRE-Fällen pro Jahr und 50.000 stationären Patienten sind dies Verluste in einer Höhe von 8 Mio. €!

Weiter zeigen die Daten: Die Kosten steigen, je später die Diagnose gestellt wird.

Dies wiederum führt zu der Folgerung, dass alle Hygienemaßnahmen zur Vermeidung der Weiterverbreitung von MRE und ein generelles Eingangsscreening, auch aus wirtschaftlichen Gründen eingeführt werden müssen.

Der Hygienetipp gibt die Meinung der Autoren wieder.

Popp W. / Zastrow K.D. Hygiene-Tipp: Multiresistente Erreger – Verlust mindestens 8.000 € pro Fall. Passion Chirurgie. 2014 Dezember; 4(12): Artikel 03_04.

Hygiene-Tipp: Gestaltung von Umkleideräumen

Die Lage und Größe der Umkleideräume ist der Organisation (Anzahl der Mitarbeiter und Anforderungen) des Hauses entsprechend zu wählen und auch konsequent zu nutzen.

Den Umkleideräumen sollte eine Toilette zugeordnet sein. Leicht erreichbare Duschen sind ebenfalls erforderlich. An die Ausstattung der Umkleideräume werden folgende Anforderungen gestellt: Garderobenschränke (Trennung von benutzter Berufskleidung, sauberer Berufskleidung und persönlicher Kleidung), Handwaschbecken mit Seifen-, Desinfektionsmittel- und Handtuchspender sowie Einrichtungen für das Sammeln der Berufskleidung.

Der Hygiene-Tipp gibt die Meinung der Autoren wieder.

Popp W. / Zastrow K.D. Hygiene-Tipp: Gestaltung von Umkleideräumen. Passion Chirurgie. 2015 Oktober; 5(10): Artikel 03_03.

Hygiene-Tipp: Händetrocknung – Einmalhandtücher sind der Trocknung mit Gebläsen deutlich überlegen

Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass nach dem Händewaschen die Trocknung mit Einmalhandtüchern schneller und gründlicher ist als mit Gebläsetrocknern. Nicht selten wird bei Einsatz von Gebläsetrocknern die Trocknung vorzeitig abgebrochen, sodass Hautschäden an noch feuchten Händen resultieren können, wenn direkt danach Handschuhe angezogen werden.

Weiterhin ist nachgewiesen, dass durch Gebläsetrockner keimhaltige Aerosole im Raum verteilt und somit Pathogene übertragen werden können. Dies gilt ganz besonders für Jet-Air-Trockner, bei denen selbst im Abstand von einem Meter noch Aerosole nachgewiesen werden.

Insofern sollten im medizinischen Bereich möglichst immer nur Einmalhandtücher eingesetzt werden.

Bei Einmalhandtüchern wiederum zeigt sich, dass insbesondere Handtücher aus recyceltem Material mehr Keime aufweisen als z. B. nicht-recycelte Rollenspendertücher. Allerdings ist die Keimbelastung der recycelten Handtücher sehr unterschiedlich. Daher sollte beim Einkauf recycelter Einmalhandtücher darauf geachtet werden, dass diese mit wenig Keimen belastet sind, was vom Hersteller abgefragt werden sollte.

Ross B. / Popp W. / Zastrow KD. Hygiene-Tipp: Händetrocknung – Einmalhandtücher sind der Trocknung mit Gebläsen deutlich überlegen. Passion Chirurgie. 2015 Mai; 5(05): Artikel 03_03.

Hygiene-Tipp: Tragen von Kopftüchern im Gesundheitswesen

Gelegentlich wird – insbesondere von muslimischen Mitarbeiterinnen – der Wunsch geäußert, bei der Arbeit ein Kopftuch zu tragen. Das Tragen von Kopftüchern und anderen Kopfbedeckungen auch bei der direkten Arbeit am Krankenbett verursacht grundsätzlich keine hygienischen Probleme.

Bestimmte Rahmenbedingungen im Sinne der Tragedauer, des Kontaminationsschutzes und der Bedingungen der Aufbereitung müssen aber eingehalten werden:
Kopftücher sollen täglich – bei Verschmutzung oder Kontamination sofort – gewechselt werden. Dies ist im Allgemeinen nur möglich, wenn sie wie Berufskleidung vom Arbeitgeber gestellt werden. Daher sollten Mitarbeiterinnen, die Kopfbedeckungen tragen wollen, neben der Berufskleidung auch Kopftücher gestellt werden.

Die Kopfbedeckung muss so getragen werden, dass ein Verrutschen oder Herabfallen ausgeschlossen ist. Sehr große Kopftüchern können beispielsweise unter den Kragen des Oberteils gelegt werden, damit eine unbeabsichtigte Kontamination ausgeschlossen werden kann.

Ferner gilt generell für textile Kopfbedeckungen:

  • Sie müssen frei von sichtbaren Beschmutzungen sein.
  • Sie müssen im Allgemeinen täglich gegen frisch gewaschene Kopfbedeckungen getauscht werden. In medizinischen Bereichen mit hoher Kontaminationsmöglichkeit und einer antizipierbar häufigen Wechselfrequenz stehen auch Einwegkopftücher zur Verfügung, die für die Mitarbeiterinnen bereitgestellt werden können.
  • Sie sollen dicht anliegen und die Haare gut bedecken.
  • Sie müssen maschinell in definierten Reinigungs-Desinfektions–Waschverfahren aufbereitet werden können. Maschinelle Verfahren mit Temperaturen von mindestens 60°C oder mindestens 40°C zuzüglich einem Desinfektionswaschmittel sind notwendig.

Im OP, beim Legen eines ZVK und in Isolierzimmern sind Kopftücher nicht erlaubt und z. B. durch Einmalhauben zu ersetzen.

Hygiene-Tipp: Schmuck und Fingernägel

Im April 2014 ist die Neufassung der TRBA 250 (Technische Regel für Biologische Arbeitsstoffe) erschienen.

In ihr heißt es in Kapitel 4.1.7 „Schmuck und Fingernägel“:

Bei Tätigkeiten, die eine hygienische Händedesinfektion erfordern, dürfen an Händen und Unterarmen z. B. keine

  • Schmuckstücke,
  • Ringe, einschließlich Eheringe,
  • Armbanduhren,
  • Piercings,
  • künstliche Fingernägel und
  • sogenannte Freundschaftsbänder

getragen werden. Fingernägel sind kurz und rund geschnitten zu tragen und sollen die Fingerkuppe nicht überragen.

Außerdem kann nach Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung auch Nagellack und Nagelgel in allen Bereichen untersagt werden, in denen eine hygienische Händedesinfektion durchzuführen ist.

Die Regelungen der TRBA sind ähnlich einer staatlichen Verordnung umzusetzen.

Popp W. / Zastrow K.D. Hygiene-Tipp: Schmuck und Fingernägel. Passion Chirurgie. 2014 Oktober; 4(10): Artikel 03_02.

Hygiene-Tipp: Begriffe steril und desinfiziert – nicht selten falsch verwendet

Immer wieder werden die Begriffe „steril“ und „desinfiziert“ falsch verwendet. In Gerichtsverfahren kann das den Verdacht nahelegen, dass diese Basis-Begriffe nicht bekannt sind.

„Ich gehe nur mit sterilen Händen an den Patienten” kann allenfalls möglich sein mit sterilen Handschuhen, nicht jedoch nach einer Händedesinfektion der normalen Hände. Steril bedeutet immer, dass keine vermehrungsfähigen Bakterien, Pilze oder Viren mehr vorhanden sind, auch keine bakteriellen Sporen. Dieser Zustand ist nur durch Sterilisation zu erreichen, z. B. im Autoklaven. Real wird bei der chirurgischen Händedesinfektion eine Keimzahlreduktion um maximal den Faktor 1.000 erreicht.

„Steriles Abwaschen” (wie oft geschrieben) vor der OP gibt es nicht: Der Patient wird nicht „abgewaschen”, sondern es wird Desinfektionslösung verteilt. Das Ergebnis der präoperativen Hautdesinfektion – so der korrekte Begriff – ist nicht eine sterile Haut, sondern eine desinfizierte Haut. Es können also noch Bakterien auf ihr sein – aber nur so viele, dass sie keine Infektion mehr hervorrufen können.

Die in Schadensersatz-Prozessen oft vorgebrachte Argumentation, dass die Wundinfektion logisch sei, da die präoperative Hautdesinfektion gar nicht alle Bakterien abtöte, ist vielleicht in extrem seltenen Fällen zutreffend, aber nicht bei den allermeisten Wundinfektionen.

Auf trockenen, talgdrüsenarmen Arealen der Haut findet man üblicherweise Keimzahlen im Bereich von 102-103 Keimen/cm2, am Abdomen 103-104 Keime/cm2.

Bei der Desinfektion erwartet man eine Keimzahlreduktion um den Faktor 1.000 bis 100.000. Nach Hautantiseptik verbleiben durchschnittlich 10 Keime/cm2 auf der Haut. Dabei handelt es sich um residente Hautflora, insbesondere S. epidermidis, die vor allem in den Haarfollikeln lokalisert sind. E. coli oder S. aureus zählen dagegen zur transienten Hautflora, die gerade durch die präoperative Hautdesinfektion abgetötet werden sollen.

Der Hygienetipp gibt die Meinung der Autoren wieder.

Popp W. / Zastrow K.D. Hygiene-Tipp: Begriffe steril und desinfiziert – nicht selten falsch verwendet. Passion Chirurgie. 2014 September; 4(09): Artikel 03_03.

Hygiene-Tipp: Vorgehen bei Mitarbeitern mit Allergien auf Händedesinfektionsmittel

Gelegentlich klagen Mitarbeiter über entzündliche Hautveränderungen und Rötungen, die sie auf den Einsatz von Händedesinfektionsmitteln zurückführen.

Dem kann zum einen begegnet werden, dass neuere Produkte eingesetzt werden, die frei von Zusatzstoffen, z. B. Parfümen, sind. Des Weiteren sind alkoholische Händedesinfektionsmittel im Allgemeinen für die Haut sehr gut verträglich, während häufiges Händewaschen zur Austrocknung der Haut führt.

Bei anhaltenden Beschwerden ist unbedingt eine hautfachärztliche intrakutane Austestung anzustreben. Wenn dabei Reaktionen gefunden werden, sollten die ermittelten Stoffe den Herstellerfirmen der Waschlotionen und Händedesinfektionsmittel mitgeteilt und danach gefragt werden, ob diese Stoffe, ggf. in sehr niedriger Konzentration, in den Produkten enthalten sind. Bei Bestätigung kann dem Mitarbeiter eine dezidierte Empfehlung zur Meidung bestimmter Produkte gegeben werden.

Fallbeispiel:

Eine Mitarbeiterin klagt über Allergien auf alle alkoholischen Händedesinfektionsmittel und zeigt eine extrem gerötete und entzündete Haut an den Händen. Sie möchte, dass ein anderes Produkt eingeführt wird, das ihr jemand empfohlen hat. Die Mitarbeiterin wird zum Hautarzt geschickt und bei der intrakutanen Austestung zeigen sich schwach positive Ergebnisse für Terpentin, Cetylpyridiniumchlorid, Triclosan und Iodpropinylbutylcarbamat. Die Anfrage bei den Herstellerfirmen der Waschlotionen und der Händedesinfektionsmittel ergibt, dass eine Waschlotion in geringer Konzentration Triclosan enthält. Damit kann geklärt werden, dass die Mitarbeiterin nicht allergisch auf die Händedesinfektionsmittel ist. Sie muß allerdings die genannte Waschlotion meiden.

Der Hygienetipp gibt die Meinung der Autoren wieder.

Hygiene-Tipp: Händehygiene – Führungsverhalten und Spender-Standort sind entscheidend

Zwei neue Publikationen zeigen, dass die Compliance mit der Händedesinfektion ganz entscheidend von der Führungsfigur und dem Standort des Spenders abhängen:

In einer Untersuchung aus den USA konnte gezeigt werden, dass die Händedesinfektion-Compliance von 45 auf 64 Prozent gesteigert wird, wenn sich die Person die Hände desinfiziert, die als erste in den Patientenraum eintritt. Genauso wurde die Compliance von 42 auf 66 Prozent gesteigert, wenn der die Visite führende Arzt die Hände bei Betreten des Raumes desinfizierte [1].

In einer anderen Untersuchung, ebenfalls aus den USA, wurde gemessen, dass die Händedesinfektion nur in 12 Prozent durchgeführt wird, wenn der Spender entfernt vom Patienten, z. B. türnah, befestigt ist. Die Händedesinfektion wurde in 54 Prozent durchgeführt, wenn der Spender nah am Patienten in direkter Sicht des untersuchenden Arztes installiert war [2].

Beide Studien zeigen, dass korrektes Hygieneverhalten – hier die Händedesinfektion – ganz entscheidend von den Leitungen abhängt. Sie haben Vorbildfunktion!

Außerdem steigern deutlich sichtbare und – vom „Arbeitsplatz“ am Patientenbett oder an der Untersuchungsliege – gut erreichbare Spender die Compliance.

Literatur

[1] Haessler et al: Getting doctors to clean their hands: lead the followers. BMJ Qual Saf 2012, 21, 499

[2] Birnbach et al: Patient safety begins with proper planning: a quantitative method to improve hospital design. Qual Saf Health Care 2010, 19, 462

Popp W. / Zastrow K.D. Hygiene-Tipp: Händehygiene – Führungsverhalten und Spender-Standort sind entscheidend. Passion Chirurgie. 2014 März; 4(03): Artikel 03_02.