Alle Artikel von Jörg Heberer

F&A: Genereller Erstattungsausschluss durch eine private Krankenversicherung

Frage:

Ein niedergelassener Chirurg fragt an, nachdem er von einer privaten Krankenversicherung ein Schreiben mit dem Hinweis erhalten hat, dass seine Honorarrechnungen wegen unzumutbaren Prüfungsaufwands (fehlende medizinische Notwendigkeit sowie nicht GOÄ-konforme Abrechnung diverser Leistungen) zukünftig generell von einer Erstattung ausgeschlossen werden, ob dieser generelle Erstattungsausschluss rechtmäßig sei.

Antwort:

Bedauerlicherweise wird durch die gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung ein genereller Erstattungsausschluss von Rechnungen eines bestimmten Arztes durch eine private Krankenversicherung grundsätzlich als rechtmäßig angesehen.

Die privaten Krankenversicherungsunternehmen haben in § 5 Abs. 1 Buchst. c MB/KK geregelt, dass keine Leistungspflicht besteht für Behandlung durch Ärzte, Zahnärzte, Heilpraktiker und in Krankenanstalten, deren Rechnungen der Versicherer aus wichtigem Grund von der Erstattung ausgeschlossen hat, wenn der Versicherungsfall nach der Benachrichtigung des Versicherungsnehmers über den Leistungsausschluss eintritt. Sofern im Zeitpunkt der Benachrichtigung ein Versicherungsfall schwebt, besteht keine Leistungspflicht für die nach Ablauf von drei Monaten seit der Benachrichtigung entstandenen Aufwendungen.

Die Rechtsprechung hält diese Klausel in den Versicherungsbedingungen einheitlich für wirksam (vgl. OLG München, Urteil vom 07.12.1999 – 25 U 2049/99; OLG Koblenz, Urteil vom 26.05.2000 – 10 U 847/99; LG Dortmund, Urteil vom 12.12.2007 – 22 O 71/07; OLG Hamm, Urteil vom 05.12.2008 – 9 wU 89/08).

Ein wichtiger Grund für den Erstattungsausschluss liegt nach ständiger Rechtsprechung immer dann vor, wenn ein unverhältnismäßiger Prüfungsaufwand beim Versicherer durch die Liquidationen des Arztes entsteht (vgl. OLG München, Urteil vom 25.02.1998 – 21 U 4320/97, bestätigt durch den BGH, Beschluss vom 19.01.1999 – VI ZR 150/98; OLG Koblenz, Urteil vom 19.03.2010 – 10 U 1328/03). Ein solch unverhältnismäßiger Prüfungsaufwand kann beispielsweise dadurch entstehen, dass längerfristig und/oder bei einer Mehrzahl von Fällen medizinisch nicht notwendige Behandlungen erbracht werden oder bei mehrfach strittiger GOÄ-Abrechnung. Die aufgrund dessen stetig erforderliche Einholung von Gutachten durch den Versicherer zur Beurteilung der Erstattungsfähigkeit der eingereichten Rechnungen kann zur Unzumutbarkeit der Prüfung führen. Denn nachdem der private Krankenversicherer zur sparsamen Mittelverwendung verpflichtet ist, kann diesem aus Sicht der Rechtsprechung nicht zugemutet werden, jede einzelne Rechnung mit kostenträchtigen Gutachten überprüfen zu lassen (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 19.03.2010 – 10 U 1328/03). Bei einer derart kostenintensiven Prüfung ist der Versicherer somit nach Auffassung der Gerichte berechtigt, die Rechnungen eines bestimmten Arztes von der Erstattung generell auszuschließen.

Ein solcher, einmal rechtskräftig für wirksam erachteter, Rechnungsausschluss ist für den Arzt umfassend gegenüber sämtlichen Patienten dieses Versicherungsunternehmens und hat so lange Bestand, bis entweder der Versicherer den Ausschluss aufhebt oder sich anderweitig mit dem Arzt hinsichtlich der weiteren Behandlung seiner Patientenrechnungen einigt (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 26.05.2000 – 10 U 847/99). Die Versicherung ist auch nicht verpflichtet, nach Ablauf einer bestimmten Zeit nach Erklärung des Ausschlusses in die erneute Überprüfung der Rechtmäßigkeit einzutreten. Der Ausschluss wirkt vielmehr unbegrenzt (vgl. OLG Hamm, a. a. O.).

Ob letztendlich die Gründe für einen solchen Erstattungsausschluss gerechtfertigt sind, muss stets im konkreten Einzelfall geprüft werden. Allerdings verspricht nach Auffassung des Verfassers ein gerichtliches Vorgehen des Arztes gegen die Versicherung regelmäßig keinen Erfolg. Die Gerichte haben nämlich in der Vergangenheit dem behandelnden Arzt grundsätzlich Ansprüche auf Unterlassung oder Widerruf der Ausschlusserklärung nach §§ 823 ff. BGB gegen die Versicherung verweigert. Auch ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 1 UWG wird durch die Rechtsprechung abgelehnt, da der Versicherer nicht im Wettbewerb mit dem Arzt steht und durch die Mitteilung nicht den Wettbewerb eines anderen Arztes begünstigt, sondern ein Handeln des Versicherers ausschließlich zur Förderung der eigenen wirtschaftlichen Betätigung stattfindet (vgl. LG Dortmund, a. a. O.; OLG Hamm, a. a. O.).

Natürlich kann der Arzt zunächst einmal versuchen, der Versicherung darzulegen, dass sich an der beanstandeten Behandlungs- und Abrechnungspraxis Änderungen ergeben haben, woraufhin die Versicherung dann aus Sicht des Verfassers verpflichtet wäre, die Ausschlussentscheidung erneut zu überprüfen.

Sollte die Versicherung allerdings ihre Ausschlussentscheidung nicht aufheben, bleibt folglich nach Ansicht des Verfassers in der Regel nur den jeweiligen Patienten die Klage gegen ihre Versicherung auf Erstattung der konkreten Leistungen bzw. auf Gewährung von Versicherungsschutz für diese Behandlungen. In einem solchen Klageverfahren würde sodann überprüft werden, ob die erbrachten Leistungen medizinisch notwendig und/oder richtig abgerechnet waren. Sofern hier dann positive Urteile zu Gunsten der Patienten ergehen, so könnte der Arzt abermals die erneute Überprüfung der Ausschlussentscheidung gegenüber der Versicherung beantragen.

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass sobald der Arzt Kenntnis von einem solchen Erstattungsausschluss erhält, er verpflichtet ist, die hiervon betroffenen Patienten gemäß § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB i. V. m. § 12 Abs. 4 M-BO vor der Behandlung schriftlich über die Höhe des nach der GOÄ zu berechnenden voraussichtlichen Honorars sowie darüber aufzuklären, dass ein Anspruch auf Übernahme der Kosten durch seine Krankenversicherung oder einen anderen Kostenträger nicht gegeben oder nicht sicher ist.

Die neuen Antikorruptionsparagraphen §§ 299a und 299b StGB

 

Allgemeines

Die neuen §§ 299 a und 299 b des Strafgesetzbuches treten Anfang 2016 in Kraft. Sie regeln die Bestechlichkeit im Gesundheitswesen und weiten dies auf niedergelassene, freiberufliche Ärzte aus. Sie umfassen ebenfalls die honorarärztliche Tätigkeit.

Honorararzt

Insbesondere dann, wenn sich die honorarärztliche Tätigkeit des Arztes in der Klinik auf solche Patienten bezieht, die der Arzt ambulant vorbehandelt hat und bei denen er ggf. auch die stationäre Einweisung vorgenommen hat, ist dies relevant.

Allerdings lässt sich der Begründung des Regierungsentwurfes zu den neuen Regelungen entnehmen, dass die Gewährung von Vorteilen, die ihren Grund ausschließlich in der Behandlung von Patienten oder anderen heilberuflichen Leistungen haben, den Tatbestand der Bestechung und Bestechlichkeit nicht erfüllt. Es muss sich vielmehr um eine verabredete Gegenleistung für die Zuweisung zwischen Krankenhausträger und Honorararzt handeln, um die Möglichkeit einer Strafbarkeit zu eröffnen.

Letztlich geht es nach der Gesetzesbegründung insbesondere darum, ob das Entgelt nicht entsprechend dem Wert der erbrachten heilberuflichen Leistung in wirtschaftlich angemessener Höhe nachvollziehbar festgelegt worden ist. Allerdings wird nicht ausdrücklich gesagt, was „angemessen“ ist.

Die Ausfüllung dieses unbestimmten Rechtsbegriffes muss deshalb durch die zukünftige Handhabung in der Praxis und Rechtsprechung erfolgen. Hierauf haben die Berufsverbände nur sehr eingeschränkt Einfluss, gefragt sind hier m. E. vielmehr die Ärztekammern, die sich dahingehend positionieren müssen, welche Honorarbemessung sie für angemessen halten. Ich werde mich meinerseits um entsprechende Konkretisierungen bei denvÄrztekammern bemühen, es sollten hier aber auch durchaus die Ärzte selbst im Einzelfall tätig werden. Dies insbesondere auch aus Eigeninteresse, da es häufig die Krankenhausträger sind, die mit Hilfe des Argumentes der Angemessenheit zunehmend versuchen, die Honorare zu drücken.

Anhaltspunkte für die Angemessenheit können sich insbesondere aus den jeweiligen DRG ergeben, insbesondere aus dem Vergleich der DRG für die Behandlung in Hauptabteilungen und die Behandlung in Belegabteilungen. Die entsprechende Vergütungsdifferenz stellt letztendlich die Kosten des Operateurs und damit auch die in jedem Fall angemessenen Kosten für ärztliche Leistungen dar.

Ein weiterer Anhaltspunkt in den Hauptabteilungs-DRG sind die kalkulatorisch enthaltenen Kosten für den Ärztlichen Dienst, die sich für jedes DRG auf Basis der InEK-Kalkulation ermitteln lassen.

Zu berücksichtigen ist dann jedoch auch, dass der Honorararzt als Freiberufler tätig ist und sämtliche Kosten und Abgaben selbst zu tragen hat. Bei den Kosten für den Ärztlichen Dienst muss deshalb m. E. durchaus noch ein entsprechender Aufschlag hinzugerechnet werden.

Unter Berücksichtigung der genannten Vorgaben wird man jedenfalls zu einer gewissen Verhandlungsbreite für das Honorar kommen, die nach derzeitigem Stand als angemessen angesehen werden wird.

Eine weitergehende absolute Sicherheit im Hinblick auf die Angemessenheit des Honorars und damit die Vermeidung eines Vorwurfs der Zuweisung gegen Entgelt bzw. der Bestechlichkeit lässt sich nach derzeitigem Stand leider nicht gewährleisten.

Kooperationen unter Ärzten

Im Bereich der sog. Teilberufsausübungsgemeinschaften ist im Wesentlichen auf die bisherige Rechtsprechung und die bestehenden berufsrechtlichen Vorgaben zurückzugreifen. Häufig geht es darum, dass im Rahmen der Kooperation mit einer radiologischen Praxis Röntgenleistungen erbracht werden sollen oder mehrere Praxen sich zur Erbringung kernspintomografischer Untersuchungen zusammenschließen. Diese Form der gemeinsamen Berufsausübung darf im GKV-Bereich gem. § 33 Abs. 2 der Ärzte-Zulassungsverordnung, aber auch im privatärztlichen Bereich aufgrund berufsrechtlicher Vorgaben nicht dazu dienen, dass ein therapieorientiertes Fachgebiet mit einem Methodenfach kooperiert, sofern dies letztlich zu einer Legitimation der Patientenzuweisung gegen Entgelt bzw. eines Kickback-Systems führen würde.

Grundsätzlich gilt: Eine Berufsausübungsgemeinschaft, die dazu dient, dass verschiedene Disziplinen „formal“ gemeinsam organisiert sind, die Leistungen jedoch von einer Disziplin ausschließlich erbracht und abgerechnet werden, und die eingehenden Honorare aufgrund vertraglicher Abrede geteilt werden, wird gegen den § 299 a StGB verstoßen.

Es ist berufsrechtlich vorgegeben, dass derartige Kooperationsformen der zuständigen Ärztekammer zur Prüfung vorgelegt werden und seitens der zuständigen KV genehmigungspflichtig sind. Eine solche Vorabprüfung ist gerade auch im Hinblick auf die Rechtssicherheit und dem Schutz vor späteren – vorsatzgebundenen – Korruptionsvorwürfen sehr empfehlenswert.

Im Unterschied zur Berufsausübungsgemeinschaft im vorgenannten Sinne handelt es sich bei einer Apparategemeinschaft um eine reine „Organisationsgemeinschaft“, bei der lediglich angeschaffte medizinische Geräte, die Praxiseinrichtung und das Praxispersonal gemeinsam genutzt werden, ohne dass es zu einer gemeinsamen, wenn auch zeitlich versetzten Behandlung und Diagnostik des Patienten kommt und es zudem an einem Behandlungsvertrag der Gesellschaft mit dem Patienten sowie der Abrechnung über die Apparategemeinschaft fehlt.

Bei der Prüfung der tatsächlichen Gesellschaftsform kommt es aber letztlich weder auf die Außendarstellung noch auf den Gesellschaftsvertrag an, maßgeblich ist immer die tatsächliche und reale Gestaltung der Gesellschaftstätigkeit. So kann auch im Rahmen einer Apparategemeinschaft eine Zuweisungsproblematik z. B. dann entstehen, wenn unmittelbar oder mittelbar für die Zuweisung von Patienten ein finanzieller Vorteil für den zuweisenden Arzt entsteht. Wenn also beispielsweise die Nutzung der Geräte im Rahmen der Apparategemeinschaft für die überweisenden Gesellschafter günstiger als für die Gesellschafter der Methodenfächer ist oder gar abhängig von der Zahl der überwiesenen Patienten, so ist auch in dieser Konstellation eine Kick-Back-Problematik gegeben.

Sofern sich aber die Kostenverteilung innerhalb der Apparategemeinschaft strikt an der tatsächlichen Nutzungsdauer beziehungsweise vergleichbaren gleichberechtigten und transparenten Kriterien orientiert und die Apparategemeinschaft auch nicht nur „zum Schein“ gebildet wurde, ohne dass die orthopädischen Gesellschafter die gemeinsamen Geräte überhaupt nutzen, dürfte einer Apparategemeinschaft auch zwischen methodenorientierten Fachgebieten und Überweisern rechtlich nicht zu beanstanden sein.

Zu beachten ist noch, dass der Grundsatz der freien Arztwahl des Patienten auch hier beachtet werden muss, keinesfalls darf der Patient das Gefühl bekommen, dass er im Grunde nicht an einen Radiologen seiner Wahl überwiesen wurde, sondern gewissermaßen in einem gemeinsamen Betrieb zunächst vom Orthopäden untersucht und dann vom Radiologen weitergehen diagnostiziert wurde. Er muss auf Basis der Überweisung selbst entscheiden können, zu welchem Radiologen er geht. Wenn er sich dann für den nächstliegenden beziehungsweise auf Nachfrage empfohlenen Radiologen entscheidet, so ist hieran nichts auszusetzen.

Heberer J. Die neuen Antikorruptionsparagraphen 
§§ 299a und 299b StGB. Passion Chirurgie. 
2016 Februar, 6(02): Artikel 06_02.

F&A: Welche Auswirkungen hat der Todesfall im Rentenalter im Ausland für die Erben?

Frage:

Ein Chefarzt mit Finca in Spanien möchte nach der Pensionierung seinen Lebensabend in Spanien verbringen und fragt an, welche Auswirkungen dies im Todesfall auf seine Erben haben wird.

Antwort:

Seit 17. August 2015 gilt die neue Europäische Erbrechtsverordnung. Diese regelt, welches nationale Erbrecht anzuwenden ist, wenn Vermögen in mehreren EU-Staaten zu vererben ist. Kommt es zu einem Erbfall stellte sich bisher stets die Frage, welches Erbrecht Anwendung findet. Durch das neue Recht wird dies nun durch ein einfaches Prinzip vereinheitlicht: dem Recht des „gewöhnlichen Aufenthalts“. Lebt und stirbt ein Deutscher in Spanien, unterliegt die Erbschaft dementsprechend spanischem Recht.

Nach welchem Recht also in Zukunft vererbt wird, steht ab jetzt nicht mehr endgültig fest, sondern ist abhängig davon, wo der Erblasser vor seinem Tod gelebt hat. Deutsche mit Wohnsitz im Ausland können daher auch nicht mehr von der Geltung des deutschen Erbrechts ausgehen.

Ausschlaggebend ist der „gewöhnliche Aufenthalt“. Dieser ist in §9 Abgabenordnung definiert wir folgt: Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt. Dies gilt nicht, wenn der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken genommen wird und nicht länger als ein Jahr dauert.

Möglichkeit der Rechtswahl

Ausländische Erbregelungen können stark von deutschem Recht abweichen. Sie können Nachteile, gegebenenfalls aber auch Vorteile für die Erben mit sich bringen. Jeder Betroffene sollte also jetzt schon prüfen, welches Erbrecht für ihn günstiger ist und sich rechtlich beraten lassen. Wer möchte, dass das Erbrecht des Landes angewandt wird, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, muss dies ausdrücklich im Testament festlegen. Lebt also beispielsweise eine Deutsche oder ein Deutscher in Spanien, wie bei unserer Frage und möchte, dass deutsches Erbrecht im Erbfall angewendet wird, so muss dies klar aus dem letzten Willen hervorgehen.

Die neuen Vorschriften sehen außerdem ein Europäisches Nachlasszeugnis vor. Damit können Erben und Nachlassverwalter/Testamentsvollstrecker überall in der EU ohne weitere Formalitäten ihre Rechtsstellung nachweisen. Das bedeutet vor allem schnellere und kostengünstigere Verfahren.

Heberer J. Welche Auswirkungen hat der Todesfall im Rentenalter im Ausland für die Erben? Passion Chirurgie. 2015 Dezember; 5(12): Artikel 08_01.

Befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung

Weiterbildungsplan Voraussetzung für wirksame Befristung?

Grundsätzliches

Die deutsche Rechtsordnung kennt mehrere Möglichkeiten, ein Arbeitsverhältnis befristet zu begründen.

Zu nennen ist hier in erster Linie § 14 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), das grundsätzlich eine Befristung ohne Sachgrund für die Dauer von zwei Jahren zulässt, wobei hier innerhalb von zwei Jahren die dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig ist, sodass insgesamt vier Befristungsvereinbarungen innerhalb von zwei Jahren geschlossen werden können (vgl. hierzu Hüttl, Arbeitsrecht im Krankenhaus und Arztpraxis, Seite 67 ff.). Eine Sonderform der Befristung mit Sachgrund und die auch für Ärzte wohl praxisrelevantere Regelung finden sich im Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung (ÄArbVtrG).

Es handelt sich hierbei um ein Spezialgesetz, das für Ärzte in der Weiterbildung größere Praxisrelevanz hat, wie das Teilzeit- und Befristungsgesetz und wie das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das unter bestimmten Voraussetzungen an Hochschulen zur Anwendung kommt.

§ 1 I ÄArbVtrG sieht vor, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages mit einem Arzt dann sachlich gerechtfertigt ist, wenn die Beschäftigung des Arztes seiner zeitlich und inhaltlich strukturierten Weiterbildung zum Facharzt oder dem Erwerb einer Anerkennung für einen Schwerpunkt oder dem Erwerb einer Zusatzbezeichnung, eines Fachkundenachweises oder einer Bescheinigung über eine fakultative Weiterbildung dient.

Dabei ist es anerkannt, dass die Befristungsdauer im Zusammenhang mit der Weiterbildung nicht kürzer sein darf als die Weiterbildungsbefugnis des weiterbildenden Arztes (vgl. § 1 III ÄArbVtrG).

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden Württemberg

Ein immer wieder aufkommender Streitpunkt ist allerdings die Frage, ob sich die Befristung automatisch verlängert, wenn das Weiterbildungsziel innerhalb der Befristungsdauer nicht erreicht werden kann.

Dabei muss man grundsätzlich feststellen, dass die Weiterbildung Grund für die Befristung des Arbeitsvertrages ist. Mit der vertraglichen Vereinbarung diese Befristungsgrundes übernimmt aber der Arbeitgeber regelmäßig keine Garantie dafür, dass auch innerhalb der Befristungsdauer die Weiterbildung abgeschlossen werden kann. Denn es verhält sich so, dass der weiterbildende Arzt lediglich standesrechtlich verpflichtet ist, den weiterzubildenden Arzt ordnungsgemäß entsprechend der Weiterbildungsordnung weiterzubilden. Insofern führt auch regelmäßig, dies der bisherige Stand der Rechtsmeinung, die nicht erfolgreiche Weiterbildung nicht dazu, dass sich das Weiterbildungsverhältnis und damit einhergehend der Arbeitsvertrag verlängert. Es ist allerdings anerkannt, dass die Weiterbildung den wesentlichen Inhalt des Arbeitsverhältnisses ausmachen muss. Es genügt daher nicht, dass die Beschäftigung nur diesen Zweck fördert (vgl. LAG Berlin, Urteil vom 10.10.2006, Az.: 12 Sa 806/06).

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat nunmehr mit Entscheidung vom 10.09.2015 unter dem Aktenzeichen 1 Sa 5/15 in einer noch nicht rechtskräftigen Entscheidung (Revision wurde ausdrücklich zum Bundesarbeitsgericht zugelassen) entschieden, dass eine Befristung des Arbeitsvertrages nach dem ÄArbVtrG nur dann zulässig ist, wenn ein qualifizierter Weiterbildungsplan vorhanden ist. Die Richter des Landesarbeitsgerichtes vertreten dabei die Auffassung, dass nach § 1 I ÄArbVtrG eine zeitlich und inhaltlich strukturierte Weiterbildung geschuldet sei. Daraus leiten sie den Anspruch her, dass die Befristung nur dann zulässig ist, wenn eine Planung der Weiterbildung erfolgt. Diese Planung der Weiterbildung muss allerdings nicht notwendiger Bestandteil der Befristungsabrede sein. Wenn aber eine zeitlich und inhaltlich auf die konkrete Weiterbildung zugeschnittene Planung fehlt, so liegt nach Auffassung des Landesarbeitsgerichtes keine wirksame Befristung vor. Dies würde bedeuten, dass dann ein unbefristeter Arbeitsvertrag geschlossen worden wäre.

Dies hat natürlich die negative Folge, dass kein automatisches Ende des Arbeitsverhältnisses eintritt, sondern gegebenenfalls nur dann gekündigt werden kann, wenn ein hinreichender Grund vorliegt. Die Tatsache, dass die Befristung unwirksam ist, wäre kein solcher Grund.

Den objektiven Nachweis für die ordnungsgemäße Weiterbildungsplanung hat der Arbeitgeber zu erbringen. Dabei betonen die Richter des Landesarbeitsgerichtes Baden-Württemberg allerdings, dass die Vorschrift des § 1 I ÄArbVtrG zwar nicht ausdrücklich von einer Planung der Weiterbildung spricht. Die Vorschrift verlangt aber nach Auffassung des LArbG Baden-Württemberg, das Vorliegen eines rechtfertigenden sachlichen Grundes für die befristete Beschäftigung eines Arztes. Dieser wird eben in der zeitlich und inhaltlich strukturierten Weiterbildung gesehen.

Konsequenz für die Praxis

Es empfiehlt sich daher, bis rechtssicher durch das Bundesarbeitsgericht in Erfurt geklärt ist, ob die Rechtsmeinung des Landesarbeitsgerichtes Baden-Württemberg zutreffend ist, den befristeten Arbeitsverträgen eine entsprechende Weiterbildungsplanung beizulegen. Dabei ist derzeit noch unklar, ob die nach der Musterweiterbildungsordnung geschuldete Dokumentation der Weiterbildung ausreicht. Dies insbesondere dann, wenn bereits zu Beginn der Weiterbildung ein entsprechendes Logbuch, wie es auch die Ärztekammern als Muster vorhalten, vorliegt. In diesem Logbuch wird detailliert der jeweilige Weiterbildungsabschnitt beschrieben und es wird auch eine Ablaufskizze der gesamten Weiterbildung gezeichnet. Die Verfasser vertreten daher die Auffassung, dass es sich hierbei um eine der Anforderung an die Planung der Weiterbildung im Sinne der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichtes Baden-Württemberg ausreichende Planung handeln müsste. Letzte Rechtssicherheit hierzu existiert derzeit aber noch nicht.

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg wird sich auch die Kritik gefallen lassen müssen, dass die Weiterbildung als solches keine vertraglich geschuldete Pflicht des Arbeitgebers ist. Da dieser nicht weiterbildungsberechtigt ist, sondern in jedem Fall ein von ihm angestellter Arzt. Wenn die Weiterbildung als solches also keine vertragliche Pflicht ist, kann dies für die Planung nicht anders sein.

Es wird daher mit Spannung die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes in Erfurt zu erwarten sein. Da die Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Baden-Württemberg vom 11.09.2015 datiert ist, ist nicht damit zu rechnen, dass hier alsbald eine entsprechende Entscheidung ergeht. Sobald diese aber vorliegt, wird sie selbstverständlich von den Verfassern besprochen und auch publiziert werden.

Heberer J. / Hüttl P. Befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung. Passion Chirurgie. 2015 Dezember, 5(12): Artikel 05_02.

F&A: Ist eine mündliche Aufklärung der Patienten über Kosten ausreichend?

Frage:

Ein niedergelassener Chirurg fragt an, ob eine mündliche wirtschaftliche Aufklärung des Patienten ausreichend ist, oder ob er diesen in jedem Fall schriftlich über die Kosten aufklären muss.

Antwort:

§ 630c Abs. 3 S. 1 BGB legt fest, dass wenn der Arzt weiß, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder wenn sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte ergeben, er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren muss. Zudem muss er ihn darüber aufklären, dass die Kosten voraussichtlich nicht oder nicht in voller Höhe erstattet werden.

Für das Erfordernis der Vornahme der wirtschaftlichen Aufklärung in Textform müssen somit entweder eine positive Kenntnis oder zumindest hinreichende Anhaltspunkte für eine möglicherweise nicht vollständige Kostenübernahme durch die Krankenversicherung oder sonstige Erstattungsstellen vorgelegen haben. Hinreichende Anhaltspunkte liegen aus Sicht des Verfassers vor, wenn beim Arzt begründete Zweifel an der Erstattungsfähigkeit bestehen. Maßgeblich für die Beurteilung begründeter Zweifel sind somit die jeweiligen konkreten Umstände des Einzelfalls. Gab es in der Vergangenheit schon einmal Erstattungsprobleme mit einer bestimmten Krankenversicherung hinsichtlich einer bestimmten Leistung, so wird man im Regelfall vom Vorliegen begründeter Zweifel ausgehen müssen. Ferner könnten sich solche begründeten Zweifel auch aus der Tatsache der ggf. fehlenden medizinischen Notwendigkeit der Behandlungsmethode im konkreten Fall ergeben. Denn der Arzt könnte hier einen Wissensvorsprung haben, aus dem die wirtschaftliche Informationspflicht resultieren kann.

Der Begriff „Textform“ wird in § 126b BGB definiert. Hierunter versteht man eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, die auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird. Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das es dem Empfänger (Patient) ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und das geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben. Die Textform setzt damit weder eine eigenhändige Unterschrift noch eine elektronische Signatur voraus. Unter diese dauerhaften Datenträger fallen aus Sicht des Verfassers beispielsweise Papier, Brief, Datenträger wie Festplatten, USB-Sticks, Disketten, CDs etc., Telefax, Computerfax, E-Mail.

Heberer J. Ist eine mündliche Aufklärung der Patienten über Kosten ausreichend? Passion Chirurgie. 2015 Dezember; 5(12): Artikel 08_02.

F&A: Gehört Nagelpflege zu den Aufgaben des Pflegepersonals?

Frage:

Ein Chefarzt fragt an, ob die Nagelpflege beim Patienten zu den Aufgaben des Pflegepersonals gehört.

Antwort:

Von der Krankenpflege werden alle Maßnahmen umfasst, die der Pflege, Betreuung und Versorgung des Kranken dienen. Hierzu zählen aus Sicht des Verfassers vor allem die Grund- und Behandlungspflege. Maßgeblich ist in diesem Fall die Grundpflege. Dies umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens.

Nach dem Sozialrecht zählen nach Ansicht des Verfassers zur Grundpflege gemäß § 14 Abs. 4 SGB XI die Bereiche der Körperpflege, der Ernährung, der Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung. § 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI zählt dabei aus Sicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG abschließend die zur Körperpflege zählenden Verrichtungen auf. Diese sind das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung. In Art. 1 § 12 Abs. 4 Nr. 1 E-PflegeVG war explizit die „Nagelpflege“ noch als hierzu gehörende Verrichtung enthalten. Allerdings wurde diese gestrichen und nicht in das Gesetz übernommen, da nur solche Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens berücksichtigt werden sollten, die regelmäßig wiederkehrend anfallen. Hierunter wollte der Gesetzgeber nur solche Verrichtungen aufnehmen, die im Bereich der Körperpflege aus dessen Sicht täglich anfallen. Dies ist bei der Nagelpflege in der Regel aber nicht der Fall. Auch im G-DRG-System, in dem die hochaufwendige Pflege im Krankenhaus vergütet wird, umfasst die Körperpflege nur die vorgenannten Tätigkeiten.

Insofern gelangt der Verfasser deshalb zu der Auffassung, dass das Schneiden von Fuß- und Fingernägeln nicht dem Bereich der Grundpflege zuzuordnen ist und somit auch keine vom klinischen Pflegepersonal geschuldete Tätigkeit darstellt. Die Kosten hierfür müssen somit bedauerlicherweise wohl vom Patienten getragen werden. Etwaige Rechtsprechung hierzu ist dem Verfasser leider nicht bekannt, sodass dies allein dessen derzeitige Rechtsauffassung wiedergibt.

Heberer J. Gehört Nagelpflege zu den Aufgaben des Pflegepersonals? Passion Chirurgie. 2015 November; 5(11): Artikel 08_02.

Können Akupunkturleistungen an nichtärztliche Mitarbeiter ohne Heilpraktikererlaubnis delegiert werden?

Frage:

Ein niedergelassener Chirurg fragt an, ob er Akupunkturleistungen auch an nichtärztliche Mitarbeiter, die auch keine Heilpraktikererlaubnis besitzen, delegieren darf.

Antwort:

Von der Krankenpflege werden alle Maßnahmen umfasst, die der Pflege, Betreuung und Versorgung des Kranken dienen. Hierzu zählen aus Sicht des Verfassers vor allem die Grund- und Behandlungspflege. Maßgeblich ist in diesem Fall die Grundpflege. Dies umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens.

Akupunkturleistungen dürfen nach Ansicht des Verfassers nur an approbierte Ärzte delegiert werden. Denn die Rechtsprechung geht davon aus, dass die Akupunktur als therapeutisches Verfahren ein Teilgebiet der TCM ist und eine Ausübung der Heilkunde darstellt, die nur durch approbierte Ärzte oder durch Inhaber einer Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde nach dem Heilpraktikergesetz ausgeübt werden darf (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 15.03.2011 – 8 ME 8/11; VG Trier, Urteil vom 18.08.2010 – 5 K 221/10 TR). Denn zu deren Ausübung bedarf es vertiefter ärztlicher Kenntnisse jedenfalls hinsichtlich der Diagnostik der chinesischen Medizin, des Leitbahnensystems, der Akupunkturpunkte und der Behandlungsstrategien in der Akupunktur und im Bereich der Behandlung neurologischer Erkrankungen auch der psychosomatischen Grundversorgung, auch wenn ein einheitliches Curriculum zur Ausbildung in der Akupunktur in Deutschland bislang nicht besteht. Ferner geht die Rechtsprechung davon aus, dass neben den erforderlichen ärztlichen Fachkenntnissen die Akupunktur auch zu nicht unerheblichen Gesundheitsgefahren führen kann (beispielsweise Nichterkennung und Nichtbehandlung ernster Leiden, Nerven- und Gefäßverletzungen, Pneumothorax), da die Akupunktur als therapeutisches Verfahren nicht nur eine die ärztliche Heilbehandlung ergänzende, sondern sie ersetzende Tätigkeit darstellt.

Aufgrund dessen stuft die Rechtsprechung die Akupunktur nicht als untergeordnete Tätigkeiten ein, die auch auf nichtärztliche Hilfskräfte übertragen werden können (vgl. OVG Lüneburg, a. a. O.; VG Trier, a. a. O.; BGH, a. a. O.). Folglich bedarf es zur Durchführung der Akupunkturleistungen einer Approbation (bzw. Heilpraktikererlaubnis), sodass diese Leistungen nur an einen anderen Arzt delegiert werden dürfen.

Heberer J. Können Akupunkturleistungen an nichtärztliche Mitarbeiter ohne Heilpraktikererlaubnis delegiert werden? Passion Chirurgie. 2015 November; 5(11): Artikel 08_01.

Aktuelle Probleme der Wahlleistungsvereinbarung

Ständige ärztliche Vertretung privatliquidationsberechtigter Chefärzte im Lichte der Rechtsprechung

Die privaten Krankenversicherer stellen die Wahlleistungsvereinbarungen privatliquidationsberechtigter Chefärzte immer wieder auf den Prüfstand – dies gilt insbesondere in Fällen, in denen die ärztliche Leistung nicht durch den Chefarzt als Vertragspartner persönlich erbracht worden ist, sondern durch dessen ständigen ärztlichen Vertreter. Die Wirksamkeit von Wahlleistungsvereinbarungen, die eine sog. Vertreterregelung für den Fall der Verhinderung des liquidationsberechtigten Chefarztes an der Leistungserbringung vorsehen, sind dabei immer wieder Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen, und zwar mit überraschenden, teilweise auch widersprüchlichen Ergebnissen.

Bisher gültige Grundsatzentscheidung des BGH

Der Bundesgerichtshof hatte in einer Grundsatzentscheidung festgestellt, dass Klauseln in einer formularmäßigen Wahlleistungsvereinbarung, durch welche die einem Wahlarzt obliegende Leistung im Falle seiner Verhinderung durch einen Vertreter erbracht werden darf, nur dann wirksam sind, wenn sie auf die Fälle beschränkt sind, in denen die Verhinderung zum Zeitpunkt des Abschlusses der Wahlleistungsvereinbarung nicht bereits feststeht und wenn als Vertreter der namentlich benannte ständige ärztliche Vertreter i.S.d. § 4 Abs. 2 Satz 3 und 4, § 5 Abs. 5 GOÄ bestimmt ist.

Wird eine Stellvertretervereinbarung im Wege der Individualabrede geschlossen, bestehen gegenüber dem Patienten besondere Aufklärungspflichten, bei deren Verletzung dem Honoraranspruch des Wahlarztes der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegensteht.

Danach ist der Patient so früh wie möglich über die Verhinderung des Wahlarztes zu unterrichten und ihm das Angebot zu unterbreiten, dass an dessen Stelle ein bestimmter Vertreter zu den vereinbarten Bedingungen die wahlärztlichen Leistungen erbringt. Weiter ist der Patient über die alternative Option zu unterrichten, auf die Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen zu verzichten und sich ohne Zuzahlung von dem jeweils diensthabenden Arzt behandeln zu lassen. Ist die jeweilige Maßnahme bis zum Ende der Verhinderung des Wahlarztes verschiebbar, ist dem Patienten auch dies zur Wahl zu stellen. Eine solche Vertretervereinbarung unterliegt grundsätzlich der Schriftform (BGH, Az. III ZR 144/07, Urteil vom 20.12.2007).

In der Folgezeit war durch die Instanzgerichte wiederholt festgestellt worden, dass eine Wahlleistungsvereinbarung wegen Verstoßes gegen das sogenannte Verbot des Änderungsvorbehalts (§ 308 Nr. 4 BGB) unwirksam sein kann, wenn sie für den Wahlarzt mehrere ständige ärztliche Vertreter bestimmt. Dies wurde damit begründet, dass die Vertreterregelung in Wahlleistungsvereinbarungen eng am Wortlaut des § 4 Abs. 2 GOÄ auszulegen sei, wonach der Vergütungsanspruch nur bei Einsatz „des ständigen ärztlichen Vertreters“ (Singular) erhalten bleibe.

Die Problematik hat sogar strafrechtliche Dimensionen erreicht:

In einem vor dem Landgericht (LG) Aschaffenburg geführten Strafverfahren (unveröffentlicht – Beschluss vom 29.10.2013 – Az. 104 Js 13948/07) war ein Chefarzt einer gynäkologischen Klinik wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Abrechnungsbetruges angeklagt worden, da in seinen Wahlleistungsvereinbarungen sechs Oberärzte als ständige Vertreter angegeben worden waren. Dies verstieß nach Auffassung des LG Aschaffenburg gegen § 4 Abs. 2 Satz 3 GOÄ (welcher, wie ausgeführt, vom „ständigen ärztlichen Vertreter“ im Singular spricht), weshalb die abgeschlossenen Wahlleistungsvereinbarungen als unwirksam angesehen wurden. Nur durch sein Einverständnis mit einer Zahlung eines Betrages von EUR 150.000,00 zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung konnte der gynäkologische Chefarzt eine Einstellung des Verfahrens und damit eine Durchführung des Strafverfahrens mit absehbar gravierenden Folgen verhindern.

Neuerung durch Entscheidung des OLG Celle

In einer jüngst veröffentlichten Entscheidung hat das OLG Celle (Az. 1 U 97/14, Urteil vom 15.06.2015) nunmehr jedoch erfreulicherweise klargestellt, dass die GOÄ nicht voraussetzt, dass jeder Chefarzt nur einen einzigen ständigen Vertreter haben dürfe:

Zwar sei nur eine Klausel zulässig, in der der Eintritt des Vertreters des Wahlarztes auf die Fälle beschränkt sei, in denen dessen Verhinderung im Zeitpunkt des Abschlusses der Wahlleistungsvereinbarung nicht bereits feststehe, etwa weil die Verhinderung (Krankheit, andere Notfälle etc.) selbst noch nicht absehbar war. Auch sei es weiterhin erforderlich, dass als Vertreter der namentlich benannte ständige ärztliche Vertreter i.S.v. §§ 4 Abs. 2, 5 Abs. 5 GOÄ bestimmt sei. Dass in dem am OLG Celle zur Beurteilung stehenden Fall zwei Oberärzte als ständige ärztliche Vertreter des Chefarztes benannt worden waren, stehe jedoch der Wirksamkeit der Vereinbarung nicht entgegen, denn die GOÄ setze nicht voraus, dass jeder Chefarzt nur einen einzigen ständigen ärztlichen Vertreter haben dürfe. Nach der Entscheidung des OLG Celle ist es vielmehr zulässig, dass die Klinik für verschiedene Arbeitsbereiche eines Chefarztes jeweils einen ständigen ärztlichen Vertreter bestimmt. Die dem Gericht vorliegende Wahlleistungsvereinbarung war demnach so auszulegen, dass die beiden Oberärzte zwei verschiedene Zuständigkeitsbereiche des Chefarztes vertreten. Jeder der beiden Oberärzte vertritt den Chefarzt in der Leitung der Station, für die er zuständig sei.

Zusammenfassung

Das Urteil des OLG Celle beendet damit die bisherige Rechtsprechung, wonach die Benennung mehrerer ärztlicher Vertreter nicht zulässig war und zur Unwirksamkeit der Wahlarztvereinbarung geführt hatte. Entscheidendes Kriterium ist aber, dass die jeweils benannten ständigen ärztlichen Vertreter aus unterschiedlichen Funktions- und Zuständigkeitsbereichen der Klinik des wahlleistungsberechtigten Chefarztes stammen, jeder, der als ständiger ärztlicher Vertreter benannten Oberärzte muss also jeweils für einen eigenen fachlich und organisatorisch abgegrenzten Bereich der Klinik zuständig sein (z. B. in einer chirurgischen Klinik: im Bereich plastisch-rekonstruktive Chirurgie und Handchirurgie etc.). Ist diese Voraussetzung erfüllt, muss die ständige ärztliche Vertretung nicht auf eine Person beschränkt bleiben.

Die verwendeten Wahlleistungsvereinbarungen sollten daraufhin überprüft werden, insbesondere nachdem eine rückwirkende Vereinbarung der Wahlleistungen nicht möglich ist. Grundsätzlich bleibt es auch bei der wie bisher vorgesehenen Unterscheidung zwischen vorhersehbarer und unvorhersehbarer Abwesenheit:

Der in der Wahlleistungsvereinbarung benannte Vertreter darf weiterhin nur bei unvorhergesehener Abwesenheit des Chefarztes tätig werden.

Soll eine individuelle Vertretervereinbarung für Fälle vorhersehbarer Abwesenheit geschlossen werden, muss hierin mindestens Grund und Dauer der Abwesenheit genannt und dem Patienten konkret die Wahl zwischen folgenden Möglichkeiten eingeräumt werden:

Behandlung durch einen sonstigen Arzt ohne Abrechnung der Wahlleistung,

Vertretung durch einen individuell benannten Arzt oder

Behandlung durch den Chefarzt nach seiner Rückkehr, sofern es sich aus medizinischer Sicht um einen elektiven Eingriff handelt.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der sog. Konsiliararzt aus einer abgeschlossenen Wahlarztleistung keine Ansprüche ableiten kann. Er ist somit nicht in die sog. Wahlarztkette einbezogen, eine entsprechende vertragliche Vereinbarung wäre unwirksam (LG München, Az. 9 S 9168/13, Urteil vom 24.02.2014).

Heberer J. / M. Eicher. Aktuelle Probleme der Wahlleistungsvereinbarung. Passion Chirurgie. 2015 November; 5(11): Artikel 06_01.

Welche Möglichkeit gibt es, bei einem bewusstlosen Patienten eine Wahlleistungsvereinbarung zu treffen?

Frage:

Ein Chefarzt fragt an, ob es eine rechtlich zulässige Möglichkeit gebe, mit einem bei Einlieferung bewusstlosen Patienten eine Wahlleistungsvereinbarung zu schließen, sodass die ärztlichen Wahlleistungen ab Beginn der Behandlung abgerechnet werden können.

Antwort:

Es ist zunächst festzuhalten, dass sämtliche wahlärztlichen Leistungen nur abgerechnet werden können, wenn die Wahlleistungsvereinbarung vor Behandlungsbeginn schriftlich abgeschlossen wurde. Dabei kann sich der Patient bei Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung selbstverständlich vertreten lassen. Sofern bei einem bewusstlosen Patienten wahlärztliche Leistungen von Anfang an erbracht und abgerechnet werden sollen, muss dieser im Zeitpunkt der Einlieferung beim Abschluss der Vereinbarung vertreten werden. Als Vertreter kommen zum Beispiel Angehörige oder Begleiter des Patienten in Betracht.

Als rechtlich zulässige Möglichkeit ist es jedoch auch anerkannt, dass die Vertretung des Patienten durch einen Krankenhausmitarbeiter erfolgt, gerade wenn dieser ohne Begleitperson eingeliefert wird. Der Mitarbeiter kann für den Patienten die Wahlleistungsvereinbarung als Vertreter ohne Vertretungsmacht unterzeichnen, sodass entsprechend der gesetzlichen Regelung die Wahlleistungsvereinbarung zunächst schwebend unwirksam ist. Hieraus folgt, dass der Patient, sobald er wieder bei Bewusstsein ist, den Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung durch den Mitarbeiter nachträglich zwingend genehmigen muss, damit diese von Anfang an wirksam wird und eine Abrechnung möglich ist. Eine schriftliche Genehmigung ist grundsätzlich nicht erforderlich, sodass auch eine mündliche Genehmigung aus Sicht des Verfassers ausreichend ist. Allerdings sollte dann die mündliche Genehmigung zu Beweiszwecken unbedingt durch den Arzt in der Behandlungsdokumentation schriftlich festgehalten werden.

Genehmigt der Patient den Abschluss durch den Krankenhausmitarbeiter nachträglich nicht, so ist die Wahlleistungsvereinbarung unwirksam und eine Liquidation nicht möglich. Der Patient muss in diesem Falle die tatsächlich erbrachten wahlärztlichen Leistungen nicht bezahlen, sodass eine Honorarklage des Chefarztes keine Aussicht auf Erfolg hätte.

Hinzuweisen ist in diesen Fällen zum einen noch darauf, dass die wahlärztlichen Leistungen – wie beim „normalen“ Wahlleistungspatienten – dann selbstverständlich vom Chefarzt oder im Falle einer wirksamen Vertreterregelung für den Fall der unvorhergesehenen Abwesenheit von seinem ständigen ärztlichen Vertreter erbracht worden sein müssen, um der Pflicht zur höchstpersönlichen Leistungserbringung gerecht zu werden.

Zum anderen ist bei bewusstlosen Patienten der Abschluss einer individuellen Stellvertretervereinbarung durch einen Vertreter nach Ansicht des Verfassers jedoch nicht möglich. Denn hier wird schon nicht die von der Rechtsprechung geforderte Wahlmöglichkeit des Verschiebens der Behandlung bis zur Rückkehr des Chefarztes tatsächlich angeboten werden können. Dem Patienten kann damit die von der Rechtsprechung geforderte Wahlfreiheit nur eingeschränkt zur Verfügung gestellt werden, was jedoch für den Abschluss einer individuellen Stellvertretervereinbarung unzulässig ist. Eine wahlärztliche Leistungserbringung durch einen individuellen Vertreter und somit eine Liquidation wahlärztlicher Leistungen ist in den Fällen der vorhersehbaren Abwesenheit des Chefarztes somit aus Sicht des Verfassers bei Bewusstlosen ausgeschlossen.

Heberer J. Welche Möglichkeit gibt es, bei einem bewusstlosen Patienten eine Wahlleistungsvereinbarung zu treffen? Passion Chirurgie. 2015 Oktober; 5(10): Artikel 08_01.

Können Wahlleistungen bei Nichtgenehmigung durch den Patienten gegenüber dem Vertreter geltend gemacht werden?

Frage:

Ein Chefarzt fragt an, ob bei Nichtgenehmigung des Patienten einer durch einen Vertreter abgeschlossenen Wahlleistungsvereinbarung die Vergütung der tatsächlich in Anspruch genommenen wahlärztlichen Leistungen gegenüber dem Vertreter geltend gemacht werden kann.

Antwort:

Diese Fragestellung ist nur relevant, wenn für den Patienten ein Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt hat. Denn in den Fällen, in denen der Vertreter mit Vertretungsmacht handelt, also gesetzliche Vertreter (z. B. Eltern, Betreuer) oder Bevollmächtigte, wirkt der Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung unmittelbar für und gegen den vertretenen Patienten, sodass in der Regel diesen allein die Wirkungen des Rechtsgeschäfts treffen.

Handelt hingegen ein Vertreter ohne Vertretungsmacht, beispielsweise der Krankenhausmitarbeiter, der für den bewusstlosen Patienten, der ohne Familienangehörigen eingeliefert wird, die Wahlleistungsvereinbarung unterzeichnet, so ist die Wahlleistungsvereinbarung zunächst schwebend unwirksam. Der Patient muss diese nachträglich genehmigen, damit diese ex tunc wirksam wird und die erbrachten Wahlleistungen ihm gegenüber abgerechnet werden können. Im Fall der Nichtgenehmigung durch den Patienten ist die Wahlleistungsvereinbarung jedoch unwirksam. Dann haftet nach dem Gesetz der ohne Vertretungsmacht handelnde Vertreter (z. B. der Krankenhausmitarbeiter) gegenüber dem Krankenhausträger bzw. dem liquidierenden Chefarzt auf Zahlung der Vergütung. Dieser Grundsatz erfährt jedoch eine Ausnahme, wenn der Krankenhausträger die fehlende Vertretungsmacht kannte bzw. kennen musste.

Gerade im Fall der Vertretung durch einen Krankenhausmitarbeiter wird dies nach Ansicht des Verfassers die Regel sein, sodass eine Forderung des Trägers bzw. des liquidierenden Chefarztes grundsätzlich hiermit zu Fall gebracht werden kann. Dennoch ist aus juristischer Sicht zu empfehlen, dass der Krankenhausträger den hierfür in Frage kommenden Mitarbeitern eine schriftliche Bescheinigung zum einen über die Berechtigung der Unterzeichnung von Wahlleistungsvereinbarungen als vollmachtlose Vertreter ausstellt. Zum anderen sollte diese Bescheinigung sowohl einen Verzicht des Krankenhausträgers auf Regressansprüche gegenüber dem Mitarbeiter sowie einen umfassenden Freistellungsanspruch des Mitarbeiters gegenüber dem Krankenhausträger hinsichtlich jeglicher gegen ihn als Vertreter ohne Vertretungsmacht geltend gemachter Ansprüche enthalten.

Heberer J. Können Wahlleistungen bei Nichtgenehmigung durch den Patienten gegenüber dem Vertreter geltend gemacht werden? Passion Chirurgie. 2015 Oktober; 5(10): Artikel 08_02.