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F&A: Begründet die Elektronische Patientenakte (ePA) eine weitere Haftungsquelle?

Frage:

Ein niedergelassener Chirurg fragt an, ob die künftige elektronischen Patientenakte (ePA) eine weitere Haftungsquelle im Rahmen der Arzthaftung begründet.

Antwort:

Hierzu muss man vorab ganz klar betonen, dass die ePA zum einen weder ein Ersatz noch eine verpflichtende Ergänzung für die primäre Behandlungsdokumentation des Arztes nach § 630f BGB ist, sodass trotz Nutzung der ePA der Arzt nach wie vor zur Führung einer eigenständigen Behandlungsdokumentation (Patientenakte) nach § 630f BGB verpflichtet ist. Zum anderen ist die ePA auch kein Ersatz für die Kommunikation mit dem Patienten oder vor-, weiter- und nachbehandelnder Ärzte, sodass nach wie vor das persönliche Anamnesegespräch, die Untersuchung des Patienten und die Heranziehung sowie Übermittlung von Befunden oder Arztbriefen von oder an andere Ärzte für die Behandlung maßgeblich sind. Befunde, Arztbriefe etc. können lediglich zusätzlich in der ePA gespeichert werden.

Vor allem aber ist die ePA – im Unterschied zur Behandlungsdokumentation des Arztes – gerade eine rein freiwillige und – gerade dies darf aus juristischer Sicht des Verfassers bei der Bewertung der Haftungsfrage nicht unberücksichtigt bleiben – eine versichertengeführte Akte, d. h. deren Nutzung, Zugriffsrechte, Inhalte usw. fallen alleine in die Entscheidungshoheit des Patienten. Der Patient kann somit beispielsweise entscheiden, ob ein Arzt an sich Zugriff auf die Patientenakte erhalten soll oder ob er nur eingeschränkt auf bestimmte Inhalte zugreifen kann oder welche Inhalte in der ePA gespeichert werden bzw. ob und welche Inhalte er eigenmächtig löscht.

Dennoch ist es aus juristischer Sicht grundsätzlich denkbar, dass es bei einer Verletzung der sich bezüglich der ePA ergebenden ärztlichen Pflichten zu einer Haftung kommen kann, wenn hierbei die ärztliche Sorgfalt nicht eingehalten und dadurch ein Patientenschaden verursacht wird. Die Einhaltung der ärztlichen Sorgfalt bei der Behandlung muss nach Auffassung des Verfassers aber der übliche Haftungsmaßstab bleiben.

§ 347 Abs. 1 und 2 SGB V statuieren für Vertragsärzte eine Befüllungspflicht der ePA mit bestimmten medizinischen Daten. Die Befüllungspflicht besteht aber nur, wenn diese Daten bei der konkreten aktuellen Behandlung selbst vom Arzt erhoben wurden, die Daten elektronisch vorhanden sind bzw. elektronisch verarbeitet werden und der Patient dem Zugriff des Arztes und dem Einstellen der Daten nicht widerspricht. Zudem besteht eine Befüllungspflicht für weitere bestimmte medizinische Daten gemäß § 347 Abs. 4, 5 SGB V, wenn der Patient deren Einstellung verlangt. Für Krankenhäuser trifft § 348 SGB V die entsprechenden Regelungen. Folglich wäre es im Hinblick auf die Haftungsfrage denkbar, dass bei Verletzung der Befüllungspflicht eine ärztliche Sorgfaltspflichtverletzung vorliegen könnte, wenn hierdurch ein Schaden des Patienten entsteht, weil beispielsweise ein nachbehandelnder Arzt eine medizinisch relevante Information mangels Einstellung nicht aus der ePA ersehen konnte.

Hinsichtlich der Einsichtnahme des Arztes in die ePA gilt, dass wenn es für die Versorgung erforderlich ist und der Patient keinen Widerspruch erklärt hat, der Arzt Einsicht nehmen darf. Eine routinemäßige und anlasslose Einsichtnahme- oder Ausforschungspflicht legt das Gesetz somit gerade nicht fest. Maßgebliche Grundlagen der Behandlung sind deshalb weiterhin das Anamnesegespräch sowie die Behandlungssituation. Lediglich wenn sich hieraus Gründe für eine Einsichtnahme in die ePA ergeben, wird man zur Erfüllung der ärztlichen Sorgfaltspflicht von einer Einsichtnahmepflicht ausgehen müssen. Die ePA ist deshalb nur unterstützend bei Anamnese, Befunderhebung und Behandlung heranzuziehen.

Zusammenfassend dürfte nach derzeitiger Einschätzung des Verfassers die ePA als neue Haftungsquelle im Rahmen der Arzthaftung aber für den Arzt, der gegen eine Befüllungspflicht verstößt oder keine Einsicht in die ePA nimmt, wohl eher begrenzt sein. Denn wie bereits erwähnt, ist zum einen die Behandlungsdokumentation des Arztes weiterhin allein maßgeblich für die Erfüllung seiner ärztlichen Dokumentationspflichten und zum anderen gelten für die ärztliche Sorgfaltspflicht im Rahmen der Anamnese, der Befunderhebung und der ärztlichen Behandlung die bislang geltenden Grundsätze weiter. Auch die Bundesärztekammer weist darauf hin, dass Ärzte unter dem Gesichtspunkt, dass die ePA versichertengeführt ist, nicht davon ausgehen sollten, dass die ePA zwangsläufig alle behandlungsrelevanten Informationen vollständig enthält.

Durch die ePA werden also nach Ansicht des Verfassers die bisherigen Haftungsmaßstäbe nicht verschärft oder erweitert. Nachdem bislang noch keine Rechtsprechung hierzu existiert, kann die Auffassung des Verfassers jedoch als nicht abschließend gesichert betrachtet werden. Man wird abwarten müssen, wie sich letztendlich die Rechtsprechung hierzu positionieren wird.

Heberer J: F+A Die Elektronische Patientenakte (ePA) eine weitere Haftungsquelle? 2025 Juli/August; 15(07/08): Artikel 04_09.

F+A: Einsendung von Resektaten zur histopathologischen Beurteilung

Frage:

Ein niedergelassener Chirurg fragt an, ob Resektate zwingend zur histopathologischen Beurteilung an einen Pathologen gesandt werden müssen.

Antwort:

Für das zivilrechtliche Haftungsrecht ist die rechtliche Vorgabe für die Beantwortung dieser Frage der medizinische Standard, sodass der Arzt letztendlich entscheiden muss, ob die Einsendung nach dem medizinischen Standard erforderlich ist. Wann eine Maßnahme medizinisch notwendig ist, definiert der BGH in ständiger Rechtsprechung danach, ob es nach objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 12.03.03, Az.: IV ZR 278/01). Medizinisch notwendig sind daher auch aufwendige und anspruchsvolle Maßnahmen, wenn sie eine dauerhafte und wirksame Versorgung gewährleisten und die Maßnahmen objektiv geeignet sind das Leiden zu heilen, zu bessern oder zu lindern (vgl. BGH, a. a. O.). Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dem der behandelnde Arzt im Zeitpunkt der ärztlichen Entscheidung einen Ermessensspielraum besitzt, ob nach objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen die Maßnahme zu vertreten und als notwendig anzusehen ist.

Beispielhaft hat die Rechtsprechung entschieden, dass die Entnahme einer Gewebeprobe (hier: aus dem Gebärmutterhals) indiziert ist, wenn bei erkennbar suspekten Veränderungen eine zuverlässige Diagnose nur auf Grund einer histologischen Untersuchung möglich ist (vgl. Tadayon in: Jorzig, Handbuch Arzthaftungsrecht, 2. Aufl. 2021, Diagnosefehler, Rn. 66). Bei dermatologischen Auffälligkeiten muss ein möglicher, bösartiger Befund (hier: Melanom) differentialdiagnostisch ausgeschlossen werden. Die histologische Entnahme einer Probe muss durch den Arzt erfolgen und darf nicht dem Patienten überlassen werden. Eine fehlerhafte Probeentnahme und der unterlassene Hinweis auf die Erforderlichkeit einer Wiedervorstellung begründen in der Gesamtschau zudem einen „groben Behandlungsfehler“ (vgl. OLG Hamm v. 27.10.2015 – 26 U 63/15, GesR 2016, 22, 23). Es muss aus Sicht des Verfassers damit in jedem Einzelfall entschieden werden, ob die Einsendung an den Pathologen nach dem medizinischen Standard medizinisch notwendig ist. Dies ist eine ausschließlich medizinisch zu beurteilende Frage, zu der in einem Haftungsprozess ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt werden muss. Zudem kann es natürlich sein, dass die Einsendung an die Pathologie eine Abrechnungsvoraussetzung einer konkreten EBM-Ziffer oder im Klinikbereich einer DRG ist. Dies bedeutet, dass die Einsendung entweder obligater Leistungsbestandteil der jeweiligen EBM-Ziffer bzw. DRG sein muss oder, dass die Einsendung zum Nachweis der Diagnose und zur Begründung der Indikation für das operative Vorgehen erforderlich ist. Letzteres deshalb, da der Vergütungsanspruch ja stets voraussetzt, dass die operative Leistung auch erforderlich war. In diesem Fall müsste dann unabhängig von dem eingangs Gesagten eine Einsendung erfolgen, da die rechtmäßige Abrechnung eine vollständige Leistungserbringung voraussetzt.

Heberer J: F+A: Einsendung von Resektaten zur histopathologischen Beurteilung. 2025 Juni; 15(06/QII): Artikel 04_05.

Delegation von Wundmanagement an nicht-ärztliches Personal

Sowohl in Kliniken als auch bei vertragsärztlich niedergelassenen Leistungserbringern* stellt sich, insbesondere angesichts der Personalsituation und der stetig steigenden Zahl an Patienten, immer wieder die Frage der zulässigen Delegation von ärztlichen Leistungen an nicht-ärztliches Personal. In der juristischen Beratungspraxis ist dabei häufig die Delegation des Wundmanagements Gegenstand von Anfragen. Unter Wundmanagement sind dabei regelmäßig alle Tätigkeiten von der Wundanamnese, der Wundinspektion, der Wundversorgung bis hin zur Wunddokumentation zu verstehen, die durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit aller an der Behandlung beteiligten Personen gekennzeichnet sind.

1. Rechtliche Grundsätze zur Delegationsfähigkeit

Bereits 1975 stellte der BGH betreffend der Pflicht des Arztes zur persönlichen Leistungserbringung folgenden Grundsatz auf: „Damit kann sich eine Pflicht des Arztes, solche Tätigkeiten im Einzelfall persönlich auszuüben, nicht schon aus der Schwere der Gefahren ergeben, die eine unsachgemäße Ausführung mit sich bringen kann. Ein persönliches Eingreifen des Arztes ist vielmehr grundsätzlich nur zu fordern, wo die betreffende Tätigkeit gerade dem Arzte eigene Kenntnisse und Kunstfertigkeiten voraussetzt (vgl. BGH, NJW 1975, 2245 f.).“

Für die Frage der Delegationsfähigkeit einer ärztlichen Leistung an nicht-ärztliches Personal kommt es somit darauf an, ob diese Leistung unter dem sog. Arztvorbehalt steht.

Eine Leistung muss nach der Rechtsprechung höchstpersönlich von einem Arzt erbracht werden, wenn diese wegen ihrer Schwierigkeit, Gefährlichkeit für den Patienten oder wegen der Unvorhersehbarkeit etwaiger Reaktionen seine spezifische ärztliche Fachkenntnis und Erfahrung erfordert. Solche dem ärztlichen Personal vorbehaltene Leistungen darf der Arzt nicht an nicht-ärztliche Mitarbeiter delegieren (vgl. Hüttl/Heberer: Physician Assistants – eine juristische Einschätzung, Passion Chirurgie, 03/2021. S. 15 ff.).

Zu den nicht delegationsfähigen ärztlichen Kernleistungen zählen nach herrschender Meinung insbesondere Anamnese, Indikationsstellung, Untersuchung des Patienten einschließlich invasiver diagnostischer Leistungen, Diagnosestellung, Aufklärung und Beratung des Patienten, Entscheidungen über die Therapie und Durchführung invasiver Therapien und operativer Eingriffe. Diese Aufzählung ist jedoch nicht als abschließend zu sehen.

Ferner zählen hierzu Tätigkeiten, für die spezialgesetzliche Arztvorbehalte festgelegt sind, wie beispielsweise für die Verschreibung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (§ 48 AMG) oder von Betäubungsmitteln (§ 13 Abs. 1 S. 1 BtMG) sowie für die Entnahme von (Eigen-)Blutspenden (§ 7 Abs. 2 TFG).

Der Arztvorbehalt kann sich zudem aus sonstigen untergesetzlichen Regelungen, wie z. B. der G-BA-Richtlinie über die Festlegung ärztlicher Tätigkeiten zur Übertragung auf Berufsangehörige der Alten- und Krankenpflege zur selbständigen Ausübung von Heilkunde im Rahmen von Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c SGB V oder der Vereinbarung über die Delegation ärztlicher Leistungen an nicht-ärztliches Personal in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 28 Abs. 1 S. 3 SGB V Anlage 24 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä), ergeben.

Sofern kein Arztvorbehalt besteht, ist die grundsätzliche Zulässigkeit einer Delegation auch gesetzlich anerkannt. Denn gemäß § 28 Abs. 1 S. 2 SGB V umfasst die ärztliche Behandlung auch die Hilfeleistung anderer Personen, die von einem Arzt angeordnet oder von ihm zu verantworten ist.

Wundmanagement/Wundversorgung

Nach den Empfehlungen der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aus dem Jahr 2008 ist die Versorgung unkomplizierter Wunden an nicht-ärztliches Personal delegierbar. Die Versorgung komplizierter und sekundär heilender Wunden ist ebenfalls an dieses delegierbar, wobei hier eine initiale und anschließend in regelmäßigen Intervallen ärztliche Überwachung gefordert wird, sodass für diese Fälle die Delegation nur nach Festlegung des patientenspezifischen Vorgehens durch einen Arzt zulässig sein soll (vgl. BÄK und KBV, Persönliche Leistungserbringung – Möglichkeiten und Grenzen der Delegation ärztlicher Leistungen, Stand 29.08.2008, abgerufen 06.03.2025).

Für die ambulante vertragsärztliche Versorgung enthält der Anhang zu Anlage 24 zum BMV-Ä einen Beispielkatalog delegierbarer ärztlicher Leistungen. Hier findet sich in Nr. 10 die Wundversorgung / Verbandwechsel. Als Besonderheiten und Hinweise sind hierzu hinterlegt, dass die initiale Wundversorgung durch den Arzt erfolgt, die weitere Wundversorgung nach Rücksprache mit dem Arzt. Als typische Mindestberufsqualifikation des nicht-ärztlichen Personals wird die der Medizinischen Fachangestellten (MFA) festgelegt, mit ggf. der Fortbildung zum Wundexperten/Wundmanager oder mit ggf. Curriculum „Ambulante Versorgung älterer Menschen“ (vgl. KBV, Anlage 24 zum BMV-Ä, abgerufen am 06.03.2025).

Gemäß der G-BA-Richtlinie zu § 63 Abs. 3c SGB V ist bei den im besonderen Teil aufgeführten ärztlichen Tätigkeiten im Rahmen von Modellvorhaben eine Übertragung auf Berufsangehörige der Kranken- und Altenpflege zur selbständigen Ausübung von Heilkunde zulässig. Die selbständige Ausübung von Heilkunde durch diese setzt danach voraus, dass die jeweils erforderliche Qualifikation gemäß § 4 Abs. 7 Krankenpflegegesetz (KrPflG) bzw. § 4 Abs. 7 Altenpflegegesetz (AltPflG) erworben wurde. Demgemäß kann sodann beispielsweise gemäß Nr. 3 bei der Diagnose „chronische Wunden z. B. Ulcus cruris“ die ärztliche Tätigkeit „Assessment Verlaufsdiagnostik“, die nach Art und Umfang die Erfassung des Wundzustands inklusive Wundgröße und Wundinfektion und pathophysiologischer Ursachen sowie relevanter Begleitparameter als auch tiefe Wundabstriche umfasst, delegiert werden.

Ebenso kann in solchen Modellvorhaben nach dieser G-BA-Richtlinie die „Umsetzung des Therapieplans (Wundmanagement)“ delegiert werden, die die Prozesssteuerung und Durchführung therapeutischer Maßnahmen umfasst:

  • lokale Wundbehandlung: z. B. konservatives Vorgehen, Debridement, weitere einzuleitende Maßnahmen;
  • Information, Beratung und Anleitung von Patienten und anderer am Prozess Beteiligten im persönlichen Umfeld;
  • Bewertung des Behandlungsergebnisses; der Selbstmanagementfähigkeiten und Hilfebedarfe der Betroffenen insbesondere im Kontext der häuslichen Pflege-, Betreuungs- und Versorgungssituation;
  • bei stationärer Versorgung in Kooperation mit dem Patienten und aller am Prozess Beteiligten frühzeitige Abstimmung des voraussichtlichen Entlassungstermins sowie die Initiierung erforderlicher nachstationärer Maßnahmen).

Als Qualifikationsanforderungen für die Delegation dieser Tätigkeit an das nicht-ärztliche Personal nach § 4 Krankenpflegegesetz bzw. Altenpflegegesetz werden festgelegt:

  • Wissen um Aufgabenprofile und Aufgabenbereiche der am Wundmanagement beteiligten Akteure und Fähigkeit zur Koordination der Leistungen,
  • Wissen um Grundlagen (z. B. pharmakologisch, internistisch, chirurgisch), Auswahl, Anwendung und Evaluation von heilkundlichen Interventionen,
  • Wissen um Versorgungsstrukturen und -angebote für chronisch Kranke (u. a. Selbstmanagement, IV),
  • Fähigkeit zu Information, Beratung und Anleitung sowie
  • Wissen um die Gestaltung einer bedarfsgerechten Entlassung und deren verantwortliche Durchführung, gefordert (vgl. G-BA-Richtlinie zu § 63 Abs. 3c SGB V, abgerufen am 06.03.2025).

Aus juristischer Sicht der Autoren dürfte somit von einer grundsätzlichen Delegationsfähigkeit des Wundmanagements an hierfür qualifiziertes nicht-ärztliches Personal auszugehen sein. Die Frage der Delegationsfähigkeit einer konkreten Leistung ist aber eine stets aus medizinischer Sicht zu treffende Einzelfallentscheidung, sodass sich dies einer juristischen Beurteilung entzieht.

2. Delegationsempfänger

Kommt der behandelnde Arzt nach medizinischer Bewertung zum Ergebnis, dass es sich um eine delegationsfähige Leistung handelt, so stellen sich weitere Fragen:

  • Soll die Leistung im konkreten Fall delegiert werden und wenn ja, an welchen nicht-ärztlichen Mitarbeiter darf die Leistung delegiert werden?
  • Muss der betreffende nicht-ärztliche Mitarbeiter besonders angeleitet und/oder überwacht werden?

Die Beantwortung dieser Fragen muss der entscheidende Arzt stets von der Gefahrgeneigtheit der durchzuführenden Tätigkeit, der Schutzbedürftigkeit des Patienten auch unter Berücksichtigung der Komplikationsdichte und etwaigen Behandlungsschwierigkeiten sowie der Qualifikation des nicht-ärztlichen Mitarbeiters abhängig machen (vgl. Hüttl/Heberer, a. a. O.). Entscheidet er sich für eine Delegation der Leistung, so treffen ihn Auswahl-, Anordnungs-, Anleitungs- und Überwachungspflichten.

Hinsichtlich der Auswahl des Delegationsempfängers kommt es auf die Berufsqualifikation oder die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Erbringung der delegierten Leistung des Mitarbeiters an. Der Mitarbeiter muss hierfür geeignet sein.

Verfügt der nicht-ärztliche Mitarbeiter über eine abgeschlossene, ihn zu der zu delegierenden Leistung befähigenden Ausbildung in einem Fachberuf im Gesundheitswesen, so muss zunächst die formale Qualifikation anhand von Zeugnissen etc. festgestellt werden. Vor Beginn der Leistungserbringung muss sodann eine Überprüfung der tatsächlichen Qualität der von dem Mitarbeiter zu erbringenden Leistung und deren Übereinstimmung mit seiner formalen Qualifikation erfolgen. Stimmen diese überein, so reicht in der Folge eine stichprobenartige Qualitätsprüfung aus. Ergeben sich in der Leistungserbringung Abweichungen zwischen formaler Qualifikation und tatsächlicher Qualität, so müssen Nachschulungen sowie engmaschigere Kontrollen stattfinden.

Beispielsweise kann bei initialer Wundversorgung durch einen Arzt in der Regel die Delegation der weiteren Wundversorgung auf einen Physician Assistant erfolgen. Dies beinhaltet natürlich auch Verbandwechsel jeglicher Art, wobei sicherzustellen ist, dass bei auffälligen Feststellungen der Arzt hinzugezogen wird. Ebenfalls muss die Versorgung von Wunden im Sinne von Debridement etc. zulässig sein (vgl. Hüttl/Heberer, a. a. O.).

Handelt es sich hingegen um einen Mitarbeiter ohne eine abgeschlossene, die zu delegierende Leistung umfassende Ausbildung in einem Fachberuf im Gesundheitswesen, bestehen für den Arzt wesentlich mehr Pflichten. Hier muss zunächst zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Auswahlpflicht geprüft werden, ob der Mitarbeiter aufgrund seiner allgemeinen Fähigkeiten überhaupt für eine Delegation der konkreten Leistung geeignet ist. Wird die Eignung bejaht, so muss der Arzt seine Anleitungspflicht erfüllen, indem er den Mitarbeiter zur eigenständigen Durchführung der Leistung anlernt. Auch wenn der Mitarbeiter die Leistung sodann beherrscht, musst er diesen dennoch zunächst regelmäßig überwachen. Eine stichprobenartige Überprüfung wird grundsätzlich erst nach einer gewissen Zeit möglich sein, wobei es hier keine festgelegten Grenzen gibt, da dies auf die jeweiligen Einzelfallumstände ankommt (s. zu Vorstehendem BÄK und KBV, Persönliche Leistungserbringung – Möglichkeiten und Grenzen der Delegation ärztlicher Leistungen, Stand 29.08.2008, a. a. O.).

Erfüllt der jeweilige Mitarbeiter nicht diese Qualifikationsanforderungen an eine zulässige Delegation, so ist von einer Delegation zwingend abzusehen.

3. Verantwortlichkeiten und Haftung

Der delegierende Arzt ist für die ordnungsgemäße Auswahl, Anordnung, Anleitung und Überwachung des nicht-ärztlichen Mitarbeiters verantwortlich. Je höher die fachliche Qualifikation und tatsächlichen Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kenntnisse des Mitarbeiters, umso geringer werden lediglich die Überwachungspflichten des Arztes. Im Rahmen der Delegation an nicht-ärztliche Mitarbeiter besteht zudem regelmäßig die Verpflichtung des Arztes zum Aufenthalt in unmittelbarer Nähe (Rufweite). Verletzt er eine dieser Pflichten schuldhaft und verursacht dies einen Patientenschaden, so ist er haftbar.

Lediglich der Vollständigkeit halber wird erwähnt, dass selbstverständlich auch die Einwilligung des Patienten zur Delegation der ärztlichen Leistung auf nicht-ärztliches Personal vorliegen muss, damit diese zulässig ist.

Führt eine schuldhafte Pflichtverletzung des nicht-ärztlichen Mitarbeiters zu einem Patientenschaden, so haftet auch hierfür der delegierende Arzt. Im Krankenhaus haftet zudem der Krankenhausträger. Aufgrund des rechtlichen Umstandes, dass die delegierte Leistung dem Arzt als eigene zugerechnet wird, verbleibt auch bei zulässiger Delegation die haftungsrechtliche Gesamtverantwortung stets beim delegierenden Arzt.

Dem nicht-ärztlichen Mitarbeiter kommt zum einen die sog. Remonstrationspflicht zu, d. h. er muss dem Arzt seine Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Delegation mitteilen, wenn er der Ansicht ist, dass er die Leistung nicht erbringen kann oder darf. Zum anderen trägt der Mitarbeiter selbstverständlich die Übernahme- und Durchführungsverantwortung, d. h. wenn er eine auf ihn zulässig delegierte Leistung übernommen hat, haftet er für deren lege artis Durchführung. Treten Komplikationen auf, so ist der Mitarbeiter zudem zur unmittelbaren Hinzuziehung des Arztes verpflichtet. Verletzungen dieser Pflichten führen zur unmittelbaren Haftung des nicht-ärztlichen Mitarbeiters im Falle eines Patientenschadens (vgl. Hüttl/Heberer, a. a. O.).

Stellungnahme

Nachdem juristisch lediglich der Rahmen für eine zulässige Delegation vorgegeben ist, bestehen in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten diesen mit konkret zulässigen Leistungen auszufüllen.

Den bestehenden Handlungsbedarf zur Konkretisierung delegationsfähiger Leistungen hat auch der Gesetzgeber gesehen. Insbesondere die bereits im Vertragsarztrecht geltenden Regelungen des § 37 Abs. 7 SGB V i. V. m. den Rahmenempfehlungen gemäß § 132a Abs. 1 SGB V, der G-BA-Richtlinie über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege, der G-BA-Richtlinie zu § 63 Abs. 3c SGB V sowie Anlage 24 zum BMV-Ä sehen hier eine Übertragung von Tätigkeiten im Rahmen der Wundversorgung bzw. des Wundmanagements auf nicht-ärztliches Fachpersonal vor.

Auch wenn es sich hierbei um Rechtsgrundlagen aus dem GKV-Bereich handelt, kann dies nach Meinung der Autoren nicht zu einer ausschließlichen Beschränkung hierauf führen. Denn insbesondere wird aus der Gesetzesbegründung zum Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3 c SGB V deutlich, dass berufsrechtlich die zusätzlich erworbenen Kompetenzen nicht auf Tätigkeiten im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung beschränkbar sind, da die Ausbildung eine grundlegende Kompetenz vermittelt, die generell und dauerhaft den Zugang zum erlernten Beruf und damit die Ausübung der erlernten heilkundlichen Tätigkeit gestattet (vgl. Hüttl/Heberer, a. a. O.). Hieraus lässt sich aus Sicht der Autoren also folgern, dass eine grundlegend erworbene Kompetenz zur generellen und dauerhaften Ausübung berechtigt.

Des Weiteren sieht der noch vom alten Bundeskabinett der Ampelkoalition am 18.12.2024 beschlossene Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Pflegekompetenz (Pflegekompetenzgesetz) konkret weitere eigenverantwortlich zu erbringende Tätigkeiten durch Pflegefachkräfte insbesondere auch beim Wundmanagement vor. Ob dieser Gesetzentwurf nun aber tatsächlich umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.

Im Übrigen ist bei der Füllung des Rahmens auch die Rechtsprechung zur Delegation sowie die Entwicklung der Berufsbilder und Qualifikationen nicht-ärztlichen Fachpersonals zu beachten. Beispielsweise sieht das Pflegestudium-Stärkungsgesetz (PfStudStG) seit 01.01.2025 eine Ergänzung des Pflegestudiums in Bezug auf die erweiterte heilkundliche Verantwortung für Pflege- und Therapieprozesse mit Menschen aller Altersstufen, die von chronischen Wunden betroffen sind, vor (vgl. Anlage 5 Abschnitt B III. Pflegeberufe-Ausbildungs- und -Prüfungsverordnung).

Das Wundmanagement ist nach Einschätzung der Autoren eine grundsätzlich delegationsfähige Leistung und kann jedenfalls an nicht-ärztliches qualifiziertes Fachpersonal des Gesundheitswesens delegiert werden. Die Frage der Delegation ist zusammenfassend aber stets im Rahmen einer medizinischen Einzelfallbetrachtung vor allem nach der Überschaubarkeit bzw. Schwere der Behandlungsmaßnahme und der Qualifikation des Mitarbeiters zu treffen. Die Gefährdung des Patienten bestimmt hier in jedem Einzelfall das Maß der objektivierten und erforderlichen Sorgfaltspflichten des Arztes. Eine Beeinträchtigung der Versorgungsqualität und der Patientensicherheit muss in jedem Falle ausgeschlossen werden.

Heberer J, Bäuml N: Delegation von Wundmanagement an nicht-ärztliches Personal. Passion Chirurgie. 2025 Mai; 15(05): Artikel 03_03.

*Zur besseren Lesbarkeit wird in diesem Artikel das generische Maskulinum verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten immer für alle Geschlechter.

Approbation im Ausland – Anerkennung in Deutschland

Nachdem Deutschland in den letzten Jahren einen Zustrom von ausländischen Ärztinnen und Ärzte erlebt hat, aber auch deutsche Staatsangehörige immer wieder ihre ärztliche Grundausbildung im Ausland abschließen, stellt sich in solchen Fällen stets die Frage, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit Ärztinnen und Ärzte, die im Ausland bereits eine Berufsqualifikation im Sinne einer Approbation erhalten haben, auch hierzulande rechtmäßig ärztlich tätig sein können. Die wesentlichen Grundzüge werden in diesem Beitrag erläutert.

Berufszugang in Deutschland

Die maßgeblichen Regelungen für den Zugang zum ärztlichen Beruf in Deutschland trifft die Bundesärzteordnung (BÄO). Unter der Ausübung des ärztlichen Berufs versteht man die Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung „Arzt“ oder „Ärztin“ (vgl. § 2 Abs. 5 BÄO). Für den Berufszugang gibt es zunächst mehrere Möglichkeiten:

§ 2 Abs. 1 BÄO bestimmt, dass wer in Deutschland den ärztlichen Beruf ausüben will, der Approbation als Arzt bedarf.

Ausnahmen hiervon kommen nur in Betracht zum einen gemäß § 2 Abs. 2 BÄO bei einer vorübergehenden oder auf bestimmte Tätigkeiten beschränkten Ausübung des Arztberufs aufgrund einer Berufserlaubnis nach § 10 BÄO.

Zum Weiteren bedarf es weder einer Approbation noch einer Berufserlaubnis, wenn es sich gemäß § 2 Abs. 3 BÄO um Ärztinnen und Ärzte handelt, die Angehörige eines EU/EWR/Vertragsstaates sind, dort eine entsprechende gleichwertige Berufserlaubnis innehaben sowie nur vorübergehend und gelegentlich ärztliche Tätigkeiten in Deutschland erbringen. Der vorübergehende und gelegentliche Charakter der Erbringung von Dienstleistungen wird im Einzelfall beurteilt, insbesondere anhand der Dauer, der Häufigkeit, der regelmäßigen Wiederkehr und der Kontinuität der Dienstleistung, sodass hier ein Ermessen gegeben ist. In diesem Fall besteht eine Meldepflicht mit entsprechender Vorlagepflicht diverser Dokumente gegenüber der Approbationsbehörde (§§ 2 Abs. 3 S. 2, 10b Abs. 2 BÄO).

Darüber hinaus gibt es noch eine Ausübungsberechtigung für die ärztliche Berufsausübung in den Grenzgebieten Schweiz, Frankreich, Luxemburg, Belgien, Niederlande, Österreich durch im Inland nicht niedergelassene Ärztinnen und Ärzte aufgrund von Abkommen nach § 2 Abs. 4 BÄO.

Die Approbation ist somit die unbeschränkte und deutschlandweit geltende Berechtigung zur Ausübung des Arztberufs. Sowohl die Berufserlaubnis als auch die sonstigen Ausübungsberechtigungen sind hierzu aufgrund ihrer zeitlichen, inhaltlichen und örtlichen Einschränkungen ein rechtliches Minus.

Voraussetzungen der Erlangung der Approbation

Die Voraussetzungen zur Erlangung der Approbation sind in § 3 Abs. 1 S. 1 Nrn. 2 bis 5 BÄO festgelegt. Dies sind:

  • der Antragsteller darf sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht haben, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt (Nr. 2),
  • er darf nicht in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufs ungeeignet sein (Nr. 3),
  • er muss nach einem Studium der Medizin an einer wissenschaftlichen Hochschule von mindestens 5.500 Stunden und einer Dauer von mindestens sechs Jahren, von denen mindestens acht, höchstens zwölf Monate auf eine praktische Ausbildung in Krankenhäusern oder geeigneten Einrichtungen der ärztlichen Krankenversorgung entfallen müssen, die ärztliche Prüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes bestanden haben (Nr. 4), und
  • er muss über die für die Ausübung der Berufstätigkeit erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen (Nr. 5).

Wenn die ärztliche Ausbildung nicht in Deutschland abgeschlossen wurde, dann ist regelmäßig die Erfüllung der Voraussetzung des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr.4 BÄO problematisch. Denn aufgrund der Reglementierung des Arztberufes ist eine Anerkennung der Ausbildung durch die jeweilige Approbationsbehörde erforderlich. Die Anerkennung richtet sich sodann danach, in welchem Staat der Ausbildungsnachweis erworben wurde. Auf die Staatsangehörigkeit des Antragstellers kommt es hingegen bereits seit 01.04.2012 nicht mehr an.

Ärztliche Ausbildung in Staaten der EU, des EWR, einem Vertragsstaat oder der Schweiz

§ 3 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BÄO bestimmen, dass eine in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR abgeschlossene ärztliche Ausbildung als Ausbildung im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 gilt, wenn sie durch Vorlage

  • eines Europäischen Berufsausweises,
  • eines nach dem 20.12.1976 ausgestellten, in der Anlage zur BÄO aufgeführten ärztlichen Ausbildungsnachweises eines EU-Mitgliedstaates oder
  • eines in der Anlage zur BÄO aufgeführten, nach dem 31.12.1992 ausgestellten ärztlichen Ausbildungsnachweises eines anderen EWR-Vertragsstaates

nachgewiesen wird. Für später beigetretene Staaten gilt dies nach Satz 3 nur für solche Ausbildungsnachweise, bei denen die Ausbildung nach dem Beitrittsdatum begonnen wurde.

Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 BÄO gilt das Vorstehende entsprechend für Ausbildungsnachweise von Vertragsstaaten, denen Deutschland und die Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben (sog. Vertragsstaaten), ab dem hierfür maßgebenden Zeitpunkt.

Die so nachgewiesenen Ausbildungsabschlüsse werden damit rechtssystematisch der Ausbildung nach deutschem Recht gleichgestellt, sodass gemäß der EU-Richtlinie 2005/36/EG eine automatische Anerkennung erfolgt.

Ferner bestimmt § 3 Abs. 1 S. 6 BÄO, dass diesen ärztlichen Ausbildungsnachweisen gleichwertig sind, die nach dem jeweiligen Stichtag von einem dieser Staaten ausgestellten ärztlichen Ausbildungsnachweise, die den in der Anlage zur BÄO für den betreffenden Staat aufgeführten Bezeichnungen nicht entsprechen, aber mit einer Bescheinigung der zuständigen Behörde oder Stelle des Staates darüber vorgelegt werden, dass sie eine Ausbildung abschließen, die den Mindestanforderungen des Art. 24 der Richtlinie 2005/36/EG entspricht, und dass sie den für diesen Staat in der Anlage zur BÄO aufgeführten Nachweisen gleichstehen.

§ 14b BÄO beinhaltet für ganz bestimmte Fälle einen weiteren Rechtsanspruch auf Erteilung der Approbation, nämlich zum einen für Antragsteller, die die Approbation auf Grund eines ärztlichen Ausbildungsnachweises beantragen, der in einem EU-, EWR-Staat oder der Schweiz vor deren Beitritt zur EU, dem EWR oder dem Abkommen mit der Schweiz ausgestellt wurde. Zum anderen für Antragsteller, deren Ausbildungsnachweis aus der früheren Tschechoslowakei, der früheren Sowjetunion für Estland, Lettland, Litauen sowie dem früheren Jugoslawien stammen.

§ 3 Abs. 2 BÄO trifft sodann eine Regelung für Fälle, in denen zwar eine abgeschlossene Ausbildung aus der EU, dem EWR oder der Schweiz vorliegt, die jedoch nicht unter § 3 Abs. 1 oder § 14b BÄO fallen und damit keiner automatischen Anerkennung nach der EU-Richtlinie unterfallen. Aus praktischer Sicht des Verfassers ist jedoch der Anwendungsbereich dieser Regelung fraglich. Denkbar wäre dies aus Sicht des Verfassers beispielsweise bei Nichterfüllung der Mindestanforderungen des Art. 24 der Richtlinie 2005/36/EG an die ärztliche Grundausbildung. In diesen Fällen wäre dann jedenfalls die Feststellung der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes Voraussetzung für den Anspruch auf Approbationserteilung.

Zusammengefasst erfolgt damit grundsätzlich eine automatische Anerkennung von innerhalb der EU, des EWR und in Vertragsstaaten abgeschlossenen Ausbildungen. Dies gilt aufgrund bilateraler Abkommen i. V. m. der Richtlinie 2005/36/EG auch für in der Schweiz abgeschlossene ärztliche Ausbildungen.

Ärztliche Ausbildung in Drittstaaten (andere Staaten als EU-/EWR-Mitgliedstaaten/Schweiz)

Die Anerkennung der in einem Drittstaat erworbenen ärztlichen Ausbildung bestimmt sich nach § 3 Abs. 3 BÄO. Eine Anerkennung der in einem Drittstaat erworbenen Ausbildungsnachweise gestaltet sich nach der praktischen Erfahrung des Verfassers in diesen Fällen oftmals wesentlich schwieriger.

In diesen Fällen ist stets eine Prüfung der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes erforderlich. Nur bei Feststellung der Gleichwertigkeit besteht ein Anspruch auf Approbationserteilung.

Für die Prüfung der Gleichwertigkeit gelten § 3Abs. 2 Satz 2 bis 6 sowie 8 und 9 entsprechend. Hiernach ist der Ausbildungsstand als gleichwertig anzusehen, wenn die Ausbildung des Antragstellers keine wesentlichen Unterschiede gegenüber der deutschen Ausbildung, wie sie in der BÄO und der Approbationsordnung für Ärztinnen und Ärzte geregelt ist, aufweist.

Wesentliche Unterschiede liegen vor, wenn

  1. die Ausbildung der Antragsteller sich hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit auf Fächer bezieht, die sich wesentlich von der deutschen Ausbildung unterscheiden, oder
  2. der Beruf des Arztes eine oder mehrere reglementierte Tätigkeiten umfasst, die in dem Staat, der den Ausbildungsnachweis ausgestellt hat, nicht Bestandteil des Berufs des Arztes sind, und sich die deutsche Ausbildung auf Fächer bezieht, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die von dem Ausbildungsnachweis der Antragsteller abgedeckt werden.

Fächer unterscheiden sich wesentlich, bei denen Kenntnis und Fähigkeiten eine wesentliche Voraussetzung für die Ausübung des Berufs sind und bei denen die Ausbildung der Antragsteller gegenüber der deutschen Ausbildung wesentliche Abweichungen hinsichtlich des Inhalts aufweist.

§ 3 Abs. 2 S. 5 BÄO bestimmt jedoch, dass wesentliche Unterschiede ganz oder teilweise durch Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeglichen werden, die die Antragsteller im Rahmen ihrer ärztlichen Berufspraxis in Voll- oder Teilzeit oder durch lebenslanges Lernen erworben haben, sofern die durch lebenslanges Lernen erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten von einer dafür in dem jeweiligen Staat zuständigen Stelle formell als gültig anerkannt wurden; dabei ist nicht entscheidend, in welchem Staat diese Kenntnisse und Fähigkeiten erworben worden sind.

Die Gleichwertigkeit wird in der Regel durch Einholung eines Gutachtens auf Basis der vom Antragsteller eingereichten Unterlagen geprüft. Es ist deshalb äußerst wichtig, dass diese Unterlagen den Ausbildungsstoff substantiiert belegen.

§ 3 Abs. 2 S. 8, 9 BÄO legen sodann fest, dass die Approbationsbehörde spätestens vier Monate, nachdem ihr alle erforderlichen Unterlagen vorliegen, den Antragstellern einen rechtsmittelfähigen Bescheid über die Feststellung der wesentlichen Unterschiede, die zur Auferlegung einer Prüfung führen, erteilen müssen. Dies bedeutet aus Sicht des Verfassers letztendlich, dass die Approbationsbehörde innerhalb von vier Monaten nach Vorlage der vollständigen Unterlagen damit über die Gleichwertigkeit entscheiden muss. Im Fall des § 81a des Aufenthaltsgesetzes soll der Bescheid innerhalb von zwei Monaten erteilt werden. Fraglich und häufig Grund für Diskussionen ist, ob und wann die Unterlagen vollständig vorliegen.

Wird nach entsprechender Prüfung die Gleichwertigkeit festgestellt, so ist die Approbation zu erteilen.

Sofern jedoch wesentliche Unterschiede vorliegen, sodass eine Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes nicht gegeben ist, regelt § 3 Abs. 2 S. 6 BÄO, dass die Antragsteller nachweisen müssen, dass sie über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, die zur Ausübung des Berufs des Arztes erforderlich sind. Gemäß § 3 Abs. 3 S. 3 BÄO ist dieser Nachweis der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten durch das Ablegen einer Prüfung zu erbringen, die sich auf den Inhalt der staatlichen Abschlussprüfung bezieht (sog. Kenntnisprüfung). Eine Kenntnisprüfung ist auch dann abzulegen, wenn die Prüfung des Antrags nur mit unangemessenem zeitlichem oder sachlichem Aufwand möglich ist, weil die erforderlichen Unterlagen und Nachweise aus Gründen, die nicht in der Person der Antragsteller liegen, von diesen nicht vorgelegt werden können.

Die Rechtsprechung vertritt in diesem Zusammenhang auch die Auffassung, dass die Gleichwertigkeitsprüfung zwingend Vorrang vor der Kenntnisprüfung hat. Denn nach den gesetzlichen Bestimmungen besteht weder eine Wahlmöglichkeit zwischen Gleichwertigkeitsprüfung und Kenntnisprüfung noch kann auf die Gleichwertigkeitsprüfung verzichtet werden. Die Kenntnisprüfung darf somit nicht vor Abschluss der Gleichwertigkeitsprüfung mit der Notwendigkeit des Erlasses eines rechtsmittelfähigen Bescheides über die Feststellung der wesentlichen Unterschiede durchgeführt werden. Der gesetzlich angeordnete Verfahrensablauf steht nicht zur Disposition der Beteiligten (vgl. VGH München, Beschluss v. 16.08.2024 – 21 CE 24.1212; Sächsisches OVG, Urteil v. 29.8.2023 – 2 A 370/22).

Heberer J: Approbation im Ausland – Anerkennung in Deutschland. Passion Chirurgie. 2025 März; 15(03/QI): Artikel 03_06.

F+A: Zulässigkeit der Übernahme von fachübergreifenden Diensten vom Weiterbildungsassistenten

Frage:

Ein Chefarzt fragt an, ob es zulässig ist, dass Weiterbildungsassistenten den fachübergreifenden Bereitschafts- bzw. Rufdienst in der Klinik übernehmen.

Antwort:

Grundsätzlich verhält es sich so, dass das geplante Dienstmodell nicht gesetzlich verboten ist, haftungsrechtlich aber äußerst bedenklich ist. Denn die Klinik schuldet gegenüber den Patienten 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche und 365 Tage im Jahr den sogenannten Facharztstandard. Dieser ist gewährleistet, wenn ein entsprechender fachspezifischer Weiterbildungsassistent Dienst tut und unmittelbar ein entsprechender Facharzt im Rufdienst erreichbar ist.

Die anwaltliche Erfahrung zeigt, es gibt hier bereits eine erste Verurteilung eines Chefarztes und des handelnden internistischen Weiterbildungsassistenten, dass die Rechtsprechung einen fachübergreifenden Bereitschaftsdienst unter Berücksichtigung der Notwendigkeit der Einhaltung des Facharztstandards im Schadensfall nicht toleriert. Wenn also der diensthabende Weiterbildungsassistent den fachfremden Patienten beispielsweise visitiert und dabei die Notwendigkeit einer entsprechenden Intervention übersieht, wäre das Haftungsverschulden des handelnden Weiterbildungsassistenten (Übernahmeverschulden), des abteilungsführenden Chefarztes und der Verwaltung (beide wegen Organisationsverschulden) eröffnet.

Gleichwohl hat sich dieses Dienstmodell zwischenzeitlich in Deutschland flächendeckend etabliert. Wenn man dieses Dienstmodell etabliert, so sollte man darauf achten, dass zahlreiche SOPs etc. erstellt werden, um ein Mindestmaß an Nachweisbarkeit der Anweisungen zu gewährleisten.

Heberer J: F+A: Zulässigkeit der Übernahme von fachübergreifenden Diensten vom Weiterbildungsassistenten. 2024 November; 14(12/IV): Artikel 04_05.

F+A: Zahlungsverhalten von Privatkassen-Patient

Frage:

Eine niedergelassene Chirurgin fragt an, ob ein Privatpatient eine rechtlich sanktionierbare Pflichtverletzung gegenüber ihr als Ärztin und/oder gegenüber seiner privaten Krankenversicherung (PKV) begeht, wenn er den von der PKV erstatteten Rechnungsbetrag nicht an sie weiterleitet und schließlich seine Rechnung nicht mit diesem erstatteten Geld bezahlt.

Antwort:

Der Privatpatient ist weder der behandelnden Ärztin gegenüber noch gegenüber seiner PKV verpflichtet, mit dem von der PKV erstatteten Betrag die jeweilige Arztrechnung zu bezahlen bzw. diesen Betrag an die behandelnde Ärztin weiterzuleiten. Weder aus dem Zivil- noch aus dem Versicherungsrecht oder dem Strafrecht ergibt sich solch eine Verpflichtung des Patienten. Der Patient kann also den erstatteten Betrag ganz nach seinem Gusto verwenden.

Der Privatpatient ist zivilrechtlich lediglich nach § 630a Abs. 1 BGB zur Zahlung der Arztrechnung verpflichtet, sofern die Leistungen ordnungsgemäß erbracht und abgerechnet worden sind. Mit welchem Geld er diese bezahlt, bleibt jedoch allein ihm überlassen.

Ein Privatpatient macht sich somit weder in zivilrechtlicher, versicherungsrechtlicher noch in strafrechtlicher Hinsicht schuldig, wenn er den Erstattungsbetrag seiner PKV nicht an die behandelnde Ärztin weiterleitet. Eine rechtliche Sanktion ist deshalb nicht möglich.

Der Privatpatient verletzt lediglich seine zivilrechtliche Zahlungspflicht, wenn er die Rechnung ganz oder teilweise nicht bezahlt. In diesem Fall bleibt nach wie vor aber nur der Weg, den offenen Vergütungsanspruch gegenüber dem Patienten geltend zu machen und im Bedarfsfall gerichtlich durchzusetzen.

Heberer J: F+A: Zahlungsverhalten von Privat-Kassenpatient. 2024 Juni; 14(06/II): Artikel 04_05.

F+A: Unterschriftsberechtigter für Abrechnungssammelerklärung im MVZ

Frage:

Ein ärztlicher Leiter einer MVZ-GmbH fragt an, von wem die vom MVZ einzureichende Sammelerklärung zur Abrechnung unterzeichnet werden muss, von ihm oder vom Geschäftsführer der GmbH.

 

Antwort:

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 13.12.2023 – B 6 KA 15/22 R entschieden, dass die Sammelerklärungen zu den Abrechnungen des MVZ vom ärztlichen Leiter unterzeichnet werden müssen.

Der Honorarverteilungsmaßstab der beklagten KV enthalte eine entsprechende Vorgabe. Diese ist nach Auffassung des BSG auch von der Ermächtigungsgrundlage des § 87b Abs. 1 S. 2 SGB V gedeckt und verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

Aus Sicht des BSG handelt es sich bei der Regelung nicht um ein bloßes Formerfordernis. Vielmehr lässt die ordnungsgemäße Abrechnungs-Sammelerklärung erst den Anspruch auf Vergütung der erbrachten Leistungen entstehen. Angesichts der Verantwortung des ärztlichen Leiters für die ärztliche Steuerung der Betriebsabläufe sowie seiner Gesamtverantwortung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung begegnet es nach Meinung des BSG keinen Bedenken, wenn der Honorarverteilungsmaßstab die Unterschrift des ärztlichen Leiters unter die Sammelerklärung verlangt.

Grundsätzlich ist das MVZ als Träger der Zulassung für die Abgabe einer ordnungsgemäßen Sammelerklärung verantwortlich. Da es als Einrichtung aber nicht selbst handeln kann, ersetzt die Unterzeichnung durch den ärztlichen Leiter die in einer Einzelpraxis von dem Vertragsarzt zu leistende Unterschrift. Der ärztliche Leiter verfügt – anders als der nicht ärztliche Geschäftsführer eines MVZ – über die erforderliche medizinische Fachkompetenz, um beurteilen zu können, ob die von den einzelnen Ärzten angegebenen Behandlungsvorgänge Grundlage für eine korrekte Quartalsabrechnung sind. Ebenso gewährleistet die eigene ärztliche Tätigkeit des ärztlichen Leiters im MVZ, dass er hinreichend in dessen Strukturen und Arbeitsabläufe eingebunden ist und das Verhalten der Mitarbeiter aus eigener Anschauung beurteilen kann.

Das im Honorarverteilungsmaßstab festgelegte Unterschriftserfordernis berührt hingegen die Vertretungsbefugnis des GmbH-Geschäftsführers aus § 35 Abs. 1 S. 1 GmbH-Gesetz nicht. Denn das Unterschriftserfordernis im Honorarverteilungsmaßstab ist bereits keine gesellschaftsrechtliche Vertretungsregelung. Zudem liegt aus Sicht des BSG durch das Unterschriftserfordernis des ärztlichen Leiters kein unverhältnismäßiger Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Recht des MVZ auf Honorierung seiner Leistungen vor. Denn bei zeitweiser Verhinderung des ärztlichen Leiters kann etwa ein Vertreter bestellt oder die Sammelerklärung kann innerhalb der im Honorarverteilungsmaßstab bestimmten Jahresfrist nachgereicht werden (vgl. BSG, Urteil vom 13.12.2023 B 6 KA 15/22 R ; abgerufen 28.12.2023).

Unterzeichnet also der GmbH-Geschäftsführer die Abrechnungs-Sammelerklärung, so ist diese nicht ordnungsgemäß, da er hierzu nicht berechtigt ist. Rechtsfolge der damit fehlenden Unterschrift des ärztlichen Leiters auf der Sammelerklärung ist die formal fehlerhafte Abrechnung der Leistungen. Dies hat wiederum zur Folge, dass die Kassenärztliche Vereinigung berechtigt ist, die Honorarbescheide im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben und das ausgezahlte Honorar vollständig zurückzufordern.

Chirurgie+

Heberer J: F+A: Unterschriftsberechtigter für Abrechnungssammelerklärung im MVZ. 2024 Mai; 14(05): Artikel 04_10.

F+A: Übersendung eines Arztbriefs nach Koloskopie ausreichend oder persönliche Aufklärung nötig

Frage:

Ein niedergelassener Chirurg fragt an, ob die postalische Übersendung eines Arztbriefs nach von ihm durchgeführter Koloskopie an den überweisenden Arzt ausreichend ist oder ob er die Patienten unmittelbar persönlich therapeutisch aufklären muss.

 

Antwort:

Dem Arzt, der zur Durchführung einer Koloskopie hinzugezogen wird, kommt gemäß § 630c Abs. 2 S. 1 BGB die Pflicht zur therapeutischen Aufklärung (auch Sicherungsaufklärung genannt) zu. Ziel der therapeutischen Aufklärung ist, den Erfolg der medizinischen Behandlung sicherzustellen.

Das OLG Karlsruhe hat mit Urteil vom 11.03.2020 hierzu im Zusammenhang mit der von einem auf Überweisung tätig gewordenen Arzt vorgenommenen Koloskopie und der damit verbundenen Probeentnahme und Abtragung einer polypoiden Veränderung wie folgt entschieden (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 11. März 2020 – 7 U 10/19 –, juris):

Der Patient hat einen Anspruch auf Unterrichtung über die im Rahmen einer ärztlichen Behandlung erhobenen Befunde und Prognosen. Das gilt in besonderem Maße, wenn ihn erst die zutreffende Information in die Lage versetzt, eine medizinisch gebotene Behandlung durchführen zu lassen (Therapeutische Aufklärung/Sicherungsaufklärung). Es ist ein (schwerer) ärztlicher Behandlungsfehler, wenn der Patient über einen bedrohlichen Befund, der Anlass zu umgehenden und umfassenden ärztlichen Maßnahmen gibt, nicht informiert und ihm die erforderliche ärztliche Beratung versagt wird (vgl. Rn. 15).

Der Arzt hatte der Patientin in dem Nachgespräch anhand der gefertigten Bilder genau erläutert, was für eine Auffälligkeit bestanden habe und dass er diese mit einer Zange abgetragen habe sowie dass der Befundbericht noch um die Histologie ergänzt werde und der Bericht in 7 bis 10 Tagen bei dem Hausarzt mit der kompletten Histologie eintreffen werde. Ferner hatte er der Patientin im Hinblick auf die von ihm festgestellte und abgetragene polypöse Struktur im Analkanal mitgeteilt, dass man abwarten müsse, was die histologische Untersuchung ergebe (vgl. Rn. 18).

Das OLG Karlsruhe sah hierin eine in dem unmittelbar nach der Behandlung möglichen Umfang hinreichende therapeutische Aufklärung, da der Arzt zu diesem Zeitpunkt nicht zu einer weitergehenden therapeutischen Aufklärung verpflichtet war. Daran änderte der Umstand nichts, dass er nach seinen Angaben bereits bei der Untersuchung den Verdacht auf eine Präkanzerose des Analkanals hatte. Denn der Befund war nach seinen nachvollziehbaren Angaben auch für ihn nicht eindeutig, sondern es kam auf die Histologie an, was er der Patientin erläutert hatte. Auch der Sachverständige stellte fest, dass man zu dem Zeitpunkt der Abtragung der Läsion noch keine näheren Angaben zu deren Qualität machen konnte (vgl. Rn. 20).

Ferner war der Patientin auch hinreichend die Bedeutung und Schwere eines möglichen pathologischen Befundes und damit die Bedeutung der histologischen Untersuchung bekannt, da der Arzt ihr gesagt hatte, sie solle sich nicht so viele Gedanken machen und wenn sich ein bösartiger oder auffälliger Befund ergeben würde, werde er sich selbst telefonisch melden. Schon danach war ihr aus Sicht des OLG bekannt, dass auch die konkrete Möglichkeit eines bösartigen Befundes bestand. Der Arzt hat ferner bei seiner Anhörung vor dem Senat überzeugend vorgetragen, er sage den Patienten bei der Aufklärung, dass Polypen, wenn sie vorhanden sein sollten, entfernt würden, weil diese eine Vorstufe des Darmtumors sein könnten (vgl. Rn. 21).

Des Weiteren urteilte das OLG, dass auch nach Erhalt der Histologie der Arzt nicht gegen seine therapeutische Aufklärungsplicht verstoßen hat, indem er den Arztbericht mit den vom Pathologen mitgeteilten Ergebnissen nur per Post an die überweisende Hausärztin übersandte:

Der hinzugezogene Arzt ist grundsätzlich gehalten, den behandelnden Arzt in einem Arztbrief über das Ergebnis des Überweisungsauftrages zu unterrichten. Diese Pflicht gehört zu den Schutzpflichten gegenüber dem Patienten, die eine solche Unterrichtung des die Behandlung führenden Arztes über die von ihm aus der Hand gegebene Behandlungsphase umfassen und die der hinzugezogene Arzt dem Patienten aufgrund der übernommenen Behandlungsaufgabe vertraglich wie deliktisch schuldet. Im Übrigen gehört sie als Bestandteil der gegenseitigen Informationspflicht auch zu den Berufspflichten des Arztes (vgl. Rn. 23).

Der Arzt musste nach Meinung des OLG die Patientin nicht persönlich telefonisch informieren oder wiedereinbestellen, sondern es genügte die Information ihrer Hausärztin. Das OLG verwies aber darauf, dass bei hochpathologischen Befunden oder Befunden, die weitere zeitkritische Behandlungsschritte erfordern, bei denen eine rasche Reaktion geboten ist, dies anders sei, weshalb dann auch eine persönliche Information des Patienten geboten sein kann. Erhält der behandelnde Arzt einen Arztbericht, in dem für die Weiterberatung und -behandlung des Patienten neue und bedeutsame Untersuchungsergebnisse enthalten sind, die eine alsbaldige Vorstellung des Patienten bei dem Arzt unumgänglich machen, so hat er den Patienten auch dann unter kurzer Mitteilung des neuen Sachverhalts einzubestellen, wenn er ihm aus anderen Gründen die Wahrnehmung eines Arzttermins angeraten hatte. Auch eine entgegenstehende Übung entbindet den Arzt jedenfalls dann nicht von einer Pflicht zu besonderer Benachrichtigung seines Patienten, wenn dessen alsbaldige Vorstellung bei ihm aufgrund eines neuen Sachverhalts nötig wird und die Gefahr besteht, der Patient werde – weil ihm die neue Sachlage unbekannt ist – die Bedeutung des Arzttermins unterschätzen (vgl. Rn. 29).

Eine solche Konstellation lag im entschiedenen Fall jedoch nicht vor. Ferner war das Gericht davon überzeugt, dass die Patientin die Frage des Arztes, ob sie eine Kopie des Befundberichts erhalten wollte, verneinte. Adressat der Mitteilung war unter diesen Umständen vereinbarungsgemäß nicht die Patientin, sondern ihre Hausärztin.

Auch aus dem Umstand, dass die Hausärztin auf ihrer ärztlichen Überweisung mit der Diagnose/Verdachtsdiagnose „Stuhlgang-Entleerungsstörungen“ auch das Kästchen „Mit-/Weiterbehandlung“ angekreuzt hat, folgt nach Ansicht des OLG nichts anderes. Es mag aus Sicht des Gerichts zwar sein, dass in diesem Fall – anders, als wenn die Überweisung ausschließlich zu einer konkret benannten Diagnosemaßnahme vorgenommen wird – die gesamte diagnostische und therapeutische Tätigkeit dem weiterbehandelnden Vertragsarzt übertragen wird. Der Arzt durfte jedoch nach den Darlegungen des Sachverständigen sich auf die Übermittlung des Befundes und der Therapieempfehlung an die Hausärztin begnügen und musste nicht selbst die Weiterbehandlung der Patientin übernehmen. Er durfte bei objektiver Betrachtung davon ausgehen, dass die weitere ärztliche Versorgung der Patientin im Hinblick auf seinen Arztbrief an die Hausärztin hinreichend sichergestellt war. Zudem war im Übrigen eine Weiterbehandlung bei ihm selbst wegen der auf dem Überweisungsschein angegebenen „Stuhlgang-Entleerungsstörungen“ ersichtlich nicht geboten. Weitere Kontrolluntersuchungen waren vielmehr wegen der bei der Untersuchung entfernten polypoiden Veränderung und der sich aus dem diesbezüglichen Befundbericht ergebenden AIN III erforderlich (vgl. Rn. 36).

Hinsichtlich der rein postalischen Übersendung des Arztbriefs an die Hausärztin vertritt das OLG die Meinung, dass der Arzt nicht verpflichtet war, einen anderen Informationsweg, etwa die Übermittlung per Telefax, zu wählen oder den Zugang bei der Hausärztin zu überprüfen. Der Arztbrief ist aus Sicht des Gerichts ein gängiges Mittel zur gebotenen Aufrechterhaltung des Informationsflusses zwischen den an der Behandlung beteiligten Ärzten. Normaler Weise darf der Absender darauf vertrauen, dass sein Arztbrief beim Empfänger ankommt. Es kann ihm nicht zugemutet werden, sich bei jedem Arztbrief zu vergewissern, dass dieser erfolgreich übermittelt wurde. Nur dann, wenn dem Arzt aus vorherigen Fällen z. B. bekannt ist, dass es bei einer Praxis Probleme bei der Postzustellung gibt, kann es eine derartige Pflicht geben. Alternativ sollte der Behandler dann auf eine andere Kommunikationsmethode wie etwa Fax umstellen. Hinreichende Anhaltspunkte für derartige Probleme lagen im entschiedenen Fall aber nicht vor (vgl. Rn. 38).

Allerdings gilt nach Auffassung des OLG in dringenden Fällen, dass der Absender überprüfen muss, ob die Information beim Empfänger angekommen ist, z. B. bei hochpathologischen Befunden oder Befunden, die weitere, zeitkritische Behandlungsschritte erforderlich machen (vgl. Rn. 39). Wie oben dargestellt, war eine solche Konstellation im vorliegenden Fall aber nicht gegeben. Somit konnte sich der hinzugezogene Arzt, nachdem er den Informationsfluss im gebotenen Umfang aufrechterhalten hatte, darauf verlassen, dass die Hausärztin der Patientin seinen Arztbrief mit dem Befund lesen und ihrerseits die vorgeschlagenen Untersuchungen in dem von ihm empfohlenen Zeitraum veranlassen würde.

Folglich lässt sich nach Auffassung des Verfassers abschließend festhalten, dass eine Informationspflicht des hinzugezogenen Arztes unmittelbar den Patienten gegenüber dann besteht, wenn dies aus medizinischen Gründen im Hinblick auf eine besondere Gefährlichkeit des Befundes bzw. Eilbedürftigkeit einer Behandlung erforderlich ist. Ferner, wenn mit den Patienten vereinbart wird, dass sie eine Kopie des Arztbriefs, eine telefonische oder sonstige unmittelbare Benachrichtigung erhalten. Unter diesen Umständen könnte dann ein Verstoß gegen die therapeutische Aufklärungspflicht des hinzugezogenen Arztes in Betracht kommen. Zudem ist die postalische Übersendung des Arztbriefs an den überweisenden Arzt ausreichend, wenn keine hinreichenden An

Chirurgie+

Heberer J: F+A: Übersendung eines Arztbriefes nach Koloskopie ausreichend oder persönliche Aufklärung nötig. 2024 Mai; 14(05): Artikel 04_09.

F+A: Aufbereitung von Medizinprodukten von Praxispersonal

Frage:

Ein niedergelassener Chirurg fragt an, ob das von ihm für die Aufbereitung von Medizinprodukten der Kategorie semikritisch A und kritisch B eingesetzte Praxispersonal (MFAs) die von der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) geforderte Sachkenntnis benötigen oder ob diese nur für die Instandhaltung der Produkte erforderlich ist.

Antwort:

Zunächst ist es für das Erfordernis der Sachkenntnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 MPBetreibV unerheblich, ob es sich um eine Instandhaltung oder eine Aufbereitung eines Medizinproduktes handelt, denn für beide wird die Sachkenntnis gefordert. Für die Instandhaltung ergibt sich dies aus § 7 Abs. 2 MPBetreibV und für die Aufbereitung aus § 8 Abs. 7 MPBetreibV.

§ 8 Abs. 7 S. 1 MPBetreibV verlangt hinsichtlich der Voraussetzungen für die Aufbereitung von Medizinprodukten, dass der Betreiber – hier konkret also der Praxisinhaber – nur Personen, Betriebe oder Einrichtungen mit der Aufbereitung von Medizinprodukten beauftragen darf, die selbst oder deren Beschäftigte, die die Aufbereitung durchführen, die Voraussetzungen nach § 5 MPBetreibV hinsichtlich der Aufbereitung des jeweiligen Medizinproduktes erfüllen. § 8 Abs. 7 S. 2 MPBetreibV regelt, dass die nach § 5 MPBetreibV erforderliche Ausbildung auch durch die Teilnahme an fachspezifischen Fortbildungsmaßnahmen ersetzt werden kann. Dabei soll man sich an den Empfehlungen der Anlage 6 der KRINKO-Empfehlung orientieren.

Nichts anderes ergibt sich meiner Ansicht nach aus der KRINKO-Empfehlung „Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ aus 2012 (siehe HIER; abgerufen 25.09.2023) i. V. m. der Ergänzung zur Empfehlung „Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ der KRINKO vom 08.02.2018 (vgl. HIER, S. 2; abgerufen am 25.09.2023). Die Ergänzung vom 08.02.2018 verweist zunächst darauf, dass sich die Anforderungen an die Qualifikation des Personals für die Aufbereitung aufgrund der Verordnungsänderung nicht mehr aus § 4 Abs. 3 MPBetreibV ergeben, sondern jetzt in § 8 MPBetreibV in Verbindung mit § 5 MPBetreibV geregelt sind.

Auch hiernach muss die mit der Aufbereitung beauftragte Person hinsichtlich der jeweiligen Tätigkeit über aktuelle Kenntnisse aufgrund einer geeigneten Ausbildung und einer einschlägigen beruflichen Tätigkeit verfügen (= § 5 Abs. 1 Nr. 1 MPBetreibV).

Die in der Anlage 6 „Sachkenntnis des Personals“ der KRINKO-Empfehlung aus 2012 aufgeführten inhaltlichen Anforderungen an die Sachkenntnis behalten weiterhin ihre Gültigkeit (vgl. KRINKO Ergänzungsempfehlung vom 08.02.2018, a. a. O., S. 2). Die gemäß Anlage 6 festgelegte Sachkenntnis des Personals gilt für Aufbereitungseinheiten gemäß der in Anlage 5 dargestellten Kategorien A (Medizinprodukte semikritisch und kritisch A) und B (Medizinprodukte semikritisch und kritisch B (s. HIER; abgerufen am 25.09.2023).

Folglich ist für die Aufbereitung von Medizinprodukten der Kategorien semikritisch A und kritisch B nach Ansicht des Verfassers die Sachkenntnis des die Aufbereitung durchführenden Personals nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2, 7 MPBetreibV i. V. m. den KRINKO-Empfehlung „Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ von 2012 und vom 08.02.2018 zwingend erforderlich.

Heberer J: F+A: Aufbereitung von Medizinprodukten von Praxispersonal. 2024 April; 14(04): Artikel 04_09.

F+A: Mutterschutzlohn im Beschäftigungsverbot

Frage:

Eine Chefärztin fragt an, welche Vergütung sie während des vom Arbeitgeber aufgrund ihrer Schwangerschaft angeordneten individuellen Beschäftigungsverbots erhält.

Antwort:

Gemäß § 18 Gesetz zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium (MuSchG) erhält eine Frau, die wegen eines Beschäftigungsverbots außerhalb der Schutzfristen vor oder nach der Entbindung teilweise oder gar nicht beschäftigt werden darf, von ihrem Arbeitgeber Mutterschutzlohn. Als Mutterschutzlohn wird das durchschnittliche Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor dem Eintritt der Schwangerschaft gezahlt. Dies gilt auch, wenn wegen dieses Verbots die Beschäftigung oder die Entlohnungsart wechselt. Beginnt das Beschäftigungsverhältnis erst nach Eintritt der Schwangerschaft, ist das durchschnittliche Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsentgelt der ersten drei Monate der Beschäftigung zu berechnen.

Grundsätzlich ist es also so, dass während der Zeit eines Beschäftigungsverbots vom Arbeitgeber Mutterschutzlohn zu zahlen ist. Das Beschäftigungsverbot muss außerhalb der gesetzlichen Schutzfristen des § 3 MuSchG liegen, die in der Regel sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung betragen.

Der Mutterschutzlohn ist in Höhe von mindestens dem Durchschnittsverdienst der letzten drei Monate bzw. dreizehn Wochen vor Beginn des Monats, in dem die Schwangerschaft eingetreten ist, zu zahlen.

Dabei ist für die Berechnung des Verdienstes die arbeitsvertraglich vereinbarte geldwerte Gegenleistung des Arbeitgebers maßgeblich, wobei auch nichtständige Entgeltbestandteile, wie beispielsweise die Überstundenvergütung, Dienstgelder etc. hinzuzurechnen sind. Dazu zählt auch eine etwaige Umsatzbeteiligung, die als typischerweise arbeitsleistungsbezogen gilt.

Heberer J: F+A: Mutterschutzlohn im Beschäftigungsverbot. 2024 März; 14(03/QI): Artikel 04_06.