Alle Artikel von Prof. Dr. med. Stephan M. Freys

Vereinbarung zur Organisation der Schmerztherapie chirurgischer Patienten

Die Therapie möglicher ursächlicher, prozedurenspezifischer und/oder -begleitender Akutschmerzen ist ein essenzielles Qualitätsmerkmal in jedem chirurgischen Fachgebiet. Ziele einer interdisziplinären und interprofessionellen Schmerztherapie sind unmittelbar eine Verbesserung der Lebensqualität durch Schmerzfreiheit, mittelfristig eine Reduktion des postoperativen Morbiditäts- und Mortalitätsrisikos, langfristig eine Verhinderung der Chronifizierung von Schmerzen und stets begleitend eine Reduktion der Krankenhausverweildauer und des Krankenstands.

Seit 1992 existiert die „Vereinbarung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten und des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen zur Organisation der postoperativen Schmerztherapie“. Vor dem Hintergrund fortentwickelter Evidenz, aktualisierter Leitlinienempfehlungen und interprofessionell gestalteter Behandlungsprozesse wurden diese Vereinbarungen den aktuellen Erfordernissen und Strukturgegebenheiten unseres Gesundheitswesens angepasst. Somit geben beide Berufsverbände in der nun aktualisierten Version dieser „Vereinbarung zur Organisation der Schmerztherapie chirurgischer Patienten“ den agierenden Partnern eine klare Empfehlung und ein Manual zur Umsetzung der genannten Ziele an die Hand.

Präambel

Die schmerzmedizinische Versorgung gehört zu den bedeutsamen interdisziplinären Aufgaben der modernen Medizin. Sie verbessert die Lebensqualität des Patienten, kann den Heilungsprozess beschleunigen, reduziert das Auftreten postoperativer Komplikationen und trägt zu einer ressourcenoptimierten Patientenversorgung bei [1].

In der 1992 veröffentlichten „Vereinbarung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten und des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen zur Organisation der postoperativen Schmerztherapie“ [2] waren verschiedene Organisationsmodelle wertungsfrei nebeneinandergestellt worden. Die jetzt durchgeführte Neubewertung erfolgte auf der Grundlage mittlerweile verfügbarer Evidenz, daraus abgeleiteter Leitlinienempfehlungen und den zunehmend an Bedeutung gewonnenen interprofessionell gestalteten Behandlungsprozessen [1, 3, 4].

Diese aktualisierte Vereinbarung steht im Geist des Beschlusses des Deutschen Ärztetags 2014. Dort wurde empfohlen, ein übergeordnetes interdisziplinäres und interprofessionelles Schmerzmanagement in die Qualitätsmanagement-Systeme der Krankenhäuser zu implementieren, wie z. B. analog zu den übergeordneten Strukturen der Hygiene [5]. Die beiden Berufsverbände empfehlen solche Organisationsformen für eine interdisziplinäre und interprofessionelle Kooperation ausdrücklich. Chirurgen und Anästhesisten bleibt es dabei überlassen, durch lokale Absprachen „vor Ort“ die Organisationsform zu wählen, die sich für sie am besten eignet.

Die beiden Berufsverbände fordern die Krankenhausträger und die Kostenträger auf, die notwendigen strukturellen und budgetären Voraussetzungen für eine adäquate schmerzmedizinische Versorgung in den Kliniken und Krankenhäusern zu schaffen.

1. Definition

Die Therapie akuter Schmerzen beinhaltet die (symptomatische) Behandlung von akuten Schmerzzuständen, die (primär) auf eine akute Verletzung oder Erkrankung, ein Operationstrauma oder eine behandlungsbedingte Prozedur zurückzuführen sind.

Die perioperative Schmerztherapie dient zugleich der Prävention der Chronifizierung von Schmerzen. Weist der akute Schmerz auf Befunde hin, die einer weiterführenden Diagnostik bedürfen oder bedürfen könnten (z. B. akutes Abdomen, intra- oder postoperative Komplikationen), so soll die akute Schmerztherapie immer in Absprache mit den für eine kausale Therapie zuständigen Fachgebietsvertretern durchgeführt werden.

2. Fachliche Zuständigkeit

Zuständig für die Therapie von Schmerzen ist

  • auf der chirurgischen Station und auf chirurgisch geleiteten Intensiveinheiten der Chirurg,
  • in den Aufwachräumen und auf Intensivstationen, die unter anästhesiologischer Leitung stehen, der Anästhesist in Zusammenarbeit mit dem Chirurgen.

Auf Stationen, die weder von Anästhesisten noch von Chirurgen geleitet werden, sollte der ärztliche Leiter dieser Station in Zusammenarbeit mit Anästhesisten und Chirurgen die schmerzmedizinische Versorgung organisieren.

3. Organisationsform interdisziplinärer Zusammenarbeit

Neben der Kooperation in der operativen Routineversorgung zwischen Anästhesisten und Chirurgen benötigt eine Schmerzbehandlung bei bestimmten Eingriffen oder Indikationen eine engere Kooperation in der Unterstützung der allgemeinen Versorgung durch besondere, auf die Schmerzbehandlung spezialisierte Strukturen. Alle an der Schmerzbehandlung Beteiligten sollten dem Patienten gegenüber als ein interdisziplinäres Behandlungsteam auftreten. Übergeordnete Behandlungsprozesse sollten stets gemeinsam abgestimmt und gestaltet werden.

Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit (einvernehmliche Entscheidungen, wechselseitige Informationen) ist schon deshalb unerlässlich, weil die Schmerztherapie

  • die Vigilanz und Mobilität des Patienten nicht unnötig beeinträchtigen soll,
  • die Warn- und Leitfunktion des postoperativen Schmerzes ausschalten kann, und damit spezielle Maßnahmen zum Schutz des Patienten, z. B. gegen Schäden durch den Druck fester Verbände, notwendig werden können,
  • wegen der potentiellen Nebenwirkungen der Analgetika und Lokalanästhetika die Sicherstellung der sorgfältigen Überwachung der Patienten durch Chirurgen und/oder Anästhesisten erfordert (je nach Therapieverfahren und hierzu notwendiger Facharztkompetenz).

Als Organisationsform wird ausdrücklich von beiden Berufsverbänden ein abteilungs- und fachübergreifend tätiger ärztlich geleiteter Schmerzdienst (SD) empfohlen. Die Präsenz eines SD verbessert die postoperative Analgesie und vermindert die Häufigkeit von Nebenwirkungen bei chirurgischen Patienten. Der SD steht unter der Leitung eines Facharztes eines der beteiligten Fachgebiete mit entsprechender schmerzmedizinischer Qualifikation (Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ 1, möglichst 50-Stundenkurs „psychosomatische Grundversorgung“). Dieser wird in der Regel durch andere Ärzte und Fachkrankenpflegekräfte unterstützt.

Der jeweilige Arzt des SD ist berechtigt, medizinische Anordnungen auf Stationen und in den Behandlungseinheiten zu treffen, wo die von ihm betreuten Patienten lokalisiert sind.

3.1 Ein, abteilungs- und fachübergreifend tätiger ärztlich geleiteter SD kann folgende Aufgaben haben:

  1. Durchführung und Überwachung kontinuierlicher regionalanalgesiologischer Techniken zur peripheren oder rückenmarksnahen Nervenblockade auf Normalstationen
  2. Durchführung einer systemischen PCA-­Therapie mit Opioiden
  3. Anwendung anderer spezieller schmerztherapeutischer Methoden
  4. Perioperative Betreuung von Patienten, die ein erhöhtes Risiko postoperativer Schmerzen haben (u. a. präoperative chronische Schmerzen, präoperative Opioideinnahme, Substanzmissbrauch und Substitution, Durchführung bestimmter Operationen)
  5. Schmerzmedizinische Beurteilung und/oder Mitbehandlung von Patienten auf Anforderung durch den primär behandelnden Arzt; insbesondere bei Patienten, die trotz ­bestehender systemischer Schmerztherapie starke Schmerzen oder eine schmerzbedingte Beeinträchtigung wichtiger Funk­tionen haben.

3.2 Falls nicht auf einen SD zurückgegriffen werden kann, ergeben sich Einschränkungen hinsichtlich der Umsetzung von Leistungen auf Normalstationen. Ohne SD müssen Patienten mit kontinuierlichen regionalanalgesiologischen Techniken (siehe 3.1 a) auf solchen Stationen betreut werden, die eine engmaschige Überwachung der Schmerztherapie erlauben (PACU, IMC, Intensivstation).

Ein abgegrenztes Programm an schmerztherapeutischen Leistungen (siehe 3.1 b-e) kann im Einzelfall auf dem Boden lokaler interdisziplinärer Absprachen durch den Anästhesisten als mitbehandelndem Arzt auf der Normalstation erfolgen.

4. Ärztliche und rechtliche Verantwortung

Die Patientenversorgung in der perioperativen Medizin fußt auf einem arbeitsteiligen Zusammenwirken. Somit müssen in der Regel Schnittstellen zwischen den verschiedenen Fachdisziplinen definiert werden. Grundsätzlich ist der primär die Behandlung übernehmende Arzt auch für die Therapie von Schmerz verantwortlich. Da die Mehrzahl der Patienten mit einer standardisierten, systemischen Schmerztherapie ausreichend behandelt ist, übernimmt der Chirurg hier die Verantwortung, sobald der Patient auf seine Station verlegt wird.

Wird bei einer schmerzmedizinischen Beurteilung oder Mitbehandlung ein entsprechend qualifizierter Arzt hinzugezogen, gelten, soweit in einer Vereinbarung nichts Abweichendes geregelt wird, die allgemeinen Grundsätze der interdisziplinären Kooperation, der Grundsatz der strikten Arbeitsteilung, der Vertrauensgrundsatz und die Pflicht zur gegenseitigen Information und Abstimmung. Dabei hat der unmittelbar Handelnde nach dem Prinzip der Eigenverantwortung für die ordnungsgemäße Erfüllung der primären Sorgfaltspflichten einzustehen.

5. Die Überwachung des Patienten nach schmerztherapeutischer Behandlung

Die zentrale Herausforderung der interdisziplinären Kooperation liegt in der Verantwortung für die Überwachung der Nach- und Nebenwirkungen schmerztherapeutischer Maßnahmen. Bei der Betreuung durch einen SD erfolgt die Überwachung in enger Zusammenarbeit zwischen dem Personal des SD und dem Personal der betreuenden Station. Der SD muss kontinuierlich erreichbar sein und das Stationspersonal regelmäßig geschult werden.

Wenn nicht auf einen SD zurückgegriffen werden kann, obliegt die Überwachung dem Personal der für diesen Fall empfohlenen Überwachungsstation (3.2).

Führt der Anästhesist postoperativ auf Hinzuziehung durch den Chirurgen (3.2) ein abgegrenztes Programm schmerztherapeutischer Leistungen durch, gelten die allgemeinen Grundsätze der interdisziplinären arbeitsteiligen Kooperation (siehe 4. Ärztliche und rechtliche Verantwortung) auch in der Überwachung und Nachsorge fachspezifischer Eingriffe und Therapiemethoden.

6. Delegation auf nicht-ärztliche Mitarbeiter

In Deutschland gilt der Arztvorbehalt. Dies bedeutet, dass medizinische Leistungen, deren Erbringung dem Arzt eigene Fähigkeiten erfordern, von einem approbierten Arzt erbracht werden müssen. Delegationsfähige medizinische Leistungen können nur dann an entsprechend qualifiziertes nicht-ärztliches Personal übertragen werden, wenn der Arzt diese Tätigkeit

  1. anordnet
  2. ihre Umsetzung anleitet und
  3. überwacht und kontrolliert.

Nicht delegierbar sind Tätigkeiten des ärztlichen Kernbereichs: Hierzu zählen die ärztliche Anamnese, die Befunderhebung und -bewertung, die Indikationsstellung, die Therapieplanung (Auswahl, Dosierung und Festlegung), die Therapieentscheidung (z. B. Änderung oder Beendigung der Therapie) und die Aufklärung.

Delegierbar ist dagegen die Durchführung intravenöser Injektionen und von Infusionen auf qualifizierte Pflegende, soweit die Applikation nicht ausnahmsweise (z. B. wegen der Art des Medikamentes oder technischer Schwierigkeiten oder dem Zustand des Patienten) ärztliche Kenntnisse und Erfahrung erfordert.

Die Durchführung von Regional- und Leitungsanästhesien ist Sache des Arztes. Ärztlich angeordnete Nachinjektionen in den liegenden Katheter zur kontinuierlichen Regionalanalgesie können nicht-ärztlichen Mitarbeitern übertragen werden, wenn diese speziellen Kenntnisse und Erfahrung in Bezug auf die möglichen Komplikationen der Applikation, Nebenwirkungen der Medikamente und erste Maßnahmen bei Zwischenfällen besitzen. Eine Prüfung dieser Qualifikation vor der Aufgabendelegation ist unerlässlich. Während des Verfahrens muss ein Arzt jederzeit verfügbar sein.

7. Dokumentation

Akute Schmerzen, die Schmerzakzeptanz, ihre Auswirkungen auf wichtige Funktionen, deren Therapie und Komplikationen sind standardisiert zu dokumentieren. Die Häufigkeit der Dokumentation hängt von der Akuität des Krankheitszustandes ab.

8. Wissenschaftlicher und praktischer Fortschritt

Die Anästhesie und die Chirurgie sollten gemeinsam die wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet der postoperativen Schmerztherapie fördern und Verfahren entwickeln, die das Risiko unerwünschter Wirkungen reduzieren.

9. Lokale interdisziplinäre Absprachen und Verantwortung des Krankenhausträgers

Die nähere Regelung von Art und Intensität der Zusammenarbeit sowie die konkrete Aufgabenverteilung sind der interkollegialen Absprache „vor Ort“ vorbehalten.

Eine Einbeziehung des Krankenhausträgers in solche Absprachen ist schon deshalb unerlässlich, weil es seine Aufgabe als Betriebsinhaber ist, den nach der jeweiligen Kooperationsform benötigten Personal- und Sachaufwand bereitzustellen. Darüber hinaus muss er die Grundstrukturen für eine klinikweite, standardisierte Schmerzerfassung und -dokumentation vorgeben und sicherstellen.

10. Erklärung

Diese Vereinbarung wurde im Auftrag des BDA (Berufsverband Deutscher Anästhesisten e.V., Präsident: Prof. Dr. med. Götz Geldner) und im Auftrag des BDC (Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V., Präsident: Prof. Dr. med. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer) erstellt und wird von den Präsidien beider Berufsverbände sowie den Präsidien der DGAI (Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V.) und der DGCH (Deutsche Gesellschaft für Chirurgie e.V.) empfohlen.

Konsentiert im Präsidialgespräch Anästhesiologie/Chirurgie am 28.01.2019; ersetzt die „Vereinbarung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten und des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen zur Organisation der postoperativen Schmerztherapie“ von 1992 (2).

Literatur

[1] Schug SA, Palmer GM, Scott D, Halliwell R, Trinca J: Acute Pain Management: Scientific Evidence (4th edition). Melbourne: Working Group of the Australian and New Zealand College of Anaesthetists and Faculty of Pain Medicine 2015.

[2] Zinganell K, Hempel K: Vereinbarung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten und des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen zur Organisation der postoperativen Schmerztherapie. Chirurg 1992; 63: suppl 232-4.

[3] Laubenthal H: Leitlinie „Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen“. Berlin: Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften; 2007.

[4] Chou R, Gordon DB, de Leon-Casasola OA, et al.: Management of Postoperative Pain: A Clinical Practice Guideline From the American Pain Society, the American Society of Regional Anesthesia and Pain Medicine, and the American Society of Anesthesiologists‘ Committee on Regional Anesthesia, Executive Committee, and Administrative Council. J Pain 2016; 17: 131-57.

[5] Brösicke K, Köppen J, Regel A, Rudolphi M, Schenkel J, Schnicke-Sasse P: Beschlussprotokol 117. Deutscher Ärztetag. Berlin: Bundesärztekammer; 2014.

1. Da die Qualifikation „Spezielle Schmerztherapie“ bisher nicht flächendeckend sichergestellt wird, ist die Erfüllung dieser Empfehlung innerhalb eines Zeithorizontes von fünf Jahren anzustreben. Die Kompetenz zur Betreuung von invasiven Analgesieverfahren ist im Rahmen der anästhesiologischen Facharztkompetenz sichergestellt.

Dieser Beitrag wurde erstveröffentlicht in Anästh Intensivmed (2019) 60:V48–V50, Aktiv Druck & Verlag GmbH und erscheint zeitgleich in Der Chirurg, Der Anästhesist, Der Schmerz, Der Unfallchirurg (Springer Medizin Verlag GmbH) und Passion Chirurgie (Deutsche Gesellschaft für Chirurgie e.V./Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V.)

Freys SM, Erlenwein J, Koppert W, Meißner W, Pogatzki-Zahn E, Schwenk W, Simanski C: Vereinbarung zur Organisation der Schmerztherapie chirurgischer Patienten. Passion Chirurgie. 2019 August, 9(08): Artikel 03_01

Organisation einer Akutschmerztherapie in der Chirurgie

In jedem chirurgischen Fachgebiet spielt neben der operativen Kernleistung eine adäquate Schmerztherapie eine zentrale Rolle. Das Wissen um einen vorbestehenden, krankheitsbegleitenden oder durch die notwendige Intervention ausgelösten Schmerz, die Qualifizierung und Quantifizierung eines solchen Schmerzes und die adäquate Therapie gehören somit zu den grundsätzlichen Aufgaben jeglichen ärztlichen und pflegerischen Handelns im operativen Umfeld.

Eine didaktisch strukturierte und für alle Aspekte des Behandlungsprozesses durchorganisierte Akutschmerztherapie erlaubt:

  • nahezu gleichwertig unmittelbar eine Verbesserung der Lebensqualität,
  • mittelfristig eine Absenkung der Morbidität,
  • langfristig eine Verhinderung der Chronifizierung von Schmerzen und
  • begleitend einen ökonomischen Vorteil durch beschleunigte Mobilisation, reduzierte Morbidität und Mortalität sowie Reduktion der Krankenhausverweildauer und Beschleunigung des Ausscheidens aus dem Krankenstand.

Diese vier Aspekte bilden die Grundsäulen der Motivation und gleichermaßen die ethische Grundlage jeder Akutschmerztherapie.

Hintergrund und ethische Grundlagen

„Chirurgie ist mehr als Operieren“, mit diesem Grundgedanken versuchen die Chirurgische Arbeitsgemeinschaft Akutschmerz (CAAS) und die Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für perioperative Medizin (CAPM) der DGCH seit einigen Jahren das Bewusstsein vorrangig operativ tätiger Ärztinnen und Ärzte auf die Notwendigkeit und Wichtigkeit des Beherrschens perioperativer Maßnahmen hinzuweisen. Der „traditionell geprägte Chirurg“ fokussierte im Wesentlichen seine operative Leistung und das Management etwaiger Komplikationen. Antibiotika-Regime, Physiotherapie, Kostaufbau, Mobilisation, Antikoagulation und Schmerztherapie wurden eher als lästige, denn als wesentliche Begleiterscheinungen „nebenbei organisiert“.

In den letzten Jahren hat sich hier jedoch schrittweise ein neues Bewusstsein ergeben: Angeregt durch die Diskussion um eine Qualitätssicherung in den unterschiedlichen operativen Fachdisziplinen wurde das Thema Schmerztherapie Bestandteil zahlreicher Qualitätssicherungsmaßnahmen. Simultan zeigten die Ergebnisse zahlreicher Patientenumfragen, dass eine adäquate Schmerztherapie mehr und mehr als Entscheidungsfaktor bei Arzt- und Krankenhauswahl fungiert.

Eine formale Reaktion auf diese Entwicklungen ist ein Antrag des Deutschen Ärztetags aus dem Jahr 2014, in dem unter anderem eine Verbesserung der Akutschmerztherapie in den Krankenhäusern erfasst wurde.

Präzisierend wurde festgeschrieben, dass die Implementierung eines strukturierten Akutschmerzmanagement in die Qualitätsmanagement-Systeme der Krankenhäuser mit einem flächenübergreifenden Qualitätsindikator „Schmerz“ analog den infektiologischen Qualitätsindikatoren „Nosokomiale Pneumonie“ oder „Dekubitus-Prophylaxe“ die Grundlage einer dauerhaften Verbesserung der schmerzmedizinischen Versorgung im Krankenhaus darstellen. Gleichzeitig wurde die ärztliche Aus-, Weiter- und Fortbildung hinsichtlich der Berücksichtigung einer Schmerztherapie gestärkt: Im Jahr 2012 erfolgte die Verankerung der Schmerzmedizin als Pflichtlehr- und Prüfungsfach in der ärztlichen Approbationsordnung (Querschnittsfach 14). Eine systemische Berücksichtigung schmerzmedizinischer Kompetenz mit Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in der allgemeinem Schmerzmedizin unter Berücksichtigung gebietsspezifischer Ausprägung ist bereits seit 2003 in der (Muster-) Weiterbildungsordnung in allen patientenversorgenden Fachgebieten verankert [1]. Darüber hinaus wurden die wesentlichen Grundlagen jeder Schmerztherapie in Form von neun Thesen in der Ethik-Charta der Deutschen Schmerzgesellschaft fixiert [2].

Grundlage und zugleich Spiegelbild dieser Bestrebungen sind zwei wesentliche Publikationen zur Lage der Akutschmerztherapie in deutschen Krankenhäusern. Zum einen konnte in einer Umfrage aufgezeigt werden, dass mehr als die Hälfte der befragten Patienten in operativen wie auch in nicht-operativen Fachgebieten über nicht-akzeptable Schmerzen im Rahmen ihrer Krankenhausbehandlung berichteten (55,3 Prozent operierter Patienten vs. 57,3 Prozent „konservativ“ therapierter Patienten) [3]. Zum anderen zeigte eine Auswertung von mehr als 50.000 Patientendaten [4] aus dem QUIPS-Projekt (Qualitätssicherung in der postoperativen Schmerztherapie) [5] für 179 unterschiedlich operative Eingriffe ein überraschendes Ergebnis: Die postoperativ gemessene Schmerzintensität ist nicht analog zur vermeintlichen „Größe des Eingriffs“. Gerade nach vermutlich „kleineren Eingriffen“ wie Tonsillektomie und Appendektomie wurden deutlich höhere Schmerzintensitäten als nach großen abdominal-chirurgischen oder thoraxchirurgischen Eingriffen registriert. Dies zeigt deutlich, dass eine flächendeckend strukturierte Akutschmerztherapie bei allen operativen Maßnahmen vorrangig ist.

Organisation Akutschmerztherapie

In Zeiten strukturierter Prozesse, oft vor dem Hintergrund eines organisierten Qualitätsmanagements, ist das Selbstverständnis, medizinische Entscheidungsbäume auf der Basis klar gefasster Leitlinien zu organisieren nicht mehr bloße Kür, sondern Pflicht.

Die Basis einer solchen Organisation der Akutschmerztherapie sind acht Elemente, die mit unterschiedlicher Wertigkeit, quasi das Gerüst für Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität darstellen (Abb. 1). Eine Umsetzung dieser formalen Strukturen zielt im Wesentlichen auf drei miteinander verbundene Vorteile:

  • eine nachhaltige und objektivierbare Verbesserung des Schmerzempfindens der Patienten,
  • Sicherheit bei der Akutschmerztherapie, sodass die Pflege unabhängig von ärztlicher Präsenz agieren kann und
  • spürbare Entlastung der Ärzte bei gleichzeitiger Optimierung des Therapieregimes.

Abb. 1: Organigramm Akutschmerztherapie (gültig für: Chirurgische Klinik DIAKO Bremen)

Vereinbarung zwischen Berufsgruppen und Fachgebieten

Eine wesentliche Voraussetzung für eine funktionierende Akutschmerztherapie sind feste und im besten Fall schriftlich fixierte Vereinbarungen zwischen den beteiligten Berufsgruppen und medizinischen Fachgebieten auf der Basis etablierter Leitlinien. Nur die ausgesprochene und idealerweise schriftlich fixierte Kooperation der jeweiligen End-Verantwortlichen der eine Akutschmerztherapie durchführenden Einheiten, Abteilungen, Kliniken und/oder Fachgebiete garantiert einen tatsächlichen Erfolg. Hierbei ist es wichtig, dass alle Beteiligten lokal oder grundsätzlich bestehende Eitelkeiten überwinden, um einen gemeinschaftlichen Organisationsprozess zu ermöglichen. Ausmaß und Größe einer solch gemeinschaftlichen Organisationsstruktur hängen dabei von Ausmaß und Größe der zugrundeliegenden Abteilungen und Kliniken ab. Seit 1992 existiert eine Mustervereinbarung zwischen dem Berufsverband der Chirurgen und dem Berufsverband der Anästhesisten [6]. Diese wird momentan aktualisiert und steht 2019 in modernisierter Form zur Verfügung.

Zertifizierung

Letztendlich wird nur eine gemeinschaftlich von allen Berufsgruppen und ärztlichen Disziplinen konzertierte und schriftlich fixierte Verabredung bei einem solchen interdisziplinären Projekt zielführend sein. Idealerweise kann diese in Form eines Qualitätsmanagement-Handbuches gestaltet sein, dies erlaubt die Organisation des Themas Akutschmerztherapie in gemeinschaftlicher Form analog dem Qualitätsmanagement „Hygiene“, wie es nahezu in allen deutschen Krankenhäusern existiert. In positiver Wechselwirkung kann ein solches Qualitätsmanagement Akutschmerztherapie durch eine gemeinschaftlich durchzuführende Zertifizierung profitieren, wie sie die Projekte „Schmerzfreie Klinik“ mit der Zertifizierung „Qualitätsmanagement Akutschmerztherapie“ durch den TÜV Rheinland [7] und das Projekt „Schmerzfreies Krankenhaus“ mit der Zertifizierung „Qualifizierte Schmerztherapie“ durch die CertCom e.V. [8] bieten. Eine solche Zertifizierung bietet den Vorteil, dass das individuelle Ziel (des Arztes, für den Patienten) zu einem gemeinschaftlichen Ziel aller Beteiligten wird.

Unabhängig von der vom Krankenhaus individuell zu wählenden Form der „Organisation Akutschmerztherapie“ sollten folgende Aspekte inhaltlich gesichert sein:

  • Therapiekonzepte für unterschiedlich zu erwartende Schmerzstadien,
  • Monitoring und Therapiekontrolle,
  • Festlegung individueller Interventionsgrenzen,
  • Verfahrensanweisungen bei Nebenwirkungen oder Komplikationen und
  • Festlegung der personellen Zuständigkeiten (Berufsgruppen/Fachdisziplinen).

Eine klar definierte Zuordnung schmerztherapeutischer Maßnahmen auf pflegerischem wie ärztlichem Sektor ist der wesentliche Vorteil einer organisierten Akutschmerztherapie. Die schriftlich fixierte antizipierende Anordnung einer Schmerztherapie mit festgelegten Therapiealgorithmen erlaubt es, dem Pflegepersonal innerhalb eindeutig festgelegter Leitplanken schmerztherapeutisch tätig zu werden. Hierdurch kann sichergestellt werden, dass eine adäquate Schmerztherapie unabhängig von der „Ressource Arzt“ dem Patienten zugute kommt. Dies fördert wesentlich die Kompetenz des gesamten Behandlungsteams.

Patienteninformation

Ein adäquat informierter Patient kann aktiv in die für ihn geltende Akutschmerztherapie einbezogen werden, er wird zum Mitgestalter.

In Zeiten existierender Patientenleitlinien für eine adäquate Schmerztherapie [9] ist es wichtig, Patienteninformation von Patientenaufklärung formal zu trennen. Bei der Patientenaufklärung geht es um medizinische Inhalte der Schmerztherapie, um Risiken und Nebenwirkungen. Die Patienteninformation soll das grundsätzliche Verständnis des Patienten fördern, dass Ärzte und Pflegende sich um eine maximale Schmerzlinderung bemühen, dass die bestehenden oder entstehenden Schmerzen individuell unter Beteiligung des Patienten selbst gemessen werden und dass der Patient hierdurch selbst Einfluss auf die Ausgestaltung der Schmerztherapie hat.

Der gut informierte Patient realisiert eine deutlich bessere Akzeptanz und Verarbeitung des für ihn vordergründig bedrohlichen Schmerzereignisses, als der schlecht-informierte. Die aktuell zur Verfügung stehenden Studien zur Wechselwirkung zwischen Art und Umfang einer Information über postoperative Schmerzen und dem tatsächlich postoperativ notwendigen Analgetika-Verbrauch sind uneinheitlich. Einerseits konnte nachgewiesen werden, dass eine gezielte Patienteninformation zu einer Optimierung des Schmerzverlaufes postoperativ führte, andererseits konnte kein Einfluss auf den Schmerzmittelverbrauch dargestellt werden. Einheitlich wird jedoch deutlich, dass eine strukturierte Patienteninformation zu einer deutlichen Verbesserung der Patientenzufriedenheit führt.

Das Wesen einer Patienteninformation ist, den Patienten als Zielvorgabe zu vermitteln, dass eine weitestgehende Schmerzfreiheit angestrebt wird, jedoch auch dass schon die Reduktion der Schmerzen auf ein erträgliches Maß als positives Ziel verständlich gemacht wird. Idealerweise wird eine solche Patienteninformation in Form eines Flyers in sehr allgemein verständlicher Sprache nahegebracht.

So kann der aktiv in den Prozess seiner Akutschmerztherapie einbezogene Patient ein für ihn individuell förderliches Verständnis der durchzuführenden Maßnahmen entwickeln und „Teil des Behandlungsteams“ werden.

Schmerzanamnese

Die Anamneseerhebung im Rahmen der Akutschmerztherapie verfolgt zwei wesentliche Ziele: Zum einen sollten akute von chronischen Schmerzen unterschieden werden, zum anderen geht es um die exakte Darstellung des bestehenden Akutschmerzes.

Die Unterscheidung von akuten und chronischen Schmerzen ist deshalb so wichtig, da bei deren Therapie unterschiedliche Prinzipien zum Einsatz kommen:

Akute Schmerzen im Rahmen akut aufgetretener Erkrankungen, z. B. bei Tumorerkrankungen, im Rahmen von Unfallereignissen und grundsätzlich im Rahmen interventioneller oder operativer Maßnahmen können weitgehend unmittelbar und/oder vorausschauend medikamentös kontrolliert werden. Das Therapieprinzip ist hier eine schrittweise Titration, bis der individuelle Bedarf ermittelt ist.

Chronische Schmerzen bedürfen einer deutlich komplexeren Therapie. Die Anamneseerhebung beinhaltet hier die Einbeziehung von Vorbefunden und/oder bereits stattgehabten Therapien: schmerzauslösende, -verstärkende und -aufrechterhaltende Faktoren müssen berücksichtigt werden. Die Therapie chronischer Schmerzen beschränkt sich häufig nicht allein auf eine alleinige Medikation, hier kommen vielmehr multimodale Therapiekonzepte, oft in Kombination mit Selbstkontrolltechniken, zum Einsatz.

Schmerzaufklärung

Analog der Aufklärungspflicht zu einem geplanten operativen oder interventionellen Vorgehen besteht in gleichem Maße eine Aufklärungspflicht zur Durchführung einer Akutschmerztherapie. Da eine Akutschmerztherapie im Großteil der Fälle vorrangig durch medikamentöse Verfahren durchgeführt wird, fokussiert die Aufklärung im Wesentlichen auf die anzuwendenden pharmakologischen Maßnahmen und die hierbei angewendeten Applikationsformen. Die Aufklärung beinhaltet somit das Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil der eingesetzten Medikamente, gleichzeitig aber auch die Risiken und möglichen Komplikationen des Zugangsweges. Da die patientenkontrollierte Analgesie (PCA) zunehmend zu einem festen Bestandteil im Spektrum der Akutschmerztherapie geworden ist, muss der Patient über Vor- und Nachteile einer oralen, parenteralen oder Katheter-assoziierten Applikation aufgeklärt werden.

Schmerzmessung und -dokumentation

Das zentrale Instrument einer Akutschmerztherapie ist die Schmerzmessung. Instrumentelles Korrelat einer Schmerzmessung ist der „Schmerzschieber“. Mit Hilfe eindimensionaler Skalen kann die, durch den Patienten gegebene, subjektive Information zur Schmerzintensität sehr gut „objektiviert“ werden.

Es stehen gegenwärtig drei Skalensysteme zur Verfügung, die unterschiedliche Vor- und Nachteile beinhalten:

  • Die visuelle Analogskala (VAS) besteht aus einer Linie, deren Endpunkte links „keinen Schmerz“ und rechts „maximalen Schmerz“ repräsentieren. Der Patient kann nun durch einen vertikalen Strich auf der Skala sein individuelles Schmerzempfinden angeben, dieses wird dann als Prozentwert kommuniziert. Aufgrund der hohen Bandbreite (0 bis 100) ergibt sich hier eine relative Unschärfe, was besonders bei visuell und motorisch eingeschränkten Patienten zum Tragen kommt.
  • Die visuelle Rating-Skala (VRS) ist demgegenüber mit unterschiedlichen Symbolen recht einfach strukturiert, hat jedoch den Nachteil, dass analog der verwendeten Symbole eher große Erfassungseinheiten vorliegen. Ein weiterer Nachteil dieser Skala ist die Tatsache, dass geringe Schwankungen nicht gut abgebildet werden können.
  • Die numerische Rating-Skala (NRS) ist das derzeit am häufigsten verwendete Instrument. Mit Hilfe einer 11-stufigen Skala kann die Schmerzintensität dargestellt werden. In den routinemäßigen Anwendungen erlaubt diese Skala eine sehr geringe Fehlerquote, eine gute Akzeptanz durch die Patienten und eine hohe Sensitivität. Wie in Abb. 2 dargestellt, wird diese NRS auf ihrer Rückseite oft mit einer VAS kombiniert, dies erlaubt gerade bei Kindern eine gute Korrelation mit den NRS-Daten.

Abb. 2: Numerische Rating Skala (oben), kombiniert mit einer Visuellen Analog Skala bzw. Gesichterskala für Kinder auf der Rückseite (unten), gültig für: Chirurgische Klinik DIAKO Bremen

Bei stark kognitiv und/oder kommunikativ eingeschränkten Patienten kann eine Messung der Schmerzintensität auf Basis nicht-verbaler Schmerzäußerungen oder mit Hilfe von Beobachtungs-Skalen erfolgen. Diese berücksichtigen Faktoren wie Gesichtsausdruck, Körpersprache, Reaktion auf Trost, Atmung oder negative Lautäußerungen (Beispiel: BESD-Skala (Beurteilung von Schmerzen bei Demenz), deutsche Fassung der Pain-AD-Skala (Pain Assessment in Advance Dementia)).

Die Dokumentation der Schmerzintensität sollte sowohl in Ruhe als auch bei spezifischen Aktivitäten wie Mobilisation, Atmung oder Husten durchgeführt werden. Die ermittelten Skalenwerte dienen einerseits als Ausgangswert bei der Anamneseerhebung, andererseits als Verlaufsparameter im Rahmen der Durchführung einer Akutschmerztherapie. Eine Abfrage sollte dabei in stets festgelegten Zeitintervallen (z. B. bei Erhebung der Vitalparameter) durch die Pflege erfolgen. Ebenso sollte standardisiert eine Messung bei neu auftretenden oder stärker werdenden Schmerzen erfolgen und dann ebenso in einem festgelegten Zeitintervall nach Durchführung einer schmerzlindernden Intervention. Die erhobenen Schmerzwerte können analog der Dokumentation von Körpertemperatur und Pulsfrequenz in der Patientenverlaufsdokumentation abgebildet werden, sodass sich im longitudinalen Verlauf neben der „Fieberkurve“ und der „Pulskurve“ eine „Schmerzkurve“ ergibt (Abb. 3). Eine solche visuelle Dokumentation der NRS-Daten ist Grundlage jeder individuellen Steuerung einer Akutschmerztherapie, bei der eine gute Korrelation zu den anderen dokumentierten Daten im Therapieverlauf ersichtlich wird.

Abb. 3: Patientenkurve mit blauer Temperatur-, roter Pulsfrequenz- und grüner Schmerzscore-Verlaufskurve

Qualitätssicherung

Nur eine von allen an der Akutschmerztherapie beteiligten Pflegenden und Ärzten gleichermaßen durchgeführte Dokumentation der Akutschmerztherapie erlaubt die Möglichkeit einer patientenorientierten Qualitätssicherung. Die nach festgelegten Intervallen durchgeführte Schmerzmessung, die grundsätzlichen Therapiealgorithmen und möglicherweise hiervon abweichende Maßnahmen müssen in der laufenden Patientendokumentation fixiert und somit nachvollziehbar werden. Eine solche systematische Schmerzdokumentation visualisiert die Schmerzintensität des Patienten, liefert die Möglichkeit einer Erfolgskontrolle der durchgeführten Maßnahmen und erlaubt so eine individualisierte Akutschmerztherapie.

Ob nun auf der Basis einer selbst gewählten Qualitätsüberprüfung oder im Rahmen einer möglichen Zertifizierung, die Teilnahme an einer validierten und externen Überprüfung der eigenen Akutschmerztherapie-Maßnahmen erlaubt es für Patienten und Therapeuten gleichermaßen, „gefühlte Temperaturen in gemessene Temperaturen“ zu überführen. Die derzeit im deutschsprachigen Raum einzige und seit Jahren erfolgreich funktionierende Initiative zur Qualitätssicherung in der Schmerztherapie stellt das QUIPS-Projekt (Qualitätsverbesserung in der postoperativen Schmerztherapie) dar: dieses national elektronisch zugängliche multizentrische und interdisziplinäre Benchmark-Projekt erlaubt einen Vergleich der Qualität der postoperativen Schmerztherapie zwischen verschiedenen operativen Zentren und Krankenhäusern. Mithilfe einer standardisierten Datenerhebung, weniger Qualitätsindikatoren, einer zeitnahen Datenanalyse und einem webbasierten Feedback kann eine systematisierte Kontrolle der Ergebnisqualität erfolgen. Durch eine solche Einbindung einer systematisierten Kontrolle der Ergebnisqualität kann die individuell gestaltete Organisation einer Akutschmerztherapie zu einem für den Arzt wie auch für den Patienten „lernenden System“ werden.

Fazit

  • Chirurgie ist mehr als Operieren: Der perioperative Prozess wird im Wesentlichen durch den verantwortlichen Chirurgen geprägt, in puncto Akutschmerztherapie muss sich der Chirurg als Schmerzmanager verstehen.
  • Akutschmerztherapie hat eine direkte Relevanz hinsichtlich Lebensqualität, Morbidität, Schmerzchronifizierung und Ökonomie.
  • Eine wesentliche Voraussetzung für eine funktionierende Akutschmerztherapie sind schriftlich fixierte Vereinbarungen zwischen den beteiligten Berufsgruppen und medizinischen Fachgebieten auf der Basis etablierter Leitlinien.
  • Ein adäquat informierter Patient kann aktiv in die für ihn geltende Akutschmerztherapie einbezogen werden, er wird zum Mitgestalter
  • Die Unterscheidung von akuten und chronischen Schmerzen ist deshalb so wichtig, weil bei deren Therapie unterschiedliche Prinzipien zum Einsatz kommen.
  • Eine insuffiziente Akutschmerztherapie kann als Komplikation die Ausbildung chronifizierter Schmerzen nach sich ziehen.
  • Das zentrale Instrument einer Akutschmerztherapie ist die Schmerzmessung. Mit Hilfe eindimensionaler Skalen kann die durch den Patienten gegebene subjektive Information zur Schmerzintensität „objektiviert“ werden.

Literatur

[1] www.dgss.org/kerncurriculum

[2] www.dgss.org/ethik-charta

[3] Maier C, Nestler N, Richter H et al (2010) Qualität der Schmerztherapie in deutschen Krankenhäusern. Dtsch Arztebl Int 107(36):607-14

[4] Gerbershagen HJ, Aduckathil S, van Wijck AJ et al (2013) Pain intensity on the first day after surgery: a prospective cohort study comparing 179 surgical procedures. Anesthesiology 118(4):934-44

[5] www.quips-projekt.de

[6] www.bdc.de/bdc/bdc.nsf/0/­80fbee746fd24364c1256e6a00341abe/$FILE/BDC-BDA_Schmerztherapie_1992.pdf

[7] www.tuv.com/de/deutschland/gk/managementsysteme/medizin_gesundheitswesen/qm_akutschmerztherapie/qm_akkutschmerztherapie.jsp

[8] www.schmerzfreies-krankenhaus.de

[9] „Schmerzbehandlung bei Operationen“ Eine Patienten-Leitlinie zur S3-Leitlinie „Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen“(AWMF-Register Nr. 041/001)

Freys SM: Organisation einer Akutschmerztherapie in der Chirurgie. Passion Chirurgie. 2019 Januar, 9(01): Artikel 03_01.

Rezension: Akutschmerz Taschenbuch

Der Anästhesist Prof. Dr. Winfried Meißner hat gemeinsam mit 14 weiteren Autoren ein kurz gefasstes Handbuch „für die Kitteltasche“ verfasst. Diese zweite aktualisierte und erweiterte Auflage richtet sich an Pflegekräfte, Ärzte, Physiotherapeuten, Psychologen und alle mit der Akutschmerztherapie Beteiligten sämtlicher medizinischer Fachrichtungen.

Das Buch entstand auf der Grundlage der SOPs (standard operating procedures) zur postoperativen Schmerztherapie der Universitätsklinik Jena. Es war das Bedürfnis des Herausgebers und der Autoren, eine konkrete, exemplarische Umsetzung theoretischen Wissens zu vermitteln und nicht vordergründig eine Aufzählung der verfügbaren Evidenz. Aus diesem Grunde wird im Text weitgehend auf Literaturhinweise verzichtet, gleichzeitig jedoch das dargestellte Wissen stets auf den Empfehlungen der bestehenden S3-Leitlinien gegründet.


Akutschmerz Taschenbuch

Winfried Meißner (Hrsg.)
Konzepte, Methoden, Praxis

2., aktualisierte und erweiterte Auflage 2014

Paperback, 105 mm x 148 mm

318 Seiten, 25 S/W Abbildungen, 34 Tabellen

ISBN: 978-3-95466-122-0

39,95 €

 

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Den Autoren ist es gelungen, auf knapp 290 Taschenbuchseiten einen überaus griffigen Überblick über die Grundprinzipien von Diagnostik und Therapie akuter Schmerzen zu geben. Ein Handbuch für die Kitteltasche muss stets den Spagat zwischen einem mit Checklisten gespickten Informationsträger und dem mit Detailwissen ausgestatteten Nachschlagewerk erbringen. Der Herausgeber hat hier eine sehr gelungene Übersicht über sämtliche Aspekte der Akutschmerztherapie in 21 übersichtlichen Kapiteln dargestellt, die sich inhaltlich am „Curriculum Akutschmerz“ der Deutschen Schmerzgesellschaft orientieren.

Alle Aspekte der Akutschmerztherapie werden kurz, prägnant und sehr übersichtlich dargestellt, wobei Texthervorhebungen mit Merksätzen, Praxistipps und Hintergrundinformationen den Umgang mit dem Buch sehr erleichtern.

Das in der Medizinisch Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft Berlin zum Preis von € 39,95 erhältliche Handbuch im Kitteltaschenformat ist von Autoren geschrieben, die sich über viele Jahre ihres Berufslebens als Anästhesisten, Intensivmediziner, Schmerz- und Palliativmediziner, Pflegende und Physiologen intensiv mit der Akutschmerztherapie befasst haben, dieses Wissen drückt sich an jeder Stelle dieses Buches aus. Ein solches Format ist eine wichtige Bereicherung für jeden in Klinik und Praxis tätigen Arzt, zu dessen Aufgaben es gehört, diagnostisch und therapeutisch mit akuten Schmerzen umzugehen. Die durchgängige knappe und übersichtliche Gliederung mit Checklisten, Merksätzen und Praxistipps und die in vielen Kapiteln gegebenen Literaturempfehlungen sind zielgerichtet auf den Leser abgestellt, der, das Büchlein aus der Tasche ziehend, in kürzester Zeit komplex informiert werden möchte. In dieser Funktion ist das Buch gleichermaßen wertvoll für Studenten, Weiterbildungsassistenten und Fachärzte.
Es ist ein thematisch und inhaltlich qualitativ hochwertiges Kompendium, das die Kunst versteht, sehr komplexe Sachverhalte sehr verständlich darzustellen.

Rezensent: Prof. Dr. med. Stephan M. Freys
Chefarzt der Chirurgischen Klinik
Vorsitzender Chirurgische Arbeitsgemeinschaft Akutschmerz der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie
DIAKO Ev. Diakonie-Krankenhaus
Gröpelinger Heerstrasse 406-408
28239 Bremen
[email protected]

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Freys M. Rezension: Akutschmerz Taschenbuch. Passion Chirurgie. 2015 Juli; 5(7): Artikel 03_05.