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Änderungen bei der praktischen Umsetzung des „Terminservice-Gesetzes“ (TSVG)

In der Dezemberausgabe der PASSION CHIRURGIE berichteten wir zuletzt über die Änderungen durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) für die niedergelassenen Chirurgen. Dabei hatten wir im vorletzten Absatz über Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) berichtet. Mit Schreiben vom 2. Dezember 2019 hat das BMG nun mitgeteilt, an den Auflagen für die Sachverhalte LANR statt BSNR und Behandlungsfall statt Arztgruppenfall nicht mehr festzuhalten.

Dies hat Auswirkungen auf die praktische Umsetzung, die wir hier kurz darstellen:

  • Dringliche Hausarzt-Überweisung:

Es bleibt nunmehr bei der ursprünglichen Festlegung durch den Bewertungsausschuss, dass der vermittelnde Hausarzt die Betriebsstätten-Nummer (BSNR) der Facharzt-Praxis angeben muss, in welche die Vermittlung erfolgte (also nicht die LANR des Facharztes).

  • Extrabudgetäre Vergütung für TSVG-Fälle:

Die extrabudgetäre Vergütung betrifft nach Rücknahme der Beanstandung des BMG jetzt doch nur – wie ursprünglich vom Bewertungsausschuss beschlossen – den Arztgruppenfall und nicht den gesamten Behandlungsfall. Dies hat nur Auswirkungen auf fachübergreifende Gemeinschaftspraxen und MVZ.

  • TSVG-Aufschläge auch für Ermächtigte Ärzte:

Darüber hinaus wurden auf Intervention des BMG die prozentualen Aufschläge auf die Grundpauschale für die rasche Terminvermittlung (Septemberausgabe der PASSION CHIRURGIE) auch für die beschleunigte Terminvergabe bei ermächtigten Krankenhausärzten freigegeben.

Über Auswirkungen des TSVG werden wir Sie weiter informieren.

Kalbe P: Änderungen und Auflagen zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG). Passion Chirurgie. 2020 Januar, 10(01): Artikel 04_07.

Strategischer Umgang mit den extrabudgetären Fallkonstellationen nach dem TSVG

In der Septemberausgabe PASSION CHIRURGIE (09/2019) wurden die Änderungen durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) für die niedergelassenen Chirurgen dargestellt. Die mit dem TSVG für bestimmte Fallkonstellationen eingeführte Budgetbefreiung erfordert einige strategische Überlegungen.

Denn je mehr Fälle extrabudgetär gestellt werden, desto mehr Fälle werden bereinigt. Dies führt zu einem verminderten Finanzvolumen für das Budget der Fachgruppe. Es ist also damit zu rechnen, dass der Mindest-Fallwert der fachärztlichen Fachgruppen ab dem Quartal 4/2019 unter den bisherigen Regelleistungsvolumen-Fallwert sinken wird. Dies könnte für die folgenden Jahre zu verminderten Honoraren für den budgetierten Bereich der Vergütung führen. Es liegt also im Interesse der Fachgruppe und auch des einzelnen Chirurgen/Orthopäden, jeweils abzuwägen, welche Vorteile die Budgetbefreiung im Einzelnen bringt.

Für die Chirurgen und Orthopäden kann im Durchschnitt der Fachgruppe davon ausgegangen werden, dass ca. 15 Prozent des Honorars aus Budget-Gründen nicht bezahlt wird. Daraus abgeleitet kann man den Honoraranstieg allein durch die Ausbudgetierung (ohne Zuschläge für rasche Termine) für einige typischen Fallkonstellationen (Tab. 1) wie folgt überschlägig schätzen:

Tabelle 1: Schätzung der Honorarsteigerung allein durch extrabudgetäre Abrechnung (ohne Zuschläge)

Konstellation

Grund-pauschale/07210-12 ggf. Komplex in €

PFG 07220-07222

in €

Röntgen in €

Wund-versorgung in €

Schiene €

Honorarsteigerung durch extrabudgetäre Abrechnung in € (ca. 15 Prozent)

Nur Untersuchung und Beratung

23,92

4,43

4,26

Plus Röntgen Extremitäten

23,92

4,43

11,47

5,97

Plus Wundversorgung 02301

23,92

4,43

13,96

8,07

Plus Schiene ohne Wundversorgung

23,92

4,43

11,47

7,69

Plus 2 x Rö. und Behandlungskomplex

23,92+23,49

4,43

22,94

In Komplex

10,55

Wenn in der Zukunft eine über den zeitlichen Verlauf gleichmäßige Fallzahl extrabudgetär angesetzt wird, dürfte es über die Bereinigungseffekte hinaus keine wesentlichen Veränderungen der Fallwerte in den Regelleistungsvolumina (RLV) und Qualifikationsgebundene Zusatzvolumina (QZV) geben.

Allerdings wird nur derjenige von den zusätzlichen Honoraren profitieren, der extrabudgetäre Fälle generiert. Die Chirurgen und Orthopäden haben laut einer Statistik der Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz einen hohen Anteil an „Neu-Patienten“ (54 Prozent bei Chirurgen, 43 Prozent bei Orthopäden). Im Gegensatz zu den Fällen aus der offenen Sprechstunde (maximal 17,5 Prozent der Fälle) ist die Anzahl der „Neu-Patienten“ nicht limitiert. Dies führt dazu, dass Chirurgen durchschnittlich mehr als die Hälfte der Patienten extrabudgetär abrechnen können.

Ein theoretisches Risiko sind allerdings schwankende Fallzahlen in der zukünftigen Entwicklung. Dazu sollen zwei unterschiedliche Szenarien betrachtet werden:

Szenario 1

Die Anzahl der extrabudgetär abgerechneten Fälle steigt langsam an und entwickelt erst ein Jahr nach der Einführung eine starke Dynamik.

Dies wäre die für alle Fachärzte günstigste Variante. Dies würde nämlich bedeuten, dass während des Bereinigungsjahres nur eine überschaubare Anzahl von Fällen aus der Morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) herausgerechnet wird und das verbleibende Finanzvolumen in der Zukunft ausreichen würde, den RLV- und QZV-Fallwert für die verbleibenden nicht extrabudgetären Fälle einigermaßen stabil zu halten. Eine extrabudgetäre Fallzahldynamik ab dem Jahr 2021 wäre dann komplett von den Krankenkassen zu finanzieren. Es wird daher von allen fachärztlichen Berufsverbänden dringend angeraten, sich im ersten Jahr und damit bis Ende 2020 mit der Generierung von TSVG-Ausnahmefällen zurückzuhalten.

Szenario 2

Es könnte sein, dass im Überschwang der ersten Begeisterung zahlreiche extrabudgetäre Fälle generiert werden, z. B. über Meldung freier Termine an die Terminservicestellen und durch (organisierte) dringliche Hausarztüberweisungen.

Für die Chirurgen ergeben sich extrabudgetäre Fälle mehr oder weniger automatisch durch die zahlreichen Neu-Patienten. Es könnte allerdings passieren, dass die Begeisterung über die Vorteile der extrabudgetären Honorare wegen vermehrter Bürokratie oder wegen nur geringer Honorarsteigerungen nach einem Jahr deutlich nachlässt. Dies würde dann Honorarverluste erzeugen, denn die wieder vermehrten Fallzahlen innerhalb der Budgets würden unweigerlich zu einem verminderten Fallwert im RLV und in den QZV führen. Darüber hinaus enthalten die meisten Honorarverteilungsmaßstäbe Fallzahlzuwachsbegrenzungen, die es zusätzlich erschweren würden, rasch wieder auf die alte Fallzahl innerhalb der RLV zu steigern.

Man sollte es also mit dem Einstieg in die steuerbaren Anteile der extrabudgetären Abrechnung so halten wie es der damalige Bundeskanzler Ludwig Ehrhardt schon 1965 empfohlen hatte: „Maß halten“.

Darüber hinaus hat der Bewertungsausschuss eine perfide Abstaffelungsregelung für die über 17,5 Prozent hinausgehenden Fälle in der offenen Sprechstunde beschlossen: Bei Überschreitung dieser Schwelle wird nämlich nicht etwa quotiert, sondern es werden nach dem Zufallsprinzip einzelne Fälle aus der extrabudgetären Vergütung herausgenommen. So kann es im schlimmsten Falle alle aufwändigen Fälle mit hohem Honoraraufkommen treffen. Die 17,5 Prozent -Grenze sollte daher keinesfalls überschritten werden.

Ansonsten sind die Gestaltungsmöglichkeiten leider begrenzt. Das bedeutet, dass auch extrabudgetär abgerechnet werden muss, was extrabudgetär abgerechnet werden kann. Die Krankenkassen haben gegenüber den Kassenärztliche Vereinigungen (KV) bereits entsprechende Prüfanträge angekündigt. Ob dies auch schon für den Monat September 2019 mit all den Unsicherheiten in der Umstellungsphase gelten kann mag dahingestellt bleiben.

Abb. 1: Anteil der Neupatienten am Patientenaufk ommen (Quelle: Ärztezeitung)

Aktuelle Änderungen der Beschlüsse des Bewertungsausschusses auf Grund von Beanstandungen des BMG

Aufgrund von Beanstandungen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) an den im letzten Rundbrief und in der PASSION CHIRURGIE 09/2019 erläuterten Beschlüssen des Bewertungsausschusses (BA) sind allerdings noch Änderungen im Detail zu erwarten. Neben formalen Korrekturen betreffen uns Chirurgen folgende abweichende Regelungen:

1.Bei der dringlichen Hausarzt-Überweisung muss der Hausarzt statt der BSNR jetzt die lebenslange Arztnummer (LANR) des empfangenden Arztes angeben. Dies soll bei einer Überweisung in fachübergreifenden BAGs sicherstellen, dass die Vermittlung auch an die erforderliche Facharzt-Gruppe erfolgt.

2.Weiterhin hat das BMG festgestellt, dass die Beschlüsse des BA, die eine extrabudgetäre Vergütung der Leistungen in den jeweiligen TSVG-Konstellationen lediglich im Arztgruppenfall vorsehen, nicht dem gesetzlichen Auftrag entsprechen. Das SGB V würde explizit jeweils auf den Begriff „Behandlungsfall“ abheben. Dementsprechend müssten alle ärztlichen Leistungen im Behandlungsfall außerhalb der MGV vergütet werden. Dies bedeutet eine deutliche Verbesserung für Gemeinschaftspraxen und MVZ und macht den Bezug auf den gerade erst neu eingeführten Begriff des Arztgruppenfalls obsolet.

Hier hat das BMG erneut in Beschlüsse der Selbstverwaltung eingegriffen. Unabhängig von der Frage, ob damit eine gesetzeskonforme Umsetzung gewährleistet wird, baut das Ministerium von Jens Spahn damit unser Gesundheitswesen immer weiter in Richtung Staatsmedizin um.

Detail-Regelungen im Bundesmantelvertrag

In Beitrag zum TSVG in der Passion Chirurgie 09/2019 mussten noch einige Details offenbleiben, die mittlerweile geklärt sind.

Zur Frage, was zu den Sprechstunden zählt, gab es eine Klarstellung im Bundesmantelvertrag zwischen Ärzten und Krankenkassen. Wichtig für die Chirurgen: Sprechstundenzeiten sind alle Zeiten, in denen der Vertragsarzt für die Versorgung der Versicherten unmittelbar zur Verfügung steht. Somit können auch spezialisierte Tätigkeiten, also z. B. Operationen, als Sprechstundenzeiten gezählt werden.

Auch zu den verpflichtenden offenen Sprechstunden wurden Details vereinbart: Offene Sprechstunden sind demnach grundsätzlich von jedem Arzt anzubieten, jedoch können Berufsausübungsgemeinschaften sowie Praxen und MVZ mit angestellten Ärzten flexibel handhaben, welcher Arzt der jeweiligen Arztgruppe die Versorgung in der offenen Sprechstunde übernimmt. Entscheidend ist, dass die aus der Anzahl der Ärzte der Arztgruppe folgende Gesamtzahl an offenen Sprechstunden von der Praxis erfüllt wird. So ist es zum Beispiel zulässig, dass innerhalb einer Praxis mit drei ganztags tätigen Ärzten einer Arztgruppe die Ärzte jeweils fünf offene Sprechstunden gleichzeitig anbieten oder ein Vertragsarzt beziehungsweise ein angestellter Arzt die 15 offenen Sprechstunden für die Praxis insgesamt übernimmt. Die offenen Sprechstundenzeiten müssen gegenüber der KV angegeben und von dieser veröffentlicht werden, brauchen jedoch nicht auf dem Praxis-Schild ausgewiesen werden.

Kalbe P: Strategischer Umgang mit den extrabudgetären Fallkonstellationen nach dem TSVG. Passion Chirurgie. 2019 Dezember, 9(12): Artikel 04_07.

Famulatur in der Niederlassung – Studierende in der chirurgischen Praxis

Allenthalben wird der fehlende ärztliche Nachwuchs beklagt. Dies betrifft neben den Krankenhäusern zunehmend auch die chirurgischen Facharztpraxen. Gemäß aktuellem Berufsmonitor 2018 [1] können sich immerhin 53,5 % der Studierenden eine Tätigkeit in einer eigenen Praxis vorstellen (2014: 60,3 %). Dabei geht der Trend eindeutig in Richtung Gemeinschaftspraxis (50,6 % vs. 39,9 % 2014) und zur Anstellung. Leider schwindet die Attraktivität des Fachs „Chirurgie“ mit der Dauer des Studiums: Während der Vorklinik können noch fast ein Drittel der Studierenden eine Tätigkeit in der Chirurgie vorstellen. Bis zum Praktischen Jahr (PJ) sinkt dieser Wert auf 18,1 % und es ist belegt, dass nach dem PJ nurmehr etwa 5 % Begeisterung für die Chirurgie aufbringen.

Bei der Frage nach Niederlassungshindernissen führen die Studierenden vor allem die Sorge vor einem hohen Maß an Bürokratie (62,3 %), vor einem hohen finanziellen Risiko (57,5 %), vor Regressen (46,7 %) und die Sorge vor geringem fachlichem Austausch (46,4 %) an.

Was bringt eine Famulatur in der Chirurgie?

Studierende beklagen vor allem mangelnde Einblicke in die Arbeitswirklichkeit chirurgischer Praxen. Die Ausbildung bezieht sich (bis auf die Allgemeinmedizin) fast ausschließlich auf klinisch relevante Krankheitsbilder und Krankenhausbehandlungen. Bei einem Workshop mit der Bundesvertretung der Medizinstudierenden (bvmd) beim Gemeinsamen Bundeskongress Chirurgie 2019 in Nürnberg wiesen deren Vertreter darauf hin, dass Facharztpraxen in den Curricula des klinischen Medizinstudiums praktisch keine Berücksichtigung finden. Dies obwohl die „Chirurgie des Häufigen“ ambulant und damit meist in den Praxen der niedergelassenen Chirurgen diagnostiziert und behandelt wird. Bezeichnender Weise sind in der aktuell gültigen Approbationsordnung (App. Ord.) nur je eine einmonatige Famulatur in einer allgemeinmedizinischen Praxis und eine zweimonatige Famulatur in einem Krankenhaus oder einer Reha-Einrichtung verpflichtend vorgeschrieben (Tab. 1). Den Hausärzten ist es bekanntermaßen gelungen, den drohenden Nachwuchsmangel politisch so zu platzieren, dass gesetzliche Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Tab. 1: § 7 der aktuell gültigen Approbationsordnung für Ärzte

§ 7 Famulatur

(1) Die Famulatur hat den Zweck, die Studierenden mit der ärztlichen Patientenversorgung in Einrichtungen der ambulanten und stationären Krankenversorgung vertraut zu machen.

(2) Die Famulatur wird abgeleistet

1.für die Dauer eines Monats in einer Einrichtung der ambulanten Krankenversorgung, die ärztlich geleitet wird, oder einer geeigneten ärztlichen Praxis,

2.für die Dauer von zwei Monaten in einem Krankenhaus oder in einer stationären Rehabilitationseinrichtung und

3.für die Dauer eines Monats in einer Einrichtung der hausärztlichen Versorgung.

Satz 1 Nummer 3 ist auf Studierende, die bis zum 10. Juni 2015 erstmals den Antrag auf Zulassung zum Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung gestellt haben, in der am 30. September 2013 geltenden Fassung anzuwenden. Wurde das Studium wegen Krankheit, Schwangerschaft, der Betreuung minderjähriger Kinder oder pflegebedürftiger Angehöriger unterbrochen, verlängert sich die in Satz 2 genannte Frist um ein Jahr.

(3) Eine im Ausland in einer Einrichtung der ambulanten ärztlichen Krankenversorgung oder in einem Krankenhaus abgeleistete Famulatur kann angerechnet werden.

(4) Die viermonatige Famulatur (§ 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4) ist während der unterrichtsfreien Zeiten zwischen dem Bestehen des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung und dem Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung abzuleisten. Sie ist bei der Meldung zum Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung in den Fällen des Absatzes 2 durch Bescheinigungen nach dem Muster der Anlage 6 zu dieser Verordnung nachzuweisen.

Es bleibt den Studierenden aber immerhin die Chance, in der wahlfreien Zeit (gemäß §1 (2) 1 der App. Ord.) eine einmonatige Famulatur in einer chirurgischen Praxis (Tab. 2) abzuleisten. Diese Möglichkeit sollten wir in den medizinischen Fakultäten propagieren und entsprechende Plätze für Famulaturen in unseren Praxen anbieten. Das eröffnet uns die Chance, einen großen Teil der oben erwähnten Vorurteile der Studierenden (bis auf die Bürokratie) zu entkräften.

Tab. 2.: Bescheinigung über Famulatur gemäß Anlage 6 der Approbationsordnung

Der/Die Studierende der Medizin ……………………………………….. ……………………………….

geboren am ………………………… in ……………………………… ist nach Bestehen des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung vom …….. bis zum …………………………….. in der unten bezeichneten Einrichtung unter meiner Aufsicht und Leitung als Famulus tätig gewesen. Während dieser Zeit ist der/die Studierende vorzugsweise mit Tätigkeiten auf dem Gebiet ……………………………………………………………………. beschäftigt worden.

Die Ausbildung ist

()   unterbrochen worden vom ……………….     bis zum ……………………………..

()   nicht unterbrochen worden

…………………………………,  den …………………

……………………………………………………………

(Bezeichnung der Einrichtung, bei öffentlicher Stelle/Siegel)

………………………………………………….

(Unterschrift des/des ausbildenden Arztes/Ärzte)

Persönliches Engagement für den chirurgischen Nachwuchs

Wenn wir die jungen Medizinerinnen und Mediziner für die Chirurgie begeistern wollen werden wir nicht darum herumkommen, uns vermehrt in die Nachwuchsgewinnung aktiv einzubringen, und dies auf verschiedenen Stufen der Ausbildung:

Informationen über den Beruf des Chirurgen in Gymnasien

Unser Vizepräsident Dr. Rüggeberg hat schon erste Erfahrungen mit einer “Hands-on“- Veranstaltung in der Oberstufe eines Gymnasiums gesammelt. Die Schüler waren hellauf begeistert vom Naht- und Knotenkurs und einem einfachen Laparoskopie-Simulator. Es gibt zwar keinerlei Evidenz, dass dies einen positiven Einfluss auf die spätere Entscheidung für die Chirurgie hat, dürfte aber zumindest einen wichtigen ersten Schritt darstellen.

Wenn Sie auch am Gymnasium in der Nachbarschaft oder der Schule Ihrer Kinder für die Chirurgie werben wollen, können Sie über die Geschäftsstelle des BDC Unterstützung erhalten.

Chirurgie in der Niederlassung als Inhalt der Hauptvorlesung Chirurgie

In der nächsten Stufe der Ausbildung in den klinischen Semestern müssen wir den Kontakt mit den benachbarten medizinischen Fakultäten und den chirurgischen Hochschullehrern suchen und auch ein Engagement in der Hauptvorlesung „Chirurgie“ mit Themen aus der ambulanten Chirurgie anbieten. Eine solche Kooperation ist z. B. in der inneren Medizin aus der Medizinischen Hochschule Hannover bekannt. Dies sollte auch für die Chirurgie und regelmäßig an allen medizinischen Fakultäten angestrebt werden.

Famulatur in chirurgischen Praxen

In der nächsten Stufe müssen wir dann die oben erwähnten Praxis-Famulaturen anbieten und den Studierenden einen Einblick in die Arbeitstätigkeit der niedergelassenen Chirurgen bieten. Hier besteht erheblicher Nachholbedarf. Der Besorgnis der Studierenden über überbordende Bürokratie können wir mit dem Hinweis begegnen, dass sich die potenziellen Interessenten ohnehin zunächst als Angestellte und in der großen Mehrzahl in Gemeinschaftspraxen sehen. In diesen Konstrukten dürfte es ohnehin üblich sein, dass die administrative Last – zumindest vorübergehend – beim Seniorpartner verbleibt.

Nur Mut: Kein Durchschnittsjob: ChirurgIn – Kampagne des BDC

Eine sehr wichtige Rolle in der Nachwuchsgewinnung spielen die regelmäßig ausgebuchten „Chirurgie zum Mitmachen“-Workshops des BDC (www.chirurg-werden.de), die nunmehr schon seit mehr als zehnten Jahren um chirurgischen Nachwuchs werben. In die gleiche Richtung wirkt der gemeinsam mit den internistischen Kollegen sehr erfolgreich aufgelegte Nachwuchs-Kongress „Staatexamen und Karriere“ (www.staatsexamen-und-karriere.de).

Optimierung der Ausbildung im Praktischen Jahr/Akademische Lehrpraxis Chirurgie

Die meisten Interessenten für unser Fach verlieren wir jedoch während des Praktischen Jahres. Dabei kritisieren die Studierenden vor allem den Einsatz als „billige Hilfskräfte im OP.“ Sie wünschen sich vor allem die Betreuung eigener Patienten unter Aufsicht und Anleitung. Hier bietet sich eine Chance auch für größere und sektorenübergreifend tätige chirurgische Praxen, sich als akademische Lehrpraxen für Chirurgie zu etablieren. Nach der Approbationsordnung (Tab. 3) können bis zu acht Wochen des jeweiligen Ausbildungsabschnittes (der drei Tertiale im PJ) im ambulanten Bereich erfolgen. Somit wären acht Wochen Chirurgie und acht Wochen im Wahlfach, zusammen also 16 Wochen in einer Praxis möglich. Dem BDC sind bisher keine akademischen Lehrpraxen im Fach Chirurgie bekannt. Ein Modellversuch dazu mit der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster ist in Planung.

Tab. 3: Beteiligung akademischer Lehrpraxen am praktischen Jahr (§ 3 Abs. 2a der Approbationsordnung zum Praktischen Jahr)

Die Universitäten können geeignete ärztliche Praxen (Lehrpraxen) und andere geeignete Einrichtungen der ambulanten ärztlichen Krankenversorgung im Einvernehmen mit der zuständigen Gesundheitsbehörde in die Ausbildung einbeziehen; sie treffen hierzu Vereinbarungen mit den Lehrpraxen und Einrichtungen. Die jeweilige Lehrpraxis oder Einrichtung muss gewährleisten, das Logbuch der Universität einzuhalten. Die Ausbildung nach Absatz 1 in einer Lehrpraxis oder in einer anderen geeigneten Einrichtung der ambulanten ärztlichen Krankenversorgung dauert in der Regel höchstens acht Wochen je Ausbildungsabschnitt. Im Wahlfach Allgemeinmedizin wird die Ausbildung nach Absatz 1 während des gesamten Ausbildungsabschnitts in einer allgemeinmedizinischen Lehrpraxis absolviert.

Was haben wir davon?

Warum sollten wir diesen Aufwand betreiben, wodurch uns zunächst nur zusätzliche Arbeit und Kosten und u. U. auch Probleme mit der KV-Abrechnung entstehen? Auf diese berechtigte Frage kann ich nur recht abstrakt antworten, dass Sie sich dadurch die Chance eröffnen, einen Nachfolger oder besser gesagt Nachfolgerin für ihre chirurgische Praxis zu gewinnen. Eine Umfrage des BNC [2] hat gezeigt, dass das Interesse der niedergelassenen Chirurgen am Angebot einer Famulatur bisher leider nur gering ist: Von 1.125 angeschriebenen niedergelassenen Chirurgen waren nur 34 bereit, Hospitationen bzw. Famulaturen zu ermöglichen, also nur etwa 3 %. Das ist enttäuschend.

Hier ist unbedingt ein Wandel der persönlichen Einstellung der Niedergelassenen notwendig. Wir können es nicht unseren Krankenhauskollegen allein überlassen, für chirurgischen Nachwuchs zu sorgen, sondern müssen uns ebenfalls engagieren. Dazu gehört es auch, die durchaus berechtigten Klagen über marginale Vergütungen einzelner Leistungen und die Last der Bürokratie hintan zu stellen und auch einmal öffentlich darzustellen, dass wir mit Freude und Engagement in einem faszinierenden Beruf arbeiten.

Vonseiten des Berufsverbandes wird regelmäßig der drohende Nachwuchsmangel in der Chirurgie im politischen Diskurs platziert. Immerhin hat dies dazu geführt, dass mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) die Anzahl der bundesweit finanziell geförderten fachärztlichen Weiterbildungsplätze von 1.000 auf 2.000 angehoben wurde. Unser nächstes Ziel muss es nun sein, dass die chirurgische Weiterbildung davon auch profitieren kann.

Literatur

[1] Jacob, R., Kopp, J., Fellinger, P.: https://www.kbv.de/media/sp/Ergebnisse_Berufsmonitoring_2018_KBV_30.1._2019.pdf. Zuletzt zugegriffen 17.8.2019

[2] Schüürmann, C.: BNC-Spot vom 6.8.2019

Kalbe P: Famulatur in der Niederlassung – Studierende in der chirurgischen Praxis. Passion Chirurgie. 2019 Oktober, 9(10): Artikel 03_02.

Strategischer Umgang mit den extrabudgetären Fallkonstellationen nach TSVG

In der Septemberausgabe PASSION CHIRURGIE (09/2019) wurden die Änderungen durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) für die niedergelassenen Chirurgen dargestellt. Die mit dem TSVG für bestimmte Fallkonstellationen eingeführte Budgetbefreiung erfordert einige strategische Überlegungen:

Je mehr Fälle extrabudgetär gestellt werden, desto mehr Fälle werden bereinigt. Dies führt zu einem verminderten Finanzvolumen für das Budget der Fachgruppe. Es ist also damit zu rechnen, dass der Mindest-Fallwert der fachärztlichen Fachgruppen ab dem Quartal 4/2019 unter den bisherigen Regelleistungsvolumen-Fallwert sinken wird. Dies könnte für die folgenden Jahre zu verminderten Honoraren für den budgetierten Bereich der Vergütung führen. Es liegt also im Interesse der Fachgruppe und auch des einzelnen Chirurgen/Orthopäden jeweils abzuwägen, welche Vorteile die Budgetbefreiung im Einzelnen bringt.

Für die Chirurgen und Orthopäden kann im Durchschnitt der Fachgruppe davon ausgegangen werden, dass ca. 15 Prozent des Honorars aus Budget-Gründen nicht bezahlt wird. Daraus abgeleitet kann man den Honoraranstieg allein durch die Ausbudgetierung (ohne Zuschläge für rasche Termine) für einige typischen Fallkonstellationen (Tab. 1) wie folgt überschlägig schätzen:

Konstellation Grund-pauschale/
07210-12
ggf.
Komplex
in €
PFG 07220-07222

in €

Röntgen
in €
Wund-versorgung in € Schiene € Honorar-

Steigerung durch extra-budgetäre

Abrechnung in € (ca. 15 Prozent )

Nur Untersuchung und Beratung 23,92 4,43       4,26
Plus Röntgen
Extremitäten
23,92 4,43 11,47 5,97
Plus Wundversorgung
02301
23,92 4,43 13,96 8,07
Plus Schiene ohne Wundversorgung 23,92 4,43 11,47 7,69
Plus 2 x Rö. und Behandlungs-komplex 23,92+
23,49
4,43 22,94 In Kom-plex 10,55

Tabelle 1: Schätzung der Honorarsteigerung allein durch extrabudgetäre Abrechnung (ohne Zuschläge)

Wenn in der Zukunft eine über den zeitlichen Verlauf gleichmäßige Fallzahl extrabudgetär angesetzt wird, dürfte es über die Bereinigungseffekte hinaus keine wesentlichen Veränderungen der Fallwerte in den Regelleistungsvolumina (RLV) und Qualifikationsgebundene Zusatzvolumina (QZV) geben.

Allerdings wird nur derjenige von den zusätzlichen Honoraren profitieren, der extrabudgetäre Fälle generiert. Die Chirurgen und Orthopäden haben laut einer Statistik der Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz einen hohen Anteil an „Neu-Patienten“ (54 Prozent bei Chirurgen, 43 Prozent bei Orthopäden). Im Gegensatz zu den Fällen aus der offenen Sprechstunde (maximal 17,5 Prozent der Fälle) ist die Anzahl der „Neu-Patienten“ nicht limitiert. Dies führt dazu, dass Chirurgen durchschnittlich mehr als die Hälfte der Patienten extrabudgetär abrechnen können.

Ein theoretisches Risiko sind allerdings schwankende Fallzahlen in der zukünftigen Entwicklung. Dazu sollen zwei unterschiedliche Szenarien betrachtet werden:

Szenario 1: Die Anzahl der extrabudgetär abgerechneten Fälle steigt langsam an und entwickelt erst ein Jahr nach der Einführung eine starke Dynamik.

Dies wäre die für alle Fachärzte günstigste Variante. Dies würde nämlich bedeuten, dass während des Bereinigungsjahres nur eine überschaubare Anzahl von Fällen aus der Morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) herausgerechnet wird und das verbleibende Finanzvolumen in der Zukunft ausreichen würde, den RLV- und QZV-Fallwert für die verbleibenden nicht extrabudgetären Fälle einigermaßen stabil zu halten. Eine extrabudgetäre Fallzahldynamik ab dem Jahr 2021 wäre dann komplett von den Krankenkassen zu finanzieren. Es wird daher von allen fachärztlichen Berufsverbänden dringend angeraten, sich im ersten Jahr und damit bis Ende 2020 mit der Generierung von TSVG-Ausnahmefällen zurückzuhalten.

Szenario 2: Es könnte sein, dass im Überschwang der ersten Begeisterung zahlreiche extrabudgetäre Fälle generiert werden, z. B. über Meldung freier Termine an die Terminservicestellen und durch (organisierte) dringliche Hausarztüberweisungen.

Für die Chirurgen ergeben sich extrabudgetäre Fälle mehr oder weniger automatisch durch die zahlreichen Neu-Patienten. Es könnte allerdings passieren, dass die Begeisterung über die Vorteile der extrabudgetären Honorare wegen vermehrter Bürokratie oder wegen nur geringer Honorarsteigerungen nach einem Jahr deutlich nachlässt. Dies würde dann Honorarverluste erzeugen, denn die wieder vermehrten Fallzahlen innerhalb der Budgets würden unweigerlich zu einem verminderten Fallwert im RLV und in den QZV führen. Darüber hinaus enthalten die meisten Honorarverteilungsmaßstäbe Fallzahlzuwachsbegrenzungen, die es zusätzlich erschweren würden, rasch wieder auf die alte Fallzahl innerhalb der RLV zu steigern.

Abb. 1.: Anteil der Neupatienten am Patientenaufkommen (Quelle: Ärztezeitung, KV Rheinland-Pfalz)

Man sollte es also mit dem Einstieg in die steuerbaren Anteile der extrabudgetären Abrechnung so halten wie es der damalige Bundeskanzler Ludwig Ehrhardt schon 1965 empfohlen hatte: „Maß halten“.

Darüber hinaus hat der Bewertungsausschuss eine perfide Abstaffelungsregelung für die über 17,5 Prozent hinausgehenden Fälle in der offenen Sprechstunde beschlossen: Bei Überschreitung dieser Schwelle wird nämlich nicht etwa quotiert, sondern es werden nach dem Zufallsprinzip einzelne Fälle aus der extrabudgetären Vergütung herausgenommen. So kann es im schlimmsten Falle alle aufwändigen Fälle mit hohem Honoraraufkommen treffen. Die 17,5 Prozent -Grenze sollte daher keinesfalls überschritten werden.

Ansonsten sind die Gestaltungsmöglichkeiten leider begrenzt. Das bedeutet, dass auch extrabudgetär abgerechnet werden muss, was extrabudgetär abgerechnet werden kann. Die Krankenkassen haben gegenüber den Kassenärztliche Vereinigungen (KV) bereits entsprechende Prüfanträge angekündigt. Ob dies auch schon für den Monat September 2019 mit all den Unsicherheiten in der Umstellungsphase gelten kann mag dahingestellt bleiben.

Aktuelle Änderungen der Beschlüsse des Bewertungsausschusses auf Grund von Beanstandungen des BMG

Aufgrund von Beanstandungen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) an den im letzten Rundbrief und in der PASSION CHIRURGIE 09/2019 erläuterten Beschlüssen des Bewertungsausschusses (BA) sind allerdings noch Änderungen im Detail zu erwarten. Neben formalen Korrekturen betreffen uns Chirurgen folgende abweichende Regelungen:

  1. Bei der dringlichen Hausarzt-Überweisung muss der Hausarzt statt der BSNR jetzt die lebenslange Arztnummer (LANR) des empfangenden Arztes angeben. Dies soll bei einer Überweisung in fachübergreifenden BAGs sicherstellen, dass die Vermittlung auch an die erforderliche Facharzt-Gruppe erfolgt.
  2. Weiterhin hat das BMG festgestellt, dass die Beschlüsse des BA, die eine extrabudgetäre Vergütung der Leistungen in den jeweiligen TSVG-Konstellationen lediglich im Arztgruppenfall vorsehen, nicht dem gesetzlichen Auftrag entsprechen. Das SGB V würde explizit jeweils auf den Begriff “Behandlungsfall” abheben. Dementsprechend müssten alle ärztlichen Leistungen im Behandlungsfall außerhalb der MGV vergütet werden. Dies bedeutet eine deutliche Verbesserung für Gemeinschaftspraxen und MVZ und macht den Bezug auf den gerade erst neu eingeführten Begriff des Arztgruppenfalls obsolet.

Hier hat das BMG erneut in Beschlüsse der Selbstverwaltung eingegriffen. Unabhängig von der Frage, ob damit eine gesetzeskonforme Umsetzung gewährleistet wird, baut das Ministerium von Jens Spahn damit unser Gesundheitswesen immer weiter in Richtung Staatsmedizin um.

Detail-Regelungen im Bundesmantelvertrag

In Beitrag zum TSVG in der Passion Chirurgie 09/2019 mussten noch einige Details offenbleiben, die mittlerweile geklärt sind.

Zur Frage, was zu den Sprechstunden zählt, gab es eine Klarstellung im Bundesmantelvertrag zwischen Ärzten und Krankenkassen. Wichtig für die Chirurgen: Sprechstundenzeiten sind alle Zeiten, in denen der Vertragsarzt für die Versorgung der Versicherten unmittelbar zur Verfügung steht. Somit können auch spezialisierte Tätigkeiten, also z. B. Operationen, als Sprechstundenzeiten gezählt werden.

Auch zu den verpflichtenden offenen Sprechstunden wurden Details vereinbart: Offene Sprechstunden sind demnach grundsätzlich von jedem Arzt anzubieten, jedoch können Berufsausübungsgemeinschaften sowie Praxen und MVZ mit angestellten Ärzten flexibel handhaben, welcher Arzt der jeweiligen Arztgruppe die Versorgung in der offenen Sprechstunde übernimmt. Entscheidend ist, dass die aus der Anzahl der Ärzte der Arztgruppe folgende Gesamtzahl an offenen Sprechstunden von der Praxis erfüllt wird. So ist es zum Beispiel zulässig, dass innerhalb einer Praxis mit drei ganztags tätigen Ärzten einer Arztgruppe die Ärzte jeweils fünf offene Sprechstunden gleichzeitig anbieten oder ein Vertragsarzt beziehungsweise ein angestellter Arzt die 15 offenen Sprechstunden für die Praxis insgesamt übernimmt.

Die offenen Sprechstundenzeiten müssen gegenüber der KV angegeben und von dieser veröffentlicht werden, brauchen jedoch nicht auf dem Praxis-Schild ausgewiesen werden.

Replik des BDC auf Leitartikel vom BNC

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

vor Kurzem haben viele von Ihnen die neuesten Mitteilungen des BNC (Chirurgenmagazin 93, August 2019) erhalten, in denen der Vorsitzende Dr. Schüürmann offen zum Austritt aus dem BDC aufruft. Wir wissen nicht, ob dies seine private Meinung ist, oder ob es die offizielle Verbandsaussage darstellt.

Mit solchen Worten, garniert mit dem martialischen Vorwurf einer Kriegserklärung seitens des BDC gegenüber niedergelassenen Allgemeinchirurgen, schürt man populistisch Ängste und treibt bewusst einen Keil in die Kollegenschaft. Die bisherige Kooperation in Sachfragen mit dem BDC soll offenbar vom BNC aufgekündigt werden. Das ist sehr bedauerlich und wenig hilfreich.

Was ist der Grund für diese grobe Attacke? Es geht offenbar darum, dass der Kollege Schüürmann die Existenz niedergelassener Allgemeinchirurgen durch uns bedroht sieht.

Richtig ist, dass der BDC in Übereinstimmung mit den chirurgischen Fachgesellschaften die Rolle der zukünftigen Säule „Allgemeinchirurgie“ gemäß der Musterweiterbildungsordnung 2018 skeptisch sieht. Während der BNC allein diese Säule der neuen Weiterbildungsordnung als die geeignete für die chirurgische Praxis der Zukunft propagiert sieht der BDC die niedergelassenen Chirurgen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten eher in Gemeinschaften von mehreren verschiedenen Spezialisten, die sich in größeren Praxen organisieren und auch in sektorenübergreifenden Kooperationen mit Krankenhäusern den chirurgischen Bedarf der Bevölkerung abdecken. Dies entspricht auch den Wünschen der nachfolgenden Ärztegeneration und ist als Trend schon jetzt an den Niederlassungszahlen abzulesen: Bereits mehr als 30 Prozent der niedergelassenen Chirurgen arbeiten als Angestellte. Dabei geht der Trend eindeutig zur Säule Orthopädie und Unfallchirurgie, was auch dem statistischen Spektrum der häufigsten Erkrankungen, Verletzungen und Operationen in den chirurgischen Praxen entspricht. Es bliebt abzuwarten, welchen Platz in der Versorgung der zukünftige Facharzt für Allgemeinchirurgie finden wird. Alle Kolleginnen und Kollegen, die sich für diese Weiterbildung entscheiden, können jedoch darauf vertrauen, dass ihre Interessen vom BDC als Berufsverband aller Chirurgen genauso vertreten werden wie die Interessen der anderen Säulen, sei es Orthopädie und Unfallchirurgie, Viszeralchirurgie, Kinderchirurgie, Plastische Chirurgie oder Gefäßchirurgie.

Es ist vollkommen absurd, dass vonseiten des BNC in diesem Zusammenhang Unsicherheit unter den jetzt niedergelassenen Chirurgen nach den alten Weiterbildungsordnungen aus 1992 und 2003 geschürt wird. Das für die EBM-Reform 2021 angestrebte gemeinsame Kapitel 7 und 18 wird selbstverständlich einen Bestandsschutz für die Abrechnungsmöglichkeiten der jetzt schon niedergelassenen Allgemeinchirurgen (und auch Orthopäden) enthalten. Die aktuellen Meinungsverschiedenheiten beziehen sich allein auf die zukünftige Gestaltung der EBM-Abrechnung der „Säulenfachärzte“. Hier käme es darauf an, durch geduldige Verhandlungen Kompromisse zwischen den ehemaligen Arztgruppen Chirurgie (Kapitel 7) und Orthopädie (Kapitel 18) zu suchen. Dieses Ziel kann man aber nicht erreichen, indem man seine potenziellen Verhandlungspartner öffentlich verunglimpft.

Was also die Frage der Mitgliedschaft in welchem Verband auch immer betrifft, so empfehlen wir darüber nachzudenken, ob die alleinige Fokussierung auf das Thema Allgemeinchirurgie in der Niederlassung ausreicht oder ob es nicht besser ist, von einem Berufsverband mit mehr als 17.000 Mitgliedern mit dem entsprechenden Einfluss vertreten zu werden. Unabhängig davon werden wir auch weiter – sofern das von dieser Seite gewünscht ist – den Kontakt zum BNC aufrechterhalten, um letztlich in Ihrem Interesse Konflikte intern zu bereinigen, statt sie in der Öffentlichkeit zum Schaden aller auszutragen.

Rezension: Orthopädie und Unfallchirurgie essentials – Intensivkurs zur Weiterbildung

Orthopädie und Unfallchirurgie essentials – Intensivkurs zur Weiterbildung
Ruchholtz / Wirtz
3. Auflage 2019, Thieme Verlag
kartoniert, 872 Seiten, 1.231 Abbildungen
ISBN: 9783 1314 84437
129,99 Euro

Beim Verlag bestellen: http://bit.ly/OUessentias

„Dieses Buch ist einfach genial.“ Das ist nicht die Beurteilung eines Unfallchirurgen, der schon fast 40 Jahre dabei ist, sondern die spontane Bewertung durch unsere angestellte Fachärztin, die sich mit der zweiten Auflage dieses didaktisch optimalen Buchs intensiv und sehr erfolgreich auf die Facharztprüfung vorbereitet hat.

Ruchholtz als Unfallchirurg und Wirtz als Orthopäde haben mit Unterstützung durch zahlreiche Fachexperten das schon bisher sehr übersichtliche Werk vollständig überarbeitet und erweitert. Auf 872 Seiten mit zahlreichen Schemata, Röntgen-, CT- und MRT-Bildern und Schwarz-Weiß-Fotos werden die Grundlagen von „O+U“ übersichtlich und auf das Facharztwissen fokussiert dargestellt. Damit ist das Werk ideal sowohl als ständiger Begleiter während der Weiterbildung als auch als Repititorium zur Vorbereitung auf die Facharztprüfung. Hilfreich sind dazu vor allem die besonders hervorgehobenen Merktafeln und die Hinweise der Autoren auf bekannte und auch weniger bekannte Fallstricke in der Diagnostik und Therapie. Das Buch ist aber auch für den Erfahrenen als kompaktes Nachschlagewerk zu den Basics des Fachs geeignet. Dies wird erleichtert durch ein umfangreiches Sachverzeichnis, aktualisierte Literaturangaben zu den einzelnen Kapiteln und den Zugriff auf die Online-Version.

Neu in der dritten Auflage sind die Kapitel „Geriatrische Orthopädie und Unfallchirurgie“ und „Extremitäten-Rekonstruktion“. Hinzugekommen sind auch äußerst hilfreiche Therapie-Algorithmen, z. B. zur Behandlung der Hüftdysplasie und des Klumpfußes im Kapitel „Kinderorthopädie“. Das Kapitel „Neurologische Erkrankungen“ wurde überarbeitet und erweitert. Bei der Begutachtung wurden tabellarische Empfehlungen zur prozentualen Einschätzung ergänzt.

129,99 Euro sind gut angelegt für ein Buch, das vor allem dann nicht in der Bibliothek fehlen sollte, wenn Studierende oder Weiterbildungsassistenten in der Einrichtung tätig sind.

Kalbe P, Tegtmeier K: Rezension: Orthopädie und Unfallchirurgie essentials – Intensivkurs zur Weiterbildung. Passion Chirurgie. 2019 September, 9(09): Artikel 04_05.

Umsetzung des TSVG – Konsequenzen für niedergelassene Chirurgen

Am 11.05.2019 ist das Terminservice- und Versorgungsgesetz (BVG) in Kraft getreten. Entgegen der Ablehnung der Ärzteschaft und auch des BDC beinhaltet dieses Spahn´sche Gesetzeswerk auch zahlreiche Eingriffe in die Gestaltung der Sprechstunden und damit in die freiberufliche Gestaltungshoheit. Die Aussichten auf eine Verfassungsbeschwerde beurteilt unser Justiziar allerdings als ungünstig (s. a. Beitrag von Dr. Heberer in dieser Ausgabe der PASSION CHIRURGIE).

Es ist nun die Aufgabe der ärztlichen Selbstverwaltung und der Berufsverbände, das Beste aus den Vorgaben zu machen. Der BDC möchte Sie dazu auf dem Laufenden halten und Ihnen Tipps geben, wie aus dem massiven Eingriff in die Autonomie der Praxen vielleicht wenigstens ein gewisser ökonomischer Nutzen gezogen werden kann.

Die Umsetzung der Gesetzesvorgaben erfordert im Detail zahlreiche Vereinbarungen zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem Spitzenverband der Krankenkassen. Ein wichtiger Teil davon ist bereits im Bewertungsausschuss zwischen KBV und Kassen vereinbart worden. Einige weitere wichtige Definitionen kommen aber erst Ende August, z. B. was alles unter „Sprechstunden“ (ab sofort 25 Stunden statt 20 Stunden) fällt und was unter „offenen Sprechstunden“ (Plicht ab 01.09.2019) zu verstehen ist.

Festgelegt wurden bereits die Regelungen zur Budget-Befreiung und zu den Zuschlägen im EBM:

Wirksam mit Veröffentlichung des Gesetzes seit 11. Mai 2019: Budget-Befreiung für alle über die Terminservice-Stelle (TSS) vermittelten Fälle

Im manchen Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) war dies bisher schon der Fall, jetzt gilt es bundesweit: Alle von der TSS vermittelten Fälle werden komplett (also für das gesamte Quartal) extrabudgetär vergütet. Dazu kennzeichnen Sie den Fall in Ihrem Praxis-Verwaltungssystem (PVS) als TSS-Fall.

Wirksam zum 01.09.2019: Zuschläge für rasche Terminvergabe

Über die Budget-Befreiung hinaus werden Zuschläge für die in der Tabelle 1 aufgeführten raschen Terminvermittlungen ausgelobt. Dazu muss lediglich eine der hier aufgeführten Gebührenordnungspositionen (GOP) angesetzt werden. Das PVS wird dann automatisch den je nach Lebensalter gestaffelten Zuschlag zur Grund- bzw. Konsiliar-Pauschale ausrechnen und ansetzen. Auch hier muss der Fall im PVS entsprechend gekennzeichnet werden.

TSS Fall Suffix Zuschlag zur Grund- bzw. Konsiliarpauschale GOP Kapitel 7 GOP Kapitel 18 Bemerkungen
TSS-Akutfall

(Behandlung spätestens am Tag nach der Kontaktaufnahme des Versicherten bei der TSS)

A 50 % 07228A 18228A Nur nach vorheriger Erst-Einschätzung als „Akutfall“ durch die TSS nach dem SmED*-Verfahren, Start frühestens 01.01.2020
TSS-Terminfall 1.-8. Tag B 50 % 07228B 18228B Ab 01.09.2019
TSS-Terminfall 9.-14. Tag C 30 % 07228C 18228C Ab 01.09.2019
TSS-Terminfall 15.-35. Tag D 20 % 07228D 18228D Ab 01.09.2019

Tab. 1: Übersicht über die Aufschläge für rasche Terminvermittlung (ab 01.09.2019). Die TSS wird in Zukunft bei der Terminvermittlung den Tag der Kontaktaufnahme der Versicherten mitteilen, damit die Frist bis zum Termin berechnet und die korrekte GOP angesetzt werden kann.

Das praktische Vorgehen soll an zwei Bespielen erläutert werden:

  1. Ein 40-jähriger Patient erhält über die TSS einen Termin bei einem Chirurgen. Zwischen der Kontaktaufnahme bei der TSS und der Behandlung beim Chirurgen liegen 12 Tage. Der Chirurg rechnet am Behandlungstag die Grundpauschale 07211 in Höhe von 221 Punkten sowie alle weiteren Leistungen extrabudgetär ab. Zusätzlich gibt er für die Behandlung aufgrund der TSS-Vermittlung die GOP 07228C (Zusatzpauschale TSS-Terminvermittlung) an. Der Buchstabe „C“ steht hier für einen „TSS-Terminfall“ mit einer Vermittlungsfrist von 9 bis 14 Tagen. Das PVS setzt die durch den Arzt abgerechnete GOP 07228C automatisch in die altersspezifische GOP 07911C (Zusatzpauschale TSS-Terminvermittlung 6.-59. Lebensjahr) mit einer Bewertung von 30 Prozent der Grundpauschale (66 Punkte) um und überträgt diese in die Abrechnung mit der KV. Hinweis: Fallkennzeichnung im PVS nicht vergessen.
  2. Ein vierjähriges Kind wird von der TSS innerhalb von drei Tagen an einen Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie vermittelt, der im Kapitel 18 des EBM abrechnet. Für die Behandlung wird die Grundpauschale 18210 (175 Punkte) angesetzt. Der Zuschlag heißt in diesem Fall 18228B und beläuft sich auf 50 Prozent der Grundpauschale (87 Punkte). Das PVS setzt die GOP 18228B automatisch in die altersspezifisch zutreffende GOP 18910B um.

Wenn Sie dies alles furchtbar bürokratisch finden, kann ich Ihnen nur zustimmen und betonen, dass Ihr Berufsverband dafür nicht verantwortlich ist, sondern sich im Gegenteil grundsätzlich für die Stärkung der Freiberuflichkeit einsetzt. Immerhin jedoch können die Entwicklungen als Einstieg in die Entbudgetierung gewertet werden. Zudem ergeben sich für Chirurgen neben der Budgetbefreiung Zuschläge bis zu 13,80 €/Fall. Dafür ist in Kauf zu nehmen, dass man bei der TSS-Vermittlung keinen Einfluss auf die vermittelten Fälle hat. Darüber hinaus haben die bisherigen Erfahrungen gezeigt, dass viele TSS-Patienten ihre Termine nicht wahrnehmen, ohne abzusagen.

Als weitaus attraktiver dürfte sich in der Zukunft der sogenannte „Hausarzt-Vermittlungsfall“ entwickeln.

Hausarzt-Vermittlungsfall (gilt ab 11. Mai 2019 für den aufnehmenden Facharzt)

Alle Leistungen im Quartal bei einem vom Hausarzt als dringend bewerteten und an den Facharzt vermittelten Fall werden extrabudgetär vergütet. Diese Regelung ist schon jetzt gültig. Die Fälle müssen im PVS entsprechend gekennzeichnet werden. Ab dem 01.09.2019 erhalten die Hausärzte auch einen Honorarzuschlag von 93 Punkten (10,07€) für die erfolgreiche Vermittlung eines Facharzt-Termins binnen vier Kalendertagen. Durch die Frist von vier Tagen ist die Dringlichkeit definiert. Eine Ausweitung der Fallzahl wird durch eine Plausibilitätsschwelle von 15 Prozent der Fälle (beim Hausarzt) definiert. „Erfolgreich“ ist die Vermittlung, wenn es eine Terminvereinbarung gibt, unabhängig davon, ob der Patient den Termin wahrnimmt. Dann kann der Hausarzt seine Pauschale auf jeden Fall abrechnen, der empfangende Chirurg den Fall aber leider nur dann extrabudgetär stellen, wenn der vermittelte Patient den Termin auch tatsächlich wahrnimmt. Es ist nicht festgelegt, wie die Terminvermittlung erfolgen muss. Zum Beispiel ist eine Delegation an eine Medizinische Fachangestellte (MFA) und auch eine (datenschutzrechtlich einwandfreie) Vermittlung über elektronische Medien möglich.

Die Attraktivität der resultierenden extrabudgetären Vergütung ist natürlich abhängig vom Umfang der aus Budget-Gründen nicht vergüteten Leistungen. Dies ist in den einzelnen Fachgruppen und von KV zu KV sehr unterschiedlich. Je höher die über das Regelleistungsvolumina (RLV) hinausgehende Honorar-Anforderung und je geringer die ausgezahlte Rest-Quote ist, desto lohnender ist es, extrabudgetäre Fälle zu generieren. Dazu sollten Sie Ihren Honorar-Bescheid prüfen und ggf. die Beratung Ihres BDC-Regionalvertreters suchen, der sich mit Ihrem KV-spezifischen Honorarverteilungsmaßstab gut auskennt.

 Neupatienten (ab 01.09.2019)

Als neue Patienten gelten alle Patienten, die entweder in der Praxis noch nicht behandelt wurden oder zwei Jahre nicht da waren. Ausnahmen gelten für Neupraxen und bei Gesellschafterwechseln sowie beim Kassenwechsel oder Wechsel aus einem Selektiv-Vertrag. Alle Leistungen im Quartal werden bei Neu-Patienten extrabudgetär vergütet.

 Offene Sprechstunden (ab 01.09.2019)

Jeder Chirurg (sei es auf einem chirurgischen oder einen orthopädischen Vertragsarztsitz) muss ab dem 01.09.2019 entsprechend seinem Versorgungsauftrag pro komplettem Sitz und pro Woche fünf offene Sprechstunden anbieten. Details dazu werden noch im Bundesmantelvertrag festgelegt und sind noch nicht bekannt. Es erfolgt eine Begrenzung auf maximal 17,5 Prozent der im entsprechenden Vorjahresquartal abgerechneten Fälle der Arztpraxis. Die Zeiten der offenen Sprechstunden müssen der zuständigen KV mitgeteilt und veröffentlicht werden. Alle Fälle in der offenen Sprechstunde werden extrabudgetär vergütet.

Zur Markierung der extrabudgetären Fälle muss die Vermittlungsart (Terminservice-Fall/Hausarzt-Vermittlungsfall/Neupatient/Offene Sprechstunde) im PVS hinterlegt werden. Dies wird Software-spezifisch unterschiedlich umgesetzt. Bei Fragen dazu wenden Sie sich bitte an Ihre Hotline.

Fallkonstellation Extrabudgetär Bereinigungs-Zeitraum (in Quartalen) Inkrafttreten Bemerkungen
TSS-Terminfall Ja, plus gestaffelte Zuschläge (s. Tabelle 1) 4/2019 – 3/2020 01.09.2019
TSS-Akutfall Ja, Zuschlag 50 % auf die Grund- und Konsiliarpauschale 1/2020 – 4/2020 Mit Einführung des SmED*, vorauss. ab 01.01.2020 *SmED= Strukturiertes medizinisches Ersteinschätzungs-Verfahren für Deutschland)
Hausarzt-Vermittlungsfall Ja 3/2019 – 2/2020 Mai 2019 im Arztgruppenfall**
Offene Sprechstunde Ja 4/2019 – 3/2020 01.09.2019 im Arztgruppenfall**
Neupatienten Ja 4/2019 – 3/2020 01.09.2019 Begrenzt auf zwei Arztgruppen**

Tab. 2: Übersicht über die Termin-Maßnahmen aus dem TSVG (*SmED = „Strukturiertes medizinisches Ersteinschätzungsverfahren für Deutschland; **Definition s. u.)

Arztgruppenfall – ein neuer Begriff im EBM

Wenn Sie dies schon sehr unübersichtlich und bürokratisch finden, muss ich Ihnen eine weitere Neuerung zumuten, wenn Sie in einer fachübergreifenden BAG tätig sind: Es gibt einen neuen Begriff in der Gebührenordnung, nämlich den „Arztgruppenfall“. Die Zuschläge des TSVG sind nämlich nur einmal im Arztgruppenfall abrechenbar. Der Arztgruppenfall umfasst alle Leistungen, die bei einer der möglichen TSVG-Konstellationen von derselben Arztgruppe in derselben Arztpraxis innerhalb desselben Quartals bei einem Versicherten ambulant zu Lasten derselben Krankenkasse durchgeführt wurden.

Erfolgt die Behandlung in der Arztpraxis durch mehrere Arztgruppen, werden grundsätzlich die Leistungen derjenigen Arztgruppe extrabudgetär vergütet, die den ersten Kontakt zum Versicherten hatte. Das dürfte die Attraktivität für größere Praxen deutlich einschränken. Die Regelung für Neupatienten ist darüber hinaus auf zwei Arztgruppen beschränkt. Weitere Erläuterungen zu den Neuerungen des TSVG finden Sie auch auf der Homepage der KBV.

Wie gewonnen, so zerronnen: Die Bereinigung

Darüber hinaus schwebt über der Budgetbefreiung auch noch das Menetekel der Bereinigung. Wie im Gesetz festgelegt werden für ein Jahr die Leistungen gegengerechnet, welche die Krankenkassen auch bisher schon in der begrenzten („morbiditätsbedingten“) Gesamtvergütung (MGV) bezahlt hatten. Die Bereinigung auf der Arztseite muss gemäß Vorgaben der KBV individuell erfolgen, was in manchen KVen Änderungen der Honorarverteilungs-Regeln erfordert. Details dazu können Ihnen Ihre BDC-Regionalvertreter und die KV-Bezirksstellen erläutern. Grundsätzlich sollten die Neuregelungen des TSVG mit Bedacht und sukzessive in die Praxis-Organisation eingeführt werden, um das Bereinigungsvolumen im ersten Jahr (unterschiedliche Festlegung der Jahresfrist, s. Tabelle 2) nicht zu groß werden zu lassen. Ab 2021 sind alle Steigerungen bei den extrabudgetären Fällen komplett von den Krankenkassen zu finanzieren.

Bei diesen komplizierten Regelungen dürfte sich die Begeisterung der Kolleginnen und Kollegen und der finanzielle Benefit in einem überschaubaren Rahmen halten. Trotzdem eröffnen vor allem die Hausarzt-Vermittlung und die Regelung zu Neu-Patienten Chancen auf zusätzliches Honorar, das man nicht liegen lassen sollte. Wer sich nicht beteiligt wird leider höchstwahrscheinlich zu den Verlierern der Reform gehören, denn das Honorar-Volumen für die Regelleistungsvolumina wird mit Sicherheit schrumpfen. Über die weiteren Entwicklungen werden wir Sie auf dem Laufenden halten.

CME Artikel: Aktualisierte KRINKO-Empfehlung zur Prävention postoperativer Wundinfektionen (Stand 2018)

Ein optimales Hygiene-Management ist eine wichtige Grundlage für komplikationsarme operative Eingriffe. Gleichwohl muss der Aufwand dafür in einem vernünftigen Verhältnis zu den erhofften Effekten stehen, da die personellen und finanziellen Ressourcen für Hygienemaßnahmen begrenzt sind. Die 2018 überarbeiteten Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert-Koch-Institut beinhalten dazu zahlreiche grundlegende Änderungen und Klarstellungen.

Relevanz der KRINKO-Empfehlungen

Gesetzliche Grundlage aller Hygienemaßnahmen im chirurgischen Bereich ist das Infektionsschutzgesetz (IfSG) [1]. Dort wird im § 23 ausgeführt, dass die Einhaltung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft vermutet wird, wenn die Empfehlungen der KRINKO [2] umgesetzt werden. Damit erhalten diese Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI, vormals Bundesgesundheitsamt) einen hohen Grad von Verbindlichkeit. Darüber hinaus nehmen auch viele der länderspezifischen Hygieneverordnungen [4] Bezug auf die KRINKO-Veröffentlichungen. Die Hygiene-Verordnungen der Bundesländer sind verbindlich umzusetzen. Abweichungen sind teilweise mit Bußgeldern bewehrt.

Die aktuell gültige Empfehlung zur Vermeidung von postoperativen Wundinfektionen wurde als „Amtliche Mitteilung“ im Bundesgesundheitsblatt [3] publiziert und löst zahlreiche damit veraltete Empfehlungen ab. Es wird dringend angeraten, den Text von der Homepage des RKI kostenfrei herunterzuladen und sorgfältig durchzuarbeiten (https://bit.ly/2ZSc0b1).

Zuordnungen von Operationen und Eingriffen zu geeigneten räumlichen Strukturen

Die früheren KRINKO-Empfehlungen enthielten feste Zuordnungen bestimmter operativer Eingriffe zur Erbringung entweder in einem Eingriffsraum oder in einem Operationsraum. Dies und die dazu veröffentlichte Tabelle anhand von Abrechnungs-Ziffern aus dem Kapitel L der GOÄ führten häufig zu kontroversen Diskussionen zwischen den Operateuren und den Gesundheitsbehörden, v. a. bei Begehungen. Diese rigide Systematik ist jetzt einer individuellen Beurteilung der hygienischen Bedingungen in der Operationseinrichtung gewichen.

Der Begriff „Eingriffsraum“ wird nicht mehr verwendet. Es wird vielmehr vorgesehen, das individuelle Operationsspektrum nach dem daraus resultierenden Risiko einer postoperativen Wundinfektion (Surgical Site Infection/SSI) zu bewerten und daraus Schlüsse für die notwendigen strukturellen und organisatorischen Bedingungen und Maßnahmen zu ziehen. Diese Risiko-Bewertung soll vom chirurgischen Fachvertreter gemeinsam mit dem beratenden Hygieniker (z. B. Krankenhaushygieniker, Beratung verpflichtend nach den Hygiene-Verordnungen der Länder) durchgeführt werden. Die KRINKO unterscheidet jetzt zwischen „Operationen mit durchschnittlichem oder hohem SSI-Risiko“ und „Operationen mit geringem und solchen mit noch geringerem SSI-Risiko“. Letzte können auch außerhalb der Operationsabteilung erbracht werden, wie es der gelebten chirurgischen Routine entspricht. Beispiele für Eingriffe und invasive Maßnahmen zu den genannten Kategorien sowie die erforderlichen Strukturen zeigt die Tabelle 1.

Tab. 1: Räumliche Strukturen für Operationen und Eingriffe mit unterschiedlichem Infektionsrisiko, gemäß KRINKO-Empfehlungen 2018

Operationen mit durchschnittlichem oder hohem SSI-Risiko*

Operationen und Eingriffe mit geringem SSI-Risiko*

Operationen und Eingriffe mit noch geringerem SSI-Risiko*

Gilt für alle Operationen und invasiven Maßnahmen im nicht grün unterlegten Bereich

Kleine Eingriffe:

–an der Haut/Subkutis

–am Auge

–in der Mund-/Kiefer-/Stirnhöhle

–Endoskopie von Körperhöhlen

–Abszesseröffnung

–Interventionelle Radiologie bzw. Kardiologie (außer bei regelhaft erwartetem Verfahrenswechsel)

Invasive Maßnahmen:

–Entfernung von im Hautniveau liegenden Tumoren oder Fremdkörpern

–Versorgung von Verletzungen der Haut oder der Subkutis (außer wenn sehr ausgedehnt)

Operationsbereich mit allen strukturellen Voraussetzungen

Operationsbereich mit modifizierten räumlichen Bedingungen

Hygienisch einwandfreier Raum auch außerhalb der Op.-Abteilung

–Ein oder mehrere Operationsräume mit je einem Op.-Tisch

–Fläche oder Raum für Narkoseeinleitung und Patientenvorbereitung

–Fläche oder Raum für Narkoseausleitung und unmittelbare Patientennachsorge

–Fläche oder Raum für Händedesinfektion

–Lagerräume für saubere Geräte, für Sterilgut und für andere Vorräte

–Mitarbeiteraufenthaltsraum

–Raum für die Aufbereitung unreiner/benutzter Geräte

–Raum zur Lagerung von Reinigungsutensilien

–Schleusensysteme für Personal, Patienten, reine Güter, unreine Güter

–Aufwachraum/-bereich

–Abstellplatz für Op.-Tische

–Raum für Dokumentation und Verwaltung

–Raum oder Fläche zur Händewaschung

–Ggfs. Vorbereitungsraum für Instrumentiertische

–Ggfs. Patientenumkleideraum

–Räumliche Trennung septisch/aseptisch nicht erforderlich

–Außerhalb des eigentlichen Op.-Raumes liegende Nebenräume können zusammengefasst werden

–Bei mobilen Patienten keine Umlagerung (Schleusung) erforderlich

–Raumlufttechnische Einrichtungen aus hygienischer Sicht verzichtbar

–Die räumlichen Funktionen/ strukturellen Voraussetzungen sind dort zusammen-gefasst

–Ausreichend großer Raum

–Oberflächen leicht zu reinigen und zu desinfizieren

–Steriler Schutzkittel, Haarschutz und Mund-Nase-Schutz sind nicht regelhaft erforderlich

–Sterilabdeckung und Personalbekleidung nach Erfordernis

Von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung des SSI-Risikos ist somit die einrichtungsinterne Infektionsstatistik (Surveillance, verpflichtend gemäß IfSG) und deren Interpretation gemeinsam mit dem beratenden Hygieniker.

Dies bedeutet jedoch keine Beliebigkeit bei der Gestaltung der Operationsräume. Vielmehr gibt es einen Paradigmenwechsel, indem nunmehr die Komplexität der Eingriffe und das daraus resultierende Infektionsrisiko in den Mittelpunkt rückt. Je größer, vielfältiger und komplexer die Operationen in ihrer Art sind und je größer der verwendete Gerätepark ist, desto mehr soll gemäß der KRINKO von verhaltensunabhängigen baulichen Möglichkeiten der Infektionsprävention Gebrauch gemacht werden. Das bedeutet vor allem, dass Operationsräume ausreichend große Flächen bieten müssen, v. a. wenn außer der OP-Mannschaft zahlreiche Geräte und Hilfspersonal anwesend sein müssen.

Trennung von aseptischen und septischen Operationsräumen

Die aktuelle Empfehlung der KRINKO-Kommission zur Prävention postoperativer Wundinfektionen nimmt den Punkt der räumlichen Trennung von septischem und aseptischem OP unter Punkt 4.3 auf: „Die hygienischen Anforderungen an die räumliche Gestaltung von Operationsabteilungen richten sich nach der jeweiligen Aufgabenstellung. Durch eine adäquate Raumplanung wird eine sinnvolle Ablauforganisation erleichtert und sichergestellt, dass bei allen Operationen (unabhängig von ihrer fachlichen Zuordnung und ihrem Kontaminationsgrad) mit ausreichend Platz hygienisch einwandfreies Arbeiten unter Berücksichtigung der jeweiligen medizintechnischen Ausrüstung und des Personalaufwands möglich ist. Für OP-Abteilungen mit stark heterogenem Leistungsaufkommen empfiehlt sich eine Zonierung.“ Und weiter: „Die Kommission stellt fest: Aus der Nutzung von LAF/TAV ergibt sich kein eigener infektionspräventiver Effekt (Kat. II). Aus der Trennung „reiner“ und „unreiner“ OP-Abteilungen ergibt sich kein eigener infektionspräventiver Effekt (Kat. II).“

Der Begriff „Zonierung“ der KRINKO wurde nicht weiter definiert. Er kann aber durchaus so verstanden werden, dass bei hoher Last septischer OP-Zahlen eine räumliche Aufteilung (Zonierung/Trennung) bereits aus prozessualen Aspekten sinnvoll sein kann und die Wahrscheinlichkeit von Kreuz-Kontaminationen mindert, da die sog. „Alertness“ des Personals in speziell dafür ausgewiesenen Bereichen erhöht ist.

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) kommt allerdings unter Berücksichtigung der Tatsache, dass bei Klinikbegehungen durch die DGUV Landesverbände wiederholt Hygieneverstöße festzustellen waren und das Auftreten von „Problemkeimen“ (MRE) generell zunehme, zu dem Schluss, dass besondere strukturelle und prozessuale Anforderungen in der Hygiene zur Qualitätssicherung im Umgang mit BG-Patienten erforderlich seien. Eine Abkehr von der Forderung nach Trennung septischer und aseptischer Eingriffe könne aufgrund der bisherigen Studienlage daher nicht erfolgen. Allerdings sei eine weitere Beschäftigung mit dem Thema im Sinne einer Analyse vorgesehen. Die DGUV will durch wissenschaftliche Untersuchungen die von ihr geforderten qualitativen Rahmenbedingungen auf den Prüfstand stellen. Mit Ergebnissen ist nicht vor 2020 zu rechnen [5].

Raumlufttechnische Anlagen (RLT-Anlagen)

Die Forderung von RLT-Anlagen hat bei Begehungen häufig zu Kontroversen mit den Gesundheitsbehörden geführt. Es steht außer Frage, dass solche Anlagen, sofern sie notwendig und vorhanden sind, den aktuellen Stand der Technik erfüllen und regelmäßig gewartet werden müssen. Die aktuelle KRINKO-Empfehlung relativiert jedoch die Notwendigkeit von RLT-Anlagen. So wird ausdrücklich ausgeführt, dass für Operationen und Eingriffe mit geringem SSI-Risiko „Raumlufttechnische Anlagen aus hygienischer Sicht verzichtbar“ sind. Gleichwohl kann sich diese Verpflichtung aus den Regeln des Arbeitsschutzes (Technische Regeln für Arbeitsstätten, ASR) ergeben. Es ist bekannt, dass bei fehlender Klimaregelung der CO2-Gehalt und die Temperatur der Raumluft rasch ansteigen, was zu mangelnder Konzentration und Beschwerden der OP-Mannschaft und damit zu einer Qualitätsminderung führen kann.

Die Evidenz einer Risikoreduzierung von Infektionen durch eine turbulenzarme Verdrängungsströmung (TAV/LAF = Laminar Flow) wird unterschiedlich bewertet, sodass der Einsatz dieser aufwändigen Technik (Raumklasse Ia) laut KRINKO-Empfehlung nicht zwingend vorgeschrieben ist. Für kurze Eingriffe ist sogar eine Fensterlüftung zwischen den Operationen bei Verwendung eines Insektengitters an den Fenstern vertretbar.

Bündelstrategie

Für die Vermeidung von postoperativen Wundinfektionen hat es sich als effektiv erwiesen, besonders wichtige hygienische Maßnahmen zu einem Maßnahmenbündel zusammenzufassen (Bündelstrategie). Dabei sollte die Anzahl der Maßnahmen klein und überschaubar sein, um einen verhaltenssteuernden Effekt zu erzielen. Die Compliance kann z. B. über eine Selbstkontrolle in Form von Checklisten überprüft werden. Die dafür empfohlenen Maßnahmen zeigt die Tabelle 2.

Tab. 2: Empfohlene Maßnahmen für eine Bündelstrategie zur Prävention von postoperativen Wundinfektionen

Standardisierte präoperative Hautantiseptik

Haarentfernung (Clipping nur wenn notwendig)

MRSA-Screening und Sanierung

Perioperative Antibiotikaprophylaxe (PAP)

Kontrolle des Blutglucosespiegels

Normothermie

Verpflichtende Mitarbeiterschulung

Die regelmäßige Vermittlung des in den hauseigenen Regularien umgesetzten Wissens ist zur Prävention von Wundinfektionen unverzichtbar. Dazu sind interne und externe Fortbildungsmaßnahmen geeignet. Es ist u. a. die Aufgabe des hygienebeauftragten Arztes, diese zu initiieren und zu überwachen. Auch die Länderhygieneverordnungen [4] schreiben dies zwingend vor. Die KRINKO empfiehlt Schulungsmaßnahmen zum Beispiel im Bereich der Händehygiene, der Antibiotika-Prophylaxe, des Verhaltens im OP und in der OP-Technik. Die Bedeutung positiver und negativer Vorbilder ist dabei nicht zu unterschätzen. Daher sind insbesondere die Ärzte aufgefordert, z. B. die hygienische Hände-Desinfektion vorbildlich vorzuleben.

Weiterhin gültige Empfehlungen

In diesem Übersichtsartikel werden nur diejenigen Aspekte der KRINKO-Empfehlungen exemplarisch aufgeführt, bei denen sich wichtige Änderungen gegenüber früheren Versionen ergeben haben. Allen mit der Hygiene in Krankenhäusern und chirurgischen Praxen betrauten Personen wird die sorgfältige Lektüre der aktuellen 28-seitigen KRINKO-Empfehlung [3] dringend empfohlen. Dort wird auf der Grundlage einer aktuellen Literatur-Recherche die wissenschaftliche Evidenz von hygienischen Maßnahmen zur Vermeidung von postoperativen Wundinfektionen bewertet und es werden daraus folgend Empfehlungen zur praktischen Umsetzung abgeleitet (Inhaltsverzeichnis in Tabelle 3).

Tab. 3: Gliederung und Inhalte der KRINKO-Empfehlungen zur Prävention postoperativer Wundinfektionen 2018 [3]

Einleitung und Hintergrund

Epidemiologie und Pathophysiologie postoperativer Infektionen im Operationsbereich (SSI)

Wissenschaftliche Basis verschiedener Maßnahmen zur Vermeidung von SSI

Empfehlungen zur Vermeidung von SSI

Entscheidend für die Bestätigung einwandfreier hygienischer Bedingungen ist jedoch stets die Beurteilung durch die örtlich zuständigen Gesundheitsbehörden. Daher sollte insbesondere vor hygienerelevanten Umbauten oder einem Wechsel in andere Räume stets aktiv deren Beratung gesucht werden.

Neben einer Begehung der Räumlichkeiten spielt hier der Hygieneplan eine entscheidende Rolle, in welchem alle für die Hygiene relevanten Strukturen und Prozesse als wesentlicher Teil des einrichtungsinternen Qualitätsmanagements festgelegt werden. Sofern im Hygieneplan die aktuellen KRINKO-Empfehlungen umgesetzt sind und deren Einhaltung dokumentiert wird, dürfte es keine stichhaltige Argumentationsgrundlage für abweichende Forderungen der Gesundheitsbehörden geben.

Die Literaturliste erhalten Sie auf Anfrage via [email protected].

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Kalbe P, Seifert J: CME Artikel: Aktualisierte KRINKO-Empfehlung zur Prävention postoperativer Wundinfektionen (Stand 2018). Passion Chirurgie. 2019 Juni, 9(06): Artikel 03_02.

Praxis, Niederlassung

Hygiene – Kernziel des Qualitätsmanagements

Die optimale Hygiene in den Praxisräumen und vor allem im OP-Bereich ist für chirurgische Praxen ein unverzichtbares Qualitätsmerkmal. Die öffentliche Diskussion über spektakuläre Hygienemängel in den letzten Jahren hat zu einer Verschärfung der Vorgaben aus dem schon seit 01.01.2001 gültigen Infektionsschutzgesetz (IfSG) [1] geführt. Die Inhaber und Leiter der chirurgischen Praxen sollten diese Aufgabe proaktiv angehen und dieses als wesentliches Kernziel des ohnehin verpflichtenden einrichtungsinternen Qualitätsmanagements [3] definieren. Grundsätzlich sind die Hygiene-Regeln für Krankenhäuser und operativ tätige Arztpraxen gleich. Aus der ambulanten Durchführung einer Operation, sei es im Krankenhaus, in einem ambulanten Operationszentrum oder in einer Praxis, darf kein erhöhtes Komplikationsrisiko resultieren. Dieser Artikel kann nur ein Schlaglicht auf die wichtigsten Herausforderungen im Hinblick auf die Hygiene in der chirurgischen Praxis werfen. Für den tieferen Einstieg in die Thematik wird auf das Literaturverzeichnis [15, 16, 18, 19] und auf die einschlägigen ­Kursformate zum Hygienebeauftragen Arzt (HBA) [10] ­verwiesen.

Rechtliche Vorgaben: Infektionsschutzgesetz und Hygieneverordnungen, SQS

Die Umsetzung des maßgeblichen § 23 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) war anfangs zögerlich, sodass der Gesetzgeber durch eine Novellierung des IfSG die Bundesländer verpflichtet hat, bis zum 30.03.2012 zusätzliche länderspezifische Hygiene-Richtlinien zu erlassen. Die föderale Struktur der BRD hat zur Folge, dass sich diese Bestimmungen in den einzelnen Bundesländern im Detail deutlich unterscheiden [17]. Zusätzlich wurden diese Richtlinien in einigen Bundesländern bereits novelliert und angepasst. Daher ist es für die niedergelassenen Chirurgen notwendig, die für den Praxissitz aktuell gültige Hygiene-Richtlinie zu recherchieren und inhaltlich umzusetzen. Gewisse Verpflichtungen sind in unterschiedlicher Ausprägung in allen Hygiene-Verordnungen enthalten, z. B.:

  • Beratungen durch und Beschäftigung von Hygiene-Fachpersonal in unterschiedlichem Umfang,
  • Antibiotic Stewardship und Fachberatung zum Antibiotika-Einsatz,
  • Hygienische Beratung vor und bei Baumaßnahmen und
  • Schulung des Praxispersonals.

Die Hygiene-Richtlinien gelten für alle „Einrichtungen für ambulantes Operieren“ und damit auch für stationsersetzende Eingriffe nach § 115 b des SGB V, also in der Regel auch für alle Prozeduren, die in (ehemals sogenannten) Eingriffsräumen erfolgen. Die Auslegung des Rechtsbegriffs „Einrichtung für ambulantes Operieren“ erfolgt durch die Prüfbehörden in Regel umfassend [2]. Als Orientierungshilfe empfiehlt es sich, von „ambulanten Operationen“ auszugehen, sobald Gebühren aus dem Kapitel 31 des EBM abgerechnet werden.

Die tatsächliche Umsetzung dieser Hygiene-Richtlinien wird ab 2018 (unter Bezug auf das Jahr 2017) in einem zusätzlichen Qualitätssicherungsverfahren – der sektorenübergreifenden Qualitätssicherung (sQS) – untersucht. Zielrichtung ist vor allem die Langzeit-Beobachtung von postoperativen Wundinfektionen. Dazu werden die Informationen über Infektionen im postoperativen Verlauf aus den Krankenhäusern und aus dem vertragsärztlichen Bereich zusammengeführt. Auffälligkeiten sollen durch „Fachkommissionen“ auf Länderebene bewertet werden. Als zweites Instrument ist mit der sQS eine bundesweite Einrichtungsbefragung verbunden, welche die wesentlichen Elemente des Hygiene-Managements abfragen soll. Das übliche Spektrum der häufig durchgeführten ambulanten Operationen (außer der Oberflächenchirurgie) ist als Tracer-Eingriff definiert, sodass fast jeder ambulant operierende Arzt mit dieser Befragung konfrontiert werden wird. Für eine Testphase von fünf Jahren (als Modellversuch) sind zunächst keine daraus resultierenden Sanktionen vorgesehen. Die Abfrage wird in den meisten Kassenärztlichen Vereinigungen über ein Online-Tool erfolgen, um den bürokratischen Aufwand gering zu halten. Auf der Homepage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) finden sich weitere ausführliche Informationen und Arbeitshilfen zur vereinfachten Umsetzung [4].

Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) und Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie (ART)

Eine zentrale Quelle für Vorgaben und Informationen zur Hygiene sind die Empfehlungen der KRINKO und der ART des Robert Koch-Instituts (RKI, vormals Bundesgesundheitsamt). Im § 23 Absatz 3 des Infektionsschutzgesetzes findet sich ein expliziter Bezug auf diese Empfehlungen, welche dadurch ein hohes Maß an Verbindlichkeit und somit quasi einen Gesetzes-Status erlangen. Es heißt dort: „Die Einhaltung des Standes der medizinischen Wissenschaften auf diesem Gebiet (Hygiene) wird vermutet, wenn jeweils die veröffentlichten Empfehlungen der Kommissionen KRINKO und ART beim RKI beachtet werden.“ Die Empfehlungen der KRINKO und ART werden im Bundesgesundheitsblatt veröffentlicht, sind aber bequem und stets aktuell von der Homepage des RKI herunterzuladen [5].

Verstöße gegen die (quasi verbindlichen) Empfehlungen können zu finanziellen Sanktionen (Bußgeldern in einigen Bundesländern) und im Schadensfall zu zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen führen. Die Einhaltung und Umsetzung wird daher dringend angeraten.

Vorhaltung von Fachpersonal

Eine Übersicht des notwendigen Fachpersonals zeigt die Tabelle 1. Die Beratung durch die genannten Hygiene-Fachkräfte kann durch externe Beratung eingeholt werden. Die Anzahl der tätigen Krankenhaushygieniker ist allerdings viel zu gering, um neben dem stationären Sektor auch die ambulanten Operateure mit zu versorgen. In Anbetracht dieses Mangels wird in manchen Bundesländern auf diese Vorgabe der Hygiene-Verordnung verzichtet, da sie schlicht und einfach nicht umsetzbar ist. Alternativ kann die Hygiene-Beratung auch durch private Anbieter oder durch einen Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie erfolgen. Diese Facharzt-Qualifikation ist in vielen medizinischen Laboren vorhanden, sodass sich eine Kooperation auf dieser Ebene als Alternative anbietet. Dies hat den Vorteil, dass diese Person auch gleichzeitig als Berater für den Einsatz von Antibiotika entsprechend den verpflichtenden Vorgaben des IfSG und der Hygiene-Verordnungen fungieren kann. Auch verschiedene Chirurgen-­Genossenschaften bieten eine umfassende Beratung und Be­treuung nicht nur in Hygiene-Fragen.

Tab. 1: Notwendiges Fachpersonal und Beratungen gemäß Hygiene-Richtlinien: Es wird dringend geraten, die ­länderspezifischen Anforderungen zu prüfen und umzusetzen.

Bezeichnung

Vorschriften

Frist zur Umsetzung

Hygiene-Kommission

Nur für Krankenhäuser verpflichtend

Krankenhaushygieniker

Externe Beratung

31.12.2019

Hygiene-Fachkraft

Externe Beratung

31.12.2019

Hygienebeauftragter Arzt (HBA)

Ein HBA muss in der Einrichtung beschäftigt sein*

31.12.2019

Hygienebeauftrage(r) in der Pflege

Nur für stationäre und vergleichbare Einrichtungen

31.12.2019

Hygienebeauftragte(r) MFA

In einigen Ländern (z. B. Bayern) Alternative für Ambulante Op.-Zentren

31.12.2019

Beratung zum Einsatz von Antibiotika (durch Apotheker oder Mikrobiologen)

Schon im Infektionsschutzgesetz vorgeschrieben

Sofort umzusetzen

Bauliche Beratung vor Bauten/Umbauten in Einrichtungen für Operationen

In unterschiedlicher Ausprägung Inhalt aller Hygiene-Verordnungen

Sofort umzusetzen

Ein entsprechender Beratungs-Vertrag muss einen Passus über ein Beratungshonorar enthalten, um den Verdacht von Zuweisungen an das Labor gegen einen geldwerten Vorteil zu vermeiden.

Nachdem die Hygiene-Verordnungen der Länder in der ersten Fassung eine Umsetzung der personellen Voraussetzungen bis spätestens Ende 2016 gefordert hatten, wurde diese Frist bereits auf Ende 2019 verlängert. Eine Ausnahme besteht für die Beratung zum Antibiotika-Verbrauch und -Einsatz, die sofort umgesetzt werden muss.

In manchen Bundesländern wird zusätzlich die Fortbildung und Beschäftigung einer Hygienebeauftragten Medizinischen Fachangestellten (MFA) vorgeschrieben. Dies als Korrelat für die „Hygienebeauftragte in der Pflege“ im Krankenhaus. Da insbesondere die Vorgaben für die Beschäftigung von Fachpersonal in den Bundesländern sehr unterschiedlich sind, muss dazu unbedingt die länderspezifisch gültige Hygiene-Verordnung analysiert und beachtet werden.

Die Systematik des Antibiotic Stewardship ist bisher nur für Krankenhäuser in einer schriftlichen Handlungsempfehlung der KRINKO näher spezifiziert worden. Für den ambulanten Bereich soll dies noch umgesetzt werden. Bis dahin bleibt unklar, ob der Gesamtverbrauch an Antibiotika bewertet werden soll oder nur die Antibiotikagabe nach eigenen Operationen bzw. Infektionen unter Beachtung des nachgewiesenen Keimspektrums. In jedem Fall ist es erforderlich, eine praxisindividuelle Verfahrensanweisung zur Indikation und Dauer von Antibiotika-Behandlungen unter Beachtung des individuellen Keimspektrums zu entwickeln und umzusetzen. Dazu gehört auch eine Verfahrensanweisung zur perioperativen Antibiotika-Prophylaxe (PAP) [8].

Zentraler Pfeiler: Der individuelle Hygieneplan

In den Anfängen des Qualitätsmanagements (QM) war es weit verbreitet, von der Industrie oder von Kollegen vorbereitete Hygienepläne zu übernehmen und lediglich in den Stammdaten an die eigene Einrichtung anzupassen. Dies ist nicht Sinn und Zweck des Hygieneplans. Es ist vielmehr unabdingbar, einen auf die eigene Einrichtung zugeschnittenen und individuell gestalteten Plan zu erstellen. Dieser Plan ist auch der Dreh- und Angelpunkt von behördlichen Überprüfungen und Begehungen und wird von diesen in der Regel vorab zur Beurteilung angefordert. Der Hygieneplan sollte als QM-Dokument angelegt und regelmäßig überprüft und aktualisiert werden. Der Plan geht weit über die Auflistung der Reinigungs- und Desinfektionsarbeiten und der dazu verwendeten Mittel hinaus und stellt somit die Zusammenstellung aller Verfahrensanweisungen der Praxis zur Umsetzung der Hygiene-Richtlinien dar. Er enthält mindestens die in der Tabelle 2 aufgeführten Elemente.

Tab. 2: Elemente eines Hygieneplans für die chirurgische Praxis

Händehygiene, Hautschutz und Hautpflege
Reinigungsplan der Praxis

Festlegung und Bewertung der eingesetzten Mittel für Reinigung, Desinfektion und Hautpflege

Fortbildungen und Kontrollmechanismen

Organisation der Aufbereitung von Medizinprodukten (Instrumenten-Sterilisation)

Strukturelle Vorgaben für Räume und Raumlufttechnik

Größe und Einrichtungen der Räume für Eingriffe und Operationen sind nicht verbindlich festgelegt. Es werden aber bei Begehungen gewisse Mindestgrößen aus praktischen Erwägungen gefordert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine ausreichende Größe der Räume das Arbeiten auch mit dem notwendigen Hilfspersonal und immer mehr technischen Geräten erlauben muss, ohne dass die räumliche Enge zu einer erhöhten Kontaminationsgefahr führt.

Die baulichen Strukturen für Eingriffs- und Operationsräume sind sowohl in den Vorgaben der Bundesärztekammer [15] als auch in den vertraglichen Vereinbarungen nach § 115 b geregelt, deren Einhaltung jeder Arzt schriftlich bestätigen muss, bevor er stationsersetzende Eingriffe über die kassenärztliche Vereinigung abrechnen will. Wie in allen anderen Bereichen des Hygiene-Managements bieten die Vorgaben der KRINKO [8] eine ausgezeichnete Orientierungshilfe. Entscheidend ist aber stets die fachliche Beurteilung durch die prüfende Gesundheitsbehörde. Daher wird dringend empfohlen, vor jeglichen (Um-)Baumaßnahmen im OP-Bereich oder vor Umzug in andere Räumlichkeiten eine verbindliche Beratung durch die Prüfbehörde einzuholen. Zumal dies auch in den Hygiene-Richtlinien der Länder in unterschiedlicher Stringenz vorgeschrieben ist.

Die 2018 überarbeitete KRINKO Empfehlung zur Prävention postoperativer Wundinfektionen [8] rückt erfreulicherweise von der früher üblichen schematischen Zuordnung von bestimmten operativen Eingriffen zur Erbringung in einem Eingriffs- oder Operationsraum ab. Der Begriff „Eingriffsraum“ findet sich dort nicht mehr. Es wird vielmehr gefordert, das individuell erbrachte Operationsspektrum nach dem daraus resultierenden Risiko einer postoperativen Wundinfektion (Surgical Site Infection/SSI) zu bewerten und daraus Schlüsse für die notwendigen strukturellen Bedingungen und organisatorischen Maßnahmen zu ziehen. Diese Risiko-Bewertung soll vom chirurgischen Fachvertreter gemeinsam mit dem beratenden Hygieniker durchgeführt werden. Demnach können bestimmte Eingriffe mit einem niedrigen Infektionsrisiko auch außerhalb der Operationsabteilung erbracht werden, wie es der gelebten chirurgischen Routine entspricht (Tab. 3).

Tab. 3: Orientierungsrahmen zur Einordnung von Operationen und invasiven Eingriffen gemäß unterschiedlichem postoperativem Infektionsrisiko (SSI) in Anlehnung an die KRINKO Empfehlung „Prävention postoperativer Wundinfektionen“ 2018 [8]. Entscheidend ist jeweils die individuelle Risiko-Beurteilung der durchgeführten Eingriffe in Absprache zwischen dem Chirurgen und beratendem Hygieniker.

Operationen und Eingriffe mit geringem SSI-Risiko*

Operationen und Eingriffe mit noch geringerem SSI-Risiko*

Alle übrigen Operationen mit durchschnittlichem oder hohem SSI-Risiko*

OP-Bereich mit modifizierten räumlichen Bedingungen

Hygienisch einwandfreier Raum auch außerhalb der OP-Abteilung

OP-Bereich mit allen strukturellen Voraussetzungen

  • Außerhalb des eigentlichen OP-Raumes liegende Nebenräume können zusammengefasst werden
  • Bei mobilen Patienten keine Umlagerung (Schleusung) erforderlich
  • Raumluft-technische Einrichtungen aus hygienischer Sicht verzichtbar
  • Die räumlichen Funktionen/strukturellen Voraussetzungen sind dort zusammengefasst
  • Ausreichend großer Raum
  • Oberflächen leicht zu reinigen und zu desinfizieren
  • Steriler Schutzkittel, Haarschutz und Mund-Nase-Schutz sind nicht regelhaft erforderlich
  • Sterilabdeckung und Personalbekleidung nach Erfordernis
  • Ein oder mehrere OP-Räume mit je einem OP-Tisch
  • Fläche oder Raum für Narkoseeinleitung und Patientenvorbereitung
  • Fläche oder Raum für Narkoseausleitung und unmittelbare Patientennachsorge
  • Fläche oder Raum für Händedesinfektion
  • Lagerräume für saubere Geräte, für Sterilgut und für andere Vorräte
  • Mitarbeiteraufenthaltsraum
  • Raum für die Aufbereitung unreiner/benutzter Geräte
  • Raum zur Lagerung von Reinigungsutensilien
  • Schleusensysteme für Personal, Patienten, reine Güter, unreine Güter
  • Aufwachraum/-bereich
  • Abstellplatz für OP-Tische
  • Raum für Dokumentation und Verwaltung
  • Raum oder Fläche zur Händewaschung
  • Ggfs. Vorbereitungsraum für Instrumentiertische
  • Ggfs. Patientenumkleideraum
  • Räumliche Trennung septisch/aseptisch nicht erforderlich

Kleine Eingriffe:

  • an der Haut/Subkutis
  • am Auge
  • in der Mund-/Kiefer-/Stirnhöhle
  • Endoskopie von Körperhöhlen
  • Abszesseröffnung
  • Interventionelle Radiologie bzw. Kardiologie (außer bei regelhaft erwartetem Verfahrenswechsel)

Invasive Maßnahmen:

  • Entfernung von im Hautniveau liegenden Tumoren oder Fremdkörpern
  • Versorgung von Verletzungen der Haut oder der Subkutis (außer wenn sehr ausgedehnt)

Gilt für alle anderen Operationen und invasiven Maßnahmen, die hier in den beiden linken Spalten nicht genannt werden.

* Gemäß KRINKO-Empfehlungen

Von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung des SSI-Risikos ist weiterhin die einrichtungsinterne Infektionsstatistik (Surveillance) und deren Interpretation gemeinsam mit dem beratenden Hygieniker. Die aktuelle KRINKO Empfehlung [8] geht unter diesem Gesichtspunkt sehr detailliert auf alle relevanten Ausstattungsfragen ein. So werden z. B. notwendige Bodeneinläufe innerhalb eines Operationsraums (z. B. für Arthroskopie-Säle) als zulässig beurteilt, sofern durch technische Maßnahmen eine Kontamination der Umgebung verhindert wird.

Die Frage, welche Raumlufttechnik vorgeschrieben ist, führt immer wieder zu Kontroversen mit den prüfenden Behörden. Grundsätzlich gilt beim Einsatz von Klimaanlagen, dass diese die in der Tabelle 4 aufgeführte Klassifizierung einhalten und regelmäßig gewartet werden müssen. Aus den aktuellen KRINKO-Empfehlungen ist die zwingende Vorhaltung von raumlufttechnischen Anlagen unter hygienischen Gesichtspunkten nicht abzuleiten [8].

Tab. 4: Raumklassen für Operationsbereiche nach DIN 1946 Teil 4 (Fassung 2008).

Raumklasse Ib*

(3-stufige Filterung)

Überdruck von ca. 50 mbar im Op.

Raumklasse II

(2-stufige Filterung)

Operationsraum

Flure im OP-Bereich

Ein- und Ausleitung

Waschraum

Lager für Geräte und Instrumente

Ver- und Entsorgung

* Für die gelegentlich von Gesundheitsbehörden aufgestellte Forderung einer TAV (Laminar Air Flow, Raumklasse Ia) gibt es keine Grundlage in den Empfehlungen der KRINKO [12]. Für ältere Operationsbereiche gilt teilweise noch die ältere Fassung (1999) der DIN 1946-4 mit abweichenden Regeln.

Gleichwohl kann sich diese Verpflichtung aus den Regeln des Arbeitsschutzes (Technische Regeln für Arbeitsstätten, ASR) ergeben. Es ist bekannt, dass bei fehlender Klimaregelung der CO2-Gehalt und die Temperatur der Raumluft rasch ansteigen, was zu mangelnder Konzentration und Beschwerden der OP-Mannschaft und damit zu einer Qualitätsminderung führen kann. Die Evidenz einer Risikoreduzierung von Infektionen durch eine turbulenzarme Verdrängungsströmung (TAV/LAF = Laminar Flow) wird unterschiedlich bewertet, sodass der Einsatz dieser aufwändigen Technik (Raumklasse Ia) laut KRINKO-Empfehlung [8] nicht zwingend vorgeschrieben ist. Für kurze Eingriffe ist sogar eine Fensterlüftung zwischen den Operationen bei Verwendung eines Insektengitters an den Fenstern vertretbar.

Aufbereitung von Medizinprodukten

Kein anderer Bereich des Hygiene-Managements in der Praxis hat sich in den letzten Jahren so diversifiziert wie die Instrumenten-Aufbereitung. Dies liegt auch daran, dass es durch Fehler in diesem Bereich zu spektakulären Schadensfällen mit weitreichenden Komplikationen und sogar Todesfällen gekommen ist. Der Umgang mit Medizinprodukten ist im Medizinproduktegesetz umfänglich geregelt. Für chirurgische Praxen ist die Medizinprodukte-Betreiber-Verordnung (MPBetreibV) von besonderer Bedeutung, die zum 01.01.2017 novelliert wurde [12]. Die Instrumentenaufbereitung ist im § 8 geregelt. Damit untrennbar verbunden sind die ausführlichen und sehr differenzierten Empfehlungen der KRINKO und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) [5].

Der Betreiber ist bei der Aufbereitung verantwortlich für:

  • die Risikobewertung und Einstufung der Medizinprodukte (Instrumente),
  • die schriftliche Definition der Aufbereitungsschritte (Verfahrens- und Arbeitsanweisungen),
  • die Durchführung der Dokumentation der Aufbereitung,
  • die Validierung der Verfahren zur Reinigung, Desinfektion und Sterilisation sowie
  • die Ressourcen, also qualifiziertes Personal, Betriebsmittel, Räumlichkeiten.

Grundsätzlich wird die maschinelle Reinigung und Desinfektion der Instrumente empfohlen, für Hohlkörperinstrumente der Klasse Kritisch B ist der Einsatz eines Reinigungs- und Desinfektionsgerätes (RDG) unabdingbar. Sowohl dieses Gerät als auch der verwendete Sterilisator müssen regelmäßig gewartet und validiert werden. Zur Validierung gehört der gesamte Prozess der Instrumentenaufbereitung von der Ablage nach dem operativen Eingriff bis zur Verbringung an einen geeigneten Lagerplatz in der Praxis.

Darüber hinaus gelten strenge Maßstäbe für die Fortbildung und Qualifikation des für die Instrumentenaufbereitung eingesetzten Fachpersonals. Grundsätzlich wird der Nachweis der Sachkunde durch einen 40-stündigen von der DGSV (Deutsche Gesellschaft für Sterilgutversorgung) anerkannten Lehrgangs gefordert. Als weiteres Erschwernis muss ein besonders qualifizierter „Beauftragter für Medizinproduktesicherheit“ in der Einrichtung beschäftigt werden, sofern regelmäßig mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigt werden. Dies kann auf größere ambulante OP-Zentren durchaus zutreffen.

Der technische und personelle Aufwand der Aufbereitung hat durch die verschärften Vorgaben dermaßen zugenommen, dass vermehrt Alternativen zur Sterilisation in der eigenen Einrichtung gesucht werden:

1.Outsourcing der Aufbereitung: Die Übertragung der Aufbereitung an Fremdfirmen oder die Kooperation mit zertifizierten Aufbereitungseinrichtungen in benachbarten Kliniken kann zu erheblichen Einsparungen führen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Mehrbedarf an Instrumenten bzw. Sieben resultiert und auch der gesamte Transportprozess unter hygienischen Gesichtspunkten bewertet und gesichert werden muss.

2.Verwendung von Einmalinstrumenten: Für einfache chirurgische Eingriffe kommt auch die Verwendung von Einmalinstrumenten in Betracht. Danach ist allerdings das Problem einer hygienisch einwandfreien und trotzdem umweltgerechten Entsorgung zu lösen. Darüber hinaus sollten die Lieferfirmen auf eine ausreichende Corporate Social Responsibility (CSR) festgelegt werden, um die Lieferung von Einmalprodukten aus Entwicklungsländern unter Einsatz von Kinderarbeit zu verhindern.

Beide Möglichkeiten des Outsourcings bieten die Chance auf betriebswirtschaftliche Einsparungen, wenn der stetig wachsende materielle und personelle Aufwand für die leitliniengerechte Aufbereitung von Medizinprodukten dagegen kalkuliert wird.

Hygiene bei häufigen Prozeduren in der chirurgischen Praxis

Der Hygieneaufwand für chirurgische Prozeduren muss in einem rationellen Verhältnis zur davon ausgehenden Infektionsgefahr stehen. Da Infektionen insgesamt sehr selten auftreten, kann man als Chirurg in der Regel nicht auf eigene Erfahrungen zurückgreifen, sondern muss sich auf die Ergebnisse von wissenschaftlichen Studien verlassen. Für die häufig in der chirurgischen Praxis durchgeführten Injektionen und Punktionen bietet die Empfehlung der KRINKO dazu eine Einteilung in vier Risikoklassen (Tab. 5), die einen steigenden Aufwand für Desinfektion, Abdeckung und persönlicher Schutzausrüstung erfordern [7].

Tab. 5: Risikoklassifizierung nach KRINKO [7] für Injektionen und Punktionen: Die in der chirurgischen Praxis häufigen ­Gelenkpunktionen sind der Risikoklasse 3 zugeordnet und erfordern einen hohen hygienischen Aufwand.

Gruppe

Beschreibung

Beispiele

1

Einfacher Punktionsablauf Geringes Infektionsrisiko

Subkutane, i. v.-Injektion i. m.-Injektion

2

Wie Gruppe 1, zusätzlich dokumentierte ­schwerwiegende Infektionsfolgen bei Infektion

Shunt-Punktion bei Dialyse Punktion Portkammer Lumbalpunktion

3

Punktion von Organen und Hohlräumen

Gelenkpunktion Transvaginale Zystenpunktion

4

Komplexe Punktion mit Ablage von Zubehör, ­Einbringen Katheter in Körperhöhlen oder tief ins Gewebe

Thorax-Drainage

Periduralkatheter

Besonderes Augenmerk verdienen dabei vor allem die im chirurgisch-orthopädischen Bereich häufig durchgeführten Gelenkinjektionen. Das Qualitätsmanagement der Praxis muss eine dezidierte und auf die Praxis individuell zugeschnittene Arbeitsanweisung zu dieser häufigen und risikobelasteten Prozedur enthalten. Sofern die Vorgaben der Leitlinie der wissenschaftlichen Fachgesellschaft DGOOC [11] nicht eingehalten werden, kann es bei Eintreten einer Gelenkinfektion zu rechtlichen Problemen kommen.

Hygiene bei Gelenkpunktionen und Gelenkinjektionen

Eine Gelenkinfektion nach Punktion und/oder Injektion stellt eine gravierende Komplikation dar, ist aber gemäß der Literatur nicht komplett vermeidbar. Gleichwohl muss das Risiko für den Patienten so weit wie möglich und im Praxisablauf zumutbar reduziert werden. Dazu gehört an erster Stelle eine strenge Indikationsstellung. Die hier dargestellten Grundsätze gelten für Gelenkpunktionen, am häufigsten durchgeführt am Kniegelenk, und analog auch für Punktionen und Injektionen in gelenknahen Bereichen, z. B. subakromial an der Schulter.

Gelenkerguss/Hydrops/Hämarthros

Konkurrierend zur Entlastung eines Ergusses bzw. eines Hämatoms im Gelenk sind die Möglichkeiten der medikamentösen Behandlung mit Antiphlogistika und physikalischer Maßnahmen mit Schonung und Kühlung zu erwägen. Eine notfallmäßige Punktion bzw. Entlastung ist nur in seltenen Fällen bei extremer Ausprägung und starken Schmerzen indiziert. Am Hüftgelenk kann die Entlastung eines Hämarthros zur Sicherung der Hüftkopfdurchblutung indiziert sein. Die früher gelegentlich gestellte Indikation zur Unterscheidung zwischen Reizerguss und intraartikulärem Hämatom ist durch moderne Diagnoseverfahren (MRT) nicht mehr zu halten. Eine intraartikuläre Injektionsbehandlung mit Hyaluronsäure ist in der nicht-operativen Arthrosetherapie etabliert. Intraartikuläre Cortison-Injektionen sind fester Bestandteil der Rheumatologie, ansonsten aber bezüglich der Evidenz umstritten. Gleichwohl kann dies bei einer aktivierten Arthrose mit schmerzhaftem Gelenkerguss indiziert sein. Bei strenger Indikationsstellung nimmt die Frequenz von Gelenkpunktionen und -injektionen in der Praxis deutlich ab. Eine dokumentierte Aufklärung des Patienten hat grundsätzlich die Risiken dieses Eingriffs, speziell das Infektionsrisiko, und alternative Behandlungsmöglichkeiten zum Inhalt. Das Infektionsrisiko wird nach Literaturangaben sehr unterschiedlich und bis zu 0,6 % angegeben. Grundlage der Aufklärung sollten die Angaben aus der Leitlinie [11] sein, die ein Risiko zwischen 1 : 20.000 und 1 : 50.000 aufführt.

Räumliche Voraussetzungen

Um das Risiko einer Keimverschleppung zu reduzieren, empfehlen die aktuellen Leitlinien [14], die Punktion mindestens unter den räumlichen Bedingungen eines sogenannten Eingriffsraums durchzuführen. Bei der Lagerung des Patienten ist darauf zu achten, dass keine Kontamination durch Kleidungsstücke des Patienten erfolgen kann. Eine Kniegelenkspunktion erfordert daher in der Regel das Entkleiden der unteren Extremitäten des Patienten. Von einer Rasur bei starker Körperbehaarung wird abgeraten. Nur wenn die Haare stören wird die Kürzung durch „Clipping“ empfohlen. Für die Hautdesinfektion beim Patienten ist Wisch- oder Sprühdesinfektion möglich. Dazu müssen aber die Anwendungshinweise des eingesetzten Desinfektionsmittels vor allem hinsichtlich der Einwirkzeit beachtet werden. In der Regel ist eine Wartezeit von mindestens einer Minute, bei talgdrüsenreicher Haut auch drei Minuten einzuhalten.

Die Leitlinien zeigen keine Evidenz für das Tragen steriler Handschuhe bei der Punktion, jedoch liegt einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung dazu vor, sodass dies dringend zu empfehlen ist. Sofern ein Spritzenwechsel mit Diskonnektierung erfolgt, wird auch das Tragen eines Mund-/Nasen-Schutzes empfohlen. Zur Vermeidung eines Stanzzylinders intraartikulär können speziell angeschliffene Spezialkanülen verwendet werden oder eine Vor-Injektion mit Lokalanästhesie extraartikulär im Subkutangewebe. Abschließend wird ein steriles Wundpflaster aufgebracht. Eine schriftliche Information zum Verhalten bei Komplikationen und die Angabe einer Notfall-Telefonnummer muss mitgegeben werden.

Es sind zahlreiche Verfahren bei den Schlichtungsstellen für Arzthaftpflichtfragen wegen Gelenkinfektionen nach Punktion/Injektion bekannt geworden, sodass die Einhaltung und Dokumentation des geschilderten Ablaufs zur Abwehr ungerechtfertigter Ansprüche dringend empfohlen wird.

Abb. 1: Vorbereitung zur Durchführung einer Kniegelenkspunktion mit hygienischer Händedesinfektion.

Abb. 2: Anreichen der Materialien unter aseptischen Bedingungen: Da eine Dekonnektierung erfolgt, tragen Arzt und MFA einen Mund-Nasen-Schutz.

Abb. 3: Punktion unter aseptischen Bedingungen im Eingriffsraum; Abdeckung mit Lochtuch optional

Hygiene bei ambulanten Operationen

Die Regeln der Asepsis bei Operationen und der präoperativen Händedesinfektion sind täglicher Bestandteil der Facharztweiterbildung sowie der späteren Tätigkeit des Chirurgen und bedürfen somit hier keiner weiteren Erläuterung. Gleichwohl haben sich in den letzten Jahren einige Details im empfohlenen Vorgehen geändert, die in Folgenden kurz aufgezählt werden.

Händehygiene

Während die präoperative Händedesinfektion für jeden Chirurgen zur Selbstverständlichkeit geworden ist, bedarf es bezüglich der regelmäßigen hygienischen Händedesinfektion im täglichen Praxisbetrieb noch einer Verbesserung des Bewusstseins. Die regelmäßige 30-sekündige Händedesinfektion vor und nach jedem Patientenkontakt steht daher im Fokus vieler Hygiene -Fortbildungsveranstaltungen. Es ist nicht zu unterschätzen, welche wesentliche Bedeutung hier die Vorbildfunktion der Chefs in den chirurgischen Praxen hat. Zur pragmatischen Umsetzung empfiehlt es sich daher, Desinfektionsmittelspender in großer Anzahl zumindest in jedem Behandlungsraum, aber auch an strategisch günstigen Positionen in den täglichen Laufwegen des medizinischen Personals anzubringen. In der aktuellen Fassung der KRINKO-Empfehlung zur Händehygiene (Stand 2016) werden ausdrücklich Maßnahmen zur Verbesserung der Compliance der Mitarbeiter in Gesundheitseinrichtungen gefordert [6]. Eine geeignete Maßnahme ist die Visualisierung des Effektes der Einreibetechnik z. B. mit einem fluoreszierenden Farbstoff (Abb. 4-5)

Abb. 4: Verteilung des Desinfektionsmittels, mit fluoreszierendem Farbstoff sichtbar gemacht

Abb. 5: Selbstkontrolle und kollegialer Crosscheck der Qualität der Händedesinfektion der MFA

Um einen Eindruck von der tatsächlichen Umsetzung dieser wesentlichen Hygiene-Regel zu erhalten, wird die Einrichtungsbefragung im Rahmen der SQS (s. dort) den Verbrauch an Händedesinfektionsmittel abfragen und eine Berechnung des Verbrauchs pro behandelte Patienten errechnen. In der ersten Konzeption wurde gefordert, diesen Verbrauch um den im OP-Bereich zu vermindern. Mittlerweile wurde erkannt, dass diese Forderung nicht umzusetzen ist. Jedoch sollten die Praxen schon jetzt darauf achten, dass der jährliche Verbrauch dokumentiert wird. In der Regel kann dabei auf die Statistik der Lieferanten zurückgegriffen werden.

Einmalmaterial und Verzicht auf Inzisionsfolien

Der Einsatz von Einmalmaterial sowohl für die sterile Abdeckung des OP-Feldes als auch für OP-Mäntel hat sich weitgehend durchgesetzt. Dafür sprechen nicht nur betriebswirtschaftliche Erwägungen, welche die hygienisch einwandfreie Aufbereitung von OP-Wäsche durch eine zertifizierte Wäscherei als unwirtschaftlich darstellen, sondern auch hygienische Argumente. Moderne Einmalmaterialien haben zahlreiche Vorteile im Hinblick auf Freiheit von Baumwollpartikeln und Feuchtigkeitsdichte [8]. Die Verwendung von Inzisionsfolien bringt keinen nachweisbaren Vorteil. Im Gegenteil kann es sogar durch Ansammlung von Blut, Sekret und Spülflüssigkeit zu einer erhöhten Keimzahl im OP-Gebiet kommen [8].

Clipping statt Rasur

Die früher übliche präoperative Rasur des OP-Gebietes (am Tag vor der Operation) führt nachweisbar zu einer Keimvermehrung im OP-Gebiet und erhöhten postoperativen Infektionsraten [8]. Daher wird empfohlen, Körperbehaarung nur dann zu entfernen, wenn sie sich als mechanisch störend erweist und in diesem Falle durch ein sogenanntes „Clipping“ statt der Rasur. Dabei werden die Haare maschinell oder mit einer Schere auf einige mm gekürzt, sodass sie mechanisch nicht mehr stören. Verletzungen der Haut werden dadurch vermieden. Sofern eine Rasur unmittelbar vor einer chirurgischen Maßnahme erfolgt, z. B. vor einer Wundversorgung, ist aus hygienischer Sicht dagegen nichts einzuwenden.

Perioperative Antibiotika-Prophylaxe durch Single Shot-Gabe

Aus wissenschaftlichen Studien ist belegt, dass bei Risikoeingriffen eine perioperative Antibiotika-Prophylaxe zur Senkung des Risikos einer postoperativen Infektion beiträgt. Die Gabe des Antibiotikums sollte präoperativ so rechtzeitig erfolgen, dass ein ausreichender Wirkspiegel beim Hautschnitt vorliegt. Eine Einmalgabe (Single Shot) ist ausreichend und eine Fortsetzung als postoperative Prophylaxe wird als unnütz, gefährlich und teuer bewertet [8]. Die Auswahl des Antibiotikums hängt vom Eingriff und dem zu erwartenden Keimspektrum ab. Bei längeren Eingriffen ist ggf. eine erneute Gabe nach drei Stunden empfehlenswert.

Infektionsstatistik (Surveillance)

Eine systematische Erfassung und Bewertung von postoperativen Infektionen war schon in der Erstfassung des Infektionsschutzgesetzes zwingend vorgeschrieben. Als ideales Instrument hierfür galt bisher das AMBU-KISS Verfahren des NRZ, welches leider wegen ungeklärter Finanzierungsfragen zum Jahr 2018 eingestellt wurde. Somit ist die ambulante Operationseinrichtung gezwungen, ein anderes (anerkanntes) Verfahren zu verwenden. Sinn und Zweck ist es, durch eine systematische Aufzeichnung von Infektionen Hinweise auf Häufungen bzw. Ausbrüche zu erhalten und zeitnah zielgerichtete Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Es empfiehlt sich, dies zusammen mit der Analyse und der Bewertung des Antibiotikaverbrauchs zu organisieren. Die bisher ermittelten Infektionsraten aus dem AMBU-KISS können als Benchmark zu den eigenen Daten dienen. Bei einer geringen Infektionsrate ohne Hinweis auf außergewöhnliche Häufungen hält sich der administrative Aufwand in Grenzen. Woischke hat ein entsprechendes Dokumentationsblatt entwickelt und vorgeschlagen [14].

Hygiene bei Verbandwechseln

Nach den aktuellen Empfehlungen sollte der erste routinemäßige postoperative Verbandwechsel nicht vor Ablauf von 48 Stunden erfolgen, sofern nicht besondere Umstände eine frühere Wundkontrolle erfordern [8]. Nach zwei Tagen ist die Wunde häufig bereits so gut verheilt, dass auf einen weiteren sterilen Verband verzichtet werden kann. Gemäß den Hygiene-Vorgaben sind bei Verrichtungen am Patienten stets keimarme (unsterile) Handschuhe zu tragen, sofern es zu einer Kontamination mit Erregern kommen kann. Bei Manipulationen an perkutanen Drainagen und beim Wechsel einer Drainageflasche werden sterile Einmalhandschuhe empfohlen.

Umgang mit potenziell infektiösen Patienten

Nicht selten stellt sich für die chirurgische Praxis das Problem, dass Verbandwechsel und Wundbehandlungen bei Patienten erforderlich werden, bei denen eine Keimbesiedlung der Wunde mit ORSA/MRSA- oder anderen multiresistenten Keimen bekannt ist oder aus der Vorgeschichte (v. a. Unterbringung in Altenheimen) vermutet werden kann. Diese Patienten sollten ohne Wartezimmeraufenthalt in den Behandlungsraum gebracht werden. Die Maßnahmen der Basishygiene (Händedesinfektion, Tragen von Untersuchungshandschuhen) sind hier sorgfältig einzuhalten. Eine Erregertransmission ist insbesondere über kontaminierte Flächen zu befürchten, sodass bei Verbandwechseln besondere Sorgfalt und Vorsicht vonnöten ist. Wenn eine Kontamination der Arbeitskleidung nicht auszuschließen ist, muss ein ausreichend großer Schutzkittel getragen werden. Ein Mund-Nasen-Schutz dient der Prävention einer Selbst-Kolonisierung des Personals, sobald eine Tröpfcheninfektion nicht auszuschließen ist, z. B. bei der Pflege eines Tracheostomas. Nach Verlassen des Behandlungsraums ist eine sorgfältige Flächendesinfektion erforderlich, sodass die meisten Chirurgen organisatorisch sicherstellen, dass potenziell infektiöse Patienten an den Schluss der Sprechstunde terminiert werden.

Abfallentsorgung

Bei der Entsorgung von Abfällen aus Arztpraxen steht vor allen die Vermeidung von Infektionen durch kontaminierte Abfälle im Fokus [9]. An erster Stelle muss der Schutz des eigenen Personals einschließlich der Reinigungskräfte gewährleistet sein, indem für alle spitzen und scharfen Gegenstände (AS 180101) zuverlässig stichsichere Behälter eingesetzt werden. Sofern diese fest und sicher verschlossen werden können, sind diese mit dem allgemeinen Hausmüll zu entsorgen. Das gleiche gilt auch für mit Blut und Sekreten kontaminierte Tupfer und Kompressen sowie für das Abdeckungsmaterial.

Infektiöser Müll (AS 180103) dürfte in chirurgischen Praxen nur in Ausnahmefällen vorkommen.

Eine häufige Frage bezieht sich auf die Entsorgung von Exzidaten. Für Organe und Extremitätenteile gilt ein gesonderter Abfallschlüssel (AS 180102). Diese müssen einer gesonderten Entsorgung zugeführt werden. Chirurgische Exzidate dürften in der Regel zur histologischen Aufarbeitung an Pathologie-Institute eingesandt und von dort entsorgt werden. Sofern es sich um kleinere Gewebeteile, z. B. aus Wundrandexzisionen oder um nicht untersuchungspflichtige Gewebeteile handelt, können diese zusammen mit dem anderen Operationsmüll entsorgt werden. Es ist lediglich vorgeschrieben, diesen Müll in der Praxis gesondert zu lagern und eine Kontamination der Umgebung durch verschlossene Behältnisse zu vermeiden. Es empfiehlt sich aber, die Satzung des regionalen Entsorgungsunternehmens zu konsultieren, da hier im Einzelfall abweichende Vorschriften enthalten sein können.

Begehungen durch die Gesundheitsbehörden

Zuständig für Begehungen sind die örtlichen Gesundheitsbehörden, in der Regel das zuständige Gesundheitsamt (§ 23 (6) IfSG) [1].

Des Weiteren prüft das zuständige Gewerbeaufsichtsamt die Einhaltung der Vorschriften zur Aufbereitung von Medizinprodukten. Darüber hinaus gibt es länderspezifisch unterschiedliche Zuständigkeiten, z. B. bei den Bezirksregierungen. Die Ärzteschaft beklagt zu Recht, dass es häufig keine Koordination der verschiedenen Prüfbehörden gibt und dass die Inhalte der Prüfungen Redundanzen enthalten und somit den bürokratischen und finanziellen Aufwand für alle Beteiligten unnötig vergrößern. Zudem kommen unterschiedliche und zum Teil sich widersprechende Beurteilungen von hygienischen Situationen vor. Hier ist der Gesetzgeber aufgefordert, Vorgaben für eine verbesserte Koordination und Regelungen zur Vereinheitlichung der Vorgaben zu entwickeln.

Eine Begehung durch die Gesundheitsbehörden wird in der Regel zeitgerecht zuvor angekündigt und durch schriftliche Abfragen vorbereitet [13]. Die zentrale Frage gilt dabei meist dem Hygieneplan sowie z. B. den durchgeführten Personalschulungen und den eingesetzten Desinfektionsmitteln. Der Umfang der Überprüfung vor Ort ist unterschiedlich und meist auch abhängig von Erst- oder Wiederholungsprüfung. Darüber hinaus sind die Begehungen mit Kosten für die Praxis verbunden, die leider von den Krankenkassen nicht refinanziert werden. Während der Begehung sollte unbedingt das Hygiene-Fachpersonal der Praxis anwesend sein.

Es empfiehlt sich dringend, die Hygieneexperten der Gesundheitsbehörden als kompetente Ratgeber zu verstehen und etwaige Vorschläge zur Verbesserung der hygienischen Bedingungen zeitnah umzusetzen. In der Regel reicht dann die schriftliche Bestätigung über die Durchführung der Maßnahmen aus. Aus den mitgeteilten Erfahrungen ist zu entnehmen, dass es nur in extremen Einzelfällen zu (vorübergehenden) Schließungen von Einrichtungen gekommen ist. Gleichwohl ist teilweise der Aufwand für die Umsetzung von hygienischen Verbesserungen erheblich. Außerdem sehen die meisten Hygiene-Richtlinien finanzielle Sanktionen bei grober Missachtung von Vorgaben vor.

Zukunftsperspektive, HBA und Finanzierung

Insgesamt hat sich der administrative und bürokratische Aufwand zur Sicherung einer optimalen Hygiene in den letzten Jahren vervielfacht. Dies setzt insbesondere Einzelpraxen unter Druck, denn die Umsetzung ist aufwändig und zeitintensiv. In Gemeinschaftspraxen ist dies durch Delegation auf einen der Partner einfacher zu realisieren, der dann auch die Qualifikation als Hygienebeauftragter Arzt (HBA) erwerben sollte. Entsprechende Fortbildungs-Curricula werden unter anderem vom Berufsverband der Deutschen Chirurgen und von der Bundesärztekammer angeboten [10]. Blended-Learning-Kurse reduzieren den Präsenzteil auf einen Arbeitstag und reduzieren damit die Umsatzverluste durch Abwesenheit des Arztes. Grundsätzlich sollte in jeder Einrichtung für ambulantes Operieren mindestens ein Arzt beschäftigt werden, der die Qualifikation als Hygienebeauftragter Arzt besitzt. In fast allen Hygieneverordnungen der Länder ist dies auch vorgeschrieben.

Sofern sich der Chirurg in einem ambulanten Operationszentrum einmietet, ist der jeweilige Betreiber für die Umsetzung der Hygiene-Richtlinien verantwortlich. Unabhängig davon wird sich der erhöhte Aufwand aber auf die dafür entstehenden Kosten auswirken. Für die Aus- und Weiterbildung von Hygienepersonal in den Krankenhäusern werden gesetzlich vorgeschrieben bis 2020 fast 500 Mio. Euro zusätzlich von den Krankenkassen bereitgestellt. Für die niedergelassenen ambulanten Operateure hat ein Gutachten von Woischke [14] durchschnittliche zusätzliche Hygiene-Kosten von 55 Euro pro Eingriff ergeben. Trotzdem konnte bisher keine gezielte finanzielle Förderung durch die Krankenkassen für die niedergelassenen Operateure erreicht werden. Dies bleibt aber eine wesentliche Forderung der KBV im Rahmen der Reform des EBM und auf regionaler Ebene.

Es ist das Ziel jeder chirurgischen Praxis, die bestmöglichen hygienischen Bedingungen für die Patienten zu gewährleisten. Die heute schon bestehenden Vorgaben der Qualitätssicherung erfordern einen hohen personellen und organisatorischen Aufwand, der sich betriebswirtschaftlich nur noch in größeren Kooperationen wie Gemeinschaftspraxen und ambulanten Operationszentren einigermaßen darstellen lässt. Die chirurgischen Praxen stellen sich grundsätzlich dieser Herausforderung, fordern jedoch analog zum Krankenhausbereich einen adäquaten finanziellen Ausgleich für den erhöhten personellen und organisatorischen Aufwand und darüber hinaus die Vermeidung unnötiger Bürokratie.

Kalbe P: Hygienische Herausforderungen für die chirurgische Praxis. Passion Chirurgie. 2019 Juli, 9(07): Artikel 03.

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Das Referat für „Niedergelassene“ stellt sich vor

Das Referat „Niedergelassene“ Chirurgen setzt sich aus mehr als 30 Regionalvertretern zusammen, die sich zwei- bis dreimal jährlich treffen, um berufspolitische Entwicklungen zu diskutieren sowie Erfahrungen auszutauschen. Dabei kommt der regionalen Gliederung eine hohe Bedeutung zu, weil sich die Rahmenbedingungen für chirurgische Praxen deutlich unterscheiden, je nachdem welche Kassenärztliche Vereinigung und welche Ärztekammer zuständig ist. Der Referatsleiter ist gemäß der BDC-Satzung Mitglied im erweiterten Vorstand. Das Referat hat sich in den letzten Jahren maßgeblich in die Reformen des EBM und der GOÄ eingebracht. Die niedergelassenen BDC-Mitglieder werden bei Bedarf individuell sowie in Seminaren und in Vortragsveranstaltungen auf den chirurgischen Kongressen beraten. Besondere Schwerpunkte sind dabei u. a. die D-ärztliche Tätigkeit, Fragen der Abrechnung, der KV-Zulassung und der betriebswirtschaftlichen Praxisführung.

Es bestehen projektbezogene Kooperationen mit den anderen chirurgischen und orthopädischen Berufsverbänden. Gerade die über Jahre gewachsene vertrauensvolle Zusammenarbeit mit diesen Verbänden ist hilfreich bei der anstehenden Zusammenlegung von Orthopädie und Chirurgie im Rahmen der Abrechnung und der Bedarfsplanung.

Ein wichtiges Zukunftsprojekt ist die Verbesserung der sektorenübergreifenden Versorgung. Hier bringt sich das Referat mit Modellprojekten zur Ausgestaltung der chirurgischen Weiterbildung, der Implementierung von sektorenübergreifenden Fallpauschalen oder auch der Neustrukturierung der Notfallversorgung ein.

Der niedergelassene Chirurg ist das klassische Beispiel für gelebte sektorenübergreifende Versorgung. So ist er oft nicht nur ambulant vertragsärztlich oder als D-Arzt tätig, sondern häufig auch stationär als Beleg-, Honorar- oder Kooperationsarzt.

Die von Dirk Farghal geleitete Arbeitsgemeinschaft der Beleg- und Kooperationsärzte (AG BeKo) innerhalb des Referats „Niedergelassene“ versucht, eine Öffnung des Kapitels 36 im EBM für weitere belegärztliche Operationen zu erreichen und mittelfristig die Regelung des SGB V mit dem Erlaubnisvorbehalt im Belegarztwesen durch den Verbotsvorbehalt (wie im Krankenhaus) zu ersetzen. Weiterhin werden gemeinsam mit anderen Berufsverbänden, Geschäftsführern von Belegkrankenhäusern und mit der KBV neue Perspektiven für das Belegarztwesen gesucht. Ein weiterer Schwerpunkt ist die rechtssichere Vertragsgestaltung für die Kooperationsärzte aufgrund des Antikorruptionsgesetzes.

Kalbe P, Schmitz RW, Farghal D: Das Referat für „Niedergelassene” stellt sich vor. Passion Chirurgie. 2019 Februar, 9(02): Artikel 07_03.