Alle Artikel von Prof. Dr. Michael-J. Polonius

60 Jahre BDC – eine Zeitreise

Die Gründungszeit

Die Gründung des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen e.V. erfolgte auf der 77. Tagung der DGCH am 23. April 1960 im Deutschen Museum in München mit der Wahl von Prof. Kilian als ersten Vorsitzenden. Er hatte die Notwendigkeit einer berufspolitischen Vertretung neben der damals rein wissenschaftlichen Orientierung der DGCH erkannt und formulierte: „Die schwere Katastrophe, welche Deutschland am Ende des Zweiten Weltkrieges getroffen hat, stellte alle medizinischen Organisationen vor gewaltige Schwierigkeiten und große Aufgaben. Auf den wissenschaftlichen Kongressen wurden die einschlägigen Themen abgehandelt, zu einem fruchtbaren Gedankenaustausch über die beruflichen Belange und auch die Not des Einzelnen kam es nicht. Es wurde immer wieder ein empfindlicher Mangel hinsichtlich der Vertretung chirurgischer Interessen in den entscheidenden Gremien großer ärztlicher Organisationen, wie auch den Regierungen, bemerkbar.

Andere medizinische Disziplinen hatten inzwischen längst die Initiative ergriffen, ihre Interessen in Form von Berufsverbänden wahrzunehmen. Die Chirurgen kamen damit, wie leider so oft, um einige Jahre zu spät.“

Aus dieser Analyse resultierte die Gründung des Berufsverbands, der sich (auch heute noch) folgende Ziele und Aufgaben setzte:

  1. Die Vertretung aller chirurgischen Berufsbelange innerhalb der Ärzteschaft gegenüber den Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Ärztekammer und den Kassenärztlichen Vereinigungen; ferner gegenüber dem Staat, der Regierung und ihren Behörden.
  2. Die Beratung all dieser Organe hinsichtlich der chirurgischen Belange, einschließlich der Probleme der Facharztausbildung und der neuen Gebührenordnung, Fragen der chirurgischen Pflichten und Rechte sowie die Beratung von Berufskollegen in Facharztfragen.
  3. Die Wahrung der chirurgischen Interessen in der Öffentlichkeit und gegenüber der Presse.
  4. Der Berufsschutz des Chirurgen im Allgemeinen und nötigenfalls auch gegenüber dem Gericht.
  5. Der Schutz gegen eine Einengung und Schmälerung unseres Fachgebietes.

Die Aufbauzeit

Am 07.04.1961 auf der ersten Mitgliederversammlung des BDC nach seiner Konstituierung stellt sich der bisherige Vorsitzende Prof. Kilian nicht wieder zur Wahl. An seiner Stelle wird Prof. Dr. Wolfgang Müller-Osten zum neuen Vorsitzenden gewählt, der dieses Amt für den BDC prägend mehr als 20 Jahre lang ausübte.

Im Jahre 1969 erscheint die Nr. 1 der „Informationen des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen e.V.“ als Sonderdruck in „Der Chirurg“, 40. Jahrgang, 1969, Heft 1/2.

Die Zunahme juristischer Anfragen erforderte dringend die Mitarbeit eines Juristen. Prof. Dr. h.c. Walther Weißauer stand für die Beratung rechtlicher Fragen auf den Gebieten Arztrecht, Straf-, Zivil-, Verfassungs- und öffentliches Recht zur Verfügung. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit dauerte mehr als 30 Jahre und wird aktuell von Herrn Dr. Heberer mit großem Einsatz wahrgenommen. Ebenfalls unter Federführung von Weißauer wird für die Mitglieder des Berufsverbandes eine Strafrechtsschutzversicherung abgeschlossen. Dieser folgen rasch weitere Versicherungspakete über günstige Rahmenverträge als wichtige Serviceleistung des BDC.

Nach anfänglichem gegenseitigen Misstrauen hat sich das Verhältnis zwischen BDC und DGCH zu einem auch in der Satzung verankerten Miteinander gewandelt. Zum zehnjährigen Bestehen des BDC erklärte Prof. Dr. L. Zuckschwerdt, Hamburg:

„Noch ein Wort zum Verhältnis der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und dem Berufsverband. Beide haben eine Reihe gemeinsamer Aufgaben, Zusammenarbeit ist also unerlässlich. Andererseits haben beide Gesellschaften verschiedene Schwerpunkte. Dies bedingt, dass beide in manchen Dingen eine verschiedene Sprache sprechen müssen. Es ist eine Aufgabe beider Gesellschaften, hier keine Sprachverwirrung entstehen zu lassen. Das gleiche gilt für eine klare Definition der Schwerpunkte beider. Der vorwiegend wissenschaftlich tätige Chirurg darf nicht vergessen, dass Schwerpunkte des Berufsverbandes auch für ihn von Bedeutung sind, der Praktiker, dass die wissenschaftliche Gesellschaft auch ihm etwas zu bieten habe.“

Der Verdienst von Müller-Osten liegt vor allem darin, einerseits den BDC zu einer starken berufspolitischen Vertretung gemacht zu haben, andererseits nie die partnerschaftliche Kooperation mit der DGCH aus den Augen verloren zu haben.

Mit Weißauer kommen Abkommen mit den Anästhesisten über die Intensivpflege, über Tätigkeiten zwischen Chirurgen und Urologen und über Abgrenzungen zu den Gynäkologen zustande.

1972 wird die Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände (GFB) unter maßgeblicher Beteiligung des Berufsverbandes gegründet.

1973 tritt der BDC der U.E.M.S. (Union Européenne des Médecins Spécialistes) bei. Voraussetzung für den Beitritt ist die Mitgliedschaft in der GFB, da es sich um einen europäischen Zusammenschluss berufsständischer Facharztverbände handelt.

„Die Deutsche Gesellschaft ist für die Chirurgie zuständig, der Berufsverband für die Chirurgen“ (Zitat Prof. Hempel)

Bedarfsanalysen und Strukturmodelle für die Chirurgen werden entwickelt. Zu Beschwerden kommt es wegen der neuen Chefarztverträge, bei denen das Liquidationsrecht auf die Krankenhausträger übergeht.

Nach 20 Jahren der Präsidentschaft erfolgt 1982 die Amtsübergabe an Prof. h.c. Dr. med. Karl Hempel. In diesem Rahmen mahnte Prof. Müller-Osten nochmals an:

„Der andere Aspekt, den vorzutragen mir ganz besonders am Herzen liegt, ist die Gefahr, dass Tendenzen wachsen könnten, den Berufsverband wieder in die wissenschaftliche Gesellschaft einzugliedern. Ich kenne aus der Vergangenheit die unglückliche Rolle, die sog. Berufsständischen Abteilungen, wissenschaftliche Gesellschaften in anderen Fachgebieten früher eingenommen haben und die sie erst nach großen Mühen durch Umwandlung in einen eigenen Berufsverband abstreifen konnten. Nur im Zusammenspiel zweier gleichrangiger Partner, die sich gegenseitig die Bälle zuwerfen, ist ein Erfolg zu erwarten. Es wäre eine ganz und gar unglückliche Entwicklung, wenn der Berufsverband Aufgaben der wissenschaftlichen Gesellschaft übernehmen und umgekehrt die wissenschaftliche Gesellschaft immer mehr Funktionen des Berufsverbandes an sich ziehen würde. Es ist erfreulich, wenn das gegenseitige Interesse an den Problemen zunimmt. Die Aktivität aber muss im jeweiligen zuständigen Rahmen erfolgen, weil sonst wieder die Gefahr entstünde, dass amateurhaftes Denken einzieht und keine gleichmäßige Berücksichtigung der Interessen aller Chirurgen erfolgt.

Ich habe mich bemüht, das vor zwanzig Jahren völlig fehlende Interesse für berufsständische Fragen in der wissenschaftlichen Gesellschaft zu wecken, um ein Miteinander herzustellen. Es darf nun nicht dazu führen, dass der eine Teil die Aufgaben des anderen an sich zieht. Die Gefahr ist groß, wenn die persönlichen Interessen der Akteure dazu verleiten. Diese sollten immer daran denken, dass ihre Bemühungen umso erfolgreicher sind, je mehr sie durch den Sachverstand der jeweiligen Organisation unterstützt und getragen werden. Dabei kommt es nicht nur auf die Öffentlichkeitswirksamkeit des Problems an, sondern allein auf die Zuständigkeit und die bestmögliche Erfolgsaussicht.“

Die Ausweitungszeit

Im Jahr 1985 wurde die Gründung einer Akademie für chirurgische Weiterbildung und praktische Fortbildung des BDC diskutiert und umgesetzt. Das erste Seminar wurde von Prof. Witte in Augsburg veranstaltet. Kurze Zeit später folgten weitere Seminare, aktuell mehr als 100 im Jahr.

Der Versicherungsschutz wird für Mitglieder des BDC deutlich erweitert (Gastärzte und Gastaufenthalte) ohne zusätzliche Prämienerhebung. Als weitere Serviceleistung wird die juristische Beratung von sog. Chefarztdienstverträgen angeboten.

Das Jahr 1990 und die folgenden Jahre standen auch für den Berufsverband ganz unter dem Eindruck der Wiedervereinigung Deutschlands. Der BDC sah zunächst eine seiner Hauptaufgaben darin, Kontakte zu den chirurgischen Kolleginnen und Kollegen der ehemaligen DDR herzustellen und sie in berufspolitischen Themen und Versicherungsfragen zu beraten und auch zu unterstützen. Nach anfänglicher leichter Skepsis kam es bald zu intensiven und kollegial freundschaftlichen Gesprächen und in deren Folge dann auch zu Gründungen von Landesverbänden in den dann „neuen Ländern“.

Im Mai 1991 verfasste der Vorstand des LV Sachsen-Anhalt eine schriftliche Stellungnahme zur Problematik des politischen Umbruchs. Angesichts der durchaus problematischen persönlichen Verstrickungen Einzelner in die Strukturen der SED und der Stasi plädierte der BDC für eine selbstkritische Verantwortung:

„Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen ist nicht das Gremium, um Auswüchse des Machtmissbrauchs zu untersuchen und zu verfolgen. Wir warnen überhaupt vor einem Klima der Hexenjagd. Die alleinige Mitgliedschaft in der SED darf kein Grund für Zurücksetzung oder Diskriminierung sein. Passive Verflechtungen in der Politik der SED, Mitläuferverhalten einerseits und bewusstes Ausnutzen und Missbrauchen von Macht andererseits ist nicht gleichzusetzen.

Der Vorstand meint, dass Ärzte, die im Vorleben ins Kreuzfeuer der Kritik geraten sind, nicht in führende Positionen wissenschaftlicher Gesellschaften oder standespolitischer Organisationen eintreten sollten, bevor diese Vorwürfe nicht ausgeräumt sind.

Jeder Betroffene sollte ehrlich für sich prüfen, ob er aus dieser Sicht geeignet ist, die Interessen der Kollegen zu vertreten oder ob es ihm besser zu Gesicht stünde, für einen Zeitraum der politischen Bewährung in den Hintergrund zu treten.“

Das „ambulante Operieren“ trat immer mehr in den Vordergrund auch des öffentlichen Interesses. Der BDC gründete einen Arbeitskreis „Ambulantes Operieren“.

Nachdem die minimal-invasive Chirurgie deutlich an Boden gewann, initiierte der Berufsverband Trainingskurse zur minimal-invasiven Chirurgie, Interesse und Beteiligung der Chirurgen waren außerordentlich groß.

1994 hat der Berufsverband die Marke von 10.000 Mitglieder (10.567) überschritten. Unter diesem Aspekt erscheint es nicht mehr denkbar, dass der Präsident allein die Leitung des Berufsverbandes einschließlich der Geschäftsstelle leitet. Daher wird beschlossen, einen hauptamtlichen Geschäftsführer einzustellen.

Am 1. April 1998 tritt Dr. Felsing sein Amt als erster hauptamtlicher Geschäftsführer des BDC an und hält die Verbindung zu Verbänden, Ärztekammern und KV sowie zur Politik.

Die Zeit der Konsolidierung

1998 folgt Prof. Witte dem langjährigen und prägenden Präsidenten Prof. Karl Hempel, der sich mit den Worten verabschiedet:

„Die Politik der Berufsverbände muss verlässlich sein, sie muss dem vermeintlichen Gegner immer die Chance geben, das Gesicht zu wahren. Man weiß nie, ob nicht später gemeinsame Arbeit notwendig wird. Berufsverbände sollen die Diskussion beleben und auch mitarbeiten, Veränderungen herbeizuführen, die im Gesamtinteresse geboten erscheinen. Das Gesamtinteresse der Chirurgie oder auch der Chirurgen ist unter allen Aspekten mehr als die Summe der einzelnen Interessen.

Es ist wichtiger, über Grundsatzfragen nachzudenken und sie zu beantworten, als zu lamentieren.

Es ist wichtiger, an einem Konzept für die Zukunft mitzuarbeiten und Veränderungen als Chance zu begreifen, als nur Angriffe auf sog. „Besitzstände“ abzuwehren.

Es ist wichtiger, allgemeine Grundsätze einer zukunftsorientierten Berufspolitik zu formulieren, als sich bis zur Erschöpfung gegenseitig zu streiten.

Es ist wichtiger, sensibel auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Mitglieder und auch der Gesamtheit zu achten, als tradierte Ideologien zu verteidigen.“

Die Zeit der Kooperationen

Im Dezember 1999 zog die Geschäftsstelle von Hamburg nach Berlin in das Langenbeck-Virchow-Haus in der Luisenstraße in Berlin-Mitte um und vergrößerte den Stamm der Mitarbeiter deutlich in Richtung eines professionellen Unternehmens. Nicht zuletzt diesem Umzug ist es zu danken, dass letztlich das Langenbeck-Virchow-Haus nach mühsamen Verhandlungen wieder zur Heimat der deutschen Chirurgen wurde.

Die enge räumliche Nähe mit der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und anderen chirurgischen Fachgesellschaften fand ihren Niederschlag in fruchtbaren Kooperationen. Nach Satzung des BDC sind alle chirurgischen Fächer mit jeweils einem Vertreter im Präsidium stimmberechtigt vertreten. Es werden regelmäßige Treffen mit Vertretern benachbarter Berufsverbände organisiert, um auch über die Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände gebündelt und vor allem mit großer Mitgliederzahl Einfluss auf die Gesetzgebung auszuüben. Von Vorteil für den BDC war dabei, dass in der Person des späteren Vizepräsidenten Dr. Rüggeberg ein Chirurg die GFB als Präsident nach außen repräsentiert hat.

Der BDC-Präsident Prof. Witte hat in Brüssel die chirurgischen Interessen in der UEMS-Sektion Chirurgie vertreten, Dr. Rüggeberg auf der politischen Ebene im UEMS management council. Der Einfluss in den Gremien sowohl der Bundesärztekammer wie auch der Kassenärztlichen Bundesvereinigung konnte durch persönliches Engagement einzelner BDC-Mandatsträger deutlich gestärkt werden.

Intern wurden das Seminarangebot der BDC|Akademie ausgebaut sowie durch entsprechende Rahmenverträge zahlreiche vergünstigte Serviceangebote für unsere Mitglieder ausgehandelt. Das brachte mit der Gründung der BDC-Service GmbH eine zunehmende Professionalisierung mit sich, die durch den Hauptgeschäftsführer Dr. Ansorg (Chirurg) organisiert wurde. Das Ergebnis war eine weitere Zunahme der Mitglieder, die den BDC zur größten Chirurgenvereinigung Europas machte.

Nach dem frühen Tod von Prof. Witte übernahm Prof. Polonius 2003 die Leitung des BDC und setzte vor allem auf der europäischen Ebene wichtige Akzente. In diese Zeit fällt auch eine vorsichtige Wiederannäherung des Berufsverbands der Niedergelassenen Chirurgen an den BDC, weg von einer Konfrontation hin zu einem kollegialen Miteinander. Immer auf Ausgleich bedacht, konnte auch das Verhältnis zur DGCH trotz dortiger zunehmender Einflussnahme auf berufspolitischen Feldern in freundschaftlichem Rahmen gehalten werden. Seit Jahren sind die Vertreter beider Verbände gegenseitig im jeweiligen Präsidium vertreten.

Einheit der Chirurgie

2010 wurde mit Prof. Bruch aus Lübeck erstmals ein Ordinarius Präsident des BDC. Es war eine Zeit der Visionen unter dem gedanklichen Ziel, die „Einheit in der Chirurgie“ anzustreben. Letztlich blieb es bei einem wohlgemeinten Versuch, die Zeit war (und ist) noch nicht reif für eine wie auch immer geartete Fusion. Es sei dabei gerne an die Anfangsjahre des BDC und die Worte der Präsidenten Müller-Osten und Hempel erinnert, die eine klare inhaltliche Trennung der jeweiligen Aufgabenstellungen präzisiert haben, ohne jemals die enge Verbundenheit beider Partner aus den Augen verloren zu haben. Mit der Wahl des amtierenden Generalsekretärs der DGCH, Prof. Dr. med. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer im Jahr 2015 zum Präsidenten, wurde eine von den Gründungsvätern des BDC noch durchaus vehement abgelehnte Personalunion eingeführt, die allen Unkenrufen zum Trotz eine außerordentliche Beförderung der Zusammenarbeit und keinesfalls eine Unterordnung oder gar „Eingemeindung“ zur Folge hatte. Es zeigte sich rasch, dass zwar unterschiedliche Schwerpunkte, diese aber letztlich mit dem gleichen Grundthema zu bearbeiten sind, die in dieser engen Gemeinsamkeit bei aller notwendigen Eigenständigkeit sehr erfolgreich nach außen kommuniziert werden. Seit einigen Jahren betreiben BDC und DGCH gemeinsam eine professionelle Pressestelle. Die „Passion Chirurgie“ ist unsere gemeinsame Zeitschrift, mehrere Referate sind in Personalunion besetzt, die Abstimmung in den Führungsetagen erfolgt intensiv, freundschaftlich und äußerst effizient. Faktisch wird die Einheit gelebt, auch wenn sie formal nicht vollzogen ist. Vielleicht ist das auch gar nicht erforderlich, entscheidend ist, dass die Interessen der Chirurgen (BDC) und der Chirurgie (DGCH) niemals kontrovers, sondern immer in die gleiche Richtung diskutiert werden.

War der Start des BDC vor 60 Jahren noch geprägt von Animositäten, Misstrauen und Ausgrenzung, so haben wir jetzt eine enge partnerschaftliche Beziehung erreicht, die allen nützt. Allein die Zahl von nahezu 18.000 Mitgliedern (gegenüber 40 Versprengten zu Beginn) beweist, dass der Weg der Richtige ist und unbeirrt weiterverfolgt werden wird.

Polonius MJ, Rüggeberg JA: 60 Jahre BDC. Passion Chirurgie. 2020 März; 10(03): Artikel 05_01.

Ein Leben für den Beruf des Chirurgen

Am 29. September 2011, wenige Wochen vor Vollendung seines 85. Lebensjahres, verstarb unerwartet Dr. med. Jürgen Bauch. Betroffen von dem Verlust trauern die deutschen Chirurgen und Chirurginnen mit seiner Familie. Sein Leben war ganz dem Beruf des Arztes und des ärztlichen Berufsstandes gewidmet.

Er wurde am 21. Oktober 1926 in Altdamm/Stettin geboren. Nach dem Besuch eines humanistischen Gymnasiums studierte er in der unmittelbaren Nachkriegszeit in Heidelberg Humanmedizin. Auch wenn diese Zeit sehr entbehrungsreich war, hat er selbst fast nur in humorvoller Weise anekdotenhaft davon erzählt.

Die chirurgische Facharztweiterbildung begann er im Städtischen Krankenhaus Lüdenscheid und setzte sie in Hannover, das zu seiner Wahlheimat werden sollte, am Nordstadtkrankenhaus fort. Seine fundierte, umfangreiche und breit gefächerte chirurgische Ausbildung war die Basis für die Gründung einer eigenen chirurgischen Praxis mit umfangreicher operativer Tätigkeit in einer Klinik als Belegarzt.

Geprägt durch die Ereignisse des Krieges und der Gründungszeit der Bundesrepublik Deutschland erkannte er früh die Notwendigkeit, sich in einem demokratischen Rechtsstaat als Bürger aktiv zu beteiligen. So begann er bereits früh in seiner chirurgischen Laufbahn, sich auch berufsständigen Aufgaben zu widmen. 1967 wurde er Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, in dessen Präsidium er drei Jahre (1989 – 1992) die Belange der niedergelassenen Chirurgen vertrat. Seit 1969 Mitglied im BDC bestimmte er bis zu seinem Tode entscheidend die Geschicke des Verbandes. Damit begann für ihn neben seiner chirurgischen auch eine berufs- und standespolitische Tätigkeit.

Die Chronologie zeigt die Stetigkeit, mit der er seine Aufgaben verfolgte und erledigte.

1985 – 1998 Vorsitzender des BDC-Landesverbandes Niedersachsen
1989 – 2010 Mitglied des geschäftsführenden Präsidiums des BDC
1992 – 1998 Schriftführer des geschäftsführenden Präsidiums des BDC
1995 – 2002 Herausgeber „Der Chirurg BDC“
seit 1997 Herausgeber der Rubrik „Weiterbildung und zertifizierte Fortbildung in „Der Chirurg“
1998 – 2002 Vizepräsident des BDC

Es war sein Ziel, Trennendes zu überwinden, gleich ob zwischen Krankenhauschirurgen und niedergelassenen Chirurgen, ob universitäre Chirurgie oder „nur“ Versorgungschirurgie. Er verfolgte dies mit der für ihn typischen Akribie und unermüdlichem Fleiß. Er selbst setzte dafür Beispiele. Während seiner chirurgischen praktischen Tätigkeit suchte er die Nähe zu seinen akademischen Kollegen, besonders an der Medizinischen Hochschule Hannover zu den Kollegen Prof. Dr. R. Pichlmayr und Prof. Dr. H. Tscherne. Die Medizinische Hochschule Hannover würdigte diese Zusammenarbeit 2001 durch die Ernennung zum Ehrensenator.

Eine strukturierte Weiter- und Fortbildung war für ihn nicht nur eine wissenschaftliche universitäre Aufgabe, sondern auch eine berufspolitische. Die Einführung der Rubrik Weiterbildung und zertifizierte Fortbildung in „Der Chirurg“ gegen anfänglich erheblichen Widerstand universitärer Lehrmeinungen war dank seiner Zielstrebigkeit letztlich doch so erfolgreich, dass sie seit Jahren die meistgelesene Rubrik dieser Zeitschrift ist.

Nicht zu vergessen sei sein Verdienst um die Rückgewinnung des Langenbeck-Virchow-Hauses nach der Wiedervereinigung. Seinem Verhandlungsgeschick mit dem damaligen Präsidenten des BDC, Herrn Prof. Dr. J. Witte, war es zu verdanken, dass die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie, der Berufsverband der Deutschen Chirurgen und viele der wissenschaftlichen chirurgischen Fachgesellschaften bereits 1998 noch während des Rechtsstreits um die Rückübertragung des Eigentums an die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie und die Berliner Medizinische Gesellschaft in das Langenbeck-Virchow-Haus einziehen konnten.

Selbstdisziplin, Verantwortungsgefühl für das Ganze, Ehrlichkeit und Bescheidenheit, gepaart mit einem stets nach vertretbaren Kompromissen suchenden Diskussionsstil zeichneten ihn aus. Er war eine Vertrauensperson, die als Ratgeber, besonders auch wegen seiner Aufrichtigkeit und Diskretion, gesucht wurde. Tugend war für ihn kein leeres Wort.

Früh erkannte er die Notwendigkeit, sich mit den sozial-, zivil- und strafrechtlichen Anforderungen an den ärztlichen Beruf zu beschäftigen. Bereits 1985 wurde er ehrenamtlicher Richter am Sozialgericht Hannover, anschließend am Landessozialgericht in Celle und von 1988 bis 1998 am Bundessozialgericht in Kassel. Für diese Verdienste erhielt er das Bundesverdienstkreuz erster Klasse zum Verdienstorden der Bundesrepublik. Gleichzeitig war er der Initiator des Gutachterseminars der BDC|Akademie.

Die vielen Ehrungen (Ehrenmitglied und Verleihung der Ehrenmedaille des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen, Max-Lebsche-Medaille und Ehrenmitglied der Vereinigung Nordwestdeutscher Chirurgen, Werner-Körte-Medaille in Gold der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie) sind Zeugnisse für die Anerkennung seiner Bemühungen um die chirurgische Gemeinschaft.

Wir haben in ihm eine herausragende Persönlichkeit als Mensch und Chirurg verloren.

Unser tiefes Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen seiner Familie. Dr. med. Jürgen Bauch hat sich um den Beruf des Chirurgen verdient gemacht.

Prof. Dr. med. Michael-J. Polonius

Polonius MJ. Ein Leben für den Beruf des Chirurgen – Nachruf auf Dr. med. Jürgen Bauch. Passion Chirurgie. 2011 Oktober; 1(10): Artikel 10_02.

Dem Träger der Müller- Osten-Medaille, Prof. h.c. Dr. med. Karsten Vilmar, zum 80. Geburtstag

Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen freut sich seinem langjährigen Mitglied, Prof. h.c. Dr. med. Karsten Vilmar, zum 80. Geburtstag zu gratulieren. Er erhielt 2002 die Müller-Osten-Medaille des BDC in Anerkennung seiner außergewöhnlichen Verdienste um die deutsche Ärzteschaft und sein besonderes Engagement für den chirurgischen Nachwuchs.

Geboren am 24. April 1930, verkörpert und verkörperte Karsten Vilmar in all seinen ärztlichen und ehrenamtlichen Tätigkeiten, als letztere besonders zu erwähnen die 21 Jahre als erster Arzt der verfassten Ärzteschaft – Präsident der Bundesärztekammer –, den unerschrockenen, geraden, manchmal mit englischem Humor gespickten Hanseaten, einen „hanseatischen Senator“. Mit einem gesunden Realismus ausgestattet, hat er sich nie Visionen verschrieben, sondern nach den vorliegenden Tatsachen geurteilt und gehandelt, frei von jeglicher Neigung dem Zeitgeist nachzulaufen. Medienschelten haben ihn nie davon abgehalten, die Dinge – wie Camus sagt – stets beim rechten Namen zu nennen. Das Engagement reichte und reicht noch immer über unsere nationalen Grenzen hinaus, nicht nur auf europäischer Ebene. So war er 13 Jahre Schatzmeister des Weltärztebundes und ist seit 26 Jahren Gründungs- und Vorstandsmitglied der Deutsch-Chinesischen Gesellschaft für Medizin. Ihm ist es sogar gelungen, Kollegen aus Süd- und Nordkorea gemeinsam mit Erfolg einzuladen. Dazu gehört persönliche Unabhängigkeit und Selbstbewusstsein. Das ist es, was ihn als Beispiel für die deutschen Ärzte darstellt: Unabhängigkeit, Gradlinigkeit und Aufrichtigkeit.

Wir wünschen ihm noch weitere gesunde Jahre, in denen er uns noch mit Rat und Tat zur Seite stehen möge.

Ad multus annos!

50 Jahre Berufsverband der Deutschen Chirurgen Rede am 12.06.10

Verehrte Festversammlung,

der Berufsverband der Deutschen Chirurgen hat sich in den fünfzig Jahren seit der Gründung 1960 mit derzeit fast 16.000 Mitgliedern nicht zum größten, das wäre viel-leicht falsch zu verstehen, doch zum mitgliederstärksten Chirurgenverband in der Europäischen Union entwickelt. Er hat sich über unsere nationalen Grenzen hinaus durch das Eintreten für die beruflichen Belange der Chirurgen und Chirurginnen Anerkennung erworben. Diese Entwicklung haben wir versucht, in unserem Jubiläumsheft im April DER CHIRURG BDC darzustellen.

Das Fachgebiet Chirurgie war eines der letzten Gebiete, das neben der wissen-schaftlichen Fachgesellschaft einen Berufsverband nach dem 2. Weltkrieg gründete. Dies, nach erheblichen Geburtswehen, die primär auf den nicht zu vereinbarenden Charakteren der beiden Persönlichkeiten zurückzuführen war, die die beiden Lager vertraten. Hier die wissenschaftliche Sicht: „So etwas braucht man nicht“ und dort die berufspolitische Sicht: „Wir müssen uns für den Erhalt des Chirurgen als Beruf selbst einsetzen“. Sicher spielten, obwohl 15 Jahre nach dem 2. Weltkrieg auch noch Befindlichkeiten unterschiedlicher Biographien aus dem 3. Reich eine Rolle.

In seinem Buch „Der Beruf des Chirurgen“ schreibt 1970 der damalige Präsident des BDC, Prof. Müller-Osten: „Befangen in der Wertvorstellung des 19. Jahrhunderts und beeindruckt vom selbst errichteten Status verzichten viele Chirurgen – und mit Ihnen auch Angehörige anderer Arztgruppen – darauf, sich Gedanken über die Zukunft ihres Berufes zu machen. Einige glauben noch in einer Welt tradierter Ordnung leben zu können und verkennen, dass ihre Inselposition längst unterspült ist.“

Es waren die besonderen Umstände nach dem 2. Weltkrieg, die für den Berufsstand der Ärzte im Allgemeinen und der einzelnen Fachgebiete im Speziellen notwendig machten, für die beruflichen Belange selbst einzutreten.

In den Krankenhäusern arbeiteten die Ärzte auf Halb- manchmal auch auf Drittel-stellen, trotz einer 60 bis 80 Stundenwoche. An den Universitäten war es üblich für Jahre als Beamter auf Widerruf bei jeweils 6-monatiger Verlängerung zu arbeiten.

Der Grund lag also einmal in den schlechten wirtschaftlichen Bedingungen der Ärzte – bis Mitte der 60er Jahre waren die Arbeitsbedingungen mehr als schlecht. Aber in der Demokratie, besonders in einem sozialen Rechtstaat, lernten wir schnell, sich für seine beruflichen Belange selbst zu organisieren und zu engagieren. Dies jedoch war ein politisches Geschäft, zumindest in dieser Zeit noch schwer vereinbar mit den hehren Zielen der Wissenschaft.

Zusätzlich begann Ende der 50er zunehmend die Spezialisierung in den großen Fächern der Medizin. Dies warf erhebliche Abgrenzungsprobleme auf. Letztlich – und dies ist in allen Gesellschaften so – muss jeder Berufsstand seine Position in der Gesellschaft selbst verteidigen.

Dennoch müssen wir Erkennen, dass in der Geschichte der Heilkunde die Chirurgie stets um die Anerkennung und Stellung ihres Berufes kämpfen musste.

Wir erinnern uns alle an den Satz aus dem hypokratischen Schrifttum: „Was Arzneien nicht heilen können, heilt das Messer“. Hieraus erklärt sich bereits zu den Anfängen der Heilkunde, die noch primär die Ursachen für Krankheiten im Religiösen suchte, in der direkten Handlung der Götter sah – die stete Herausforderung für die Chirurgen sich gleichzeitig vom Internisten auf der einen Seite, auf der anderen von den sog. Wundärzten (Feldschären, Badern, Stein-schneidern usw.) wie immer sie genannt wurden, abzugrenzen.

Ich zitiere hier aus einem Vortrag von Bergdolt.

Wir wissen der neueren Forschung nach, dass bereits im 13./14. Jahrhundert die wirklichen, die echten Chirurgen eine zusätzliche – zwar noch nicht naturwissen-schaftliche, so doch aber eine akademisch, universitäre Ausbildung genossen haben und gesellschaftlich über den Internisten standen.

So berichtet im 13. Jahrhundert Henri de Mondeville, Universitätsprofessor in Mont-pellier: „Der Chirurg sei nach der Volksmeinung seit undenklichen Zeiten ein Dieb, Mörder oder Schwindler. Man verdanke diesem Ruf Hochstaplern und selbst ernannten Vertretern der ursprünglichen hohen und erlesenen Kunst, welche die Wissenschaft nicht durch die für den Eingang bestimmten Pforte betreten hätten. Solche Betrüger operierten rein mechanisch, wie es im Schneiderhandwerk üblich ist. Dagegen ist der gute Chirurg in der Lage, seine Handlungen theoretisch zu begründen. Er operiert mit Verstand, Überlegung und Weitsicht und übertrifft den normalen Physikus durch seine praktische manuelle Erfahrung. Ist Euch denn nicht klar, dass er die Gesundheit erhält, die Krankheit bekämpft, erkrankte Glieder repariert und somit Leben rettet?“ lautet seine rhetorische Frage.

Ein Praktiker brauche ausgiebig theoretisches Wissen, um seine Kunst zu vervoll-kommnen. Hart kritisierte Mondeville allerdings die Kollegenschaar. Er schlug, um das Imagegerangel zwischen den übrigen Ärzten und den Chirurgen zu beenden, eine Aufteilung der Kompetenzen vor, wie man sich zwischen den Besitzungen von Brüdern und Verwandten Grenzen ziehen muss, um Streit zu vermeiden. Zitat Ende

Klingt doch sehr zeitgemäß, wenn man sich der Absprachen zwischen den heutigen Fachgesellschaften und Berufsverbänden in den letzten Jahrzehnten erinnert. Ärztliche Berufspolitik, vertraglich geregelt vor 800 Jahren.

Die Abgrenzung der Chirurgen von den nur Handwerkern erfolgte durch die Ver-pflichtung zur zusätzlichen universitären Ausbildung, die mit der Approbation und erstmals im Jahr 1508 an der medizinische Fakultät Wittenberg mit Ablegung des Hypokratischen Eides abgeschlossen wurde.

Die Chirurgen zu der damaligen Zeit waren jedoch in der Regel – wir würden heute sagen – auf dem zweiten Bildungsweg in ihren Beruf gekommen: Erst das Handwerk, dann das Studium.

Der Berufsstand der Chirurgen wurde – es gab ja nicht viele – meist von einzelnen Persönlichkeiten vertreten. Wobei ich sicher bin, dass die Auseinandersetzung mit ihren Fürsten in der damaligen Zeit auch nicht einfacher war, als mit unseren heuti-gen von uns gewählten „Fürsten“.

Der Berufsstand der Ärzte, insbesondere der Chirurgen, musste sich schon immer rechtfertigen und für die Selbstständigkeit kämpfen. Dies wurde nach der Trennung der bestallten Ärzte und Chirurgen von den übrigen Heilkundlern nicht einfacher.

Bis ins 16./17. Jahrhundert waren die Chirurgen ein kleines Häufchen, die ihre beruflichen Anrechte selbst durch ihr Können und ihre Persönlichkeit erkämpfen und verteidigen mussten.

Im 18. Jahrhundert etablierten sich erstmals größere Vereinigungen, die die Wissenschaft und den Berufsstand der Chirurgen vertraten:

Das College de Saint-Come, die Akademie Royale de Chirurgie, The Royal College of Surgeon, und vorher noch unter Friedrich dem Großen das medizinische College und 1719 bereits die Deutsche Wissenschaftliche Chirurgie.

Bis in die Zeit nach dem 1. Weltkrieg erfolgt die berufspolitische Vertretung weiterhin fast ausschließlich durch einzelne Persönlichkeiten. Als bekanntestes Beispiel wird immer Virchow genannt, der Arzt zwischen Charitée und Reichstag. Aber auch Hufeland und Billroth haben sich hier ausgezeichnet.

Drei kurze Zitate der genannten Herren, zunächst Hufeland [1]:

Zur Beantwortung der Frage, ob Ärzte als freie Künstler oder Staatsbeamte zu be-trachten sind, sagt er: „die Ärzte wünschten sich als freie Künstler betrachtet sobald sie zur Rechenschaft gezogen, als Staatsbeamte jedoch dagegen, wenn sie nicht begünstigt werden.“

Virchow über den unhaltbaren Zustand der After-Mediziner, das heißt der nicht-approbierten Heilkundler, während seiner Zeit in Berlin [2]: „Die After-Medizin auszurotten ist in der Tat für die Polizei ebenso unmöglich, wie für den Arzt jeden Kranken zu heilen oder auch nur zu bessern.“

Und drittens Billtoth 1872 in einem Brief an Brahms: „Ich habe übrigens seit vielen Jahren das Paradoxon aufgestellt, dass die steigende Vervollkommnung der ärztli-chen Kunst wohl dem Individuum zugute kommt, die menschliche Gesellschaft aber ruinieren wird.“

Diese drei Beispiele zeigen die drei klassischen berufsständischen Herausforderungen, die, wie man sieht, fast zeitlos sind:

  1. die Anerkennung des Berufsstandes,
  2. die Abgrenzung zu anderen Heilkundlern und
  3. die ökonomischen Auswirkungen

Nach dem 2. Weltkrieg stellte der Wandel der Gesellschaft, die soziale Gesetzge-bung und der rasante medizinische Fortschritt, zusätzliche Herausforderungen an den Berufsstand des Chirurgen.

  1. Im Wandel der Gesellschaft zeigt sich, das es primär nicht mehr um Behand-lung von Krankheiten geht, sondern um ein möglichst langes Leben in Ge-sundheit mit möglichst hoher Qualität. Bereits 1976 beschrieb die World Health Organisation „Gesundheit ist der Zustand vollkommenen, körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens“, nicht etwa alleine das Fehlen von Krankheiten oder Gebrechen. Ein nicht erfüllbar, hoher An-spruch. Leider wird dieser auch heute noch von der Politik so propagiert.
  2. Der medizinische Fortschritt entwickelt sich mehr und mehr zu einer Falle für die Eigenständigkeit der Chirurgie. Im Zeitalter der Molekularbiologie hat – man kann es am Streit um die gerechte Berechnung und Vergleichbarkeit des Impact Factors ablesen, die Chirurgie zumindest schlechte Karten, solange wie Gesellschaft und Politik ihre ganze Hoffnung in diese neue mögliche Behandlungsmethode legt.

Auch wenn jeder darüber übereinstimmen wird, dass auch in der Versorgung von Kranken die Gesetze der schwäbischen Hausfrau gelten, so hat dennoch die Öko-nomie eine Beherrschung über die Krankenversorgung mit vielen, vielen Anreizen angenommen, den ich mit dem Zitat aus dem New England Journal of Medecine hier skizzieren will:

„Die Rolle der Ärzte hat sich radikal verändert, sie werden heute von Managern un-terwiesen und sind nicht länger Anwälte der Patienten. Das Ziel der Medizin ist eine gesunde Bilanz statt einer gesunden Population. Der Schwerpunkt liegt auf Effizienz, Profitmaximierung, Kundenzufriedenheit, Zahlungsfähigkeit, Unternehmertum und Wettbewerb. Die Idiologie der Medizin wird ersetzt durch die Idiologie des Marktes. In dem Maße, in dem eine Medizin zum Kapitalunternehmen wird, wird die medizinische Ethik durch die Geschäftsethik verdrängt.“

Paul Unschuld beschreibt dies in seinem kleinen Büchlein ‚Ware Gesundheit, das Ende der klassischen Medizin’ sehr treffend, in dem er sagt: “Tatsächlich kann man die Deprofessionalisierung, also die schwindende fachliche Unabhängigkeit der Ärzte, an drei zentralen Dimensionen beruflicher Tätigkeit verständlich machen. „Zu einem vollkommenen Standesberuf gehören drei Merkmale:

  1. Die Mitglieder der Standesgruppe schaffen ihr Wissen selbst.
  2. Sie entscheiden selbstständig über die Anwendung des Wissens.
  3. Sie können auch selbstständig darüber verfügen, welche Entlohnung sie für ihre fachliche Tätigkeit erhalten.

Die Deprofessionalisierung ist der Verlust der Selbstständigkeit und führt somit zu einer zunehmenden Abhängigkeit in allen Bereichen.

Es ist uns seit langem bekannt, das die medizinische, ganz besonders aber auch die chirurgische Tätigkeit, mehr und mehr zu einer reinen Dienstleistung wird und vielleicht liegt in diesem, der Zuspruch zu dem in Deutschland neuen, bisher nicht üblichen Arzttyp dem Honorararzt.

Zu den Bemühungen eines Verbandes um einen Berufsstand gehört sich um den Nachwuchs zu kümmern, der Basis jeden Berufes, durch Vorgabe der qualitativen Voraussetzungen. Daher gehört Aus-, Weiter- und Fortbildung zu der ersten Aufgabe eines Berufsverbandes.

Die aktuelle Herausforderung in der heutigen Zeit ist der Nachwuchsmangel. 1961/62 beantwortet Müller-Osten die Frage: Was ist zu tun, um den Nachwuchs zu steuern?
Man muss besser dotieren, Verträge langfristig abschließen, angemessene Arbeits-zeiten anbieten und die Assistenten besser im selbstständigen Operieren schulen.
Dies lesend scheint, scheint sich nicht viel in den 50 Jahren geändert zu haben. Wie bemühen uns noch immer um die Verbesserung der selben Dinge, mit dem gravierenden Unterschied, dass der Nachwuchsmangel trotz aller Bemühungen zur Zeit besonders in den operativen Fächern noch immer zunimmt.

Lassen Sie mich zum Schluss noch eine Frage beantworten. Was ist der Unterschied zwischen einer wissenschaftlichen Gesellschaft und einem Berufsverband? Meine Antwort war stets: Die wissenschaftliche Gesellschaft ist für die Chirurgie; der Berufsverband für die Chirurginnen und Chirurgen zuständig.

Ich weiß, dass sich viele an dieser verkürzten Form oft gestört haben, doch die Defi-nition stammt von keinem geringeren als Rudolf Nissen. Er schrieb 1970 im Geleit-wort für das Buch „Der Beruf des Chirurgen“ von Müller-Osten: „Hier in diesem Buch sind die Grundlagen der Berufsausbildung des Chirurgen untersucht und die Voraussetzung für die Analyse des Berufes geschaffen worden. Dadurch tritt neben die Wissenschaft von der Chirurgie erstmals eine Wissenschaft vom Beruf des Chirurgen.“

Darin steckt auch die eindeutige Aufforderung, das jeder seine Wissenschaft zur hohen Blüte bringe, aber beide gemeinsam die Voraussetzung dazu schaffen, die Attraktivität eines der schönsten Berufe durch quantitativ ausreichend, qualitativ hervorragend und mit hoher Empathie ausgestatteten Nachwuchs zu erhalten.
Denn von einem sind wir doch alle überzeugt: Der Beruf der Chirurginnen und Chi-rurgen ist einer der schönsten.

Ich bin aber auch überzeugt, dass wir unser Ziel nun gemeinsam erreichen werden.

Vielen Dank

 

Literatur:

[1] C. W. Hufeland (Hsg.): Bibliothek der praktischen Heilkunde, 1815
[2] R. Virchow, Die medizinische Reform ‚Über medizinische Pfuscherei und Polizei’, 1848

Editorial: 50 Jahre BDC

Am 23. April 2010 jährt sich der Gründungstag des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen zum 50. Mal. Dieses Ereignis werden wir am 12. Juni 2010 im historischen Hörsaal des Langenbeck-Virchowhauses in Berlin mit einem Festakt feierlich begehen.

Doch zuerst sollten wir uns fragen, ob wir auch Grund zum Feiern haben. Wie heißt es doch in Thomas Manns Buddenbrocks:

„Die Vergangenheit zu feiern ist hübsch, wenn man, was Gegenwart und Zukunft betrifft, guter Dinge ist.“

  • Kann der BDC guter Dinge sein?
  • Sind wir in den vergangenen 50 Jahren dem selbst gesetzten Ziel, uns uneingeschränkt für den Beruf der Chirurginnen und Chirurgen einzusetzen, immer gerecht geworden?
  • Haben wir die Zeichen der Zeit – den rasanten medizinischen Fortschritt, die demografische Entwicklung der Bevölkerung in Deutschland, die Ökonomisierung des Gesundheitswesen, den Wandel der Lebensgestaltung der heutigen jungen Generation, die zunehmende Verrechtlichung (Bürokratisierung) jeglicher ärztlicher Tätigkeit – rechtzeitig erkannt und in angemessener Weise reagiert und gehandelt?

Auch wenn aus der kleinen Gruppe von 40 Chirurgen, die sich zur Gründung versammelten, bis heute ein Verband mit fast 16.000 Mitgliedern entstanden ist – seit mehr als 10 Jahren der mitgliederstärkste Chirurgenverband in der Europäischen Union – ist dies allein nicht Beweis genug. Das Jubiläumsheft gibt Gelegenheit, einmal im Zusammenhang über die Tätigkeiten aus den einzelnen Aufgabenbereichen zu berichten.

Beginnend mit den Grußworten des Bundesministers für Gesundheit, Herrn Dr. Rösler, den Präsidenten der Bundesärztekammer, Herrn Prof. Hoppe sowie der leitenden Vertreter der Verbände der Selbstverwaltung und den Fachgesellschaften als Spiegelung der Arbeit des BDC in der Öffentlichkeit und im Gesundheitswesen.

Der Chronologie der vergangenen 50 Jahre (Bauch, ’50 Jahre BDC’, Seite xxx), folgen Berichte über Erreichtes und nicht Erreichtes aus den einzelnen Arbeitsbereichen, Referaten und der Akademie.

Dabei zeigt sich, dass die Aufgaben, die sich die Gründer des BDC vor 50 Jahren trotz aller teilweise dramatischen Änderungen in unserer Gesellschaft in dieser Zeit gestellt haben, auch heute noch die gleiche Gültigkeit haben. Auf der eigentlichen konstituierenden Sitzung des Berufsverbandes am 11. August 1961 in Köln, Königsforst, wurden die folgenden Aufgaben als Zweck des Verbandes (später § 2 der Satzung) festgelegt.

  1. Vertretung chirurgischer Berufsbelange innerhalb der Ärzteschaft sowie gegenüber dem Staat und seinen Behörden.
  2. Intensivierung der chirurgischen Fachausbildung
  3. Schutz gegen Einengung und Schmählerung des chirurgischen Fachgebietes.
  4. Unterstützung und Beratung der Chirurgen in grundsätzlichen berufsgerechtlichen Fragen
  5. Wahrung der chirurgischen Interessen
  6. Maßnahmen gegen den Assistentenmangel

Es sollte einerseits in strenger Aufgabentrennung, andererseits stets in enger Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie geschehen. Dies sind auch heute die Kernaufgaben des BDC. Je nach der jeweiligen aktuellen ökonomischen – und gesellschaftlichen Situation änderte sich lediglich die Gewichtung dieser Aufgaben. War der Assistentenmangel schon zur Gründungszeit des BDC ein ernstzunehmendes Thema, so ist heute die Behebung des Nachwuchsmangels in den operativen Fächern die wichtigste Herausforderung, der sich der BDC neben allen chirurgischen Fachgesellschaften stellen muss.

Der Bericht des Hauptgeschäftsführers, Jörg Ansorg, gibt Ihnen einen Eindruck über die vielfältigen Aufgaben und deren Bewältigung, um auch eine oft gestellte Frage zu beantworten. ’Was tut eigentlich der BDC für seine Mitglieder?’

Über die tägliche oft mühsame Arbeit für unsere berufspolitischen Belange unserer, in der Niederlassung tätigen, Kolleginnen und Kollegen sich einzusetzen und für akzeptable Lösungen kämpfen, berichten die beiden Vertreter im Präsidium (Kalbe, ’50 Jahre Interessenvertretung für Niedergelassene Chirurgen’, Seite xxx; Rüggeberg, ’Politische Lobbyarbeit im BDC’, Seite xxx).

Deutlich erkennbar ist, dass nicht nur die Mitgliederzahl ist Jahr für Jahr gestiegen ist, auch die Aufgaben haben zu genommen, so dass die Arbeit heute auf vielen Schultern verteilt ist. Hierbei gilt mein ausdrücklicher Dank neben den Mitarbeitern der Geschäftsstelle besonders all denen, die sich in den Landesverbänden und Regionalverbänden neben Ihrer täglichen anstrengenden chirurgischen Tätigkeit für die beruflichen Belange Ihrer chirurgischen Kolleginnen und Kollegen einsetzen.

Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre dieses Jubiläumsheftes.

Ausblick und Zukunft des BDC – Quo Vadis?

Verfolgt man die 50-jährige Geschichte des Berufsverbandes, so muss man feststellen, dass seine Sorgen und Kämpfe um den Beruf der Chirurginnen und Chirurgen sich immer um die selben Themen bewegten und bewegen. Alle gefundenen Lösungen waren eher kurzlebig, eine dauerhafte scheint es nicht zu geben.

Warum ist das so?

Die Zukunft der Chirurgie und damit das zukünftige Berufsbild und Berufsumfeld der Chirurginnen und Chirurgen wird durch drei Faktoren bestimmt:

  1. den Fortschritt der Medizin
  2. den Wandel unserer Gesellschaft
  3. die staatliche Gesundheitsgesetzgebung.

Fortschritt der Medizin

Der Einfluss des Fortschritts der Medizin auf unseren Beruf hängt von den Antworten auf folgende Fragen ab:

  • Wie viele der chirurgischen Verfahren werden zukünftig durch andere – konservative – ersetzt werden?
  • Welchen Einfluss hat die älterwerdende Bevölkerung auf die chirurgischen Leistungszahlen?
  • Wird es mehr oder weniger Indikationen zu chirurgischen Handlungsverfahren geben?
  • Wie werden sich die verschiedenen Behandlungsmethoden in neuen Behandlungsverfahren entwickeln und werden sie im Leistungsbereich der Chirurgie verbleiben?
  • Wie wird sich die Spezialisierung und Sub-Spezialisierung entwickeln?

Diese Fragen beantwortet, ist zu prüfen, ob das Fach Chirurgie dementsprechend auch in der Approbationsordnung berücksichtigt ist.

Wandel unserer Gesellschaft

Gerade die weltweite Finanzkrise hat die Mehrzahl der Bürger daran zweifeln lassen, dass die Selbstregulierungsmechanismen des Marktes besser sind als staatlicher Dirigismus. Eine ausgeweitete staatliche Fürsorge scheint von einer Mehrheit (über
70 %) der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land gewünscht. Alle seriösen demoskopischen Untersuchungen zeigen, dass eine stete Abnahme passiven und aktiven Interesses an der Politik in allen Bevölkerungs- und Altersschichten besteht. Aus der Altersgruppe bis 30 halten nur noch 6 % es für wichtig, politisch aktiv zu sein.

Seit einigen Jahren verändert sich das Interessenspektrum der jungen Generation langsam aber stetig. Sie zieht sich immer mehr von Themen und Diskussionen zurück, die sich mit der Gesellschaft, den politischen Möglichkeiten, der Wirtschaft aber auch den sozialen Fragen oder kulturellen Themen beschäftigen. Das Interesse an Wissenschaft und Forschung liegt heute in der Altersgruppe bis 30 um 20 % unter dem Stand, der etwa vor zehn Jahren zu beobachten war, das Interesse an Kunst und Kultur sogar um 35 %. Deutlich zugenommen hingegen hat das Interesse an der Kommunikationstechnologie (Computer, Handy, digitales Fernsehen und Fotografie).

Angestiegen ist auch die Neugier auf psychologischen Themen, auf Gesundheitsinformationen und auf berufliche Weiterbildung. Letzteres ist durchaus positiv zu bewerten.

Fast alle Themen, die zum einen mit dem klassischen Bildungskanon und zum anderen mit der gesellschaftlichen Entwicklung verbunden sind, haben an Aufmerksamkeit verloren. Informationen jedoch, die unmittelbar auf den Alltag übertragen werden können und zur Optimierung von Berufs- und Privatleben führen, genießen in dieser Alltagsgruppe zunehmendes Interesse. Erfolg im Beruf, ein hohes Einkommen, ein gepflegtes Aussehen, aber auch eine eigene Familie, Kinder zu haben, sind den jungen Menschen bis 30 heute wichtiger als vor einem Jahrzehnt, gesellschaftliche Ziele dagegen haben an Wichtigkeit verloren (Institut für Demoskopie Allensbach).

Hieraus erklärt sich auch der hohe Anteil (-40 %) der Examenskandidaten in der Medizin, die letztendlich nicht eine patientennahe ärztliche Tätigkeit aufnehmen. Dies hat nicht nur mit regelhaft besserer Bezahlung in anderen Gesundheitsberufen zu tun, sondern ist geprägt durch den generellen Wandel in unserer Gesellschaft. Aber dies ist die Altersgruppe, aus der die chirurgischen Fachärzte der nächsten 5 bis 10 Jahre zu rekrutieren sind.

Staatliche Gesundheitsgesetzgebung

Die in den letzten Jahren durchgeführten Gesundheitsreformen in Deutschland haben bereits jetzt zu gravierenden Änderungen in Struktur und Leistung geführt. Allen voran hat das DRG-System – das Entgeltsystem für stationäre Leistung – zu einer Industrialisierung der Behandlungen und damit der ärztlichen Tätigkeit geführt. Immer neue Modelle werden vor- und eingeführt (Konzepthospital, Teleportalklinik, Modulares Krankenhaus, usw.).

Dies alles berücksichtigend und wissend, dass die Bundesrepublik ein sozialer Rechtsstaat ist, zeigt uns eine bestimmte Entwicklungsrichtung an. Das staatlich soziale Fürsorgeprinzip findet mehrheitlich Anklang in der Bevölkerung. In der Relation der Steigerung der Möglichkeit zur Finanzierbarkeit wird stets ein Defizit bleiben. Dies führt mangels echtem Wettbewerb unter den Leistungsanbietern zu zunehmendem Dirigismus.

Was bedeutet dies für die Chirurginnen und Chirurgen?

Der medizinische Fortschritt führt zu zunehmenden ambulanten Behandlungen anstelle bisher stationärer Therapieformen, zur vermehrten Spezialisierung und zur Beseitigung bisheriger Fachgrenzen. Der ökonomische Druck führt zu Fallzahlkonzentration durch Verweildauerverkürzung. Diesem Szenario muss sich der zukünftige Chirurg flexibel anpassen. Patentlösungen wird es nicht geben.

Jetzt zeigt sich, dass die kleineren wendigen Boote – die freiberuflich tätigen Kollegen – schon heute die größere Flexibilität beweisen. Sie sehen die Kooperation als Zukunftschance. So wollen sich nach der gemeinsamen Umfrage der „Ärztezeitung“, „Wirtschafts-Tipp“ und „PVS“ bereits 40 % vernetzen und 50 % sehen in der notwendigen Kooperation mit anderen Fachkollegen die Perspektive für die unmittelbare Zukunft.

Die Frage ist, ob auch die heranwachsende Generation diese Herausforderung der Selbstständigkeit annehmen wird oder lieber als angestellter Chirurg mit festem Dienstplan im MVZ oder in der Praxis beschäftigt sein will.

Der im stationären tätige Arzt wird primär ein Dienstleister sein. Daher ist es von besonderer Bedeutung zu verhindern, dass der Chirurg zum operativen Dienstleister degradiert wird. Wenn der Chirurg nicht mehr für die Indikation zum operativen Eingriff und die operative Nachsorge Verantwortung trägt, kann die Operation selbst auch von einem nichtakademisch ausgebildeten Mitarbeiter durchgeführt werden.

In der Diskussion mit den Entscheidungsträgern in Politik und Selbstverwaltung stoßen wir trotz, wie wir meinen, gewichtiger Argumente für unsere Forderungen immer häufiger auf ein grundsätzliches Problem: Das fehlende Vertrauen – ja oft direkt Misstrauen – in unserer Gesellschaft.

Nicht nur der Bürger hat kein Vertrauen in die Politik und die Politik in die Fachberatung der Berufsvertreter, leider auch die Selbstverwaltungsgremien untereinander.

Erinnern wir uns an Camus´ Worte: „Wer die Dinge falsch benennt, verstärkt das Unglück dieser Welt.“

Deshalb sollten wir Ärzte die Dinge beim rechten Namen nennen. Besonders die Chirurginnen und Chirurgen wissen, dass alle ärztliche Kunst auf dem Vertrauen des Patienten in uns und unsere Fähigkeiten beruht. Vertrauen kann nur durch Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit aufgebaut und erhalten werden. Versprechungen allein helfen hier nicht. Deshalb ist es von großer Wichtigkeit bei aller Berechtigung zu Protesten gegen schlechte und/oder falsche Entwicklungen im Gesundheitswesen, die richtigen Maßnahmen und Mittel zu wählen. Nur wenn wir die besseren Argumente haben, werden wir uns grundsätzlich mit unseren Vorstellungen durchsetzen können, auch wenn dieser Weg häufig sehr mühsam ist. Dass dieser Weg jedoch zum Erfolg führen kann, kann vielfach nachgewiesen werden bis hin zur fast wirklichen Übernahme unserer Vorstellung in Landesgesetze.

Patienten jedoch dürfen niemals für eine noch so berechtigte Forderung der Ärzte instrumentalisiert werden. Auch wenn viele anderer Meinung sind und viele andere Berufe mit Neid auf uns schauen. Das höchste Gut des Arztes ist das Vertrauen der Patienten.

Bereits vor sieben Jahren berichtete das „New England Journal of Medicine“ über die schwierige Lage der Ärzte in fast allen Industrie-Nationen:

„Die Rolle der Ärzte hat sich radikal verändert. Sie werden heute von Managern unterwiesen und sind nicht länger Anwälte der Patienten. Das Ziel der Medizin ist eine gute Bilanz, statt einer gesunden Population. Der Schwerpunkt liegt auf Effizienz, Profitmaximierung, Kundenzufriedenheit, Zahlungsfähigkeit, Unternehmertum und Wettbewerb. Die Ideologie der Medizin wird ersetzt durch die Ideologie des Marktes. In dem Maße, in dem die Medizin zum Kapitalunternehmen wird, wird die medizinische Ethik durch die Geschäftsethik verdrängt.“

Solange die Mehrzahl der Mandatsträger in der Politik den Bürgern bezüglich der Krankenversorgung stets nur das allumfassende Versprechen machen:

„…zu jeder Zeit, wohnortnah, auf dem letzten Stand des medizinischen Fortschritts“ und nicht gleichzeitig auch den „Preis“ nennen, werden wir in unserer Gesellschaft keine offenen Diskussionen über die folgenden Fragen führen können:

  • Wieviel Versorgung wollen wir?
  • Wieviel können wir uns leisten?
  • Was sind wir bereit, dafür zu zahlen?

Stattdessen wird, vom Misstrauen geschürt, der Eindruck erweckt dass die Akteure in der Krankenversorgung – die Leistungserbringer, Institutionen und Kostenträger – die zur Verfügung stehenden Finanzen ineffizient nutzen. Deshalb ist es ein kleiner Hoffnungsschimmer, wenn im Koalitionsvertrag von der schrittweisen Einführung einer sozialgerechten, transparenten, solidarischen Finanzierung des Krankenversicherungsschutzes gesprochen wird.

Über 70 % der Bundesbürger sind der Meinung, dass es in Deutschland nicht gerecht zugeht. Dazu trägt primär die politisch gewollte Unschärfe des Gerechtigkeitsbegriffs bei, aber auch die verbreitete Auffassung, dass die wichtigste Aufgabe des Staates die Umverteilung sei. Dies ist vorwiegend wahltaktisch motiviert und zeigt sich in den vielen irreführenden Formulierungen und Versprechungen. Es wird immer nur auf die Verpflichtung der solidarischen Absicherung der Krankheitsrisiken durch den Staat hingewiesen, ohne darauf hinzuweisen, dass in einem freiheitlichen Rechtsstaat die Solidarität bei der Eigenverantwortung des Bürgers für sein Leben und seine Zukunft beginnt. Alles andere ist eine einseitige Auslegung unserer Verfassung.

Dies soll nicht als „Schwarzmalerei“ verstanden werden. So wie wir unseren Patienten die Wahrheit über ihre Krankheit sagen, ohne die Hoffnung auf Heilung oder doch Besserung zu nehmen, so können wir uns um die primären Ursachen der Gefährdung unseres Berufes nicht drücken, ohne an der Hoffnung festzuhalten, dass die Gegenseite unseren Argumenten letztlich doch folgen wird.

Man kann auf Dauer Entscheidungen im Sozialbereich  – und hierzu zählt das Gesundheitssystem – nicht ohne Einbindung der gesamten Bevölkerung in den Diskussions- und Entscheidungsprozess treffen. Ohne diese Einbindung bleibt der Bürger in den Fragen über die Verantwortung für seine Gesundheit unmündig. Es ist der Verdienst des Präsidenten der Bundesärztekammer, Prof. Hoppe, diesen Prozess angestoßen zu haben. Wir sollten ihn dabei unterstützen, auch wenn die Ärzte diese Diskussion nicht allein führen können.

Erinnern wir uns an einen Satz von Billroth aus einem Brief an Johannes Brahms aus dem Jahr 1872: „Ich habe übrigens seit vielen Jahren das Paradoxon aufgestellt, dass die steigende Vervollkommnung der ärztlichen Kunst wohl dem Individuum zu Gute kommt, die menschliche Gesellschaft aber ruinieren wird.“

Es ist unsere Aufgabe dieses zu verhindern. Beginnen wir heute mit dem schrittweisen Abbau des Misstrauens. Ich bin überzeugt, dass es sich lohnt, sich zum Wohle unserer Patienten und für die Attraktivität unseres schönen Berufes einer Chirurgin oder eines Chirurgen einzusetzen.

Historie des BDC 2003 bis 2010

Das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts war durch eine Auf- und Umbruchstimmung in der Chirurgie geprägt. Die drei wichtigsten Ursachen waren:

  1. die neue Musterweiterbildungsordnung 2003
  2. die Reformgesetze im Gesundheitssystem
  3. der zunehmende Nachwuchsmangel in den operativen Fächern

1. Musterweiterbildungsordnung 2003

Die Neuordnung der Weiterbildung im Fach Chirurgie und der Aufgliederung in Fachkompetenzen sowie der Eingliederung bzw. Rückkehr der Orthopädie in das Fach Chirurgie führten zu gravierenden Änderungen. In den 60er Jahren und Anfang der 70er war die erste große Welle der Spezialisierung in der Medizin. In der Chirurgie kam es zur Verselbstständigung der Kinderchirurgie, Unfallchirurgie und Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie – mit der späteren Aufteilung dieser drei in je einzelne Spezialfächer.

Stelzner schreibt in der Monografie über Müller-Osten dazu:

„Die Erhaltung der Einheit der Chirurgie war und ist eine der Hauptaufgaben des Berufsverbandes, der er sich mit großem Einsatz annahm. Das begann mit der Entstehung der Teilgebiete.

Neben dem Teilgebiet Kinderchirurgie wurde als erstes das Teilgebiet Unfallchirurgie zur Debatte gestellt. Schon im Vorfeld der Entscheidung war das Bemühen der Orthopäden deutlich geworden, die Unfallchirurgie zum orthopädischen Teilgebiet zu machen. Auch an dieser Stelle bedarf es der Erinnerung, dass solche Entscheidung nicht im wissenschaftlichen Rahmen, sondern allein im berufsständischen Feld getroffen werden.

Deswegen war es für uns Chirurgen ein historischer Augenblick, als nach langem teilweise sehr persönlich geführten und nicht von Diffamierungen freien Kampf, der deutsche Ärztetag 1968 mit überwältigender Mehrheit beschloss, das Teilgebiet Unfallchirurgie der Chirurgie zuzuweisen. Das war ein großer Erfolg des Berufsverbandes. Man muss sich dieser Geschehnisse erinnern, wenn man darüber diskutiert.“

Die 1976 verabschiedete Musterweiterbildungsordnung (MWBO), die erstmals auch eine Facharztprüfung am Ende der Weiterbildungszeit einführte, was wiederum Anlass zur Gründung der Akademie für chirurgische Weiterbildung und praktische Fortbildung des BDC gab, wurde institutionell unmittelbar im Berufsverband umgesetzt. So waren seit 1976 alle Teilgebiete durch Delegierte im erweiterten Präsidium des BDC direkt vertreten, sowie einer dieser Delegierten für alle im geschäftsführenden Präsidium.

Eine gemeinsame Kommission der DGCH und des BDC, mit Vertretern aller chirurgischen wissenschaftlichen Fachgesellschaften, sowie Vertretern des Ordinarienkonvents und des Konvents der leitenden Krankenhauschirurgen (KLK) unter dem Vorsitz des damaligen Präsidenten des BDC, Jens Witte, befasste sich Ende der 90er Jahre bis 2003 mit der Neugliederung der chirurgischen Fächer und der dazugehörigen Weiterbildung.

Unter dem fachkundigen, aufrichtigen, fairen und dynamischen Führungsstil von Witte gelang es der Kommission entscheidende Änderungen durchzusetzen. Durch die Einführung der zweijährigen Basischirurgie (Common Trunk) für alle chirurgischen Fächer sowie der Wiedereingliederung der Orthopädie in das Fach Chirurgie kann die Arbeit dieser Kommission als Meilenstein gewertet werden. Auch wenn knapp 10 Jahre danach bereits Korrekturen notwendig sind.

Nach wie vor ist die Weiterentwicklung in steter zeitgerechter Anpassung an den medizinischen Fortschritt und die sich verändernden Versorgungsstrukturen eine besondere Herausforderung der gemeinsamen Weiterbildungskommission der chirurgischen Fachgesellschaften und Berufsverbände, erschwert durch die föderalistische Gliederung der verfassten Ärzteschaft in 17 verschiedenen Landesärztekammern. Die durch die Musterweiterbildungsordnung 2003 vollzogene Aufteilung des Faches Chirurgie in einzelne Kompetenzen, die durch eigene wissenschaftliche Fachgesellschaften vertreten wurden, ergab sich die Notwendigkeit die DGCH in Form einer Dachgesellschaft zu organisieren. Ein Prozess, der erst jetzt in seine Endphase tritt.

Erst wenn die Struktur der DGCH als Dachorganisation getragen von den einzelnen wissenschaftlich chirurgischen Fachgesellschaften vorliegt, werden die Gespräche, die schon zu Zeiten der Präsidentschaft von Jens Witte begonnen haben, zwischen der DGCH und dem BDC über Aufgaben- und Arbeitsteilung sowie mehr institutionellen Zusammenarbeit fortgesetzt und zu einem Ende geführt werden können.

2. Auswirkungen der Reformgesetze im Gesundheitssystem

Die zweite Ursache für die oben angeführte Auf- und Umbruchstimmung waren die Reformgesetze für das Gesundheitssystem der beiden letzten Koalitionen. Von uns allen mehr als ein Umbruch, als ein Aufbruch verstanden und erlebt. Die Umsetzung dieser Reformen stellen immer noch für die Berufsverbände, aber auch für alle Fachgesellschaften, eine extreme Herausforderung dar. Die Einführung des pauschalierten Vergütungssystems (DRG) im Krankenhaussektor hat zu einer erheblichen Steigerung der bürokratischen Tätigkeit der Ärzte geführt, ergänzt durch – wie ich meine – ein überzogenes Qualitätssicherungssystem. Dies führte unter der zunehmenden Macht der Ökonomie in den Krankenhäusern zu einer enormen Arbeitsverdichtung – Industrialisierung – der ärztlichen Arbeit. Dies ist auch einer der wichtigsten Gründe für die abnehmende Motivation für den Arztberuf im Allgemeinen.

Die Einführung der medizinischen Vorsorgungszentren (MVZ) besonders aber auch der §116 B haben erneut neue Gräben zwischen ambulant tätigen und stationär tätigen Kollegen aufgerissen. Das stete Sinken der Honorare für ärztliche Leistungen insbesondere der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen hat verständlichen Frust aufgebaut, der sich in einigen Situationen in auch auf der Straße ausgetragenen Protesten abreagierte. Nicht nur im BDC wurde sehr intensiv über die Möglichkeiten und Grenzen der Art der Proteste durch Ärzte diskutiert, doch seit der unmittelbaren Zeit nach dem 2. Weltkrieg waren erstmals wieder niedergelassene Kollegen existenziell bedroht.

Die ersten Auswirkungen der 2003 bis 2006 in den einzelnen Landesärztekammern umgesetzten Weiterbildungsordnung von 2003, die drastischen Änderungen im Gesundheitswesen und der zunehmende Nachwuchsmangel haben zwangsläufig – anders als in den Gründerjahren des BDC – auch die wissenschaftlichen Fachgesellschaften bewogen, sich selbst berufspolitisch zu engagieren.

Es kann nicht schaden, wenn viele über Lösungen nachdenken. Jedoch dürfen wir nicht vergessen: Vielstimmigkeit in der Öffentlichkeit schadet! Dies zu verhindern ist die gemeinsame Weiterbildungskommission ein gutes Beispiel. Die Diskussion findet in unseren Reihen statt, das Ergebnis wird gemeinsam von allen getragen und in der Öffentlichkeit vertreten. Schaden fügen uns nur Einzelmeinungen zu, wenn sie durch persönliche Beziehungen zu Mandatsträgern in Politik und Selbstverwaltung die ihrige als allein richtige vermitteln.

In dieser Auf- und Umbruchphase traf der plötzliche tragische Tod des Präsidenten, Prof. Witte, den BDC besonders, war er doch die treibende Kraft. In seiner Person liefen fast alle Stränge der operativen und strategischen Arbeiten des BDC zusammen. Der damalige Vizepräsident, Prof. M.-J. Polonius, übernahm bis zur offiziellen Wahl auf der Mitgliederversammlung die Aufgaben des Präsidenten.

Nach einer Übergangszeit wurden im Rahmen der Arbeitsteilung der nach dem Umzug nach Berlin zugenommenen Aufgaben satzungsrelevante Änderungen in der Führungs- und Arbeitsebene vorgenommen.

Um den gewachsenen speziellen Aufgaben der niedergelassenen Chirurgen im vollem Umfang nachzukommen, wurde der Vorstand um die Position eines zweiten Vizepräsidenten erweitert mit der Maßgabe, dass gleichzeitig stets einer der drei Präsidenten von einem niedergelassenen Chirurgen zu besetzen ist. Zusätzlich wurde die Vertretung dieser Kollegen regionalisiert. Diese Regionalvertreter bestimmen seither eigenständig ihren Vertreter für das Referat in den beiden Präsidien des BDC. Zusätzlich wurde den niedergelassenen Chirurgen das Recht eingeräumt, neben der Auffassung des Präsidiums des BDC, einen eigenen abweichenden Standpunkt öffentlich zu vertreten. Bei allen anfänglich geäußerten Bedenken ist diese Situation jedoch bis heute nicht eingetreten. Der BDC hat immer für alle Chirurginnen und Chirurgen gesprochen und wird dies auch in Zukunft tun, ganz gleich in welcher Weise sie den Beruf ausüben. Auch der hin und wieder erhobene Vorwurf, der BDC sei ein Chefarztverband, lässt sich schon an der Verteilung der Mitglieder (siehe Statistik Seite xxx) auf die einzelnen Tätigkeitsgruppen ad absurdum führen.

Während der Präsidentschaft von Jens Witte wurden die Bemühungen um eine engere Kooperation mit den anderen Berufsverbänden und den wissenschaftlichen Fachgesellschaften versucht zu intensivieren. Durch die Rückkehr der Orthopäden in das Fachgebiet der Chirurgie war es selbstverständlich, sich um eine engere Kooperation mit dem Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie (BVO, jetzt BVOU) zu bemühen. Die gegenseitige Teilnahme an den jeweiligen Gremienarbeiten (Vorstandssitzung, Präsidiumssitzung etc.) und gemeinsamen Kommissionen (z. B: die Gemeinsame Weiterbildungskommission DGCH und BDC) haben Schritt für Schritt zu einem verbesserten Verständnis unter einander geführt, getragen von der Überzeugung, dass wir die Chirurginnen und Chirurgen nur gemeinsam wirkungsvoll vertreten können. Nicht zuletzt die Vertreter des BDC und ANC auf regionaler Ebene (KV) haben zu einem deutlich besseren Verständnis untereinander geführt. So ist bereits für 2011 beabsichtigt, den Jahreskongress des BNC und den Chirurgentag des BDC gemeinsam zu gestalten und abzuhalten. Es besteht große Zuversicht, dass uns dies gelingen wird.

3. Der zunehmende Nachwuchsmangel in den operativen Fächern

Während 2003 auf einer gemeinsamen Veranstaltung in München die Diskussion über den voraussichtlichen Nachwuchsmangel in den chirurgischen Fächern noch mit der Bemerkung: „Dieses Thema ist zur Zeit von keiner besonderen Relevanz!“, abgebrochen wurde, haben heute alle Fachgesellschaften sehr bald erkannt, dass dies die wichtigste permanente Aufgabe und Herausforderung in den nächsten Jahrzehnten sein wird.

Die „Industrialisierung“ der Arbeit im Krankenhaus, die enorme Arbeitskonzentration, die trotz vermehrter Nutzung moderner IT-Verfahren überbürdende Bürokratie und die gesetzliche Arbeitszeitregelung haben in den operativen Fächern zu erheblichen Schwierigkeiten geführt, in einem vertretbaren Zeitraum eine Facharztqualifikation zu erlangen. Natürlich hat auch die teilweise unstrukturierte mangelhafte Weiterbildung vor Ort zum Verlust der Attraktivität der operativen Fächer bei den jungen Generationen (besonders PJlern!) beigetragen. Berücksichtigt man noch die zumindest kurz- und mittelfristig nicht beeinflussbare Demographie, so ist die große Herausforderung unserer Profession der zunehmende Nachwuchsmangel. Hierbei ist im zunehmendem Maß zu berücksichtigen, dass die Lebensgestaltung der jetzigen Generation und die „Feminisierung“ der Medizin – 65 bis 70 Prozent der Medizinstudenten sind zur Zeit weiblich – neue Antworten erfordert, nicht nur auf organisatorischem Sektor.

Der BDC hat 2008 mit seiner Berufsaufklärungs- und Werbungskampagne „Kein Durchschnittsjob: ChirurgIn Nur Mut!“ verstärkt fortgesetzt. Auch wenn einige Kritik geäußert wurde z. B. sie sei zu poppig, so spricht die große Resonanz bei den Medizinstudenten und –studentinnen für uns und wir registrieren mit Befriedigung, dass auch andere Verbände sich mit eigener Werbung schon früh um den Nachwuchs bemühen.

Die 2010 anstehenden Wahlen der Mandatsträger des BDC werden wir nutzen, neben der Kontinuität auch eine schrittweise Verjüngung der Präsidiumsmitglieder vorzunehmen, um so auch frühzeitig Vertreter der betroffenen Generation in die Entscheidungsprozesse einzubinden.

Die Leitung eines Berufsverbandes mit fast 16.000 Mitliedern ist keine „one man show“. Vielmehr bedarf es einer Mannschaft aus haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter. Diesen gilt mein aufrichtiger und herzlicher Dank, sie haben mir meine Aufgabe zu erfüllen leicht gemacht.

Editorial: Die BDC-Landesverbände

Im Gegensatz zu vielen wissenschaftlich-chirurgischen Fachgesellschaften ist der Berufsverband der Deutschen Chirurgen nicht nur eine bundesweit agierende Interessenvertretung, sondern auch ein regional organisierter Berufsverband. Wie der Name schon suggeriert ist es Aufgabe des BDC, Chirurgen in der Region miteinander zu verbinden und eine gemeinsame Diskussions- und Austauschplattform zu bieten. Deshalb existiert in jedem Kammerbezirk ein Landesverband des BDC.

In diesem Heft wollen wir Ihnen die BDC-Landesverbände und deren Arbeit vorstellen. Jeder BDC-Landesverband wird von einem Vorsitzenden sowie mindestens einem Stellvertreter geleitet. In vielen Regionalstrukturen wurde dabei ein ausgewogenes Verhältnis von Klinik-Chirurgen und niedergelassenen Kollegen gefunden. Jeder Landesverband organisiert ein Jahrestreffen, auf denen neben berufspolitischen Entwicklungen auch über fachliche Themen diskutiert wird.

Zusätzlich wurde unter Federführung des Referatsleiters niedergelassener Chirurgen, Herrn Dr. Kalbe, in den vergangenen Jahren ein System von Regionalvertretern der niedergelassenen Chirurgen ins Leben gerufen. Diese existieren parallel zu den Landesverbänden und arbeiten eng mit der regional organisierten Arbeitsgemeinschaften niedergelassener Chirurgen (ANC) zusammen. Es freut uns sehr, dass so die Separation früherer Jahre durch mehr Gemeinsamkeit und Schlagkraft ersetzt werden konnte. Auch hier hat der BDC die Aufgabe, Brücken zu schlagen und Kräfte zu bündeln.

Die Regionalvertreter niedergelassener Chirurgen treffen sich mindestens einmal im Jahr zu einer Klausurtagung. 2009 gab es aufgrund der vielen Herausforderungen sogar 4 Treffen. Das Bild auf dieser Seite zeigt die Teilnehmer der Klausurtagung 2010, den dazugehörigen Bericht von Herrn Kollegen Kalbe finden Sie in dieser Ausgabe.

Sowohl Ihre BDC-Landesvertreter als auch Ihre Regionalleiter niedergelassener Chirurgen können Sie ab sofort einfach und rasch über das Chirurgen-Netzwerk (www.cNetz.org) erreichen. Als BDC-Mitglied sind Sie automatisch Mitglied der Internet-Community Ihres Landesverbandes und können Anfragen stellen, sich an Diskussionen beteiligen oder neue Foren eröffnen. Sie werden hier zeitnah über die nächsten Jahrestreffen Ihres Landesverbandes und weitere Aktivitäten informiert und können sich direkt anmelden.

Wir würden uns freuen, wenn Sie diese Möglichkeit der direkten Kommunikation in Ihrer Region nutzen würden. Sie stärken so das regionale Netzwerk und den Zusammenhalt mit Ihren Kollegen. Wie das funktioniert finden Sie in einem separaten Artikel dieses Heftes von Kollegen Ansorg, unserem Hauptgeschäftsführer.

Die Vernetzung unserer Mitglieder und der chirurgischen Gemeinschaft wird sich in den kommenden Jahren zu einer neuen Kernaufgabe des BDC als größter Chirurgenvereinigung Deutschlands entwickeln. Dafür schaffen wir die technologischen und ideellen Grundlagen, das Netzwerk lebt aber von jedem einzelnen Chirurgen.

Machen Sie mit und engagieren Sie sich im Interesse der chirurgischen Gemeinschaft.

Rückblick/Ausblick 2009 – 2010

Das zu Ende gehende Jahr 2009 war geprägt durch das Inkraftsetzen der letzten Teile der Gesundheitsreform, die Einführung der Regelleistungsvolumina (RLV), das Ende der Konvergenzphase der Einführung der DRG als Vergütungssystem für den stationären Sektor und nicht zuletzt durch die Bundestagswahl. Der BDC hat neben der Information seiner Mitglieder (siehe „Der Chirurg BDC, August 2009) auch die Öffentlichkeit sachlich informiert mit dem Ziel, zumindest in der Gesundheitspolitik ein Umdenken zu erreichen. Obwohl die Mehrzahl der im Bundestag vertretenen Parteien sich am Allgemeinen festhielten, weist zumindest der Koalitionswechsel und die erstmalige Besetzung des BMG durch einen Arzt auf die Möglichkeit eines Umdenkens hin. Auch wenn Letzteres uns nicht zu euphorisch reagieren lassen sollte, besteht doch eine gewisse Chance des Wandels.

Der Wechsel zu einem anderen – prämienbasierten Finanzierungssystem für den Gesundheitssektor – wird nur durchsetzbar sein, wenn es gelingt, den Bürger zu überzeugen, dass dieses fairer und solidarischer ist. Gleichzeitig wird aber die lange versäumte Diskussion in unserer Gesellschaft beginnen müssen, statt eine implizierte Rationierung hinzunehmen auch über eine Priorisierung nachzudenken. Sicher ist dies eine primäre Aufgabe unserer Gesellschaft, an der aber auch wir Ärzte uns beteiligen müssen. In der Hoffnung, dass auf dem nächsten Deutschen Ärztetag in Dresden 2010 über die notwendige Weiterentwicklung der (Muster-)Weiterbildungsordnung 2003 entschieden wird, hat die Weiterbildungskommission der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen mit allen chirurgisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften nochmals die chirurgischen Änderungsvorschläge bekräftigt und mit neuen Daten begründet und unterlegt. Zusätzlich haben die Mitglieder der Weiterbildungskommission Gespräche mit den Mandatsträgern fast aller Landesärztekammern geführt, um unsere Entscheidung zu erläutern.

Die „Industrialisierung“ der Arbeit im Krankenhaus, die enorme Arbeitskonzentration, die trotz vermehrter Nutzung moderner IT-Verfahren überbürdende Bürokratie und die gesetzliche Arbeitszeitregelung haben besonders in den operativen Fächern zu erheblichen Schwierigkeiten geführt, in einem vertretbaren Zeitraum eine Facharztqualifikation zu erlangen. Die nicht vorhandene gezielte Finanzierung – in fast allen übrigen EU-Ländern ist eine Finanzierung der Weiterbildung üblich – soll hier nur erwähnt werden. Berücksichtigt man noch die zumindest kurz und mittelfristig nicht beeinflussbare Demographie, so ist die große Herausforderung unserer Profession der zunehmende Nachwuchsmangel. Hier hat der BDC 2008 seine Berufsaufklärungs- und Werbungskampagne „Kein Durchschnittsjob – ChirurgIn: Nur Mut!“ ins Leben gerufen und 2009 verstärkt fortgesetzt. Auch wenn einige Kritik geäußert wurde, z. B. sie sei zu poppig, so spricht die große Resonanz, z. B. bei den Medizinstudentinnen und -studenten, für uns und wir registrieren mit Befriedigung, dass auch andere Berufsverbände und Fachgesellschaften sich nunmehr mit eigener Werbung schon früh um den Nachwuchs bemühen.

Die Akademie für chirurgische Weiter- und praktische Fortbildung unter der Leitung von Herrn Prof. Jähne hat im Jahr 2009 erneut über 80 Seminare und Workshops angeboten, die von knapp 3 000 Teilnehmern, überwiegend Mitglieder des BDC, aber auch Nichtmitgliedern, genutzt wurden. Ergänzend fand der 23. Chirurgentag mit großem Erfolg wieder im Langenbeck-Virchow-Haus statt. Alle diese Aktivitäten werden unter der Leitung unseres Hauptgeschäftsführer, Herrn Dr. Ansorg und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Geschäftsstelle und der BDC-Service GmbH durch unermüdlichen Einsatz ermöglicht. Dafür sei ihnen hier herzlich gedankt.

Auch im Servicebereich ist es gelungen, das Angebot zu erweitern, so ist u. a. die Rechtsschutzversicherung verbessert worden und wir können unseren Mitgliedern jetzt auch eine recht attraktive Berufsunfähigkeitsversicherung anbieten. Besonders erfreulich ist, dass unsere Mitgliederzahl noch stetig wächst, obwohl wir natürlich die steigende Zahl der in Ruhestand gehenden Kolleginnen und Kollegen registrieren. Bereits bis Ende Oktober haben wir deutlich über 600 neue Mitglieder begrüßen können, der Frauenanteil davon betrug über 37 Prozent, sodass nunmehr über 17 Prozent unserer Mitglieder Kolleginnen sind.

Für die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen hat das Jahr 2009 mit der Einführung der Regelleistungsvolumina erneut teilweise erhebliche, man kann auch sagen, dramatische Veränderungen für die individuelle Wirtschaftslage gebracht. Naturgemäß hat uns in den ersten Wochen des Jahresbeginns eine Flut von berechtigten Anfragen und Protesten erreicht. Danach zeigte sich erfreulicherweise, dass die Chirurgen im Bundesdurchschnitt ein erkennbares Plus an Honorar zugestanden bekommen haben, auch wenn das einzelne Verlierer der Reform nicht zufriedenstellen kann. Oft sind, gerade beim ambulanten Operieren, regionale Besonderheiten ursächlich für die Verluste. Hier hat es sich bewährt, dass die Organisation des BDC über Regionalvertreter unmittelbar in den betroffenen Regionen aktiv eingreifen konnte und so neben dem zentral beim KBV und Kassen ausgeübten Druck eine annehmbare Lösung vor Ort erreichen konnte. Politisch haben wir die Einführung der RLV genutzt, um auf die völlig unzureichende Finanzierung chirurgischer Leistungen hinzuweisen. Neben der großen Politik sind es oft die unscheinbaren Probleme, deren Lösungen später erhebliche Wirkung zeitigen. Wir haben mit Erfolg dafür sorgen können, dass aktuelle chirurgische Vertragsarztsitze in allen KVen von den neu geschaffenen Fachärzten für Orthopädie und Unfallchirurgie nachbesetzt werden können. Das war und ist keineswegs selbstverständlich, weil hier Weiterbildungsordnung und Zulassungsordnung diametral entgegengesetzt formuliert sind. Mit dem Ergebnis, dass Orthopädie und Unfallchirurgen nur auf Orthopädensitze zugelassen werden sollen. Das haben wir ändern können. Es bleibt aber noch das Problem, dass die so nachbesetzten Sitze in die Fachgruppe Orthopädie verschoben werden.

In ersten Gesprächen mit den Beteiligten haben wir vorgeschlagen, die Planungsbereiche Orthopädie und Chirurgie zusammenzulegen, so wie es in der Weiterbildungsordnung des Gebietes Chirurgie der Fall ist. Das allerdings stößt derzeit noch bei dem Berufsverband der Fachärzte der Orthopäden und Unfallchirurgen (BVOU) auf Widerstand, obwohl die KBV hier bereits Zustimmung signalisiert hat. Eine Voraussetzung für die Arbeit in der Niederlassung sind adäquate Honorare. Angesichts einer geplanten Neubewertung des EBM hat der BDC beschlossen, nicht auf eine Analyse von den Krankenkassen und der KBV getragenen Instituts beim Bewertungsausschuss zu warten, sondern (durchaus mit erheblichem finanziellen Aufwand) selber Wirtschaftsdaten bei den ambulanten Leistungserbringern sowohl in den Praxen als auch in den Klinikambulanzen zu erheben. Ich kann nur hoffen, dass alle Kolleginnen und Kollegen sich der Bedeutung dieser Erhebung bewusst sind und sich aktiv an der Umfrage beteiligen. Unsere Argumente verlieren ihr Gewicht, wenn unsere erhobenen Daten nicht belastbar sind. Leider stellen wir zu unserer großen Enttäuschung oftmals fest, dass unsere Erhebungen und Fortbildungsangebote nur spärlich angenommen werden, obwohl sie von vielen eingefordert werden. So mussten wir einige Seminarangebote für Niedergelassene mangels Anmeldung absagen.

Im Jahr 2010 stehen wieder Wahlen der Funktionsträger des BDC an. Diese werden wir nutzen, um einen ersten entscheidenden Schritt in Richtung Generationswechsel zu gehen. Wie im vorigen Jahr möchte ich alle Mitglieder aufrufen, sich nicht mit ihren Ideen, aber auch Kritiken, zurückzuhalten, nur so können wir die Nähe zur Basis aufrechterhalten. Mein Dank, auch im Namen des Präsidiums, gilt allen, die sich für die Belange der Chirurginnen und Chirurgen in diesem Jahr wieder engagiert eingesetzt haben. Helfen Sie uns auch weiterhin, denn nur gemeinsam und geeint können wir etwas erreichen.

Rückblick – Ausblick 2008 – 2009

Das Erfreulichste vorweg: Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen wächst allen Unkenrufen zum Trotz weiter und bewegt sich auf die stolze Zahl von fast 16.000 Mitgliedern zu. Besonders zu erwähnen ist die Steigerung des Anteils der Chirurginnen unter den Mitgliedern. Allein in diesem Jahr war jedes dritte Neumitglied eine Chirurgin. Hierin sieht der BDC natürlich einen Auftrag, sich noch intensiver um die spezifischen Belange der Kolleginnen in der chirurgischen Arbeitswelt zu kümmern.

Zu den wichtigsten Aufgaben des BDC gehört es, sich um den chirurgischen Nachwuchs zu bemühen und ihm im chirurgischen Alltag Hilfestellung zu leisten. Überzeugt von der Richtigkeit des zu erwartenden Nachwuchsmangels in den operativen Fächern haben wir 2008 eine Kampagne „Nur Mut! Kein Durchschnittsjob – Chirurgin“ gestartet, in der wir Informationsveranstaltungen an bisher 20 medizinischen Fakultäten mit tatkräftiger (manchenorts auch wortgewaltiger Unterstützung) der Lehrstuhlinhaber durchgeführt haben. Gleichzeitig haben wir das vielfältige Seminarangebot noch erweitert, wissend um die zunehmenden Schwierigkeiten durch das stringente Arbeitszeitgesetz sowie der klinischen Arbeitsverdichtung eine strukturelle Weiterbildung vor Ort durchführen zu können. 2008 wurden 56 Seminare der verschiedensten chirurgischen Fachdisziplinen mit einer Teilnehmerzahl von rund 3.000 veranstaltet.

Die im Rahmen der gemeinsamen Weiterbildungskommission der wissenschaftlichen chirurgischen Fachgesellschaften, der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und dem Berufsverband entwickelten Logbücher fanden bis heute einen Absatz in Höhe von ca. 4.000 Exemplaren. Auch der 22. Chirurgentag war wieder im Langenbeck-Virchow-Haus ein voller Erfolg. Diese Leistungen waren nur möglich durch den unermüdlichen Einsatz der Mitarbeiter der Geschäftsstelle und der Service GmbH unter der Leitung von Dr. Ansorg. Ihnen sei dafür herzlich gedankt.

Politisch war das Jahr 2008 geprägt durch die schrittweise Umsetzung der Reformgesetze im Gesundheitswesen. Hier haben sich die Vorstandsmitglieder des BDC, aber besonders auch die Vertreter der BDC-Landesverbände, nicht nur in den Selbstverwaltungsgremien (BÄK, LÄK, KVen usw.) eingebracht, sondern auch das intensive Gespräch und die Diskussionen mit den politischen Mandatsträgern gesucht und geführt. Diese Gespräche laufen – anders als in der öffentlichen Auseinandersetzung und Wahrnehmung – in der Regel sehr sachlich und konstruktiv. Die Einführung des Fonds und das in Verabschiedung befindliche Krankenhausfinanzierungsgesetz sind die wichtigsten letzten Schritte, die für 2009 noch durchzuführen sind.

Das beherrschende Thema in der Chirurgie war die Korrektur bzw. die Weiterentwicklung der Musterweiterbildungsordnung für das Gebiet Chirurgie. Nach langen Diskussionen wurde die Zusammenführung der Allgemein- und Viszeralchirurgie, wie dies bereits in anderen westeuropäischen Länder stattgefunden hat, beschlossen. Wir hoffen, dass die Gremien der Bundesärztekammern diesen Änderungsantrag bald möglichst zustimmen. Nachdem sich daher die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) gegründet hat, ist auch eine Neuausrichtung insbesondere in der Zuordnung der Aufgaben der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie als Dachgesellschaft aller chirurgischen Fachkompetenzen notwendig. Erst danach wird es möglich sein, die strukturelle Zusammenarbeit zwischen BDC und DGCH zu ordnen.

Im Bereich der niedergelassenen Chirurginnen und Chirurgen war naturgemäß die am 01.01.2009 erfolgende Vergütungsreform ein Hauptthema. Es ist gelungen, durch die Beschlüsse des erweiterten Bewertungsausschusses zumindest dafür zu sorgen, dass die Höherbewertung chirurgischer Leistungen auch zu einer höheren Befüllung der regionalen Fachgruppentöpfe führt. Das ist aber angesichts der generellen Abwertung aller Leistungen nur ein schwacher Trost. Es bleibt auch in Zukunft beim Prinzip einer begrenzten Gesamtvergütung und gleichzeitig unbegrenzter Mengenanforderung. Das bedeutet zwangsläufig die Fortführung von Budgets, auch wenn diese „offiziell“ abgeschafft sind.

Trotz aller Einsprüche setzt sich die Politik der Nivellierung auf niedrigem Niveau fort, was insbesondere leistungsstarken Praxen in Zukunft erhebliche Probleme bereiten wird. Der Ausweg liegt nach unserer Auffassung in einer schrittweisen Abkehr vom KVorganisierten Kollektivvertrag und hin zu Einzelverträgen mit Kassen. Hier ist im letzten Jahr ein erster Vertrag von einer großen BKK abgeschlossen worden. Wir werden auch hier mit anderen Kassen solche Verträge anstreben. Dazu bedarf es allerdings einer großen Geschlossenheit auf unserer Seite, die inzwischen durch die Arbeit der Regionalvertreter deutlich verbessert werden konnte. Hilfreich ist auch die zusätzliche regionale Bildung von Genossenschaften, wie in Nordrhein und Hessen bereits geschehen. Der BDC wird diese Genossenschaften unterstützen und fördern im Sinne einer hilfreichen Parallelstruktur, um die letztlich gemeinsamen Ziele auf allen denkbaren Wegen zu erreichen. Allerdings verwahren wir uns gegen Bestrebungen, Mitgliedschaften in Genossenschaften an Mitgliedschaften andernorts zu binden. Der BDC wird derartige Verknüpfungen nicht verlangen.

Immer wichtiger wird in Zeiten knapper Finanzmittel eine konsequente und effiziente betriebswirtschaftliche Praxisführung. Im vergangenen Jahr haben wir mit großem Erfolg entsprechende Seminare angeboten und werden aus den Erfahrungen dieser Angebote auch 2009 in diesem Themenbereich weitere Seminare zusammen mit kompetenten Fachleuten veranstalten. Speziell für Niedergelassene werden Abrechnungsseminare sowohl zum EBM wie auch zur GOÄ und zur BG-Abrechnung angeboten werden. Angesichts der besonderen Bedeutung des Durchgangsarztverfahrens für Chirurgen ist eine Arbeitsgruppe BG ins Leben gerufen worden. Diese Arbeitsgruppe wird sowohl alle fälligen Fragen zu allen Themen rund um die BG direkt beantworten, vor allem im Gespräch mit den Verantwortlichen der Berufsgenossenschaften strittige Themen erörtern und nach gemeinsamen Lösungen im Interesse unserer Mitglieder suchen. Dabei geht es nicht nur um Vergütungsfragen, sondern auch um strukturelle Konsequenzen aus der veränderten Vertragslandschaft mit zunehmenden Zusammenschlüssen, auch an mehreren Praxisstandorten.

Wie in allen Jahren bleibt es bei dem Angebot des BDC, dass jedes Mitglied jedwede Frage auch direkt an die Verantwortlichen richten kann und soll, die möglichst individuell und zeitnah beantwortet wird. 2009 ist durch die Wahl des Bundespräsidenten, vier Landtagswahlen und der Bundestagswahl geprägt, so dass trotz der erdrückenden globalen Finanz- und Wirtschaftskrise kaum wichtige neue Entscheidungen im politischen Gesundheitssektor zu erwarten sind. Eine sehr gute Gelegenheit für eine weitere Professionalisierung und Konsolidierung der Arbeit im BDC. Zum Schluss möchte ich alle Mitglieder zur konstruktiven Kritik herausfordern, die wir brauchen, um uns von dem Klinik- und Praxisalltag nicht zu weit zu entfernen.

Ich bedanke mich im Namen des Präsidiums bei allen für die vielseitige und vielfache Unterstützung der Belange des Berufsverbandes. Mit den besten Wünschen für ein frohes Weihnachtsfest und ein gesundes und erfolgreiches Jahr 2009.