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Herrn Prof. Dr. med. Dr. med. h.c. Hans-Joachim Meyer zum 75. Geburtstag

Vor wenigen Wochen hat Hans-Joachim Meyer, der aktuelle Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen, seinen 75. Geburtstag gefeiert. Dieses Ereignis ist mir gerne Anlass genug, aus langjähriger Verbundenheit einige Worte und Gedanken mit Ihnen, liebe Leser:innen der „Passion Chirurgie”, zu teilen.

Vor knapp 40 Jahren, im Dezember 1984, lernte ich Achim Meyer als damaligen Oberarzt und späteren leitenden Oberarzt von Rudolf Pichlmayr in der Klinik für Abdominal- und Transplantationschirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover kennen. Als junge Assistenzärzte mussten wir alle damals sogenannte Kurzrotationen in die verschiedenen Bereiche des Departments Chirurgie der MHH absolvieren. Mich selbst führte der Weg nach vier Wochen auf die chirurgische Intensivstation. Nach wenigen Wochen dort sprach mich Achim Meyer während eines Nachtdienstes an, ob ich nicht gemeinsam mit ihm die klinischen Studien zum Magenkarzinom, damals neben der Transplantationschirurgie eine wesentliche Entität der onkologischen Chirurgie der Klinik, betreuen möchte. Obwohl wissenschaftlich bereits anderweitig verplant, sagte ich natürlich „Ja“, da in der damaligen Zeit ein „Nein“ nicht denkbar war. Mit dieser Zusage entwickelte sich dann über die Jahre eine kontinuierliche wissenschaftliche Aktivität, wobei sich eine wesentliche Eigenschaft von Achim Meyer zeigte: Wenn man einmal gemeinsam mit ihm in einem Boot sitzt, kann man sich auf seine uneingeschränkte Unterstützung verlassen. Am ehesten ist diese Eigenschaft vielleicht zu umschreiben mit den Begriffen des Forderns und Förderns. Dabei war Achim Meyer bisweilen durchaus sehr fordernd: Wenn Daten für Vorträge oder Publikationen notwendig waren, war es gut, wenn diese innerhalb weniger Tage vorlagen. War dieses Ziel erreicht, so konnte man gewiss sein, Teil des Vortrags und/oder der Publikationen zu sein. Und damit wird eine weitere Charaktereigenschaft des Präsidenten des BDC deutlich: Wenn er einmal etwas zusagt, dann hält er sich auch daran.

Neben der wissenschaftlichen Aktivität war Achim Meyer immer ein unstreitiger Sachwalter der Patienteninteressen. Wenn er das Gefühl hatte, dass man sich nicht genügend um die Patient:innen kümmerte, konnte es recht ungemütlich werden. Auch war er derjenige, der sich, ausgestattet mit einer großen Loyalität zum damaligen Chef der Klinik, immer für die Belange der Klinik einsetzte. Selbst nach 36 Stunden im Dienst war es sehr häufig immer er, der dann in der darauffolgenden Nacht noch zu einer Organexplantation irgendwo in Deutschland oder Europa flog. Es war dann auch selbstverständlich für ihn, am nächsten Morgen wieder in der Klinik zu sein und bis abends zu arbeiten. Manchmal hatte ich dabei gar das Gefühl, dass sein Auto sowieso erst um 21:15 h wieder ansprang und vorher keinesfalls fahrbereit war! Diese außergewöhnliche Einsatzbereitschaft charakterisiert eine weitere Eigenschaft von Achim Meyer, die viele von Ihnen möglicherweise auch persönlich immer wieder erfahren konnten: Der Präsident des BDC ist physisch und psychisch sehr belastbar und immer in den ihm übertragenen Aufgaben engagiert.

Nach etwas mehr als zehn Jahren trennten sich dann unsere Wege, und Achim Meyer wurde Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Klinikum Solingen. Trotz der Entfernung zwischen Solingen und Hannover blieb der Kontakt erhalten. Mit dem Blick aus der Ferne Niedersachsens erklomm Achim Meyer auch in Solingen weitere Schritte der chirurgischen Karriereleiter, wobei ich an dieser Stelle seine Präsidentschaft bei der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie im Jahre 2009/2010 und sein internationales wissenschaftliches Engagement gerade in Zusammenarbeit mit der Polish Association of Surgery und der Japanese Surgical Society herausstellen möchte.

Als er die Tätigkeit des Generalsekretärs der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie übernahm und nach Hannover zurückkehrte, nahmen dann gerade während der eigenen Präsidentschaft bei der DGCH im Jahr 2013/2014 unsere Kontakte naturgemäß deutlich zu. Achim Meyer war während des Präsidentenjahres eine wertvolle und immer wieder hilfsbereite Unterstützung, um die eigenen vielfältigen Aufgaben der Klinikleitung einerseits und der Präsidentschaft andererseits zu erfüllen. Alle Eigenschaften, die ich bereits als junger Assistent bei ihm erfahren konnte, haben sich auch während dieses Jahres gezeigt: Verlässlichkeit, Engagement, Zuverlässigkeit und Disziplin. Daher möchte ich diese Zeilen auch dazu nutzen, Achim Meyer für seine fortwährende Unterstützung während der letzten Jahrzehnte sehr herzlich zu danken. Und es darf natürlich nicht unerwähnt bleiben, dass die Doppelfunktion als Generalsekretär der DGCH und als Präsident des BDC eine durchaus glückliche Fügung darstellte, um zumindest einige Aspekte der vertieften Zusammenarbeit voranzubringen.

Von Herzen wünsche ich dem Präsidenten des BDC anlässlich seines 75. Geburtstages alles erdenklich Gute, Glück und Gesundheit. Möge Achim Meyer auch weiterhin seine ungebrochene Schaffenskraft im Interesse der Mitglieder des BDC einbringen und gleichzeitig aber auch den aus meiner Sicht wünschenswerten Raum für bis dato noch ungelebte Ziele und Wünsche haben.

Hannover, im März 2023
Joachim Jähne

Rezension: Referenz Allgemein- und Viszeralchirurgie – Unterer Verdauungstrakt

Das Buch „Referenz Allgemein- und Viszeralchirurgie – Unterer Verdauungstrakt“ ist Teil einer fachübergreifenden Publikationsfolge, die der Thieme-Verlag im Interesse der Bedürfnisse klinisch tätiger Ärzt:innen aufgelegt hat und bei der es um einen inhaltlichen Austausch mit den Referenzwerken aus anderen Fachgebieten geht. Allein die Titelwahl „Referenz“ unterstreicht den hohen Anspruch, den das Werk an sich selbst stellt: Unter Zugrundelegung der möglichen linguistischen Bedeutungen des Wortes „Referenz“ soll es als Verweis verstanden werden, dass es sich um eine verlässliche Quelle handelt. Die Leser:innen sollen sich somit auf die Ausführungen und Darstellungen verlassen können, um sie bei der Behandlung der Patienten anzuwenden. Erfüllt das Buch diesen hohen Anspruch an sich selbst? Die Frage ist eindeutig mit „Ja“ zu beantworten!

Die Herausgeber und Autor:innen haben ein konzeptionell und inhaltlich bestechendes Werk vorgelegt. Es ist in zwei Teile untergliedert, in denen zum einen die zahlreichen Krankheitsbilder des unteren Verdauungstraktes, zum anderen die (chirurgischen) Methoden zur Behandlung dargestellt sind. Innerhalb der einzelnen Krankheitsbilder und Methoden erfolgt eine durchgängig stringente Abhandlung, die neben einer steckbriefartigen Beschreibung einen sehr logischen und eingängigen Ductus aufweist. Dadurch ist es für die Leser:innen möglich, sich kurz und dennoch umfassend über das jeweilige Krankheitsbild und die Behandlungsmöglichkeiten zu informieren. Dieser konsequente Textaufbau und die erkennbare Aktualität der Beschreibung der Krankheiten und Methoden lassen vergessen, dass zahlreiche Autor:innen an dem Buch mitgewirkt haben. Der Text wird durch umfangreiches Bildmaterial und viele Tabellen ergänzt. Es werden z. T. wichtige Internetadressen zur weiteren Informationsbeschaffung angegeben, und einige Beiträge enthalten für die Praktiker:innen wichtige Merksätze. Abgerundet wird das Werk durch ein sehr detailliertes und damit hilfreiches Sachverzeichnis. Durch den gut strukturierten Aufbau des Buches und die inhaltliche Präzision werden seine beiden kritischen Punkte – der Umfang von fast 1.000 Seiten und der Preis von 349,99 € – bei Weitem aufgewogen.

Referenz Allgemein- und Viszeralchirurgie – Unterer VerdauungstraktHsg. M. Sailer, F. Aigner, F. Hetzer, C. Holmer, M. Kreis
Thieme-Verlag, Stuttgart – New York, 2022
ISBN: 9783132424708
eBook: 399,99 €
Hardcover: 399,99 €Beim Verlag bestellen: www.bit.ly/ReferenzAllgVisz

Insgesamt kann das Buch „Referenz Allgemein- und Viszeralchirurgie – Unterer Verdauungstrakt“ durchaus als Referenzwerk betrachtet werden. Allen praktisch tätigen Allgemein- und Viszeralchirurg:innen, sei es in der Klinik, im MVZ oder in eigener Praxis, kann dieses Werk uneingeschränkt empfohlen werden, zumal mit dem Erwerb des Buches auch ein kostenloser Zugang über das Internet verbunden ist. Obwohl es im digitalen Zeitalter antiquiert erscheint – das Buch sollte in keiner Bibliothek einer allgemein- und viszeralchirurgischen Klinik fehlen.

Jähne J: Rezension: Referenz Allgemein- und Viszeralchirurgie – Unterer Verdauungstrakt. Passion Chirurgie. 2022 August, 12(07/08): Artikel 04_06.

Die chirurgische Indikation im Kontext medizinischer, gesellschaftspolitischer und ökonomischer Entwicklungen

Die korrekte chirurgische Indikation zur Durchführung einer Operation ist eine der wichtigsten Aufgaben in der Chirurgie. Dabei steht der Patientenwille über allem. Die exakte Indikation begründet das Vertrauen des Patienten in die Chirurgie. Durch den gesellschaftspolitischen Wandel und den medizinischen Fortschritt können Änderungen und Ausweitungen der Indikation resultieren. Die chirurgische Indikation darf nicht ökonomischen Zwängen ausgesetzt werden, wobei sich die Chirurgie auch ihrer ökonomischen Verantwortung stellen muss.

„Zuerst erschienen in Zeitschrift für medizinische Ethik, Ausgabe 3/2020“

Im Kontext der geschilderten Verhältnisse und Umstände ist das Ziel des vorliegenden Beitrages, aus der Sicht eines Chirurgen den Stellenwert der Indikation bei den sich wandelnden Rahmenbedingungen aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten und einer aktuellen Standortbestimmung zu unterziehen.Nicht erst in diesen Tagen, sondern bereits seit vielen Jahren werden Strukturreformen des gegenwärtigen Gesundheitssystems in Fachkreisen und auch in der breiten Öffentlichkeit thematisiert und kontrovers diskutiert. Diese Diskussionen erörtern auf der einen Seite unter anderem die demografischen Veränderungen, den medizinischen Fortschritt, die sich ändernden Ansprüche an eine gleichermaßen effektive und effiziente Patientenversorgung sowie die zunehmende Digitalisierung. Auf der anderen Seite sind es weit überwiegend ökonomische Fragen, die auf eine Beantwortung warten [1]. Gerade die veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen im Krankenhaus, hervorgerufen durch die Einführung von Fallpauschalen, haben zu erheblichen Umgestaltungen geführt. Sie betreffen gleichermaßen die Strukturen der Krankenhäuser (z. B. die Schaffung von hauptamtlichen ärztlichen Direktoren) und die Ausgestaltung der Verträge der Führungskräfte und besonders auch der Ärzte mit Einführung von Zielvereinbarungen und entsprechender Vergütung. Das Vordringen ökonomischer Denkmuster in ärztliche (und pflegerische) Bereiche – beide auch heute noch durch eine hohe intrinsische Motivation und altruistische Denkmuster gekennzeichnet – führt gegenwärtig in den Krankenhäusern zu Stellenabbau, verdichteten Arbeitsabläufen sowie zu deutlich als schlechter empfundenen Arbeitsbedingungen mit den Konsequenzen von hohen Krankenständen und Nachbesetzungsschwierigkeiten bei freiwerdenden Stellen. Vor diesem Hintergrund überrascht es daher nicht, dass Krankenhäuser und Ärzte mehr und mehr in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses gelangen, da die Befürchtung besteht, dass medizinische Leistungen besonders aufgrund des Diktates der Ökonomie und weniger wegen wirklich indizierter Behandlungsnotwendigkeiten erbracht werden [2]. Vielfach wird dabei gerade auf der ärztlichen Seite vergessen, dass daraus ein erheblicher Vertrauensverlust in die ärztliche Tätigkeit resultiert, somit also die Ärzte möglicherweise eines ihrer höchsten Güter – das Vertrauen der Patienten – verspielen [3].

Zur Bedeutung der chirurgischen Indikation

Für eine gelingende Patientenbehandlung ist es unerlässlich, dass sich die Arzt-Patienten-Beziehung auf gegenseitiges Vertrauen gründet. Dieses Vertrauen entsteht durch eine Anerkennung der besonderen Situation eines Kranken, der „mit seiner Erkrankung ein von den Selbstverständlichkeiten des Alltäglichen Ausgegrenzter ist“ [4]. Das Fundament für eine gute Arzt-Patienten-Beziehung ist die angemessene verbale und nonverbale Kommunikation und auf Seiten des Patienten die Anerkennung einer asymmetrischen Beziehungsebene. Trotz einer weiten Verbreitung von medizinischen Inhalten, insbesondere durch das Internet, und die grundsätzlich zu befürwortende partizipative Entscheidungsfindung, befindet sich der Mensch (als Patient) aufgrund der Krankheitssituation immer in einer vom Arzt abhängigen Beziehung.

Dies vorausschickend ist es die herausragende Aufgabe des Chirurgen, auch bzw. gerade in der heutigen Zeit der Sachwalter der Interessen des Patienten zu sein. Dabei geht es nicht darum, das alte paternalistische Beziehungsgefüge zwischen Arzt und Patient wieder aufleben zu lassen, sondern die Interessensvertretung des Chirurgen für den Patienten in einen modernen Zusammenhang zu stellen. Unverändert steht der Patientenwille nach einem noch heute gültigen Urteil des Reichsgerichtes über dem Patientenwohl. Dies bedeutet, dass auch bei noch so eindeutig bestehender Indikation zu einem operativen Eingriff dieser nicht durchgeführt werden darf, wenn sich der Patient nach umfassender Aufklärung und Beratung eindeutig dagegen ausspricht. Solche Situationen sind gerade angesichts der demografischen Entwicklung heute durchaus regelhaft: Zahlreiche ältere und hochbetagte Patienten lehnen einen Eingriff z. B. beim Vorliegen eines Malignoms ab und wählen andere Behandlungsmöglichkeiten. Dies ist seitens der Chirurgie zu akzeptieren.

Unabhängig davon ist die korrekte Indikationsstellung wahrscheinlich nicht nur die vornehmste Aufgabe eines Chirurgen, sondern auch die schwerste. Gerade in Situationen, in denen alternative Behandlungsmöglichkeiten vorliegen, kommt es immer sehr genau darauf an, das Für und Wider eines operativen Eingriffes abzuwägen und auch mit dem Patienten und seinen Angehörigen im Kontext von persönlichen Lebensvorstellungen und alternativen Behandlungsmöglichkeiten zu diskutieren. In jedem Fall sollten die Grundlagen und Erkenntnisse der Evidence Based Medicine (EBM) einfließen, wobei selbstverständlich zu berücksichtigen ist, dass sich die letztendliche Entscheidung immer am Patienten zu orientieren hat.

Dessen ungeachtet ist seitens der Chirurgie auch zu beachten, dass es sich bei der chirurgischen Kunst um eine auf Subjektivität gegründete Tätigkeit handelt. Zwar werden durch randomisierte Studien, bildgebende Verfahren und Laboruntersuchungen objektive Daten erhoben, die in die Bewertung einer Diagnose und einer Behandlung einfließen. Die Indikation und auch die Operation jedoch, nach der Indikationsstellung das zweite Kernstück chirurgischer Tätigkeit, ist in einem hohen Maß von Subjektivität geprägt [5]. Erst durch das chirurgische Können, erworben in vielen Jahren der operativen Tätigkeit, erlangt ein Chirurg die Fähigkeiten, die es möglich machen, eine korrekte Indikation zu stellen und die sich daraus ergebende Operation erfolgreich durchzuführen. Diese Subjektivität chirurgischer Tätigkeit wird in den heutigen Diskussionen um die Relevanz der Chirurgie bzw. ihre Ökonomisierung meist ausgeblendet, ist jedoch aus ärztlich-chirurgischer Sicht ein unverwechselbares Charakteristikum.

Es ist somit festzuhalten, dass die korrekte chirurgische Indikation das wesentliche Kriterium für eine an den Patienteninteressen orientierte Behandlung darstellt. Unter diesem Aspekt sei ein kritischer Blick auf die gerade in den Medien gelobte Initiative „Klug entscheiden“ der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin gestattet [6]. Es ist zweifelsohne lobenswert, sich mit Untersuchungen und Therapieempfehlungen auseinanderzusetzen, um dann die bestmögliche Entscheidung zu fällen. Gleichwohl sei die Frage erlaubt: Wurde vor dieser Initiative nicht klug entschieden? Geben die Ärzte damit nicht zu erkennen, dass in der Vergangenheit Entscheidungen gefällt wurden, die unklug waren? Ist es nicht ein Eingeständnis, dass die Indikation, die ohne jede Frage für jede medizinische Disziplin von höchster Bedeutung ist, in der Vergangenheit Schaden genommen hat? Allein bei Betrachtung des ärztlichen Ethos sind solche Initiativen dem Grunde nach entbehrlich.

Natürlich war und ist auch die Chirurgie nicht frei von möglichen Fehlentwicklungen bei der Indikationsstellung. Dies soll hier keinesfalls in Abrede gestellt werden. Allerdings hat die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie dargelegt, dass durch die nach EBM-Kriterien erarbeiteten Leitlinien und bei breit umgesetzter partizipativer Entscheidungsfindung eine klare Maßgabe für die korrekte chirurgische Indikation gegeben ist [7]. Da­rüber hinaus darf nicht außer Acht gelassen werden, dass auch in der Chirurgie grundsätzlich immer über Alternativen aufgeklärt werden muss und zudem die Patienten inzwischen das gesetzlich verbriefte Recht auf eine Zweitmeinung haben. Dadurch ist mit einer großen Sicherheit gewährleistet, dass die chirurgische Indikation korrekt gestellt wird. Natürlich wird dieses Recht nicht von jedem Patienten wahrgenommen und sicher auch nicht von jedem Chirurgen beim Beratungsgespräch thematisiert. Durch die vermehrte Prüfung von Behandlungen seitens der Kostenträger und die gestiegenen Anforderungen an die Transparenz des Leistungsgeschehens ist es jedoch absehbar, dass sich dies zunehmend durchsetzen wird und bei Nichtbeachtung unter Umständen erhebliche medico-legale Konsequenzen drohen können. Abschließend sei somit nochmals angemerkt, dass die korrekte Indikationsstellung den Gradmesser für eine ordnungsgemäße chirurgische Therapiemaßnahme darstellt. Wenn sich Chirurgen an der Indikation „vergehen“, schaden sie dem Patienten und damit dem Fach. Von dieser Bewertung unbenommen bleibt die wissenschaftlich fundierte Ausweitung der Indikation im Interesse des medizinischen Fortschrittes, der gerade auch in der Chirurgie in den letzten Jahrzehnten zu deutlich erweiterten Therapiemöglichkeiten und verbesserten Behandlungsergebnissen geführt hat. Dies wird im nächsten Abschnitt diskutiert.

Die chirurgische Indikation und der medizinische Fortschritt

Die Geschichte des medizinischen Fortschrittes ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheitsgeschichte, wobei klar sein sollte, dass die Schaffung einer funktionierenden Kanalisation und die Erfindung des Kühlschrankes wahrscheinlich deutlich mehr zur Steigerung der weltweiten Lebenserwartung beigetragen haben als medizinische Errungenschaften. In der Chirurgie hat es unzählige Verbesserungen gegeben, die hier nur anhand einiger ausgewählter Beispiele genannt seien. Einer der größten Fortschritte wurde bei der Endoprothetik zur Behandlung degenerativer Veränderungen insbesondere des Hüft- und Kniegelenkes erzielt. Darüber hinaus konnten auch in der Transplantationschirurgie z. B. mit der Leber-Lebendspende, in der plastischen Chirurgie mit dem Extremitätenerhalt bei Malignomen, in der Herzchirurgie mit dem aortocoronaren Bypass zur Behandlung der koronaren Gefäßerkrankung und in der Gefäßchirurgie bei der Behandlung des Aortenaneurysmas erhebliche Fortschritte erzielt werden. Hinzu kommt, dass in vielen chirurgischen Fächern aus der Reduzierung des Zugangstraumas im Rahmen der minimalinvasiven Chirurgie weitere Verbesserungen der postoperativen Ergebnisse resultierten.

Diese medizinischen Fortschritte gehen immer auch mit einer Änderung und bisweilen auch einer Ausweitung der chirurgischen Indikation einher. Gerade in der prothetischen Versorgung von Gelenkarthrosen wird immer wieder der Vorwurf thematisiert, dass aus monetären Gründen zu viel und zu schnell operiert wird. Dabei wird häufig außer Acht gelassen, dass gerade im Langzeitverlauf konservative Behandlungsmaßnahmen nur einen sehr begrenzten Erfolg haben. Ein weiteres und sehr aktuelles Beispiel ist die Lebertransplantation bei kolorektalen Lebermetastasen [8]. Nach Entfernung des links-lateralen Leberlappens mit gleichzeitiger Transplantation zweier Lebersegmente sowie nachfolgender sog. zweizeitiger Hepatektomie konnte bei einer allerdings noch kleinen und ausgewählten Patientengruppe eine 5-Jahres-Überlebensrate von 83 % erzielt werden. Dieses Beispiel verdeutlicht eindrucksvoll, dass ursprünglich nicht für möglich gehaltene chirurgische Optionen durch Ausweitung der Indikation zu einem verbesserten Ergebnis bei den betroffenen Patienten führen. Eine solche Ausweitung der Indikation ist keinesfalls abzulehnen – sie ist Ausdruck des Bemühens um eine Optimierung der chirurgischen Behandlungsmöglichkeiten.

Der medizinische Fortschritt bringt es zudem mit sich, dass natürlich auch eine Vermischung mit merkantilen Ansätzen aus der angebotsinduzierten Nachfrage resultiert. Als Beispiel sei an dieser Stelle die metabolische Chirurgie genannt. Durch die rasante weltweite Verbreitung der morbiden Adipositas und den unzureichenden Ergebnissen einer konservativen Behandlung hat die Chirurgie einen signifikanten Stellenwert bei der Therapie der Adipositas erhalten. Gerade durch die minimalinvasiven Operationsmethoden können diese Eingriffe bei den multimorbiden Patienten mit niedrigen Komplikationsraten durchgeführt und ausgezeichnete Langzeitergebnisse erzielt werden [9]. In dem Maß, wie die Adipositas zunimmt, werden diese Leistungen natürlich nachgefragt. Gerade in solchen Situationen kommt es dann darauf an, dass nicht jede machbare Operation auch wirklich durchgeführt wird, sondern dass eine kritische Indikationsstellung erfolgt und die Patienten nahezu ausnahmslos das präoperativ geforderte multimodale Behandlungskonzept durchlaufen, um sicher zu stellen, dass auch die notwenige patientenseitige Compliance besteht. An diesem Therapiekonzept wird deutlich, dass gerade auch beim medizinischen Fortschritt die chirurgische Indikation eine herausragende Rolle spielt – sie muss sich immer den neuen Gegebenheiten anpassen.

Auf der anderen Seite wird es in der Chirurgie immer wieder anfänglich strittige Indikationen geben, die im Langzeitverlauf erst den medizinischen Fortschritt mit sich bringen. Als Beispiel sei die minimalinvasive Chirurgie angeführt. In den Anfängen dieser Operationsmethode – damals noch ohne jede Studie – wurden diese Techniken abgelehnt und die Protagonisten geradezu verteufelt. In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts setzte der Kieler Gynäkologe Kurt Semm die Laparoskopie zu Entfernung des Blindarmes ein, und 1985 erfolgte die erste laparoskopische Gallenblasenentfernung. Seit dieser Zeit hat die laparoskopische/minimalinvasive Operationstechnik einen beispiellosen Siegeszug angetreten, wobei die Indikationen schrittweise ausgeweitet wurden. War es für die Viszeralchirurgie anfänglich nur die Gallenblasenentfernung, die für die minimalinvasive Chirurgie in Erwägung gezogen wurde, so eroberte diese Technik im weiteren Verlauf die kolorektale Chirurgie, anfänglich bei benigner, später dann auch bei maligner Grunderkrankung. Gegenwärtig gibt es nahezu keine viszeralchirurgische Erkrankung, die nicht durch minimalinvasive Maßnahmen behandelbar wäre. Daraus wird ersichtlich, dass sich die chirurgische Indikation gerade bezüglich operativer Techniken immer auch mit dem medizinischen Fortschritt weiterentwickelt und ggf. modifiziert wird. Das Beispiel der minimalinvasiven Chirurgie zeigt zugleich, dass es trotz der Forderung nach randomisierten Studien in der Chirurgie zur Erzielung der höchsten Evidenz oftmals chirurgische Pioniertaten Einzelner sind, die einen medizinischen Fortschritt generieren [10]. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich der medizinische Fortschritt auch stets im Diskurs mit den sich ändernden Rahmenbedingungen und den gesellschaftspolitischen Veränderungen befindet. In geradezu klassischer Weise gilt dies für die Präimplantationsdiagnostik und die Möglichkeiten der in-vitro-Fertilisation. Das nachfolgende Kapitel versucht nun eine Betrachtung der chirurgischen Indikation unter Berücksichtigung und im Spannungsfeld gesellschaftspolitischer Veränderungen.

Die chirurgische Indikation und der gesellschaftspolitische Wandel

In den letzten etwa zwei Jahrzehnten hat sich die Gesellschaft besonders aufgrund der Digitalisierung und Globalisierung erheblich weiterentwickelt und verändert. Gemäß Kondratieff befinden wir uns seit dem Jahr 2005 in der sechsten langen Welle der Weltwirtschaft, die durch ganzheitliche und biosoziale Gesundheit sowie Biotechnologie gekennzeichnet ist [11]. Im Zuge der Informationstechnologie, dem sog. fünften Kondratieff-Zyklus, und der ganzheitlichen Gesundheit haben sich die Sichtweisen der Gesellschaft und ihrer Individuen auf die Medizin und auch die Chirurgie deutlich gewandelt. Dieser Wandel lässt sich wie folgt zusammenfassend, aber keineswegs abschließend beschreiben:

Es ist zu einer erheblichen Vernetzung der Gesellschaft und ihrer Individuen gekommen. Im Zuge der Vernetzung und der Präsentation in den digitalen Medien ist gerade in der jüngeren Generation ein erhebliches Ausmaß an Selbstoptimierung zu verzeichnen. Zudem wird das Alter als unausweichliches Phänomen des Menschseins zunehmend negligiert, während das Streben nach ewiger Jugend zugenommen hat.

Die Digitalisierung hat zu einer erheblichen Transparenz des Leistungsgeschehens in den Kliniken geführt, wobei gleichzeitig der Qualitätsanspruch an die medizinische Leistungserbringung deutlich zugenommen hat, während das Bewusstsein für das damit meist einhergehende Risiko verloren gegangen ist.

Seitens der Medizin ist es zu zum Teil unrealistischen Heilsversprechen gekommen, die die Erwartungshaltung der Menschen erheblich gesteigert haben, und medizinische Themen haben in der Medienlandschaft einen bedeutsamen Stellenwert erhalten.

Diese Entwicklungen haben auf die chirurgische Indikation einen bedeutsamen Einfluss genommen, der mehrheitlich bewusst erfahren wird, der aber auch im Unterbewussten bei der Entscheidungsfindung eine Rolle spielt. Im Zuge der Selbstoptimierung ist es in der letzten Zeit vermehrt zu einer wunscherfüllenden Chirurgie gekommen, die sich besonders in der plastischen Chirurgie entwickelt hat. Fettabsaugung, Brustvergrößerung und -verkleinerung sowie die Intimchirurgie haben in den letzten Jahren steigende Eingriffszahlen zu verzeichnen und sind Ausdruck dieser Selbstoptimierung. Die ursprünglich eindeutig medizinische Indikation zum Brustaufbau durch Implantate nach Operation eines Mammakarzinoms wird in diesen Fällen durch die Indikation aufgrund des Patientenwillens ersetzt. Unbestritten ist dabei, dass viele Menschen sich in ihrem Körper unwohl fühlen, sodass diese Art der Chirurgie durchaus mit psychischem Leidensdruck gerechtfertigt sein kann. Gleichwohl muss klar sein, dass es sich hierbei um eine Ausweitung der chirurgischen Indikation handelt, die mehr durch gesellschaftliche Tendenzen als durch eindeutige medizinische Gegebenheiten bedingt ist. Selbiges gilt natürlich für die gesamte ästhetische Chir­urgie gerade im Alter, wobei es hier durchaus klarere medizinische Indikationen gibt. Beispielhaft sei die Lidkorrektur bei Schlupflidern mit eingeschränktem Gesichtsfeld genannt.

Bedingt durch die Digitalisierung und die Forderung nach einer qualitätsorientierten Chirurgie hat die Transparenz des Leistungsgeschehens in den chirurgischen Kliniken in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Viele Kliniken veröffentlichen Ihre Leistungszahlen im Internet, und die Fülle an Zertifizierungen und Behandlungszentren tragen zur Transparenz bei. Auch für die wissenschaftlichen Fachgesellschaften sind Transparenz und Qualität hohe Güter, die entsprechend beworben werden [12]. Natürlich ist es im Interesse des Patienten, wenn er von kenntnisreichen Chirurgen mit hoher Qualität behandelt wird – dies ist völlig unstrittig. Es muss nur klar sein, dass dies auch Einfluss auf die chirurgische Indikation hat, wenn auch möglicherweise mehr im Unterbewussten: Wenn ich weiß, dass meine Behandlungsdaten z. B. im Rahmen von Qualitäts-Sicherungsstudien transparent dargestellt werden, ist nicht auszuschließen, dass komplikationsträchtige Eingriffe wie z. B. die Ösophagus- und Pankreasresektion aus Furcht vor Komplikationen gerade von weniger erfahrenen Chirurgen und in kleineren Kliniken deutlich restriktiver durchgeführt werden. Solche Entwicklungen können nur durch eine konsequente Zentralisierung besonders hoch spezialisierter Leistungen vermieden werden. Darüber hinaus muss aber auch beachtet werden, dass das Risikobewusstsein für operative Eingriffe in weiten Teilen verloren gegangen ist. Durch die berechtigte Forderung nach Qualität wird jede Abweichung von der Norm, also die Komplikation, sehr rasch als Fehler kategorisiert, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass mit dem Stellen der chirurgischen Indikation immer auch die Verwirklichung von Risiken einhergehen kann. Dies immer wieder zu kommunizieren, ist eine wichtige Aufgabe der Chirurgie und muss ein fester Bestandteil der partizipativen Entscheidungsfindung sein. Im Rahmen dieser Entscheidungsfindung muss es dann auch Aufgabe der Chirurgie sein, unqualifizierte Heilversprechen klar zu stellen und vor allem eine saubere Indikation zu befolgen. Als Beispiel sei hier die sog. narbenlose Chirurgie genannt, die vor einigen Jahren im Rahmen der Weiterentwicklung der miminalinvasiven Chirurgie propagiert wurde. Es handelte sich dabei um die Entfernung von Organen durch die Vagina. Abgesehen von der Tatsache, dass auch diese Chirurgie natürlich nicht narbenlos war, hat sich diese Art der operativen Technik nicht durchgesetzt, sodass für die Zukunft zu wünschen ist, dass hier die Indikation entsprechend streng gestellt wird.

Im Kontext der genannten Entwicklungen muss abschließend berücksichtigt werden, dass die Medien ein hohes Interesse an medizinischen Themen haben. Einerseits ist sehr zu begrüßen, dass die breite Öffentlichkeit möglichst umfassend über Gesundheitsfragen informiert wird, andererseits muss aber ebenso klar sein, dass gerade bei komplikationsreichen postoperativen Verläufen diese sehr schnell wegen der Vermutung eines Behandlungsfehlers in den Medien landen. Wenn dann die chirurgische Indikation fraglich oder gar nicht gegeben war, kann es auch medico-legal problematisch werden. Und auch hier ist nicht auszuschließen, dass gerade wegen des großen Medieninteresses bei schlechten postoperativen Verläufen – und seien sie auch noch so schicksalhaft – die chirurgische Indikation zurückhaltender betrachtet wird, um eben nicht als Chirurg oder als Klinik in den Medien zu erscheinen.

Ungeachtet dieser möglichen Einschränkungen der chirurgischen Indikation tragen die zunehmende Selbstoptimierung des Menschen, der demografische Wandel mit alten und damit auch kränkeren Patienten und natürlich auch der medizinische Fortschritt dazu bei, dass es insgesamt in den letzten Jahren zu einem erheblichen Anstieg der Interventionen und Operationen gekommen ist und daraus natürlich sowohl in der gesetzlichen als auch privaten Krankenversicherung Kostensteigerungen resultierten. Damit haben Fragen der Ökonomie zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dieser Aspekt und seine Bedeutung für die chirurgische Indikation werden nun im letzten Abschnitt erörtert.

Die chirurgische Indikation unter ökonomischen Aspekten

Ungeachtet von Überlegungen, ob sich Krankenhäuser im Wettbewerb befinden und wirklich marktwirtschaftliche Gegebenheiten bestehen [13], ist zweifelsohne zu konstatieren, dass die Gesundheitswirtschaft in Deutschland einen sehr bedeutsamen Bereich der allgemeinen Geschäftstätigkeit darstellt. Nach Prognosen betrug im Jahr 2018 die Bruttowertschöpfung im Kernbereich der Gesundheitswirtschaft knapp 370 Mrd. Euro. Damit machen Gesundheitsleistungen mehr als 12 % des Bruttoinlandsprodukts aus. Hinzu kommen jährliche Zuwachsraten von 4,1 % [14]. Angesichts dieser Zahlen verwundert zunächst, dass im Zusammenhang mit medizinischen und besonders chirurgischen Leistungen, die zum sog. ersten Markt der Gesundheitswirtschaft gezählt werden, eine Ökonomisierung beklagt wird, die zweifellos besteht und auch immer bestehen wird. Es wird dabei häufig vergessen, dass die ökonomische Seite der Medizin gerade für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung eindeutig geregelt ist. In §12, Wirtschaftlichkeitsgebot des Sozialgesetzbuches, Fünftes Buch, ist in Satz 1 festgelegt, dass die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen; „sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.“ [15] Auch wenn also schon lange wirtschaftliche Erwägungen bei der medizinischen Leistungserbringung eine Rolle spielen, so hat die Einführung des DRG-Fallpauschalensystems diese Diskussion nochmals deutlich befeuert. Seit Einführung der Fallpauschalen ist es zu einem kontinuierlichen Fallzahlanstieg in den deutschen Kliniken gekommen, wobei dies gleichzeitig mit einem Bettenabbau und einer verkürzten stationären Verweildauer einherging [16]. Für diese Phänomene wurden schlagzeilenträchtig die Begriffe „blutige Entlassung“ und „stationäres Paradox“ geprägt. Positiver ausgedrückt ist zu konstatieren, dass das DRG-System erstmals zu einer deutlichen Verbesserung der seit Jahren geforderten Parameter für Effektivität und Effizienz geführt hat. Dies ist allerdings bis dato nie thematisiert worden. Stattdessen wird durchgehend angenommen und zum Teil auch durch entsprechende Studien belegt, dass gerade unter dem Primat der Ökonomisierung eine ungerechtfertigte Ausweitung der chirurgischen Indikation bis hin zur Indikationsbeugung erfolgt [17].

In kritischer Selbstreflektion ist in der Tat nicht auszuschließen, dass in vielen Fällen die Indikation zu einem operativen Eingriff gestellt wird, bei dem ökonomische Interessen überwiegen und die alternativen Behandlungsmöglichkeiten, ggf auch konservativer Art, überhaupt keine Berücksichtigung finden. Aus chirurgischer und besonders auch ärztlicher Sicht ist ein solches Vorgehen mit Verweis auf das ärztliche Ethos und die Moral strikt abzulehnen [18]. Zu Recht wurden daher ausschließlich ökonomische Zielparameter als Vergütungskomponenten aus den aktuellen Chefarztverträgen herausgenommen. Viele Chirurgen berichten allerdings dennoch über ökonomische Einflüsse auf die Indikationsstellung, weisen die letztendliche Verantwortung allerdings oftmals den kaufmännischen Geschäftsführungen der Krankenhäuser zu [19]. Dies erscheint insofern zumindest fraglich, da chirurgische Kliniken nicht nur den kostenintensivsten Bereich des Krankenhauses, den Operations­saal, betreiben, sondern mit der Erlösstruktur auch entscheidend zum finanziellen Wohlergehen beitragen. Vor diesem Hintergrund ist es unerlässlich, dass sich auch Chirurgen ihrer ökonomischen Verantwortung stellen. Während dies für niedergelassene und belegärztliche Chirurgen immer schon Realität war, ist diese Dimension der ärztlichen Tätigkeit auch heute noch für viele am Krankenhaus tätige Chirurgen ungewohnt. Durch den zunehmenden Rückzug der Bundesländer aus ihrer Verantwortung zur dualen Finanzierung kommen Krankenhäuser jedoch nicht umhin, zum Erhalt ihrer funktionierenden Infrastruktur und zur Investition in zukunftsweisende Medizintechnologie Renditen zu erwirtschaften. Dies würde sich erst ändern, wenn sich entweder die duale Finanzierung wirklich wieder vollständig realisieren lässt oder aber wenn sich in einem öffentlich zu führenden gesellschaftlichen Diskurs darüber ausgetauscht wird, was die Gesellschaft und jeder Einzelne bereit ist, für ein funktionierendes Gesundheitssystem zu bezahlen. Das Festhalten an der Beitragssatzstabilität jedenfalls erscheint nicht als legitimes Ziel einer rationalen Gesundheitspolitik in Zeiten des demografischen Wandels und des medizinischen Fortschrittes. Da somit von einer unveränderten Finanzierung des Gesundheitssystems auszugehen ist, stellt sich die Frage, wie der Zielkonflikt zwischen sauberer chirurgischer Indikationsstellung einerseits und der Beachtung ökonomischer Erfordernisse andererseits gelöst werden kann. Hier können eine streng qualitätsorientierte Chirurgie und die Grundzüge der Moralökonomie möglicherweise einen erfolgversprechenden Weg weisen.

Wie eingangs erläutert, ist die korrekte chir­urgische Indikation zu einer operativen Maßnahme die Voraussetzung für eine gute und patientenorientierte Behandlung. Auf der Basis der Indikation erfolgen die Operation und die postoperative Betreuung. Wenn diese mit einer hohen Qualität erbracht wird, d. h., wenn Komplikationen vermieden werden können, resultiert ein gutes chirurgisches Behandlungsergebnis. Damit ist auch eine ökonomisch erfolgreiche Behandlung gewährleistet, denn Komplikationen in der Chirurgie führen gerade bei den größeren und aufwendigeren Eingriffen zu einem dramatischen Anstieg der Kosten, die durch die Erlöse niemals gedeckt sind [20]. Daraus folgt, dass chirurgische Leistungen mit dem primären Fokus auf die Behandlungsqualität und auf das Patientenwohl in aller Regel auch mit einem positiven Deckungsbeitrag erbracht werden können. Es muss daher die Aufgabe der Chirurgie sein, permanent die eigene Behandlung zu hinterfragen und nach Verbesserungen zu suchen. In jüngster Zeit waren dies z. B. die Bemühungen um eine Etablierung des Team Time Outs in den deutschen Operationssälen und auch die Unterstützung des Aktionsbündnisses „Patientensicherheit durch chirurgische Fachgesellschaften wie z. B. die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. Leitlinien-orientierte Behandlung, der Aufbau von Registern und die damit verbundenen Studien, die natürlich nicht die randomisierten Studien ersetzen können, und das gesetzlich verbriefte Recht auf eine chirurgische Zweitmeinung sind weitere Maßnahmen, um eine saubere chirurgische Indikationsstellung zu verifizieren. Zukünftig können möglicherweise darüber hinaus die Ergebnisse der Versorgungsforschung und bzw. oder des Comparative Effectiveness Research zu weiteren Optimierungen beitragen [21]. Auch externe Peer-Review-Verfahren, z. B. im Rahmen von Zertifizierungen, können nach eigener Erfahrung zu einer Behandlungsverbesserung führen. In diesem Zusammenhang muss jedem verantwortungsvollen Chirurgen klar sein, dass ein Abweichen von den etablierten und transparenten Vorgaben unter Umständen gravierende medicolegale Konsequenzen hat. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass entgegen der weit verbreiteten chirurgischen Meinung zum Einfluss der Ökonomie auf die operative Tätigkeit eine gute chirurgische Behandlungsqualität den größten Beitrag für eine auch ökonomisch sinnvolle Therapie darstellt.

Neben diesen qualitätsorientierten Ansätzen, die besonders durch die Chirurgie selbst umgesetzt werden können, tragen aber auch ökonomische Grundprinzipien dazu bei, dass die chirurgische Indikation und damit letztlich der Patient keinen Schaden nimmt. In diesem Zusammenhang sei auf die soziale Verantwortung des Krankenhauses hingewiesen [22]. Es ist wohl unstrittig, dass nur rentable Krankenhäuser langfristig für eine innovative Patientenbehandlung geeignet sind. Auch ist Gewinnmaximierung im Prinzip eine moralische Pflicht für langfristigen Wohlstand [23]. Gleichzeitig ist von der Chirurgie unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes der Sozialgesetzgebung anzuerkennen, dass sich die Patientenbehandlung immer auch an den entsprechenden Ressourcen des Krankenhauses zu orientieren hat – dies setzt die Anerkennung der Endlichkeit dieser Ressourcen voraus. Daher sollten Krankenhäuser moralische Normen und Ideale unter den Bedingungen einer modernen Wirtschaft in ihre Geschäftsprinzipen implementieren, die eine Handlungs- und Ordnungsorientierung geben können [24]. Es erscheint sinnvoll, dass im Krankenhaus nicht nur eine Medizin-, sondern auch eine Geschäftsethik implementiert wird, die ökonomische Verbindlichkeiten, transparente Kommunikationsstrukturen und individuelle Selbstbindung an moralisch-ethische Standards im Sinne eines „Code of Conduct“ und eines „Code of Ethics“ beinhaltet [25]. In dem Maße, wie Chirurgen die ökonomischen Limitationen anerkennen sollten, sollten die Geschäftsführungen verinnerlichen, dass ärztliche Entscheidungen nicht über ökonomische Anreize gesteuert werden dürfen. Denn dies untergräbt langfristig das Vertrauen der Patienten in die Krankenhausbehandlung, sodass dem Grunde nach sich die Kliniken die Geschäftsgrundlage ihrer Daseinsberechtigung entziehen. So kann die Übernahme von sozialer Verantwortung dazu beitragen, dass Spannungsfelder zwischen der chirurgischen Indikation (im Sinne des Patientenwohls) und den ökonomischen Gegebenheiten (Gewinnstreben einer Klinik) möglicherweise aufgelöst werden. Anders ausgedrückt: Wenn sich die Chirurgie und die Ökonomie darauf verständigen, alle Handlungen nach dem Prinzip ‚Vom Patienten(wohl) denken‘ auszurichten, wird es gelingen, dass die chirurgische Indikation in einen vernünftigen Ordnungsrahmen eingebunden ist.

Abschlussbemerkung

Die chirurgische Indikation zu einem operativen Eingriff gründet sich auf objektivierbaren Ergebnissen aus (randomisierten) Studien und in einem erheblichen Anteil auf dem Erfahrungswissen des Chirurgen, der die Indikation stellt. Auf der korrekt gestellten Indikation baut sich das Vertrauen des Patienten auf. Dabei handelt es sich nicht nur für den Chirurgen, sondern für jeden Arzt um ein sehr hohes Gut, das unter allen Umständen zu schützen ist. Über allem aber steht der Patientenwille, der stets zu beachten ist. Alle Änderungen und/oder Ausweitungen der chirurgischen Indikation, sei es aus Gründen des medizinischen Fortschrittes oder gesellschaftspolitischer Veränderungen, haben sich am ärztlichen Ethos und dem Patientenwillen zu orientieren. Eine chirurgische Indikation aus ökonomischen Erwägungen ist strikt abzulehnen. Gleichwohl müssen sich auch Chirurgen im Kontext ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung und aufgrund des Solidargedankens des deutschen Gesundheitssystems ihrer ökonomischen Verantwortung stellen. Die aktuelle Covid-19-Pandemie wird die Gesellschaft mit der Frage konfrontieren, welches Gesundheitssystem wir wollen. Es wird gleichzeitig um die Beantwortung der Frage gehen, wie viel die Gesellschaft bereit ist, für ein funktionierendes Gesundheitssystem auszugeben. Prävention und Fragen der Public Health werden aller Voraussicht nach einen höheren Stellenwert haben als bisher. Auch die Diskussion um die Anzahl der Krankenhäuser wird wahrscheinlich in einem ganz anderen Licht geführt werden. Die Chirurgie sollte auch in diesen Fragen der Sachwalter der Patienteninteressen sein.

Literatur

[1] J. Flintrop, Die Dosis macht das Gift, in: Deutsches Ärzteblatt 110 (2013), A 1289.
[2] H. Naegler/K.-H. Wehkamp, Medizin zwischen Patientenwohl und Ökonomisierung, Berlin u. a. 2018, 110–113.
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[4] J. Jähne, Die Arzt-Patientenbeziehung in einer sich wandelnden Gesundheitslandschaft – Plädoyer für eine neue Beziehungskultur, in: Deutsche Gesellschaft für Chirurgie, Mitteilungen 02 (2004), 127–131, 129.
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[10] S. Weber/A. Haverich, Bahnbrechende chirurgische Innovationen in Deutschland, Teil 1: Generierung medizinischer Evidenz, Chirurg 83 (2016), 423–432.
[11] L. Nefiodow/S. Nefiodow, Der sechste Kondratieff – Die neue, lange Welle der Weltwirtschaft (2016), online unter: www.kondratieff.net/der-sechste-kondratieff (Zugriff am 01.04.2020).
[12] Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Die Qualitätsoffensive – Mehr Wissen, Transparenz, Qualität, online unter: www.dgav.de/fileadmin/media/texte_pdf/DGAV_Qualitaetsoffensive.pdf (Zugriff am 01.04.2020).
[13] S. Klaue, Krankenhäuser und Wettbewerb, in: E. Bruckenberg/S. Klaue/H.-P. Schwintowski (Hg.), Krankenhausmärkte zwischen Regulierung und Wettbewerb, Berlin/Heidelberg/New York 2005, 2–23.
[14] Bundesgesundheitsministerium, Die Bedeutung der Gesundheitswirtschaft, online unter: www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/gesundheitswesen/gesundheitswirtschaft/bedeutung-der-gesundheitswirtschaft.html (Zugriff am 02.04.2020).
[15] Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) – Gesetzliche Krankenversicherung – (§ 12 Wirtschaftlichkeitsgebot, Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I, 2477).
[16] Naegler/Wehkamp (Anm. [2]).
[17] B. Albrecht, Medizin für Menschen – Ärzte fordern Rückbesinnung auf Heilkunst statt Profit, in: Stern vom 15. September 2019; Bundesärztekammer, Medizinische Indikationsstellung und Ökonomisierung, online unter: www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/Stellungnahmen/SN_Med._Indikationsstellung_OEkonomisierung.pdf (Zugriff am 26.03.2020).
[18] Naegler/Wehkamp (Anm. [2]).
[19] Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), Medizin und Ökonomie – Maßnahmen für eine wissenschaftlich begründete, patientenzentrierte und ressourcenbewusste Versorgung, online unter: www.awmf.org/ fileadmin/user_upload/Stellungnahmen/Medizinische_Versorgung/20181205_ Medizin_und_%C3%96konomie_AWMF_Strategiepapier_V1.0mitLit.pdf (Zugriff am 31.03.2020).
[20] R. Vonlanthe/K. Slankamenac/S. Breitenstein/M. A. Puhan/M. K. Muller/D. Hanloser/D. Hauri/R. Graf/P.-A. Clavien, The impact of complications on costs of major surgical procedures, Annals of Surgery 254 (2011), 907–913.
[21] K. B. Bland/D. B. Hoyt/H. C. Polk/J. E. Niederhuber, Comparative Effectiveness Research – Relative and Efficient Outcomes in Surgery Patients, Annals of Surgery 254 (2011), 550–557.
[22] J. Jähne, Medizinethik und soziale Verantwortung im Dienstleistungsunternehmen Krankenhaus, in: M. Diemer/C. Taube/J. Ansorg/J. Heberer/W. von Eiff (Hg.), Handbuch OP-Management – Strategien, Konzepte, Methoden, Berlin 2015, 407–413.
[23] Ebd.
[24] K. Homann, Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen in einer globalisierten Welt: Handlungsverantwortung – Ordnungsverantwortung – Diskursverantwortung, Wittenberg-Zentrum für globale Ethik, Diskussionspapier Nr. 2006-1, 1-8, online unter: www.wcge.org/images/wissenschaft/publikationen/DP_2006-1_Homann_-_Gesellschaftliche_Verantwortung_von_Unternehmen_II.pdf (Zugriff am 03.04.2020).
[25] Jähne (Anm. 22).

Dieses Manuskript wurde während der SARS-CoV-2 Epidemie im März und April 2020 erstellt. Die langfristigen Auswirkungen dieser Epidemie auf die Strukturen und die zukünftige Finanzierung des deutschen Gesundheitssystems sind gegenwärtig nicht absehbar und bleiben daher unberücksichtigt. Mögliche Auswirkungen wurden in der Schlussbemerkung thematisiert.

Der Autor dankt Prof. Dr. Hartwig Bauer, Senator der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, sowie Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, für die kritische Durchsicht des Manuskriptes.

Jähne J: Die chirurgische Indikation im Kontext medizinischer, gesellschaftspolitischer und ökonomischer Entwicklungen. Passion Chirurgie. 2020 Dezember, 10(12): Artikel 04_04.

Der schwierige Patient – Reflexionen und mögliche Lösungen zur Gestaltung eines befriedigenden Umganges

In Auszügen vorgetragen beim 135. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Berlin, 2018.

In den letzten Jahren hat sich die Arzt-Patienten-Beziehung deutlich verändert. War das Verhältnis früher von einem Paternalismus geprägt, so geht es seit etwa einer Dekade und besonders heute in der Arzt-Patienten-Beziehung eher um die partizipative Entscheidungsfindung [1]. Hinzu kommt, dass sich im digitalen Zeitalter die Arzt-Patienten-Beziehung weiter grundlegend verändern wird. Sowohl medizinische Entwicklungen als auch veränderte gesellschaftliche Gegebenheiten haben zu dem Wandel der Arzt-Patienten-Beziehung beigetragen. Beispielhaft seien hier die Spezialisierung in der Medizin, die Zunahme des Anspruchsdenkens und der Erwartungshaltung seitens der Bevölkerung im Hinblick auf Hygiene, Unterbringung und Schnelligkeit der Behandlung, die Überbetonung der Ökonomie und nicht zuletzt auch die Ansprüche an eine sichere Patientenbehandlung genannt. Diese z. T. sehr unterschiedlichen Faktoren haben dazu beigetragen, dass die Patientenbehandlung komplexer geworden ist. Ungeachtet dieser Entwicklungen gab es allerdings immer schon Patienten, die im Allgemeinen als schwierig bezeichnet wurden. Dieser Artikel versucht, eine Standortbestimmung zum schwierigen Patienten vorzunehmen und gleichzeitig Optionen aufzuzeigen, wie der Umgang mit diesen Patienten für beide Seiten befriedigend gestaltet werden kann.

Der schwierige Patient – Versuch einer Definition

Jeder Arzt und jeder Chirurg kann mit dem Begriff des sogenannten „schwierigen Patienten“ etwas anfangen, wobei aber auch jeder andere Zuschreibungen vornehmen wird. Gemeinhin passt sich der schwierige Patient nicht an, lehnt Behandlungsvorschläge ab, ist überkritisch, kritisiert alles und jeden und weist eine mäßige bis schlechte Compliance auf [2]. Im Betrieb eines Krankenhauses, aber auch einer Arztpraxis löst der schwierige Patient Widerstände aus, hemmt den Betrieb und frustriert letztlich Ärzte und Pflegepersonal. Nach den allgemeinen Erfahrungen gehören zur Gruppe der schwierigen Patienten zum Beispiel Patienten mit einer Depression oder einer Suchterkrankung, aggressive und vorwurfsvolle Patienten, Patienten mit narzisstischen Störungen, aber auch Patienten mit einer schlechten Prognose.

Der (schwierige) Patient und die Interaktion mit dem Arzt

Zum (erfolgreichen) Umgang mit schwierigen Patienten ist es erforderlich, dass unveränderbare Gegebenheiten bewusst gemacht werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass natürlich nicht nur der Patient mit seinem Verhalten, seiner Persönlichkeit und seinen Motiven Beachtung finden muss, sondern auch der Behandler, der seinerseits ebenfalls bestimmte Verhaltensmuster und eigene Motive aufweist [3, 4]. So werden auf Seiten der Patienten Therapeuten mit einer ablehnenden oder distanzierten Haltung ebenfalls als schwierig empfunden. Auch muss bei der Betrachtung des sogenannten schwierigen Patienten klar sein, dass ein Arzt nach einer langen Dienstnacht ohne Schlaf oder nach einem für ihn unbefriedigenden Behandlungsergebnis – in der Chirurgie z. B. eine Anastomoseninsuffizienz – mit einer gänzlich anderen Einstellung auf Patienten zugehen wird als ausgeruht und nach einer erfolgreichen Behandlung/Operation. Aus diesen unveränderbaren Gegebenheiten können sich bisweilen schwierige Interaktionen ergeben. Als Arzt sollte man sich deshalb immer bewusst machen, dass man selbst auch Teil einer als unangenehm empfundenen Situation ist. Diese Selbsterkenntnis muss zugleich der Anspruch an die berufliche Professionalität sein, steuernd und korrigierend einzugreifen.

ALS ARZT SOLLTE MAN SICH DESHALB IMMER BEWUSST MACHEN, DASS MAN SELBST AUCH TEIL EINER ALS UNANGENEHM EMPFUNDENEN SITUATION IST.

Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass insbesondere die Selbstregulation für das menschliche Sein eine erhebliche Bedeutung hat. Patienten in einem Krankenhaus haben häufig das Gefühl eines Autonomieverlustes. Das Selbstwirksamkeitsgefühl geht verloren, und es besteht natürlich im ersten Moment keinerlei Bindung bzw. Zugehörigkeitsgefühl. Die Frustration dieser Gefühle resultiert in Angst, Enttäuschung, Verärgerung und Hilflosigkeit und in deren Folge zu chronischen Stresserfahrungen und Aggressivität [5]. Interaktionelle Probleme entstehen meist dann, wenn der Patient seine berechtigten Grundbedürfnisse als bedroht erlebt. Dazu gehören Anerkennung und Wertschätzung, eine verlässliche und solidarische Beziehung und die Anerkennung der Unverletzlichkeit des eigenen Territoriums und vor allem auch der eigenen körperlichen Grenzen. Es ist in diesem Zusammenhang unerheblich, ob diese Bedrohung der Grundbedürfnisse tatsächlich vorliegt oder vom Patienten nur so wahrgenommen wird [3]. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass in Anerkennung dieser „Gesetzmäßigkeiten“ Strategien und Kommunikationsebenen geschaffen werden sollten, um eine für alle Seiten befriedigende Lösung herbeizuführen.

Strategien zum Umgang mit schwierigen Patienten

Gerade aufgrund des Verlustes der genannten Grundbedürfnisse haben Patienten berechtigte Erwartungen an den Krankenhausaufenthalt. Dazu gehören Vertrauenswürdigkeit, fachliche Expertise und Kompetenz, der Aufbau eines Verhältnisses und einer Beziehung zum Patienten, die Kommunikation sowie letztlich die Organisation und das Management der Krankenhausversorgung. Ganz entscheidend sind darüber hinaus die Umgebungsgestaltung und die Atmosphäre. Diese Erwartungen können auf Seiten der Ärzte durch Respekt und das Eingehen auf Ängste und Emotionen der Patienten, durch eine hochqualifizierte Behandlung, durch die Einbindung des sozialen Umfeldes des Patienten und vor allen Dingen auch durch eine verständliche und klare Kommunikation erfüllt werden [6]. Während die Erwartungen und deren Erfüllung zunächst einem kognitiv-rationalen Abgleichungsprozess ähneln, wird die Erwartungserfüllung dann zur Zufriedenheit, wenn auch die emotional-affektive Bewertung seitens des Patienten erfolgt. Ganz entscheidend für den Umgang mit schwierigen Patienten ist es also, sich die Bedürfnisse des Patienten bewusst zu machen und darauf entsprechend zu reagieren. Neben einer ausgeprägten Fähigkeit zur Kommunikation kommt es entscheidend auch auf ein funktionierendes Erwartungsmanagement an, um die gestiegenen Patientenansprüche an die Behandlung zu erfüllen [6, 7].

Ungeachtet dieser essenziellen Voraussetzungen für eine beiderseitige wertschätzende und zielführende Interaktion ist jedoch uneingeschränkt zu konstatieren, dass die Aggressivität im Krankenhaus zunimmt. Praktisch jeder Arzt und jede Pflegekraft hat in einem mehr oder weniger ausgeprägten Umfang selbst bereits verbale oder gar körperliche Aggressivität erfahren, wobei auch hier durch abgestufte Kommunikationsstrategien häufig ein beruhigender Einfluss auf aggressive Patienten ausgeübt werden kann. Gleichwohl sollte es heute jedoch die Aufgabe der Krankenhäuser sein, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den Umgang mit aggressiven Patienten zu sensibilisieren, Verhaltensmaßnahmen an die Hand zu geben und auch Fortbildungen auf dem Gebiet der Selbstverteidigung anzubieten. Für den Umgang mit schwierigen und aggressiven Patienten gilt der Grundsatz, dass die Schwierigkeit ein Symptom, aber keinesfalls ein Schicksal ist. Bei der Analyse der Gründe können Ängste und/oder krankheitsspezifische Ursachen, inadäquate Erwartungen des Behandlungsteams, eine Etikettierung des Patienten, eine kritische Grundhaltung, aber auch pathologische Primärpersönlichkeiten relevant sein. Als Strategie empfehlen sich ein wertfreies Akzeptieren, eine Unvoreingenommenheit sowie die Signalisierung von Empathie. Entscheidend sind der Abbau von Ängsten und ein besonders zuvorkommendes, Entspannung anstrebendes Verhalten. Es existieren zahlreiche Möglichkeiten der Aggressionsabwehr, die sowohl im Auftreten, in der Kommunikation, aber auch im Einsatz von körperlichen Abwehrmechanismen liegen können [8].

Fazit

Bei Einsatz der geeigneten Strategien resultieren im Umgang mit schwierigen Patienten häufig überraschende Wendungen. Der abgewandte Patient fasst Zutrauen, der aggressive Patient wird führbar und der fordernde Patient ist zufrieden. Und es darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass es durchaus zulässig ist, eine Behandlung wegen des Gefühls eines fehlenden Vertrauensverhältnisses abzulehnen. Ein solches Vorgehen überrascht dann meist den Patienten und dessen Angehörigen, kann jedoch durchaus auch eine Strategie sein. Zweifelsohne sind schwierige Patienten im Arbeitsalltag eine Herausforderung. Die Kenntnis der Erwartungshaltung von Patienten und deren mögliche Erfüllung sind ebenso essenziell wie eine kritische Selbstreflexion der Ärzte („Wo liegt mein Beitrag zu dieser Situation?“). Für den Umgang mit schwierigen Patienten ist die Kommunikation ein entscheidender Faktor.

Literatur

[1] Loh A, Simon D, Kriston L, Härter M: Patientenbeteiligung bei medizinischen Entscheidungen – Effekte der partizipativen Entscheidungsfindung aus systematischen Reviews. Dtsch Arztebl 104 (21): A-1483 / B-1314 / C-1254, 2007

[2] Gespräche mit den sogenannten „schwierigen Patienten“. http://www.linus-geisler.de/ap/ap19_schwierig.html, abgerufen am 10.9.2018

[3] www.stefan-zettl.de/pdfs/schwierigepatienten.pdf, abgerufen am 8.9.2018

[4] Reimer C: Probleme beim Umgang mit schwierigen Patienten, Schweiz Med Rundschau 80(8), 157-162, 1991

[5] R Sachse, Persönlichkeitsstörungen verstehen – zum Umgang mit schwierigen Patienten, Psychatrie-Verlag Bonn, 2006

[6] Gerlach C, Güntert B: Erwartungen und Patientenzufriedenheit im Krankenhaus: Konstruktion und Anwendung einer erwartungsbasierten Erfahrungstypologie und deren Nutzung im Rahmen des Qualitäts-und Erwartungsmanagements. Z Evid Fortbild Qual Gesundh wesen (ZEFQ), 109, 585—593, 2015

[7] Bühring P: Der schwierige Patient: Kommunikation ist alles. Dtsch Arztebl 114(6): A-280 / B-248 / C-244, 2107

[8] Sonnenmoser M: Der schwierige Patient: Aggressivität und Gewalt – Der Respekt nimmt ab; Dtsch Arztebl 2017; 114(10): A-482 / B-418 / C-408

Jähne J: Der schwierige Patient – Reflexionen und mögliche Lösungen zur Gestaltung eines befriedigenden Umganges. Passion Chirurgie. 2018 Dezember, 8(12): Artikel 07_01.

50 Jahre BDC – Die Akademie für chirurgische Weiterbildung und praktische Fortbildung

„Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Dieses Zitat von Helmut Schmidt zu den Visionen Willy Brandts im Bundestagswahlkampf 1980 (zit. nach Der Spiegel 44, S. 26, 2002) war sicher nicht das treibende Moment für Wolfgang Müller-Osten und Karl Hempel zur Gründung der Akademie des Berufsverbandes der deutschen Chirurgen. Gleichwohl war es die Vision dieser beiden Persönlichkeiten, der chirurgischen Weiterbildung in Deutschland eine Plattform zu geben, um über die Weiterbildung in den Kliniken hinaus ein Angebot zu schaffen, das den Anforderungen an eine zeitgemäße Weiter- und Fortbildung der deutschen Chirurgen gerecht wird.

Die ersten Gedanken dazu wurden bereits 1983 innerhalb des BDC diskutiert und wer heute die einschlägige Literatur liest und die zahlreichen Kongresse besucht: Das Thema Weiterbildung ist in aller Munde! In diesem Kontext kommt man nicht umhin, die visionären Überlegungen von Müller-Osten und Hempel anzuerkennen (Hempel, 2000). Keine Frage – die deutsche Chirurgie sieht sich gegenwärtig mit gewaltigen Herausforderungen in der Weiterbildung ihres Nachwuchses konfrontiert, die in den letzten Jahren durch den verstärkten Assistentenmangel noch zugenommen haben (Leschber, 2009; Krüger, 2009). Wer sich vor einem Vierteljahrhundert Gedanken über die chirurgische Ausbildung machte, wurde meist müde belächelt, im Lichte der heutigen Diskussionen war es aber eingedenk des Zitates von Helmut Schmidt durchaus berechtigt, einen Arzt – oder besser noch – einen Chirurgen aufzusuchen!

Gründungsphase und Aufbau der Akademie

Mit der Umsetzung der Muster-Weiterbildungsordnung (MWBO), verabschiedet auf dem 79. Deutschen Ärztetag 1976 in Düsseldorf, wurde das bis dahin am Ende der Weiterbildungszeit übliche „Fachgespräch“ zur Ernennung zum Facharzt durch eine „Prüfung“ ersetzt. Es war der damalige Justitiar des BDC, Professor Weißauer, der darauf hinwies, dass zwischen einem Gespräch und einer Prüfung besonders juristische Unterschiede bestehen. Bei einer Prüfung muss der Kandidat vorher in Kenntnis gesetzt werden, welchen „Stoff“ er beherrschen muss und das Ergebnis einer Prüfung ist juristisch anfechtbar. Deshalb nahmen in den folgenden Jahren die Überlegungen zur Gründung einer Akademie im BDC zunehmend Gestalt an, sodass 1986 nicht zuletzt aufgrund des zupackenden Charakters von Jens Witte, dem späteren Präsidenten des BDC, das erste Weiterbildungsseminar in Augsburg stattfand, kurze Zeit später gefolgt von einem weiteren Seminar an der Universitätsklinik in Essen unter Federführung von Eigler. Auch wenn als Gründungsdatum der Akademie des BDC im allgemeinen das Jahr 1985 angegeben wird, so können diese beiden Seminare durchaus als Geburtsstunde der Akademie für chirurgische Weiterbildung und praktische Fortbildung betrachtet werden, zumal Witte erst 1987 auf der Präsidiumssitzung zum Leiter der Akademie gewählt wurde (Hempel, 2000).

Im Laufe der folgenden Jahre wurde das Seminarangebot kontinuierlich erweitert und bundesweit ausgedehnt, wobei die Teilnahme an den Seminaren unabhängig von der Mitgliedschaft im BDC war und ist. Dennoch war natürlich die Entwicklung der Seminartätigkeit anfänglich eher zögerlich, und es dauerte nahezu zehn Jahre, bis zwölf Seminare im Angebotsspektrum der Akademie vorhanden waren (» Tab. 1). Unabhängig davon wurde 1987 erstmals der Chirurgentag durchgeführt. Gerade dieser Kongress, der bis heute immer in enger Abstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie sowie den in ihr vertretenen Arbeitsgemeinschaften (z. B. Medien, Koloproktologie) durchgeführt wird, wurde und wird hinsichtlich seiner Daseinsberechtigung kritisch hinterfragt. Unstrittig gibt es gerade heute eine Fülle von chirurgischen Kongressen und Seminaren, deren Anzahl nahezu unüberschaubar ist und deren Finanzierung nicht erst seit der Finanzkrise immer schwieriger wird.

Auf der anderen Seite darf aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass ein Berufsverband mit etwa 16.000 Mitgliedern auch eine Zentralveranstaltung mit identitätsstiftendem Charakter durchführen sollte, ein Faktum, das im Übrigen auch von allen Fachgesellschaften in ähnlicher Weise argumentativ für die eigenen Kongressplanungen angeführt wird. In der Diskussion über den Chirurgentag wird allerdings das viel wichtigere Argument für diese Veranstaltung nicht betrachtet – die praxisnahe Fortbildung für die täglich im Operationssaal und am Krankenbett tätigen Chirurginnen und Chirurgen, die eben nicht die wissenschaftlichen Kongresse besuchen, sondern primär an für ihre Arbeit relevanten Informationen interessiert sind. Vor diesem Hintergrund versteht sich „der Chirurgentag komplementär zu den wissenschaftlichen Jahreskongressen der chirurgischen Gesellschaften“ und „besitzt sowohl hinsichtlich der Themenwahl mit berufspolitischen Akzenten (wie z. B. Intensiv-Notfallmedizin, Schmerztherapie, Endoskopie, CME) als auch der Zielgruppe der Teilnehmer“ einen wichtigen Stellenwert (Betzler, 2001).

Weitere Meilensteine der Akademie

Nach 7-jähriger Tätigkeit von Jens Witte, in die nach dem Mauerfall auch die Ausweitung der BDC-Seminare auf die neuen Bundesländer im Jahr 1992 fiel, übernahm Michael Betzler nach einem Präsidiumsbeschluss vom November 1993 am 01. Juli 1994 die Leitung der Akademie, die er bis zum 01. Juli 2001 innehatte. In der Amtszeit von Betzler konnte das Seminarangebot auf 18 Veranstaltungen erhöht werden. Ganz wesentlich waren daran die Schwerpunktseminare z. B. in Unfall- und Gefäßchirurgie beteiligt, mit denen der neuen Weiterbildungsordnung Rechnung getragen wurde. Darüber hinaus wurden gerade beim Chirurgentag viele praktische Kurse zu Entwicklungen in der operativen Medizin angeboten, die damals in den Kliniken noch nicht implementiert waren. Dies betraf in besonderer Weise die Endoskopie.

Unter der hervorragenden Leitung der Kollegen Grund, Tübingen, und Langer, Berlin wurden ausgezeichnete Workshops mit praktischen Übungen und einem für damalige Verhältnisse noch ungewöhnlichem Abschlusstestat mit entsprechendem Zertifikat angeboten, die stets ausgebucht waren. Das galt auch für die Sonographie-Kurse. Mit der zunehmenden Einführung dieser neuen Techniken in den chirurgischen Kliniken wurden diese Veranstaltungen dann überflüssig und besonders in den letzten Jahren durch Operationskurse, gerade in der minimal-invasiven Chirurgie ersetzt. Auch dabei wurde immer auf Aktualität z. B. durch Kurse zur Adipositaschirurgie im Jahr 2009 geachtet. Während der Amtszeit von Michael Betzler wurde durch Hempel und Bauch in der Zeitschrift „Der Chirurg“ 1997 erstmals die Rubrik des BDC „Weiter- und Fortbildung“ eingeführt, die sich seitdem bei den Lesern einer großen Beliebtheit erfreut.

Die Akademie im Internet

Zwischen 1997 und 2000 entwickelte der BDC dank der ausgezeichneten Arbeit des späteren Geschäftsführers Dr. Jörg Ansorg eine Internetstrategie, die eine transparente Darstellung der Aktivitäten des BDC im Internet ermöglichen sollte. Daraus entstand dann im Jahr 2000 BDC|Online. Auf dieser Plattform finden alle Mitglieder des BDC und die Besucher der Homepage relevante Informationen zu den Schwerpunkten Berufsalltag, Berufs- und Arbeitsrecht, Abrechnung, Qualitätsmanagement sowie chirurgische Weiter- und Fortbildung. Auf diese Weise wurden die Präsenzseminare der Akademie  mit den modernen Möglichkeiten des E-Learnings verbunden, um den Teilnehmern einen noch höheren persönlichen Gewinn aus dem Besuch der Seminare zu ermöglichen. Daraus entstand im Jahr 2002 das Fortbildungsportal [eCME-Center], das bereits zum Start mehr als 60 Fortbildungskurse für Chirurgen anbot. Dadurch wurde der BDC führender Anbieter von Online-Fortbildung für Chirurgen im deutschsprachigen Raum.

Als logische Weiterentwicklung des BDC und der Akademie, die sich immer als Dienstleister für die Mitglieder des BDC verstanden haben, brach dann am 15.1.2001 mit der Gründung der BDC Service GmbH eine neue Zeitrechnung an. Die Ausweitung der Seminare nahm nun einen rasanten Fortgang, der ganz besonders Jörg Ansorg sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Geschäftsstelle im Langenbeck-Virchow-Haus geschuldet ist (» Tab. 1).

Jahr Seminare Teilnehmer
1986 1 62
1990 6 487
1995 12 1050
2000 18 1477
2003 17 1797
2004 13 1693
2005 20 2030
2006 23 1705
2007 35 2516
2008 51 3093
2009 76 2530

Durch die enge Abstimmung zwischen dem Leiter der Akademie und der Service GmbH wurde das Fortbildungsprogramm harmonisiert, neu organisiert und um vielfältige Kurse und Seminare vor dem Hintergrund von CME und CPD (Continuous Professional Development) erweitert. Wegen der neuen Weiterbildungsordnung wurden Seminare zum Common Trunk eingeführt, die dann im weiteren Verlauf nicht zuletzt dank der hervorragenden Vorarbeiten von Wolf Mutschler von der DGOU auch konzeptionell einen völlig neuen Ansatz erfahren haben.

Weiterhin kamen wegen des DRG-Systems Seminare zur medizinischen Dokumentation und Kodierung, zur Verbesserung der ärztlichen Kommunikation sowie auf der Basis der neuen Weiterbildungsordnung Säulen- und chirurgische Spezialseminare wie z. B. zur Hand- und Fußchirurgie und ein Notfall OP-Kurs hinzu. Bei den Seminaren zur Hand- und Fußchirurgie handelt es sich um die ersten curricularen Fortbildungangebote der BDC|Akademie. Ein Seminarzyklus begleitet die Teilnehmer durch das gesamte Fachgebiet (Handchirurgie 7, Fußchirurgie 4 Seminare). Ebenfalls einmalig bei diesen Seminaren ist die intensive Einbindung aller betroffenen Fachgesellschaften in die Konzeption und Durchführung.

Da sich die ärztlich-chirurgische Tätigkeit heute in einem zunehmenden Spannungsfeld zwischen ärztlichem Ethos und chirurgisch Machbarem einerseits und ökonomischen Anforderungen andererseits bewegt, war auch die Weiterentwicklung von Managementseminaren eine logische Konsequenz. Mit dem Seminaren für niedergelassene Chirurgen hat die Akademie des BDC im Jahre 2009 insgesamt 55 verschiedene Kurse im Angebot, wobei manche Kurse bundesweit mehrfach angeboten werden, so dass die Geschäftstelle und die Service GmbH insgesamt 67 Veranstaltungen logistisch betreut.

Da seit 2007 auch der Chirurgentag in der Organisationsverantwortung der Service GmbH liegt, wird deutlich, welche großartige Leistung der BDC auf dem Gebiet der Weiter- und Fortbildung leistet. Ohne die engagierte Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Geschäftstelle und ohne die zahlreichen Hilfen außerhalb der Geschäftstelle wäre ein solches Programm nicht zu schaffen! Dafür an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön! Gleichzeitig gebührt der Dank aber auch den jeweiligen Seminarleitern, die neben den stetig gestiegenen Anforderungen an den klinischen Alltag und an die Leitung einer Klinik diese Seminare planen, organisieren und vor Ort durchführen. Die steigenden Teilnehmerzahlen zeigen, dass dieses Engagement belohnt wird! Auch dafür ein aufrichtiges Danke!

Zukunft der Akademie

Die letzten 50 Jahre des BDC mit immer weiter steigenden Mitgliederzahlen und die letzten 25 Jahre der Akademie des BDC mit kontinuierlich erweitertem Seminarangebot waren und sind eine Erfolgsgeschichte, die natürlich die Frage aufwirft, wohin die Reise zukünftig gehen wird. Die Akademie wird sich auch weiterhin bemühen, ein attraktives und kostengünstiges Angebot an Kursen, Seminaren und Workshops vorzuhalten. Waren die vergangenen zwei Jahrzehnte jedoch praktisch durch ein Alleinstellungsmerkmal des BDC für die chirurgische Weiter- und Fortbildung gekennzeichnet, so wird sich dies in den nächsten Jahren ändern. Die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie und mit ihr die in ihr repräsentierten Fachgesellschaften haben ihr legitimes Interesse an einer Mitgestaltung der Weiter- und Fortbildungsangebote für alle deutschen Chirurgen signalisiert, ein Faktum, das vom BDC vollständig anerkannt und respektiert wird.

Der BDC hat mit den verschiedenen Fachgesellschaften schon lange vor der Neuorientierung der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie zusammengearbeitet. Immer schon war es die Überzeugung der führenden Köpfe des BDC und insbesondere seiner Präsidenten Müller-Osten, Hempel, Witte und Polonius, das Weiter- und Fortbildungsangebot als letztlich alle Chirurgen einigende Kooperation weiterzuentwickeln. Dennoch wird es in den nächsten Jahren zu einem verstärkten Wettbewerb auf dem Gebiet der chirurgischen Fortbildung kommen. So wichtig für die Qualität der Veranstaltungen der Wettbewerb auch ist, so kritisch muss hinterfragt werden, ob eine solche Konkurrenzsituation unter den gegebenen Umständen auch sinnvoll und zielführend ist oder ob es nicht primär um das Abstecken von Claims geht. Bei der Bewertung der sich abzeichnenden Verhältnisse kann grundlegend konstatiert werden, dass es doch völlig unstrittig ist, dass sowohl den Fachgesellschaften und der deutschen Gesellschaft für Chirurgie wie auch dem BDC an einer qualitativ hochwertigen Fortbildungsaktivität gelegen ist.

Das einigende Ziel ist also der Aufbau effektiver und effizienter Strukturen und Seminare, um diesen Auftrag zu erfüllen. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass der BDC und insbesondere die Seminarleiter, die ausnahmslos auch Mitglieder der deutschen Gesellschaft für Chirurgie und natürlich – ihrem jeweiligen Fachgebiet entsprechend – auch Mitglieder der Fachgesellschaften sind, bei der Ausgestaltung der Seminare größtmöglichen Wert auf saubere inhaltliche Gestaltung der Seminare gelegt haben. Wenn nun von zwei Seiten ähnlich konzipierte Seminare veranstaltet werden, drohen Loyalitätsprobleme, die vermeidbar erscheinen. Nicht zuletzt aber zwingt die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise die Pharmabranche und die Medizinprodukteindustrie zu einem maßvollen Umgang mit ihren finanziellen Ressourcen, so dass die Finanzierung und Unterstützung von Fortbildungsveranstaltungen immer schwieriger wird. Aus der Erfahrung des BDC kann festgestellt werden, dass der Aufbau effektiver und effizienter Strukturen zur Organisation der Seminare zeit-, personal- und kostenintensiv ist, wenn bei hoher Qualität gleichzeitig die Seminargebühren für die Teilnehmer attraktiv gestaltet werden sollen. Meist ist daher eine finanzielle Bezuschussung der Seminare notwendig.

Aus diesem Grund sucht die Akademie für chirurgische Weiterbildung und praktische Fortbildung des BDC die konstruktive Diskussion mit allen an der Weiterbildung beteiligten Disziplinen zur optimalen Ausgestaltung des Fortbildungsangebotes. So stellt die Schaffung der deutschen Akademie für Chirurgie einen ersten richtungsweisenden Schritt dar. Allerdings sind die zukünftigen Strukturen und Inhalte dieser weiterentwickelten Akademie in den nächsten Jahren noch zu präzisieren.

In diesem Kontext hat der BDC immer wieder signalisiert, dass er zu Gesprächen über gemeinsame Weiterentwicklungen bereit steht. Zum wiederholten Male kann festgestellt werden, dass es aus Sicht des BDC und der Akademie des BDC absolut nachvollziebar ist und wünschenswert erscheint, wenn die Inhalte der Fortbildungsangebote und die Referenten von den Fachgesellschaften definiert werden. Im Sinne der Einheit der deutschen Chirurgie, die wir letztlich in gegenseitiger Akzeptanz der Subspezialitäten anstreben, erscheint es allerdings ebenso sinnvoll, wenn die Logisitk und Betreuung der Seminare in den Händen des BDC verbleibt, da hier bereits umfassende Erfahrungen vorliegen und der Aufbau konkurriender Strukturen bei den Fachgesellschaften und der deutschen Gesellschaft letztlich mit zusätzlichen, aber vermeidbaren Kosten verbunden ist. Nur auf der Grundlage einer engen und fairen Kooperation zwischen BDC und chirurgischen Fachgesellschaften wird es möglich sein, auch zukünftig chirurgische Weiter- und Fortbildungsseminare zu absolut günstigen Konditionen anzubieten. Jede Zersplitterung wird mit einer Preiserhöhung oder massiver Einflußnahme der Industrie erkauft werden. Wir sind der festen Überzeugung, dass eine Akademie der deutschen Chirurgie unter diesen Voraussetzungen erfolgversprechend ist und Synergien schafft, die allen Chirurginnen und Chirurgen zugute kommen.

Ungeachtet dieser Vision wird sich die Akademie des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen auch zukünftig darum bemühen, für seine Mitglieder ein attraktives und zeitgemäßes Weiter- und Fortbildungsangebot zu präsentieren. Dazu gehören zum einen der weitere Aufbau von Säulenseminaren, um die acht verschiedenen Facharztqualifikationen entsprechend zu repräsentieren, zum anderen aber auch die Umstrukturierung der Seminare, um den modernen Anforderungen an eine adäquate Erwachsenenfortbildung gerecht zu werden. Mit Blick auf die erfolgreiche Vergangenheit sieht sich die Akademie für chirurgische Weiterbildung und praktische Fortbildung für die Herausforderungen der Zukunft gut gerüstet, um das zu sein, was sich die BDC-Mitglieder von ihr versprechen: Ein profilierter und engagierter Dienstleister zur Unterstützung der chirurgischen Weiter- und Fortbildung in dem großen und faszinierenden Fach Chirurgie!

„Pay for Performance“ aus Sicht des BDC

Eine komplexe Herausforderung an die Zukunft einer qualitätsorientierten Vergütung

Nicht erst seit dem Gutachten des Sachverständigenrates zur Entwicklung im Gesundheitswesen aus dem Jahr 2007 findet nicht nur in Deutschland, sondern auch international eine zum Teil hoch emotionale Diskussion über zielgerichtete Vergütungssysteme sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich statt.

Dabei ist diese Diskussion untrennbar mit den Fragen nach mehr Transparenz des Leistungsgeschehens einerseits und den Anforderungen an eine hohe Behandlungsqualität andererseits verknüpft.

Der Gesetzgeber hat diesen Fragen dahingehend Rechnung getragen, dass er beispielsweise seit einigen Jahren die Qualitätsberichte der Krankenhäuser als verpflichtend festgelegt hat. Gleichzeitig jedoch ist die Frage, wie gute Qualität gemessen und dann vergütet wird, noch völlig offen.

„Pay for Performance“ – Was ist mit diesem Begriff überhaupt gemeint? Bei ausschließlicher semantischer Betrachtung ist „Performance“ am ehesten mit dem deutschen Begriff „Leistung“ und weniger mit „Qualität“ in Verbindung zu setzen. Ursprünglich wurde „Pay for Performance“ kurz P4P – in der industriellen Fertigung eingeführt, um effizientes Arbeiten zum Beispiel in Form einer hohen Produktionsquantität zu honorieren.

Erst später kam besonders in der Medizin die Qualitätsdimension hinzu, sodass die quantitativen Aspekte von Pay for Performance in den Hintergrund getreten sind. Heute wird unter P4P primär eine Form der Honorierung für das Erreichen von Qualitätszielen verstanden.

Dabei wird jedoch schon hier ein erstes Problem deutlich: Medizinische und besonders chirurgische Behandlungsergebnisse hängen nicht nur von der eigentlichen Operation ab, sondern werden ganz entscheidend auch von der Struktur- und Prozessqualität beeinflusst.

Des Weiteren ist zu bedenken, dass in der Chirurgie neben kurzfristigen Ergebnissen – unkomplizierter postoperativer Verlauf – besonders auch die Langzeitergebnisse wie z. B. das Leistenbruchrezidiv nach erfolgter Operation oder die Prognose von Patienten mit onkologischen Erkrankungen interessieren.

Darüber hinaus ist unbedingt eine Risikoadjustierung zu fordern, da diese erheblichen Einfluss auf die Qualität gerade einer chirurgischen Leistung hat. Die Etablierung von stabilen Qualitätsindikatoren ist somit eine der wichtigsten Herausforderungen auf dem Weg hin zu einer qualitätsorientierten Vergütung. Hier liegt sicher eine der vielfältigen Aufgaben für die sich gerade in Deutschland erst entwickelnde Versorgungsforschung.

Ein weiterer zu klärender Aspekt ist die Frage, auf welcher Basis die Honorierung einer guten Qualität erfolgen soll. Werden finanzielle Anreize anhand konsentierter Qualitätsindikatoren erst ab einer gewissen Qualitätsstufe wirksam oder kommen nur die Besten für eine Zusatzvergütung in Frage? Sollen statt positiver monetärer Anreizsysteme eher Abschläge für nicht erreichte Qualitätsanforderungen greifen? Last, but not least – Welche Möglichkeiten bestehen, neben finanziellen auch nicht monetäre Anreizsysteme zu etablieren?

Unabhängig von diesen sicher schwer zu lösenden Fragen ergibt sich darüber hinaus auch die Herausforderung, auf welcher Basis die Datenerfassung erfolgt und inwieweit zusätzliche finanzielle Mittel notwendig sind, um P4P zu realisieren.

In Anbetracht der finanziellen Begrenzungen erscheint es zumindest fraglich, ob zusätzliches Geld aufgebracht werden kann, um den Prozess der Einführung einer qualitätsorientierten Vergütung zu begleiten und zu realisieren. Die Qualitätsmessung mit klinischen Routinedaten könnte ein Weg sein, um den finanziellen Restriktionen zu begegnen.

Auch wenn die Diskussion um P4P in Deutschland – anders als in den USA und in Großbritannien – erst in den Anfängen steckt, so ist doch schon deutlich, dass sich erhebliche Auswirkungen auf die Leistungserbringung ergeben werden. Die gegenwärtig bereits bestehenden Selektivverträge und die Modelle der integrierten Versorgung sind die ersten Schritte hin zu P4P.

Es ist sehr wohl möglich, dass bestimmte Leistungserbringer mit schlechter Qualität vom Markt verschwinden, gleichzeitig besteht jedoch auch das Risiko, dass nur die Rosinen herausgepickt werden, bei denen schon im Vorfeld klar ist, dass die Behandlung mit einer hohen Qualität erbracht werden kann. Ob dies für Risikopatienten und chronisch Kranke negative Auswirkungen haben wird, kann erst die Zukunft zeigen. Unweigerlich müssen wir uns als Chirurgen jedoch mit der Diskussion um P4P beschäftigen.

Jeder Chirurg ist bestrebt, eine hohe Behandlungsqualität zu erbringen. Jeder wird auch unterschreiben, dass einer besseren Qualität eine bessere Bezahlung folgen soll. Wenn dieses Credo allgemeine Zustimmung findet, sollten sich nicht nur die Fachgesellschaften, sondern insbesondere auch die Berufsverbände aktiv an der Etablierung von P4P beteiligen.

P4P könnte ein Weg sein, in die Bewertung von Leistungserbringern etwas mehr Objektivität zu bringen, sodass die Fülle von subjektiven Beurteilungen, wie sie gegenwärtig im Internet zu praktisch jedem Chirurgen kursiert, der Vergangenheit angehört.

Und eines darf sicher auch nicht vergessen werden: Bereits jetzt im DRG-System haben wir durch die Fallzusammenführung bei der Wiederaufnahme eines Patienten nach einem operativen Eingriff bei einer aufgetretenen Komplikation ein Element an qualitätsorientierter Vergütung.

Mit den folgenden Beiträgen möchten wir Ihnen die Gelegenheit geben, die unterschiedlichen, sicher nicht allumfassend dargestellten Aspekte von Pay for Performance kennenzulernen. Die Diskussion ist eröffnet – beteiligen wir uns daran!

Die Akademie für chirurgische Weiterbildung und praktische Fortbildung des BDC – Bestandsaufnahme und Ausblick

Vor 22 Jahren wurde auf Initiative von Karl Hempel die Akademie für chirurgische Weiterbildung und praktische Fortbildung des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen etabliert. Anlass für diese Akademiegründung war die visionäre Erkenntnis, dass neben der Weiterbildung am Krankenbett zusätzliche Fortbildungsangebote existieren müssen, die sowohl der theoretischen wie auch der praktischen Unterfütterung des in der Weiterbildungszeit Erlernten dienen.

Hinzu kam, dass die Inhalte der neuen Facharztprüfung definiert werden mussten und in die Seminare einfließen sollten. Ausgehend von diesen Ideen hat die Akademie des BDC während der letzten Jahre ein beispielloses Angebot aufgebaut. Es erscheint angebracht, zum jetzigen Zeitpunkt eine Standortbestimmung vorzunehmen und mögliche Weiterentwicklungen der Akademie aufzuzeigen.

Generell kann festgestellt werden, dass das Angebot der BDC|Akademie immer durch zeitgemäße Fortbildungsangebote charakterisiert war und ist. In den Anfangsjahren wurden Seminare entwickelt, die den angehenden Facharzt für Chirurgie im Rahmen eines einwöchigen Seminars auf die Facharztprüfung vorbereiten sollte. Mit dem Aufbau von Subspezialitaten innerhalb der Chirurgie wurde das Seminarangebot um die entsprechenden Schwerpunktseminare für die Unfallchirurgie, die Gefäßchirurgie und die Viszeralchirurgie erweitert.

Nach wie vor erfreuen sich diese Weiterbildungsseminare sehr großer Beliebtheit und Attraktivität. Die Entwicklung der Teilnehmerzahlen bei Weiterbildungs- und Schwerpunktseminaren sowie in der BDC|Akademie insgesamt zeigt Tabelle 1. Neben diesen eher theoretisch ausgerichteten Seminaren wurden eine Fülle von praktischen Fortbildungskursen etabliert. Beispielhaft seien hier die Basischirurgie-Seminare sowie die früher angebotenen Sonographie-Kurse und Endoskopie-Seminare genannt. Insbesondere für Unfallchirurgen und Orthopäden bietet die BDC|Akademie eine Fülle praktischer Kurse an, sowohl zur Osteosynthese, als auch zu Spezialitäten wie Fuß- und Handchirurgie.

Bei den Seminaren zur Hand- und Fußchirurgie handelt es sich um die ersten curricularen Fortbildungsangebote der BDC|Akademie. Ein Seminarzyklus begleitet die Teilnehmer durch das gesamte Fachgebiet (Handchirurgie 7 Seminare, Fußchirurgie 4 Seminare). Ebenfalls einmalig bei diesen Seminaren ist die intensive Einbindung aller betroffenen Fachgesellschaften in die Konzeption und Durchführung. In Ergänzung zu den fachlichen Seminaren wurden in jüngster Zeit Fortbildungsangebote zu Softskills wie Kommunikation, Führung und Personalmanagement entwickelt. Speziell für Weiterbildungsassistenten werden Einsteigerseminare zur Kommunikation und Selbstorganisation (Zeitmanagement) angeboten.

Einen guten Einstieg in die Vielfalt der Themen, die ein Chirurg außer Chirurgie kennen sollte, dient das ZEF-Seminar zur Ergänzung der Facharztqualifikation. Spezielle Seminare zum Krankenhausmanagement bis hin zur Vorbereitung auf eine Leitungsposition runden das Angebot an Softskill-Kursen für Chirurgen ab. Mit der kontinuierlichen Erweiterung des Seminarportfolios trägt die BDC|Akademie dem Wandel der operativen Fächer in Theorie und Praxis Rechnung.

Basierend auf der Grundidee und der Überzeugung des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen, sich primär als Dienstleister für seine Mitglieder zu verstehen, wurde zur weiteren Professionalisierung und zum Aufbau der entsprechenden logistischen Strukturen die BDC Service GmbH gegründet. Sie unterstutzt heute alle BDC-Seminare in organisatorischen und konzeptionellen Aufgaben. Aufgrund der langjährigen Erfahrung liegt eine außergewöhnlich hohe Expertise mit hoher Effektivität und Effizienz in den erbrachten Leistungen vor. Zusätzliche Fortbildungsangebote sind im [eCME-Center] online verfügbar, so dass für die Mitglieder des BDC trotz knapper werdender Ressourcen und Personalausstattung elektronische Fortbildungsangebote bestehen, die in der Klinik oder von Zuhause wahrgenommen werden können.

Gegenwärtig organisiert die BDC|Akademie jährlich den Chirurgentag und mehr als 60 Seminare, die auch in Zukunft eine kontinuierliche Weiterentwicklung erfahren werden. Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle allen Seminarleitern sowie den Referenten von BDC-Seminaren, die alle ehrenamtlich und unentgeltlich arbeiten. Der Enthusiasmus im Engagement für junge Kollegen und die Weitergabe der eigenen Expertise ist heute nicht selbstverständlich und verdient besondere Anerkennung.

Damit stellt sich die Frage, wie die BDC|Akademie in den nächsten Jahren weiterentwickelt werden soll. In diesem Kontext ist natürlich von Bedeutung, dass die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie und mit ihr die in ihr repräsentierten Fachgesellschaften ihr legitimes Interesse an einer Mitgestaltung der Weiter- und Fortbildungsangebote für alle deutschen Chirurgen signalisiert haben. Der BDC hat mit den verschiedenen Fachgesellschaften schon lange vor der Neuorientierung der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie zusammengearbeitet. Immer schon war es die Überzeugung der führenden Köpfe des BDC und insbesondere ihrer Präsidenten Müller-Osten, Hempel, Witte und jetzt Polonius, das Weiter- und Fortbildungsangebot als letztlich alle Chirurgen einigende Kooperation weiterzuentwickeln.

Aus diesem Grund sucht die Akademie für chirurgische Weiterbildung und praktische Fortbildung des BDC natürlich die konstruktive Diskussion mit allen an der Weiterbildung beteiligten Disziplinen zur optimalen Ausgestaltung des Fortbildungsangebotes. An dieser Stelle sei angemerkt, dass die gegenwärtig bei vielen Fachgesellschaften zu beobachtende Tendenz zum Aufbau eigener Strukturen aufgrund der eingeschränkten finanziellen Ressourcen kritisch zu sehen ist. Aus der Erfahrung des BDC kann festgestellt werden, dass der Aufbau effektiver und effizienter Strukturen zur Organisation der Seminare zeit-, personal- und kostenintensiv ist, wenn bei hoher Qualität gleichzeitig die Seminargebühren für die Teilnehmer attraktiv gestaltet werden sollen. Abb. 1 zeigt hierzu die jährlichen Zuschüsse des BDC zu seiner Akademie, . Abb. 2 den Zuschuss pro Seminartag und Teilnehmer. Im Sinne der Einheit der deutschen Chirurgie, die wir letztlich in gegenseitiger Akzeptanz der Subspezialitäten anstreben, erscheint es wesentlich sinnvoller, dass der BDC auch zukünftig mit seiner Akademie qualitativ hochwertige Seminare organisiert und die chirurgischen Fachgesellschaften intensiv in die inhaltlich-thematische Organisation sowie das Finden geeigneter Referenten eingebunden werden.

Nur auf Grundlage einer engen und fairen Kooperation zwischen BDC und chirurgischen Fachgesellschaften wird es möglich sein, auch zukünftig chirurgische Weiter- und Fortbildungsseminare zu absolut günstigen Konditionen anzubieten. Jede Zersplitterung wird mit einer Preiserhöhung oder massiver Einflussnahme der Industrie erkauft werden. Wir sind der festen Überzeugung, dass eine Akademie der deutschen Chirurgie unter diesen Voraussetzungen erfolgversprechend ist und Synergien schafft, die letztlich allen Chirurginnen und Chirurgen zu Gute kommen.

Ungeachtet dieser Vision wird sich die Akademie des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen auch zukünftig darum bemühen, für seine Mitglieder ein attraktives und zeitgemäßes Weiter- und Fortbildungsangebot zu präsentieren. Dazu gehören zum einen der Aufbau von Säulenseminaren, um die acht verschiedenen Facharztqualifikationen entsprechend zu repräsentieren, zum anderen aber auch die Umstrukturierung der Seminare, um den modernen Anforderungen an eine adäquate Erwachsenenfortbildung gerecht zu werden.

Mit Blick auf die erfolgreiche Vergangenheit sieht sich die Akademie für chirurgische Weiterbildung und praktische Fortbildung für die Herausforderungen der Zukunft gut gerüstet, um das zu sein, was sich die BDC-Mitglieder von ihr versprechen: Ein profilierter und engagierter Dienstleister zur Unterstützung der chirurgischen Weiter- und Fortbildung in dem großen und faszinierenden Fach Chirurgie!

Gründung der gemeinsamen „Akademie der Deutschen Chirurgie“

Erste Information der Mitglieder von DGCH, BDC und den wissenschaftlichen Fachgesellschaften zur beabsichtigten Gründung einer „Weiterbildungsakademie der Deutschen Chirurgie“

In den letzten Jahren sind die Anforderungen an eine effektive und effiziente chirurgische Weiterbildung deutlich gestiegen. Innerhalb der chirurgischen Ausbildungskliniken spiegelt sich dies in der vorgeschriebenen Durchführung von Mitarbeitergesprächen, Weiterbildungs-Curricula und der Einführung der Logbücher wieder. Dies gilt darüber hinaus für die berufsbegleitende Weiterbildung, die sich durch gestiegene Anforderungen an die Weiterbildungsinhalte, aber auch an die Art und Durchführung der Weiterbildungsveranstaltungen auszeichnet. In diesem Kontext spielt die zunehmend schwierigere finanzielle Absicherung der Weiterbildungsseminare eine bedeutsame Rolle. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich insbesondere der Berufsverband der Deutschen Chirurgen ganz wesentlich in enger Partnerschaft mit der DGCH und den Fachgesellschaften um eine flächendeckende Weiterbildungssituation in Deutschland gekümmert.

Durch die Neustrukturierung der DGCH mit Integration der verschiedenen Fachgesellschaften, aufgrund der zunehmenden fachspezifischen Spezialisierungen und nicht zuletzt aufgrund der auch politisch geforderten Änderungen an die Weiterbildung haben alle Fachgesellschaften die Bedeutung einer qualifizierten und strukturierten Weiterbildung erkannt und verstärkt ihr Interesse an deren Ausgestaltung artikuliert. Vor diesem Hintergrund wollen der BDC und die DGCH mit ihren Fachgesellschaften in voller Anerkennung der gegenseitigen Interessen an einer Partizipation bei der chirurgischen Weiterbildung und bereits bestehender Akademiestrukturen einzelner Fachgesellschaften eine „Weiterbildungsakademie der Deutschen Chirurgie“ schaffen. Das Ziel dieser Weiterbildungsakademie ist die koordinierte und zukunftsorientierte Ausgestaltung der chirurgischen Weiterbildung in Deutschland. Bei einer Besprechung zwischen BDC, DGCH und den Repräsentanten der Fachgesellschaften sowie des BVO wurde am 11.06.2007 der Einrichtung einer solchen Weiterbildungsakademie der deutschen Chirurgen von allen Fachgesellschaften, der DGCH, dem BDC und dem BVO zugestimmt.

Alle Teilnehmer dieses Gespräches konnten sich darauf verständigen, dass die zukünftigen Seminare zum Common Trunk durch die „Weiterbildungsakademie der Deutschen Chirurgie“ unter Einbindung der jeweiligen Fachgesellschaften mit den für ihr Fachgebiet spezifischen Weiterbildungsinhalten durchgeführt werden. Hinsichtlich der Säulenseminare bestehen unterschiedliche Integrationsmöglichkeiten. Hier haben die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie, die Deutsche Gesellschaft für Viszeralchirurgie, die Deutsche Gesellschaft für Plastische Chirurgie, die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie und die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie, ihre volle Mitarbeit signalisiert.

Der BDC, die DGCH mit ihren Fachgesellschaften sowie der BVO sind der festen Überzeugung, dass nur durch die Schaffung einer gemeinsamen Weiterbildungsplattform tragfähige und zukunftsorientierte Strukturen zur Ausgestaltung der chirurgischen Weiterbildung in Deutschland geschaffen werden können. Der jetzt eingeschlagene Weg soll konsequent fortgeführt werden. Durch die „Weiterbildungsakademie der Deutschen Chirurgie“ soll eine Einheit in der Vielfalt ermöglicht werden. Mit der „Weiterbildungsakademie der Deutschen Chirurgie“ sind alle Fachgesellschaften und Berufsverbände aufgefordert, sich auf der Basis von abgestimmten Regelungen in die Aktivitäten dieser Akademie einzubringen. Das gemeinsame Ziel einer Weiterbildungsakademie der Deutschen Chirurgie besteht in einem attraktiven und kostengünstigen Weiterbildungsangebot für junge Chirurginnen und Chirurgen.