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BDC-Praxistipp: Mindestmengen bei der chirurgischen Behandlung von Lungenkrebs

Vorwort

Mindestmengen bei der chirurgischen Behandlung von Lungenkrebs

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Die Einführung von Mindestmengen vor allem in operativen Fächern wird vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in den letzten Jahren akribisch vorangebracht. Und jetzt wurde „wieder richtig aufs Gaspedal“ gedrückt. Ende letzten Jahres wurde neben der neuen Mindestmenge bei Brustkrebsoperationen (mindestens 100 Eingriffe pro Standort und Jahr) auch eine neue Mindestmenge in der Thoraxchirurgie eingeführt: 75 anatomische Resektionen pro Jahr und Standort müssen ab dem Jahr 2025 im Karzinomfall erbracht werden.

Der G-BA sieht in den Mindestmengen das wichtigste Instrument der Qualitätssicherung. Doch neben der reinen Ergebnisqualität, die durch das Instrument der Mindestmengenregelung sicher positiv beeinflusst wird, sollten auch andere mögliche Folgen bei diesem Vorgehen betrachtet werden.

Wie sieht es mit der praktischen Realisierbarkeit im klinischen Alltag aus? Was ändert sich in der Weiterbildung? Wird das Recht des Patienten auf freie Arztwahl weiterhin respektiert? Werden die verbleibenden Häuser den hohen Caseload bewältigen können? Bleibt Lungenkarzinom-Chirurgie universitär? Wird die Anzahl an Keilresektionen vielleicht signifikant sinken, und die Anzahl an anatomischen Resektionen signifikant steigen?

Das Bemühen um eine Qualitätsverbesserung allein an den Fallzahlen auszurichten hat unbestritten auch Nachteile, die bei der Durchsetzung gerne bagatellisiert werden, oder nonchalant unter den Tisch fallen. Aber die Betrachtung ist auch einfach zu schlicht. Eine clevere Alternative wäre, Qualität endlich in Leistung statt in Zahlen zu denken. Leistungsstärke definiert sich weit komplexer. In der Bundesliga treten jedes Jahr 18 Mannschaften an. Am Ende wird ein Team Meister, und drei steigen ab. An der Zahl der Spiele liegt das nicht. Alle kicken 34-mal und immer über 90 Minuten.

Spannende Lektüre – auf Kommentare sind wir sehr gespannt

Prof. Dr. med. C. J. Krones

Prof. Dr. med. D. Vallböhmer

In einigen Fachbereichen sind sie bereits Alltag, nun haben sie auch die Thoraxchirurgie erreicht: die Mindestmengen von chirurgischen Eingriffen. Mit Datum vom 23.02.2022 wurde die bestehende Mindestmengenregelung in einer Veröffentlichung im Bundesanzeiger durch eine Anlage Nummer 10 ergänzt, welche die betroffenen Leistungen in Verbindung mit einem OPS-Code konkretisiert: es handelt sich um anatomische Lungenresektionen in Kombination mit der Diagnose einer bösartigen Neubildung von Bronchien und Lunge [1]. Künftig können Kliniken diese Leistungen nur noch dann abrechnen, wenn sie eine Mindestanforderung von 75 solcher Eingriffe pro Jahr erfüllen.

Mindestmengenregelung: Der lange Weg von der Idee zum Beschluss

Die aktuelle Entwicklung der Mindestmengenregelung stützt sich auf eine Studie von Nimptsch et al. aus dem Jahr 2017. Hier wurde eine Abhängigkeit der Krankenhaussterblichkeit von der Behandlungshäufigkeit belegt. Zur Therapie des Lungenkarzinoms wurde in dieser Publikation festgestellt, dass ab 108 Operationen die Krankenhaussterblichkeit unter den bundesweiten Durchschnitt von 2,9 % sinkt [2].

Auf dieser Grundlage stellte der GKV-Spitzenverband im Mai 2018 den Antrag auf Vorlage im Unterausschuss für Qualitätssicherung beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Als Voraussetzung für die Festlegung einer Mindestmenge in einem Fachgebiet ist es erforderlich, dass die Qualität des Therapie-Ergebnisses von der Menge der erbrachten Leistung abhängig ist und dass es sich um hochkomplexe sowie planbare Leistungen handelt. Dies ist für die thoraxchirurgischen Eingriffe gegeben [3].

Im Zeitraum bis zum Beschluss durch das Plenum des G-BA am 16.12.2021 wurde nicht nur die Begründung der Notwendigkeit einer Mindestmenge für die Thoraxchirurgie herausgearbeitet, sondern auch deren Verhältnismäßigkeit und der Einfluss auf konkrete Krankenhausstandorte analysiert. Als Basis dafür diente zum einen eine Literaturrecherche des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zum Thema der Mindestmengen bei der Therapie des Lungenkarzinoms [4]. Zum anderen erfolgte eine umfangreiche Folgenabschätzung zu Mindestmengen durch das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) [5].

Es gilt eine Mindestmenge von 75 anatomischen Resektionen pro Jahr

Die konkrete Mindestmenge von 75 Eingriffen pro Jahr wurde erst in der Sitzung des Plenums des G-BA am 16.12.2021 abschließend festgelegt und eine stufenweise Einführung beschlossen, sodass in den Jahren 2022 und 2023 übergangsweise noch keine Mindestmenge gültig ist. Für das Jahr 2024 ist die Mindestmenge von 40 Leistungen pro Standort einer Klinik vorgegeben. Somit muss die endgültige Zahl von 75 Eingriffen erst im Jahr 2025 erbracht werden. Diese Regelung ist mit 01.01.2022 in Kraft getreten [1].

Bei der konkreten Festlegung auf die Zahl von 75 Eingriffen pro Jahr handelt es sich um das Ergebnis einer umfangreichen Abwägung: es wird davon ausgegangen, dass bei einer Durchführung von thoraxchirurgischen Operationen des Lungenkarzinoms in dieser Größenordnung eine Routine entsteht, welche zu einer Verbesserung der Behandlungsergebnisse führen wird. Zum anderen bleiben bei dieser Mindestmenge noch genügend leistungserbringende Kliniken übrig, die eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung sicherstellen [3].

Mit der beschlossenen Mindestmenge wiederholt sich die Zahl 75, die die Deutsche Krebsgesellschaft bei der Zertifizierung zum Lungenkrebszentrum als Anzahl von Eingriffen definiert, die eine Expertise auf dem Gebiet der Thoraxchirurgie und der beteiligten Fachabteilungen (Anästhesie, Intensivmedizin etc.) ausweist. Die Regelung des G-BA gestattet jedoch, die anatomische Resektion einer einzelnen Lungenmetastase einzubeziehen, da gelegentlich zum Zeitpunkt der Entlassung die endgültige Histologie bei schwieriger Unterscheidung von Primärtumor oder Lungenmetastase noch nicht vorliegt.

Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang, dass die Kliniken bereits heute gefordert sind, sich Gedanken zu machen, ob und wie sie die Mindestmenge 2024 erreichen können, denn im August 2023 müssen sie die Prognose dazu gegenüber den Kassen abgeben, auch auf der Basis ihrer 2022 und 2023 erbrachten Leistungen [3].

In der Kliniklandschaft sind wesentliche Veränderungen zu erwarten

Gemäß Folgenabschätzung des IQTIG werden thoraxchirurgische Eingriffe, welche in Deutschland aktuell an 328 Krankenhausstandorten durchgeführt werden, bei einer Mindestfallzahl von 75 in nur 91 Kliniken erfolgen [5]. Dies bedeutet zwangsläufig für zahlreiche thoraxchirurgische Abteilungen, dass sie ab 2025 keine anatomischen Resektionen der Lunge in Verbindung mit der Diagnose einer bösartigen Neubildung mehr erbringen bzw. abrechnen können. Operationen bei gutartigen Veränderungen oder Entzündungen können dagegen weiterhin abgerechnet werden. Durch eine Verschiebung von Eingriffen in Kliniken, die heute die geforderten Mengen noch nicht erfüllen, werden sich dagegen lokale Zentren herausbilden, die dann die Chance haben, geforderte Voraussetzungen, z. B. auch der DKG zu erreichen. Die größte Verschiebung findet von Abteilungen statt, die aktuell weniger als zehn anatomische Resektionen bei bösartigen Erkrankungen vornehmen [3]. Von einem bedeutsamen finanziellen Verlust ist aufgrund der geringen Fallzahl allerdings eher nicht auszugehen. Demzufolge werden viele kleinere thoraxchirurgische Einheiten ihre Größe weiter reduzieren oder in letzter Konsequenz keinerlei Operationen mehr an Lunge und Bronchien anbieten.

Anders sieht es aus bei Kliniken, deren Leistungen dann nur knapp unter der geforderten Mindestmenge liegen, hier bedeutet es einen essenziellen Einschnitt in die vorhandenen Strukturen und Finanzen. Daher kommt künftig der Kooperation zwischen Abteilungen eine besondere Bedeutung zu, um rechtzeitig nach Lösungen zu suchen. In den Tragenden Gründen des G-BA-Beschlusses kann die Verschiebung zwischen den Zentren aufgrund der IQTIG-Berechnungen nachgelesen werden [3, 5].

Dass von politischer Seite eine stärkere Konzentration hochkomplexer medizinischer Leistungen und damit letztendlich auch Neuordnung der Krankenhauslandschaft angestrebt wird, zeigen die Ansätze der Gesundheitsministerien u. a. in Niedersachsen [6]. Unabhängig von den Mindestmengen in der Thoraxchirurgie oder anderen chirurgischen Disziplinen sind gerade kleinere Häuser in Ballungszentren folglich gut beraten, sich mit Kooperationen für die Zukunft aufzustellen.

Die neue Mindestmengenregelung ist jedoch nicht nur für die Kliniken mit kleinerer Fallzahl eine Herausforderung, sondern auch für die größeren Einheiten. Diese müssen sich nun auf eine Steigerung der Fallzahlen mit allen Konsequenzen zu Personal, Bettenzahl, OP-Kapazität und Intensivbetten einstellen. Unter dem Gesichtspunkt des aktuellen Mangels an Pflegekräften und ärztlichem Personal steht nun manchen Häusern sicherlich eine gewaltige Aufgabe in den kommenden Jahren bevor, auch im Hinblick auf notwendige Investitionen.

Aus der neuen Mindestmengenvorgabe ergeben sich jedoch auch große Chancen und Vorteile für das Fachgebiet: vermutlich wird die Thoraxchirurgie in Zukunft häufiger in Form einer eigenständigen Abteilung in Erscheinung treten anstatt als angegliederter Nebenzweig einer größeren Klinik. Die Bedeutung und die öffentliche Wahrnehmung des Faches werden dadurch künftig eine Steigerung erfahren. Durch die Höhe der Mindestmenge von 75 Eingriffen hebt sich die Thoraxchirurgie schon jetzt von den eher niedrigen Fallzahlen bei anderen hochkomplexen operativen Leistungen ab.

Ein spezieller Aspekt ist die universitäre Thoraxchirurgie. Anders als in den europäischen Nachbarländern hatte die Lungenmedizin selten den Stellenwert, der das Ausmaß der Erkrankungen der Atmungsorgane in der Bevölkerung abbildet. Historisch ist dies durch die Auslagerung dieser Entitäten in die Lungenkliniken bedingt. So könnten sich nun durch die Mindestmengenregelung für die Thoraxchirurgie an Universitätsstandorten Verbesserungen ergeben. Denn sobald mehr Patientinnen und Patienten dort behandelt werden, stehen sie häufiger für den Einschluss in Studien zur Verfügung. Solche Studien benötigen die entsprechende wissenschaftliche Ausstattung und Expertise, möglichst am selben Standort. Auch die Zentrierung der Weiterbildung in den Zentren kann sich durchaus positiv auf die wissenschaftliche Rekrutierung des Nachwuchses auswirken und bestärkt damit die Sonderrolle der Universitätsmedizin [7]. Auch wenn Weiterbildung dann an den kleinen Häusern, die die Mindestmenge nicht erfüllen, nicht mehr möglich sein wird, so eröffnet die Zentrierung der Ausbildung den Assistenten Zugang zu einer größeren Zahl an Operationen aus dem OP-Katalog sowie Einblicke in ein breiteres Spektrum an Krankheitsbildern. Ob damit insgesamt die Zahl an verfügbaren Weiterbildungsstellen sinkt, bleibt abzuwarten. Sicherlich ist eine Überarbeitung des bisherigen Weiterbildungskonzeptes im Laufe der Zeit erforderlich.

Die Festlegung der Mindestmengen bringt sehr wahrscheinlich in Zukunft eine vermehrte Anfrage nach Zertifizierung von thoraxchirurgischen Zentren mit sich. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen werden von der Deutschen Krebsgesellschaft wie auch der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie (DGT) für Kompetenz- und Exzellenzzentren vorgegeben. Gerade eine solche Zertifizierung ist eine Auszeichnung für eine thoraxchirurgische Klinik und im Zusammenhang mit der Mindestmengenvorgabe ein besonderes Qualitätsmerkmal. Es gibt erste Überlegungen, die Akzeptanz der Mindestmengen durch eine gleichzeitige obligate Zertifizierung zu erhöhen [8].

Was ändert sich für die Patientinnen und Patienten?

Aus Sicht der Patientinnen und Patienten sind die Vorteile der neuen Mindestmengenregelung offensichtlich: in der behandelnden Klinik kann künftig eine entsprechende Expertise erwartet werden und umfassende Erfahrungen sind im gesamten behandelnden Team nun voraussetzbar. Der oder die Einzelne nimmt dafür etwas mehr Fahrzeit in Kauf, welche in den Ballungszentren jedoch kaum ins Gewicht fällt, in Flächenländern durchaus deutlicher zum Tragen kommt. Gemäß den Berechnungen des IQTIG beträgt bei einer Mindestmenge von 75 die durchschnittliche Fahrzeit zum nächstgelegenen Zentrum durchschnittlich 31 Minuten, bei einer mittleren Wegstrecke von 35 km. Nach den konkreten Modellrechnungen bedeutet dies für die Hälfte aller Patientinnen und Patienten eine Verlängerung der bisherigen Fahrzeit von 9 Minuten, während sich für 1 % eine Verlängerung der Fahrzeit von mehr als 31 Minuten ergibt [5].

Fazit: ein sinnvolles Instrument zur Qualitätssicherung

Die neue Mindestmengenregelung im Fachgebiet der Thoraxchirurgie ist eine große Chance für eine weitere Verbesserung der Behandlungsqualität in diesem Fachgebiet. Sie bietet sogar die Möglichkeit einer Stärkung der Thoraxchirurgie als eigenständige Abteilung durch die zu erwartende Zentrenbildung. Es werden künftig noch weitere Fachgebiete mit einer Mindestmenge ausgestattet werden, denn die Bedeutung der Mindestmengen wird weiter zunehmen. Die Mindestmengenregelung hat bereits in die S3 Leitlinie Pankreaskarzinom Einzug gehalten [9]. Eine Veränderung der Kliniklandschaft wird somit in den kommenden Jahren in zahlreichen weiteren Fächern zu erwarten sein.

Literatur

[1]   Bekanntmachung eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Mindestmengenregelungen: Ergänzung der Anlage – Nummer 10 vom: 16.12.2021, BAnz AT 23.02.2022 B1

[2]   Nimptsch U, Mansky T, Hospital volume and mortality for 25 types of inpatient treatment in German hospitals: observational study using complete national data from 2009 to 2014. BMJ Open 2017;7(9):e016184

[3]   G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss): Tragende Gründe zum Beschlussentwurf des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Regelungen gemäß § 136b Absatz 1 Nummer 2 SGB V für nach § 108 zugelassene Krankenhäuser (Mindestmengenregelungen – Mm-R): Ergänzung um eine Nummer 10 der Anlage, [Stand:] 16.12.2021. Berlin: G-BA. URL: https://www.g-ba.de/downloads/40-268-8347/2021-12-16_Mm-R_Lungenkarzinom-Thoraxchirurgie_TrG.pdf (abgerufen am: 07.06.2022).

[4]   IQWiG-Bericht – Nr. 824, Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Qualität des Behandlungsergebnisses bei der chirurgischen Behandlung des Lungenkarzinoms, Rapid Report, Auftrag: V18-03, Version: 1.0, Stand: 08.10.2019, enthalten als Anlage 4 in: URL: https://www.g-ba.de/downloads/40-268-8347/2021-12-16_Mm-R_Lungenkarzinom-Thoraxchirurgie_TrG.pdf (abgerufen am: 07.06.2022)

[5]   Folgenabschätzungen zu Mindestmengen. Chirurgische Behandlung des Bronchialkarzinoms (Thorax-Chirurgie bei Lungen-Ca), IQTIG – Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen, 01.10.2021, enthalten als Anlage 6 in: URL: https://www.g-ba.de/downloads/40-268-8347/2021-12-16_Mm-R_Lungenkarzinom-Thoraxchirurgie_TrG.pdf (abgerufen am: 07.06.2022)

[6]   Bericht der Enquetekommission des niedersächsischen Landtags vom 22.02.2021, Drucksache 18/8650, https://www.landtag-niedersachsen.de/fileadmin/user_upload/redaktion/hauptseite/downloads/gremien/kommissionen/enquete_abgeschlossen/enquetebericht_medv_18-08650.pdf, (abgerufen am 20.06.2022)

[7]   Krautz C, Grützmann R, Mindestmengen aus der Sicht des universitären Versorgers, Chirurg 2022, 93: 349–355

[8]   Nüssler N et al, Mindestmengen aus der Sicht einer Klinik der Schwerpunktversorgung, Chirurg 2022, 93: 356–361

[9]   S3-Leitlinie zum exokrinen Pankreaskarzinom, Kurzversion 2.0 – Dezember 2021, AWMF-Registernummer: 032/010OL

Leschber G, Menges P: BDC-Praxistest: Mindestmengen bei der chirurgischen Behandlung von Lungenkrebs. Passion Chirurgie. 2022 September; 12(09): Artikel 05_01.

Leserbrief von Wolfgang Klemm

Thoraxchirurgie gestern und heute

Die Anfänge der Thoraxchirurgie liegen nicht nur in den Händen großer chirurgischer Vorväter wie von Langenbeck, Billroth, Nissen oder Sauerbruch, sondern auch in denen von Internisten, die sich mit den Möglichkeiten der Behandlungen der Tuberkulose durch gezielte Anlage eines Pneumothorax beschäftigten.

So wurde diese Therapieform in Italien von Forlanini bereits 1882 erwähnt, 1916 beschrieb Jacobaeus die Thorakokaustik (Durchtrennung von Verwachsungssträngen an der Lunge) und Vères erfand seine Nadel zur sicheren Anlage eines Pneumothorax. Nachdem 1963 Sattler aus Wien die erste Pleurabiopsie per Thorakoskopie vorgestellt hatte, wurden in den folgenden Jahren durch Pneumologen zunehmend thorakoskopische Eingriffe durchgeführt.

In Deutschland, wo sich die Thoraxchirurgie traditionell in den Lungenkliniken („Mottenburgen“) konzentrierte, war bei den „minimal-invasiven Eingriffen“ im Westen der Pneumologe Brandt in Berlin-Heckeshorn führend, der thorakoskopische Biopsien an der Lunge vornahm. In der DDR war Matzel, der sich in Halle-Döhlau ebenfalls der Thorakoskopie widmete, führender Kopf.

Von chirurgischer Seite sind als Meilensteine der Entwicklung die erste Pneumonektomie durch Rudolf Nissen 1931 zu erwähnen sowie die unzähligen Pioniertaten Ferdinand Sauerbruchs, die den Ruhm der deutschen Chirurgen auf thoraxchirurgischem Gebiet in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg begründeten.

Mit der Entwicklung und Verfeinerung der Thoraxanästhesie sowie der zunehmenden Spezialisierung von Chirurgen gingen ab den 1970er Jahren die operativen Eingriffe dann endgültig in die Hände von Thoraxchirurgen über. Die Klinik in Heidelberg–Rohrbach unter Ingolf Vogt-Moykopf war maßgeblich an der Propagierung parenchymsparender Resektionen und der Trachealchirurgie beteiligt und formulierte früh die Notwendigkeit eines eigenen Fachgebietes.

1990 schließlich setzte die moderne minimal-invasive Thoraxchirurgie ein, die heute unter dem Namen Video-assistierte Thorakoskopie (VATS) zum Alltag jedes Thoraxchirurgen gehört.

Seit den erwähnten Anfängen der minimal-invasiven Thoraxchirurgie, hat sich die VATS kontinuierlich weiterentwickelt. Das Spektrum wurde ausgebaut und bei kleinen Lungenkarzinomen wird die VATS-Lobektomie mittlerweile als Standard angesehen. Die Überlebenszeiten der so operierten Patienten sind denen der offenen Chirurgie mindestens äquivalent. Der Trend zur Minimierung hat dazu geführt, dass statt der initialen drei- bis vier-Loch-VATS mittlerweile die zwei- oder gar ein-Loch-VATS (Uniportal-VATS) das Gewebetrauma weiter vermindern. In Konkurrenz zu dieser OP-Technik steht die Roboter-assistierte Thorakoskopie (RATS), die sich zunehmender Verbreitung erfreut. Präparatorisch können die Nachteile der starren Brustwand durch die größeren Freiheitsgrade der Roboterinstrumente zumindest zum Teil ausgeglichen werden und die gebogenen Instrumente für die Uniportal-VATS erleichtern ebenfalls die Manipulation am vulnerablen Lungengewebe. Weitere Nachteile der starren Brustwand werden dadurch kompensiert, dass eine CO2-Insufflation am Thorax und damit eine Abdichtung der Zugänge nicht nötig ist und man direkt über einen kleinen Wundretraktor operieren kann.

Im Jahre 1957 beschrieb der schwedische Chirurg Carlens erstmalig die Methode der Mediastinoskopie. Werner Maaßen in Essen-Haidhausen machte die Methode ab 1967 in Deutschland populär, und 1969 legte Gert Specht aus der Allgemeinchirurgie in Lübeck seine Habilitationsschrift über „Die erweiterte Mediastinoskopie, eine chirurgisch-bioptische Methode zur Exploration des Mediastinalraums“ vor. Er berichtete über die Ergebnisse von beeindruckenden 1.650 eigenen Untersuchungen, eine Anzahl, die heute kaum ein Thoraxchirurg erreichen kann. Auch bei der Mediastinoskopie hat die Videotechnik erhebliche Fortschritte erlaubt. Zu erwähnen sei hier die sogenannte VAMLA (Video-assistierte mediastinale Lymphadenektomie),sie ermöglicht die systematische Ausräumung sämtlicher Lymphknoten im Mediastinum zum exakteren Staging von Lungenkarzinompatienten oder als Vorstufe der VATS-Lobektomie.

Das Spektrum der Thoraxchirurgie

Das Hauptarbeitsgebiet der heutigen Thoraxchirurgie liegt auf der Operation onkologischer Erkrankungen, insbesondere dem Lungenkarzinom. Durch die moderne Bildgebung werden Patienten in immer früheren Stadien erfasst, ein Trend, der durch Lungenkrebs-Screening mittels Lowdose-CT, das in anderen Ländern bereits verbreitet ist, vermutlich noch zunehmen wird. Begleitend deutet sich ein Paradigmenwechsel in der operativen Sanierung des kleinen Lungenkarzinoms an, weg von der heute noch als Standard geltenden Lobektomie hin zur parenchymsparenden anatomischen Segmentresektion. Erste Studienergebnisse verweisen auf eine Gleichwertigkeit der Verfahren, die Ergebnisse der DFG-geförderten deutschen Multicenterstudie (SeVLoT1a) stehen aktuell noch aus. Während in vielen der internationalen Studien nicht exakt darauf geachtet wurde, ob eine anatomische Segmentresektion oder eine atypische Segmentresektion (entsprechend einer großen Keilresektion) erfolgte, war in der SeVLoT1a-Studie akribisch auf die anatomische Resektion und einen entsprechenden Sicherheitsabstand zur Segmentgrenze zu achten. Mit entsprechender Erfahrung sind Segmentresektionen per VATS ebenso möglich wie über eine Thorakotomie, womit die Vorteile des minimal-invasiven Vorgehens dem Patienten trotzdem geboten werden können. In allen spezialisierten Abteilungen gehören die VATS-Lobektomien mittlerweile zum Standard, begleitet von einer systematischen Lymphadenektomie, für deren Gewissenhaftigkeit sich deutsche Thoraxchirurgen besonders auszeichnen.

Abb. 1: Meilensteine der Thoraxchirurgie im deutschsprachigen Raum; ein Poster, das im Rahmen der Hundertjahrfeier der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie als Beitrag der DGT erstellt wurde

Auch die Operation bei N2-Status, also bei mediastinaler Lymphknotenmetastasierung, ist aktuell Diskussionspunkt ebenso wie Operationen beim oligometastasierten Lungenkarzinom, folglich im Stadium IVa der neuen TNM-Klassifikation (seit 2017 gültig). Selbstverständlich fallen Entscheidungen über derartige Ausweitungen der Operationsindikation vor Ort in interdisziplinären Tumorkonferenzen nur nach entsprechender Nutzen-Risiko-Analyse.

Die Tatsache, dass Thoraxchirurgen in Bezug auf onkologische Erkrankungen interdisziplinär sehr verbandelt sind, hat schon vor Jahren zur Gründung der „Arbeitsgemeinschaft Onkologische Thoraxchirurgie“ (AOT) bei der Deutschen Krebsgesellschaft geführt. Einer der Kooperationspartner bei der DKG ist die POA (Pneumologisch-Onkologische Arbeitsgemeinschaft).

In Kooperation mit chirurgischen Nachbardisziplinen können auf der anderen Seite auch erweiterte Eingriffe bei nur lokal fortgeschrittenen, d. h. die Nachbarorgane infiltrierenden, aber nicht (lymphogen) metastasierten Tumoren vorgenommen werden. Erwähnenswert sind hier Eingriffe an der Wirbelsäule mit den Wirbelsäulenchirurgen, multiviszerale Operationen mit den Viszeralchirurgen oder die Deckung ausgedehnter Defekte nach Brustwandresektionen mit den plastisch-rekonstruktiven Chirurgen. In der Trachealchirurgie können Patienten von der Kooperation mit HNO-Chirurgen in Einzelfällen profitieren. Dass die Thoraxchirurgie sich als Schnittstellenfach sieht, zeigt sich in der Expertise, die Thoraxchirurgen bei der Versorgung polytraumatisierter Patienten in den Traumazentren einbringen können.

Auch bei der operativen Sanierung von Lungenmetastasen sind Thoraxchirurgen heute in vielen Tumorkonferenzen als kompetente Ansprechpartner gefragt. Die in Deutschland, im Gegensatz zum Ausland, vielfach verwendeten Laseroperationen ermöglichen in hohem Maße parenchymsparende Eingriffe an der Lunge, sogar bei multiplen oder zentral sitzenden Metastasen. Der Laser erlaubt, bis nahe an zentrale Strukturen (Gefäße/Bronchien) zu präparieren und nachgeschaltete Lungenabschnitte trotz kompletter Metastasenresektion zu erhalten. Eine Limitierung der Anzahl der zu resezierenden Metastasen besteht in der Regel nicht, sofern eine R0-Resektion möglich ist.

Nach Jahrzehnten des immer aggressiveren Vorgehens beim malignen Pleuramesotheliom mit Pleuropneumonektomie zeigt sich nun ein Wandel zur parenchymerhaltenden palliativen Dekortikation. Im multimodalen Setting werden hier bei deutlich besserer Lebensqualität gleiche Überlebenszeiten erreicht. Neben der palliativen Dekortikation hat mit der HITHOC (Hypertherme intrathorakale Chemotherapieperfusion) ein neues Behandlungsverfahren Einzug gehalten, das bislang einigen spezialisierten Abteilungen vorbehalten ist. Gleiches gilt für Operationen an der Herz-Lungen-Maschine oder unter der ECMO. Beide Verfahren ermöglichen Eingriffe an zentralen Strukturen bzw. bei Patienten, die respiratorisch stark kompromittiert sind.

Neben den onkologischen Eingriffen, die in spezialisierten Abteilungen über 50 Prozent des Krankengutes darstellen, spielen entzündliche Veränderungen des Pleuraraumes eine wichtige Rolle. Nach wie vor erreichen Patienten mit Pleuraempyemen die thoraxchirurgischen Abteilungen zu spät, d. h. nach langwieriger antibiotischer Therapie. Dies erschwert die dann erforderliche Dekortikation, die heute trotzdem in den meisten Fällen auf minimal-invasivem Wege durchgeführt wird. Die Resektion der z. T. sehr dicken Pleuraschwarte stellt allerdings das Instrumentarium genauso wie den Chirurgen vor eine erhebliche Herausforderung.

Eine Renaissance erlebt augenblicklich die Lungenvolumenreduktion, ein Verfahren, bei dem überblähte Parenchymbezirke bei Emphysematikern thorakoskopisch reseziert werden, um den verbleibenden, weniger geschädigten Arealen der Lunge die Entfaltung zu ermöglichen. Dieses Verfahren, das bereits Mitte der 90er Jahre erstmalig zu größeren Fallserien führte, war zwischenzeitlich durch den NETT-Trial in Verruf gekommen. Hier ist die Kooperation mit interventionellen Bronchoskopikern, die diese Patienten mit Ventil-Implantationen therapieren, in sogenannten „Emphysemboards“ erforderlich. Der G-BA hat kürzlich ein Statement gegen die nicht-operative Volumenreduktion verfasst, sodass in Zukunft eine weitere Steigerung der Patientenzahlen zur operativen Sanierung erwartet wird.

Mit dem Pneumothorax beschäftigt sich schließlich die in diesem Jahr erscheinende aktualisierte S3-Leitlinie „Pneumothorax“ unter Federführung des nächsten Präsidenten der DGT, Prof. Dr. med. Erich Stoelben. Mit dieser Leitlinie gibt die Fachgesellschaft zur Lösung eines häufigen Problems einen Leitfaden an die Hand. Eine weitere DFG-geförderte Studie der DGT bezieht sich auf die operative Sanierung des Pneumothorax: die WOPP-Studie. In dieser deutschen Multicenterstudie wird geprüft, ob in jedem Falle eine Resektion des bullösen Areals erforderlich ist oder ob eine parietale Pleurektomie als Rezidivprophylaxe ausreicht.

Lungentransplantationen verlagern sich von den Herzchirurgen zunehmend zu universitären thoraxchirurgischen Abteilungen. Hier sind die Zentren in München, Essen und Freiburg zu erwähnen. Die Vertretung des Faches in den Universitäten ist ansonsten aber noch immer nicht ausreichend gewährleistet, obwohl die Thoraxchirurgie seit 1995 als eigener Schwerpunkt in allen Bundesländern anerkannt war und seit 2001 eine selbständige chirurgische Fachdisziplin mit eigenständiger Weiterbildung ist.

Die wissenschaftliche Fachgesellschaft „Deutsche Gesellschaft für Thoraxchirurgie“ (DGT) wurde 1991 gegründet und ist heute eine der zehn Säulen unter dem Dach der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Seit 1993 existiert die Europäische Gesellschaft für Thoraxchirurgie, die European Society of Thoracic Surgeons (ESTS). Hervorgegangen aus einer kleinen Gruppe engagierter Thoraxchirurgen unter Führung von Ingolf Vogt-Moykopf, ist die Gesellschaft mittlerweile auf 1.600 Mitglieder angewachsen und führt jedes Jahr den weltweit größten Kongress durch, der sich ausschließlich thoraxchirurgischen Fragestellungen widmet (in den USA sind die Thoraxchirurgen weiterhin ein Teil der Herz-Thoraxchirurgischen Gesellschaften).

Zertifizierungen in der Thoraxchirurgie

Seit 2008 zertifiziert die DGT Thoraxkliniken/-abteilungen zum „Kompetenzzentrum Thoraxchirurgie“, wenn strukturelle Anforderungen in der Abteilung sowie eine Mindestmenge von 400 Operationen pro Jahr erfüllt sind. Dabei soll die Klinik das gesamte, oben dargestellte Spektrum der Thoraxchirurgie abbilden. Davon zu unterscheiden ist die Zertifizierung zum „Lungenkrebszentrum“ durch die Deutsche Krebsgesellschaft, bei der eine longitudinale Darstellung der Diagnostik und Therapie von Lungenkarzinomen in der Interdisziplinarität erfolgt. Hier sind die Mindestmengen mit 75 anatomischen Resektionen pro Jahr deutlich niedriger angesetzt. Beteiligt sind thoraxchirurgische Abteilungen an onkologischen Zentren oder Traumazentren.

Der Grund, warum die DGT bei ihrer Zertifizierung zum Kompetenzzentrum 400 Operationen pro Jahr fordert, liegt in der Auffassung, dass nur mit einer entsprechenden Expertise eine optimale Behandlung der Patienten erreicht wird. Zwar kann eine exzellente Thoraxchirurgin oder ein hervorragender Thoraxchirurg mit einer Operation Großartiges leisten, die kompetente Versorgung im perioperativen Verlauf erfordert jedoch die Expertise vieler – über Abteilungen (Anästhesie, Pneumologie) und Berufsgruppen (Pflegepersonal, Physiotherapie, Atemtherapeuten) hinweg. Der Umgang mit Thoraxdrainagen nimmt dabei eine Schlüsselstellung ein, denn die Beurteilung der Physiologie im Pleuraspalt bedarf langer Erfahrung und kann auch durch die modernen digitalen Pumpsysteme nur bedingt ersetzt werden. Gerade die praktische Ausbildung an den verschiedenen Drainagesystemen ist nicht nur für die Weiterbildungsassistenten von Bedeutung, sondern sie stellt auch einen Faktor bei der Spezialisierung von Pflegekräften dar.

Seit der letzten Überarbeitung des Anforderungskataloges werden auch Aspekte des Risikomanagements abgefragt. Durch gemeinsame Analyse mit einem Risikomanager von Schadensfällen aus dem Gebiet der Thoraxchirurgie konnte eine entsprechende Abfrage in den Katalog eingebaut werden. Die so zertifizierten Kliniken haben den Vorteil, dass sie damit gegenüber dem Versicherer von diesem geforderte Qualitätsmerkmale bereits abbilden.

Der allgemeine Trend zu Organzentren ist, auch begründet durch die oben erwähnte Historie, in Lungenkliniken schon seit Jahrzehnten Realität. Interdisziplinäre Konferenzen (zwei pro Woche), in denen über das Vorgehen (Diagnostik und Therapie) bei Lungenkrebspatienten entschieden wurde, hat die Autorin bereits Anfang der 90er Jahre zu Beginn ihrer Ausbildung in Berlin-Heckeshorn erlebt. Schließlich lebt auch die Kooperation mit den Kollegen der Anästhesie von einem gedeihlichen und vertrauensvollen Level, denn schließlich „operieren“ alle am selben Organ.

Thoraxchirurgie wird heute immer noch zu einem Großteil in spezialisierten Lungenkliniken oder -abteilungen betrieben, auch wenn ein Trend zu Eingliederungen in Maximalversorger besteht. Da die Thoraxchirurgie ein Fachgebiet ist, in dem überwiegend elektive Operationen durchgeführt werden, eignet sie sich insbesondere für junge Chirurginnen und Chirurgen, die nach einem familienkompatiblen Fach Ausschau halten, das jedoch anspruchsvolle operative Fähigkeiten und Fertigkeiten erfordert.

Leschber G. Thoraxchirurgie heute. Passion Chirurgie. 2017 Oktober, 7(10): Artikel 03_01.

Editorial: Thoraxchirurgie – ein kleines, aber hochspezialisiertes Fachgebiet

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Thoraxchirurgie ist das Schwerpunktthema der Oktober-Ausgabe von PASSION CHIRURGIE und wir möchten als Fachgesellschaft die Gelegenheit nutzen, Ihnen die ganze Breite unseres Gebietes darzustellen.

Dies nicht nur im Hinblick auf berufspolitische Aspekte, sondern auch mit der Darstellung unseres Behandlungsspektrums und zusätzlich eines medizinischen Themas, das uns zunehmend beschäftigt: die chirurgische Sanierung von angeborenen Fehlbildungen des Brustkorbes, wie Pectus excavatum und Pectus carinatum. Christian Kugler, der Past-Präsident der Deutsche Gesellschaft für Thoraxchirurgie (DGT) und Ronald Lützenberg haben neben der amtierenden Präsidentin dazu Artikel verfasst.

Gerne möchte ich am Anfang Tim Pohlemann, den Past-Präsidenten der DGCH, zitieren, der die Entwicklungen in den chirurgischen Disziplinen und die sich daraus ergebenden Anforderungen für alle Chirurginnen und Chirurgen wunderbar zusammengefasst hat: „Die fachliche Spezialisierung ist der Motor des chirurgischen Fortschritts, die Einheit durch Doppelmitgliedschaft der notwendige Garant für politisches Gehör und Stärke“. Die DGT fühlt sich dem Ziel der „Einheit der Chirurgie“ als Wertegemeinschaft verpflichtet, denn wir sehen darin die Chance, eine Fehlentwicklung der letzten Jahrzehnte zu korrigieren. Nur wenn wir mit einer Stimme sprechen, werden wir von anderen großen Fachgesellschaften, den Verbänden, den Versorgern und schließlich auch der Politik gehört. Partikularinteressen lassen sich viel schlechter verteidigen und nützen in Summe nichts. Effektiver ist es, wenn eine Wertegemeinschaft ihre Stimme im Sinne aller erhebt.

Für ein kleines, aber hoch spezialisiertes Fachgebiet wie die Thoraxchirurgie ist die Kooperation mit anderen chirurgischen Disziplinen nicht nur im Alltag gelebte Wirklichkeit, sei es mit den Plastischen, Viszeral- oder Herzchirurgen, den Wirbelsäulenchirurgen oder auch den Kollegen der HNO, sondern uns zeichnet darüber hinaus die enge Zusammenarbeit mit den Pneumologen aus, was sich aus der Historie der Thoraxchirurgie erklären lässt. Die Ursprünge der Thoraxchirurgie gehen zurück auf die meist am Rande der Stadt liegenden Lungenkliniken, in denen „operierende“ Pneumologen die ersten Eingriffe am Brustkorb vornahmen. Bitte sehen Sie selbst, wie weit sich die Thoraxchirurgie seither von diesen Anfängen weiter entwickelt und spezialisiert hat.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Studium des vorliegenden Heftes.

Ihre
Dr. Gunda Leschber
Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie (DGT)

Leschber G. Editorial: Thoraxchirurgie – ein kleines, aber hochspezialisiertes Fachgebiet. Passion Chirurgie. 2017 Oktober; 7(10): Artikel 01.

Aufruf zur Teilnahme an der Befragung: Zufriedenheit von Chirurginnen und Chirurgen in Deutschland 2012/2013

Die Umfrage ist bereits geschlossen.

Fünf Jahre sind eine lange Zeit, in fünf Jahren kann sich auch eine Menge ändern.

In den letzten fünf Jahren ist das Bewusstsein in der Chirurgie deutlich dafür gestiegen, dass mehr und mehr Frauen unsere Fachrichtung ergreifen werden. Damit stellen sich für alle, d. h. für die Frauen, die sich in einer Weiterbildung zur Chirurgin befinden, aber auch für die Chefärzte und Chefärztinnen neue Anforderungen, um die geänderten Erfordernisse zu bewältigen.

2008 hatte der Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC) erstmalig eine Umfrage zur Zufriedenheit der Chirurginnen durchgeführt und dabei umfangreich die einzelnen Aspekte unseres Berufes beleuchtet.

Zu unserer Freude hatten damals 93 Prozent der Frauen geäußert, dass sie den Beruf der Chirurgin wieder ergreifen würden, 37 Prozent von ihnen allerdings nur unter geänderten Bedingungen. Im Folgejahr haben wir diese Erhebung mit identischen Fragen auch unter unseren männlichen Kollegen durchgeführt, mit sehr ähnlichen Ergebnissen.

Ob sich die Stimmung bei Chirurginnen und Chirurgen in der Zwischenzeit geändert hat, wollen wir in einer Nachfolgeuntersuchung erkunden, die wir mit Erscheinen dieser Ausgabe starten werden.

Haben sich die Dinge für die Chirurginnen zum Besseren gewendet? Oder hat der zunehmende gesundheitsökonomische Druck der letzten Jahre sogar zu einer Verschlechterung geführt? Wie werden die veränderten Rahmenbedingungen von Chirurginnen und Chirurgen wahrgenommen?

Dies sind interessante Fragen, die wir nur mit Ihrer Hilfe beantworten können. Wir bitten Sie deshalb herzlich, an der neuen Umfrage teilzunehmen.

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Umfrage Chirurginnen

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Umfrage Chirurgen

Wir freuen uns auf eine rege Teilnahme bei dieser Umfrage und sind gespannt, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Arbeitszufriedenheit bei Chirurginnen und Chirurgen bestehen und wie sich diese in den vergangenen fünf Jahren verändert haben.

Die Ergebnisse dieser Umfrage werden Grundlage unserer berufspolitischen Aktivitäten in den kommenden Jahren sein. Beteiligen Sie sich und bringen Sie sich mit Ihrer Meinung ein!

Leschber G. / Ansorg J. Aufruf zur Teilnahme an der Befragung: Zufriedenheit von Chirurginnen und Chirurgen 2013. Passion Chirurgie. 2012 November; 2(11): Artikel 02_04.

Editorial: Familienfreundliches Krankenhaus und Chirurginnen

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

das vorliegende Heft hat die Themenschwerpunkte „Familienfreundliches Krankenhaus“ und – zum wiederholten Mal – „Chirurginnen“, zwei Themen, bei denen es sich meines Erachtens nach lohnt, sich damit in regelmäßigen Abständen zu beschäftigen.

Der demographische Wandel in der Chirurgie bedingt Verschiedenes:

Durch den steigenden Anteil der Frauen im Medizinstudium erhöht sich auch die Zahl der Ärztinnen, die die Chirurgie ansteuern. Bei den Mitgliederzahlen des BDC lässt sich dieser stetig wachsende Prozentsatz recht gut dokumentieren: Waren 2006 noch 21,9 Prozent der neuen Mitglieder weiblich, so lag 2011 der Anteil bereits bei 38,6 Prozent.

Frauen haben aber andere Ansprüche an ihren Arbeitsplatz als es die männlichen Kollegen noch zu Sauerbruchs Zeiten hatten, d. h. das Verweilen für Tage in der Klinik oder gar überlange Arbeitszeiten gehören sicher nicht dazu. Doch auch bei den Männern hat sich – zum Glück – ein Sinneswandel vollzogen.

Wie sehr sich Einstellung zur Arbeit über die Generationen verändert hat, will der BDC in einer Umfrage klären, die gemeinsam mit der Hochschule Bochum entwickelt wurde und an der Sie über BDC|Online (s. u.) teilnehmen können.

Spannend wird in diesem Zusammenhang auch die Nachfolgebefragung der Chirurginnen und Chirurgen zu ihrer Berufszufriedenheit sein, die wir mit Erscheinen dieses Heftes starten. Bei der ersten Umfrage im Jahr 2008 hatten 93 Prozent der Chirurginnen angegeben, dass sie diesen Beruf erneut ergreifen würden.

Auf der anderen Seite steht das Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Chirurgen und Chirurginnen. Nach wie vor sind es ganz überwiegend die Frauen, die mit den Bedürfnissen und Nöten einer Familie konfrontiert werden. Wenn es auch immer weniger die Kinder sind, so kommt heute in zunehmendem Maße die Versorgung der Eltern (und Schwiegereltern) dazu.

Insofern wird das Thema „Familienfreundliches Krankenhaus“ in Zukunft einen größeren Stellenwert erhalten, denn im Wettbewerb um die besten Köpfe, müssen Arbeitgeber neue Wege gehen, um gute Mitarbeiter anzulocken. Dass die Sorge von Arbeitgebern um das Wohlergehen ihrer Mitarbeiter zunehmend Interesse findet, dürfte auch für unsere männlichen Kollegen ein guter Nebeneffekt sein.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei unserer aktuellen PASSION CHIRURGIE.

Ihre
Gunda Leschber

Leschber G. Editorial Familienfreundliches Krankenhaus und Chirurginnen. Passion Chirurgie. 2012 November; 2(11): Artikel 01.

Konzeption: Führungsstrategien für Ärztinnen

Chirurginnen auf dem Weg nach oben Strategien aufzuzeigen, ist das erklärte Ziel dieser Seminarreihe in drei Modulen. Die ausgebuchte Premiere im ersten Halbjahr 2012 hat gezeigt, dass das Angebot nicht nur zur rechten Zeit kam, sondern mit einer evaluierten Beurteilung von durchschnittlich 1,5 als Erfolg verbucht werden kann. Eine Teilnehmerin bemerkte gar: „Das Seminar ist wie der Fall der Mauer.“

Inzwischen ist akzeptiert, dass gemischte Teams am effektivsten arbeiten. Besonders in der Chirurgie zeigt sich aber, dass nur wenige Frauen bis in die Chefärztinnen-Positionen vordringen. Die Gründe dafür sind ganz unterschiedlich.

Um Chirurginnen auf Führungspositionen vorzubereiten, überzeugte Dr. Gunda Leschber, Vertreterin der Chirurginnen im BDC und Chefärztin der Thoraxchirurgie der Evangelischen Lungenklinik in Berlin-Buch, den Berufsverband der Deutschen Chirurgen, dieses spezielle Angebot ausschließlich für Frauen anzubieten. Gemeinsam mit der Dozentin und Journalistin Sabine Schicke entwickelte sie die drei Module, die den Medizinerinnen Horizonte öffnet und Strategien zeigt, wie sie auf der Karriereleiter weiter nach oben kommen können.

In dem ersten Modul werden unterschiedliche Führungsstrategien entwickelt: Fachkompetenz allein reicht nicht, um in Führung zu gehen. Vielen Frauen sind die eigenen Stärken nicht bewusst. Um effizienter auf dem beruflichen Weg voranzukommen, geht es um die ganz persönlichen Ziele und eine Standort- und Potenzialanalyse. Dieser Prozess ermöglicht es, einen persönlichen Erfolgsweg zu finden, der sich an Werten und Ressourcen orientiert, und Verantwortung für das eigene Vorankommen zu übernehmen. Es werden maßgeschneiderte Grundsätze entwickelt, um weniger anfällig für Manipulationen zu sein.

Im zweiten Modul geht es darum, die eigene Motivation zu erkennen, kluge Entscheidungen zu treffen, strategische Allianzen zu knüpfen und andere für die gemeinsamen Ziele zu gewinnen. Strategische und kommunikative Durchsetzungsstärke werden ebenso trainiert wie die Spielregeln der Macht, die für Frauen bisweilen eine besondere Herausforderung bedeuten. Analysiert werden überdies die Muster schwieriger Gesprächssituationen.

Gutes Selbstmarketing und Netzwerken stehen im Mittelpunkt des dritten Moduls. Dabei wird das Personal Branding entwickelt mit souveräner Führungsstärke und Glaubwürdigkeit, werden Kompetenzen und Stärken sichtbar gemacht. Es geht um Integrität und Selbstbewusstsein einer Führungskraft, die als Markenzeichen in eigener Sache wirken.

In allen drei Modulen gibt es einen moderierten Erfahrungsaustausch, Arbeit in Gruppen und Präsentation.

Auf Grund der großen Nachfrage wird es im ersten Halbjahr 2013 wiederholt werden. Sie können sich schon jetzt dafür beim BDC anmelden. Die genauen Termine werden noch bekannt gegeben.

Schicke S. / Leschber G. Konzeption: Führungsstrategien für Ärztinnen. Passion Chirurgie. 2012 Juli/August; 2(07/08): Artikel 02_09_01.

Zukunftspläne – Vertreterin der Chirurginnen

Es ist wichtig, bei Frauen vermehrt das Interesse für die Chirurgie zu wecken, auch im Hinblick auf die heute überwiegende Anzahl weiblicher Medizinstudentinnen und junger Ärztinnen. Deswegen wird die Imagekampagne „Nur Mut! Kein Durchschnittsjob: ChirurgIn “ des BDC auch durch die Vertreterin der Chirurginnen aktiv unterstützt, ebenso wie die Präsenz auf Jobmessen etc.

Chirurginnen „sichtbarer“ machen

Da Vorbilder für junge Ärztinnen entscheidend sind, ist es erforderlich, die Repräsentanz von Frauen auf chirurgischen Kongressen zu steigern. Ein leicht zu erreichendes Ziel wird sein, Erstautoren bereits im Kongressprogramm mit Vor- und Nachnamen zu nennen und auf eine Beteiligung von Frauen bei den Vorsitzen zu achten. Dies erhöht die „Sichtbarkeit“ von Chirurginnen, ein wichtiges Element bei der Vorbildfunktion für den weiblichen Nachwuchs.

Das aktuelle Mutterschutzgesetz stellt ein Problem für Chirurginnen in ihrem Arbeitsalltag und ihrer Facharztausbildung dar, da es in der Regel mit einem OP-Verbot einhergeht.

Hier wird sich der BDC gemeinsam mit anderen Berufsverbänden dafür einsetzen, dass Ausnahmeregelungen geschaffen werden. Letzten Endes muss es das Ziel sein, die Position der „Vertreterin der Chirurginnen“ in nicht allzu ferner Zukunft überflüssig zu machen, wenn es zu einer Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Chirurgie gekommen sein wird und auch im Präsidium des BDC Frauen als Vertreter der einzelnen chirurgischen Disziplinen präsent sind.

Editorial: Die etwas andere Sichtweise

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

die Erkenntnis der Industrie, dass den Anforderungen der modernen Geschäftswelt besser und effizienter mit gemischtgeschlechtlichen Teams begegnet werden kann, hat in einigen Unternehmen bereits zur Einführung einer Frauenquote geführt. Nicht zuletzt der drohende Fachkräftemangel durch die demographische Entwicklung bewirkt, dass der Blick dieser Unternehmen dahingehend geschärft wird, die zweite Hälfte des Arbeitsmarktes für sich zu gewinnen. Die Tatsache, dass heute bereits 60 bis 70 Prozent der Medizinstudenten weiblich sind und es damit in Zukunft zwingende Notwendigkeit sein wird, diesen Nachwuchs für die Chirurgie zu begeistern, hat der BDC seit langem erkannt. So sollen mit der Kampagne „Nur Mut – kein Durchschnittsjob ChirurgIn“ Medizinstudentinnen gezielt angesprochen werden. Die Website www.chirurg-werden.de und das vorliegende Heft unterstützen diese Aktivitäten.

Auch Vorbilder sind eine Möglichkeit, einen Beruf, oder in unserem Falle ein Fachgebiet, interessant zu machen. Jeder von uns, der mit jüngeren Kolleginnen zusammen arbeitet, ist automatisch gleichzeitig Vorbild. Dass Frauen mit der gleichen Begeisterung in der Chirurgie tätig sind wie ihre männlichen Kollegen, haben Umfragen des BDC 2008 und 2009 ergeben. Die etwas andere Sichtweise, die Frauen einbringen, bereichert die Arbeit von Teams. Sie stellen auch andere Ansprüche an die Work-Life-Balance und werfen darüber hinaus z. T. unerwartete Probleme für die Vorgesetzten und Arbeitgeber auf. Wenn in einer Abteilung zeitgleich mehrere junge Frauen schwanger werden, kann dies unter Umständen zu Einschränkungen im Dienstbetrieb führen. In jedem Falle bedeutet es aber einen erheblichen organisatorischen Aufwand, den die übrigen Kollegen kompensieren müssen.

Der Beitrag der ehemaligen Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB), Astrid Bühren, beschäftigt sich mit der aktuellen Situation zum Mutterschutzgesetz. Welche Auswirkungen diese Gesetzgebung auf die Arbeitssituation, insbesondere während der Weiterbildung hat, wird in ihrem Bericht sowie den Erfahrungsberichten von Freia Minz und Mareike Graff geschildert. Dass hier erheblicher Bedarf zu Nachbesserungen besteht, haben mittlerweile auch Teile der politisch Verantwortlichen erkannt. Doch solange das rigide Mutterschutzgesetz, das für (werdende) Chirurginnen faktisch ein Arbeitsverbot darstellt, nicht den modernen Gegebenheiten angepasst wird, ist jede einzelne Chefärztin, jeder einzelne Chefarzt aufgefordert, im Rahmen ihrer/seiner klinikinternen Möglichkeiten nach Lösungen zu suchen, wenn sie Nachwuchs für ihre Abteilungen gewinnen wollen.

Die in diesem Heft ebenfalls veröffentlichte Umfrage unter Chirurginnen zum Thema „Familien- und Kinderplanung“, die durch den Deutschen Ärztinnenbund initiiert und durch die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie finanziell unterstützt wurde, liefert einen weiteren Hinweis darauf, dass Chirurginnen heutzutage ihren Beruf und gleichzeitig eine Familie mit Kindern nicht mehr als Ausschlusskriterium sehen. Die über 700 Frauen, die sich an der Umfrage beteiligt haben, arbeiten zu 81 Prozent ganztags, wobei nahezu die Hälfte aller Frauen ein oder mehrere Kinder haben. Auch zeigt die Studie, dass ein Drittel der Frauen unmittelbar nach Ende des Mutterschutzes wieder angefangen haben zu arbeiten, zwei Drittel nach einem Jahr, womit aktuell also Chirurginnen durchaus interessiert sind, die Arbeit so schnell wie möglich wieder aufzunehmen, was sich mit ihrer Begeisterung für das Fach deckt. Die sich daraus ergebenden Probleme der Organisation des Lebens mit Kindern gestalten die Realität allerdings nicht einfach.

Da zudem auch immer mehr junge Väter (s. Beitrag von E. H. Allemeyer) aktiv an ihrem Familienleben teilnehmen möchten und sich eine Elternzeit nehmen, müssen in Zukunft intelligente Arbeitszeitmodelle den Bedürfnissen aller Mitarbeiter und der Abteilung angepasst werden.

Bericht der Vertreterin der deutschen Chirurginnen im BDC

Seit nunmehr fast zehn Jahren gibt es eine Vertreterin der Chirurginnen im Präsidium des BDC. Angeregt durch ein Grußwort von Frau Dr. Ursula Wehrmann anlässlich des 40. Jahrestags des Berufsverbands entschloss sich der damalige Präsident Prof. Jens Witte, eine entsprechende Position einzurichten. Es lag nahe, Dr. Wehrmann, Oberärztin in der Chirurgie am Dresdner Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, damit zu betrauen. Sie versah dieses Amt bis 2007 und verstand sich als Ansprechpartnerin der Frauen. Zu ihrer Nachfolgerin wurde Dr. Gunda Leschber gewählt, Chefärztin der Thoraxchirurgie an der Evangelischen Lungenklinik Berlin, Sprecherin der Sektion „FiT“ (Frauen in der Thoraxchirurgie) der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie (DGT) und designierte Präsidentin der Europäischen Gesellschaft für Thoraxchirurgie (ESTS).

Die derzeit 2.600 Chirurginnen und chirurgisch tätigen Ärztinnen, die im Berufsverband organisiert sind, stellen nach wie vor nur einen kleinen Prozentsatz aller chirurgisch tätigen Frauen dar. Nach aktuellen Zahlen liegt der Anteil der weiblichen Mitglieder des Berufsverbands bei 17 %, bei den neuen Mitgliedschaften sind es bereits über 30 %. Dies entspricht der Zunahme von Frauen in unserem Fachgebiet insgesamt, eine Entwicklung, die teilweise unter dem Begriff „Feminisierung der Medizin“ von einigen männlichen Kollegen kritisch betrachtet wird.

Bei 60 bis 70 % weiblicher Studienanfänger muss es der Chirurgie gezwungenermaßen gelingen, sich als Fachgebiet zu präsentieren, das auch für Frauen attraktiv ist, um in Zukunft ausreichenden Nachwuchs zu akquirieren und damit die Versorgung der Bevölkerung durch Chirurginnen und Chirurgen zu sichern. So wurde durch den derzeitigen Präsidenten, Prof. Michael-J. Polonius, bei der Mitgliederversammlung im April 2009 explizit darauf hingewiesen, dass Frauen für die Chirurgie gewonnen werden müssen und für alle chirurgisch Tätigen eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglicht werden muss.

Um herauszufinden, was Frauen an der Chirurgie reizt, hat der BDC 2008 eine Umfrage unter deutschen Chirurginnen gestartet, die mit einer Rekordbeteiligung von mehr als 1.000 Teilnehmerinnen ein gutes Bild von der aktuellen Arbeitssituation und Berufsproblematik sowie ihrer Stimmungslage zeichnet. Obwohl sich 93 % der Frauen wieder für die Chirurgie entscheiden würden, gab doch ein nicht unbeträchtlicher Anteil (37 %) an, dies nur unter geänderten Bedingungen zu tun. Nicht nur die hohe Zahl an Teilnehmerinnen an der Studie zeigte, dass Frauen sich mit Leidenschaft für die Chirurgie engagieren, dies bestätigen auch Neugründungen von speziellen Sektionen oder Netzwerken. Nach FiT (Frauen in der Thoraxchirurgie) und FIV (Frauen in der Viszeralmedizin) ist 2009 ein Orthopädinnen-Netzwerk gegründet worden, weitere Gründungen stehen bevor.

Der Berufsverband setzt sich dafür ein, die Bedingungen für Frauen kontinuierlich zu verbessern, dazu gehört u. a. auch die Einrichtung einer Kinderbetreuung während des Deutschen Chirurgenkongresses. Diese Maßnahme wurde von der Vertreterin der Chirurginnen mit Unterstützung des Präsidiums des Berufsverbands erstmalig beim Deutschen Chirurgenkongress 2008 in Berlin initiiert, anfänglich gegen den Widerstand der gesamten Kongressorganisation. Mit der lobenden Erwähnung dieser Kinderbetreuung durch die damalige Bundesministerin für Familie, Frau Dr. Ursula von der Leyen, wurde dieser Institution aber sozusagen der „Ritterschlag“ erteilt, sodass davon auszugehen ist, dass diese Einrichtung weiterhin allen jungen Chirurginnen und Chirurgen mit Nachwuchs zur Verfügung steht. Weitere Schritte, die Zukunft der Chirurgie als attraktive Fachrichtung für Frauen und Männer gleichermaßen zu sichern, sind erforderlich.

Um dem Nachwuchsmangel zu begegnen, wurde vom BDC die Imagekampagne „Nur Mut! Kein Durchschnittsjob: ChirurgIn“ gestartet. Durch Anregung der Vertreterin der Chirurginnen sind in den Universitäten vor Ort tätige Oberärztinnen bzw. Fachärztinnen beteiligt, darüber hinaus wird diese Kampagne nach Kräften unterstützt.

Nach wie vor ist die Repräsentanz von Frauen (und ihre Erkennbarkeit in den Programmheften) bei chirurgischen Kongressen unbefriedigend. Ein leicht zu erreichendes Ziel wird sein, dass die Erstautoren bereits in den Kongressprogrammen mit Vor- und Nachnamen genannt werden und auf eine Beteiligung von Frauen bei den Vorsitzen geachtet wird. Damit dürfte die „Sichtbarkeit“ von Chirurginnen erhöht werden, ein wichtiges Element bei der Vorbildfunktion für den weiblichen Nachwuchs.

Ein Thema, dessen sich der BDC in Zukunft annehmen muss, ist die Umgestaltung des „Mutterschutzes“, der derzeit bei Chirurginnen einem Berufsverbot gleich kommt. Dieses Problem trifft Männer und Frauen gleichermaßen, da sie entweder als Chefs oder Kollegen oder als direkt Betroffene unter den aktuellen gesetzlichen Regelungen leiden, die ein Hindernis für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie darstellen. Den Schutz des werdenden Lebens und der Mütter mit den Bedürfnissen von Chirurginnen bzw. Ärztinnen allgemein zu harmonisieren ist eine Aufgabe, derer sich alle Berufs-/Ärzteverbände gemeinsam annehmen sollten. Mit der zu erwartenden Zunahme von jungen Frauen in der Chirurgie, wird dieses Thema in den nächsten Jahren auf jeden Fall alle chirurgisch Tätigen zunehmend beschäftigen.

Letzten Endes muss es das Ziel sein, die Position der „Vertreterin der Chirurginnen“ in nicht allzu ferner Zukunft überflüssig zu machen, weil es zu einer kompletten Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Chirurgie gekommen sein wird und im Präsidium nicht nur eine einzige Frau auf der „Alibi“-Position der Vertreterin der Chirurginnen sitzt. Bis dahin bleibt aber noch einiges zu tun – packen wir es gemeinsam an.