Alle Artikel von Gerhard Stauch

Telemedizin – Ein Weg zur globalen Gemeinschaft

Die medizinische Qualität in Entwicklungsländern und Krisenländern wird vom Mangel an erfahrenen Ärzten geprägt, die eine ausreichende medizinische Versorgung gewährleiste können. Meist verfügen einheimische Ärzte, bedingt durch eine unzureichende Ausbildung, über mangelnde Erfahrung und Motivation. Auch werden sie durch eine exorbitante Korruption demotiviert und sind häufig ohne jegliches gesellschaftliches Engagement und jegliche Empathie für den Patienten tätig. Zum anderen führen die Illusionen jungen Menschen, die durch Medien geweckt, aber auch durch unglückliche politische Aussagen gefördert werden, zur Flucht und einem Brain-Drain, der gerade diese Berufsgruppen sehr schwächt. In einigen Krisenregionen Nordafrikas versuchen westliche Organisationen durch Einsatz von zumeist jungen idealistisch motivierten Ärzten die Situation aufzufangen. Die Sicherheitslage gerade in den Kriegsgebieten erlaubt es jedoch nicht, ausländische Experten in Regionen wie Afghanistan, Syrien und Irak zu senden.

Die Telemedizin bietet einen Weg des unmittelbaren und effektiven Erfahrungsaustausches von Experten und Spezialisten aus entwickelten Ländern an, der dazu beitragen kann, die Qualität der medizinischen Versorgung in unterversorgten Ländern zu verbessern.

Abbildung 1 zeigt den Konsultationsmodus:

  • Der anfragende periphere Partner schickt Informationen und Frage und Bilder.
  • Der Experte antwortet meist innerhalb von 24 Stunden.

Telemedizin kann prinzipiell abhängig von der zur Verfügung stehenden Bandbreite und der Stabilität des Internets in zwei Modi erfolgen:

Entweder in „Real Time“ als zeitgleiche Konferenzschaltungen mit Übertragung aller nötigen Informationen und Erfahrungsaustausch, welches ein sogenanntes schnelles Internet voraussetzt, was allerdings in den wenigsten Entwicklungsländer zur Verfügung steht.

Eine zweite Methode ist der „Store and Forward“ Modus. Dieser ist von der gleichzeitigen Präsenz der Partner und der Qualität der Verbindung unabhängig ist. Die Daten werden auf einen Server geladen und dem Experten zu Verfügung gestellt.

Abb. 1: Konsultationsmodus

Eine dritte Methode besteht in der Übermittlung größerer Datenmengen im „Store and Forward“ Modus und der anschließenden Diskussion über Telefon oder Skype.

Abb. 2: Screenshot einer strukturierte Anfrage und Expertise

Stand des Projekts

Vor 18 Jahren wurde das iPath-Projekt als „Open Source Software“ auf einer Telemedizin-Plattform und im „Store and Foreward“-Modus entwickelt und zunächst für Konsultationen in Entwicklungsländern, aber auch für medizinische Diskussionsforen und Tumorkonferenzen und wissenschaftlichen Arbeiten in den Industrieländern, auf dem Gebiet der Pathologie und Zytologie, eingesetzt.

Mittlerweile haben sich auf der Plattform mehr als 160 Gruppen mit über 5.000 Usern etabliert, die bisher über 50.000 Konsultationen durchgeführt und an Falldiskussionen teilgenommen haben.

Das System ist einfach, der anfragende Arzt sendet strukturierte Informationen: lokale Identifikationsnummer des Patienten, verbale klinische Informationen und Bildmaterial von Mikroskopie-, Makroskopie-, Ultraschall- und Röntgenaufnahmen zum Server auf den der Experte Zugriff hat und seine Zweitmeinung hinterlegt. Komplexe Fragestellungen können im Chat-Modus diskutiert werden. Andere Experten können sich zuschalten. Der Vorgang wird dokumentiert und ist somit transparent, sodass er jederzeit von den Partnern abgerufen und von zugangsberechtigten Gruppenmitgliedern verfolgt werden kann.

Der Schwerpunkt der Konsultationsmedizin hat sich zwischenzeitlich erweitert und seit mehr als zehn Jahren werden zunehmend Anfragen im Bereich der Dermatologie, Radiologie und Traumatologie gestellt. Damit wird der Trend zu einem klinikorientierten Projekt sichtbar und auch erforderlich.

Abb. 3: Expertennetz

Abbildung 3 zeigt das weltweite Netz der Experten die zum Beispiel für drei Zentren in Mazar e Sharif in Afghanistan, Tansen in Nepal und für Phnom Penh in Kambodscha zur Verfügung stehen.

Zukunft des iPath Projekts

Abb. 4: Afghanischer Arzt am Arbeitsplattz, Telekonsultation über Notebook

iPath wurde 1998 an der Universität Basel etabliert und mit dem Weggang des IT-Spezialisten über ein Jahrzehnt von einer Privatfirma betreut. 2017 wird das Projekt in einen gGmbH umgewandelt um in Zukunft die anfallenden Kosten selbst tragen zu können. Zum andern wird der bereits erwähnte Trend in klinische Fächer gefördert, sodass Expertenteams auf den Gebieten der Geburtshilfe, der Pädiatrie, der Chirurgie und besonders der plastischen und rekonstruktiven Chirurgie bei Verbrennungen und Traumatologie erforderlich werden. Deshalb ist geplant, in nächster Zeit Gruppen auf diesen Gebieten einzurichten und Experten zu bitten, daran teilzunehmen

Rechtliche Aspekte der Telekonsultationen

Bisher wurden die meisten Anfragen von zwei Experten beantwortet. Das Vieraugenprinzip hat sich bewährt. Es gelten keine Rechtsansprüche an den Experten, der lediglich eine Empfehlung abgibt deren Umsetzung der Arzt als Einsender vor Ort zu verantworten hat. Bei unzureichender Information kann der Experte jederzeit die Konsultation ablehnen.

Fazit

1.Die bisherigen Ergebnisse des Projekts haben gezeigt, dass mit einfacher elektronischer Technik, zeitnah Expertenerfahrungen in Entwicklungsländer und Krisenregionen vermittelt werden können und Experten so die Qualität der örtlichen Medizin verbessern können ohne persönlich anwesend zu sein.

2.Die technische Ausstattung spielt eine untergeordnete Rolle. Notebooks am Arbeitsplatz ermöglichen dem Experten Beratung durchzuführen, die der örtliche Partner in die Routinetätigkeit integrieren kann. Life-Konferenzen mit Großbildschirmen sind somit überflüssig und in den meisten Regionen der Dritten Welt sowieso nicht praktikabel.

3.Die bisher angewandte Organisationsstruktur hat sich bewährt. Sie setzt jedoch Bereitschaft voraus, sich als peripherer Partner an Regeln der Anfragen zu halten und auf Seiten der Experten die Bereitschaft Zeit zu investieren um kostenlos ihre Erfahrungen zur Verfügung zu stellen.

Ärzte aus Entwicklungsländern und Krisenregionen benötigen ihre Erfahrung!

Deshalb melden Sie sich auf iPath-network.com als ehrenamtlich tätiger Experte!

Sollten Sie Interesse haben, nehmen Sie bitte Kontakt auf zu Frau Monika Hubler: Monika.[email protected] oder zum Autor via [email protected]

Stauch G. Telemedizin – Ein Weg zur globalen Gemeinschaft. Passion Chirurgie. 2017 Juni, 7(06): Artikel 08_01.

Welcome Back Home – Das Mammakarzinom Projekt in Mazar-e Sharif

Nach dem erneuten Angriff der Taliban auf Kunduz und den bisher andauernden Stellungskämpfen um die Stadt Mitte 2016, hat sich die Sicherheitslage im gesamten Norden Afghanistans verändert und besonders in dem bisher ruhigen Mazar-e Sharif dramatisch verschlechtert. Zusätzlich ist in der Stadt durch Rückzug der deutschen Isaf-Truppen der größte Arbeitgeber der Nordprovinz weggefallen. Außerdem hat die Flucht junger und ausgebildeter Afghanen 2015 die Situation weiterhin verschlechtert. Die Instabilität der politischen und ökonomischen Situation hat aufgrund der Schwäche der Zentralregierung in Kabul mit dem Bruch zahlreicher Wahlversprechen und einer ausufernden Korruption zugenommen. Die Bevölkerung ist zunehmend mutlos und resigniert. Vor diesem Szenario ist die Implementierung neuer humanitärer Projekte sehr fragwürdig. Jedoch sind diese Projekte nötig, setzen sie doch Hoffnung auf eine bessere Zukunft und können selbst als Mikroprojekte einen Beitrag zur Stabilisierung der Gesellschaft leisten.

Im Rahmen des Wiederaufbaus des durch Brand zerstörten Zentralkrankenhauses in Mazar-e Sharif hat der Autor seit 2010 in zahlreichen mehrwöchigen Arbeitsaufenthalten in Afghanistan ein Labor für Pathologie mit angeschlossener zytologischer Ambulanz etabliert. Wegen der ausufernden Korruption der damaligen Entscheidungsträger wurde zwei Jahre später das regierungseigene Labor durch ein Privatlabor unter der Leitung von Dr. Rauofi Rokai – einem vertrauenswürdigen Chirurgen – ergänzt. Die zunehmende Zahl der Einsendungen der letzten Jahre und eine zunehmende Akzeptanz vorwiegend ambulant tätiger Ärzte bestätigt die Notwendigkeit einer morphologischen Diagnostik vor Ort. Der mangelnden Erfahrung der afghanischen Pathologen wegen wurde deshalb ein Telepathologie Service durch deutsche Experten via Internet etabliert.

Die Häufigkeit der diagnostizierten Mammakarzinomen bestätigte die von der UICC erhobenen Daten der Prävalenz der Tumoren in der weiblichen afghanischen Bevölkerung. Sowohl die bildgebende Diagnostik wie auch die Therapie benigner und maligner Mammatumoren sind im Land nur ansatzweise vorhanden. Mammographie und Ultraschalluntersuchungen werden häufig

ungenügend oder falsch interpretiert, mit der Konsequenz der Verunsicherung der Patientinnen. Morphologische Diagnostik mit Fine-Needle Aspiration, Core-Needle Biopsy und offenerer Biopsie sind bisher im Land nicht bekannt. Die meisten malignen Tumoren werden daher erst im fortgeschrittenen T3/ T4 N+ Stadien erkannt (Abb. 1). Die operative Therapie beschränkt sich zumeist auf incisionale Biopsien. Radio- und Chemotherapien sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht verfügbar. Patientinnen müssen zur kurativen oder meist palliativen Therapie ins Ausland reisen: Pakistan oder Indien, was für viele nicht finanzierbar ist.

Abb. 1: Fortgeschrittenes Maamaca in der FNA-Ambulanz in Mazar-e Sharif 2014
Abb. 1: Fortgeschrittenes Maamaca 2014

 

Stand des Projekts

Seit 2011 haben Dr. Rauofi Rokai und seine Mitarbeiter begonnen, sich auf die Diagnostik von Mammaläsionen mit besonderem Schwerpunkt der ultraschallgestützten Feinnadelpunktionen zu spezialisieren. Die Technik ermöglicht eine zeitnahe Diagnostik, die Vorteile im ambulanten Bereich zeigt.

Bei positiven zytologischen Ergebnissen erfolgen im Bedarfsfall Core-needle-Biopsien, jedoch genügt bei fortgeschrittenen Stadien die Tripeldiagnostik. Die Diagnostik wird durch europäische Experten via Skypekonferenzen unterstützt.

Abb. 2: Morgenbesprechung
Abb. 2: Morgenbesprechung

 

Gleichzeitig wird zur Sensibilisierung der Risikogruppen eine Aufklärungskampagne in lokalen Fernsehprogrammen platziert, nach Rücksprache und Zustimmung der örtlichen Geistlichkeit.

2014 wurde begonnen eine Basis Therapie mit einfachen Mastektomien mit axillarer Dissektion unter Anleitung eines deutschen Facharztes einzuführen. Eine lokale Tumor-Ektomie kann bei fehlender postoperativer Radiatio nicht durchgeführt werden, gleichzeitig wurde der Aufbau eines stationären Zentrums für Mammatumoren in Mazar-e Sharif begonnen, bestehend aus Ambulanz, Mammographieabteilung und operativer Einheit. Dieses Zentrum ist mit dem bereits bestehenden Cyto- und Histopathologischen Labor verbunden.

Im Oktober 2016 wurde das Family Health Hospital (FHH) eröffnet, eine Privatklinik mit 20 Betten, das Projekt wurde mit 20.000 € aus Privatmitteln gefördert. Im November wird ein 20ft-Container mit Sachspenden deutscher Kliniken zur Ergänzung der Basisausstattung von Hamburg via Herat nach Mazar-e Sharif transportiert.

Projektzukunft

Geplant ist die Verbindung des Hospitals mit deutschen Institutionen:
Durch einen Vertrag zwischen dem Kirchenkreis Aurich der Evangelisch lutherischen Kirche, der die weitere Verwaltung der Geld- und Sachspenden garantiert, erfolgt im Gegenzug eine Gewinnbeteiligung des Kirchenkreises, dessen Ertrag für die Behandlung bedürftiger Patientinnen eingesetzt wird.

Die Verbindung der Klinik mit dem Klinikum Bamberg wird im Projekt des BMZ „Klinik Partnerschaften-Partner stärken Gesundheit“ angestrebt. Außerdem soll das Projekt „Hospitationen auf Kurzzeit“ mit dem Klinikum Bamberg fortgesetzt werden, mit dem Ziel die Ausbildung von Ärzten und Fachpersonal zu fördern.

Dr. Rokai ist bereits Juniormitglied des Berufsverbandes deutscher Pathologen. Weitere Aufnahmen anderer afghanischer Kollegen in weiteren deutschen Fachgesellschaften wären wünschenswert und könnten zur Stabilisierung der Beziehung beitragen.

Im Routinebereich werden spezielle Tumorkonferenzen via Internet und Skype aufgebaut (sogenannte Hybridtechnik wegen der geringen Bandbreite und Instabilität des afghanischen Netzes.) Es wird in diesen Konferenzen nicht nur das Wissen europäischer Experten vermittelt, sondern auch interdisziplinäre Kommunikation im Land selbst gefördert.

Fazit

Trotz der ungünstigen Situation vor Ort, schlechter Sicherheitslage und Korruption bei politischen Entscheidungsträgern ist der Aufbau eines privaten Medizinprojektes als Microprojekt erforderlich, um die medizinische Versorgung der afghanischen Frauen zu verbessern, das heißt die Angst vor einem fatalen Schicksal zu nehmen und Hoffnung zu wecken. Zum anderen kann das Projekt eine Leuchtturmfunktion zur Etablierung neuer Medizinstrukturen übernehmen.

Abb. 3: Spendenmaterial für FHH in Hamburg
Abb. 3: Spendenmaterial für FHH in Hamburg

Nachtrag

Der Titel des Artikels fußt auf einem persönlichen Erlebnis des Autors: Bei der letzten Einreise in Mazar-e Sharif fielen dem Beamten an der Passkontrolle die häufigen Visa-Einträge für Afghanistan auf, sodass der freundlich lächelnde Beamte mit einem „Welcome back home“ den Pass zurückreichte, ein afghanischer Lichtblick!

Abb. 4: Operationssaal des FHH
Abb. 4: Operationssaal des FHH

Danksagung

Mohammad Rafi, Rafi trading & shipment Hamburg
Harald Beenen Beenen GmbH & Co. KG
Willm Ihnen, Stahlbau Ihnen Aurich Gmbh & Co. KG
Gerd Schaper, Agaplesion Klinikum Rotenburg
Wilhelm Wolken, Ludmillenstift Rotenburg
Markus Winkler, Sozialstiftung Bamberg
Thomas Hippen, Ubbo Emmius Klinik Aurich/ Norden
Monika Hubler IPATH NETWORK Basel

Spendenaufruf

Sach- und Geldspenden zur ergänzenden Ausstattung der Klinik werden dringend benötigt! Spezielle Anfragen können an den Autor gerichtet werden.

Sachspendenliste:

  • Fachbücher in englischer Sprache
  • Bipolar couter
  • Bipolar scissor
  • Bipolar pincette
  • Surgical instrument set for abdominal surgery
  • Surgical instrument set for Gynecology surgery
  • Surgical instrument set for Cesarean section surgery
  • Surgical instrument set for Orthopedic surgery
  • Surgical instrument set for vascular surgery
  • Surgical instrument set for Breast surgery
  • Laser scalpel
  • Urologic instrument set
  • Endoscopic set
  • Infusion warmer
  • Spinal Catheter set
  • Autoclave small
  • Hysterscopy set
  • Colposcopy set
  • CTG machine
  • Doppler machine
  • Larynscope
  • Laryngoscope
  • Endoscope
  • Flexible Endoscope

Über Geldspenden freuen wir uns sehr, bitte überweisen Sie an*:

Evangelisch lutherische Kirchengemeinde in Aurich / Sparkasse Aurich-Norden
IBAN DE41 2835 0000 0000 0905 06
BIC BRLADE21ANO
Spendenkonto: Brustzentrum Mazar e Sharif

*Eine Spendenquittung erhalten Sie nach Eingang der Spende auf dem Konto.

Stauch G. Welcome Back Home – Das Mammakarzinom Projekt in Mazar-e Sharif. Passion Chirurgie. 2017 Januar, 7(01): Artikel 07_02.