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Nachhaltigkeit in der Arztpraxis

Die Frage der Nachhaltigkeit hat auch das Gesundheitswesen erreicht und damit auch die Arztpraxis in jeder Organisationsform. Der Gesundheitssektor ist ein großer Umweltsünder. Gesundheitseinrichtungen verbrauchen sehr viel Energie, produzieren viel Müll (zudem Problemmüll), die Abwässer sind mit Keimen und Chemikalien und Arzneimitteln belastet. Somit muss die Frage gestellt werden, wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz in Gesundheitseinrichtungen, ohne die Versorgung von Patienten zu gefährden, erreicht werden kann.

Der Duden definiert Nachhaltigkeit knapp: „Prinzip, nach dem nicht mehr verbraucht werden darf, als jeweils nachwachsen, sich regenerieren, künftig wieder bereitgestellt werden kann. Also zum Beispiel im Wald nur so viel Holz schlagen, wie nachwachsen kann. [1]

Nachhaltigkeit ist ein Handlungsprinzip zur Ressourcen-Nutzung, bei dem eine dauerhafte Bedürfnisbefriedigung durch die Bewahrung der natürlichen Regenerationsfähigkeit der beteiligten Systeme (vor allem von Lebewesen und Ökosystemen) gewährleistet werden soll. Im entsprechenden englischen Wort sustainable ist dieses Prinzip wörtlich erkennbar: to sustain im Sinne von „aushalten“ bzw. „ertragen“. Mit anderen Worten: Die beteiligten Systeme können ein bestimmtes Maß an Ressourcennutzung „dauerhaft aushalten“, ohne Schaden zu nehmen. Das Prinzip wurde zuerst in der Forstwirtschaft angewendet: Im Wald ist nur so viel Holz zu schlagen wie permanent nachwächst. Als in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erkannt wurde, dass alle Rohstoffe und Energievorräte auf der Welt auszugehen drohen, ging sein Gebrauch auf den Umgang mit allen Ressourcen über. [2]

Energie sparen

Aufgrund der aktuellen politischen Situation, der Preisentwicklung im Energiesektor und dem Klimawandel ist dies sicherlich die naheliegendste Stellschraube für die Nachhaltigkeit. Zudem kann hier richtig Geld gespart und die Ertragsseitseite verbessert werden. Es gilt der Grundsatz: Energie, die nicht verbraucht wird, ist am nachhaltigsten und spart am meisten Geld. Müssen alle Geräte und PCs dauerhaft eingeschaltet sein oder im Standby-Modus verbleiben? Die Raumtemperatur sollte auf ein Mindestmaß reduziert werden. In normalen Räumen wie Sozialraum, Anmeldung, Wartebereich reichen 20 °C, Flure und Treppenhäuser müssen nicht extra beheizt werden. Wechsel auf moderne digitale Heizungsthermostate, hierdurch allein lassen sich ca. 6 Prozent Heizkosten sparen. Auch in gemieteten Räumen dürfen Sie diese ohne Erlaubnis des Vermieters auf eigene Kosten selbst austauschen. [3] Beim Lüften richtig lüften, d. h. stoßlüften, nicht über gekippte Fenster dauerlüften. Fenster und Türen abdichten, ggf. einen Fensteraustauch überlegen. Hierzu gibt es Förderungen des BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle). Lampen sollten auf LED-Technik umgestellt werden. Das Licht auszumachen spart am meisten. Alte Geräte wie z. B. Kühlschränke gegen neue stromsparende Geräte austauschen. Ab einem Alter von zehn Jahren kann ein Austausch sinnvoll sein. Prüfen Sie, ob Solarpanels (Balkonkraftwerk) bis 600 Watt möglich sind. Laptops oder Clientworkstations verbrauchen weniger Strom als eine PC-Workstation.

Abb. 1: Solarpanele

Im Sommer reduzieren Verschattungen und gut isolierende Fenster den Gebrauch und Verbrauch von Klimaanlagen. Nachhaltig ist auch ein Wechsel auf Ökostrom. Bei E-Mail heißt es Zurückhaltung. Jede Mail verbraucht ca.10 gr. CO2! Muss jeder Adressat im Verteiler sein? Muss jeder Anhang sein? Messenger-Dienste sind wesentlich CO2 -sparsamer. Hier werden bald von der Gematik Messenger-Dienste zugelassen.

So wird Ihr digitaler Informationsaustausch umweltfreundlicher:

  • E-Mails nicht Ewigkeiten im Postfach aufbewahren, sondern regelmäßig löschen
  • Den Papierkorb regelmäßig leeren
  • Spamfilter einrichten
  • Fotos nur in komprimierter Version versenden
  • Newsletter abmelden, die man nicht mehr benötigt
  • Automatische Mail-Benachrichtigungen von Facebook und anderen Seiten ausschalten
  • Auf das Verschicken unnötiger Bilder und Videos verzichten

Wassersparen

Auch hier gilt: Erst gar kein Wasser verbrauchen, was unter dem Gesichtspunkt der Hygiene eher unrealistisch ist. Nutzen Sie Perlatoren an den Wasserhähnen, wenn möglich mit Wassersparfunktion und Autostopfunktion. Beim Wechsel der Perlatoren diese nach Absprache mit dem betreuenden Hygieneinstitut aufbereiten statt wegschmeißen. Nutzen Sie wassersparende Geräte wie Geschirrspüler, Waschmaschine, RDG. „Spülen mit der Maschine braucht im Durchschnitt 50 Prozent weniger Wasser und 28 Prozent weniger Energie als Handspülen“ [4] Auch das richtige Beladen von RDG und Geschirrspüler sowie diese nicht halbvoll laufen zu lassen, spart Wasser und Energie. Fragen Sie sich, ob es immer heißes oder warmes Wasser sein muss, die Hände kann man auch mit kaltem Wasser waschen.

Verbrauchsmaterialien

Wiederverwenden statt Einmalartikel. Die Praxis sollte papierfrei werden. Drucken Sie nicht jede Mail, jedes Formular aus, speichern Sie es in der Patientenakte. Die Datenschutzgrundverordnung kann laminiert ausgehängt und personalisiert in der Patientenakte digital abgelegt werden. Ebenso OP-Einwilligungen und sonstige Aufklärungsbögen. Die Industrie bietet hierzu verschiedene Varianten an. Verbrauchsmaterialien sollten recycelt werden und es sollten so weit möglich recycelte Materialien verwendet werden. Mülltrennung ist seit Jahren selbstverständlich.

Abb. 2: Mülltrennung

Auf Einmalverpackungen und Plastik sollte verzichtet werden, statt Batterien sind Akkus eine Alternative. Sterilgut kann im Sterilgut-Container sterilisiert und aufbewahrt werden, Folierungen sind nicht notwendig. Das spart Müll und Personaleinsatz. So können im OP waschbare OP-Funktionskleidung und OP-Hauben getragen werden, Einwegkleidung ist unnötig. Bei der Sterilabdeckung und Kitteln kann unter hygienischen Kautelen auch eine waschbare Alternative überlegt werden. Der elektronische Postversand, egal in welcher Form, ist umweltverträglicher als die Papierpost. Die Post gibt den CO2-Abdruck für einen Brief mit ca. 20 Gramm an.

Mobilität

Hier kann sehr viel CO2 eingespart werden. Audio-Video-Konferenzen, Meetings oder Fortbildungen ersparen die Anreise, ggf. Übernachtung und Zeitverlust. Auf das Auto sollte zugunsten des ÖPNV oder von Fahrrad/E-Bike verzichtet werden. Für die Mitarbeiter:innen gibt es Jobtickets oder E-Bike-Leasing. Ein Firmen-E-Bike als Dienstrad oder ein E-Auto sind nachhaltiger, wenn diese mit Ökostrom betrieben oder am bestem mit der eigenen Fotovoltaikanlage geladen werden.

Mit diesen Tipps lässt sich Umweltschutz in Ihrer Praxis einfach umsetzen: [5]

  • Einsparpotenziale bei Heiz- und Gebäudeenergie nutzen. Lassen Sie sich gegebenenfalls von Fachleuten zu reduziertem Energiebedarf beraten.
  • Ein Wechsel zu einem Stromanbieter von 100 Prozent Öko- oder Naturstrom aus Wind und Wasser bringt den Verzicht auf Kohle- und Atomstrom. Oft lassen sich hierbei staatliche Subventionen nutzen.
  • Wie alt sind Ihre Geräte? Ein Austausch alter Geräte gegen verbrauchsärmere neue Modelle hilft nicht nur den Energiebedarf zu senken, es wirkt sich auch positiv auf die Betriebskosten aus. Das gilt auch für Wasser!
  • Für alle Geräte mit Batterien lohnt sich der Umstieg auf wiederaufladbare Akkus.
  • Energiesparende LEDs reduzieren den Verbrauch und leben zudem länger als andere Leuchtmittel. Bewegungsmelder in allen dafür geeigneten Bereichen begrenzen die Beleuchtung.
  • Gewöhnen Sie sich das Stand-by ab! Moderne Geräte brauchen mittlerweile wenig Zeit für die Inbetriebnahme und das Aufwärmen, weshalb sich ein Bereitschaftsbetrieb außerhalb der Öffnungszeiten nicht rechnet.
  • Nutzen Sie Einsparmöglichkeiten beim Wasserverbrauch und dem Abwasser. Die gemeinnützige Beratungsgesellschaft www.co2online.de steht Ihnen dabei und in allen anderen Fragen zum Klimaschutz mit Rat und Tat zur Seite.
  • Abfall lässt sich durch ökologischen Einkauf und bewussten Verbrauch minimieren. Setzen Sie dabei auf Nachfüllpackungen und Produkte mit wenig Verpackung. Mülltrennung nicht vergessen!
  • Waschbare Textilien statt Papiertücher schonen die Umwelt – mit geeignetem Waschmittel. Schränken Sie den Verbrauch von Einwegmaterialien ein.
  • Zu Ihrer Patientenbetreuung zählen auch Hausbesuche? Ein Hybrid- oder Elektrowagen reduziert den CO2-Ausstoß. Ggf. E-Bike nutzen.
  • Flüge, etwa zu Kongressen oder Weiterbildungen, lassen sich über www.myclimate.org ausgleichen. Besser ist die Onlineveranstaltung.
  • Der Papierverbrauch lässt sich durch den Umstieg auf digitalisierte Patientenakten und Dokumente drastisch reduzieren. Für Mitteilungen und interne Kommunikation eignen sich Messenger. Befunde und Röntgenbilder können auf Tablets visualisiert werden.
  • Bestellen Sie unerwünschte Werbesendungen ab – weniger Papiermüll und Umweltschutz in einem.
  • Setzen Sie auf natürliche Ent- und Belüftung in Räumen.
  • Immer mehr Angestellte im medizinischen Bereich leiden an Allergien auf Chemikalien und Reizstoffe. Biologische VAH-zertifizierte Desinfektionsmittel schonen die Haut und die Umwelt.

Nachhaltigkeit beschränkt sich nicht nur auf Ressourceneinsparungen im Betrieb, hier die Arztpraxis, sondern lässt sich u. a. auf die Personalführung und Planung, sowie auf andere Bereiche ausdehnen. Diese sind z. B. Auswahl der Banken, Versicherungen, Geschäftspartner, Geldanlagen. Weiter gibt es das Dreieck der Nachhaltigkeit nach Professor Bernd Heins, das einen Ausgleich zwischen Ökologie, Ökonomie und Sozialem beschreibt. Auch das persönliche Engagement für die Zukunft und ihre Folgen sowie soziales und ökologisches Engagement sind Teile eines Nachhaltigkeitskonzepts. Für die Arztpraxis ist das nachhaltige Personalmanagement wichtig.

Nachhaltiges Personalmanagement

Der Begriff steht für ein Personalmanagement, das seine Handlungen, Konzepte und Strategien an langfristigem, wirtschaftlichem Erfolg und an allen betroffenen Stakeholdern (Interessengruppen) ausrichtet. Es spricht dabei sowohl die Funktion der Personalführung als auch die der Personalverwaltung an. [6]

Nachhaltiges Personalmanagement gewinnt in Zeiten des Fachkräftemangels immer mehr an Bedeutung, somit auch für die Arztpraxis, egal in welcher Geschäftsform diese geführt wird. Geht es doch darum, sich als Arbeitgeber interessant zu machen und damit Fachkräfte zu werben und über eine entsprechende Personalentwicklung und Personalführung diese zu halten.

Merkmale des nachhaltigen Personalmanagements

  1. Personalplanung: der künftige Personalbedarf wird bezüglich der strategischen Unternehmensentwicklung und der Unternehmensziele auf höchster Entscheidungsebene im Unternehmen nach Möglichkeit langfristig ermittelt und geplant. Es geht um die kollektive wie individuelle Personalplanung, bei der eine Laufbahnplanung horizontal wie vertikal erfolgen kann.
  2. Bei der Personalentwicklung setzt man hier auf eine langfristige Strategie, um Qualifikationen und Kompetenzen der Mitarbeitenden zu erhalten und zu verbessern. Wichtig ist eine kontinuierliche Situations- und Bedarfsanalyse.
  3. Eine integrative Kommunikation umfasst interne wie externe Interessengruppen, Einzelpersonen, Einheiten und Abteilungen sowie Organisationen und dient der Information, Vernetzung und Werbung.
  4. Bei der Personalbeschaffung der für das Unternehmen erforderlichen Mitarbeitenden geht es um den Aufbau und die Aufrechterhaltung erfolgreicher und kostengünstiger Wege und Plattformen zur Personalbeschaffung, wie z. B. eine eigene interne wie externe Karriereseite, die Einstellung neuer Mitarbeiter schon als Praktikant oder Werkstudentin, Famulus/Famula, PJ-Student/in. Eine Aufwandsentschädigung oder ein kleines Gehalt können Wunder bewirken. Auf studentischen (Internet-)Foren wird dies verteilt und beworben.
  5. Der Personaleinsatz und die Personalorganisation sollten bei einer nachhaltigen Planung integrativ verbunden sein. So geht es um Nachfolgeregelungen, die gezielte Weitergabe von Wissen sichern und ein schrittweise vorgenommenes Ausscheiden aus dem Arbeitsleben ermöglichen. Neue Mitarbeiter/Innen sind kontrolliert und gut einzuarbeiten und einzugewöhnen. Die Work-Life-Balance gewinnt hier immer mehr an Bedeutung und sollte mit eingeplant werden.

Die Ziele sind ein nachhaltiges Personalmanagement, um den Erfolg eines Unternehmens langfristig zu sichern. Dabei geht es um hohe Mitarbeiterzufriedenheit für motivierte, gesunde, innovative und produktive Mitarbeitende, Attraktivität des Arbeitsgebers am Bewerbermarkt zur Anwerbung der besten passenden Kandidaten, eine Führungskultur, die das Arbeitsklima optimiert und alle Kräfte auf die Unternehmensziele bündelt. Die Generation Z wünscht flache Hierarchien, geregelte Arbeitszeiten, klar definierte Strukturen und beim ärztlichen Nachwuchs eine strukturierte Facharztweiterbildung, z. B. ein Log-Buch. Ein solches bietet der BDC an [7].

Nachhaltigkeit lässt sich ohne die Sensibilisierung und Schulung der Kollegen und Kolleginnen, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht erreichen. Somit sind Schulung und ein regelmäßiger Austausch z. B. im Rahmen von Teambesprechungen sinnvoll. Je nach Größe der Einrichtung und der Tatsache, in welches Konstrukt die Arztpraxis, MVZ, BAG eingebettet ist, ist eine professionelle Beratung zielführend und kann erhebliche Nachhaltigkeitspotenziale und Einsparungen heben.

Abb. 3: Logbücher des BDC

Literatur

[1]   www.duden.de/rechtschreibung/Nachhaltigkeit

[2]   https://de.wikipedia.org/wiki/Nachhaltigkeit

[3]   www.verbraucherzentrale.de/wissen/energie/heizen-und-warmwasser/heizkosten-sparen-thermostat-richtig-einstellen-und-wechseln-7940

[4]   www.br.de/radio/bayern1/inhalt/experten-tipps/umweltkommissar/geschirr-spuelmaschine-umwelt-100.html

[5]   www.aerzte.de/aerzteratgeber/die-nachhaltige-arztpraxis

[6]   www.wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/nachhaltiges-personalmanagement-53887/version-276949

[7]   www.bdc.de/logbuecher-fuer-alle-facharztsaeulen/

Farghal D: Nachhaltigkeit in der Arztpraxis. Passion Chirurgie. 2023 März; 13 (03): Artikel 03_02.

Artzpraxis Tipp: Praxen erhalten höhere Zuschläge für rasche Terminvergabe

Erweiterter Bewertungsausschuss beschließt Details

Zum 1. Januar 2023 entfällt die bisherige Neupatientenregelung. Die massiven Proteste der Ärzteschaft, der KVen und der Berufsverbände, u. a. auch des Berufsverbands der Deutschen Chirurgie e.V. (BDC), haben immerhin zu einer gewissen Ausgleichslösung geführt. Diese trat ebenfalls am 1. Januar 2023 in Kraft.

Wir möchten unsere Kolleginnen und Kollegen informieren und ihnen eine Handlungsempfehlung an die Hand geben, um zumindest einen Teil unserer Patienten weiterhin extrabudgetär behandeln zu können.

Der Wegfall der Neupatientenregelung trifft vor allem die Fachgruppe Chirurgie hart, weil dort bisher etwa die Hälfte der Patienten neu waren und dies bei vielen Praxen quasi eine komplett extrabudgetäre Vergütung (Auszahlungsquote => 100 Prozent) zur Folge hatte. Die jetzt im erweiterten Bewertungsausschuss (EBA) im Detail beschlossene Nachfolgeregelung wird die Verluste durch den Wegfall der Neupatienten voraussichtlich nicht komplett kompensieren, zumindest aber abmildern können.

Der EBA hat am 14.12.2022 folgende Details zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben beschlossen:

  1. Fälle in der offenen Sprechstunde
  2. Terminservicestellenfälle
  3. Hausarztvermittlungsfälle

Zu 1. Bei der offenen Sprechstunde ändert sich zunächst nichts. Wir sind weiterhin verpflichtet, fünf Stunden in der Woche als offene Sprechstunden anzubieten. Diese Fälle werden weiterhin extrabudgetär vergütet. Damit es nicht zu einer unkontrollierten Ausweitung dieser Fälle kommt, werden maximal 17,5 Prozent der Arztgruppenfälle einer Arztpraxis des aktuellen Quartals im Sinne der offenen Sprechstunde extrabudgetär vergütet. Darüber hinaus gehende Fälle unterliegen dem Regelleistungsvolumen (RLV bzw. QZV). Somit ist es empfehlenswert, vor allem Fälle mit hohem Abrechnungsvolumen, also solche mit zusätzlichen kostenintensiven Leistungen wie Röntgen, Cast, Wundversorgung, in der offenen Sprechstunde zu behandeln und zu markieren. Fälle, bei denen nur die Grundpauschale und die Zuschläge zur Sicherung der Grundversorgung wie 07220 und 07222 abgerechnet werden, eignen sich nicht für die offene Sprechstunde, zumal die GOP 07220 und 07222 per se extrabudgetär sind.

Zu 2. Beim Terminservicestellenfall (TSV-Fall) gibt es ab 2023 einen zusätzlichen Dringlichkeitszuschlag. Weiterhin ist eine Überweisung des Hausarztes oder Kinderarztes mit Angabe einer TAN erforderlich. Um als Facharztpraxis TSV-Fälle behandeln zu können, müssen freie Termine online an die Vermittlungsstelle gemeldet werden. Das Verfahren ist von KV zu KV unterschiedlich organisiert. Die TAN muss dann bei der Anlage des Abrechnungsscheins im PVS angegeben werden. Dies ist zur Plausibilisierung des TSV-Falls notwendig. Auch dieser TSV-Arztgruppenfall wird extrabudgetär vergütet.

Extrabudgetäre Vergütung plus Zuschlag: Diese Regelungen wurden aufgrund der massiven Proteste der Ärzteschaft im letzten Moment in die Gesetzgebung aufgenommen und sollen zumindest teilweise die Verluste durch den Wegfall der Neupatientenregelung kompensieren.

Es werden alle Leistungen der Arztgruppe im Quartal bei einem Versicherten (Arztgruppenfall) in voller Höhe extrabudgetär vergütet. Zusätzlich wird ein extrabudgetärer Zuschlag auf die Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschale (GP) in folgender Höhe gewährt:

  • Termin spätestens am Folgetag (Akutfall)*: 200 Prozent auf die GP
  • Termin spätestens am 4. Tag: 100 Prozent auf die GP
  • Termin spätestens am 14. Tag: 80 Prozent auf die GP
  • Termin spätestens am 35. Tag: 40 Prozent auf die GP

*Der Zuschlag von 200 Prozent wird nur gewährt, wenn der Patient die 116 117 kontaktiert hat und die dortige medizinische Ersteinschätzung die Dringlichkeit der Behandlung bestätigt hat.

Zu 3. Interessant sind die neuen Regelungen vor allem in Bezug auf den Hausarztvermittlungsfall. Auch hier ist jeweils eine Überweisung des Hausarztes oder Kinderarztes notwendig. Eine TAN muss aber nicht angegeben werden. Die Hausarztpraxis muss mit der Facharztpraxis direkt Kontakt aufnehmen und dies unter Angabe der Betriebsstätten-Nummer (BSNR) der Facharztpraxis dokumentieren. Hierzu empfiehlt es sich, unter Wahrung des Datenschutzes den hausärztlichen Kollegen/Innen eine besondere Telefonnummer, E-Mail oder Faxnummer anzubieten und die BSNR der eigenen Praxis schriftlich mitzuteilen. Für eine erfolgreiche Vermittlung erhält die vermittelnde Praxis eine Pauschale von 15,05 € unter Angabe der GOP 03008 (Hausarzt) / 04008 (Kinderarzt).

Neu ist, dass zur Erreichung dieser Pauschale nicht mehr nur die 4-Tage-Frist gilt, sondern dies bis zum 35. Tag möglich ist. Diese Arztgruppenfälle werden ebenfalls extrabudgetär vergütet. Die bisherige Plausibilitätsgrenze von 15 Prozent der Hausarztfälle soll bis zum 31.3.2023 neu verhandelt werden. Allerdings wurde eine erhebliche Eingrenzung durch die weiter unten erläuterte Definition der Dringlichkeit beschlossen.

  • Termin spätestens am 4. Tag: 100 Prozent Aufschlag auf die GP
  • Termin spätestens am 14. Tag: 80 Prozent Aufschlag auf die GP
  • Termin spätestens am 35. Tag: 40 Prozent Aufschlag auf die GP

Zu schön, um wahr zu sein

Leider werden die Chancen auf zahlreiche extrabudgetäre Fälle durch folgende Regelungen auch gleich wieder eingeschränkt:

Definition der Dringlichkeit

Im Gesetz und in den EBA-Regelungen sind die oben genannten Möglichkeiten leider gleich wieder eingeschränkt worden. Bis zum vierten Tag nach Feststellung der Dringlichkeit durch den überweisenden Arzt ist alles ziemlich unproblematisch. Die fachärztliche Behandlung muss spätestens am vierten Kalendertag (cave: bei Überweisung am Freitag am nachfolgenden Dienstag) nach Feststellung der Behandlungsnotwendigkeit durch den Hausarzt erfolgen.

In den sich anschließenden Zeitintervallen bis zum 35. Kalendertag setzt die Anerkennung der GOP 03008 / 04008 und der extrabudgetären Vergütung voraus, dass eine Terminvermittlung durch die Terminservicestelle oder eine eigenständige Terminvereinbarung durch den Patienten oder einer Bezugsperson aufgrund der medizinischen Besonderheit des Einzelfalls nicht angemessen oder nicht zumutbar war. Ab dem 24. Kalendertag wird zur Abrechnung der 03008 / 04008 sogar die Angabe einer medizinischen Begründung gefordert.

Dies dürfte die Praktikabilität erheblich einschränken und im Übrigen aufgrund der unscharfen Definition Streitgegenstand werden und einen erheblichen Prüfungsaufwand der Kassenärztlichen Vereinigungen zur Folge haben.

 Unsere Empfehlung: Um dies zu umgehen, sollte sich der Fokus der Chirurginnen und Chirurgen auf die Realisierung der dringlichen Hausarztüberweisung innerhalb der 4-Tage-Frist richten.

Praktische Umsetzung

Für die Abrechnung des Aufschlags auf die Grundpauschale für die rasche Terminvergabe wurden neue Ziffern (Gebührenordnungspositionen/GOP) in den EBM eingeführt. Diese lauten

  • 07228 wenn im Kapitel 7 (Chirurgie) abgerechnet wird und
  • 18228 wenn im Kapitel 18 (Orthopädie) abgerechnet wird.

Zusätzlich muss gemäß folgender Systematik einer der Buchstaben A bis D angegeben werden:

  • A (200 Prozent) – gilt nur für den TSS-Akutfall (über die 116 117)
  • B (100 Prozent) – Termin spätestens am 4. Tag
  • C (80 Prozent) – Termin spätestens am 14. Tag
  • D (40 Prozent) – Termin spätestens am 35. Tag

Gemäß unserer Empfehlung, vor allem den Hausarztvermittlungsfall innerhalb von vier Tagen anzustreben, wäre der Honoraraufschlag durch Angabe der GOP 07228B bzw. 18228B abzurechnen.

Darüber hinaus müssen diese Fälle auch weiterhin gekennzeichnet werden, um die extrabudgetäre Abrechnung zu gewährleisten. Das wird in der Regel durch die Praxisverwaltungssysteme (PVS) im Hintergrund erledigt. Dazu wird der Hausarztvermittlungsfall in der Maske des Überweisungsscheines gekennzeichnet.

Es kann sein, dass bei Ihnen – KV-spezifisch – abweichende GOP oder abweichende Verfahren vorgeschrieben werden. Bitte informieren Sie sich dazu bei Ihrem Software-Haus und bei der zuständigen kassenärztlichen Vereinigung.

Begrenzung auf den Arztgruppenfall im Quartal

Wichtig für BAG und MVZ: Patienten, die in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) oder einem MVZ von mehreren Ärzten derselben Fachgruppe behandelt werden, lösen je Quartal nur einen Arztgruppenfall aus. Bei Einzelpraxen sowie fachgleichen BAG und MVZ entspricht der Arztgruppenfall dem Behandlungsfall.

Für TSS-Terminfälle, TSS-Akutfälle und Hausarztvermittlungsfälle ist der Zuschlag im Arztgruppenfall insgesamt nur einmal berechnungsfähig. Es wird zusätzlich geregelt, dass dies auch dann gilt, wenn in demselben Quartal eine erneute Behandlung desselben Versicherten aufgrund einer erneuten Terminvermittlung durch den Hausarzt oder durch die TSS (TSS-Terminfall und/oder TSS-Akutfall) erfolgt. Sind allerdings in einer BAG oder einem MVZ mehrere Arztgruppen tätig, ist es theoretisch möglich, dass in einem Behandlungsfall mehrfach der Zuschlag für die dringliche Behandlung angesetzt wird.

Allerdings ist der Zuschlag auch dann nicht berechnungsfähig, wenn der vermittelte Patient in der an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Arztgruppe derselben Praxis in demselben Quartal bereits behandelt wurde.

Insgesamt bedeuten die neuen Regelungen wieder einmal einen massiven Zuwachs an Bürokratie, den man kaum noch vermitteln und damit schon gar nicht junge Kolleginnen und Kollegen für die vertragsärztliche Tätigkeit begeistern kann.

 Unsere Empfehlung: Alle niedergelassenen BDC-Mitglieder sollten sich dringend mit diesen neuen Chancen für extrabudgetäre Erlöse beschäftigen und sich konkret und am besten mit einer schriftlichen „Segelanweisung“ mit ihren zuweisenden Haus- und Kinderärzten abstimmen.

Sollten noch Unklarheiten bezüglich der konkreten Ausführungsbestimmungen in Ihrer KV bestehen, wenden Sie sich bitte an Ihre BDC-Regionalvertreter.

Farghal D, Kalbe P, Schmitz R: Praxen erhalten höhere Zuschläge für rasche Terminvergabe. Passion Chirurgie. 2023 Januar/Februar; 13(01/02): Artikel 04_04.

EDV, Apps, IT… in der Arztpraxis

Ein entscheidender Baustein in der Niederlassung ist eine hoch effiziente und leistungsfähige IT und EDV. Allein das derzeit letzte Digitalisierungsgesetz, das Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG), bringt eine Fülle von digitalen Neuerungen in das Gesundheitswesen und damit auch in die Arztpraxis, denen Sie sich in der Niederlassung nicht entziehen können.

Gehen wir mal davon aus Sie haben sich eigentlich schon für eine Niederlassung entschieden, sind sich aber noch nicht sicher und möchten nun wissen, was da kostenmäßig und organisatorisch auf Sie zukommt, dann sind IT, EDV, Apps und Digitalisierung ein sehr wichtiger Teil. Mit Einführung des E-Health-Gesetzes, welches am 29. Dezember 2015 in Kraft getreten ist, soll die Einführung einer digitalen Informations- und Kommunikationsstruktur im Gesundheitswesen vorangetrieben werden.

Diese unvollständige Auflistung der wichtigsten Neuerungen in Tabelle 1 macht klar, ohne IT und EDV geht nichts mehr. Weiteres wird mit Sicherheit folgen! Also müssen wir uns zunächst mit dem passenden Praxisverwaltungssystem (PVS) befassen. Dieses Programm ist das digitale Fundament Ihrer Praxis. Ohne dieses läuft gar nichts. Also brauchen wir eine Software, welche zukunftsfähig ist, d. h. alle Tools, PC, Tablet, Smartphone unterstützt, an die ich alle möglichen Geräte wie Röntgen, Sonographie, EKG, EEG, Labor, OP und auch Großgeräte wie MRT und CT anbinden kann, die mir in der Zukunft die Sektorengrenzen überbrückt und über eine HL7/FHIR-Schnittstelle auch mit einem Krankenhausinformationssystem (KIS) kommunizieren kann. Wir sprechen hier von der Interoperabilität der Systeme. Ihr PVS-System muss zudem verschiedene Fachdisziplinen bedienen können, das macht diese auch in MVZs oder Berufsausübungsgemeinschaften (BAGs) nutzbar. Die PVS muss von der KBV zertifiziert sein. Eine aktuelle Liste der zertifizierten PVS-Systeme finden Sie auf der Homepage der KBV.

Tabelle 1: Einführung digitaler Informations- und Kommunikationsstrukturen [1] [2]

1.4.2017

Vergütung von Telekonsilen bei Röntgenuntersuchungen

1.4.2017

Finanzielle Förderung von Videosprechstunden

1.1.2018

Medikationsplan in elektronischer Form

1.7.2018

Online-Datenabgleich und Prüfung der Versichertenstammdaten verpflichtet

1.7.2020

Elektronischer Arztbrief (eArztbrief)

1.7.2021

Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) in den Praxen

1.1.2022

Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) in den Krankenhäusern

Die Auswahl der PVS bedingt gleichzeitig die Auswahl eines geeigneten IT-Server und der geeigneten Hardware. Welcher PC, welches Tablet, welcher Server, welcher Drucker etc. und wie organisiere ich jetzt die notwendige Telematikinfrastruktur. Die Implementierung der Telematikinfrastruktur ist sehr kompliziert und bedarf der Fachberatung. Sie benötigen den Heilberufe Ausweis (HBA2) neuster Generation, noch benötigen Sie einen Konnektor, Kartenleseterminals der neusten Generation und SMC-B (Security Module Card Typ B) auch Praxisausweis genannt. Einen guten Überblick finden Sie bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg. Sie haben Ihr PVS ausgesucht, die Telematik ist implementiert? Haben Sie auch an die weiteren Softwarekomponenten gedacht? Sie benötigen weitere Programme, um Ihr digitales Röntgen zu betreiben, Dokumente und Bilder zu speichern und Sie müssen eine KIM-Dienst (Kommunikation im Medizinwesen) aussuchen, um mit den verschiedenen Playern des Gesundheitswesens elektronisch kommunizieren zu können bzw. zu dürfen.

Bitte denken Sie auch an die IT-Sicherheit. Seit dem 01.04.2021 ist die gültige IT-Sicherheitsrichtlinie § 75b SGB 5 zur Sicherung von Praxis- und Patientendaten in Kraft. Hier werden hohe Sicherheitsstandards angelegt. Genaue Informationen finden Sie bei der KBV. Für die Einhaltung der Richtlinie sind Sie als Praxisbetreiber verantwortlich und Sie haften auch. Weiteres ist auch in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geregelt. Zunehmend geraten auch Gesundheitseinrichtungen und damit auch Arztpraxen in das Visier des Cybercrime. Was eine erfolgreiche Cyberattacke für eine Praxis bedeuten kann verdeutlicht dieses Schaubild. Aber auch Ihr IT-Haus muss in der Zukunft gemäß der Sicherheitsrichtlinie SGB 5 § 75b von der KBV zertifiziert sein.

Sie haben diese Hürden genommen, jetzt wissen Sie was Sie brauchen und wollen. Und die Kosten? Billig wird das nicht. Für eine chirurgische/orthopädische Einzelpraxis dürfen Sie für die Erstinstallation einer IT/EDV mit Hardware einen mittleren bis höheren fünfstelligen Betrag einplanen. Hinzukommen diverse monatliche Lizenzgebühren, sowie Personalqualifizierungsmaßnahmen. Sie benötigen eine Cyberversicherung, eine Technik-/IT-/EDV-Versicherung und eine Praxisausfallversicherung. Jede einzelne Versicherung schlägt mit 2.000 bis 3.000 Euro im Jahr zu buche.

Abb.1: Kostenpositionen bei einem IT-Ausfall/-Schaden

Quelle: Dahl A: Cyberrisiken – Wie groß ist die Bedrohung und welche Absicherungskonzepte gibt es? Passion Chirurgie. 2018 September, 8(09): Artikel 04_04. https://www.bdc.de/cyberrisiken-wie-gross-ist-die-bedrohung-und-welche-absicherungskonzepte-gibt-es/

Anlässlich eines Vortrages beim Kongress der Deutschen Chirurgie in Berlin 2017 hatte ich die Kosten zusammengerechnet und kam für eine chirurgisch-orthopädische Einzelpraxis mit D-Arztzulassung und eigenem OP, auf einen jährlichen Betrag mit Tilgungsraten für IT/EDV, Lizenzgebühren, Versicherungen und monatliche Servicepauschalen an das IT-Haus, auf fast 25.000 Euro. In einer BAG oder einem MVZ verteilen sich die Kosten auf mehrere Schultern und relativieren sich dann. Zur Umsetzung der DSGVO mussten Praxen 2018 im Schnitt insgesamt 2.487 Euro für Maßnahmen aufwenden. 2019 sind diese Aufwendungen um rund 18 Prozent auf 2.932 Euro gestiegen. Insgesamt schlugen die Kosten für IT in allen Praxisformen 2019 mit rund 6.000 Euro pro Jahr für Facharztpraxen mit rund 7.000 Euro pro Jahr zu Buche. Die Steigerung betrug 60 Prozent gegenüber 2017. Für das Terminmanagement sind den Praxen – vor allem mit den Regelungen des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) seit Mai 2019 – Aufwendungen von 885 Euro entstanden. [3]

Die DSGVO fordert für größere Einrichtungen ab 20 Mitarbeiter mit Zugang zur IT, Datenschutzbeauftragte. Für Datenschutzbeauftragte sind Aufwendungen von im Durchschnitt EUR 1.591 für externe Datenschutzbeauftragte oder Fort- und Weiterbildungen der internen Datenschutzbeauftragten angefallen. Die Aufwendungen betrafen Haus- und Facharztpraxen mit ca. 1.806 Euro. [3]   Weitere Kosten werden im Rahmen weiterer Digitalisierungsprozesse und Gesetze folgen.

Zusammenfassend ist dies für eine chirurgische Einzelpraxis nur noch sehr schwer zu leisten. Wenn Sie immer noch mit dem Gedanken spielen sich niederlassen zu wollen, dann ist die BAG oder das MVZ zu empfehlen, da die IT-/EDV-Kosten nicht die einzigen Kosten sind. Hinzu kommen stark steigende Personalkosten von ca. 18 Prozent in den letzten drei Jahren, steigende Hygienekosten und steigende Sach- und Materialkosten usw.. Die Ertragssteigerungen in der GKV von Seiten der KV decken nicht mal mehr die Inflationsrate, das Gezerre um eine GOÄ und die ewige, immer enger werdende Diskussion um eine Bürgerversicherung sind auch nicht gerade motivierend. Aber Niederlassung bedeutet ja nicht gleich Selbständigkeit!

Literatur

[1]   www.bundesgesundheitsministerium.de/e-health-initiative.html
[2]   www.kbv.de/html/e-health.php
[3]   Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) 2020

Farghal, D: EDV, Apps, IT… in der Arztpraxis. Passion Chirurgie. 2022 Januar/Februar; 12(01/02): Artikel 03_02.

BDC|Umfrage: Entwicklung der Versicherungsprämien für niedergelassene Chirurgen

ENTWICKLUNG DER VERSICHERUNGSPRÄMIEN FÜR NIEDERGELASSENE CHIRURGEN UND BELEGÄRZTE

Seit ca. zwei Jahren beobachten wir in der Arbeitsgemeinschaft der Beleg- und Kooperationsärzte (AG BeKo) und im Referat der niedergelassenen Chirurgen des BDC einen Anstieg der Haftpflicht-Versicherungsprämien für niedergelassene Chirurgen und Belegärzte. Daher war es an der Zeit, dies mit einer Umfrage zu überprüfen.

Abb. 1: Frage 2 der Umfrage „In welchem Fachgebiet sind Sie niedergelassen oder erbringen stationäre Krankenhausleistungen (Honorar-/Konsiliar-/Kooperationsarzt)?“ (n = 268)

Bereits zweimal hat sich die Arbeitsgemeinschaft der Beleg- und Kooperationsärzte (AG BeKo) mit dem Thema der steigenden Versicherungsprämien beschäftigt. Auch auf dem Bundeskongress für Chirurgie in Nürnberg 2019 wurde das Problem von uns thematisiert. Ende 2018 starteten wir zusammen mit unserem Kooperationspartner, der ECCLESIA, eine Umfrage zur Entwicklung der Versicherungsprämien für niedergelassene Chirurgen und Belegärzte.

Durch die Geschäftsstelle des BDC wurden alle niedergelassenen Chirurgen, Belegärzte und Kooperationsärzte, die im BDC Mitglied sind, per E-Mail gebeten, an der Umfrage teilzunehmen. 271 Antworten sind danach über die Online-Befragung eingegangen. Die Ergebnisse werden hier dargestellt und erläutert, wobei fehlende Prozent-Angaben durch Rundungsdifferenzen und teilweise fehlende Angaben begründet sind.

Vorweg: Die Einzelpraxis ist mitnichten am Ende, 40,7 % der Antwortenden geben an, in einer Einzelpraxis tätig zu sein, 58,2 % in einer Berufsausübungsgemeinschaft. 75,4 % sind im Krankenhaus in der Chirurgie tätig und nur 14,5 % in einer Orthopädie eingesetzt. In beiden Abteilungen arbeiten 10,1 % der Befragten. (Abb. 1) Von den mit einem Krankenhaus kooperierenden sind fast die Hälfte (49,4%) nur ambulant am Krankenhaus tätig. 19,5 % sind Belegärzte, 17,6 % haben einen Kooperationsvertrag, 15,7 % sind im Rahmen eines Kooperationsvertrages am Krankenhaus angestellt. 8,2 % haben sonstige Kooperationen mit einem Krankenhaus.

Belegärzte haben in der Mehrzahl (63,6 %) zwischen ein und fünf Belegbetten. Dies ist eine wichtige Grenze, da bei mehr als fünf Betten die Versicherungsprämien deutlich steigen. Immerhin 36,4 % der Belegärzte haben mehr als fünf Betten.

Abb. 2: Frage 10 der Umfrage „Wie sind Sie im Rahmen Ihrer Tätigkeit im Krankenhaus haftpflichtversichert?“ (n = 187)

Bei Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) arbeiten im Durchschnitt drei Ärzte auf zwei vollen Kassensitzen und durchschnittlich ist ein Arzt angestellt. Niedergelassene Chirurgen, welche an einem Krankenhaus arbeiten, sind in der Mehrzahl (56,7 %) über ihre eigene Haftpflichtversicherung abgesichert, 31,5 % über die Haftpflichtversicherung des Krankenhauses. (Abb. 2).

Die durchschnittliche Prämie für die Haftpflichtversicherung beträgt bei zusätzlicher Tätigkeit am Krankenhaus für eine Einzelpraxis 5.225 Euro und für eine Berufsausübungsgemeinschaft 10.207 Euro. Der durchschnittliche Beitrag für eine ambulante konservative Praxis beläuft sich auf 1.724 Euro und eine Praxis mit ambulanten Operationen zahlt im Durchschnitt 4.642 Euro im Jahr. Somit scheint das größte Risiko für die Versicherung die operative Tätigkeit zu sein und relativ gering die zusätzliche Arbeit am Krankenhaus. Dies mag daran liegen, dass die Krankenhaustätigkeit zumindest teilweise über deren Haftpflichtversicherung abgedeckt wird.

Mehr als 60 % nutzen einen Gruppenversicherungstarif, der meist deutlich günstiger ist als freie Verträge. 95 % der Verträge haben keine feste Laufzeit ohne Prämiensteigerung.

Abb. 3: Frage 17 der Umfrage „In welcher Tarif-Art sind Sie gegen Haftpflicht versichert (Stichtag 1.1.2018)?“ (n = 238)

Die Mehrzahl aller Chirurgen (62,6 %) hat eine Police für ambulante Tätigkeit mit ambulanten Operationen. Rund ein Drittel der niedergelassenen Chirurgen (31,1 %) sind für die ambulante und stationäre Leistungserbringung abgesichert. (Abb. 3) In allen Verträgen sind weitere Tätigkeiten wie Notarzt, Gutachten und/oder in begrenztem Umfang auch kleinere kosmetische Eingriffe mitversichert.

Zweidrittel der Befragten haben eine Summe von weniger als 5 Million Euro bis maximal 7,5 Millionen Euro abgesichert. Hier besteht ein dringender Beratungsbedarf, da somit viele Verträge eine massive Unterdeckung aufweisen. (Abb. 4)

Einen Versicherer zu finden, war für immerhin 20 % der BDC-Befragten ein Problem. Hier entwickelt sich ein ernstes Problem. Der BDC wird dies zusammen mit der ECCLESIA weiter beobachten. Hier kann möglicherweise im Einzelfall ein Gruppenversicherungsvertrag über den Berufsverband einen Ausweg darstellen. Bei 73 % der Versicherten ist es in den letzten fünf Jahren zu Prämiensteigerung gekommen. Interessant ist auch, dass die Mehrheit, rund 60 %, mindestens einmal seit 2013 mit einem Haftpflichtschaden konfrontiert war oder ist, aber nur 31 % von ihrer Versicherung informiert wurden, dass deswegen eine Rückstellung veranlasst wurde. Aber die Hälfte aller Chirurgen in der Niederlassung gibt an, dies an einer Prämiensteigerung bemerkt zu haben. Somit kann festgestellt werden, dass ein Haftpflichtschaden, zumindest die Meldung mit nachfolgender Bildung einer Rückstellung beim Versicherer, im Laufe des Berufslebens sehr wahrscheinlich ist und vermutlich zunehmen wird.

Dazu konnte der BDC in Kooperation mit seinem Versicherungs-Partner erreichen, dass Schadensmeldungen zunächst einer internen rechtlichen Bewertung durch die ECCLESIA unterzogen werden. Somit führt nicht jede Schadensmeldung automatisch zu einer Rückstellung durch den Versicherer und vermeidet unter Umständen Prämienanhebungen.

Zum Schluss der Umfrage konnten die Kolleginnen und Kollegen freie Kommentare einbringen. Dabei wurde mehrfach bestätigt, für wie wichtig das Engagement des BDC für einen bezahlbaren Gruppenvertrag erachtet wird. Immerhin sieben Kollegen geben Versicherungsprämien von mehr als 10.000 Euro an. Wir haben bei der Konzeption der Umfrage leider übersehen, dass derartig hohe Prämien vorkommen können, wenn eine große BAG insgesamt versichert ist oder bei operativen Spezialitäten. So haben zwei Chirurgen Versicherungsprämien von über 20.000 Euro und ein Kollege als plastischer Chirurg sogar 43.000 Euro. Es ist unbedingt erforderlich, dass die steigenden Haftpflichtprämien und damit die steigenden Praxiskosten bei den EBM-Bewertungen berücksichtigt werden.

Abb. 4: Frage 19 der Umfrage „Wie hoch ist die Versicherungssumme je Schadensereignis? In Mio. Euro“ (n = 222)

Wer sich zu diesem Thema weiter informieren und vielleicht mitdiskutieren möchte, sei herzlichst zum Gemeinsamen Bundeskongress Chirurgie im Februar 2020 in Nürnberg eingeladen. Dort wird dies Thema in der Sitzung der Arbeitsgemeinschaft Beleg- und Kooperationsärzte des BDC sein.

Insgesamt zeigt unsere Umfrage die Brisanz des Themas Berufshaftpflichtversicherung und dass sich niedergelassene Chirurgen mit dieser Thematik unbedingt auseinandersetzen müssen. Der BDC empfiehlt daher dringend, regelmäßig den Status der Berufshaftpflichtversicherung zu überprüfen. Dabei sollten aktuell vor allem folgende Aspekte überprüft werden:

  • Ist die Versicherungssumme noch ausreichend? (Es wird aktuell empfohlen, mindestens 7,5 Millionen € abzusichern)
  • Kann in Berufsausübungsgemeinschaften eine günstigere Versicherungsprämie durch einen Wechsel von Einzel-Verträgen auf einen Gesamtvertrag für die BAG erzielt werden?

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Farghal D, Kalbe P: BDC|Umfrageergebnisse: Entwicklung der Versicherungsprämien für niedergelassene Chirurgen und Belegärzte. Passion Chirurgie. 2019 September, 9(09): Artikel 04_03.

Highway to Health: Austausch über die Digitalisierung im Gesundheitswesen

Am 19.09.2019 konnte ich in Zürich als Redner an einem Meinungsaustausch der Detecon Consulting, einer Tochter der Deutschen Telekom, als Vertreter des BDC, teilnehmen.

„Highway to Health“ unter diesem Motto lud die Detecon Consulting, ein Tochterunternehmen der Deutschen Telekom, zu einem Meinungsaustausch von Experten zur Frage, ob die Digitalisierung als „Heilsbinger“ für die Probleme des Gesundheitswesens gesehen werden kann, ein.

Zunächst stellte Emanuel Eichler, Consultant der Detecon seine Sichtweise als Patient nach einer schweren Erkrankung vor und konnte zeigen, dass es in vielen Prozessen die Datenweitergabe und Organisation in deutschen Kliniken vorwiegend in Papierform und über das Telefon stattfindet: von der Fahrt im Notarztwagen über die Kommunikation mit der Leitstelle und Bettensuche, die Verlegung in die Spezialklinik, bei der Diagnostik und Terminvereinbarung bis hin zur Therapie und in der Nachsorge. Dies bedeutet viel Zeit-, Reibungs- und Datenverlust. Als Consultant war es für ihn einfacher die Problematik zu erkennen und auch zu benennen.

Prof. David Matusiewicz, Professor für Medizinmanagement an der FOM Hochschule, referierte über die unglaubliche Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten der Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz, die Möglichkeiten und Chancen von Big Data, der Robotik und der Virtual Reality.  Als Highlight wurde ein virtuelles Krankenhaus, welches in Zusammenarbeit mit der Universität Essen und der Firma Doob entwickelt wird, vorgeführt.

Über VR, Mixed-VR und Augmented-VR lassen sich sogar Geräte in der Realität aus mehreren tausend Kilometern Entfernung, in Echtzeit, auch medizinische Geräte, durch einen Avatar am echten Patienten steuern. Dies könnte eine Einsatzmöglichkeit eines solchen Krankenhauses in der Virtual Reality sein.

Als Vertreter des BDC und Leiter der Arbeitsgemeinschaft der Beleg- und Kooperationsärzte war ich eingeladen zur Sichtweise der Ärzte und den derzeitigen Problemen bei der Telematik, IT und KI zu referieren. Zur Zeit ist die fehlende Interoperabilität der verschiedenen IT-Systeme, also die Tatsache, dass die verschiedenen zurzeit eingesetzten Computerprogramme in den Arztpraxen, Kliniken, Apotheken, Krankenkassen usw. nicht in der Lage sind, miteinander zu „sprechen“ und so fast alle Prozesse händisch erfolgen müssen. Die Netzabdeckung in der Bundesrepublik Deutschland, aber auch in der Schweiz, ist für eine richtige Nutzung der Telematik und IT in der Medizin unzureichend. Ein Fakt der von allen Referenten und Referentinnen angemahnt wurde. Die Vertreter der Telekom wollen dieses Problem vermehrt in den Fokus nehmen. Aus meiner Sicht kann die Digitalisierung in der Medizin zu einer Entspannung bei der angespannten Personalsituation führen und zudem den Kostendruck (ca. 60 Prozent der Kosten entfallen in den Kliniken und Praxen auf das Personal) führen. Die Anbindung der einzelnen Player im Gesundheitswesen muss dringend besser werden und wir werden nicht umhin kommen, den Wusch der jüngeren Pateintengeneration möglichst viel über eine App zu lösen, Rechnung zu tragen.

Frau Dr. Simone Kansy, Projektleiterin Digitale Marktentwicklung der Sanitas Krankenversicherung stellte uns die derzeitigen IT-Plattformen und Apps vor, mit denen Patienten mit ihrer Krankenkasse kommunizieren können, aber auch erste Projekte für Therapie-Apps.

Fr. Dr. Babara Flügge, Managing Director von Digital Value Creators konnte uns Zusammenhänge zwischen Vertrauen und Empfehlung auch über das Internet zeigen und wie wir hierfür bereitwillig viele persönliche Daten ins Netz stellen und die Portale hiermit arbeiten und auch viel Geld verdienen in dem sie diese Daten weiter verkaufen.

Zusammenfassend war es ein spannendes Treffen. Faszinierend und zugleich irgendwie beängstigend, aber auch neugierig machend, was da noch kommen wird. Wir alle werden nicht umhin kommen, uns mehr und mehr mit dem Thema IT, KI, VR  usw. zu beschäftigen. Wir werden und sollten es nicht verhindern, aber wir müssen diese Prozesse aktiv mitgestallten.

Und auch das geht: Einzelpraxis und Belegarzt

Es gibt sie noch, die einzelärztliche chirurgische Praxis, aber es wird immer schwerer sich als einzelner Arzt zu halten. Ich bin seit elf Jahren als Einzelarzt in einer chirurgischen Praxis in Schweinfurt (Unterfranken) niedergelassen und habe trotz erheblicher Konkurrenz ein gutes Auskommen.

Wie geht das?

Zunächst war und ist weiterhin eine solide Markt- und Umfeldrecherche unabdingbar. So habe ich zwar meine Praxis in einer Stadt mit einer chirurgischen Überversorgung von mehr als 200 % im Jahr 2008 übernommen. Aber die Stadt umfasst 53.450 Einwohner – mit direkt umgebenden Gemeinden 106.500 Einwohner – und einem Einzugsgebiet von ca. 600.000 Einwohnern im Umland. Somit relativiert sich eine 200 % Überversorgung deutlich und kann bald eine Unterversorgung bedeuten. Zudem sitzt meine Praxis mitten zwischen großen Automobilzulieferern mit 52.900 Arbeitsplätzen und damit mit einem sehr großen Potenzial an BG-Fällen. Zudem ist meine Praxis die einzige Facharztpraxis im bevölkerungsreichsten Stadtteil mit 11.200 Einwohnern.

Abb 1: Was machen ich und mein Team?

In meinem Einzugsgebiet gibt es zwölf Krankenhäuser, von der Universitätsklinik bis zum kleinen Belegkrankenhaus ist hier alles vertrete. Zudem gibt es mindesten elf größere chirurgisch/orthopädisch/unfallchirugische Facharztzentren mit mindestens vier Ärzten. Hier überlebt man nur mit besonderer Expertise und einem sehr wirtschaftlichen Management.

Unsere Expertise ist die breite Aufstellung und ein großes Feld der stationären Behandlungsmöglichkeiten, die nach außen immer noch als ein besonderes Qualitätsmerkmal (das Krankenhaus) gesehen werden. Ein striktes Personal- und Wirtschaftsmanagement ist ebenso notwendig. Die Personalstruktur ist gestrafft, wobei auf eine sehr gute Personalentwicklung und Weiterbildung geachtet werden muss. Eine chirurgische Praxis mit Schwerpunkt auf Operationen muss OP-Kräfte, Sterilgutassistentinnen, Röntgenpersonal, QM, Praxismanagement und betriebswirtschaftliche Kompetenz vorhalten. All diese Qualifikationen müssen erworben und bezahlt werden und sich natürlich auch im Gehalt niederlegen. Somit ist das Personal der größte Kostenblock. Ich darf dankbar sein, dass dies alles von meiner Ehefrau, die BWL studiert hat, wahrgenommen wird. Sie übernimmt auch die gesamte Geschäftsführung und damit den größten Teil der Verwaltung.

Somit kann ich mich als einziger Arzt voll auf die Medizin konzentrieren, was es natürlich ermöglicht deutlich mehr Patienten zu versorgen und dies an drei Standorten: in der Praxis, im Belegkrankenhaus und in der Kooperationsklinik. Ohne diese effektive Arbeitsteilung wäre dies unmöglich.

Abb 2: Wer sind wir?

So haben wir in zehn Jahren 69.200 Patienten behandelt. Und dies bei nur einem Arzt! Also pro Jahr 6.920 Patienten! Die Krankenhausambulanz möchte ich sehen, bei der ein Arzt so viele Patienten im Jahr behandelt. Und diese Zahlen geben nur die Erstkontakte (oder Scheine) wieder und nicht die tatsächliche Anzahl der Kontakte, welche in der Realität noch viel höher liegt. Ich behaupte, so effektiv ist keine Krankenhausambulanz, gerechnet auf den einzelnen Arzt.

ABER JETZT ARBEITE ICH FÜR MICH UND DAMIT FÜR MEIN KONTO.

Mit einer 38,5 Stundenwoche ist dies nicht zu leisten, als D-Arzt muss ich 50 Stunden in der Woche präsent sein. Dazu kommen noch einige Stunden Administration in der Woche und die Dienste im Belegkrankenhaus und die KV-Dienste. Leider auch an Wochenenden, Feiertagen und in der Nacht. Also verabschieden wir uns mal davon, dass die chirurgische Niederlassung „chillig“ ist. In der Arbeitsbelastung unterscheidet sich das nicht von der Arbeit im Krankenhaus! Aber jetzt arbeite ich für mich und damit für mein Konto. Eine nicht zu unterschätzende Motivation oder warum sollte man sonst Unternehmer werden? Ich habe damit allerdings auch das Risiko des Unternehmers und damit die Sorgen. Keine Lohnfortzahlungen, wenn ich ausfalle oder die Technik oder sonstige Ausfälle die Praxis lahmlegen, dann verdiene ich nichts mehr, die Kosten laufen aber weiter.

Abb. 3: Was kommt noch dazu?

Somit zu einem wichtigen Teil der Niederlassung: der Versicherungen! Ich muss unbedingt dafür sorgen, dass meine Familie, mein Betrieb und ich ausreichend versichert sind. Neben Kranken-, Renten- und BG-Versicherung gehören hierzu Lebensversicherung, Rechtschutzversicherung und natürlich die Haftpflichtversicherung, die mittlerweile für einen Belegarzt ca. 10.000 Euro ausmacht und damit bei mir noch recht günstig ist. Tipp von mir: Gruppenversicherung des Berufsverbandes nutzen. Dazu kommen Betriebsausfallversicherung, Elektronikversicherung, Berufsunfähigkeit und nicht zu vergessen, die KFZ-Versicherung.

Niederlassung bedeutet aber auch Betriebsführung. Die Abbildungen 3 und 4 geben einen kleinen und unvollständigen Einblick in das, was noch zur Niederlassung gehört. Die zunehmende Bürokratie setzt zu, die gesetzlichen und behördlichen Anforderungen sind in den letzten Jahren massiv gestiegen. Hier sehe ich die eigentliche Gefahr für die Niederlassung, denn das ist in der Einzelarztpraxis bald nicht mehr zu stemmen. Neu ist die jetzt verschärfte DSGVO und nun kommt noch das Terminservice & Versorgungsgesetz (TSVG) hinzu. Das TSVG hat besondere Sprengkraft. Es sind nicht die 25 Stunden in der Woche, für uns Chirurgen geschenkt, es ist der drohende massive Eingriff in die Freiberuflichkeit und damit direkt in die Betriebsführung.

Abb. 4: Was noch?

Ich muss mich um die Abrechnung, GKV, BG und GOÄ kümmern, das QM liegt in letzter Verantwortung bei mir. Ich muss mich um die entsprechenden KV-Zulassungen und damit um die Qualitätsanforderungen kümmern. Die EDV muss auch dem neusten Stand sein, Dale-UT, KV-Safenet und Telematik seien hier genannt. Hierdurch lassen sich aber auch Effizienzreserven nutzen. Begehungen von Behörden, Gewerbeaufsicht, Gesundheitsamt ggf. BG müssen begleitet werden. Arbeitsschutz, Hygieneschulung, Strahlenschutzbelehrungen, Med GV etc. gehören auch dazu.

Die Betriebsführung mit Buchhaltung, Gehältern, Steuern, Bilanzen, Finanzierungen müssen erledigt werden. Genauso wie die Personalentwicklung und Personalqualifizierung heute selbstverständlich sind. Unsere große Flexibilität kann sich für die Personalgewinnung auch als Vorteil zeigen. Die Gewinnung von entsprechend qualifiziertem Personal ist aber auch bei uns ein zunehmendes Problem.

Abb. 5: Und das auch noch

Auch wenn es Arbeit macht, seinen Betrieb selbst planen und organisieren zu können ist eine nicht zu unterschätzende Freiheit. Und dies empfinde ich als sehr befriedigend. Ich bin der „Boss“, ich kann das machen was mir Spaß macht und was ich kann. Kann auch mal kurzfristig frei nehmen, meinen Urlaub nach meinem Gusto planen. Ich statte meine Praxis so aus, wie ich es will und so ich es auch bezahlen kann. Ich bin mit meinem Team meine eigene Marke, mit eigener Corporate Identity.

Alles was ich in der Praxis verwende muss angeschafft und gewartet ggf. validiert werden. Je mehr ich anbiete, umso mehr Arbeit macht das, aber umso mehr kann ich erwirtschaften. Dies soll gut abgewogen werden. Aber eine breite Aufstellung macht mich weniger anfällig gegen politische und wirtschaftliche Veränderungen. Als Einzelpraxis kann ich hierauf einfacher reagieren. Aber als Einzelkämpfer merke ich auch die Grenzen dessen, was ich leisten kann. Dies limitiert auch.

Die Frage, ob sich die Einzelpraxis lohnt, misst sich sehr an der Work-Life-Balance. Diese ist sehr individuell. Solange „Life“ noch das Übergewicht hat, kann ich dies für mich persönlich mit Ja beantworten. Auch finanziell lohnt es sich noch, auch wenn die Gewinnmargen immer kleiner werden, da die Kosten steigen, aber in einem budgetierten System leider die Einnahmen nicht in gleichem Maß, wie die zunehmenden Kosten.

Abb. 6: Lohnt sich das?

Die Work-Life-Balance bemisst sich aber auch am Arbeitseinsatz. Hier sehe ich kaum noch Vorteile für „Life“, da die überbordende Bürokratie mehr und mehr Zeit beansprucht und meine Freizeit reduziert, aber auch die von mir als befriedigend empfundene Arbeit am Patienten zunehmend einschränkt.

Insgesamt kann ich sagen, dass sich der Schritt in die Selbständigkeit für mich gelohnt hat, aber die Umstände werden schwieriger. Für die Zukunft tendiere ich zur Berufsausübungsgemeinschaft, hier lassen sich Risiken, Kosten und Arbeit besser verteilen. Allerdings schränkt dieses Modell die unternehmerische Freiheit deutlich ein.

Farghal D: Und auch das geht: Einzelpraxis und Belegarzt. Passion Chirurgie. 2019 Mai, 9(05): Artikel 05_01.

Außerberufliches Engagement von BDC-Mandatsträgern

Bild: Dirk Farghal, Leiter der AG BeKo, im Gespräch mit Flüchtlingen und asylsuchenden Schülern an der Staatlichen Berufsschule Bad Kissingen

Am 20. Dezember 2018 erzählte Dirk Farghal, Leiter der AG BeKo im BDC, auf Einladung der staatlichen Berufsschule Bad Kissingen über sein Leben und seinen beruflichen Werdegang als Kind eines ägyptischen Vaters, der 1952 wegen der Revolution in Ägypten nach Deutschland gekommen war, und einer 1945 aus Ihrer Heimat bei Breslau vertriebenen Mutter. Bei seinem Besuch in der Berufsschule konnten die ca. 60 Schülerinnen und Schüler aus drei Klassen im Gespräch erfahren, welche Bedeutung das Grundgesetz und die Würde des Menschen hat und welche Chancen sich ihnen bieten können. Es wurde aber auch über die hier in Deutschland geltenden Normen und die Gleichheit von Mann und Frau, aller Religionen und Hautfarben gesprochen. Dirk Farghal konnte aus seiner eigenen Kindheit und Jugend erzählen, dass es Hindernisse gab, aber dass sich der Weg gelohnt hat!

Fazit war: Jeder ist willkommen und soll sich in unsere Gesellschaft einbringen, aber dies erfordert auch viel Toleranz von allen Seiten.

Interessant war, dass viele Schülerinnen und Schüler eine Ausbildung in sozialen Berufen wie Kranken- und Altenpflege, Kinderbetreuung und Sozialarbeit anstreben.

Positive Signale für den Belegarzt aus der AG BeKo des BDC

Beim Bundestreffen der Arbeitsgemeinschaft der Beleg- und Kooperationsärzte im BDC am 08. Dezember 2018 in Würzburg tagten erstmalig Ärzte zusammen mit Geschäftsführern aus einigen Belegkrankenhäusern. Die Veranstaltung war gut besucht und das Interesse groß.

Besonders das von der AG BeKo entwickelte Modell „Belegarzt neu Denken“ mit Einbeziehung der Hausärzte in der Geriatrie, Palliativ- und Hospizmedizin ist für die Geschäftsführer sehr interessant. Auch die Modelle der interdisziplinären Belegabteilung und der Mischung von Beleg- und Hauptabteilung wurden von diesen positiv aufgenommen.

Herr Krüger, Geschäftsführer des Marien-Krankenhauses Lübeck, kritisierte das neue Stufenkonzept der Krankenhausnotfallversorgung und dessen Folgen für die Belegkrankenhäuser. Bei einem Abschlag von vermutlich 60 Euro je Fall wird dies eine Budgetkürzung zwischen 1,5 und 3,7 Prozent bedeuten. Herr Kuhlmann vom Jerusalem-Krankenhaus Hamburg stellte den Zusammenschluss der „9B-Krankenhäuser“ und deren Initiative zur Stärkung des Belegarztwesens vor.

Herr Dr. Mütsch und Frau Dr. Hahn berichteten von positiven Signalen von der KBV und aus dem BMG und das deutlich positive Votum im Wasem-Gutachten zum Belegarztwesen, welches deutlich gestärkt und ausgebaut werden solle. Wesentlich sei, dass Herr Prof. Wasem den Erlaubnisvorbehalt durch den Verbotsvorbehalt ersetzen wolle, zumindest wenn der Vertragsarzt als Belegarzt im Krankenhaus tätig ist. Hier sollen gleiche Rechte für Belegärzte und Krankenhausärzte gelten. Auch die Differenzierung von Hauptabteilungs-DRG und Belegabteilungs-DRG sei entbehrlich.

Es wurde weiter berichtet, dass Herr Dr. Gibis von der KBV zugesagt hat, sich mehr für die belegärztliche Versorgung einzusetzen, insbesondere für eine Erweiterung des OPS-Katalogs für die belegärztlichen Operationen. Herr Dr. Orlowski vom BMG wurde zum Verbotsvorbehalt zitiert: „Aus der Logik der Sache ergibt es sich, den Erlaubnisvorbehalt durch den Verbotsvorbehalt zu ersetzen. Im Krankenhaus gilt dann eben immer der Verbotsvorbehalt. Innovationen kommen beim Belegarzt sonst erst nach zehn Jahren oder nie an.“ Orlowski habe als Hindernisse die für Belegkrankenhäuser geringere DRG, fehlende Privatliquidation für Belegärzte und die Konkurrenz durch belegarztersetzende Beschäftigungsverhältnisse genannt. Ziel müsse vor allem mehr Effizienz sein. Weniger staatliche Regelungen könne er sich eher nicht vorstellen, allenfalls weniger Einfluss des G-BA. Er beurteile die belegärztliche Versorgung als einen „intermediären Sektor“, der komplett neu geregelt werden müsse. Bezüglich der Kooperationsärzte sieht Orlowski positiven Handlungsbedarf, er spricht hier von belegarztersetzenden Beschäftigungsverhältnissen.

Es wurde bei der Sitzung der AG BeKo festgestellt, dass bisher kein einziges staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren nach dem Antikorruptionsgesetz bei Kooperationsärzten bekannt sei. Die Krankenhausträger hätten die Gesetzesverschärfung vielmehr dazu genutzt, um die Vergütungen nach unten zu drücken.

BDC|Umfrage: Haftpflichtprämien bei niedergelassenen Chirurgen, Belegärzten und Kooperationsärzten 2018

Aus der Arbeitsgemeinschaft Beleg- und Kooperationsärzte (AG BeKo) im Referat Niedergelassene Chirurgen des BDC kam die Initiative, unsere BDC-Mitglieder zu Erfahrungen und Problemen mit den Haftpflichtversicherungen zu befragen. Wir danken allen Niedergelassenen Chirurginnen und Chirurgen, die an der Befragung teilgenommen haben. In Kürze veröffentlichen wir in PASSION CHIRURGIE die Ergebnisse dieser Umfrage.

Farghal D: Positive Signale für den Belegarzt aus der AG BeKo des BDC. Passion Chirurgie. 2019 Februar, 9(02): Artikel 05_01.

Bundessozialgericht beschränkt belegärztliche Abrechnung auf die Bettenzahl

Mit Urteil vom 29.11.2017, AZ: 6 KA 33/16 R beschränkt das BSG den belegärztlichen Versorgungsauftrag auf die im Krankenhausplan ausgewiesene Bettenzahl der Fachabteilung. Hintergrund des Urteils ist die Honorarrückforderung einer Kassenärztlichen Vereinigung: Ein Belegarzt mit fünf Betten hatte mit 898 Belegungstagen die möglichen Belegungstage von 460 Tagen (92 Tage mal 5) weit überschritten.

Mit dem o. g. Urteil hat das BSG klargestellt, dass die belegärztliche Abrechnung auf die in der Zulassung angegebene Bettenzahl begrenzt ist. Zudem darf auch der Versorgungsauftrag der Bettenanzahl einer Abteilung nicht überschritten werden. Somit wird durch die genehmigte Bettenzahl auch die Gesamtzahl der abrechenbaren Belegungstage für die gesamte Abteilung definiert, unabhängig davon wie viele Belegärzte in der Abteilung tätig sind (Stand: August 2018).

So wird die KV Niedersachsen ab dem Quartal 3/18 Plausibilitätspüfungen der belegärztlichen Abrechnungen durchführen. Der KV Bayern war bis dato dieses Urteil nicht bekannt.

Nach telefonischer Rücksprache mit der KV Unterfranken drohe aber nur den Belegärzten ein Regress, welche die Anzahl der Belegungstage überschritten haben. Auch wenn die Abteilung oder das Haus seine Belegungstage überschritten hat, würde der Belegarzt, der seine Belegungstage nicht überschritten hat, nicht bestraft.

Nach Gesprächen mit einigen Geschäftsführern und Belegärzten scheint dieses Urteil noch nicht richtig ins Bewusstsein gedrungen zu sein und hat bisher keine Relevanz für die meisten Belegkrankenhäuser oder Belegärzte. Bei weiter rückläufigen Belegarztzahlen sowie Belegarztfällen ist auch nicht zu erwarten, dass dieses Urteil wirklich flächendecken relevant sein wird.

Farghal D: Bundessozialgericht beschränkt belegärztliche Abrechnung auf die Bettenzahl. Passion Chirurgie. 2018 November, 8(11): Artikel 05_02.

Abschläge wegen Nichtteilnahme zur Notfallversorgung für Belegkrankenhäuser

Durch den Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die Erstfassung der Regelungen zu einem gestuften System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern gemäß § 136c Absatz 4 SGB V, § 5 Abs. 2 vom 19.04.2018 werden die Belegkrankenhäuser von der Teilnahme an der Notfallversorgung grundsätzlich ausgeschlossen und stattdessen verpflichtet, einen Abschlag für die Nichtteilnahme an der Notfallversorgung hinzunehmen.

Bei einem angenommenen und inzwischen teilweise praktizierten Abschlag i. H. v. 50 Euro je Fall verlieren Belegkrankenhäuser je nach Leistungsspektrum ca. zwei bis drei Prozent ihres Erlösbudgets. Dieses ist eine kritische Größe für die wirtschaftliche Stabilität der Belegkrankenhäuser in einer Zeit, in der gerade das Belegarztwesen und damit die Zukunft der Belegkrankenhäuser gefährdet ist.

Weitere Informationen und Antworten der DKG und des GKV-Spitzenverbandes:

Farghal D: Abschläge wegen Nichtteilnahme zur Notfallversorgung für Belegkrankenhäuser. Passion Chirurgie. 2018 August, 8(08): Artikel 05_01.