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Erweiterter Bewertungsausschuss beschließt Details

Zum 1. Januar 2023 entfällt die bisherige Neupatientenregelung. Die massiven Proteste der Ärzteschaft, der KVen und der Berufsverbände, u. a. auch des Berufsverbands der Deutschen Chirurgie e.V. (BDC), haben immerhin zu einer gewissen Ausgleichslösung geführt. Diese trat ebenfalls am 1. Januar 2023 in Kraft.

Wir möchten unsere Kolleginnen und Kollegen informieren und ihnen eine Handlungsempfehlung an die Hand geben, um zumindest einen Teil unserer Patienten weiterhin extrabudgetär behandeln zu können.

Der Wegfall der Neupatientenregelung trifft vor allem die Fachgruppe Chirurgie hart, weil dort bisher etwa die Hälfte der Patienten neu waren und dies bei vielen Praxen quasi eine komplett extrabudgetäre Vergütung (Auszahlungsquote => 100 Prozent) zur Folge hatte. Die jetzt im erweiterten Bewertungsausschuss (EBA) im Detail beschlossene Nachfolgeregelung wird die Verluste durch den Wegfall der Neupatienten voraussichtlich nicht komplett kompensieren, zumindest aber abmildern können.

Der EBA hat am 14.12.2022 folgende Details zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben beschlossen:

  1. Fälle in der offenen Sprechstunde
  2. Terminservicestellenfälle
  3. Hausarztvermittlungsfälle

Zu 1. Bei der offenen Sprechstunde ändert sich zunächst nichts. Wir sind weiterhin verpflichtet, fünf Stunden in der Woche als offene Sprechstunden anzubieten. Diese Fälle werden weiterhin extrabudgetär vergütet. Damit es nicht zu einer unkontrollierten Ausweitung dieser Fälle kommt, werden maximal 17,5 Prozent der Arztgruppenfälle einer Arztpraxis des aktuellen Quartals im Sinne der offenen Sprechstunde extrabudgetär vergütet. Darüber hinaus gehende Fälle unterliegen dem Regelleistungsvolumen (RLV bzw. QZV). Somit ist es empfehlenswert, vor allem Fälle mit hohem Abrechnungsvolumen, also solche mit zusätzlichen kostenintensiven Leistungen wie Röntgen, Cast, Wundversorgung, in der offenen Sprechstunde zu behandeln und zu markieren. Fälle, bei denen nur die Grundpauschale und die Zuschläge zur Sicherung der Grundversorgung wie 07220 und 07222 abgerechnet werden, eignen sich nicht für die offene Sprechstunde, zumal die GOP 07220 und 07222 per se extrabudgetär sind.

Zu 2. Beim Terminservicestellenfall (TSV-Fall) gibt es ab 2023 einen zusätzlichen Dringlichkeitszuschlag. Weiterhin ist eine Überweisung des Hausarztes oder Kinderarztes mit Angabe einer TAN erforderlich. Um als Facharztpraxis TSV-Fälle behandeln zu können, müssen freie Termine online an die Vermittlungsstelle gemeldet werden. Das Verfahren ist von KV zu KV unterschiedlich organisiert. Die TAN muss dann bei der Anlage des Abrechnungsscheins im PVS angegeben werden. Dies ist zur Plausibilisierung des TSV-Falls notwendig. Auch dieser TSV-Arztgruppenfall wird extrabudgetär vergütet.

Extrabudgetäre Vergütung plus Zuschlag: Diese Regelungen wurden aufgrund der massiven Proteste der Ärzteschaft im letzten Moment in die Gesetzgebung aufgenommen und sollen zumindest teilweise die Verluste durch den Wegfall der Neupatientenregelung kompensieren.

Es werden alle Leistungen der Arztgruppe im Quartal bei einem Versicherten (Arztgruppenfall) in voller Höhe extrabudgetär vergütet. Zusätzlich wird ein extrabudgetärer Zuschlag auf die Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschale (GP) in folgender Höhe gewährt:

  • Termin spätestens am Folgetag (Akutfall)*: 200 Prozent auf die GP
  • Termin spätestens am 4. Tag: 100 Prozent auf die GP
  • Termin spätestens am 14. Tag: 80 Prozent auf die GP
  • Termin spätestens am 35. Tag: 40 Prozent auf die GP

*Der Zuschlag von 200 Prozent wird nur gewährt, wenn der Patient die 116 117 kontaktiert hat und die dortige medizinische Ersteinschätzung die Dringlichkeit der Behandlung bestätigt hat.

Zu 3. Interessant sind die neuen Regelungen vor allem in Bezug auf den Hausarztvermittlungsfall. Auch hier ist jeweils eine Überweisung des Hausarztes oder Kinderarztes notwendig. Eine TAN muss aber nicht angegeben werden. Die Hausarztpraxis muss mit der Facharztpraxis direkt Kontakt aufnehmen und dies unter Angabe der Betriebsstätten-Nummer (BSNR) der Facharztpraxis dokumentieren. Hierzu empfiehlt es sich, unter Wahrung des Datenschutzes den hausärztlichen Kollegen/Innen eine besondere Telefonnummer, E-Mail oder Faxnummer anzubieten und die BSNR der eigenen Praxis schriftlich mitzuteilen. Für eine erfolgreiche Vermittlung erhält die vermittelnde Praxis eine Pauschale von 15,05 € unter Angabe der GOP 03008 (Hausarzt) / 04008 (Kinderarzt).

Neu ist, dass zur Erreichung dieser Pauschale nicht mehr nur die 4-Tage-Frist gilt, sondern dies bis zum 35. Tag möglich ist. Diese Arztgruppenfälle werden ebenfalls extrabudgetär vergütet. Die bisherige Plausibilitätsgrenze von 15 Prozent der Hausarztfälle soll bis zum 31.3.2023 neu verhandelt werden. Allerdings wurde eine erhebliche Eingrenzung durch die weiter unten erläuterte Definition der Dringlichkeit beschlossen.

  • Termin spätestens am 4. Tag: 100 Prozent Aufschlag auf die GP
  • Termin spätestens am 14. Tag: 80 Prozent Aufschlag auf die GP
  • Termin spätestens am 35. Tag: 40 Prozent Aufschlag auf die GP

Zu schön, um wahr zu sein

Leider werden die Chancen auf zahlreiche extrabudgetäre Fälle durch folgende Regelungen auch gleich wieder eingeschränkt:

Definition der Dringlichkeit

Im Gesetz und in den EBA-Regelungen sind die oben genannten Möglichkeiten leider gleich wieder eingeschränkt worden. Bis zum vierten Tag nach Feststellung der Dringlichkeit durch den überweisenden Arzt ist alles ziemlich unproblematisch. Die fachärztliche Behandlung muss spätestens am vierten Kalendertag (cave: bei Überweisung am Freitag am nachfolgenden Dienstag) nach Feststellung der Behandlungsnotwendigkeit durch den Hausarzt erfolgen.

In den sich anschließenden Zeitintervallen bis zum 35. Kalendertag setzt die Anerkennung der GOP 03008 / 04008 und der extrabudgetären Vergütung voraus, dass eine Terminvermittlung durch die Terminservicestelle oder eine eigenständige Terminvereinbarung durch den Patienten oder einer Bezugsperson aufgrund der medizinischen Besonderheit des Einzelfalls nicht angemessen oder nicht zumutbar war. Ab dem 24. Kalendertag wird zur Abrechnung der 03008 / 04008 sogar die Angabe einer medizinischen Begründung gefordert.

Dies dürfte die Praktikabilität erheblich einschränken und im Übrigen aufgrund der unscharfen Definition Streitgegenstand werden und einen erheblichen Prüfungsaufwand der Kassenärztlichen Vereinigungen zur Folge haben.

 Unsere Empfehlung: Um dies zu umgehen, sollte sich der Fokus der Chirurginnen und Chirurgen auf die Realisierung der dringlichen Hausarztüberweisung innerhalb der 4-Tage-Frist richten.

Praktische Umsetzung

Für die Abrechnung des Aufschlags auf die Grundpauschale für die rasche Terminvergabe wurden neue Ziffern (Gebührenordnungspositionen/GOP) in den EBM eingeführt. Diese lauten

  • 07228 wenn im Kapitel 7 (Chirurgie) abgerechnet wird und
  • 18228 wenn im Kapitel 18 (Orthopädie) abgerechnet wird.

Zusätzlich muss gemäß folgender Systematik einer der Buchstaben A bis D angegeben werden:

  • A (200 Prozent) – gilt nur für den TSS-Akutfall (über die 116 117)
  • B (100 Prozent) – Termin spätestens am 4. Tag
  • C (80 Prozent) – Termin spätestens am 14. Tag
  • D (40 Prozent) – Termin spätestens am 35. Tag

Gemäß unserer Empfehlung, vor allem den Hausarztvermittlungsfall innerhalb von vier Tagen anzustreben, wäre der Honoraraufschlag durch Angabe der GOP 07228B bzw. 18228B abzurechnen.

Darüber hinaus müssen diese Fälle auch weiterhin gekennzeichnet werden, um die extrabudgetäre Abrechnung zu gewährleisten. Das wird in der Regel durch die Praxisverwaltungssysteme (PVS) im Hintergrund erledigt. Dazu wird der Hausarztvermittlungsfall in der Maske des Überweisungsscheines gekennzeichnet.

Es kann sein, dass bei Ihnen – KV-spezifisch – abweichende GOP oder abweichende Verfahren vorgeschrieben werden. Bitte informieren Sie sich dazu bei Ihrem Software-Haus und bei der zuständigen kassenärztlichen Vereinigung.

Begrenzung auf den Arztgruppenfall im Quartal

Wichtig für BAG und MVZ: Patienten, die in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) oder einem MVZ von mehreren Ärzten derselben Fachgruppe behandelt werden, lösen je Quartal nur einen Arztgruppenfall aus. Bei Einzelpraxen sowie fachgleichen BAG und MVZ entspricht der Arztgruppenfall dem Behandlungsfall.

Für TSS-Terminfälle, TSS-Akutfälle und Hausarztvermittlungsfälle ist der Zuschlag im Arztgruppenfall insgesamt nur einmal berechnungsfähig. Es wird zusätzlich geregelt, dass dies auch dann gilt, wenn in demselben Quartal eine erneute Behandlung desselben Versicherten aufgrund einer erneuten Terminvermittlung durch den Hausarzt oder durch die TSS (TSS-Terminfall und/oder TSS-Akutfall) erfolgt. Sind allerdings in einer BAG oder einem MVZ mehrere Arztgruppen tätig, ist es theoretisch möglich, dass in einem Behandlungsfall mehrfach der Zuschlag für die dringliche Behandlung angesetzt wird.

Allerdings ist der Zuschlag auch dann nicht berechnungsfähig, wenn der vermittelte Patient in der an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Arztgruppe derselben Praxis in demselben Quartal bereits behandelt wurde.

Insgesamt bedeuten die neuen Regelungen wieder einmal einen massiven Zuwachs an Bürokratie, den man kaum noch vermitteln und damit schon gar nicht junge Kolleginnen und Kollegen für die vertragsärztliche Tätigkeit begeistern kann.

 Unsere Empfehlung: Alle niedergelassenen BDC-Mitglieder sollten sich dringend mit diesen neuen Chancen für extrabudgetäre Erlöse beschäftigen und sich konkret und am besten mit einer schriftlichen „Segelanweisung“ mit ihren zuweisenden Haus- und Kinderärzten abstimmen.

Sollten noch Unklarheiten bezüglich der konkreten Ausführungsbestimmungen in Ihrer KV bestehen, wenden Sie sich bitte an Ihre BDC-Regionalvertreter.

Farghal D, Kalbe P, Schmitz R: Praxen erhalten höhere Zuschläge für rasche Terminvergabe. Passion Chirurgie. 2023 Januar/Februar; 13(01/02): Artikel 04_04.

Autoren des Artikels

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Dirk Farghal

Stellv. Leiter Themen-Referat Niedergelassene im BDCLeiter der Arbeitsgemeinschaft Beleg- und Kooperationsärzte im BDCChirurgische Praxis am HauptbahnhofBahnhofsplatz 997424Schweinfurt kontaktieren
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Dr. med. Peter Kalbe

Vizepräsident des BDCGelenkzentrum SchaumburgStükenstraße 331737Rinteln kontaktieren
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Dr. med. Ralf Wilhelm Schmitz

Referatsleiter Niedergelassene ChirurgenMVZ Chirurgie KielSchönberger Str. 1124148Kiel kontaktieren

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