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Eine Untersuchung zur Verteilung der Lerntypen bei Studierenden der Humanmedizin

Im Rahmen des Medizinstudiums muss umfangreiches Wissen in kurzer Zeit erworben werden. Daher müssen Lehr- und Lernstrategien möglichst effizient sein. Wissen wird über verschiedene Sinne vom Lernenden aufgenommen [1]. In Abhängigkeit vom überwiegend angesprochenen Sinneskanal, kann man vier grundsätzlich verschiedene Lerntypen unterscheiden [2], den visuellen, den auditiven, den lesenden und den kinästhetischen Lerntyp sowie zahlreiche Mischformen dieser vier Grundtypen.

Der Lernerfolg ist abhängig von der bestmöglichen Übereinstimmung zwischen den Lerntypen und den gewählten Lernformen [3–8]. Der auditive Lerntyp wird am besten durch das gesprochene Wort erreicht, z. B. in Form von Vorlesungen, Podcasts oder Hörbüchern. Der visuelle Typ profitiert hingegen mehr von der grafischen Darbietung der Lerninhalte in Form von Schaubildern und MindMaps. Der lesende Lerntyp benötigt Texte in unterschiedlicher Aufarbeitung (Bücher, Folien, Lernkarten) zur bestmöglichen Aufnahme des Lernstoffs. Der kinästhetische Lerntyp ist in der textbasierten akademischen Welt am schwersten zu erreichen, da er am besten durch eigenes Durchführen oder die Auseinandersetzung im Gespräch, wie z. B. in Form von Seminaren oder Lerngruppen lernt.

Um die bestmögliche Übereinstimmung zwischen Lerntypen und Lernformen zu erreichen, sind Kenntnisse zur Verteilung der Lerntypen notwendig.

Im Jahre 1998 entwickelte der Neuseeländer Neil Fleming einen validierten Test, welcher mit dem Akronym VARK bezeichnet wird. Dieses steht für V – visual, A – aural, R – read/write and K – kinaesthetic [2, 9, 10]. Der VARK-Lerntypentest kategorisiert zwischen dem visuellem, dem auditivem, dem lesendem und dem kinästhetischem Lerntyp sowie zwischen vielen Kombinationsmöglichkeiten [11].

Aktuell gibt es in allen Fachgebieten der Medizin, insbesondere den operativen Fächern gravierende Nachwuchsprobleme. Es gibt Hinweise, dass die Qualität der Lehre in dem jeweiligen Fach zur Attraktivität einer Fachrichtung für die Studierenden beiträgt [12]. Überdies weisen erste Arbeiten auf professionsspezifische Lernpräferenzen hin [13, 14]. Gleichzeitig nimmt die Feminisierung der Medizin zu. Es wird vielfach behauptet, dass sich das Lernverhalten von Männern und Frauen unterscheidet [15, 16].

Somit stellt sich zum einen die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Lerntypenverteilung und der präferierten Weiterbildungsrichtung, um möglicherweise die fachspezifische Lehre besser auf die künftigen Fachärzte in diesem Fach abzustimmen. Zum anderen stellt sich die Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem Geschlecht und der Lerntypenverteilung, um den Bedürfnissen der Studentinnen in der Lehre besser gerecht werden zu können. Um diese Fragen zu beantworten, führten wir einen Lerntypentest an der Medizinischen Fakultät in Jena durch. Wir wollten erstens die Lerntypenverteilung ermitteln, zweitens den Einfluss des Geschlechtes auf den Lerntyp betrachten und zum dritten den Zusammenhang zwischen der präferierten Weiterbildungsrichtung und dem Lerntyp untersuchen.

Methode

Umfrage und Teilnehmer

Wir führten den VARK-Test im Rahmen einer repetitiven Querschnittsstudie mittels einer Online-Umfrage unter allen Medizinstudierenden der Universität Jena in drei aufeinanderfolgenden Jahren (2014 bis 2016) durch. Die Verteilung der Umfrage erfolgte per E-Mail über die Jahrgangsverteiler sowie über die Facebook-Gruppen der jeweiligen Jahrgänge. Die Teilnahme an der Online-Umfrage war freiwillig und anonym. Die Ethikkommission des Universitätsklinikums hat die Anfrage als nicht zustimmungspflichtig eingestuft.

VARK

Der Lerntypentest besteht aus 17 Fragen und misst vier verschiedene sensorische Präferenzen des Lernens (visuell, auditiv, lesend und kinästhetisch). Die Fragen dienen dazu, ein individuelles Muster des Lerntyps jedes Umfrageteilnehmers zu erstellen. Pro Frage kann mehr als eine Antwort ausgewählt werden, um die persönliche Lernpräferenz darzulegen.

Statistik

Zur statistischen Auswertung verwendeten wir SPSS Version 23 (IBM Corporation, Armonk, NY, USA). Wir führten eine deskriptive Statistik durch, um prozentuale Häufigkeiten zu ermitteln und den Chi-Quadrat-Test, um Zusammenhänge zwischen dem uni- bzw. multimodalen Lerntyp sowie dem Geschlecht und weiteren Faktoren zu untersuchen. Des Weiteren wurden univariate Varianzanalysen durchgeführt, um Unterschiede zwischen den einzelnen Umfragejahren zu ermitteln. Ein P-Wert <0.05 wurde als statistisch signifikant angesehen.

Ergebnisse

An der Online-Umfrage beteiligten sich 726 Studierende. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 9,2 % bis 18,5 % in den drei verschiedenen Jahrgängen. Die Ergebnisse der einzelnen Umfragen in den drei aufeinanderfolgenden Jahren unterschieden sich nicht signifikant. Demzufolge wurden die Ergebnisse der einzelnen Umfragerunden kombiniert ausgewertet.

In unserer Studie wurden 72,0 % der Fragebögen von weiblichen Studierenden komplettiert und nur 28,0 % von männlichen Teilnehmern, was die zunehmende Feminisierung in der Medizin zum Ausdruck bringt [17]. Dieses Geschlechterverhältnis der Umfrageteilnehmer zeigt gegenüber den gesamten Studierenden der Medizinischen Fakultät in Jena einen etwas höheren Anteil weiblicher Studierender (67,1 %/32,9 %). Der deutschlandweite Anteil der Medizinstudentinnen (61,0 %/39,0 %) ist ebenso etwas geringer im Vergleich mit unserem Umfragekollektiv. Die Altersverteilung der Jenaer TeilnehmerInnen war im Vergleich mit den Angaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung repräsentativ für deutsche medizinische Fakultäten (24,0 Jahre vs. 24,8 Jahre) [18].

Über ein Drittel (39,5 %) aller Studierenden konnte dem unimodalen Lerntyp zugeordnet werden. Unter diesen Studierenden mit unimodal ausgerichtetem Lerntyp waren, bezogen auf alle Studierenden, 15,2 % dem visuellen (Lernen durch Grafiken, Schaubilder, Flussdiagramme), 8,5 % dem auditiven (Lernen durch Sprache), 4,5 % dem lesenden (Lernen durch Lesen und Schreiben) und 11,3 % dem kinästhetischen Lerntyp (Lernen durch Bewegung) zuzuordnen. Demgegenüber konnten 60,5 % der Studierenden dem multimodalen Lerntyp, welcher sich aus zwei bis vier unimodalen Lerntypen zusammensetzt, zugeordnet werden. Darunter ist besonders der bimodale Lerntyp, welcher sich aus zwei Lerntypen in verschiedener Kombination der vier unimodalen Lerntypen zusammensetzt, mit einem Anteil von insgesamt 54,9 % (bezogen auf alle Teilnehmenden) hervorzuheben (Tab. 1). Der am häufigsten vorkommende bimodale Lerntyp ist mit 20,5 % die Kombination VK (visuell und kinästhetisch), gefolgt von der Kombination AK (auditiv und kinästhetisch) mit 12,0 % sowie von der Kombination VA (visuell und auditiv) mit 10,7 % (Tab. 1).

Tab. 1: Verteilung der Lerntypen (uni-, bi-, tri- und quadmodal)

Lerntyp

Anzahl

Prozent

V – visual

111

15.2%

A – aural

62

8.5%

R – read/write

33

4.5%

K – kinaesthetic

82

11.3%

VA

78

10.7%

VR

62

8.5%

VK

146

20.5%

AR

9

1.2%

AK

87

12.0%

RK

13

2.0%

VAR

1

0.3%

VAK

27

2.9%

VRK

4

0.7%

ARK

1

0.3%

VARK

10

1.4%

Bei der Betrachtung des Einflusses des Geschlechtes auf den Lerntypen zeigte sich mittels univariater Varianzanalyse in unserem Kollektiv ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Geschlecht und dem Lerntyp (auditiv: p = 0,001; kinästhetisch: p = 0,044) (Tab. 2). Weibliche Teilnehmer waren vermehrt dem auditiven Lerntyp zuzuordnen, während bei den männlichen Teilnehmern ein größerer Anteil dem kinästhetischen Lerntyp angehörte (Tab. 2, Abb. 1, 2).

Tab. 2: Univariate Varianzanalyse (VARK-Lerntyp vs. Geschlecht)

Lerntyp

Geschlecht

Mittelwert

P-Wert

95% Konfidenzintervall

Untergrenze

Obergrenze

visuell

weiblich

5.657

0.972

5.487

5.828

männlich

5.653

0.972

5.411

5.895

auditiv

weiblich

5.025

0.001

4.831

5.220

männlich

4.552

0.001

4.277

4.828

lesend

weiblich

3.899

0.150

3.700

4.097

männlich

4.110

0.150

3.829

4.390

kinästhetisch

weiblich

5.418

0.044

5.239

5.598

männlich

5.685

0.044

5.431

5.939

Abb. 1: Prozentuale Lerntypenverteilung der Umfrageteilnehmerinnen

Abb. 2: Prozentuale Lerntypenverteilung der Umfrageteilnehmer

Hingegen zeigte sich kein Zusammenhang zwischen der bevorzugten Weiterbildungsrichtung und dem Lerntyp. Die fünf großen Gruppen der Weiterbildungsrichtungen unterschieden sich nicht signifikant in Bezug auf den Lerntyp der Studierenden. Insbesondere zeigte sich kein Lerntypenunterschied bei den chirurgisch interessierten Studierenden im Vergleich zu den Studierenden mit anderem Fachrichtungswunsch.

Diskussion

Lerntypenbestimmung

Der VARK-Test ist ein weit verbreiteter Test, um die Lerntypenverteilung von Studierenden, gesundheitsspezifischer Fachrichtungen inbegriffen, zu ermitteln. Das Grundprinzip ist ähnlich zu anderen Testsystemen wie z. B. dem HALB-Test nach Staller-Tangl [19]. Im Wesentlichen werden Testsituationen vorgestellt und das wahrscheinliche Verhalten bzw. die Vorlieben der Probanden werden abgefragt. Auch die Kategorisierung der Lerntypen ist ähnlich. Der Lerntypentest nach Staller-Tangl unterscheidet z. B. zwischen dem bildlichen, dem akustischen, dem lesenden und dem handelnden Lerntyp [19].

Lerntypen bei Studierenden der Medizin

Die meisten Menschen, so auch die Medizinstudierenden in unserer Stichprobe, lassen sich nicht einem Lerntypen zuordnen, sondern gehören eher multimodalen Mischtypen an (Tab. 3).

Tab. 3: Ermittlung der Lerntypenverteilung von Studierenden verschiedener Studiengänge des Gesundheitswesens mit dem VARK-Test

Bei der vergleichenden Analyse von 17 Arbeiten zur Lerntypenverteilung in Gesundheitsberufen fanden sich lediglich drei Arbeiten (Liew 2015, Malaysia (20), McKenna 2018, Australien [21], Almigbal 2015, Saudi Arabien [22]), welche die Mehrzahl der Teilnehmer einem unimodalen Lerntyp, und zwar zu einem Drittel dem kinästhetischen Typ, zuordneten (Tab. 3). Die am meisten vertretenen Lerntypen in der Untersuchung von Peyman et al. waren der visuelle (V) und im Gegensatz zu unserer Untersuchung der lesende (R) Lerntyp [23].

Alle anderen Studien zeigten, dass über 50 % der Studierenden einem multimodalen Typ entsprachen. Davon waren zwischen 12 % und 72 % bimodal und zwischen 4 % und 30 % trimodal. Interessanterweise schwankten die Angaben zur Häufigkeit des quadmodalen Lerntyps am meisten, zwischen 1 % und 43 %. Fast alle Autoren kamen daher zu der Schlussfolgerung, dass man der Vielfalt der Lerntypen am besten durch ein multimodales Lehrangebot gerecht wird (Tab. 3). Des Weiteren sprachen sich Lujan et al., Kharb et al. sowie Prithishkumar et al. anhand der Ergebnisse ihrer Umfragen für eine lerntypenadaptierte multimodale Lehre in der Medizin aus [24-26]. Ebenso empfahlen Peyman et al. einen VARK-Lerntypentest zu Beginn des Medizinstudiums, um die Verteilung der Lerntypen zu analysieren und die Lehre daran auszurichten [23]. Dies würde jedoch einen enormen Mehraufwand in der Vorbereitung der Lehrveranstaltungen je nach Jahrgang bedeuten und erscheint somit wenig praktikabel. Ein solides multimodales Lehrangebot ist hier sicherlich die bessere Option.

Das konventionelle Lehrangebot mit einem hohen Anteil von Vorlesungen bedient hauptsächlich den hörenden Lerner. Dieser unimodale Lerntyp liegt jedoch unter den Medizinstudierenden über alle betrachteten Studien hinweg bei weniger als 20 % der Befragten vor. Damit ist also die häufigste angewendete Lehrform für die meisten Studenten zumindest nicht ideal geeignet, um den Lernstoff effektiv zu vermitteln.

Hingegen spricht ein multimodales Lehrkonzept mehr Lerntypen an und sollte daher einer größeren Anzahl von Studierenden gerecht werden. Abdallah et al. konnten in ihrer Umfrage mittels des VARK-Lerntypentests zeigen, dass die Mehrzahl der Teilnehmer den multimodalen Lerntypen zugeordnet werden können, die demzufolge von multimodalen Lehrformen profitieren [27]. Alkhasawneh et al. schlussfolgerten in ihrer Studie, dass Studierende, welche einem multimodalen Lerntyp zugeordnet werden können, mindestens zwei jedoch besser drei oder vier verschiedene Lehrmethoden bedürfen, um das Potenzial ihres Lerntyps optimal zu nutzen [28]. In den Untersuchungen von Kharb et al. wurde dies bestätigt und die multimodale Lehre als effektiverer Lehransatz für die meisten Studierenden beschrieben [24]. Ein Wandel der universitären Lehre vom Frontalunterricht für eine große Gruppe von Studierenden zu einer interaktiven, studenten-zentrierten Lehre in Kleingruppen wird laut Prithishkumar et al. künftig erforderlich sein, um effiziente Lehre anbieten zu können [25]. Der Unterricht in kleineren Gruppen bietet Potenzial für eine bessere Umsetzung bestimmter multimodaler Lehrangebote, wie z. B. einem Nahtkurs oder einem orthopädischen Untersuchungskurs. Bareither et al. zeigten, dass mit dieser Entwicklung und dem daraus resultierenden Wandel der Lehr- und Lernformen hin zur multimodalen Lehre bessere Lern- und Prüfungsergebnisse erzielt werden können [29]. In der Untersuchung von Bareither et al. wurden zwei Lerngruppen verglichen, die sich anatomische Inhalte kurzfristig und nachhaltig merken sollten [29]. Beide Gruppen erhielten theoretischen Unterricht und eine Gruppe durfte zusätzlich einmal pro Woche mit Tonmodellen arbeiten und Fragen dazu beantworten. Die kurzfristigen Prüfungsergebnisse waren in der multimodalen Lerngruppe signifikant besser.

Kontrovers diskutierter Zusammenhang zwischen Lerntyp und Gender bei Medizinstudierenden

Der Zusammenhang zwischen dem Geschlecht und den Lerntypen bei Studierenden verschiedener Studiengänge im Gesundheitswesen wird aktuell kontrovers diskutiert. (Tab. 3). Eine aktuelle systematische Pubmed-Recherche unter Verwendung der Stichworte „VARK“ und „Gender“ ergab 31 Arbeiten, die unterschiedliche Aspekte des Zusammenhanges zwischen dem Geschlecht und den Lerntypen beleuchten (Tab. 3). In Bezug auf unsere Fragestellung ist jedoch nur ein Teil davon zum Vergleich geeignet. In unserer Umfrage konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Geschlecht und den Lerntypen von Studierenden der Medizin bestätigt werden. Weibliche Studierende aus unserem Kollektiv gehörten überwiegend dem auditiven Lerntyp an, wie ebenso von Wong et al. aus Malaysia sowie Sarabi-Asiabar et al. aus Iran berichtet wurde [15, 30]. Die männlichen Teilnehmer unserer Umfrage gehörten eher dem kinästhetischen Lerntyp an, was auch von Almigbal et al. aus Saudi-Arabien und Sarabi-Asiabar et al. [15, 22] berichtet wurde. Diese zeigten ebenfalls einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem männlichen Geschlecht und dem kinästhetischen Lerntyp.

Einen signifikanten Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Teilnehmern fanden auch Wehrwein et al. [31] und Peyman et al. [23] heraus, wobei deren Ergebnisse sich nicht mit unseren deckten. In der Studie von Wehrwein et al. konnten weibliche Studierende dem unimodalen Lerntyp zugeordnet werden, während bei den männlichen Studierenden multimodale Lerntypen im Vordergrund standen [31]. In der Studie von Aldosari et al. [32] hingegen wurden die weiblichen Studierenden dem bimodalen Lerntyp zugeordnet, während die männlichen Umfrageteilnehmer zum unimodalen Lerntyp zählten. Im Gegensatz dazu fanden Baykan et al. [33], Prithishkumar et al. [25] und Urval et al. [34] keinen geschlechtsbezogenen Zusammenhang zum Lerntyp der Studierenden. Auch in den Umfragen von Slater et al. [35] und Paiboonsithiwong et al. [36] fand sich kein Zusammenhang zwischen Geschlecht und Lerntyp. Hier wurden sowohl weibliche als auch männliche Studierende dem multimodalen Lerntyp zugeordnet.

Somit ist ein multimodaler Unterricht für alle Studierenden der Medizin empfehlenswert, um die verschiedenen Lerntypen optimal ansprechen zu können. Eine geschlechterbezogene Aufteilung der Studierenden kann nicht vorgeschlagen werden.

Lerntypen und präferierte Weiterbildungsrichtung

Die Wahl der postgradualen Weiterbildungsrichtung zeigte bei unserem Kollektiv keinen Bezug zu einem bestimmten Lerntyp. In den Lerntypenbestimmungen anderer Autoren wurde ein Zusammenhang zur künftigen Wahl der Weiterbildungsrichtung der Studierenden nicht betrachtet [36, 37]. Hingegen wurden geringfügige Unterschiede zwischen Studierenden verschiedener Gesundheitsberufe gefunden. Dies ist aber in diesem Zusammenhang von untergeordneter Bedeutung.

Daher ist eine gut strukturierte und multimodale Lehre für alle Fächer gleichermaßen wichtig und es bedarf keiner Anpassung der Lehre in Abhängigkeit von der präferierten Weiterbildungsrichtung.

Curriculare Auswirkungen

Die Berücksichtigung der vier Lerntypen und der vielfältigen Mischtypen erfordert die Entwicklung und Implementierung moderner multimodaler Lehrkonzepte, um so langfristig die angestrebte Steigerung der Lerneffizienz zu erzielen und bessere Prüfungsleistungen und Abschlussergebnisse zu ermöglichen [24, 25].

Der Masterplan 2020 fordert darüber hinaus die Verknüpfung klinischer und vorklinischer Inhalte sowie die Anwendung bestimmter Unterrichtsmodalitäten, wie z. B. den Kleingruppenunterricht. Daraus ergibt sich die Anforderung für die Zukunft, die Lehre gemäß den Forderungen des Masterplanes, jedoch unter Berücksichtigung des Lerntypenspektrums zu gestalten [38, 39].

Folglich sollte die Anpassung des Curriculums so gestaltet werden, dass der Unterrichtsstoff vorrangig mit multimodalen Lehrformen vermittelt und die Forderung nach Kleingruppenunterricht erfüllt wird.

Umgang mit dem eigenen Lerntyp

Kenntnisse zum eigenen Lerntyp und der Nutzung der passenden Lernmethoden können den Lernerfolg (Learning outcome) verbessern [29, 40]. In mehreren Untersuchungen wurde herausgefunden, dass es förderlich ist, den Studierenden Wissen bezüglich ihres persönlichen Lerntyps zu vermitteln und die Nutzung der zugehörigen Lernmethoden zu schulen [8, 23, 41]. Hierzu verglichen Ojeh et al. den durch die Studierenden selbst eingeschätzten Lerntyp mit dem Ergebnis des VARK-Lerntypentests [41]. In der Untersuchung von Bhagat et al. zeigte sich, dass Studierende ihr gewonnenes Wissen über Lerntypen dahingehend anwenden, dass sie neue Lernmethoden ausprobieren und zu einem multimodalen Lernen übergehen [8]. Studierende können mit dem Ergebnis eines Lerntypentests ihre persönliche Lernstrategie zusammenstellen und durch die Nutzung individueller, multimodaler Lehrmethoden ihre Ergebnisse in Lernkontrollen verbessern [40]. In der Umfrage von Kumar et al. wurden diese Ergebnisse bestätigt [42].

Das Lernverhalten selbst kann durch die Lehrangebote beeinflusst werden, besonders durch den Einsatz moderner elektronischer Möglichkeiten sowie alternativer Lernkonzepte in Kombination mit den bisherigen Methoden [43–45]. Die Nutzung des Web-Based-Learning wurde von Cook et al. empfohlen, um die bisherigen Lernmethoden sinnvoll zu ergänzen, was vor allem für den visuellen, den auditiven sowie den lesenden Lerntyp von Bedeutung sein könnte [46]. In der Untersuchung von Saxena et al. wurde betont, dass der Einsatz digitaler Medien während des Studiums auch als Chance für die Lehre angesehen werden kann [47]. Durch eine Modernisierung der Lehrmethoden wird der Weg für eine multimodale Lehre geebnet [47]. Zusätzlich bietet der Einsatz gegenwärtiger Social-Media-Angebote (YouTube education channels, Facebook Lerngruppen, Amboss Podcast, usw.) komplett neue Ansätze im E-Learning [48]. Diese sind zwar noch nicht ausreichend untersucht, weisen aber im Hinblick auf die verschiedenen Lerntypen Potenzial in der Lehre auf [48]. Eine komplette Digitalisierung der (multimodalen) Lehre wird jedoch nicht empfohlen und kann die Lehre am Krankenbett nur unterstützen, aber nicht ersetzen [49].

Schlussfolgerung

Studierende der Humanmedizin lassen sich nicht einem Lerntypen zuordnen, sondern weisen ein breites Spektrum von Lerntypen auf. Weder in unserer Untersuchung noch in der Literatur konnte ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der präferierten Weiterbildungsrichtung oder dem Geschlecht und dem Lerntyp gezeigt werden. Demzufolge sollte für Studiengänge der Humanmedizin ein breites Angebot an verschiedenen Lernformen curricular verankert werden. Des Weiteren ist es ebenso wichtig, die Studierenden bei der Bestimmung des eigenen Lerntyps zu unterstützen, um bestmögliche Lernergebnisse durch die Nutzung dieses Wissens zu erzielen.

Die Literaturliste erhalten Sie auf Anfrage via [email protected].

Grasreiner D, Settmacher U, Dahmen U: Zukünftig multimodale Lehre im Medizinstudium?! Passion Chirurgie. 2020 Januar, 10(01): Artikel 04_01.

Autoren des Artikels

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Diana Grasreiner

Goldbachstr. 4796523Steinach kontaktieren
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Prof. Dr. med. Uta Dahmen

Universitätsklinikum JenaKlinik für Allgemein-, Viszeral- und GefäßchirurgieExperimentelle TransplantationschirurgieDrackendorfer Str. 107747Jena kontaktieren
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Prof. Dr. med. Utz Settmacher

Universitätsklinikum JenaKlinik für Allgemein-, Viszeral- und GefäßchirurgieAm Klinikum 107747Jena kontaktieren
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