01.09.2015 Krankenhaus
Wird in Deutschland zu viel operiert? – Aus Sicht eines Patientenvertreters
Die seit über 30 Jahren anhaltende nicht nachhaltige Politik und die öffentlichkeits-wirksame Diffamierung der gesetzlichen Krankenkassen gegen die qualifiziert agierenden Berufsgruppen und Institutionen der medizinischen Versorgung führt ständig zu Fehlinformationen der Bürger.
Die Lebenserwartung der Bürger in Deutschland nimmt ständig zu und wird noch weiter zunehmen. Dies ist ein sehr schöner Faktor der sozialen Marktwirtschaft und der vielfältigen Möglichkeiten der Bürger, sich gesünder zu ernähren, sich frühzeitig um den Erhalt oder die Wiederherstellung der Gesundheit oder der Beseitigung von Leiden zu kümmern. Der Nachteil ist jedoch, dass der Aufwand um die Lebensqualität der älteren und jüngeren Bürger zu erhalten oder wiederherzustellen größer ist und werden wird und deshalb personelle, institutionelle und finanzielle Ressourcen notwendig macht.
In den letzten 40 Jahren haben die Methoden der Diagnose, Therapie und Rehabilitation ständig innovativ zugenommen. Dies macht es möglich, dass auch bereits betagte Bürger oder schwer erkrankte Menschen mit künstlichen Gelenken oder anderen Techniken so versorgt werden können, dass diese ihr Leben in guter Lebensqualität genießen können.
Bedingt durch die Pflicht des Bürgers zur Finanzierung des Gesundheitssystems durch Beitragszahlungen in die gesetzliche Krankenkasse ist ein Gesamtvolumen von ca. 200 Milliarden Euro pro Jahr vorhanden. Dies ermöglicht in der Solidargemeinschaft die Anwendung von Innovationen und gute bis sehr gute Basisversorgungen aller Bürger. Hinzu kommen die Zuzahlungen der Bürger in Höhe von ca. 40 Milliarden Euro pro Jahr und die Beiträge der privat Krankenversicherten. Diesbezüglich muss darauf hingewiesen werden, dass die Arbeitgeberbeiträge der Krankenkassen aus der Produktivkraft der Arbeitnehmer kommen. In der Regel wird von einem finanziellen Volumen von ca. 300 Milliarden Euro ausgegangen und dies macht es möglich, dass wir noch eine hohe Leistungskraft im Gesundheitssystem haben.
Die Strukturen der stationären Einrichtungen waren bis Mitte der 80er Jahre ausgerichtet auf eine bestmögliche Wiederstellung von gesundheitlichem Wohlbefinden und der Beseitigung von körperlichen Beschwerden. Durch die dann politisch verursachte Ökonomisierung der Kliniken erfolgte eine falsche Ausrichtung auf Kosten oder ökonomische Aspekte der individuellen Versorgung/Behandlung/ Betreuung.
Hinzu kommt noch die Forderung der gesetzlichen Krankenkassen und der Politik auf Schwerpunktkliniken für bestimmte medizinische Eingriffe, wie Hüft- und Kniegelenke bzw. andere operative Eingriffe. Die dort vorgehaltenen Kapazitäten müssen dann auch voll genutzt werden, um die Investitions- und Fixkosten durch Einnahmen zu sichern. Dabei besteht eine Gefahr der Ausweitung von Kapazitäten. Durch die unzureichende Vergütung für konservative Medizin mit den Fallpauschalen wird ebenfalls eine negative Beeinflussung verursacht und kann zur Deckung der Kosten, zur Steigerung von operativen Eingriffen führen. Dies liegt dann aber nicht an den Berufsgruppen der Medizin oder den Geschäftsführungen der stationären Einrichtungen, sondern an gesetzlich vorgegebenen destruktiven Rahmenbedingungen.
Zusammenfassung
Die mir und uns vorliegenden Daten aus vielen Publikationen von unterschiedlichen nationalen und internationalen Institutionen lassen die Behauptung nicht zu, dass im deutschen Gesundheitswesen zu viele operative Eingriffe erfolgen. Hierzu ist es erforderlich die jeweiligen Statistik und Studie daraufhin zu prüfen, wer diese finanziert hat. Ich bin der Überzeugung, dass wir stolz auf die qualifizierten Leistungen der Berufsgruppen sein sollten, die es ermöglichen, dass die Bürger optimal versorgt werden können. Andererseits sollten die Rahmenbedingungen aber auch insofern modifiziert werden, damit konservative Therapien auch entsprechend dem Aufwand vergütet werden. Grundsätzlich sehe ich den Nutzen der Fallpauschalen nicht, sondern eher einen Schaden für die Qualität der gesamten Versorgung im deutschen Gesundheitssystem. Die individuelle Vergütung für den individuellen Aufwand der Versorgung des Bürgers/Versicherten/Patienten muss wieder hergestellt werden.
Candidus W.-A. Wird in Deutschland zu viel operiert? – Aus Sicht eines Patientenvertreters. Passion Chirurgie. 2015 September, 5(09): Artikel 02_05.
Autor des Artikels
Wolfram-Arnim Candidus
PräsidentBürger Initiative Gesundheit e.V.Geschäftsstelle AugsburgBethovenstraße 286150AugsburgWeitere Artikel zum Thema
23.02.2022 Krankenhaus
BDC-Praxistest: Künstliche Intelligenz in der Chirurgie
Künstliche Intelligenz (KI, engl. artificial intelligence) ist eine Technologie, die aktuell in aller Munde ist. Viele Branchen setzen große Hoffnungen in KI für die Weiterentwicklung ihrer Dienstleistungen und Produkte. Eine Vorreiterrolle spielt dabei natürlich die Informationstechnologie selbst: Sind Sie sich bewusst, dass die Auswahl der Bücher, die Ihnen zum Kauf empfohlen werden, der Vorschlag der Abendunterhaltung durch Online-Streaming-Dienste oder die Nachrichten, die Ihnen in den sozialen Medien angezeigt werden, Resultate von KI sind? Dieser Artikel erläutert die wichtigsten technischen Begriffe der KI und gibt eine Übersicht über die Erforschung und den Einsatz von KI in der Chirurgie.
21.01.2022 Politik
NRW-Krankenhäusern fehlen jährlich 1,85 Milliarden
Den Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen fehlen 1,85 Milliarden Euro pro Jahr an Investitionen. Das berichtet das Deutsche Ärzteblatt am 20.1.2022 unter Berufung auf das Investitionsbarometer NRW 2021 des RWI – Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung und der hcb GmbH.
11.01.2022 Politik
Roboter im OP: Kassen für bessere Datenlage und Zentrenbildung
Laut einer Meldung des Deutschen Ärzteblattes (11.1.2022) können sich Vertreter der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) einen breiteren Einsatz robotergestützter Operationssysteme einschließlich Kostenübernahme vorstellen, sofern ausreichend Daten zur Verfügung stehen, die den Nutzen und die Überlegenheit der Technik belegen.
07.01.2022 Krankenhaus
Länder beantragen drei Milliarden Euro Fördermittel für Krankenhäuser
Mehr als 6.000 Anträge mit einem Volumen von über drei Milliarden Euro haben die Bundesländer insgesamt bis zum 31. Dezember 2021 im Rahmen des Krankenhauszukunftsfonds (KHZF) gestellt.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.