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Berlin, Juni 2012: Schmerzen in der Leistengegend sind vor allem bei Fußballern und anderen Mannschaftssportlern häufig. Die Beschwerden gleichen denen eines Leistenbruchs, doch eine sogenannte Hernie ist bei den jüngeren Sportlern selten. Ein Experte spricht sich deshalb in der Fachzeitschrift „Passion Chirurgie“, des Berufsverbandes Deutscher Chirurgen (BDC), für eine zurückhaltende Entscheidung zur Operation aus.

„Fünf bis sieben Prozent aller verletzungsbedingten Unterbrechungen des Spielbetriebes im Fußball sind auf Leistenbeschwerden zurückzuführen. Immer häufiger lautet die Diagnose Sportlerleiste“, schreibt Dr. med. Andreas Koch vom Berufsverband Deutscher Chirurgen. Doch der Begriff ist völlig unklar definiert, kritisiert Chirurg Koch. Ursache können akute Verletzungen oder auch chronische Veränderungen an Muskeln, Sehnen und Gelenken sein, oder aber Weichteilerkrankungen, zu denen die Leistenhernie gehört. Koch zählt 17 verschiedene Krankheiten auf, die Beschwerden einer Sportlerleiste auslösen: „Auch Erkrankungen in Rücken, Beinen oder Füßen können zu Schmerzen in der Leiste führen. Der Arzt müsse deshalb immer den ganzen Patienten untersuchen“, fordert der Chirurg, der als Mannschaftsarzt des FC Energie Cottbus Erfahrungen mit der Sportlerleiste gesammelt hat.

Beim einzelnen Patienten die richtige Ursache zu erkennen, fällt auch Experten schwer. Koch plädiert deshalb zunächst für gezielte physiotherapeutische Maßnahmen zur muskulären Stabilisierung. Auch Injektionen mit Schmerzmitteln oder Kortison können helfen, die Beschwerden zu lindern. Die komplexen Schmerzen um das Schambein herum sind von reinen Leistenschmerzen abzugrenzen, die eine Operation erforderlich machen. Bei einer Nervenkompression muss die Einengung rechtzeitig beseitigt werden, um dauerhafte Schäden zu vermeiden.

Generell komme eine Operation erst in Frage, wenn keine andere Ursache gefunden wird oder ein eindeutiger Leistenschmerz ohne Beeinträchtigung des Schambeins und der Adduktorenmuskulatur vorliegt.

Die Chirurgen stabilisieren dabei die Hinterwand des Leistenkanales, was durch die Einlage eines Kunststoffnetzes oder durch Nahtverfahren ohne Netz erfolgen kann. Bei Sportlern hingegen kommt häufig ein Nahtverfahren zum Einsatz. Bei der Entscheidung für oder gegen ein Netz muss nach Ansicht von Koch berücksichtigt werden, dass ein junger sportlicher und körperbewusster Mensch mindestens 50 Jahre mit einem solchen Netz beschwerdefrei leben sollte. „Die Haltbarkeit der heute verwendeten Netze sei aber nicht bekannt. Verwachsungen mit der Umgebung können später erneut Schmerzen auslösen“, warnt Dr. Koch. Eine übereilte Operation bei Beschwerden die auch das Schambein und die Muskelansätze betreffen, könne deshalb langfristig nachteilige Folgen für die Patienten haben.

Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe der „Passion Chirurgie“ sind Sportverletzungen. Am Beispiel von mehreren spezifischen Sportverletzungen und ihren jeweiligen Therapiemöglichkeiten zeigen die Autoren der Fachzeitschrift eine differenzierte Betrachtung des Feldes der chirurgischen Sportmedizin auf.

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