01.03.2015 Fragen&Antworten
Inwieweit gilt das Arbeitszeitgesetz für Chefärzte?

Frage:
Ein Chefarzt fragt an, inwieweit das Arbeitszeitgesetz für Chefärzte gilt. Darüber hinaus möchte er wissen, ob Oberärzte, die einen außertariflichen Vertrag erhalten haben, unter den Geltungsbereich des Arbeitszeitgesetzes fallen.
Antwort:
Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 18 Abs. 1 Ziffer 1 ArbZG gilt dieses Gesetz nicht für Chefärzte. Insofern gibt es für Chefärzte zunächst einmal weder nach dem Gesetz noch nach dem Tarifvertrag eine wöchentliche Höchstarbeitszeit. Damit einher geht auch der Umstand, dass die Anzahl der Dienste als Chefarzt nicht gedeckelt ist. Grenzen hinsichtlich des Beschäftigungsumfangs und der Lage der Arbeitszeit können sich nur aus allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen ergeben. Wenn also der Arbeitgeber dem Chefarzt eine konkrete Arbeitszeit kraft Weisungsrecht überträgt und diese über die Grenzen dessen hinausgeht, was zumutbar ist, könnte eine solche Weisung gegen billiges Ermessen im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB verstoßen. Auch ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde) ist denkbar. Das Bundesarbeitsgericht bejaht in besonders krassen Fällen und wenn eine unzulässige Weisung besteht, ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsvertrag i. V. m. § 242 BGB.
Maßgeblich ist dabei letztlich die individuelle Leistungsfähigkeit des betroffenen Chefarztes. Wenn es also im Zusammenhang mit den Rufdiensten beispielsweise nicht zu einem Arbeitseinsatz kommt, so gelten diese strenggenommen ja auch nicht als Arbeitszeit.
Sollte der Chefarzt an dieser Stelle nachhaken wollen, müsste dieser einmal die Arbeitsbelastung über mehrere Wochen hinweg aufzeichnen und dann ggf. konkret nochmals auf den Arbeitgeber zugehen.
Für außertarifvertraglich tätige Oberärzte gilt das Arbeitszeitgesetz, da die Gültigkeit des Arbeitszeitgesetzes nicht von einem Tarifvertrag abhängig ist. Auch hier gilt allerdings die Regel, dass der Hintergrunddienst als solches ja keine Arbeitszeit ist, sondern nur dann, wenn es zu einem Arbeitseinsatz kommt. Dann ist die Grenze des Rufdienstes dadurch bestimmt, dass eben durch die Inanspruchnahme während des Rufdienstes die zulässige Höchstarbeitszeit nicht überschritten werden darf. Diese ist nach dem Arbeitszeitgesetz zunächst einmal bei 48 Stunden pro Woche festzumachen. Aufgrund von Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen kann dieser Zeitraum aber bis zu 60 Stunden, je nachdem was gilt und was vereinbart wurde, ausgedehnt werden.
Heberer J. Inwieweit gilt das Arbeitszeitgesetz für Chefärzte? Passion Chirurgie. 2015 März; 5(03): Artikel 08_01.
Autor des Artikels

Dr. jur. Jörg Heberer
Justitiar des BDC, Rechtsanwalt und Fachanwalt für MedizinrechtRechtsanwaltskanzlei Dr. Heberer & Kollegen kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
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