01.05.2018 Niederlassung
Editorial: Gemeinsam stark – für Freiberuflichkeit und gegen staatliche Überregulierung
Der gemeinsame Bundeskongress Chirurgie in Nürnberg fand Ende Februar 2018 zum zwanzigsten Mal statt. Aus dem ursprünglichen BNC-Kongress der niedergelassenen Chirurgen hat sich inzwischen eine Veranstaltung für alle Chirurgen aus Praxen und Krankenhäusern sowie ihr Fachpersonal entwickelt. Der BDC beteiligt sich seit 2011 und hat seinen ehemaligen Chirurgentag in dieses Format eingebracht. In dieser Tradition steht vor allem die praktische Fortbildung unter dem Motto „How I do it“ im Vordergrund des Angebots an Fachvorträgen und Workshops. Schon von Anfang an bot der Nürnberger Kongress auch vielfältige Möglichkeiten, Pflichtfortbildungen zu absolvieren und Lizenzen aufzufrischen, z. B. für die D-Arzt-Zulassung und für den Strahlenschutz. Der BAO nutzt als weiterer Partner den Kongress für sein berufspolitisches Forum und auch bei den Industrie-Ausstellern steht das Ambulante Operieren im Vordergrund.
Am politischen Vormittag haben wir über die letzten 20 Jahre viele „Sonntagsreden“ von etablierten Gesundheitspolitkern gehört mit Versprechungen, die nie umgesetzt wurden. Es gab aber auch teilweise heftige Wortgefechte, vor allem zwischen Politikern und Kongressteilnehmern. Das war dieses Jahr anders: Auf den Auftritt von Parteipolitikern wurde verzichtet. Dafür kam die geballte Kompetenz aus den eigenen Reihen zum Zuge. Besondere Aufmerksamkeit erfuhr dabei der Vortrag des zuletzt stark kritisierten ehemaligen KBV-Vorstandsvorsitzenden Andreas Köhler, der als Ehrenvorsitzender des SpiFa referierte. Köhler zeigte klar auf, unter welchem politischen Druck die freien Berufe stehen. Speziell für den Arztberuf führen die zunehmenden gesetzlichen Eingriffe die Illusion einer ärztlichen Selbstverwaltung nach und nach ad absurdum. Köhler warnte vor allem vor dem zunehmenden Einfluss von Europa, wo die Freiberuflichkeit nicht verankert sei. In der gleichen Stoßrichtung kritisierte Fred Weiser vom Verband der leitenden Krankenhausärzte den zunehmenden Einfluss des G-BA und des IQTIG auf ärztliche Entscheidungen. Angebliche Qualitätsindikatoren würden als heimliche Instrumente der Versorgungssteuerung missbraucht.
Der Koalitionsvertrag der großen Koalition lässt ebenfalls nichts Gutes erwarten. Abgesehen davon, dass das Wort „Facharzt“ dort nur als Auftragnehmer für Termine Erwähnung findet, sind weitere staatliche Eingriffe vorgesehen, z. B. indem die Bundesländer in die Bedarfsplanung eingreifen und auf Entscheidungen der Zulassungsausschüsse Einfluss nehmen sollen. Die Ankündigung, eine einheitliche Gebührenordnung zu prüfen, führt – unabhängig vom Ergebnis der wissenschaftlichen Kommission – voraussichtlich zu einer Lähmung der Reformen am EBM und an der GOÄ. Düstere Aussichten also, die in gleicher Weise die Chirurgen in den Praxen und in den Kliniken treffen werden.
Einen kleinen Hoffnungsschimmer bietet nur die Tatsache, dass der Mangel an Fachärzten nach den strukturell schwachen Bereichen jetzt auch die Metropolregionen erreicht. Auch wenn viele Kollegen nach dem Rentenalter noch weiterarbeiten, um ihre Patienten nicht im Stich zu lassen, wird dies nicht dauerhaft ausreichen, um den Exodus der „Baby Boomer“-Fachärztegeneration auszugleichen. Und auch die Gedankenspiele der Politik zu Delegation und Substitution taugen nicht als Ersatz für unsere fachärztliche Expertise. Unser „Marktwert“ dürfte somit in der Zukunft deutlich steigen, sodass wir durchaus die Chance haben, uns dem Trend zur Einführung einer Staatsmedizin durch die Hintertür zu verweigern. Dies unabhängig davon, ob wir als Praxisinhaber oder als Angestellter in einer Praxis, in einem MVZ oder als Krankenhauschirurg tätig sind: Wir sind stark und – gemäß dem Kongress-Motto – sind wir vor allem gemeinsam stark!
Im vorliegenden Heft haben wir Ihnen neben Artikeln zur Sektorenübergreifenden Versorgung und zum Belegarzt-System einiges zur Niederlassung zusammengestellt. Viel Spaß bei der Lektüre.
Autor des Artikels
Dr. med. Peter Kalbe
Vizepräsident des BDCGelenkzentrum SchaumburgStükenstraße 331737Rinteln kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
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