01.11.2009 Arbeitsrecht
Chefarztgehalt – Verjährung der Überleitungsansprüche
Wie bereits Anfang des Jahres dargestellt, sind zwischenzeitlich zahlreiche landesarbeitsgerichtliche Entscheidungen ergangen, die den Chefärzten einen Überführungsanspruch in die ärztespezifischen Tarifverträge zubilligen. Zu Beginn des Jahres gab es eine landesarbeitsgerichtliche Entscheidung, die den Überführungsanspruch der Chefärzte negiert hat. Als einziges Landesarbeitsgericht (LAG) hat das LAG Hessen derartige Ansprüche bislang den Chefärzten nicht zugebilligt.
Aktuelle Rechtslage
Nunmehr kommen aber auch vom LAG Hessen eindeutige Signale, wonach der Überführungsanspruch der Chefärzte auch dort als gegeben angesehen wird. Denn das hessische LAG hat nunmehr am 22.05.2009 den Chefärzten einen Überführungsanspruch in den ärztespezifischen Tarifvertrag zugebilligt. Das LAG Hessen geht dabei davon aus, dass eine Verweisungsklausel im Dienstvertrag auf Tarifverträge, die den BAT ersetzen, dazu führt, dass es mehrere mögliche Lösungsansätze gibt, wie diese Klausel zu verstehen ist.
Das LAG Hessen vertritt die Auffassung, dass sowohl der TVöD, als auch der TV-Ärzte/VKA im Sinne der Klausel Tarifverträge darstellen, die den BAT ersetzen. Dabei erklärt das LAG Hessen der Auffassung der Arbeitgeber, mit einer einmaligen Überführung in den zeitlich vorangehenden TVöD hätte es sein Bewenden, eine klare Absage. Denn nach Auffassung des LAG Hessen sind von der Bezugnahmeklausel nicht nur ein den BAT unmittelbar ablösender, sondern auch ein den zunächst an die Stelle des BAT getretenen Tarifvertrags ablösender weiterer Tarifvertrag umfasst.
Letztlich löst das LAG Hessen die Problematik, dass zwei Tarifverträge Anwendung finden mit den Unklarheitsregeln nach § 305 c Abs.2 BGB. Denn danach muss die für den Chefarzt günstigste Auslegung herangezogen werden. Im Hinblick auf die Vergütung ist dies die ab dem 01.08.2006 geltende Entgeltgruppe IV des TV-Ärzte/ VKA. Insofern kann man festhalten, dass nunmehr sämtliche mit dieser Problematik befassten Landesarbeitsgerichte einheitlich, wenn auch aus unterschiedlichen Begründungen heraus, den Chefärzten einen Überführungsanspruch zubilligen.
Drohende Verjährung Ende 2009
Obgleich es nunmehr eine Phalanx der Rechtsprechung der LAG´s gibt, werden die Chefärzte aber nicht automatisch überführt, sondern die Arbeitgeber warten auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG). Die ärztespezifischen Tarifverträge sind aber bereits am 01.08.2006 in Kraft getreten. Die regelmäßige Verjährung für Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag beträgt drei Jahre, so dass zum Ende des Jahres 2009 die Verjährung der Ansprüche drohen könnte.
Ob dies den Anspruchsgrund betrifft, also der Überführungsanspruch insgesamt wegfällt oder ähnlich den Verfallsklauseln nur monatlich, ist derzeit offen. Viel spricht aber dafür, dass nur Monat für Monat eine Verjährung eintreten kann, da der Vergütungsanspruch auch nur Monat für Monat besteht. Insofern würden dann also nur diejenigen Ansprüche verjähren, die im Jahr 2006 bestanden hätten. Um diese Unwägbarkeit allerdings gar nicht erst problematisieren zu müssen, könnte man nunmehr fristwahrend Klage beim zuständigen Arbeitsgericht erheben, um die korrekte Eingruppierung gerichtlich durchzusetzen. Eine derartige Klage würde auch die Verjährung verhindern. Da ein Klageverfahren regelmäßig durchaus eine gewisse Eintrübung des Arbeitsverhältnisses zur Folge haben kann, wäre auch eine einvernehmliche Regelung mit dem Arbeitgeber anzudenken. Dieser müsste sich dann schriftlich dazu bereit erklären, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Dieser Verzicht müsste nicht einmal unendlich sein, sondern man könnte sich auf den Zeitpunkt einigen, bis das BAG die Sache rechtsverbindlich entschieden hat.
Nach derzeitigem Kenntnisstand steht zu erwarten, dass spätestens zum Ende des zweiten Quartals 2010 eine entsprechende Entscheidung vorliegt. Sollte sich der Arbeitgeber zu einer solchen Erklärung jedoch nicht bereitfinden, müsste man in der Tat zu einem Klageverfahren raten, um nicht etwaiger Ansprüche verlustig zu gehen.
Zusammenfassung
Mit der aktuellen Entscheidung des LAG Hessen besteht nunmehr Einheitlichkeit bei den Obergerichten dahingehend, dass Chefärzte, aus welcher Begründung heraus auch immer, einen Überführungsanspruch in die ärztespezifischen Tarifverträge haben. In einer Vielzahl der Verfahren wurden die Revisionen zum BAG zugelassen, so dass von dort nunmehr eine rechtsverbindliche Entscheidung zu erwarten ist.
Diese wurde für Ende des zweiten Quartals 2010 angekündigt. Bis zu diesem Zeitpunkt drohen etwaige Ansprüche (zumindest teilweise) zu verjähren, so dass man sich mit dem Arbeitgeber dahingehend einigen sollte, eine Erklärung abzugeben, mit welcher dieser auf die Einrede der Verjährung bis zur Entscheidung des BAG verzichtet. Sobald dann die Entscheidung vorliegt, müsste man nochmals eine außergerichtliche Einigung anstreben bzw. dann eben gerichtlich unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BAG die Ansprüche durchsetzen, sofern das BAG im Sinne der Chefärzte entscheidet. Sofern eine solche Erklärung nicht zu erreichen ist, muss bereits jetzt ein Klageverfahren empfohlen werden.
Autoren des Artikels
Dr. jur. Jörg Heberer
Justitiar des BDC, Rechtsanwalt und Fachanwalt für MedizinrechtRechtsanwaltskanzlei Dr. Heberer & Kollegen kontaktierenProf. Dr. jur. Peter Hüttl
Fachanwalt für Arbeitsrecht und Medizinrecht, MünchenKanzlei Dr. Heberer & Kollegen kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
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