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Eine Chance für eine professionelle Veränderung und Gestaltung des Arbeitsplatzes OP

Die Ideologie, die mit dem Begriff Nachhaltigkeit verbunden wird, beinhaltet Wertekoordinaten, die für eine zukunftsorientierte Arbeitsplatzgestaltung im OP von großem Wert sind.

Die herausfordernden Themen für den OP-Betrieb bleiben der Fachkräftemangel, die zunehmenden Kosten, die zunehmende Technisierung in einer chirurgischen Versorgung und die hohen Ansprüche in der Qualitätssicherung.

Die qualitätsgesicherte reproduzierbare operative Versorgung der Patienten stellt das vorrangige Ziel bei der Gestaltung des Arbeitsplatz OP dar. Der Patient steht im prozessualen Fokus. Ein darauf ausgerichteter zukunftweisender Arbeitsplatz muss gestaltet werden. Gestaltung verlangt eine Berücksichtigung berechtigter Interessen aller Beteiligten am OP-Prozess.

Die derzeitige Beteiligung an der Arbeitsplatzgestaltung ist jedoch vielerorts gering. Tradierte Vorstellungen, hierarchische Positionen und Wertekulturen bestimmen die Arbeitsabläufe in vielen OP-Bereichen. Darüber hinaus lassen berufsständische Interessenwahrnehmungen wenig Raum für Veränderung und Gestaltung.

Gleichzeitig wird jedoch beklagt, dass sich medizinischer Nachwuchs nur sehr mühsam für den speziellen Arbeitsplatz im OP gewinnen lässt. Dies betrifft alle Berufsgruppen, die im OP wirken.

Mit dem Bewusstsein für Nachhaltigkeit in einer Organisation ergibt sich eine Umsetzungsverantwortung. Dieses Bewusstsein eröffnet die Chance, die Verantwortung im OP-Bereich mit allen an den OP-Prozessen Beteiligten zu teilen.

Unabhängig von der Profession, dem Alter und dem persönlichen sozialen Umfeld, bietet sich eine Möglichkeit der Gestaltung. Es kann für Jene zu einer Beteiligung führen, die sich bisher nur wenig in die Organisationsverantwortung integriert fühlten.

Nachhaltigkeit erfüllt dennoch keinen Selbstzweck, die Notwendigkeit die Vorhaltung von medizinischen Material und den Aufwand in der Herstellung kritisch zu kalkulieren, ergibt sich gleichermaßen aus der Ökonomie. Verschwendung von Material, Zeit und Ressourcen hat einen hohen betriebswirtschaftlichen Impact.

Idealerweise sollte Nachhaltigkeit keine alleinige isolierte Umsetzung im OP-Bereich erfahren. Die Erfüllung einer gesellschaftlichen Verantwortung und eines Selbstverständnisses in der Krankenhausorganisation positionieren das Haus insgesamt als attraktiven Arbeitgeber.

Die Vorgaben aus dem Energiewendegesetz, von Klimaschutzvereinbarungen und die verpflichtende Berichterstattung anhand des Deutschen Nachhaltigkeitskodex führen in der Konsequenz zu Nachhaltigkeitsstrategien mit zentralen und dezentralen Umsetzungen.

Zentrale Projekte und Maßnahmen benötigen meist höhere finanzielle Unterstützung. Sie beinhalten Maßnahmen zur Energieversorgung, wie klimaneutraler Strom aus erneuerbaren Energien, Austausch von Leuchtmitteln, ggf. energetische Gebäudesanierung und Infrastruktur zur Wärmeversorgung und Mobilität.

Dezentrale Projekte werden durch die Bereiche vor Ort gesteuert und benötigen kein oder nur ein sehr geringes Budget. Zunächst einmal gilt es, ein Bewusstsein für Nachhaltigkeitsthemen zu schaffen, um damit eine Eigenverantwortung zu fördern. Es geht um den persönlichen CO2-Abdruck am Arbeitsplatz, der durch ein Energiebewusstsein reduziert werden kann. Konkrete Umsetzungen beinhalten das Abschalten von PC und Druckern, die Reduzierung der Raumtemperatur, das Bedienen von Lichtschaltern und das Abschalten nicht benötigter Geräte.

Operative Eingriffe sind sehr ressourcenintensiv. Ca. 30 % des Krankenhausmülls entsteht im OP-Bereich, 30 bis 60 % sind potenziell recyclebar, die Entsorgung medizinischen Abfalls ist mit hohen Kosten und Emissionen verbunden. Dadurch ergeben sich konkrete Handlungsfelder, die bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes OP von hoher Relevanz sind.

Das Konzept der drei Rs (Reduce, Reuse und Recycle) beinhaltet die Grundbausteine des Ressourcenschutzes.

Reduce

Ein standardisierter OP-Ablauf beinhaltet eine kalkulierte notwendige Materialvorhaltung. Ziele sind die Vermeidung unnötiger OP-Materialien, die Reduzierung der Siebe auf notwendige Instrumente, eine Bestellung nach Verbrauch über dezentrale Lager und die deutliche Reduzierung des Abfallvolumens (Verpackungsmüll).

Nachhaltiges Beschaffungsmanagement lässt sich am Beispiel des Kit-Packs darstellen. Durch die Kommissionierung außerhalb des OP-Betriebs ergeben sich verringerte Abfallvolumina und es kann eine umweltfreundliche Entsorgung ermöglicht werden. Für die Mitarbeiter im Funktionsdienst resultiert zusätzlich eine Reduzierung der Personalbindung an patientenfernen Tätigkeiten, sie können sich auf ihre Kernkompetenz fokussieren. Standardisierte und vorkonfigurierte Materialvorhaltungen begünstigen Wechselzeiten im OP und bewirken damit eine Prozesseffizienz.

Volatile Anästhetika verursachen bis zu 35 % der THG-Emissionen (Treibhausgase) in einer Klinik. Eine kritische Bewertung der eingesetzten Narkosegase unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit führt zu signifikanten Reduzierungen der THG-Emissionen in der Anästhesie. Beispielhaft sei die Substitution von Desfluran durch Sevofluran erwähnt oder die grundsätzliche Umstellung auf alternative Narkoseverfahren.

Reuse

Bei der ökologischen Bewertung von OP-Textilien stellte Roland Fehninger bereits 2013 fest, dass wiederverwendbare OP-Mäntel und -Abdeckungen einen erheblichen Nachhaltigkeitsvorteil gegenüber gleichwertigen Einwegprodukten haben. Seitdem ist es der Industrie gelungen, durch veränderte Herstellungsverfahren und geänderten Materialeinsatz eine weitere Reduzierung der TKG-Emissionen zu realisieren. Beim Einkauf neuer und nachhaltiger OP-Textilien sollte auf zertifizierte Herstellungsverfahren geachtet werden.

Recycling

Der OP steht in einem besonderen Hygieneaspekt. Dies gilt auch für die Entsorgung von Müll. Wenn Verpackungsmaterialien nicht frühzeitig als Wertstoffe identifiziert und getrennt werden, enden sie als kontaminierter Sondermüll und müssen kostenintensiv entsorgt werden. Sauber getrennte Fraktionen sind die wesentliche Voraussetzung für erfolgreiches Recycling. Besonders bei diesem Thema sind kreative Lösung durch engagierte und ambitionierte Mitarbeiter gefordert.

Fazit

Professionelle Zusammenarbeit ist bestimmt durch definierte Verantwortungen und Kompetenzen. Der OP ist ein Modell für die gesamte Interprofessionalität und Interdisziplinarität im Krankenhaus und spiegelt damit die Unternehmenskultur. In keinem anderen Bereich treffen unterschiedlichen Disziplinen und Berufsgruppen so intensiv aufeinander. Eine Besonderheit ergibt sich durch die räumliche Nähe und die daraus resultierende tatsächliche enge Zusammenarbeit.

Arbeitsplatzgestaltung ist eine gemeinsame Aufgabe, die nur dann zur Zufriedenheit aller gelöst werden kann, wenn gesellschaftliche Werte und Verantwortung für eine medizinische Versorgung gelebt werden.

Neben den medizinischen Herausforderungen sehen sich Chirurg:innen im Klinikalltag bei steigendem ökonomischen Druck im Gesundheitswesen zunehmend mit Fragen der Gesundheitswirtschaft konfrontiert und bei Stellenbesetzungen wird nicht selten nach zusätzlichen medizinökonomischen Kompetenzen gefragt. Nicht jede:r findet aber die Zeit, ein mehrjähriges Studium oder eine längere Ausbildung zu absolvieren, um auch auf diesem Gebiet gut gerüstet zu sein. Die Webinar-Reihe „Medizinökonomie Kompakt“ soll helfen, die notwendigen Kenntnisse zu entwickeln.

Das Konzept ist modular aufgebaut und beantwortet alle Fragen rund um die Themen Dokumentation, Kodierung, Abrechnung, Controlling, Qualitäts- und OP-Management. Die Inhalte werden regelmäßig den aktuellen Entwicklungen angepasst. Das Programm wird Ihnen in 12 Webinaren als jährlicher Zyklus einmal im Monat angeboten, alle Präsentation sind aber auch online über die BDC|eAkademie abrufbar. Die Veranstaltungen können als Gesamtpaket oder auch einzeln gebucht werden.

Diemer M: Bewusstsein für Nachhaltigkeit. Passion Chirurgie. 2023 Juli/August; 13(07/08): Artikel 03_03.

Alle Artikel zum Thema „Nachhaltigkeit“ finden Sie auf BDC|Online (www.bdc.de) unter der Rubrik Wissen|Panorama|Nachhaltigkeit.

Autor des Artikels

Profilbild von Diemer

Matthias Diemer

Leitung OP-ManagementCharité Universitätsmedizin Berlin kontaktieren

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