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Gutachterkommissionen – Serviceeinrichtungen für Patienten auf Kosten von Ärzten?

Eine Aufgabe von den Ärztekammern ist die Bildung von Gutachterkommissionen zur Beurteilung von ärztlichen Behandlungsfehlern. Die Gutachterkommissionen erfüllen eine sinnvolle Aufgabe durch das Erkennen oder Ablehnen von behaupteten Behandlungsfehlern im Vorfeld einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Einige Gutachterkommissionen gehen über die reine Begutachtung hinaus und versuchen im Falle der Feststellung eines Behandlungsfehlers anschließend ein Schlichtungsverfahren zwischen Patient und Arzt.

Für den Patienten ist die Inanspruchnahme der Gutachterkommission kostenlos, so dass sie auch keine Hemmschwelle haben, mögliche Ansprüche gegenüber einem Arzt auszuprobieren.

Fakt ist andererseits seit Jahren gleichbleibend, dass ca. zweidrittel der geltend gemachten Ansprüche zurückgewiesen und nur bei eindrittel der geltend gemachten Ansprüche Behandlungsfehler festgestellt werden.

Die Gutachterkommission der Ärztekammer Nordrhein verschweigt aber, dass das Verfahren für Ärzte nicht kostenlos ist. In ihrem Statut heißt es zwar „Das Verfahren vor der Gutachterkommission ist für die Beteiligten gebührenfrei.“, das bedeutet aber nicht kostenlos.

Mit dem verfahrenseinleitenden Schreiben teilt die Gutachterkommission dem Arzt mit, dass es ihm nach den Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung obliegt, jeden Versicherungsfall unverzüglich dem Versicherer anzuzeigen, auch wenn noch keine Schadenersatzansprüche erhoben wurden.

Es erschließt sich zunächst nicht recht, warum die Ärztekammer den Arzt auf privatrechtliche Versicherungsbedingungen hinweist, die in keinem Zusammenhang mit dem Verfahren bei der Gutachterkommission stehen. Die Aufforderung den bei der Gutachterkommission zu beurteilenden Fall dem eigenen Haftpflichtversicherer zu melden mit dem zusätzlichen Hinweis, dass es eine Obliegenheitsverletzung darstellen würde, den Fall nicht zu melden und die weitere Aufforderung, die Angaben der Berufshaftpflichtversicherung der Gutachterkommission mitzuteilen, erhellt sich jedoch dadurch, dass die Gutachterkommission für jeden mitgeteilten Fall 690,00 EUR von dem Haftpflichtversicherer erhält. Denn die Ärztekammer Nordrhein und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft haben eine Vereinbarung geschlossen, nach der sich der Berufshaftpflichtversicherer an den Kosten der Gutachterkommission in Form einer Kostenpauschale beteiligt, da es auch im Interesse des Haftpflichtversicherers liegt, ein preiswertes Gutachten zu erhalten.

Die Berufshaftpflichtversicherer bilden jedoch für jeden gemeldeten Fall eine Rückstellung zu Lasten des Arztes und können nach wenigen gemeldeten Fällen allein aufgrund der Rückstellungen, ohne einen Schadenersatz gezahlt zu haben, den Versicherungsvertrag kündigen, mit dem Ziel, eine deutlich höhere Prämie zu verlangen. Die Rückstellungen werden auch gerne von den Versicherern bis zum Jahresende aus steuerlichen Gründen in den Bilanzen belassen, um die Steuern auf die Gewinne zu drücken.

Sofern ein anwaltlich beratender Arzt aus diesen Gründen der Ärztekammer mitteilt, dass es ihm freistehe, ob und wann er seine Berufshaftpflichtversicherung informiere und dies möglicherweise bei einem von Vornherein als nicht erfolgreich zu beurteilenden Vorwurf des Patienten unterlässt, erhält er von der Kammer den etwas drohenden Hinweis, dass es ihm sicherlich bekannt ist, dass er aufgrund einer Obliegenheitsverletzung gegenüber dem Haftpflichtversicherer den Versicherungsschutz in diesem Fall einbüßen könne und der Versicherer von der Leistung frei ist.

Gesteigert wird die „Drohkulisse“ durch die anschließende Mitteilung der Ärztekammer, dass ihr bekannt geworden sei, dass der Arzt der wiederholt geäußerten Bitte um Mitteilung der Berufshaftpflichtversicherung nicht entsprochen habe. „Die nicht erfolgte Mitteilung Ihrer Berufshaftpflichtversicherung gegenüber der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler begründet Zweifel an dem Bestehen einer Berufshaftpflichtversicherung und damit dem Verdacht einer Berufspflichtverletzung.“

Im Ergebnis bedeutet dies, die Gutachterkommission versucht, die Angabe der Berufshaftpflichtversicherung durch den Arzt unter vorgeblichem Verstoß gegen die Berufsordnung zu erzwingen, damit sie ihre Finanzierung sicherstellt. Damit verlässt sie den Rahmen ihrer Aufgaben und Möglichkeiten.

Die Kammern erheben zur Erfüllung ihrer Aufgaben Beiträge von ihren Kammerangehörigen. Da es sich bei den Gutachterkommissionen nach § 6 Abs. 1 Nr. 9 Heilberufsgesetz um Aufgaben der Kammern handelt, sind diese auch grundsätzlich von den Kammern zu finanzieren. Es ist daher bereits fraglich, ob eine zusätzliche Finanzierung durch die Berufshaftpflichtversicherer legitim ist.

Kammern können für besondere Amtshandlungen, sonstige Tätigkeiten und für die Inanspruchnahme ihrer Einrichtungen Gebühren erheben (§ 6 Abs. 4 Heilberufsgesetz NW). Die Kammer könnte daher für die Erstellung des Gutachtens von dem beantragenden Patienten eine Gebühr für die Inanspruchnahme erheben. Nach eigenen Bekunden der Gutachterkommission geht deren „Patientenfreundlichkeit“ aufgrund einer Anweisung des Ministeriums jedoch sogar soweit, dass sie selbst dann, wenn ein Arzt seine Mitwirkung an diesem freiwilligen Verfahren verweigert, die Begutachtung mit fraglicher Grundlage gleichwohl für den Patienten durchführt.

Patienten, die für behauptete Behandlungsfehler Leistungen der Ärztekammer in Anspruch nehmen, sollen diese bezahlen und nicht Ärzte von den Kammern mit vorgeblicher Begründung gezwungen werden, die Angaben ihrer Berufshaftpflichtversicherung zu machen, damit Ärzte den Patienten kostenlose Gutachten finanzieren.

Hohmann U. Gutachterkommissionen – Serviceeinrichtungen für Patienten auf Kosten von Ärzten? Passion Chirurgie. 2012 Dezember; 2(12): Artikel 06_01.