Alle Artikel von Dr. med. Ulrike Schlein

Dialog zwischen verschiedenen Chirurgengenerationen

Eine Kongress-Nachlese zu Kommunikations- und Führungsthemen

„Was können wir gemeinsam tun, dass sich die Situation in den Kliniken möglichst bald bessert?“, fragte eine junge Assistenzärztin in der Sitzung „Führungskultur und Verantwortung“ am zweiten Kongresstag in München. Eigentlich hätte es an dieser Stelle losgehen können. Doch so ging die Sitzung zu Ende.

In den Vorträgen gab es verschiedenen Anregungen zur Führungskultur. Die Generationsumfrage des BDC zeigte die zum Teil differierenden Wünsche derjenigen Mitarbeiter mit Buchstaben vom Ende des Alphabets im Vergleich zu denjenigen Mitarbeitern aus den Babyboomer- und Wirtschaftswunderjahren. Ärztliche Verantwortung wie auch Transplantationsskandale waren die Themen.

Der Saal war gut gefüllt, die Zuhörer überwiegend graumeliert, kaum junge Teilnehmer. Amtierende Führungskräfte vermutlich, die zu den Ausführungen zustimmend nickten, sich offenbar in ihrem Handeln bestätigt fühlten. Jedenfalls ließen Diskussionsbeiträge am Ende der Sitzung darauf schließen: „Eigentlich machen wir doch schon alles richtig; wir haben es begriffen“, so war die Erkenntnis.

Doch dann begann die eigentlich interessante Phase der Veranstaltung: Die Vertreter der älteren Generation gingen wie selbstverständlich zum vorderen Mikrofon und äußerten sich. Dass eine junge Ärztin schon sehr viel länger geduldig am hinteren Mikrofon wartete, war außerhalb der Wahrnehmung von Diskutierenden und Vorsitzenden. Was würde sie tun? Würde sie sich resigniert wieder hinsetzen? Sie setzte sich nicht. Sie blieb ruhig und freundlich. Sie stellte ihre Frage und schlug vor, gemeinsam zu handeln. An dieser Stelle musste der Vorsitzende die Sitzung beenden. Zeitnot. Kein Dialog. Zufall oder Symptom?

Vieles in dieser Sitzung war interessant, aber: Es wurde über die junge Generation von Ärzten gesprochen. Ein Dialog zwischen den Generationen wäre interessanter gewesen.

„Kommunikation für Ärzte“ – Kommunikationsworkshop des BDC

Genau dieser Dialog stand im Mittelpunkt des dreistündigen Workshops und gab den Teilnehmern viele konkrete Anregungen für ihre Arbeit in ihren Kliniken. „Kommunikation für Ärzte ist die Kommunikation zwischen Ärzten“, so der Ansatz. Der Workshop war gut besucht und hätte auch noch mehr Teilnehmer aufnehmen können, die aber leider von der Kongressorganisation abgeschreckt worden waren. Ausgebucht, überfüllt, war die Absage. Schade, denn das stimmte nicht.

Wie kam es zu der Idee des Workshops? In Führungsworkshops mit Chef- und Oberärzten einerseits und Workshops für PJ-Studenten und jungen Absolventen (z. B. für das Deutsche Ärzteblatt) andererseits entsteht immer mehr der Eindruck, dass die Generationen aneinander vorbei reden, sich missverstehen. Chef- und Oberärzte (der jetzt definierten Wirtschaftswunder- oder Babyboomergeneration) wundern sich über die bewusste Trennung von Arbeit und Leben in der jüngeren Generation. Zum Teil werfen sie den Youngstern Desinteresse vor.Die Jungen erzählen immer wieder verschiedene Varianten von: „Im PJ und auch am Anfang der Assistenzzeit wusste ich nicht, was von mir erwartet wurde. Ich fühlte mich oft insuffizient. Ich durfte wenig machen und musste gleichzeitig in Mangelsituationen alles können. Meine Einarbeitung haben überwiegend die Schwestern übernommen. Ich wusste oft nicht, wohin ich gehörte.“

Ähnliche Sätze hätten die Generationen zuvor auch formulieren können, doch das Bewusstsein und die Rahmenbedingungen haben sich eben geändert. Dass die Evolutionsgeschichte in vielen Themenbereichen Fortschritte für alle gebracht hat, macht Hoffnung.

„Nehmen Sie uns bitte mit auf den Weg!“

Isabell Woest, PJ-Studentin aus Jena, spiegelte den anwesenden Chef- und Oberärzten aus verschiedenen chirurgischen Disziplinen wider, in welche schwierigen Situationen sie und ihre Mitstudenten oft kommen. Wie wenig Orientierung sie im Alltag darüber haben, was von Ihnen verlangt wird. Wie schwierig es für Studenten ist, für sich eine Balance zu schaffen aus Mitarbeit im klinischen Alltag, was meist gleichbedeutend somit ist, Entlastung zu schaffen für die Abteilung und gleichzeitig die notwendigen Schritte zu tun auf dem eigenen Entwicklungsweg.

PJ-Studenten bekämen Informationen oft nur bruchstückhaft, führt sie aus. Vor lauter Blutabnehmen und Venülen legen seien sie häufig nicht anwesend, wenn nächste Schritte zu Patienten besprochen werden. Im Kontakt zu Patienten und Angehörigen und zum Pflegepersonal fehlen dann die notwendigen Informationen, auch im OP.

Werden Studenten dann zur Assistenz in den OP gerufen, so bemüht sich niemand mehr, sie in das Geschehen zu integrieren, Zusammenhänge herzustellen. Die Studenten selbst trauen sich im OP oft nicht zu fragen, weil sie nicht stören wollen. So haben sie nicht den Eindruck etwas zu lernen und erst recht nicht das Gefühl, ein Teil des großen Ganzen zu sein. Viele fühlen sich auch in ihrer unklaren Rolle als PJ-ler unwohl. In ihrer resignativen Erkenntnis, noch nicht mal Appendix im System zu sein, nutzen sie dann oft die erste Gelegenheit, den Feierabend einzuläuten.

Sehr klar und strukturiert erläuterte die junge Frau die Wechselwirkungen des Handelns und machte deutlich: „Wir wollen nicht unverschämt sein. Wir sind nicht desinteressiert. Wir wollen nicht absahnen. Viele von uns setzen sich gern ein. Aber bitte nehmen Sie uns mit auf den Weg!“

Die anwesenden Chef- und Oberärzte nachdenklich: „Wenn wir von den Studenten für unsere Abteilungen etwas haben wollen (und sie von uns), müssen wir strukturiert mit ihnen reden und nicht nur plaudern. Mentoringsysteme haben wir bereits eingeführt. Aber ein Gespräch zu Beginn des PJ-Tertials und zum Abschluss, das gibt es nicht. Eine Art wechselseitiger Auftragsklärung wäre wichtig. Denn ein Student, der später Allgemeinmedizin oder Psychiatrie machen möchte, wird ganz andere Dinge in seinem Chirurgie-Tertial sehen wollen als einer, der sich für ein operatives Fach entscheiden möchte. Das heißt nicht, dass derjenige desinteressiert sein muss, wie wir meist denken. Individuelle Ziele und den Weg dahin können in einem kurzen orientierenden Gespräch geklärt werden. So viel Zeit muss sein!“

„Für Entscheidungen und Antworten muss ich selber sorgen!“

Kathleen Hartwich, Weiterbildungsassistentin im vierten Ausbildungsjahr im Universitäts Centrum für Orthopädie und Unfallchirurgie in Dresden, dachte pragmatisch: „Ich brauche kurze und klare Absprachen im Alltag. Der Laden muss laufen. Da kann man nicht so viel reden. Fachliche Fragen bespreche ich mit den erfahrenen Fachärzten. Das läuft super. Wir verstehen uns gut. Ich darf auch viel selbst operieren und kann mich entwickeln. Benötige ich übergeordnete Entscheidungen von Chef- oder Oberärzten, dann muss ich dafür sorgen, dass ich sie bekomme. Ich darf in der Chirurgie nicht schüchtern sein. Ich warte nicht ab, ich bin nicht empfindlich. Aber es stimmt schon, ich handele so, weil ich durch meinen vorher erlernten Beruf schon ein bisschen älter bin. Das kommt mir sicher im Vergleich zu den ganz jungen Kollegen zugute. Früher hätte ich mich auch nicht getraut. Von meinen Vorgesetzten erwarte ich kurze Rückmeldungen zu meinem Handeln. Sonst kann ich mich nicht verbessern.“

Strahlend formulierte Frau Hartwich dann ihren ermutigenden Abschlusssatz: „Ich bin sicher: Ich habe mir den schönsten Beruf ausgesucht, den es überhaupt gibt!“

„Doch was machen wir mit wenig strukturierten Mitarbeitern?

Die Chef- und Oberärzte bedankten sich für die Einblicke in die Bedarfe der beiden jungen Kolleginnen. Einen Arbeitsvertrag in der eigenen Klinik würden sie gern anbieten. Denn: Leider sind nicht alle Mitarbeiter so klar und strukturiert im Alltag. „Was machen wir mit denjenigen, die stapelweise Entlassungsbriefe vor sich her schieben, die immer nur OPs fordern und wenig Einsatz zeigen?“

Interessant war für die Anwesenden der Gedanke, dass jeder Assistenzarzt mindestens zwei Rollen im Kliniksystem hat: Er ist Weiterbildungsassistent und zugleich Mitarbeiter der Abteilung. Jeder Chef- oder Oberarzt ist Ausbilder und Führungskraft. Aus jeder der Rollen sind die Erwartungen an die Gegenüber unterschiedlich. Oft werden sie vermischt und Themen verknüpft, die eigentlich keinen Zusammenhang haben. („Sie dürfen erst in den OP, wenn…!“) Ein Oberarzt kann von einem ärztlichen Mitarbeiter erwarten, dass er – passend zu seiner Berufserfahrung – sich selbst auf seiner Station organisiert und die Abläufe koordiniert. Ein junger Arzt hat die Erwartung, bei diesen Lernschritten eine Unterstützung zu erhalten, die über ein „Na, wie läuft’s? Alles in Ordnung? Ich bin dann mal weg!“ hinaus geht.

Klarheit in der Führung ist im Alltag notwendig. Ein junger Arzt muss jeweils wissen, was von ihm in den ersten drei Monaten, in den ersten sechs Monaten, nach einem Jahr und am Ende des Common Trunk erwartet wird. Bei diesen Gesprächen sind auch die Vorerfahrungen zum Beispiel aus dem Studium, der Promotion oder Auslandsaufenthalten zu berücksichtigen. Erfüllt ein nachgeordneter Arzt die Anforderungen nicht, sind Kritik- und Konfliktgespräche notwendig. Sie müssen nicht furchtbar und unangenehm sein. Ganz im Gegenteil: Sie können eine Chance für alle Beteiligten sein. Sie geben Orientierung über Erwartungen und Handlungen in der Zukunft. „Wir finden berechtigte Kritik vollkommen in Ordnung“, bestätigt die junge Studentin aus Jena. „Auf das Wie kommt es an!“

Die Atmosphäre in der Gruppe ließ ein wenig praktisches Üben zu. Dabei zeigten sich die klassischen Fallstricke in der Gesprächsführung. Die Teilnehmer gingen mit einer kleinen ‚OP-Lehre für Kritikgespräche’ zurück ins Kongressgeschehen und waren mit dem Dialog und den Erkenntnissen aus dem Workshop sehr zufrieden.

Schlein U. / Hager van der Laan J. Dialog zwischen verschiedenen Chirurgengenerationen. Passion Chirurgie. 2013 September, 3(09): Artikel 05_02.

Moderation als Führungskunst

Der Moderator kann viel dazu tun, die Teilnehmer zur Mitarbeit zu inspirieren. Dazu muss er sein Handwerk beherrschen. Leider fällt die Kompetenz dazu nicht vom Himmel; nicht jeder Abteilungsleiter ist kraft seines Amtes automatisch auch ein geeigneter Leiter von Arbeitstreffen. Es ist dazu Übung nötig und ein bisschen theoretisches Wissen.

Mancher „Praktiker“ denkt, wenn eine Tagesordnung vorliegt, sei seine Aufgabe nahezu erfüllt und sein weiteres Handeln in der Rolle des Leiters könne sich auf das Wort-erteilen und die Zeitkontrolle beschränken. Aber das ist nicht so.

Zwei Meta-Aufgaben, die in einer Gruppe zu erfüllen sind – Zwei Dimensionen der Einflussnahme

In jeder Gruppe – auch einer, die nur für kurze Zeit besteht – sind zwei übergeordnete Aufgaben zu erfüllen: Es muss etwas dafür getan werden, die Leistungsbereitschaft der Teilnehmer zu fördern. Und damit das geschieht, muss zwischen den Teilnehmern ein Klima des wechselseitigen Vertrauens und der Offenheit entstehen. Dazu die folgende Graphik:

 

Wenn es in den Beziehungen zwischen Teilnehmern Störungen wie Rivalitäten, Unterstellungen oder seelische Verletzungen gibt, dann ist die sachliche Arbeit massiv gefährdet. Es ist Aufgabe des Moderators, das zu erkennen und gegen zu steuern. Der klassische Appell: „Bleiben Sie sachlich!“ bewirkt in der Regel wenig. Der Moderator braucht ein Repertoire von Interventionsmöglichkeiten, um den Prozess in Richtung eines befriedigenden sachlichen Ergebnisses zu steuern.

Steuerungsimpulse des Moderators auf der Sachebene der Kommunikation

Als Kommunikationspsychologen reden wir in diesem Fall von den Leistungsfunktionen, die in einer Gruppe allgemein, aber eben vor allem durch den Moderator, zu erfüllen sind. Hauptaufgabe des Moderators in jeder Sitzung ist, dem Treffen Sinn und Struktur zu geben. Bereits bei der Vorbereitung der Sitzung liegt es in der Verantwortung des Moderators, das Ziel zu klären und zu formulieren. Zu Beginn sollte er dann zunächst einen Konsens herstellen über das Ziel der Sitzung und den thematischen Ablauf. Er sollte auch Vorschläge zur Methode des Vorgehens machen und überprüfen, ob die übrigen Teilnehmer damit einverstanden sind.

Bei jedem anstehenden Thema ist es seine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass, bevor ein Meinungsaustausch beginnt und Entscheidungen eingeleitet werden, die relevanten Informationen zur Verfügung stehen. Gegebenenfalls muss er sie selber geben.

Ein kompetenter Moderator behält das Thema im Auge und führt bei Abweichungen oder intensiven Diskussionen auf Nebenschauplätzen zum Thema zurück. Wenn „verdeckte Tagesordnungen“ den Verlauf zu beherrschen drohen oder Interessenspolitik das Feld bestimmt, ist es seine Aufgabe, das zu erkennen und zu benennen und die daraus entstehenden Konfliktsituationen aufzulösen. Ein weiterer Beitrag des Moderators zum Leistungsfortschritt der Arbeitsgruppe ist, Zwischenergebnisse festzuhalten. Das gilt besonders für Sitzungen, die zur Problemlösung oder Koordination einberufen wurden. Wenn möglich visualisiert er sie am Flipchart oder auf Moderationswänden. Insbesondere in Gruppen aus Leitungskräften steht der Moderator vor der Herausforderung, die aus der Diskussion entstanden Lösungswege aufzuzeigen, ihre Akzeptanz bei den übrigen Mitgliedern zu überprüfen und daraus Maßnahmen ableiten und formulieren zu lassen, die von allen getragen werden. Viele Sitzungen gehen zu Ende, ohne dass Ergebnisse festgehalten und die notwendigen Handlungen oder Maßnahmen geplant und Aufgaben verteilt worden sind. Das einzige Ergebnis ist dann die Verabredung zur nächsten Sitzung.

Besonderer Ehrgeiz des Moderators sollte sein, die personellen Ressourcen der anwesenden Teilnehmer auszuschöpfen und nicht zu blockieren. Das kann er erreichen, indem er beispielsweise Beiträge von Teilnehmern aufgreift oder herausfordert und zur Diskussion stellt. Oder, indem er Schweigende oder Minderheiten gezielt zur Teilnahme ermutigt. Verliert er sich dagegen etwa in seiner Doppelrolle als Vorgesetzter und Moderator in Monologen, darf er sich nicht wundern, wenn die Teilnehmer der Sitzung peu à peu verstummen.

Erkennt er Widerstände im Kreis der Teilnehmer, so ist es seine Aufgabe, diese zum Thema zu machen und zu überwinden. Widerstände äußern sich unterschiedlich: Teilnehmer kommen zu spät, verlassen zwischendrin das Meeting, reden untereinander und nicht mit der Gruppe oder geben in nonverbalen Zeichen zum Ausdruck, dass sie mit dem Verlauf der Sitzung nicht einverstanden sind. Es hilft nicht, diese Zeichen zu ignorieren oder zu bagatellisieren, denn sie gefährden das angestrebte Ergebnis.

Steuerungsimpulse des Moderators auf der Beziehungsebene der Kommunikation

In diesem Fall sprechen wir Kommunikationspsychologen von den gruppenbildenden Funktionen, mit denen latente sozio-emotionale Bedürfnisse der Teilnehmer bedient werden sollen. Aber das ist kein Selbstzweck in Arbeitsgruppen. In eher privaten Gruppen kann das anders sein. In Arbeitsgruppen unterstützt die Wahrnehmung von gruppenbildenden Funktionen die Arbeit an der Sache, etwa indem der Moderator Teilnehmer ermutigt, bestätigt, fragt oder Beiträge wiederholt, damit sie gehört werden.

Er muss verhindern, dass Teilnehmer übergangen, zurückgedrängt oder einfach niedergestimmt werden, weil dann die Gefahr besteht, dass wichtige Beiträge zur Sache verloren gehen.

Unterschiedliche Ziele und Aufgaben von Arbeitstreffen

Die beiden Aufgaben haben bei den unterschiedlichen Typen von Arbeitstreffen jeweils ein anderes Gewicht. Im Kasten werden Arten von Besprechungen unterschieden. Sie erfordern jeweils ein spezifisches Handeln auf Seiten des Besprechungsleiters und der Teilnehmer:

Beispielsweise ist bei der Informationsbesprechung der Leiter in der Regel auch der Vorgesetzte. Wenn das so ist, geht von ihm die Initiative aus.

Der Leiter von Koordinations- und Problemlösungsbesprechungen ist dagegen eher in der Rolle des Moderators gefragt, denn seine Aufgabe ist, die Kompetenzen der Anwesenden für die Ziele des Treffens zu nutzen. Deshalb ist es sinnvoll, wenn er sich mit eigenen Vorschlägen eher zurückhält. Interdisziplinäre Sitzungen an Schnittstellen zwischen verschiedenen Berufsgruppen oder Abteilungen in den Kliniken sind Beispiele, für die das zutrifft. Die Qualität der Moderation entscheidet über die Ergebnisse eines solchen Arbeitstreffens.

Unterschiedliche Ziele und Aufgaben von Arbeitstreffen

  • Informationsbesprechung
    Der Besprechungsleiter oder ein weiterer Referent geben Informationen an den Teilnehmerkreis. Dies geschieht häufig als Kurzvortrag oder Präsentation mit Visualisierung. Die Teilnehmer haben die Möglichkeit nachzufragen und über die Bedeutung der Information für ihren Bereich zu diskutieren.
    So sind auch die meisten Sitzungen bei Kongressen, Symposien oder Tagungen einzuordnen. Meist ist ein kurzer Erfahrungsaustausch gewünscht.
  • Koordinationsbesprechung oder Konferenz
    Die Teilnehmer stimmen ihr Vorgehen bei einem gemeinsamen Projekt oder bei der generellen Zusammenarbeit ab. Alle bringen eigene Informationen, Erfahrungen und Meinungen ein. Das Ergebnis ist ein gemeinsamer Maßnahmenplan.
  • Problemlösebesprechung
    Im Mittelpunkt der Besprechung steht ein gemeinsames Problem, zu dessen Lösung jeder Teilnehmer ein Stück beiträgt. Die Besprechung umfasst viele sehr unterschiedliche Schritte von der Informationssammlung und -verarbeitung über die Entwicklung von Lösungen zur Entscheidung und Maßnahmenplanung.
  • Leitung von Telefon- bzw. Videokonferenzen
    Grundsätzlich gelten für die erfolgreiche Durchführung solcher Konferenzen die gleichen Regeln wie bei anderen Meetings. Erschwernisse ergeben sich bei Telefonkonferenzen oder bei Meetings im Rahmen von Internetplattformen aus der visuellen Anonymität der Teilnehmer.

Notwendig: Die Rollenflexibilität des Moderators

Oft hat der Leiter von Arbeitsgruppen mehrere Hüte auf: Neben seiner Rolle als Moderator ist er häufig zugleich Vorgesetzter, Teilnehmer und Fachmann für bestimmte Themen. Aus jeder Rolle sollte er sich äußern dürfen. Weil aber alles, was gesagt wird, in seinem Gewicht abhängt von der Rolle dessen, der da spricht, sollte er zu erkennen geben, in welcher Rolle er sich jeweils äußert. „Als Chef der Abteilung habe ich zu dem Thema folgende Haltung…“; „Als Moderator bitte ich vor allem den Kollegen X, seine Position zum anstehenden Thema zu formulieren!“ Wichtig ist, dass er die Gruppe mit der Autorität seiner verschiedenen Positionen nicht majorisiert. Aufgabe des Moderators ist, auch wenn er eine eigene Meinung zum Thema hat, Beiträge der übrigen Teilnehmer herauszufordern oder aufzugreifen und sie zur Diskussion zu stellen. Wenn es am Ende um Entscheidungen geht, ist er wieder in seiner Rolle als Vorgesetzter gefragt.

Dass die geforderte Flexibilität in der Praxis nicht so leicht zu verwirklichen ist, zeigte sich im Rahmen einer Seminarveranstaltung für Chefärzte in einer Klinik, in der auch reale Fälle aus dem Klinikalltag behandelt wurden. Das Sachthema war: „Örtliche Veränderungen von Abteilungen auf dem Klinikgelände“. Geübt werden sollte das Vorgehen eines Moderators, der in mehreren Rollen gleichzeitig an der Sitzung teilnimmt. Der ausgewählte Kollege war in der Realität einer der potentiell Hauptbetroffenen des anstehenden Veränderungsprojekts, hatte sich aber vorgenommen, die Sitzung neutral zu leiten. Das gelang ihm recht gut bis zu einer Phase der Diskussion, in der eines seiner wichtigsten Anliegen zur Sprache kam. In dem Moment fiel er buchstäblich aus seiner Rolle als Moderator und platzte heraus: „So geht das nicht! So können wir das nicht machen! Was sollen die niedergelassenen Ärzte von uns denken! Und was die Patienten! Das mache ich nicht mit!“ Ohne Ankündigung war er in die Rolle des hauptbetroffenen Chefarztkollegen gewechselt – und löste bei den Kollegen, als Seminarteilnehmern, verständnisvolles Lachen aus. Allen war noch einmal deutlich geworden, wie schwierig es ist, mit der Doppelrolle des betroffenen Teilnehmers, der gleichzeitig moderieren will, zurande zu kommen. Es ist ein Lernprozess.

Phasen in Arbeitsprozessen von Gruppen

Hat der Moderator die klassischen Phasen eines Arbeitsprozesses in Gruppen vor Augen hat, so kann er besser steuern, dass jeder dieser notwendigen Abschnitte seinen angemessenen Raum erhält. Oft wird der grundlegende Informationsaustausch zum Thema zu rasch beendet, weil Teilnehmer darauf dringen, zu allem, was zunächst nur als Information eingebracht wird, gleich ihre Meinung zum Besten zu geben. Es ist an dieser Stelle die Aufgabe das Moderators, das zu verhindern. Auch bei hierarchisch Vorgesetzten.

Phasen in Arbeitsprozessen von Gruppen

Kontakt-Phase

Hier geht es um die Akklimatisierung der Teilnehmer, die Eröffnung, Begrüßung und den organisatorischen Rahmen (Dauer, Pausen, Protokoll, Tagesordnung)

Informations-Phase

Diese sollte nicht verwechselt werden mit den späteren Schritten. Im Vordergrund stehen der Anlass zum Treffen, die Ziele, die Planung und dann der Informationsaustausch. In dieser Phase sollten Bewertungen vermieden werden. Das ist nicht immer einfach.

Phase der Meinungsbildung und Entscheidungsvorbereitung

Wenn die Fakten auf dem Tisch liegen, hat der Moderator die Aufgabe, mit den Teilnehmern zusammen Bewertungskriterien herauszuarbeiten und Stellungnahmen zuzulassen. Die Beteiligten einer Sitzung entwickeln gemeinsam Lösungsvorschläge und vereinbaren Entscheidungskriterien.

Entscheidungs-Phase

Gerade um in diesem Abschnitt einer Sitzung genügend Zeitressourcen für eine überlegte Entscheidung zu haben, ist es wichtig, die voran gehenden Phasen einzugrenzen. Am Ende einer Sitzung fällt dem Moderator die Aufgabe zu, die Ergebnisse zusammenzufassen und Entscheidungen herbeizuführen, auf deren Basis nächste Maßnahmen und Termine verbindlich vereinbart werden. Hat er nicht dafür gesorgt, sind unüberlegte, schnelle Beschlüsse ohne Nachhaltigkeit dann oft das Ergebnis.

Abschluss-Phase

Zur Verbesserung der Besprechungskultur kann der Moderator an dieser Stelle um Rückmeldungen zum Verlauf der Besprechung bitten, muss aber gleichzeitig verhindern, dass Teilnehmer erneut thematisch einsteigen.

Gibt es mehrere Tagesordnungspunkte, so werden die Phasen 2 bis 4 getrennt nacheinander behandelt.

Besondere Herausforderung: Die Moderation einer Kongresssitzung

Das ist ein Sonderfall. Denn einerseits ist die „Gruppe“ der Sitzungsteilnehmer sehr heterogen, und sie hat nicht das Ziel, zu einem gemeinsamen Ergebnis zu kommen. Sie wünscht sich Vorträge zu dem angekündigten Thema, die von Belang sind, in einer inhaltlich plausiblen Reihenfolge vorgetragen werden und in einem Zeitrahmen, der ausreichend Diskussion zulässt.

Der Leiter der Sitzung hat nur eingeschränkte Möglichkeiten, sich auf die Sitzung vorzubereiten. Er weiß meist nicht im Detail, was die Referenten vortragen, und muss deshalb auf magerer Informationsbasis den thematischen Ablauf festlegen und die Zeit so planen, dass alle Referenten ihren Vortrag halten können und jeweils genug Zeit für die Diskussion zur Verfügung steht. Die besondere Kunst besteht nun darin, einerseits inhaltlich präsent zu sein und zu jedem Vortrag einleitend und abschließend etwas sagen zu können und zugleich den Verlauf zu steuern. Nämlich zu erkennen, wann der geplante Ablauf gefährdet ist und etwas zu seiner Nachsteuerung getan werden muss. Besondere Anerkennung verdient der Moderator dann, wenn ihm das in angemessener Abstimmung mit den Referenten schon in der Planung der Sitzung gelingt. Das Publikum wird ihm dafür dankbar sein. Es muss keine Redundanzen in Vorträgen ertragen und kann auch in der Zusammenstellung der Vorträge einen ‚roten Faden’ erkennen.

Moderieren lernen?

Mediziner können es im Rahmen eines Seminars bzw. „Trainings“ oder „im Training on the job“ lernen. Beispielsweise werden in den Seminaren, die der BDC anbietet, Theorie mit einschlägigen Übungen verknüpft, so dass der Teilnehmer Gelegenheit hat, sich in praxisnahen Simulationen auf den Ernstfall vorzubereiten. Noch näher an der Realität ist das Training on the job: Es werden wirkliche Arbeitssitzungen unter externer Supervision abgehalten. Der Supervisor hat den Auftrag, schon während der Sitzung, aber vornehmlich nach der Sitzung ein Feedback zu geben, aus dem die Teilnehmer zum Beispiel als Abteilung oder Chefarztrunde für eine zukünftige Sitzung für sich Konsequenzen ableiten können.

Diese Möglichkeit nutzen Kliniken oder Klinikverbände, indem sie solche Ärzte oder interdisziplinär verantwortlichen Fachleute zu einem Moderationsworkshop einladen, die später im Alltag konkret zusammenarbeiten müssen oder innerhalb einer Organisation mit Moderationsaufgaben betraut sind. Das sind Chef- und Oberärzte aus Abteilungen, Pflegedienstleiter, Stationsleitungen von Intensivstationen oder OP-Manager, Therapieleitungen, Leiter von interdisziplinären Zentren und viele andere Führungskräfte an Schnittstellen, also alles Mitarbeiter einer Klinik, die Moderationskompetenzen im Alltag benötigen. Das Lernen on the Job gibt ihnen Gelegenheit, gleichzeitig eine notwendige Arbeit zu erledigen und an konkretem Anschauungsmaterial zu lernen.

DOC.Com Veranstaltungen 2012
Professionelle Kommunikation und Führungskompetenz
Seminarreihe für Ärzte in der Weiterbildung, Fachärzte und Führungskräfte

Für Assistenzärzte und junge Fachärzte werden neben dem klinischen Wissen und den operativen Fertigkeit Kompetenzen in der Gesprächsführung gefordert. In den Workshops für diese Zielgruppe stehen daher herausfordernde Begegnungssituationen mit Patienten und Angehörigen im Mittelpunkt. Der zweite Themenkomplex ist dem Arbeitsleben im Team gewidmet. Konflikte mit Kollegen innerhalb der eigenen Abteilung aber auch zwischen Assistenzärzten und Pflegenden sind Zeit- und Effizienzkiller – im Extremfall können sie sogar zu Fehlern führen.

Zur Vorbereitung auf eine neue Rolle oder als Reflexionsangebot für Amtsinhaber sind die Führungsmodule „Fit in der Führungsrolle“ zusammen gestellt. In den vergangenen Jahren waren die teilnehmenden Chef- und Oberärzte oder Praxisinhaber vor allem begeistert von der prozessorientierten Arbeitsweise. Jeder Teilnehmer arbeitet an seinen individuellen Fragestellungen aus dem Alltag. Anregungen zur Klärung, erlebnisaktivierende Methoden und Kleingruppenarbeiten unter Fachkollegen werden angereichert mit Impulsreferaten zu theoretischem Hintergrundwissen. Die kleinen Seminargruppen ermöglichen eine Workshopatmosphäre, die mit Vortragsreihen oder Kongressen nicht zu vergleichen ist.

Bitte klicken Sie auf den Termin um mehr über die Veranstaltung zu erfahren oder sich anzumelden. Gerne können Sie sich auch persönlich an unsere Akademie wenden, wenn Sie Fragen haben:

BDC|Akademie
Berufsverband der Deutschen Chirurgen e. V. (BDC)
Frau Renate Schönzart / Frau Elke Griese
Luisenstr. 58/59, 10117 Berlin
Telefon 030/28004120, Fax 030/28004129
E-Mail: [email protected]

Termin Ort Titel Preise
BDC-Mitglieder / Nichmitglieder
07. – 10.11.2012 Berlin Führungsseminar I
Souveräne ärztliche Führung
Zielgruppe: Oberärzte, Chefärzte, Praxisinhaber
1.500,- € / 2.000,- €
auf Anfrage Berlin Führungsseminar II
Mitarbeitergespräche als Führungsaufgabe
499,- € / 799,- €
auf Anfrage Berlin Führungsseminar III
Vorbereitung auf schwierige Gespräche mit der Klinikleitung
499,- € / 799,- €
auf Anfrage Berlin Führungsseminar IV
Prozessorientierte Moderation von Konferenzen
499,- € / 799,- €
auf Anfrage Berlin Kommunikationseminar I
Gesprächsführung bei intra- und perioperativen Komplikationen
Zielgruppe: Fachärzte, Oberärzte, Chefärzte
499,- € / 799,- €
auf Anfrage Berlin Kommunikationseminar II
Mit Patienten und Angehörigen reden
299,- € / 499,- €
auf Anfrage Berlin Kommunikationseminar III
Teamarbeit im interdisziplinären Team – die Fallstricke der ersten Jahre
299,- € / 499,- €

Das Wichtigste ist: Die Teilnehmer dürfen sich nicht langweilen. Konferenzen, Meetings, Sitzung oder auch Symposien, wie immer die Treffen heißen, können einen wichtigen Beitrag zur Rationalisierung des Arbeitsalltags und zum Wissenstransfer leisten – wenn sie nach den Regeln der Kunst durchgeführt werden. Abteilungsbesprechungen oder Koordinationstreffen mit Nachbarabteilungen sind im glücklichen Fall Kommunikationsknotenpunkte, die die sonst notwendig werdenden Zweiergespräche ersetzen und die Beteiligten auf einen ähnlichen Wissensstand bringen sollen. Unbefriedigend verlaufende Meetings sind jedoch Ressourcenverschwendung. Viele Mitarbeiter richten aufgrund schlechter Erfahrungen den Blick verzweifelt gen Himmel, wenn nur von einem Meeting die Rede ist.

Hager van der Laan J., Schlein U. Moderation als Führungskunst. Passion Chirurgie. 2012 Januar; 2(1): Artikel 05_01.

„Souveräne ärztliche Führung“

Gruppen-Coaching für ärztliche Führungskräfte

Im vielfältigen Angebot des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen ist der Workshop „Souveräne ärztliche Führung“ ein Nischenprodukt. Er ist kein Symposium, kein Kongress, keine Vortragsreihe, keine Schulung. Er ist eine dialogisch aufgebaute Lernveranstaltung, in der die Chance geboten wird, den beruflichen Alltag mit Kollegen und erfahrenen Moderatoren zu reflektieren und konkrete Anregungen für eine wirksame Gestaltung des Führungsalltags mitzunehmen. Ein paar Einschätzungen von früheren Teilnehmern:

  • „Weder im Studium noch in unserer späteren medizinischen Facharztausbildung haben wir Wissen über Kommunikation und Führung so aufbereitet erlebt.“ (Oberarzt Unfallchirurgie)
  • „Jeder hat die Möglichkeit, an seinen eigenen konkreten Situationen aus dem Alltag zu arbeiten und durch jeden weiteren Workshoptag klarere Vorstellung für die nächsten eigenen Schritten zu bekommen.“ (Chefarzt Viszeralchirurgie)
  • „Die Reflexion meiner individuellen Fragestellungen kombiniert mit Theorieangeboten, Rollenspielen und einer ganz anderen Art von Diskussion mit Kollegen war enorm hilfreich für mein Führungs- und Lebenskonzept.“ (Oberärztin Neurologie)

Teilnehmerauswahl und GruppensituationGedacht ist der Workshop für Chefärzte und Oberärzte oder Praxisinhaber aller Fachdisziplinen, die sich auf Führungspositionen vorbereiten oder diese im geschützten Rahmen in einer kleinen Gruppe reflektieren wollen.Diese Veranstaltung ist ungeeignet für Kollegen, die gern in einer großen Gruppe untertauchen oder sich aus der Distanz mit einem Thema beschäftigen möchten. Bei der hier angestrebten Form des Voneinander-Lernens geht es um Vertrauen und die Bereitschaft, sich zu seinem Thema zu äußern und die nötigen Informationen zu geben. Doch keine Sorge: Es geht nicht um Psychologisieren oder Behandeln.

Allein das Vorgehen und der Aufbau des Workshops führt meist zu einer dichten Lernatmosphäre. Es gab Teilnehmer, die in zufälligen Begegnungen nach vielen Jahren noch über Details aus diesen Prozessen berichten konnten.„Wie ein roter Faden zog sich mein eigenes Thema durch die Tage. Durch jeden neuen Vortrag oder die konkrete Arbeit eines Kollegen entdeckte ich wieder neue Facetten für meine eigene Situation. Im Grunde hat jeder der Kollegen auch für mich gearbeitet. Ich war eigentlich ständig mit Transferleistungen beschäftigt.“Viele Teilnehmer suchen sich diese Angebote bewusst außerhalb ihrer Kliniken und Gesundheitskonzerne aus.

Sie möchten über ihre Alltagsprobleme in der geschützten Atmosphäre der Anonymität sprechen, ohne auf den Austausch mit Kollegen aus dem klinischen Bereich verzichten zu müssen.Struktur des LernprozessesJeder Workshoptag hat einen thematischen Schwerpunkt: Die Übernahme der Rolle; Dimensionen der menschlichen Kommunikation; Herausforderungen in der Gesprächsführung; Leitung von Gruppen. Zu jedem Thema gibt es einen kurzen Einführungsvortrag. Angewendet und vertieft wird das Wissen dann im Rahmen der Arbeit an Fällen, die die Teilnehmer aus ihrem Führungsalltag beisteuern. Das kann die Fusion von zwei Abteilungen sein oder das Implementieren neuer Verantwortungsstrukturen oder schwierige Gespräche in Konfliktsituationen mit Kollegen, Vorgesetzten, Nachgeordneten oder der Geschäftsführung.

Das waren jedenfalls Fälle im letzten Workshop.Konfuzius hat es so formuliert: „Sage es mir, und ich vergesse es; zeige es mir, und ich erinnere mich; lass es mich tun, und ich behalte es.“ Das ist auch der Grund, warum der Workshop über vier Tage außerhalb des Klinikalltags konzipiert ist. Im Gruppencoaching für Führungskräfte arbeiten die Teilnehmer an ihrem individuellen Lernprozess. Das geht nicht in zwei Stunden.Das Seminar kann ohne Probleme ein zweites Mal als Standortbestimmung besucht werden. Es wird kaum Redundancen geben, weil der Teilnehmer an einem anderen Stand seiner persönlichen Entwicklung in der Führungsrolle angekommen ist und vor neuen Herausforderungen und bewegenden Themen steht.Was ist das Ziel, was der Ertrag für den Teilnehmer?Wenigen ist bewusst, wie sehr die Wirkung einer Nachricht, die ein Mensch übermittelt, davon bestimmt ist, wie dieser seine jeweilige Rolle im Geflecht der Positionen, die ihn umgeben, interpretiert.

Ein neu ernannter Chefarzt, der gegenüber seinen ehemaligen Kollegen den Eindruck erwecken möchte, er sei weiterhin der alte Kollege, läuft Gefahr, mit seiner Kommunikation Verwirrung zu stiften. Er wird erst eindeutig, wenn er die neue Rolle wirklich annimmt. Sich mehr eigene Klarheit in der Führungsrolle zu verschaffen, ist deshalb ein wichtiges Thema in dieser Veranstaltung. Themen wie Zeit- und Selbstmanagement ergeben sich deshalb von selbst.Die eigenen kommunikativen Fähigkeiten sind erheblich zu erweitern, wenn man durchschaut, welche Dimensionen in der menschlichen Kommunikation eine Rolle spielen. Das ist eine große Chance. Die feinen Unterschiede zwischen Beratungs-, Kritik- und Konfliktgespräch herauszuarbeiten und so ein Gespräch im Alltag vorzubereiten soll im Workshop passieren.

Denn ein befriedigendes Ergebnis für alle Beteiligten erfordert so viel Feingefühl wie bei einem komplizierten operativen Eingriff. Die Ermutigung, wichtige Führungsaufgaben, wie beispielsweise Aufgaben und Zuständigkeiten zu klären oder Kritik- und Beurteilungsgespräche zu führen, hilft den Teilnehmern später im hektischen Klinikablauf. Und die Zuversicht, dass mit jedem solchen Akt die Souveränität in der Wahrnehmung der Rolle wächst und der übliche Widerstand dagegen sich allmählich abbaut. Das ist zum Vorteil des Teilnehmers, aber auch zum Vorteil seiner Mitarbeiter. Denn: Halbherzige Führung ist eine Last für die Mitarbeiter und souveräne ein Segen.

Schlein U. Souveräne ärztliche Führung. Gruppen-Coaching für ärztliche Führungskräfte. Passion Chirurgie. 2011 September; 1(9): Artikel 05_01

Fehlerkultur: Nicht den Schuldigen suchen, um ihn zu bestrafen, sondern aus Komplikationen und Beinahe-Fehlern lernen

Die 4. Berliner Hernientage geben ein gutes Beispiel ab.

Wer sich in seinem Verantwortungsbereich Entwicklung wünscht und das Ziel hat, fachliche Kompetenzen und organisatorische Abläufe kontinuierlich zu verbessern, der braucht bei allen  Beteiligten die Bereitschaft, eigene Fehler zu offenbaren und sich mit seinen Partnern konstruktiv darüber auszutauschen: Wie ist die Komplikation entstanden und wie kann sie in Zukunft vermieden werden? Diese Anstrengung setzt eine Kommunikationskultur voraus, in der nicht die Angst das Feld bestimmt, sondern die Zuversicht, dass jedes unerwünschte Ereignis die Chance für eine Verbesserung enthält. Nicht nur in Krankenhausabteilungen oder zwischen verschiedenen Fachdisziplinen oder Berufsgruppen sollte der Versuch gemacht werden, eine solche Kultur des Umgangs mit Fehlern zu etablieren, sondern auch in der Zusammenarbeit zwischen ambulanten und stationären Operateuren.

Auf diesen speziellen Gesichtspunkt konzentriert sich der nachfolgende Artikel und stellt damit eine Ergänzung zur aktuellen Diskussion um Patientensicherheit und Fehlermanagement dar.

Auf den 4. Berliner Hernientagen war live zu erleben, wie erste Schritte auf dem Weg zu einer solchen „Fehlerkultur“ getan werden können.

Das Besondere dieses Kongresses: Ein Klima wechselseitigen Vertrauens

Die Organisatoren und Moderatoren (Dr. Ralph Lorenz, 3Chirurgen und Dr. Bernd Stechemesser, Vivantes) hatten es geschafft: Internationale Vertreter der Hernienchirurgie und erfahrene Repräsentanten aus deutschen Universitäten waren mit Operateuren aus Kliniken und Praxen  über das Thema „Fehler in der medizinischen Praxis“ und die Frage nach Möglichkeiten, mit ihnen konstruktiv umzugehen, in einen ungewöhnlich offenen  Erfahrungsaustausch eingetreten. Die sonstigen Vortragsthemen entsprachen den Erwartungen: Qualitätssicherung in der Hernienchirurgie, Standards, neue Materialien und Vergleiche mit europäischen bzw. internationalen Nachbarn. Außergewöhnlich war  bei diesem Kongress vor allem die Moderation. Den Veranstaltern ist es gelungen, durch die Vorarbeit der letzten Jahre soviel Offenheit und wechselseitiges Vertrauen zwischen den Teilnehmern herzustellen, dass im zweiten Teil des diesjährigen Kongresses über das im Medizinerstand besonders schwierige Thema der Fehler differenziert und konstruktiv geredet werden konnte.

Wesentlich dazu beigetragen hatte die Einleitung zu dieser Sitzung. Einer der Veranstalter berichtete sehr offen über eine eigene Erfahrung mit einer intraoperativen Komplikation. Diese Hernien-Operation – und das konfrontierte alle Anwesenden mit der Realität – war im letzten Jahr live während des Kongresses übertragen worden. Viele der diesjährigen Fachleute hatten jeden einzelnen Operationsschritt verfolgt und intensiv diskutiert. Niemandem war etwas Besonderes aufgefallen. Aber es war leider – zunächst unbemerkt – zu einer Verletzung des Darmes gekommen. Die notwendigen nachträglichen Operationsschritte stellte der Moderator für das Publikum zusammen.

Diese mutige Offenbarung des Veranstalters war für die nachfolgenden Referenten eine Einladung, sich offen über ihren Umgang mit eigenen „Pitfalls“ (so der mittlerweise gebräuchliche internationale Ausdruck für professionelle Fehler, wörtlich: Fallgrube, Irrtum) auszutauschen.

Erfahrungen aus der Luftfahrt: Das offene Gespräch über gefährliche Situationen

Ein anderer Referent (Dr. Christian Thomeczek, Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin, Berlin) berichtete über den Umgang mit Fehlern und Beinahe-Fehlern in der Luftfahrt.  Er zeigte auf, was die Verantwortlichen in der Luftfahrt längst deutlich erkannt und in Konsequenzen umgesetzt haben: Die Hauptfehlerquellen liegen nicht in den professionellen Fähigkeiten der Piloten, „Fliegen können die Piloten alle. Diese Kompetenzen werden permanent trainiert.“ Also nicht in den eigentlichen Kernkompetenzen sind die meisten Fehler auszumachen, sondern in den sehr menschlichen Dimensionen des individuellen Verhaltens wie Müdigkeit oder körperlichen Schwächezuständen. Und auch die Kommunikation in den Extremsituationen zwischen Pilot und Co-Piloten führt oft zu Unwägbarkeiten. Die zivile Luftfahrt hat daraus Konsequenzen gezogen: Eine offene Aussprache über Situationen nach jedem Flug zwischen Pilot und Copilot sind Standard. Ähnliches gibt es auch in der Kabine für die Flugbegleiter. Kritische Situationen oder deren Vorstufen werden sofort bearbeitet. In entsprechenden Kommunikationstrainings wird vor allem die Fähigkeit zum sogenannten Feedback-geben in den Mittelpunkt gestellt.  Das sogenannte Crew Resource Management (CRM) konzentriert sich auf das Urteilen und Entscheiden in komplexen risikoreichen Systemen. „Gutes CRM ist keine kochbuchartig anwendbare Methode, sondern das Ergebnis einer ernsthaften inneren Auseinandersetzung mit der eigenen Bereitschaft und den eigenen Möglichkeiten, der wechselnden Dynamik des zwischenmenschlichen Austausches innerhalb einer Besatzung gerecht zu werden.“ (Zitat Cockpit Refresher 2/2006 einer deutschen Fluggesellschaft). Sind solche Maßnahmen auf vergleichbare Situationen im Krankenhaus übertragbar?

Die Situation in den Kliniken: Kulturelle Widerstände gegen ein Offenbaren von Fehlern

Die überwiegende Praxis in den Kliniken bietet noch ein ganz anderes Bild. Klinikärzte erleben bei der Aufarbeitung von Fällen und Komplikationen in Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen, dass sich die Kollegen lieber zurückhalten und nur das Nötigste tun, um den Fehler irgendwie zu korrigieren. Manchmal wird auch der Versuch unternommen, den eigenen Fehler zu vertuschen, gelegentlich, indem er an eine nächste Ebene von Verantwortlichen delegiert wird.

Inspiriert vom Klima der Offenheit des Kongresses äußerten sich mehrere Teilnehmer zu ihren eigenen Erfahrungen mit dem Fehlerthema: Manche berichteten über die Angst, sich zu Fehlern zu bekennen, weil sie Häme oder Sanktionen befürchteten. Andere schilderten anschaulich, wie die übersteigerte Angst, einen Fehler zu begehen, am Ende zu Fehlern geführt hat. Die hohen Erwartungen der Patienten an die Perfektion der Ärzte lassen eine Fehlertoleranz kaum zu. Zudem muss ein Arzt oder eine Klinik heute mit hohen Regressforderungen rechnen, wenn ein ärztlicher „Kunstfehler“ nachgewiesen werden kann. Das Bild der ärztlichen Vollkommenheit muss von daher sowohl von den Krankenhäusern als auch von den Ärzten selbst notwendigerweise aufrechterhalten werden. Es prägt seit Jahrhunderten die Kultur der Medizin.

„Wann werden wir in der Chirurgie soweit sein, dass wir anders miteinander umgehen? Was unterscheidet uns von der Luftfahrt? Ist es wirklich nur die Tatsache, dass der Pilot bei einem Unfall selbst mit ums Leben kommt?“ Das war eine Frage am Ende der Diskussion. Aber ist die Rolle des Piloten wirklich mit der Rolle des Arztes gleichzusetzen?

Die traditionelle Rolle des Arztes ist eine andere als die des Piloten

Es ist eine Frage von Nähe und Distanz: Die Beziehung zwischen dem Fluggast und seinem Piloten ist weit distanzierter als die Beziehung zwischen dem Arzt und seinem Patienten. Der Fluggast erwartet von seinem Piloten, dass er das Fliegen auch in schwierigen Flugsituationen beherrscht. Diesen Gedanken hat er auch nur in solchen Situationen. Eine persönliche Beziehung zum Piloten hat der Fluggast in der Regel nicht. Anders die Beziehung des Patienten zu seinem Arzt. Der existenziell um sich besorgte Patient erwartet von seinem Arzt, dass er als Mediziner und als Mensch vollkommen ist. Es ist oft die ängstliche Erwartung an einen Übermenschen, von dem allein die nötige Hilfe in einer Krankheitssituation zu erwarten ist. Und traditionell beugen sich die Ärzte diesem Erwartungsdruck auch ganz gern, denn mit dem beruflichen Selbstverständnis eines Übermenschen lässt es sich gut leben, selbst wenn es latente eigene Zweifel an dieser Rollenzuschreibung gibt. In dieser  Beziehungsdynamik würde es möglicherweise zu einer Schieflage kommen, wenn der Patient erfährt, dass sein Arzt sich mit anderen Kollegen freimütig über seine Fehler austauscht. Das fürchten viele Ärzte zu Recht und darum gibt es innere Widerstände gegen das Etablieren eines Systems, das dem CRM in der Luftfahrt entspräche.

Maßnahmen der Qualitätssicherung wie Checklisten vor Operationen oder das inzwischen vielen Orts etablierte „Time-out“ zu Beginn eines operativen Eingriffes machen nicht so grundlegende Schwierigkeiten. Ähnlich wie in der Luftfahrt haben auch anonyme Melderegister (Critical Incident Reporting Systems) Einzug gehalten in den klinischen Alltag. Diese Maßnahmen sind richtig und wichtig. Hier soll es jedoch um einen anderen Aspekt gehen.

Können die Widerstände überwunden werden?

Kulturelle Veränderungen setzen grundsätzliche Entscheidungen voraus. Nicht nur die Führungskräfte einer Abteilung oder eines Medizinischen Versorgungszentrums oder die Partner in einer Kooperation müssen eine Veränderung wollen. Von Ihnen sollte die Initiative zu einer Veränderung ausgehen. Die nachhaltige Wirkung eines solchen Veränderungsprozesses wird verstärkt, wenn von Beginn an die Leitung des Hauses zu den Promotoren gehört. Aber dazu müsste sie erst, ähnlich wie die Leitenden der Fluggesellschaften, erkannt haben, dass ein professioneller Umgang mit Fehlern zu einer erheblichen Entlastung der Kostenseite beitragen kann. Überdies käme es noch darauf an, alle betroffenen Mitarbeiter, nicht nur die Ärzte, sondern beispielsweise auch die Mitarbeiter des Pflegedienstes, in den Veränderungsprozess aktiv einzubinden. Das ist ein langwieriger und komplexer Prozess, der gut geplant und behutsam gesteuert werden muss. Hier ist nicht der Raum, detailliert einen solchen Veränderungsprozess zu beschreiben. Wichtig ist, dass von Beginn an die Ziele klar definiert sind.

Ziele einer „Fehlerkultur“

Was aber wären die Ziele einer neuen Kultur im Umgang mit Fehlern oder Komplikationen in der medizinischen Praxis? Worauf käme es an? Wir meinen, dass von einer etablierten Fehlerkultur, beispielsweise in einem Krankenhaus, dann geredet werden darf, wenn Folgendes erreicht worden ist:

  • Zunächst ganz nüchtern: Die Anzahl folgenschwerer kritischer Ereignisse oder Fehler, die es im Haus gegeben hat, ist im Verlauf einer definierten Beobachtungszeit erkennbar (was auch genauer zu definieren wäre) zurückgegangen. Es gibt ein zuverlässiges Kontrollinstrument, mit dem das festzustellen ist.
  • Es hat sich im Haus ein Arbeitsklima etabliert, in dem angstfrei und ohne Schuldzuschreibungen über aktuell erkannte Fehler geredet werden kann, in dem also unerwünschte Ereignisse sachlich analysiert und zukünftige Vorgehensweisen entwickelt werden können. Es gibt Institutionen, beispielsweise entsprechende Reflexionsrunden im Bereich der Intensivmedizin, in denen das eine deutlich identifizierbare Praxis ist.
  • Es ist etwas überwunden, das wir das „Struwelpeter-Syndrom“ nennen wollen, nämlich die von Kindheit an immer wieder gemachte Erfahrung jedes Angehörigen einer deutschen Normalfamilie, dass auf Fehler oder Regelwidrigkeiten eine Strafe folgt. Vielmehr wird honoriert, wenn Beinahe-Fehler frühzeitig offengelegt und dazu genutzt werden, dass diese und vergleichbare unerwünschte Ereignisse in Zukunft vermieden werden. Die Philosophie heißt: ‚Fehler können immer vorkommen. Wir sind alle nur Menschen. Aber sie dürfen nur einmal passieren.‘

Ein bedeutendes und erreichbares Ziel: Die Vertrauensvolle Kommunikation über Fehler

Der Verlauf des Hernienkongresses hat dafür ein gutes Modell abgegeben: Positionsinhaber mit Autorität, in diesem Falle die Veranstalter und Moderatoren, wagen den Schritt, über eigene Fehler zu reden – und in der Folge taten andere es auch. Angeordnet werden kann ein konstruktiver Umgang mit Fehlern jedenfalls nicht. Der Prozess vollzieht sich unter komplexen organisatorischen Rahmenbedingungen, die oft gekennzeichnet sind durch unklare Rollenbeziehungen und Zuständigkeiten. So agieren beispielsweise bei drohenden Komplikationen nach operativen Eingriffen in Kliniken die verschiedenen Dienstgruppen oft unkoordiniert nebeneinander und nicht abgestimmt miteinander. Patienten und die Angehörigen können den Eindruck gewinnen, dass der Eine nicht vom Anderen weiß. Sie verlieren das Vertrauen. Ähnliches gilt jedoch auch, wenn sich ein Patient mit einer postoperativen Komplikation nach einem ambulanten Eingriff anschließend bei einem Kollegen in der Klinik vorstellt. Wie kann dann eine angemessene Rückkopplung an den Erstoperateur erfolgen?

Die Organisatoren der Berliner Hernientage zeigten uns anhand von Beispielen aus ihrem beruflichen Alltag, dass es möglich ist, zwischen ambulanten Operateuren und Chirurgen in den Kliniken eine partnerschaftliche Zusammenarbeit in Netzwerken zu leben, von denen alle Beteiligten profitieren. Die grundlegende Voraussetzung dabei ist eine Haltung, dem Kollegen als fachlichem Partner und nicht als Konkurrenten zu begegnen. Gelingt das, dann können auch kritische Konstellationen reflektiert und Konsequenzen gezogen werden, die zu neuen Lernkurven und Erkenntnissen führen. Davon profitieren dann auch die jeweiligen Praxis- oder Klinikteams.

Als individuelle Voraussetzungen sind spezifische Einstellungen und Fertigkeiten in der Gesprächsführung nötig. Soll über Fehler konstruktiv gesprochen werden, so ist die Voraussetzung dazu ein wirkliches Interesse an den Belangen des anderen und die Bereitschaft, ihm zunächst gut zuzuhören („Aktives Zuhören“) und ihn zu eigenen Lösungen zu führen, bevor man selber Verbesserungsvorschläge äußert. Das erfordert ein gewisses Training. Auch ein differenziertes Feedback erfordert eine gewisse Übung, damit aus dem Feedback nicht eine schlichte und immer Widerstand auslösende Beurteilung wird, sondern wirklich eine Rückmeldung über Wirkungen, die der Feedbackpartner durch sein Handeln ausgelöst hat und vielleicht selbst nicht richtig einschätzen kann.

Ausblick

Hoffnungsvoll stimmt, was Teilnehmer in unseren Fortbildungsworkshops für ärztliche Führungskräfte berichteten: Chefärzten, die es vor ihren ärztlichen Mitarbeitern nach einer Operation wagten, über die Schwierigkeiten zu reden, die sie im Nachhinein erkannt hatten, gewannen an Ansehen und Respekt, im Gegensatz zu Kollegen, die mit zuviel Anstrengung versucht hatten, ihre Fehler zu vertuschen oder anderen zuzuschieben. Das hat dann auch andere in den jeweiligen Mitarbeiterkreisen ermutigt, über ihre Beinahe-Fehler zu reden. Und so war schrittweise die vertrauensvolle, das heißt vor allem angstfreie, Arbeitsatmosphäre entstanden, die alle dazu ermutigte, sich vor der Offenbarung von Fehlern nicht zu fürchten, um so aus Komplikationen für die Zukunft zu lernen.

In ihren ersten Berufsjahren treffen junge Ärzte auf mancherlei Stolpersteine.

Kann ihnen eine gezielte Fortbildung den Einstieg in die Berufspraxis erleichtern?

Das Angebot, sich mit chirurgischen Themen auseinanderzusetzen, ist vielfältig. Arbeitgeber, der Berufsverband und auch die jeweiligen Fachgesellschaften tun viel, um jungen Kollegen die fachliche Weiterbildung zu ermöglichen.
Ein zusätzliches Angebot bezieht sich auf ein ‚Learning-on-the-job‘ in zwischenmenschlicher Kompetenz. Es soll junge Assistenzärzte auf ihrem Weg durch die ersten Berufsjahre darin unterstützten, mit schwierigen zwischenmenschlichen Situationen kompetent umgehen zu können. Immer mehr Geschäftsführer von Kliniken und ärztliche Führungskräfte haben erkannt, dass sie auch in diesem Terrain Hilfestellungen geben müssen, wenn sie möchten, dass ihnen die Leistungsbereitschaft ihrer Mitarbeiter langfristig erhalten bleibt.

Angesichts des knappen Angebots an geeignetem Personal für den medizinischen Bereich machen Krankenhäuser und Klinikketten verlockende Angebote, um Stellenbewerber für den ärztlichen und den pflegerischen Bereich zu gewinnen. Für viele, die darauf eingehen, ist die Konfrontation mit der beruflichen Wirklichkeit in den Kliniken dann erst einmal eine schmerzliche Erfahrung.
Sie haben das Medizinstudium abgeschlossen. Das Praktische Jahr liegt hinter ihnen. Einige haben gute Erfahrungen gemacht, andere sind auf Desinteresse bei den anleitenden Kollegen gestoßen und mit Lückenbüßertätigkeiten abgespeist worden. Nun, in ihrem nächsten beruflichen Entwicklungsschritt, kommen die jungen Ärzte mehr oder weniger gut ausgestattet in der Chirurgie und anderen klinischen Fächern an.

Aller Anfang ist schwer

Etwas überraschend sind sie mit ganz neuen Erwartungen konfrontiert: Ihre Rolle wandelt sich vom „Anamnesenschreiber“ und „Braunülenschieber“ zum verantwortlichen Assistenzarzt in einem multiprofessionellen Stationsteam. Berufsanfänger und auch diejenigen, die schon einige Jahre dabei sind, bringen Lehrbuchwissen und neue Ideen mit. Aber die praktische klinische Erfahrung und die Kompetenz im Umgang mit Patienten und deren Angehörigen fehlen ihnen erst einmal. Sie erfahren, dass nicht alles, was theoretisch medizinisch möglich ist, auch automatisch dem Wohl des jeweiligen Patienten dient. Es ist ein weiterer Schritt, sich Erfahrungen zu verschaffen, die angemessene medizinische Entscheidungen ermöglichen und sich Know-How im OP, auf der Intensivstation oder im Rahmen der Diagnostik zu erwerben. Die meisten Berufsanfänger sind mit der Komplexität des Alltags und natürlich auch mit der hohen Taktzahl bei kurzen Liegezeiten oft schnell an ihren persönlichen Grenzen angelangt. Zusätzlich belastet sie noch die große allgemeine Verantwortung, vor allem auch in den Nachtdiensten.

Hier stellt sich für diejenigen in einer Klinik, die sich für die Entwicklung des Personals verantwortlich fühlen, die Frage, ob der mühevoll angeworbene Berufseinsteiger nicht die Chance auf eine Unterstützung bekommen sollte, die es ihm erleichtert‚ mit den neuen Aufgaben zu wachsen? Denn die Gefahr, dass ein Berufsanfänger unter der Last seiner neuen Aufgaben resigniert oder gar wieder abwandert, ist nicht gering. In den gegenwärtigen Klinikstrukturen kommt es hier zunächst vor allem auf die Führung des jungen Arztkollegen durch den Chefarzt und die Oberärzte an, die, wenn es gut geht, im besten Sinne Mentoren und fachliche Supervisoren sind. Oft können sie diese Funktion aber nicht wahrnehmen, weil ihnen zeitlich enge Grenzen gesetzt sind.

Manche Klinikchefs scheinen aber auch die Wichtigkeit dieser Aufgabe nicht zu erkennen: Wie viele der erfahrenen Oberärzte lassen sich beispielsweise von einem jungen Kollegen zu einem anspruchsvollen Gespräch mit Patienten oder fordernden Angehörigen begleiten?
Wie viele supervidieren den jungen Arzt in Aufklärungsgesprächen oder bei der Mitteilung schwerwiegender Diagnosen?
Im Stationsalltag oder in den Ambulanzen agieren die meisten Ärzte als Einzelkämpfer und sammeln so mit den Jahren im Beruf mühsam ihre Erfahrungen. Die Frage ist demnach, ob dieser Prozess der Professionalisierung nicht durch zusätzliche Interventionen kultiviert und beschleunigt werden kann. Gibt es qualifizierte externe Angebote, die die Verantwortlichen für die berufliche Weiterentwicklung der jungen Mediziner vor Ort unterstützen bzw. entlasten können? Es gibt sie. Doch zunächst: Um welche Art von Weiterbildung geht es da ganz konkret?

Als Neuling im multiprofessionellen Team

Nach all seiner fachlichen Berufsausbildung ist der junge Mediziner nun mit Herausforderungen konfrontiert, auf die ihn seine Berufsausbildung nicht gezielt vorbereitet hat. Es sind zwischenmenschliche Fähigkeiten von ihm gefordert, die der eine vielleicht aufgrund einer glücklichen Sozialisation in Elternhaus und Schule mitbringt, der andere aber nicht:
Wie sage ich einer Schwester auf meiner Station, welche Dinge momentan bei einem Patienten am wichtigsten sind, ohne durch die Art, wie ich es sage, sie zu verärgern oder ihre Empörung auszulösen?
Wie kann ich Kritik angemessen übermitteln, ohne das nächste Mal gemieden zu werden?
Wie gehe ich mit Forderungen der Pflegekräfte oder der Funktionsdienste um, die ich eigentlich nicht akzeptiere? Wie kann ich dazu beitragen, dass ein professionelles Miteinander zum Wohl des gemeinsamen Patienten entsteht?
Wie kann es gelingen, dass Konflikte untereinander so geklärt werden, dass die Arbeitsatmosphäre nicht gestört bleibt?
Wie kann es ermöglicht werden, dass Kritik oder Feedback nicht in Be- oder Verurteilung ausartet, sondern wirklich nur eine Rückmeldung über die Wirkungen ist, die einer mit seinem Handeln ausgelöst hat, verbunden mit der Frage, ob das eigentlich seinen Intentionen entsprach?

Solche und ähnliche Fragen beschäftigen ja nicht nur die ganz jungen Ärzte.
Insgesamt ist die Stimmung noch geprägt von der Knappheit an personeller Kapazität. Sie ist angespannt und jeder falsche Ton führt rasch zu weiteren Konflikten, die mit der ursprünglichen Sachfrage schon fast nichts mehr zu tun haben. Das macht den ohnehin komplexen Klinikalltag dann noch zusätzlich schwierig.

Das beste Marketing für ein Krankenhaus oder eine Abteilung ist eine Kommunikation, in der wechselseitige Wertschätzung bestimmend ist.
Beispielsweise im Kontakt zu den niedergelassenen Ärzten ist ein angemessener Gesprächston besser als viele teure Werbeauftritte. Das gilt auch für alle anderen Gruppen, mit denen es der Arzt beruflich zu tun hat, insbesondere mit den Patienten. Das ist eigentlich bekannt. Doch wird es immer umgesetzt?
Hier sollten erweiterte Professionalisierungsanstrengungen für Ärzte unternommen werden. Gemeint ist nicht die Arbeit mit standardisierten Texten am Telefon oder live, die dann etwas gestelzt die Werbe trächtig gefasste sogenannten Corporate Identity eines Unternehmens zur Wirkung bringen sollen. Gemeint ist eine Situations adäquate aber immer noch individuell geprägte Gesprächsführung, die bei Anfragen oder Beschwerden den Gesprächspartner nicht abblockt, sondern ihn einlädt, sein Anliegen vorzubringen.

Jedenfalls darf es nicht so ablaufen wie in einem kürzlich zu beobachtenden Fall, in dem ein überlasteter Berufsanfänger ans Telefon gerufen wurde. Statt sich ruhig zu erkundigen, welche Fragestellung der niedergelassene Kollege zu Patient XY hatte, verkündet er als erstes: „Tut mir leid. Zu Herrn XY kann ich Ihnen gar nichts sagen. Den hat mein Kollege in den letzten Tagen betreut. Aber der ist gerade nicht da, der hat dienstfrei. Da kann ich leider nichts für Sie tun!“
Das sei übertrieben denken Sie, lieber Leser? Es scheint nicht so zu sein: In vielen Studien ist belegt, dass Patienten und andere „Kunden“ einer Klinik deren Leistungen nicht nach medizinisch fachlichen Kriterien bewerten, sondern oft danach, wie ihnen menschlich begegnet worden ist. Die Kommunikation spielt bei der Bewertung also eine bedeutende Rolle.

Es gibt ein einschlägiges Angebot des Berufsverbandes

Für Ärzte in der Facharztweiterbildung und junge Fachärzte gibt es seit einigen Jahren zwei Seminarangebote beim Berufsverband: „Schwierige Gespräche mit Patienten und Angehörigen“ und „Arbeiten und Leben im Team“. Als leitender Arzt oder Mitglied der Geschäftsführung können Sie die jungen Kollegen als Maßnahme der Personalentwicklung in ein ‚Learning-on-the-job‘ unter der Leitung eines kompetenten externen Fortbildungspartners in der eigenen Klinik und zu extern moderierten Trainings nach Berlin schicken. Dort treffen sich interdisziplinäre Gruppen in Veranstaltungen an einem neutralen Ort, die eine Mischung aus Seminar und Erfahrungsaustausch sind. Im Mittelpunkt des Lernens stehen die Kompetenzen, von denen oben zuletzt die Rede war.

Es gibt weitere Varianten: Es ist möglich und sehr wirksam, Prozesse des sozialen Lernens in den Rahmen einer Maßnahme der Weiterentwicklung von Organisationsstrukturen und Prozessen einzubinden. Das kann ein Workshop für eine Abteilung sein oder ein Workshop mit einem multiprofessionellen Stations-, OP- oder Intensivteam direkt in einer Klinik. Der Berufsverband kann Sie dazu mit erfahrenen Beratern bzw. Moderatoren aus dem Klinikbereich in Kontakt bringen.

Kliniken, in denen diese Möglichkeit bereits genutzt wurde, berichten von positiven Nebeneffekten: Der Kontakt unter den Kollegen verändert sich konstruktiv, Vorschläge für organisatorische Verbesserungen entstehen oft ‚nebenbei‘ und werden dann bei der Umsetzung von den Mitarbeitern ganz anders unterstützt. Neben dem Zuwachs an zwischenmenschlicher Kompetenz bei den einzelnen Teilnehmern profitieren davon dann auch die Teams und die Organisationen als soziale Einheiten.

Unsere Empfehlung hier ist: Sprechen Sie uns an, wenn Sie bei sich selbst oder bei den Ihnen anvertrauten Mitarbeitern einen entsprechenden Bedarf feststellen. Unser Berater-/Moderatorenteam verfügt über ein großes Spektrum an geeigneten Methoden. Es wird sich für jede Situation eine geeignete Lernanordnung ermitteln lassen.

Ein vielfach genutztes Lernangebot des BDC

„Souveräne ärztliche Führung“

Im vielfältigen Angebot des Berufsverbands der Chirurgen sind Veranstaltungen zu den Themen Kommunikation und Führung eher Nischenprodukte. Das einmal jährlich angebotene Gruppencoaching, von dem hier die Rede ist, gehört dazu. Es passt nicht in die sonst in der ärztlichen Weiterbildung üblichen Kategorien. Es ist  kein Symposium, kein Kongress, keine Vortragsreihe, keine Schulung. Es ist eine dialogisch aufgebaute Lernveranstaltung, in der die Chance geboten wird, den beruflichen Alltag mit Kollegen und erfahrenen Moderatoren zu reflektieren und konkrete Anregungen für eine wirksame Gestaltung des Führungsalltags mitzunehmen.

Rückmeldungen der TeilnehmerInnen nach der letzten Veranstaltung:

„Die Methoden und Kompetenzen bekommen wir sonst nicht angeboten“, so äußerte sich ein unfallchirurgischer Oberarzt. „Weder im Studium noch in unseren späteren beruflichen Einsätzen haben wir Wissen über Kommunikation und Führung so aufbereitet erlebt. Alles, was wir tun, beruht auf unserer eigenen Erfahrung. Die meisten von uns handeln ‚aus dem Bauch heraus‘ oder haben ihre Konsequenzen aus dem Beobachten von guten oder schlechten Beispielen der eigenen Chefs gezogen.“

„So eine anregende Lernatmosphäre habe ich noch nie erlebt. Jeder hatte die Möglichkeit, an seinen eigenen konkreten Situationen aus dem Alltag zu arbeiten und durch jeden weiteren Workshoptag klarere Vorstellungen für die nächsten eigenen Handlungsschritte in komplexen Situationen zu bekommen.“ (Chefarzt der Allgemein- und Visceralchirurgie)

„Nach diesen Tagen ist mein eigenes Rollenprofil deutlich geschärft worden. Die Entwicklung von der Fach- zur Führungskraft steht für mich an“, konstatierte ein Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin.

Eine neurologische Oberärztin kam zu dem Ergebnis: „Ich hatte gar keinen konkreten Vorstellungen über die Möglichkeiten im Seminar. Die Reflexion meiner individuellen Fragestellungen im Alltag war enorm hilfreich für mein Führungs- und Lebenskonzept. Die Rollenspiele haben mir Spaß gemacht. Sie verdeutlichen viel mehr als Vorträge.“

„Natürlich ist der Preis, den ich zahlen muss, beachtlich. Das Preis-Leistungsverhältnis ist aber vollkommen in Ordnung. Kein Vergleich mit Veranstaltungen in Vorlesungsform.“ (Oberarzt der Visceralchirurgie)

Konzept und Struktur der Veranstaltung

Das Gruppencoaching zur „Souveränen ärztlichen Führung“ ist ein Angebot an Chefärzte und Oberärzte. Die Teilnehmer haben Gelegenheit, sich mit Anforderungen an ihre Position vertieft auseinanderzusetzen, auf die sie in ihrer fachlichen Ausbildung kaum vorbereitet worden sind, nämlich auf ihre Führungsaufgaben. Die Veranstaltung geht über vier Tage in einer Gruppe von maximal 16 Teilnehmern bei zwei Moderatoren. Wenn die Gruppe kleiner ist, wird sie von nur einem Moderator geleitet. Im Kern ist die Veranstaltung ein thematisch strukturierter Erfahrungsaustausch, d. h. ein Prozess des Voneinander-Lernens, der angereichert wird von kurzen Vorträgen der Leiter zu Erkenntnismodellen aus Kommunikationspsychologie und Soziologie.

Konkrete Inhalte der Veranstaltung

Jeder Workshoptag hat einen thematischen Schwerpunkt. In dieser Reihenfolge sind das: Die Übernahme der Rolle; Dimensionen der Menschlichen Kommunikation; Gesprächsführung; Leitung von Gruppen. Zu jedem Thema gibt es einen kurzen Einführungsvortag. Angewendet und vertieft wird das Wissen dann im Rahmen der Arbeit an Fällen, die die Teilnehmer aus ihrem Führungsalltag beisteuern. Das kann die Fusion von zwei Abteilungen sein oder das Implementieren neuer Verantwortungsstrukturen oder schwierige Gespräche in Konfliktsituationen mit Kollegen, Vorgesetzten und Nachgeordneten. Das waren jedenfalls Fälle im letzten Workshop.

Wenigen ist bewusst, wie sehr die Wirkung einer Nachricht, die ein Mensch übermittelt, davon bestimmt ist, wie dieser seine jeweilige Rolle im Geflecht der Positionen, die ihn umgeben, interpretiert. Ein neu ernannter Oberarzt, der gegenüber seinen ehemaligen Assistenzarztkollegen den Eindruck erwecken möchte, er sei weiterhin der alte Kollege, läuft Gefahr, mit seiner Kommunikation Verwirrung zu stiften. Er wird erst eindeutig, wenn er die neue Rolle wirklich annimmt. Die Übernahme der Führungsrolle ist deshalb ein wichtiges Thema in dieser Veranstaltung.

Man kann seine kommunikativen Fähigkeiten erheblich erweitern, wenn man durchschaut, welche Dimensionen in der menschlichen Kommunikation eine Rolle spielen. Das beschreiben die wichtigsten Kommunikationsmodelle. Diese auf konkrete Kommunikationsprobleme anzuwenden und damit schwierige Situationen zu bewältigen, ist ein Schwerpunkt in diesen vier Tagen. Es leuchtet zwar unmittelbar ein, dass „Aktives Zuhören“ in schwierigen Gesprächphasen ein Hilfsmittel ist. Die Klippen beim Aktiven Zuhören erkennt man jedoch erst, wenn man es einmal nach den Regeln der Kunst versucht hat. Dazu ist hier ausreichend Gelegenheit.

Ähnlich verhält es sich mit dem Thema „Feedback“. Der Begriff ist mittlerweile in die Alltagsprache eingegangen und wird meist synonym mit „Beurteilung“ verwendet. Dass es aber zwischen einem Feedback nach den Regeln der Kunst und einer Beurteilung einen Unterschied gibt, der sich in der Konfliktkommunikation nachhaltig auswirkt, erfahren die Teilnehmer dieser Veranstaltung.

Die feinen Unterschiede zwischen Beratungs-, Kritik- und Konfliktgespräch werden herausgearbeitet. So ein Gespräch dann jeweils zu einem befriedigenden Ergebnis für alle Beteiligten zu führen, wird an geeigneten Praxisbeispielen nachhaltig geübt. Die Teilnehmer erfahren, dass dabei oft so viel Feingefühl gefordert ist wie bei einem komplizierten operativen Eingriff.

Und was ist das Ziel, was der Ertrag für den Teilnehmer?

Die Ermutigung, wichtige Führungsaufgaben, wie beispielsweise Aufgaben und Zuständigkeiten zu klären oder Kritik- und Beurteilungsgespräche zu führen, ohne zu zögern anzugehen. Und die Zuversicht, dass mit jedem solchen Akt die Souveränität in der Wahrnehmung der Rolle wächst und der übliche Widerstand dagegen sich allmählich abbaut. Das ist zum Vorteil des Teilnehmers, aber auch zum Vorteil seiner Mitarbeiter. Denn: Halbherzige Führung ist eine Last für die Mitarbeiter und souveräne ein Segen.

Warum vier Tage? Ein paar Worte zum Lernprozess.

Vor ein paar Jahren lief ein vergnügliches Theaterstück: „Der ganze Shakespeare in 90 Minuten“. Es gab viel zu lachen, weil die Absurdität des Vorhabens immer wieder offenbar wurde. Ähnlich absurd ist ein Seminarangebot, das beansprucht, die oben formulierten Inhalte in einem Tag vermitteln zu wollen. Das gibt es, aber man wagt nicht, spontan darüber zu lachen.

Der Anspruch ist nicht erfüllbar. Auch im Falle des hier vorgestellten Gruppencoachings haben die Leiter den Ehrgeiz, eine sinnvolle Menge Stoff zum Thema in möglichst kurzer Zeit zu übermitteln. Aber es dauert vier Tage. Solche eintägigen Veranstaltungen gehen meist zurück auf die Entscheidung eines vor allem kaufmännisch gebildeten PE-Managers, der forsch und unbeirrt an die Wirkung des Nürnberger Trichters glaubt. Es gibt dann zwei Gewinner: Den Veranstalter, der gegenüber seinen Auftraggebern mit fester Stimme behaupten kann, er habe alles getan, um die Teilnehmer mit dem notwendigen Lernstoff zu versorgen; und den Referenten, der ein schönes Tageshonorar kassiert für ein „Produkt“, das für das konkrete Führungshandeln ohne Wirkung bleibt. Die Teilnehmer gehen ermüdet und mit einem ziemlich wirren Kopf nach Hause und können sich bestenfalls vornehmen, alles, worüber sie gehört haben, noch einmal nachzulesen. Vielleicht reicht das dabei gewonnene akademische Wissen noch zum Aufbau einer soliden „Inkompetenzkompensationskompetenz“ (Odo Marquard).

Denn es gilt nach wie vor, was Konfuzius so formuliert hat: „Sage es mir, und ich vergesse es; zeige es mir, und ich erinnere mich; lass es mich tun, und ich behalte es.“

In dem Gruppencoaching für Führungskräfte wird viel getan. Die Teilnehmer berichten über Fälle aus ihrem Führungsalltag und beschreiben sie meist in kleinen Zeichnungen am Flipchart („zeige es mir…“). Die Fälle werden in der Gruppe gemeinsam analysiert und meist wird das Konzept für ein zukünftiges Vorgehen erarbeitet, das dann in einer Simulation geprobt wird („Lass es mich tun…“). Daraus gehen intensive individuelle Lernprozesse hervor. Dementsprechend verstehen sich die Leiter als Moderatoren von Lernprozessen. Sie verzichten gern auf alles, was den Charakter einer Belehrung hat. Die in Kurzvorträgen vorgestellten Modelle sind Arbeitsmittel und werden eingesetzt, um die Struktur eines Falles zu verstehen und ein Lösungskonzept zu entwickeln.

Viele Teilnehmer suchen sich diese Angebote bewusst außerhalb ihrer Kliniken und Gesundheitskonzerne aus. Sie möchten über ihre Alltagsprobleme in der geschützten Atmosphäre der Anonymität sprechen, ohne auf den Austausch mit Kollegen aus dem klinischen Bereich verzichten zu müssen.

Meist ergibt sich eine dichte Lernatmosphäre. Es gab Teilnehmer, die in zufälligen Begegnungen nach vielen Jahren noch über Details aus diesen Prozessen berichten konnten. Nach der letzten Veranstaltung formulierten Teilnehmer so:

„Ich fühlte mich für mehrere Tage wie auf einer Insel. Ich hatte endlich mal Zeit, mich mit diesen komplizierten Sachverhalten auseinanderzusetzen, die uns im Alltag oft derartig überschwemmen, dass wir kaum Zeit zum Überlegen haben. Der Workshop war auf ganz andere Art sehr anstrengend aber ungewöhnlich effektiv. Ich konnte ganz bei mir bleiben und durch die Identifikation mit den Themen der anderen Teilnehmer für meine eigenen Fragestellungen permanent dazu lernen. Manchmal kam es mir vor wie ein Puzzlespiel.“

„Wie ein roter Faden zog sich mein eigenes Thema durch die Tage. Durch jeden neuen Vortrag oder die konkrete Arbeit eines Kollegen entdeckte ich wieder neue Facetten für meine eigene Situation. Im Grunde hat jeder der Kollegen auch für mich gearbeitet. Ich war eigentlich ständig mit Transferleistungen beschäftigt.“

Risiken und Nebenwirkungen

Diese Veranstaltung ist ungeeignet für Kollegen, die gern in der einer großen Gruppe untertauchen oder sich aus der Distanz mit einem Thema beschäftigen möchten. Bei der hier angestrebten Form des Voneinander-Lernens geht es um Vertrauen und die Bereitschaft, sich zu seinem Thema freimütig zu äußern und die nötigen Informationen zu geben. Ungeeignet ist diese Veranstaltung auch für Teilnehmer, die von ihren Vorgesetzten „geschickt“ worden sind, damit sie von den Leitern auf den rechten Weg gebracht werden. Jeder weiß noch aus der Schule, dass das keine gute Voraussetzung für Lernen ist. Am besten lernt, wer seine Führungsschwächen kennt und Lust hat, dazu zu lernen. Von Nebenwirkungen dieser Veranstaltung profitieren manchmal der Ehepartner und die Kinder der Teilnehmer.