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Sektorenübergreifende Versorgung – ein Dauerthema der Gesundheitspolitik

Die Überwindung der gerade in Deutschland ausgesprochen undurchlässigen Sektorengrenze zwischen Krankenhäusern und Arztpraxen steht seit mehr als einem Jahrzehnt auf der politischen Agenda. War in früheren Jahren der Gedanke der Effizienzoptimierung führend, so hat sich der Fokus jetzt mehr auf die Sicherung der ärztlichen Versorgung in strukturschwachen Gebieten und auf die Notfallversorgung verlagert. So enthält der aktuelle Koalitionsvertrag den Auftrag, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einzurichten, die bis 2020 umfassende Vorschläge zur Weiterentwicklung der sektorenübergreifenden Versorgung vorlegen soll [1]. Im Folgenden werden der Status quo und die Positionen des BDC für den Bereich der Chirurgie dargestellt.

Belegarztwesen und Kooperationsverträge

Umfang und Fallzahlen der belegärztlichen Versorgung sind in den letzten Jahren rückläufig. Dies ist u. a. auf die Umwandlung von Beleg-Abteilungen in Hauptabteilungen und auf die erheblichen Erlös-Differenzen zwischen A-DRG und B-DRG zurückzuführen. Dabei ist die belegärztliche Versorgung grundsätzlich das klassische und bewährte System der geregelten intersektoralen Zusammenarbeit. Zur weiteren Stärkung dieses Systems bedarf es aber einer Öffnung und Reform der Rahmenbedingungen, wie dies im Beitrag von Dirk Farghal in dieser Ausgabe der Passion Chirurgie plastisch dargestellt wird.

In dieser Hinsicht ist auch die KBV aktiv dabei, dem Belegarztwesen neuen Schwung zu verleihen. Die Öffentlichkeitsarbeit der KBV verfolgt ähnliche Ziele und ein aktuelles Modellprojekt zur onkologisch-hämatologischen belegärztlichen Versorgung zeigt neue Möglichkeiten auf [2].

Aber auch von ärztlicher Seite wurden Belegarztverträge zu Gunsten von finanziell attraktiveren Kooperationsvereinbarungen aufgekündigt. Dabei kam es vereinzelt zu nicht nachvollziehbaren Honorarflüssen, die den Verdacht auf eine Zuweisung gegen Entgelt nahelegten. In Anbetracht des Antikorruptionsgesetzes sind diese zweifelhaften Koppelgeschäfte beendet worden, sodass es keinen Grund gibt, reelle und seriöse intersektorale Kooperationen nicht weiterzuführen. Da die gesetzlichen Regelungen der §§ 299 -300 StGB jedoch einen weiten Interpretationsspielraum lassen, befinden sich viele Kooperationsärzte zurzeit in einem juristischen Schwebezustand, der auch durch kompetente anwaltliche Beratung nicht aufgelöst werden kann. Es ist zu hoffen, dass durch eine wegweisende höchstrichterliche Rechtsprechung möglichst rasch Leitplanken für die Zulässigkeit von Honorar-Vereinbarungen ergeben werden.

Unabhängig davon ist die Motivation vonseiten der Krankenhäuser zum Abschluss von derartigen Kooperationsverträgen zu hinterfragen. Solange Mindestmengen und attraktive DRG-Erlöse für elektive Eingriffe die Anzahl von Endoprothesen-Operationen beeinflussen, wird dies negative Auswirkungen auf den Qualitäts-Wettbewerb und die Indikationsstellung haben. Stattdessen müssen aus Sicht des BDC die Vorteile für die Patientensicherheit und die Sicherstellung der Versorgung in strukturell schwachen Gebieten mehr in den Fokus solcher Kooperationen treten.

Ob die Vorstellung der KBV realistisch ist, unrentable Krankenhäuser in strukturschwachen Gebieten in Praxis-Kliniken und Facharzt-Zentren umzuwandeln, bleibt kritisch zu hinterfragen. Der Facharztmangel wird sich auch durch derartige Umfirmierungen nicht beseitigen lassen, sodass es auf mittlere Sicht unvermeidbar sein dürfte, die fachärztliche Versorgung – sei es ambulant, stationär oder auch intersektoral – zu zentralisieren.

Notfallaufnahmen und Bereitschaftsdienst

Die zunehmende Inanspruchnahme der Notaufnahmen der Krankenhäuser auch durch Patienten ohne medizinisch definierten Notfall und auch während der Öffnungszeiten der Arztpraxen muss zweifellos kanalisiert werden. Der Koalitionsvertrag sieht dazu gemeinsame Notfallleitstellen und „integrierte Notfallzentren“ vor. Die KBV, die DKG und der Marburger Bund haben jüngst Lösungsvorschläge unterbreitet, die sich auch weitgehend mit den Empfehlungen des Sachverständigenrats der Bundesregierung [3] decken. Die Finanzierung einer solchen Lösung ist jedoch vollkommen offen.

Für die Notfallversorgung gilt der gleiche Grundsatz wie für die übrige fachärztliche Versorgung, nämlich dass in der Zukunft nicht alle Leistungen an jedem Ort gewährleistet werden können. Die Konzentration auf bestimmte Krankenhäuser mit kooperativen Notaufnahmen, in denen auch niedergelassene Ärzte tätig sind, ist hier zielführend. Eine Steuerung der überbordenden Patientenwünsche nach möglichst sofortiger und kompletter Lösung ihrer Gesundheitsprobleme erfordert aus ärztlicher Perspektive die Einführung von spürbaren Zuzahlungen. Da dies zurzeit politisch nicht durchsetzbar ist, müssen andere Wege gesucht werden, einerseits im Vorfeld eine Steuerung in die geeignete Ebene der Versorgung zu gewährleisten und andererseits die Versorgung von echten Notfällen auch betriebswirtschaftlich auskömmlich zu finanzieren.

In Schleswig-Holstein haben sich gemeinsam betriebene Portalpraxen an bestimmten Krankenhäusern bewährt. Das Konzept soll jetzt, auch mit Billigung der Landes-KV, auf die üblichen Sprechstundenzeiten ausgeweitet werden [4].

Chirurgische Grundversorgung

Die Sicherung einer ambulanten chirurgischen Grundversorgung muss wieder in den Fokus der Gesundheitspolitik treten. Der Trend zur Spezialisierung auch in den chirurgischen Praxen darf nicht dazu führen, dass es Versorgungsmängel für die klassischen Probleme der alltäglichen Praxis wie Wundversorgungen, Abszess-Spaltungen und Erstbehandlungen von Distorsionen und Frakturen gibt. Ein erster Schritt ist die KBV-Forderung nach einer Aufhebung der Budgets für alle Grundleistungen im ambulanten Bereich. Ähnlich wie für die Notfallversorgung muss jedoch für alle chirurgischen Grundleistungen wieder eine betriebswirtschaftliche Refinanzierung gewährleistet sein. Dies umso mehr, da mit der zu erwartenden Schließung von Krankenhäusern in strukturschwachen Gebieten die chirurgischen Praxen in vorderste Front für die Grundversorgung rücken. Dies wird sich aller Voraussicht nach nur über regionale Sonderverträge regeln lassen. Der BDC steht dafür als Verhandlungspartner zur Verfügung.

Ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV)

Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung fristet weiterhin ein Nischendasein und wird sich voraussichtlich auch kaum zu einem versorgungsrelevanten Umfang entwickeln lassen. Der intersektorale Ansatz ist vielversprechend, war jedoch von Anfang an nicht auf die Menge, sondern auf seltene Erkrankungen und auf Erkrankungen mit besonderem Krankheitsverlauf beschränkt. Das Genehmigungsverfahren und die Bedingungen für die ASV sind äußerst komplex und bürokratisch, so, dass manche intersektorale Interessengemeinschaft schon allein deswegen zurückschrecken dürfte. Nachdem jetzt die Beobachtungsphase der ASV vorüber ist, gilt es die Bedingungen noch einmal auf den Prüfstand zu stellen und zu klären, ob die ASV nicht auch für die Schließung von regionalen Versorgungslücken geöffnet werden könnte.

Finanzierung

Infolge der vom Gesetzgeber initiierten und propagierten Ökonomisierung des deutschen Gesundheitswesens ist es eine Illusion zu glauben, dass sich Verbesserungen der intersektoralen Zusammenarbeit ohne finanzielle Anreize umsetzen lassen würden. Die Abkoppelung der Personalkostenentwicklung von der DRG-Systematik laut Koalitionsvertrag dürfte einen ersten Schritt darstellen, der allerdings in gleicher Weise auch für die Arztpraxen gelten müsste.

Mit der Unterstützung des BDC läuft zurzeit ein von Stephan Dittrich maßgeblich geförderter Modell-Versuch zu sogenannten Hybrid-DRGs in Thüringen [5], der aber leider nur von einer großen bundesweiten Krankenkasse mitgetragen wird. Die plakative Forderung der DKG nach einem Honorar von 130 Euro für jeden Krankhaus-Notfall kann in gleicher Weise auch für die niedergelassenen Chirurgen übernommen werden: Die ungeplante Versorgung von Notfällen erfordert im Krankenhaus ebenso wie in der Praxis die Vorhaltung von strukturellen und personellen Reserven. Bei einer auskömmlichen Finanzierung wäre dies durchaus auch für die chirurgischen Praxen attraktiv. Zurzeit jedoch bringen Notfälle nur die Terminsprechstunden durcheinander und halten von geplanten Elektiv-Eingriffen ab. Krankenhäuser und chirurgische Praxen sitzen bei diesem Problem durchaus im gleichen Boot. Der BDC bietet sich als kompetenter Ansprechpartner für mögliche Strukturverträge mit den Krankenkassen an.

Kommunikation

Kooperation erfordert vor allem eine optimale Kommunikation. Leider klappt dies immer noch nicht in allen Bereichen, zumal das Entlassmanagement noch nicht an allen Krankenhäusern umgesetzt wurde. Der Austausch von relevanten Gesundheitsdaten über eine gemeinsame elektronische Patientenakte könnte eine Lösung dieses Problems darstellen. Dieser wichtige Anteil der im Aufbau befindlichen Telematik-Infrastruktur sollte daher möglichst rasch und sektorenübergreifend einheitlich realisiert werden. Es muss unbedingt vermieden werden, dass durch unterschiedliche Formate und Strukturen neue Schnittstellenprobleme entstehen. Der BDC stützt daher die Forderung des KBV nach einer einheitlichen Patientenakte [6] und unterstützt seine Mitglieder bei der Einführung der Telematik-Infrastruktur.

Literatur

[1] Deutsche Bundesregierung: Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD https://www.bundesregierung.de/Content/DE/StatischeSeiten/Breg/koalitionsvertrag-inhaltsverzeichnis.html, zuletzt zugegriffen 18.3.2018

[2] KBV: Sektorenübergreifende Versorgung aus einer Hand für Krebspatienten http://www.kbv.de/html/2018_32837.php, zuletzt zugegriffen 18.3.2018

[3] Sachverständigenrat der Bundesregierung zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Werkstattgespräch 7. September 2017, Berlin http://www.svr-gesundheit.de/fileadmin/user_upload/2017-09-08_Notfall_Webseite.pdf, zuletzt zugegriffen 18.3.2018

[4] Deutsches Ärzteblatt: Schleswig-Holstein will Notfallversorgung mit Bundesratsinitiative verbessern. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/91676/Schleswig-Holstein-will-Notfallversorgung-mit-Bundesratsinitiative-verbessern, zuletzt zugegriffen 18.3.2018

[5] Dittrich, S.: Sektorenverbindende Versorgung- Realität und Erwartung. Passion Chirurgie 10/2016 https://www.bdc.de/sektorenverbindende-versorgung-realitaet-und-erwartung/, zuletzt zugegriffen 18.3.2018

[6] KBV: KBV fordert einheitliche elektronische Patientenakte http://www.kbv.de/html/1150_33228.php, zuletzt zugegriffen 18.3.2018

Kalbe P: Sektorenübergreifende Versorgung – ein Dauerthema der Gesundheitspolitik. Passion Chirurgie. 2018 Mai, 8(05): Artikel 03_01.

Nachbesetzung von chirurgischen Arztsitzen

Durch ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofes [1] aus dem September 2016 ist die bisher schon schwierige Situation bei der Weitergabe von chirurgischen Arztsitzen noch komplizierter geworden.

Die Vorgeschichte

Durch einen Beschluss des gemeinsamen Bundesausschusses vom 21.12.2004 wurde der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie nach der Weiterbildungsordnung von 2003 der planerischen Arztgruppe der Orthopäden zugeordnet. Daraus haben sich schon in der Vergangenheit rechtliche Probleme bei der Nachbesetzung der Sitze von chirurgischen Kollegen ergeben, die nach der alten Weiterbildung über den Facharzt für Chirurgie verfügen.

Ausschreibung von Arztsitzen zur Nachbesetzung

Seit dem Versorgungsstrukturgesetz vom 01.01.2013 muss schon die Ausschreibung eines VA-Sitzes beim Zulassungsausschuss beantragt werden, sofern dieser in einem nach der Bedarfsplanung gesperrten Gebiet liegt. Für Chirurgen bestehen bundesweit nahezu in allen Planungsbereichen (Kreisebene) Zulassungsbeschränkungen.

Der Zulassungsausschuss ist somit gesetzlich verpflichtet zu prüfen, ob der Sitz von der KV aufzukaufen sei. Nachdem diese Regelung zunächst als „Kann“-Bestimmung in den § 103 Abs. 3a und Abs. 4 des SGB V aufgenommen worden war, kam es mit GKV-Versorgungsstärkungsgesetz ab dem 23.07.2015 zu einer erheblichen Verschärfung, indem aus der „Kann“-Bestimmung eine „Soll“-Bestimmung wurde, sofern der Versorgungsgrad 140 Prozent und mehr beträgt. Im juristischen Sinne ist darunter zu verstehen, dass der Vertragsarztsitz aufgekauft werden muss, wenn nichts dagegenspricht. Der Versorgungsgrad liegt für Chirurgen im Bundesdurchschnitt nominell deutlich über 140 Prozent.

Als Ausnahmetatbestände wurden gesetzlich festgelegt:

1. Nach wie vor muss der Zulassungsausschuss einem Antrag auf Nachbesetzung stattgeben, wenn es sich bei dem Bewerber um Ehepartner, Lebenspartner oder um ein Kind des Vertragsarztes handelt, der den Sitz abgibt.

2. Auch angestellten Kollegen oder einem Partner der Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) kann der Arzt, der aus der vertragsärztlichen Versorgung ausscheidet, seine Praxis weiter übergeben. Neu ist allerdings, dass die Anstellung oder die gemeinsame Berufsausübung bereits drei Jahre bestehen muss.

3. Der Antrag auf ein Nachbesetzungsverfahren kann auch nicht gegen die Stimmen der Ärztevertreter im Zulassungsausschuss abgelehnt werden. In den Ausschüssen sitzen jeweils drei Vertreter der Krankenkassen und drei Vertreter der Ärzte. Wenn diese geschlossen für die Nachbesetzung sind, dann wird sie auch genehmigt.

4. Ein Nachbesetzungsverfahren darf auch dann erfolgen, wenn ein Bewerber zuvor bereits fünf Jahre in einem unterversorgten Gebiet als Kassenarzt tätig war. Die Unterversorgung muss der Landesausschuss feststellen.

5. Die Nachbesetzung ist auch dann zu genehmigen, wenn der Nachfolger willens ist, die Praxis in ein Gebiet zu verlegen, in dem die KV aufgrund einer zu geringen Arztdichte einen Versorgungsbedarf sieht.

6. Außerdem können „Versorgungsgründe“ verhindern, dass ein Nachbesetzungsantrag abgelehnt wird. Dafür dürfte es vielfältige Gründe geben, zum Beispiel, wenn die Praxen einer Fachrichtung in der Nähe erklären, dass sie die zusätzlichen Patienten nicht übernehmen könnten. Dies ist natürlich bei Praxen mit hohen Fallzahlen leichter zu begründen als bei Praxen, die nur wenige Patienten versorgen.

7. Sitze, die zu einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) gehören, fallen nicht unter die Nachbesetzungsregel. Wenn dort ein angestellter Arzt ausscheidet, bleibt der Sitz beim Inhaber, also dem MVZ – es sei denn, er soll ausgeschrieben werden.

Die Erfahrung zeigt, dass bisher nur wenige Sitze von den kassenärztlichen Vereinigungen aufgekauft werden mussten. Dabei handelte es sich nach Angaben der KBV um Praxen mit sehr geringen Fallzahlen, denen keine Versorgungsrelevanz zugebilligt wurde.

Für potenzielle Abgeber bedeutet dies, dass die individuellen Fallzahlen möglichst nicht zu weit unter die durchschnittliche Fallzahl der Fachgruppe sinken sollten, wenn die Weitergabe des Vertragsarztsitzes beabsichtigt wird. Besondere Umstände, z. B. eine Erkrankung, können individuell beim Zulassungsausschuss geltend gemacht werden.

Der politische Hintergrund dieser Regelung ist die irrige Annahme, durch die Aufkauf-Verpflichtung einerseits Überversorgung abzubauen und andererseits Unterversorgung ausgleichen zu können. Dies kann schon deswegen nicht zum Ziel führen, weil die aktuell gültige Bedarfsplanung diesen Namen nicht verdient. Die jetzige Regelung ist im Gegenteil lediglich die Fortschreibung von Bestandsdaten aus dem Jahr 1994, als die Zulassungsbeschränkungen unter dem damaligen Gesundheitsminister Seehofer eingeführt wurden [2].

Die unbefriedigende Evidenz der aktuellen Regelung ist durchaus bekannt, sodass mit dem Versorgungsstrukturgesetz der Auftrag an den Gemeinsamen Bundesausschuss erging, eine neue und sachgerechtere Planungsgrundlage zu erarbeiten. Der GBA hat nunmehr dazu ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag gegeben. Mit den Ergebnissen und ggf. auch einer Änderung der Bedarfsplanungsrichtlinie des GBA ist nicht vor 2018 zu rechnen.

Änderungen auf Grund der aktuellen Rechtsprechung

Das Problem der Nachbesetzung trifft nach der aktuellen Rechtsprechung niedergelassene Chirurgen nach alter Weiterbildungsordnung (1992), die nicht über einen Schwerpunkt bzw. eine Teilgebietsbezeichnung „Unfallchirurgie“ verfügen. Im konkreten Fall hat der Zulassungsausschuss in Berlin die Übernahme eines chirurgischen Vertragsarztsitzes durch einen FA für Orthopädie und Unfallchirurgie abgelehnt. Die Übernahme wäre demnach lediglich entweder durch einen Facharzt für Chirurgie nach alter WBO oder durch einen Facharzt für Allgemeinchirurgie, allgemeine Chirurgie, Gefäßchirurgie, Viszeralchirurgie, Kinderchirurgie oder Thoraxchirurgie möglich. Da die überwiegende Zahl der Niederlassungsinteressenten jedoch über die Facharztqualifikation als Orthopäde und Unfallchirurg verfügt, engt dies den Kreis der potenziellen Übernehmer massiv ein. Da es ohnehin vor allem im ländlichen Bereich nur wenige Interessenten für chirurgische Sitze gibt, dürfte dies zu einem ernsten Versorgungsproblem durch den Wegfall von wichtigen Versorgerpraxen führen.

Anzahl der Chirurgen nach alter Weiterbildungsordnung ohne Schwerpunkt

Die Anzahl von tätigen Chirurgen ohne Teilgebiets- oder Zusatzbezeichnung „Unfallchirurgie“ ist erstaunlich hoch. Mehr als 2.800 Kollegen, also mehr als zwei Drittel, verfügen über keine oder eine andere Schwerpunktbezeichnung (Tabelle 1). Bei Betrachtung der Bedarfsplanungsgewichte (Arztsitze) sind es etwas weniger als zwei Drittel (Tabelle 2). Es ist nicht genau bekannt, wie viele Chirurgen ohne Schwerpunktbezeichnung Unfallchirurgie am D-Arzt-Verfahren beteiligt sind.

Tab. 1: Verteilung der Chirurgen nach Zulassungsstatus und Schwerpunkt Unfallchirurgie; Stand Ende 2016, Quelle: Bundesarztregister der KBV

Status

Mit Schwerpunkt Unfallchirurgie

Ohne Schwerpunkt Unfallchirurgie

Gesamt nach Personen

Vertragsärzte

1.272

1.796

3.068

Partnerärzte (Job-Sharing)

7

16

23

Angestellte Ärzte in Einrichtungen

307

777

1.084

Angestellte Ärzte in freier Praxis

91

243

334

Chirurgen gesamt

1.677

2.832

4.509

Tab. 2: Verteilung der Bedarfsplanungsgewichte (Arztsitze) nach Zulassungsstatus und Schwerpunkt Unfallchirurgie; Stand Ende 2016, Quelle: Bundesarztregister der KBV

Status

Mit Schwerpunkt Unfallchirurgie

Ohne Schwerpunkt Unfallchirurgie

Gesamt nach Arztsitzen

Vertragsärzte

1.216

1.730

2.946

Partnerärzte (Job-Sharing)

Angestellte Ärzte in Einrichtungen

177

412

589

Angestellte Ärzte in freier Praxis

49

108

157

Chirurgische Arztsitze gesamt

1.442

2.250

3.692

Lösungsmöglichkeiten nach der aktuellen Rechtslage

Die Urteilsbegründung zum aktuellen BSG-Urteil lässt offen, ob eine bestehende D-Arzt-Zulassung in der abgebenden Praxis vom Zulassungsausschuss gleich bewertet werden kann wie ein Schwerpunkt oder eine Teilgebietsbezeichnung „Unfallchirurgie“. Somit ergibt sich zumindest für die D-Ärzte eine Chance der Weitergabe an einen Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Diese Auffassung hatte im Übrigen stets auch der Berufsverband der Deutschen Chirurgen gegenüber den Zulassungsausschüssen vertreten und war damit in Einzelfällen auch erfolgreich gewesen.

Im Einzelnen wird dazu auf den Kommentar unseres Justiziars Dr. Heberer verwiesen.

Rochade in Gemeinschaftspraxen

Andere Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen sich unter Umständen in Berufsausübungsgemeinschaften (BAG), in denen Fachärzte für Chirurgie nach alter WBO mit und ohne Schwerpunkt tätig sind. Es ist im Einzelfall jedoch kritisch zu hinterfragen, ob es sinnvoll ist, auch zum Zweck der Zulassungsweitergabe eine BAG zu gründen, da dies auch mit allen Risiken der Bildung einer GbR verbunden ist.

Lösungen für die Zukunft

Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen hat schon seit vielen Jahren eine Anpassung der Bedarfsplanungsrichtlinie an die Weiterbildungsordnung gefordert. Dies würde bedeuten, dass die bisherigen Arztgruppen Chirurgie und Orthopädie zusammengelegt würden. Für eine sachgerechte Sicherstellung der Versorgung muss es nach den Vorstellungen des BDC eine differenzierte Beplanung der einzelnen Säulen geben. Die in der Grundversorgung aktiven Arztgruppen Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Allgemeinchirurgie sollten daher wie bisher auf der Kreisebene beplant werden. Für die übrigen Facharztsäulen der Chirurgie wäre eine großräumige Beplanung, z. B. auf der Basis der Raumordnungsregionen wie bei den Fachinternisten denkbar.

Der BDC hat bisher keine Informationen über zusätzliche Probleme bei der Ausschreibung von Arztsitzen von Chirurgen ohne Zusatzweiterbildung durch das erwähnte BSG-Urteil [1] erhalten. Sollte es dadurch zu Schwierigkeiten bei der Ausschreibung kommen, bitten wir um Kontaktaufnahme über die Geschäftsstelle des BDC. Eine rechtliche Prüfung und Erstberatung durch den Justiziar des BDC ist dann möglich.

Literatur

[1] BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 28.9.2016, B 6 KA 40/15 R https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=190734, zugegriffen zuletzt 4.9.2017

[2] Bedarfsplanungs-Richtlinie des GBA https://www.g-ba.de/informationen/richtlinien/4/, zugegriffen zuletzt 4.9.2017

Kommentar des BDC-Justitiars Dr. J. Heberer

Nachbesetzung eines Chirurgensitzes – bessere Chancen für D-Ärzte

Wie bereits berichtet hat das Bundessozialgericht jüngst entschieden, dass die Nachbesetzung eines Chirurgensitzes durch einen Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie nur dann möglich sei, wenn der seinerzeit abgebende Chirurg über die weiterbildungsrechtliche Schwerpunktbezeichnung Unfallchirurgie verfügt. Ein tatsächlicher Tätigkeitsschwerpunkt im unfallchirurgischen Bereich sei nicht ausreichend (BSG, Urteil vom 28.9.2016, Az. B 6 KA 40/15 R). Dies stellt viele abgabewillige Chirurgen vor erhebliche Probleme bei der Nachfolgesuche.

Nach der zwischenzeitlich erfolgten Veröffentlichung der Entscheidungsgründe gibt es aber die Hoffnung, dass jedenfalls Chirurgen, die zwar keine unfallchirurgische Schwerpunktbezeichnung haben, wohl aber eine D-Arzt-Zulassung, die Nachbesetzung mit einem Orthopäden durchsetzen könnten.

Das Thema war in dem vom BSG entschiedenen Fall eigentlich nicht entscheidungsrelevant. Gleichwohl äußerte sich das BSG hierzu wie folgt:

Offenbleiben kann auch, wie die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes oder einer Arztstelle im MVZ durch einen Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie zu beurteilen ist, wenn der ausscheidende Arzt für Chirurgie zwar nicht die Schwerpunktbezeichnung „Unfallchirurgie“ geführt hat, aber als sog. Durchgangsarzt nach § 34 Abs 2 SGB VII tätig war. Da die Berufsgenossenschaften die Anerkennung eines chirurgisch tätigen Arztes als Durchgangsarzt davon abhängig machen, dass dieser (auch) die Bezeichnung „Unfallchirurgie“ führt, könnte der Gesichtspunkt der Versorgungskontinuität der vertragsärztlichen und berufsgenossenschaftlichen Tätigkeit in einer Praxis oder einem MVZ dafür sprechen, in einem solchen Fall § 16 BedarfsplRL entsprechend anzuwenden. Das Anerkennungsverfahren der Berufsgenossenschaften nach § 34 Abs 2 SGB VII hat zwar keinen unmittelbaren Einfluss auf vertragsärztliche Zulassungen. Die ambulante Heilbehandlung nach § 27 SGB VII ist aber eng mit der vertragsärztlichen Versorgung verbunden, wie sich schon aus der nach § 34 Abs 4 SGB VII bestehenden Gewährleistungsverpflichtung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung auch für die gesetzeskonforme Durchführung der ambulanten berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung ergibt.

Nicht direkt erwähnt wird die Frage, ob auch der übernehmende Orthopäde zwingend die Voraussetzungen für die Fortführung der D-Arzt-Tätigkeit vorweisen muss (Voraussetzung ist insbesondere auch die Zusatzbezeichnung „Spezielle Unfallchirurgie“). Im Hinblick darauf, dass das BSG seine Annahme mit der „Versorgungskontinuität der vertragsärztlichen und berufsgenossenschaftlichen Tätigkeit“ (s. o.) begründet, wird hiervon aber wohl auszugehen sein.

Wie die Zulassungsgremien mit den Hinweisen des BSG in der Praxis umgehen werden, bleibt abzuwarten. In jedem Fall sollte der zuständige Zulassungsausschuss auf den vorgenannten Passus der Entscheidung hingewiesen und die Kontinuität der Versorgung als Argument angeführt werden.

Kalbe P, Kübke R: Nachbesetzung von chirurgischen Arztsitzen. Passion Chirurgie. 2017 Oktober, 7(10): Artikel 04_08.

Ambulante Versorgung, wo geht der Weg hin?

 

Die Not der Notaufnahmen

Die Kontroverse über die zunehmende Inanspruchnahme der Notaufnahmen der Krankenhäuser auch durch Nicht-Notfallpatienten war für den BDC der Anlass, auf dem diesjährigen Chirurgenkongress eine Vortragssitzung zum Thema ambulante Versorgung zu organisieren.

Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen umfasst auch die Notfallversorgung. Herr Maurer von der KV Bayern wies darauf hin, dass der Anteil der angestellten Chirurgen in der Niederlassung inzwischen 18 Prozent betrage und dies in Bezug auf das Arbeitszeitgesetz ein zusätzliches Hindernis für die Besetzung der Bereitschaftsdienste darstelle. Die KV Bayern habe gute Erfahrungen mit Notfallpraxen in den Krankenhäusern gemacht, die vorwiegend nur zu den „Stoßzeiten“ geöffnet seien. In Anbetracht des steigenden Anteils von Ärztinnen dürfe auch der Sicherheitsaspekt nicht vernachlässigt werden. Daher werde der Fahrdienst regelmäßig unter Beteiligung eines eigenen Fahrers durchgeführt. Bezüglich der Nachbesetzungsprobleme chirurgischer Arztsitze hofft er auf konstruktive Lösungsvorschläge durch das vom G-BA beauftragte Gutachten zur Bedarfsplanung, das für 2018 oder 2019 zu erwarten sei.

Der Geschäftsführer des Verbands der Krankenhausdirektoren, Herr Dr. Düllings, stellte die Sichtweise der Krankenhäuser dar. Er kritisierte scharf die vom MDK initiierten Zahlungsausfälle seines Krankenhauses in Millionenhöhe und bezeichnete dies als „Zechprellerei“. Somit bestünde auch für die Krankenhäuser eine Art Budgetierung. Er hob auf den Sicherstellungsauftrag der KV für den Notdienst ab und monierte den aktuellen Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses mit der Abklärungspauschale (01205/01207) in Höhe von 8,42 Euro außerhalb der Sprechstunden. Diese Leistung könne in der Kürze der Zeit nicht rechtssicher und schon gar nicht rentabel erbracht werden. Er kündigte eine Art „Dienst nach Vorschrift“ der Krankenhäuser an, wenn dieses Problem nicht befriedigend gelöst werde. Herr Dr. Düllings drückte auch seine Bereitschaft aus, mit den niedergelassenen Ärzten zusammen den Patienten wieder mehr in den Fokus zu rücken.

Der Vizepräsident des BDC Dr. Rüggeberg nahm in seinem Vortrag diesen Faden auf und schlug vor, sich aus den „Schützengräben“ hervorzuwagen und die fachärztliche Versorgung der Zukunft mit Fachärzten aus den Praxen und den Krankenhäusern gemeinsam zu organisieren. Er betont dabei ausdrücklich, dass die Chirurgen der Zukunft bei der notwendigen Tiefe der Spezialisierung niemals auch die vollständige Breite des Fachs abbilden könnten. Er forderte von der Politik Konzepte, um das „Konsumverhalten“ der Patienten zu steuern oder bei den begrenzten Ressourcen zumindest zu definieren, welche Versorgungsanteile Vorrang hätten. Er sieht vernetzte intersektorale Versorgungsstrukturen als Modell der Zukunft und wünschte sich eine Stärkung des Belegarztwesens. Dies hat der BDC bereits durch die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft für Beleg- und Kooperationsärzte als neuen Arbeitsschwerpunkt aufgenommen.

Herr Dr. Neumann als Präsident des Bundesverbands Ambulantes Operieren zeichnete ein skeptisches Bild der Zukunft. Trotz der durch das „Oberender-Gutachten“ eindeutig belegten Vorteile des ambulanten Operierens werde dieses nur unzureichend von den Krankenkassen gefördert. Im Gegenteil seien aktuell zahlreiche Struktur- und Selektivverträge gekündigt worden. Dem Leistungstransfer vom Krankenhaus in den ambulanten Bereich folge kein Budget-Transfer. Eine Zukunftschance sieht er vor allem für ambulante Operationszentren an den Krankenhäusern oder in der Kooperation mit einer Klinik. Operateur und Anästhesist sollten dort verstärkt auf die Sicherheit und die Zufriedenheit der ambulant operierten Patienten setzen.

Für den Bundesverband ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) sprach die Geschäftsführerin Frau Froschauer über die Zukunftschancen dieser neuen Versorgungsform. Sie stellte zunächst die grundsätzliche Konstruktion der ASV-Teams nach dem „Zwiebelschalenmodell“ vor. Die aktuelle Anzahl der ASV-Teams sei wegen der komplizierten Meldeverfahren nicht ganz klar, liege aber sicher noch unter 100 Teams deutschlandweit. Chirurgen seien insbesondere bei den gastrointestinalen Tumoren beteiligt. Sie erwarte eine deutliche Steigerung bei der gerade angelaufenen Versorgung gynäkologischer Tumoren. Für die Zukunft rechne sie mit weiteren Indikationen im Bereich der Onkologie. Das ursprüngliche Konzept des „wer kann, der darf“ sei durch zahlreiche bürokratische Hemmnisse obstruiert worden. Auch die geplante eigene Abrechnungssystematik mit sektorenübergreifenden Fallpauschalen lasse auf sich warten und die jetzige Abrechnung nach EBM sei unattraktiv. In der Diskussion wurden die Problematik der Bereinigung des ASV-Honorarvolumens und die nur optionale Beteiligung der KVen hervorgehoben. Dies stelle weitere Hindernisse für die ASV dar.

Insgesamt zeigte die Sitzung, dass im Bereich des Bereitschaftsdienstes und der Notaufnahmen noch kein ausreichendes gegenseitiges Verständnis der Probleme des jeweils anderen Versorgungsbereiches besteht. Gemeinsame Versorgungsprojekte könnten die Vertrauensbildung fördern. Das ambulante Operieren dürfte einen Zentralisierungstrend vor sich haben. Die ambulante spezialärztliche Versorgung könnte als Modell für weitere sektorenübergreifende Versorgungsmodelle dienen, wenn die Anlaufschwierigkeiten überwunden werden und die Patienten und die Ärzte dafür begeistert werden könnten. Alle Referenten bedauerten den vorwiegend ökonomisch gefärbten Blick auf die Versorgungslandschaft und forderten, den Patienten wieder mehr in den Mittelpunkt zu rücken.

Kalbe P. Ambulante Versorgung, wo geht der Weg hin? Passion Chirurgie. 2017 Mai, 7(05): Artikel 05_02.

Tätigkeitsbericht Referatsleiter Niedergelassene Chirurgen 2016

Aktivitäten im vergangenen Jahr

Regelmäßige Mitglieder-Beratungen per E-Mail und Telefon, meist zu folgenden Themen: Abrechnung, Plausibilitätsprüfungen, Regresse, Zulassung/Niederlassung

Sitzungen des Referates Niedergelassene Chirurgen:

  • Klausurtagung in Fulda 17.-18. Juni 2016, teilweise gemeinsam mit dem BNC
  • Sitzung des RNC 21. Januar 2017 in Hannover
  • Klausurtagung in Hannover teilweise gemeinsam mit dem BNC geplant für 9.-10. Juni 2017

Seminare (Beiträge, Leitung, teilweise auch Planung und Konzeption):

  • Workshop Vorbereitung auf die Niederlassung, München, 23.3.2017
  • Seminar Praxisoptimierung Berlin, 12.-13. Mai 2017
  • Hygienebeauftragter Arzt: Präsenzveranstaltung in Kooperation mit dem niedersächsischen Landesgesundheitsamt wieder geplant für Winter 2017

Vorträge und Vorsitze/Konzeption von Sitzungen zu berufspolitischen Themen:

  • Gemeinsame Fortbildung BDC und ANC Niedersachsen Februar 2017
  • Gemeinsamer Bundeskongress, Nürnberg März 2017
  • Chirurgenkongress, München März 2017
  • VSOU Kongress April 2017
  • DKOU geplant über Peter Heppt (BVOU)

Publikationen zu berufspolitischen Themen und Buchbesprechungen:

  • Passion Chirurgie
  • Unfallchirurgie (Heft 11/2016 zu D-Arzt-Reform niedergelassene D-Ärzte)
  • Mitarbeit am Gebührenkommentar zur UV-GOÄ (Hrsg. Frau B. Berner, DÄ-Verlag)

Berufspolitische Tätigkeiten/Vernetzung:

  • KV Niedersachsen: Mitglied der Vertreterversammlung (VV), Wiederwahl zum Vorsitzenden des Beratenden Fachausschusses für den Fachärztlichen Versorgungsbereich, neu gewählter Delegierter zur KBV-VV, designiertes Mitglied der Gebührenkommission nach § 52 Ärztevertrag KBV-DGUV
  • Mitglied im Präsidium der DGCH (seit 2016)
  • Vorsitz der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft ambulantes Operieren (CAAO) der DGCH
  • Mitglied in den Ausschüssen Versorgung, Qualität und Sicherheit der DGOU und im Ausschuss Niedergelassene Vertragsärzte (ANV) der DGU
  • Mitglied in der Gemeinsamen BG-Kommission der unfallchirurgisch-orthopädischen Berufsverbände (GBK), Geschäftsführung b. BDC, Vorsitz: Rainer Kübke und Werner Boxberg
  • Delegierter des BDC zur Programmplanung der gemeinsamen Bundeskongresse in Nürnberg

Wichtige Besprechungen/Sitzungen:

  • Teilnahme an den Sitzungen des erweiterten BDC Vorstands
  • Gremienarbeit in der KBV und in der KV Niedersachsen
  • Sitzungen zur EBM-Reform mit der KBV, gemeinsam mit BNC und BVOU
  • Sitzungen zur Bewertung der operativen Leistungen gemeinsam mit allen Berufsverbänden der operativ tätigen Gebiete.
  • Regelmäßige Teilnahme an Sitzungen zur Legendierung und Bewertung von chirurgischen Leistungen im Rahmen der GOÄ-Reform
  • Programmplanung Gemeinsamer Bundeskongress 2018 in Frankfurt/Main am 10. Mai 2017
Tätigkeitsbericht Referatsleiter Niedergelassene Chirurgen
Bundeskongress Chirurgie 2017

Bundeskongress Chirurgie 2017: Gemeinsam stark

Fortbildung und Erfahrungsaustausch

Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege!

Vom 10. bis 12. März 2017 findet in Nürnberg wieder der gemeinsame Bundeskongress Chirurgie statt. Wie in den letzten Jahren bietet dieses Treffen der Chirurgen aus Praxis und Kliniken ein Forum für Informationen aus erster Hand und für den kollegialen Erfahrungsaustausch.

Im Mittelpunkt der berufspolitischen Diskussion werden die Programme der Parteien zur zukünftigen Gesundheitspolitik stehen. Im Bundestags-Wahljahr dürfte somit der traditionelle politische Vormittag am Samstag eine besondere Brisanz entwickeln. Schon am Freitag werden die beteiligten Verbände ihre Erwartungen an die Gesundheitspolitik darstellen.

Auch Auswirkungen der aktuellen Gesetzgebung im Hinblick auf Terminservicestellen, Zweitmeinungsverfahren und Einrichtung von Portalpraxen in Krankenhäusern werden thematisiert und diskutiert. Breiten Raum wird die sektorenübergreifende Versorgung einnehmen – dieses Mal in Form einer speziellen Sitzung mit der Vorstellung erfolgreicher Modelle am Freitagvormittag. Hier bewährt sich das Konzept des Nürnberger Kongresses, Chirurgen aller Versorgungsbereiche zusammenzuführen. Diese Beispiele haben besondere Aktualität angesichts der sinkenden Attraktivität der Niederlassung als Chirurg und den zunehmenden Schwierigkeiten, Nachfolger für chirurgische Praxen zu finden. Die Fachvorträge decken einen breiten Bereich der Viszeral-, Hand-, Venen- sowie proktologischen Chirurgie ab. Die Unfallchirurgie fokussiert 2017 Verletzungen der unteren Extremitäten sowie die Endoprothetik am Hüft- und Kniegelenk.

Über den Stand des BDC können persönliche Beratungsgespräche zu Karrierefragen, zur Niederlassung, zu rechtlichen Problemen und zu allen Aspekten des Arbeitsalltags vereinbart werden. Am Nachbarstand steht auch wieder unser Versicherungspartner Ecclesia für alle Fragen und Wünsche zum Thema Versicherungen zur Verfügung.

Wie in allen Jahren zuvor wird der spezifischen und zertifizierten Fortbildung im Rahmen des Kongress breiter Raum eingeräumt. Die Durchgangsärzte haben die Möglichkeit, an der DGUV-zertifizierten Fortbildung „Kindertraumatologie“ und am Gutachten-Seminar teilzunehmen und damit wesentliche Anteile der vorgeschriebenen D-Arzt-Fortbildungen nachzuweisen. Auch die Auffrischung der Fachkunde im Strahlenschutz sowohl für die Ärzte als auch das radiologische Fachpersonal ist nach vorheriger Anmeldung möglich. In zahlreichen Workshops werden praktische Tipps für den Alltag der niedergelassenen und klinisch tätigen Chirurgen angeboten. Die Industrieausstellung bietet wieder einen Überblick über Neuheiten und Bewährtes für den Arbeitsalltag.

Neben den Aktivitäten auf dem Messegelände wird aber auch der informelle persönliche Austausch unter Kolleginnen und Kollegen nicht zu kurz kommen. Die bekannte fränkische Gastlichkeit in der Nürnberger Altstadt bietet ebenso wie der Gesellschaftsabend genügend Gelegenheit zu Gesprächen im kleinen Kreis.

Wir freuen uns darauf, Sie im Frühjahr 2017 in Nürnberg begrüßen zu dürfen.

Dr. Peter Kalbe
Leiter des Referats Niedergelassene Chirurgen im BDC

PD Dr. Carsten Krones
Beauftragter für Nachwuchsförderung im Präsidium des BDC

Dr. Michael Bartsch
Kongressleiter Bundeskongress Chirurgie 2017

Hier finden Sie alle Informationen und die Anmeldung zum Kongress.

Bartsch M. / Kalbe P. / Krones C. J. Gemeinsamer Bundeskongress Chirurgie 2017 – Fortbildung und Erfahrungsaustausch. 2016 Oktober; 6(10): Artikel 03_01.

Weiterführende Informationen
BDC-Sitzungen auf dem Bundeskongress Chirurgie 2017

Rezension: 
Manual Ambulantes Operieren

Das Buch hat den Anspruch eines deutschsprachigen Standardwerkes für alle Aspekte des Ambulanten Operierens – sowohl im Bereich der niedergelassenen Chirurgen als auch in den Kliniken.

Es beginnt mit einem Überblick über die geschichtliche Entwicklung des Ambulanten Operierens, in dem insbesondere die Pioniere in Deutschland breiten Raum einnehmen. Des Weiteren werden ausführlich und gut verständlich die komplexen rechtlichen, persönlichen und strukturellen Voraussetzungen für die Teilnahme am Ambulanten Operieren und am dreiseitigen Vertrag zum § 115b SGB V erläutert. Erfreulicherweise wird hier insbesondere eine Lanze für ein umfassendes und aktiv gelebtes Qualitätsmanagement gebrochen. Der Beitrag von Rainer Woischke illustriert überzeugend die gestiegenen Kosten für eine rechtskonforme Umsetzung der Hygiene-Richtlinien und formuliert die berechtigte Forderung nach einem sofortigen Hygiene-Aufschlag für jede ambulante Operation. Weitere Beiträge beschäftigen sich mit der Thromboseprophylaxe und speziellen Problemen der Kinderanästhesie.

Im zweiten Teil des Buches werden ambulante Operationen aus allen Fachgebieten (außer der Gynäkologie) kurz dargestellt. Dabei können naturgemäß die einzelnen Eingriffe nur ansatzweise erläutert werden, so dass sich dieser Teil mehr als „Blick über den Nachbarzaun“ eignet und keine Operationslehre der jeweiligen operativen Bereiche ersetzen kann. Für den niedergelassenen Chirurgen sind aber vor allem die Einblicke in die Nachbargebiete, z. B. Urologie, HNO und Neurochirurgie, von großem informatorischen Wert. Die einzelnen Kapitel sind von erfahrenen ambulanten Operateuren verfasst worden und bieten jeweils mit einem abschließenden Literaturverzeichnis alle Möglichkeiten, sich in den fachlichen Inhalt vertiefend einzuarbeiten.

Das Werk schließt mit einer gesundheitsökonomischen Betrachtung und einer Generalabrechnung des Herausgebers mit der deutschen Gesundheits- und Sozialpolitik, die insbesondere auf die Unterfinanzierung des Ambulanten Operierens fokussiert. Dabei wird die herausragende Bedeutung des Ambulanten Operierens ausführlich dargestellt, allerdings ein wenig die ebenfalls notwendige chirurgische Grundversorgung vernachlässigt. Daher dürften nicht alle berufspolitischen Aussagen, z. B. zur Rolle der kassenärztlichen Vereinigungen, die Zustimmung aller niedergelassener Chirurgen finden.

Das reich bebilderte und gut gegliederte Buch bietet einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand des Ambulanten Operierens in Deutschland und sollte in keiner chirurgischen Fachbibliothek fehlen.

Rezension: Manual Ambulantes Operieren 9783110378672_Cover_Deindl_RZn.indd
Techniken, perioperative Verfahren und Management
Hrsg. Christian Deindl
De Gruyter 2016
511 Seiten, 137 farb. Abb.
ISBN 978-3-11-037867-2
geb. Ausgabe: 129,95 €.

Kalbe P. Rezension: Manual Ambulantes Operieren. Passion Chirurgie. 
2016 Oktober; 6(10): Artikel 03_07.

Niederlassung

Karriere in der Niederlassung – Eine attraktive Alternative

Etwa in der Mitte der Weiterbildungszeit dürften sich Kollegen öfter die Frage stellen: „Wie geht es für mich nach dem Facharzt weiter?“. Nur selten ist die spontane Antwort „Na klar, ich lasse mich nieder!“. Wenn nicht im Einzelfall eine spezielle regionale oder familiäre Verbundenheit zu einer chirurgischen (oder orthopädischen) Praxis besteht, wird die Niederlassung häufig mehr oder weniger als eine Notlösung und nicht als ein echtes Karriereziel betrachtet. Warum ist das eigentlich so?

Leider ist der Blickwinkel von der Klinik auf die chirurgischen Praxen häufig noch von überkommenen Vorstellungen der Tätigkeit in der Niederlassung geprägt. Während in früheren Zeiten tatsächlich die Grundversorgung und die Nachbehandlung von Krankenhausfällen die Tätigkeit des niedergelassenen Chirurgen dominierte, haben sich heute viele Praxen ein Profil in chirurgischen Spezialdisziplinen erarbeitet. Zunehmend löst sich auch die strenge Trennung und das tradierte gegenseitige Misstrauen zwischen Krankenhäusern und Facharztpraxen, sodass die politisch gewünschte und geforderte intersektorale Kooperation an Fahrt gewinnt. Die folgende Abbildung (Abb. 1) wirft ein Schlaglicht auf die vielfältigen Möglichkeiten, die sich heutzutage im Bereich der Niederlassung und in der Kooperation mit Krankenhäusern bieten.

Abb. 1: Vielzahl von Möglichkeiten in der Niederlassung und in stationär/ambulanter Kooperation

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„Kann ich in der Praxis überhaupt weiter operieren?“

Bekanntermaßen hat sich das Spektrum der ambulant durchführbaren Eingriffe in den letzten Jahrzehnten massiv erweitert (Tab. 1). Zu den Zeiten der handchirurgischen Weiterbildung des Autors in den 1980er Jahren wurden Patienten nach einer Dupuytren-Operation noch mindestens eine Woche stationär behandelt. Heutzutage wird dieser Eingriff regelmäßig ambulant in der Praxis durchgeführt. So ergibt sich für den niedergelassenen Chirurgen ein breites Spektrum von Operationen, die ambulant oder auch stationär mit Belegarzt-Betten oder im Rahmen einer Kooperation durchgeführt werden können. Nicht zu unterschätzen ist dabei der (von den Klinikern schmerzlich vermisste) große Vorteil, die eigenen Patienten von der Diagnose und Indikationsstellung über den operativen Eingriff und die Nachbehandlung bis zur Rehabilitation persönlich und durchgehend betreuen zu können.

Tab. 1: Liste der am häufigsten abgerechneten ambulanten und belegärztlichen operativen Eingriffe (Quartal 4/2012, Quelle: KBV)

Rang

OPS-Codes

Kurztext

Anzahl

1

5-895 ff.

Exzisionen mit primärem Wundverschluss

64.210

2

5-056.40

Karpaltuwnnelspaltung

21.263

3

5-385.70

Crossektomie und Stripping V. saph. magna

14.429

4

5-849.0

Ganglion Entfernung an der Hand

9.651

5

5-385.96

Exhairese Seitenastvarize

9.581

6

5-812.5

ASK und Meniskusteilresektion

8.853

7

5-640.3

Frenulum- und Präputialplastik

5.627

8

5-493.29

Hämorrhoiden Op., z. B. Milligan-Morgan

4.970

9

5-492.00

Exzision v. erkranktem Gewebe am Analkanal

4.630

10

5-780.6w

Inzision am Knochen: Phalangen Fuß

4.028

11

5-840.81

Tenolyse Beugesehne Langfinger

3.824

12

5-849.5

Radikale Exzision Hand, erw. Präparation (TU)

3.320

Allerdings bietet das wettbewerbliche Umfeld im niedergelassenen Bereich keinen Raum für „trial and error“ und für eine Lernkurve. Das bedeutet, dass schon vor der Niederlassung eine hohe operative Expertise und Erfahrung erworben werden muss. Dies dürfte unter den heutigen Rahmenbedingungen in der Weiterbildung nur für ein begrenztes Spezialgebiet realisierbar sein. Dies ist wichtig im Hinblick auf das Karriereziel Niederlassung, denn bis dahin muss neben der allgemeinen fachlichen Kompetenz auch die Sicherheit bei angestrebten Operationen erreicht sein.

Häufig durchgeführte ambulante und belegärztliche Operationen:

  • Oberflächenchirurgie
  • Gelenkchirurgie: ASK und Endoprothetik, Kreuzbandersatz
  • Hernienchirurgie: offen (und endoskopisch)
  • Proktologie und Dickdarmchirurgie
  • Gefäßchirurgie: überwiegend Venen
  • Hand- und Fußchirurgie
  • Kinderchirurgie (-urologie)
  • selten auch Traumatologie (ohne ICU), Wirbelsäule, Portchirurgie

„Ich möchte mich nicht durch Geschäftsführung und Abrechnung belasten“

In einer chirurgischen Einzelpraxis ist es natürlich unumgänglich, dass sich der Inhaber auch gleichzeitig als Unternehmer engagiert. Abrechnung, Schriftverkehr mit der Kassenärztlichen Vereinigung, der Ärztekammer und der BG, Personalführung und Verwaltung, Qualitätssicherung und Managementaufgaben binden erhebliche zeitliche Ressourcen. Dies ist auch ein wichtiger Grund dafür, dass heute im fachärztlichen Bereich der Trend zu größeren Berufsausübungsgemeinschaften geht. Dieser Begriff umfasst zahlreiche denkbare Modelle der Kooperation von zwei oder mehr ärztlichen Kollegen mit gleicher oder auch unterschiedlicher Facharztqualifikation (Abb. 1). Dies ermöglicht es, neu in die Gemeinschaft eintretende Kollegen zunächst oder auch dauerhaft von administrativen Aufgaben freizustellen. In größeren Gemeinschaften kann diese „nicht-chirurgische“ Tätigkeit auch an einen ärztlichen oder nicht-ärztlichen Geschäftsführer delegiert werden.

Einen gewissen Sinn für betriebswirtschaftliche Fragestellungen sollte aber jeder niedergelassene Chirurg mitbringen oder zumindest im Laufe der Einarbeitung entwickeln. Es ist für den Einstieg in die Niederlassung aber zumindest in größeren Gemeinschaften nicht mehr erforderlich, gleichzeitig sofort auch als Manager zu fungieren. Darüber hinaus darf aber nicht übersehen werden, dass heute in nahezu allen Führungspositionen, also auch als Chefarzt im Krankenhaus, betriebswirtschaftliches Engagement und Know-how erwartet werden.

„Ist die Niederlassung nicht ein großes Risiko mit riesigen Investitionen?“

Die Neugründung einer chirurgischen Praxis ist zurzeit praktisch ausgeschlossen, weil bundesweit eine nahezu komplette Niederlassungssperre für Chirurgen besteht. Der Einstieg in die Niederlassung erfolgt daher regelmäßig durch die Übernahme einer bestehenden Praxis oder aber als „gleitender“ Einstieg im Rahmen einer Anstellung bzw. Eintritt in eine Gemeinschaftspraxis oder einem MVZ. Hier gibt es erhebliche Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten.

Während viele niedergelassene Kollegen in Kleinstädten und in der Peripherie große Schwierigkeiten haben, überhaupt Interessenten für einen Einstieg bzw. eine Übernahme zu finden, werden in den Großstädten und Ballungsgebieten teilweise erhebliche Summen als Ablöse für den ideellen Wert einer Praxis gefordert. Die Niederlassungschancen verhalten sich dementsprechend leider reziprok zu den Wünschen vieler junger Mediziner.

Während bei einer Neugründung tatsächlich erhebliche Investitionen finanziert werden müssten relativiert sich das wirtschaftliche Risiko beim „gleitenden“ Übergang. Da der Markt an Niederlassungswilligen aktuell sehr begrenzt ist, werden von den abgebenden Kollegen häufig attraktive Modelle des schrittweisen Einstiegs in eine Praxis angeboten. Es ist ein gängiges Vorgehen in Gemeinschaftspraxen, neue Kollegen auf Wunsch zunächst anzustellen und die Option zu schaffen, sich später als Partner in das Unternehmen einzukaufen. Dies ermöglicht allen Beteiligten eine Probephase mit begrenztem finanziellem Risiko.

Aber auch in einer Einzelpraxis ist ein gleitender Übergang durch das sogenannte Jobsharing möglich. Dabei teilen sich Senior- und Junior-Partner eine Zulassung als Vertragsarzt. Leider sind manche dieser alternativen Konstruktionen teils mit rigiden Honorardeckelungen verbunden, was die Attraktivität vermindert.

Insgesamt bieten sich allerdings seit der politisch ausdrücklich gewollten Flexibilisierung der Niederlassung seit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) vielfältige kreative Gestaltungsmöglichkeiten. Dazu bieten alle kassenärztlichen Vereinigungen und auch der BDC individuelle Beratungen an.

„Man hört so viel vom Regress-Risiko“

Finanzielle Rückforderungen der Krankenkassen bzw. Prüfgremien für „unwirtschaftliches Verordnungsver­halten“ können tatsächliche existenzgefährdende Ausmaße annehmen. Daher tritt der BDC seit jeher dafür ein, die Regress-Verantwortung der Ärzte komplett abzuschaffen. Arzneimittelregresse spielen für niedergelassene Chirurgen praktisch keine Rolle. Dagegen sind massive Rückforderungen wegen angeblich zu viel verordneter physikalischer Therapie – v. a. Krankengymnastik – bekannt geworden. Obwohl auch dies grundsätzlich inakzeptabel ist, muss doch festgestellt werden, dass sich dieses Problem auf wenige Einzelfälle beschränkt und, dass bei genauerer Beachtung der Richtlinien und Ausnutzung aller Möglichkeiten der Kennzeichnung von Praxis-Besonderheiten, Heilmittelregresse äußerst unwahrscheinlich sind. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber jetzt regelmäßig eine Beratung des Arztes vor den vollzogenen Regress gestellt, sodass dieses Thema mehr ein emotionales als ein reales Niederlassungshindernis darstellt.

„Welche Säule der Weiterbildung ist günstig für die Niederlassung?“

Bereits 2007 hat der Autor darauf hingewiesen [1], dass es für die Niederlassung empfehlenswert ist, sich zu spezialisieren. Die Kernaussagen dieses Artikels sind unverändert gültig, denn leider ist es zunehmend finanziell unattraktiv, eine chirurgische Praxis ausschließlich im Bereich der Grundversorgung zu betreiben. Ohne budgetfreie Zusatzhonorare, z. B. aus operativen Leistungen, ist insbesondere eine chirurgische Einzelpraxis ein betriebswirtschaftliches Abenteuer. Zumindest eine D-Arzt-Zulassung sollte angestrebt werden, damit hierdurch Zusatzhonorare aus der Einzelleistungsvergütung nach der UV-GOÄ erzielt werden können. Dies setzt nach den aktuellen Bestimmungen der DGUV den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie voraus. Zusätzlich muss nach der Facharztanerkennung ein Jahr klinische Tätigkeit in einem Krankenhaus nachgewiesen werden, das mindestens die Zulassung zum Verletzungsartenverfahren (VAV) der Berufsgenossenschaften hat [2].

Ein erheblicher Anteil der chirurgischen Klientel in der Praxis klagt über Beschwerden an den Bewegungsorganen oder stellt sich mit Unfallverletzungen vor, sodass die Säule Orthopädie und Unfallchirurgie erste Priorität für die Niederlassung hat. Die meisten chirurgischen Praxen haben hier ihren Tätigkeitsschwerpunkt. Bei speziellen operativen Kompetenzen eröffnen aber auch die Säulen Viszeralchirurgie, Gefäßchirurgie, Kinderchirurgie und plastische Chirurgie attraktive Betätigungsfelder. Natürlich ist auch eine Niederlassung mit dem Schwerpunkt Allgemeinchirurgie möglich, allerdings sollte auch dann eine operative Spezialität zusätzlich im Repertoire sein.

Beispiele für Spezialisierungen in der Niederlassung

Da die Grundversorgung unattraktiv ist und ein ungebrochener Trend zur Spezialisierung in den chirurgischen Praxen besteht, ist damit zu rechnen, dass sich in den nächsten Jahren ein Versorgungsdefizit der chirurgischen Grundleistungen aufbauen wird. In der Gebührenordnung (EBM) wurden schon Stützungsmaßnahmen (Zuschläge für die Grundversorgung) eingeführt, die aber bei weitem nicht ausreichen, dem Trend zur Spezialisierung entgegen zu wirken. Es ist anzunehmen, dass bei einem spürbaren Mangel weitergehende Regelungen kommen werden, die möglicherweise die finanzielle Attraktivität der chirurgischen Basistätigkeit in der Niederlassung wieder erhöhen könnten.

„Wie komme ich an eine Kassenzulassung?“

Sofort nach dem bestandenen Facharzt-Examen kann die Eintragung in das Arztregister beantragt werden. Diese ist Voraussetzung für alle Tätigkeiten im niedergelassenen Bereich (außer Vertretungen). Der Antrag ist an die kassenärztliche Vereinigung (KV) des aktuellen Wohnortes zu richten. Dabei ist es nicht schädlich, sich später auf einen Vertragsarztsitz in einem anderen KV-Bereich zu bewerben.

Die Bewerbung auf einen Vertragsarztsitz erfordert einen Antrag beim zuständigen Zulassungsausschuss. Dieser muss bei mehreren Bewerbern auf einen Sitz eine Auswahl nach gesetzlich festgelegten Kriterien treffen. Dabei spielen vor allem die fachliche Eignung und die Dauer der beruflichen Tätigkeit eine Rolle. Auch Anstellungen bei einem Vertragsarzt sind genehmigungspflichtig und erfordern (bis auf wenige Ausnahmen) eine Vertragsarztzulassung. Für das Antragsverfahren bieten alle kassenärztlichen Vereinigungen durch Niederlassungsberater ihre Unterstützung an.

Im kleinstädtischen Bereich zeichnet sich auch bei den Fachärzten bereits ein Nachwuchsmangel ab, sodass die KVen motiviert sind, Interessenten zu unterstützen. In Ballungsgebieten steht dagegen meist der Wettbewerb um eine ausgeschriebene Niederlassungsmöglichkeit im Vordergrund. Dort empfiehlt es sich, im Vorfeld engen Kontakt zu der angestrebten Praxis bzw. Gemeinschaft aufzubauen, da auch die Präferenzen des Abgebers bei der Entscheidung des Zulassungsausschusses eine gewisse Rolle spielen.

Örtliche Flexibilität verbessert die Chancen auf eine Zulassung erheblich. Wenn z. B. in Berlin keine Zulassung zu ergattern wäre würde der Blick auf das umgebende Brandenburg sicher schon zahlreiche Niederlassungs-Chancen bieten. Da im Zuge des sich anbahnenden Ärztemangels die Residenzpflicht des Vertragsarztes aufgehoben wurde, wäre sogar das Pendeln mit Wohnung in der Großstadt und Arbeit in der Peripherie denkbar.

„Welche Beratung bietet der BDC?“

Das Referat niedergelassene Chirurgen besteht aus mehr als 30 niedergelassenen Chirurgen in allen Bundesländern, die als kompetente Ansprechpartner vor Ort fungieren können. Eine Übersicht findet sich auf der Homepage des BDC.

Für alle Fragen zur Niederlassung steht gerne auch der Autor als Referatsleiter des BDC zur Verfügung.

Beim Jahreskongress der DGCH (im Jahr 2017 in München) werden regelmäßig kostenfreie BDC-Seminare zur Vorbereitung auf die Niederlassung angeboten. Beim Bundeskongress Chirurgie in Nürnberg können Einzelberatungen über den BDC vereinbaren.

„Ich bin mir unsicher, ob das etwas für mich ist!“

Die Arbeitswelt des niedergelassenen Chirurgen unterscheidet sich tatsächlich in vielerlei Hinsicht grundlegend von der Tätigkeit im Krankenhaus. Aufgrund von theoretischen Beschreibungen ist kaum zu beurteilen, ob einem diese Art der Berufsausübung liegen würde. Daher empfiehlt es sich dringend, einen Test unter realen Bedingungen durchzuführen: Eine Hospitation in einer chirurgischen Praxis kann schon erste Einblicke vermitteln. Besser geeignet ist jedoch eine Praxisvertretung, zumindest für einige Tage.

Kontakt zu einem der mehr als 3.000 niedergelassenen Chirurgen bekommen Sie z. B. über das Portal Chirurgie-Suche.de des BDC oder über Ihren BDC-Regionalvertreter. Vielleicht ergeben sich aus einer Praxisvertretung ein persönlicher Kontakt und eine Perspektive für eine Kooperation und spätere Praxisübernahme.

Der Autor würde sich freuen, wenn dieser Artikel Ihre Neugier auf die Niederlassung geweckt haben sollte und steht gerne für alle Auskünfte und eigenen Erfahrungen aus der mehr als 25-jährigen Tätigkeit als niedergelassener Chirurg zur Verfügung.

Literatur

[1] Kalbe P (2007): Welchen Chirurgentyp braucht die chirurgische Praxis der Zukunft? Chirurg, Sep; Suppl:292-4.

[2] Kalbe P (2015): H-Arzt- und D-Arzt-Praxen, was passiert derzeit? Trauma Berufskrankh [Suppl 3] 18: S281-286.

Kalbe P. Karriere in der Niederlassung – Eine attraktive Alternative. Passion Chirurgie. 2016 September, 6(09): Artikel 02_02.

Rezension: Versorgungsstandards, Implantationstechniken, Portpflege

Das Buch bietet auf 231 Seiten einen umfassenden Überblick über die Geschichte, die Medizintechnik, die zunehmenden Indikationen und die chirurgische Implantationstechnik von venösen Portsystemen. Der Mitherausgeber H. A. F. Hofmann dürfte insbesondere den niedergelassenen Chirurgen als Nestor der ambulanten Portchirurgie in der chirurgischen Praxis bestens bekannt sein. 

Er trägt mit seiner Erfahrung aus mehr als 5.000 erfolgreichen Portimplantationen wesentlich zum gelungenen Inhalt dieses instruktiven und mit vielen Farbabbildungen gut ausgestatteten Werkes bei. Die übrigen 21 Autoren beleuchten alle Aspekte der Portchirurgie aus der klinisch-chirurgischen, anästhesiologischen, radiologischen und administrativen Sicht. Als niedergelassener Chirurg vermisst man allenfalls ein Kapitel zur Kodierung und Abrechnung dieser Operationen im Kollektivvertrag und in Sonderverträgen, insbesondere zur Erstattung der nicht unerheblichen Sachkosten.


Eine Besonderheit stellen die auf der Homepage des Springer-Verlages zusätzlich abrufbaren instruktiven Video-Sequenzen der verschiedenen Implantationstechniken dar.

Der hohe Spezialisierungsgrad dieses chirurgischen Verfahrens und die ausführlich dargestellten Qualitätsanforderungen sowie die schwerwiegenden Komplikationsrisiken sind ein Indiz dafür, dass sich diese Eingriffe nur bei entsprechender Erfahrung und Expertise für das operative Spektrum einer chirurgischen Praxis eignen. Das Buch kann somit als Motivation und Einstieg für gefäßchirurgisch interessierte Kollegen dienen, ersetzt jedoch keinesfalls die persönliche Erfahrungen in der Vorbereitung, Durchführung und Nachsorge von Portimplantationen.


Versorgungsstandards, Implantationstechniken, Portpflege
von Roland Hennes, Herbert A. F. Hofmann (Hrsg.)
Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
231 Seiten, 170 Abb.
Hardcover: 59,99 €, ISBN 978-3-662-43640-0
E-book: 46,99 €, ISBN 978-3-662-43641-7

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Kalbe P. Rezension: Versorgungsstandards, Implantationstechniken, Portpflege. Passion Chirurgie. 2016 Mai; 6(05): Artikel 03_07.

 

Das neue M-Arzt-Verfahren der Verwaltungs-BG

 

Können demnächst sportmedizinisch erfahrene Allgemeinmediziner die Arbeitsunfälle der Profisportler behandeln?

Mit dem sogenannten M-Arzt (Mannschaftsarzt)-Verfahren startete am 1.Januar 2016 ein Pilot-Projekt der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG), welches eine besondere ärztliche Versorgung von Profi-Sportlern gewährleisten soll. Das Projekt soll offenbar vor allem den bisherigen H-Ärzten, die berufsgenossenschaftlich versicherte Profi-Sportler betreuen und schon Mannschaftsärzte waren, eine Zukunfts-Perspektive bieten. Es ist auf drei Jahre begrenzt und ausdrücklich auf diesen engen Personenkreis von M-Ärzten und Berufssportlern begrenzt.

Tab. 1: Persönliche Voraussetzungen für die Beteiligung am M-Arzt-Verfahren (Quelle: http://www.vbg.de, abgerufen 3.1.2016)

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Die strukturellen Voraussetzungen für die beteiligten Ärzte entsprechen denen des zum 31 Dezember 2015 ausgelaufenen H-Arzt-Verfahrens. Die persönlichen Anforderungen wurden allerdings gegenüber dem H-Arzt-Verfahren reduziert: Somit steht das Verfahren auch Ärzten offen, die nicht über eine Facharztbezeichnung „Orthopädie und Unfallchirurgie“ oder „Chirurgie mit Schwerpunkt/Teilgebiet Unfallchirurgie“ oder „Orthopädie“ verfügen. Vielmehr wird ersatzweise auch der Nachweis einer zweijährigen unfallmedizinischen Tätigkeit an einer mit einem Durchgangsarzt besetzten Krankenhausabteilung anerkannt (Tab. 1).

Tab. 2: Weitere Regularien für die beteiligten M-Ärzte (Quelle: http://www.vbg.de), abgerufen 3.1.2016)

Für die Teilnahme am M-Arzt-Verfahren gelten die folgenden Regularien:
  • Erfüllung der M-Arzt-Anforderungen
  • Benennung des Arztes durch einen Sportverein für eine Mannschaft des Vereins mit beschäftigten gesetzlich unfallversicherten Sportlern (Der M-Arzt darf durch maximal zwei verschiedene Vereine benannt werden. Pro Mannschaft eines Vereins dürfen höchstens zwei M-Ärzte benannt werden.)
  • Verpflichtung zur Durchführung von Präventionsmaßnahmen in der entsprechenden Mannschaft
  • Durchführung  der Heilbehandlung in mindestens 1/3 aller behandlungsbedürftigen  Unfallverletzungen in der entsprechenden Mannschaft (Die Vergütung für ärztliche Leistungen des M-Arztes richtet sich nach der jeweils geltenden Fassung der UV-GOÄ)
  • erfolgreiche Te ilnahme an einer 1,5 tägigen Schulungsveranstaltung der VBG (Die Einladung hierzu erfolgt nach Prüfung Ihres Antrags durch die VBG)
  • vertragliche Vereinbarung mit der VBG bezüglich der zu erfüllenden Regularien

Daneben bestehen allerdings hohe Anforderungen an die sächliche und personelle Ausstattung der Praxis, die die bisherigen H-Arzt Anforderungen wiederspiegeln.

Dies eröffnet grundsätzlich auch Allgemeinmedizinern Zugang zur Behandlung und Betreuung von Arbeitsunfallverletzten. Zusätzlich werden weitergehende sportmedizinische Qualifikationen und Verpflichtungen gefordert und es wird ein Engagement in der Prävention von Verletzungen des betreuten Sportvereins vorausgesetzt (Tab. 2).

Die Abrechnung und Vergütung der ärztlichen Leistungen entspricht der des bisherigen H-Arzt-Verfahrens und sieht grundsätzlich die Sätze der allgemeinen Heilbehandlung vor. Ausgenommen sind wie schon zuvor im H-Arzt-Verfahren bestimmte mittelschwere Verletzungen, deren Behandlung mit dem Satz der besonderen Heilbehandlung abgerechnet werden können.

Die Vorstellungspflicht bei einem D-Arzt besteht wie bisher zum Beispiel bei Verrenkungen des Schulter- und Kniegelenkes, was die Attraktivität des Verfahrens für operativ tätige Sportärzte einschränken dürfte. Allerdings gibt es hier – wie auch für D-Ärzte – stets die Möglichkeit, mit dem zuständigen Unfallversicherungsträger individuelle Ausnahmen zu vereinbaren.

Vonseiten der D-Ärzte wird das M-Arzt-Verfahren aus folgenden Gründen skeptisch beurteilt:

  • Die Absenkung der persönlichen Voraussetzungen für die Beteiligung wird strikt abgelehnt.
  • Eine Aufweichung der Vorstellungspflicht beim D-Arzt beschneidet deren Kompetenzen.
  • Durch die „Hintertür“ wird das abgeschaffte H-Arzt-Verfahren teilweise fortgeführt.
  • Die Fallzahlen von D-Ärzten haben sich durch die Umwandlung von H-Arzt-Sitzen in D-Arzt-Zulassungen in manchen Regionen ohnehin schon vermindert und können zu Problemen mit der Mindestfallzahl führen. Eine weitere Ausdünnung der Fallzahlen durch ein Parallel-Verfahren könnte diesen Trend verstärken.
  • Das Modellprojekt stellt einen Bruch mit dem einheitlichen D-Arzt-Verfahren dar und könnte weiteren Selektiv-Verträgen Tür und Tor öffnen.
  • Es fehlt auch an Transparenz, weil für das M-Arzt-Verfahren das DALE.UV-Verfahren nicht angewendet wird.

Dem Vernehmen nach beurteilt auch die DGUV das nicht abgestimmte Pilotprojekt der Verwaltungs-BG mit Skepsis. Das M-Arzt-Verfahren startet am 1.Januar 2016 und ist zunächst auf drei Jahre begrenzt. Die Anzahl der „M-Ärzte“ dürfte gering sein, es werden Zahlen zwischen 30 und 80 potenziell beteiligten M-Ärzten genannt. Auch die Fallzahlen dürften kaum ins Gewicht fallen. Trotzdem werden wir die weitere Entwicklung kritisch beobachten, bewerten und hier darüber berichten.

Kalbe P. / Kübke R. Das neue M-Arzt-Verfahren der Verwaltungs-BG.Passion Chirurgie. 2016 Februar; 6(02): Artikel 06_01.

Editorial: Trendwende beim Ambulanten Operieren?

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die KBV hat am 7. Mai 2015 mitgeteilt, dass sich bei Chirurgen und Orthopäden ein leichter Trend weg vom Operieren zeige. Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, so wäre dies fatal für die niedergelassenen Chirurgen, aber auch für die gesamten Gesundheitskosten. Der Rückgang der Operationen könnte mit einer gewissen Sättigung der Kapazitäten zusammenhängen, könnte aber auch Ausdruck der Frustration vieler niedergelassener Kollegen über die marginale Wirtschaftlichkeit ihrer Operationstätigkeit sein.

Das Operieren prägt das Selbstverständnis des Chirurgen in besonderem Maße. Bei allen berechtigten berufspolitischen Bestrebungen, die (konservative) Grundversorgung zu stärken, darf nicht übersehen werden, dass die operative Tätigkeit den Kern der Ambulanten Chirurgie ausmacht. Nur das unbudgetierte zusätzliche Honorar aus den ambulanten und belegärztlichen Operationen verhindert, dass die niedergelassenen Chirurgen aus dem unteren Mittelfeld der Honorarstatistik nach Fachgruppen noch weiter ans Ende abstürzen. Entsprechend sorgfältig ist mit diesem Bereich umzugehen.

Die vertraglichen Bedingungen der stationsersetzenden Eingriffe gemäß
§ 115b des SGB V bieten im Prinzip schon heute Bedingungen, die sich die niedergelassenen Fachärzte für ihre gesamte Tätigkeit wünschen würden: feste Euro-Beträge für definierte Leistungen und eine Vergütung ohne Abstaffelung oder Quotierung sowie eine freie Mengenentwicklung ohne Budgetierung. Auch wenn die Höhe der Honorare in Anbetracht der stark gestiegenen Struktur- und Hygienekosten unbefriedigend ist, so wird doch die zu Grunde liegende Systematik allgemein anerkannt und geschätzt. In die anstehende EBM Reform müssen daher unbedingt die gestiegenen Kosten und die neuen Erkenntnisse zum Overhead-Aufwand einfließen. Die Beiträge von Neumann und Popp in diesem Heft beleuchten die Herleitung und die Hintergründe dieser Forderung.

Es darf auch nicht übersehen werden, dass Deutschland im internationalen Vergleich mit dem Anteil ambulanter Operationen massiv hinterherhinkt. Hier fehlt es vor allem an Anreizen für die Kliniken, ambulant statt stationär zu operieren oder mit Niedergelassenen zu kooperieren. Eine deutliche Verbesserung der Honorarsituation könnte auch hier die Motivation fördern. Der Artikel von Jost Brökelmann beleuchtet die internationale Ebene.

Ein weiterer Beitrag in diesem Heft der Passion Chirurgie zur Abrechnung will dazu beitragen, Unklarheiten und Missverständnisse bei der Anwendung der Kapitel 31 und 36 des EBM zu beseitigen. Die niedergelassenen Chirurgen haben es seit der letzten EBM Reform im Jahr 2005 sukzessive gelernt, die Klaviatur der OPS-basierten Abrechnung erfolgreich zu bedienen. Daher muss man sehr sorgfältig abwägen, ob man diesen recht ordentlich funktionierenden Bereich gegen eine völlig neue Systematik nach § 116b im Rahmen der spezialfachärztlichen Versorgung eintauschen will. Dazu finden Sie in diesem Heft einen Kommentar, der sich mit den Chancen und Risiken dieser potenziellen Veränderung auseinandersetzt.

Die ambulanten und belegärztlichen Operationen stellen sozusagen das Tafelsilber der niedergelassenen Chirurgen dar und schon unsere Großeltern wussten, dass man dieses nicht ohne Not verscherbeln darf.

Kalbe P. Trendwende beim Ambulanten Operieren? Passion Chirurgie. 2015 Januar; 5(10): Artikel 01.