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Safety Clip: Von der Wundversorgung zum Wundmanagement

Täglich finden in Praxen, medizinischen Versorgungszentren (MVZ), Ambulanzen und Notaufnahmen von Kliniken Wundversorgungen für Patientinnen und Patienten statt. In der Regel verläuft die primäre Wundheilung problemlos, wie zum Beispiel bei frischen infektionsfreien Verletzungen oder aseptischen Operationswunden. Nach ca. zehn Tagen ist eine primäre Wundheilung komplikationslos abgeschlossen und hinterlässt eine nur minimale Vernarbung.

Etwas anders sieht es jedoch bei einer sekundären Wundheilung aus. Hier muss das Granulationsgewebe die Gewebelücke auffüllen, was eine sichtbare Narbe hinterlässt, das ist zum Beispiel der Fall bei großflächigen, infektionsgefährdeten beziehungsweise infizierten Wunden. Trotzdem laufen sowohl bei der primären als auch bei der sekundären Wundart die typischen Phasen der Wundheilung (Reinigungs-, Inflammations- und/oder Exsudationsphase) ab. Ist der Körper beziehungsweise der menschliche Organismus nicht in der Lage, diesen Wundheilungsprozess erfolgreich zu durchlaufen und zu beenden, spricht man von einer (beginnenden) Wundheilungsstörung. Die Ursachen hierfür sind vielfältig und werden zusätzlich von den eventuell sich addierenden Begleiterkrankungen zu einer Herausforderung für die sogenannten Wundtherapeutinnen und Wundtherapeuten.

Qualifikation zur Wundassistentin oder zum Wundassistenten

Ein Grundsatz, der in der Wundversorgung gilt, ist, dass die Kausalität, die zur Wundheilungsstörung geführt hat, behoben werden muss. Da dies aber nicht immer in allen Fällen möglich ist, sind Fachkenntnisse von Ärztinnen und Ärzten sowie nicht ärztlichen Mitarbeitenden im Rahmen der Wundversorgung von großer Bedeutung. Zum Teil haben diese Personen eine spezielle Ausbildung zur Wundexpertin oder zum Wundmanager absolviert, wobei hier die nicht ärztlichen Mitarbeitenden in den Kliniken noch in der Überzahl sind.

Vielfältige Produkte zur Wundversorgung

Ergänzend zu der weiterführenden Qualifikation sind in der Vergangenheit als zusätzliche Unterstützung eine Vielzahl von Produkten zur Wundversorgung entwickelt worden. Diese Produkte reichen von der trockenen Wundversorgung über Vlies- und Saugkompressen, Wundschnellverbände (Pflasterverbände), beschichtete Wunddistanzgitter bis hin zu speziellen beziehungsweise aktiven Wundauflagen. Dieses notwendige Wissen über die Anamnese, Diagnostik, Indikation, Anwendung, Dokumentation und den Ablauf der Prozesse rund um die Unterstützung der Wundheilung bezeichnet man als Wundmanagement.

Damit das Wundmanagement strukturiert abläuft, wenden die ausgebildeten Wundexpertinnen oder Wundexperten/Wundmanagerinnen oder Wundmanager häufig die sogenannte ABCDE-Regel an. Hier handelt es sich um die bekannten Akronyme:

A  – Anamnese

B  – Bakterien

C  – Clinical Examination (klinische Untersuchung)

D  – Durchblutung

E  – Extras (zum Beispiel Serologie, Gewebeprobe)

Weitere Akronyme finden sich im T.I.M.E.-Konzept und bei der Lokaltherapie von chronischen Wunden die M.O.I.S.T-Therapie.

T.I.M.E.-Konzept:

T  – Tissue (Gewerbe)

I  – Infection (Infektion)

M – Moisture (Feuchtigkeit)

E  – Edge (Wundrand)

M.O.I.S.T-Therapie:

M – Moisture balance (Exsudatmanagement)

O  – Oxygen balance (Sauerstoffbalance)

I  – Infection control (Infektionskontrolle)

S – Support (Unterstützung des Heilungsprozesses)

T  – Tissue management (Gewebemanagement)

Damit die Wundversorgung für die Patientinnen und Patienten erfolgreich und rechtssicher durch ausführende Mitarbeitende (Ärztinnen und Ärzte sowie nicht ärztliche Mitarbeitende) erfolgen kann, sind die im Rahmen von Auditierungen festgestellten Lücken beziehungsweise potenzielle Risiken in den Durchführungsprozessen des Wundmanagements unbedingt zu vermeiden, wie zum Beispiel:

  • keine dokumentierten Einflussfaktoren (systemische wie lokale Faktoren) für den Wundheilungsprozess, im Rahmen der erhobenen Anamnese
  • gegebenenfalls nicht eingeschätzter beziehungsweise erhobener Ernährungsstatus
  • nicht eingeholte Fachexpertise einer ausgebildeten Wundexpertin/Wundmanagerin oder eines ausgebildeten Wundexperten/Wundmanagers
  • keine schriftliche ärztliche Anordnung zur Wundbehandlung inklusive dem zum Einsatz kommenden Wundmaterial und der Wundprodukte
  • keine durchgeführte und dokumentierte Wundvisite
  • eine nicht durchgeführte Fotodokumentation der Wunde/des Wundverlaufs
  • keine gesonderte Dokumentation bei postoperativen Wundinfektionen (definiertes KISS)
  • die nicht ärztliche Wundexpertin beziehungsweise der nicht ärztliche Wundexperte oder Wundmanagerin/Wundmanager führt die Wundversorgung eigenständig durch, ohne eine konkrete ärztliche Anordnung.

Fazit

Damit die Patientenversorgung im Rahmen der Wundversorgung optimal erfolgen kann, muss das Wundmanagement als Teamleistung zwischen den zuständigen Ärztinnen und Ärzten sowie den nicht ärztlichen Mitarbeitenden (hier gegebenenfalls die ausgebildeten Wundexpertinnen beziehungsweise Wundexperten/Wundmanager) abgestimmt sein. Die Therapieverantwortung liegt bei der zuständigen Ärztin oder beim zuständigen Arzt. Die Durchführung von gewissen Tätigkeiten im Rahmen der Behandlung kann von der zuständigen Ärztin oder vom zuständigen Arzt an die ausgebildeten nicht ärztlichen Wundexpertinnen/Wundmanager delegiert werden. Alle angeordneten und durchgeführten Maßnahmen sind von den beteiligten Personen nachweislich in der Patientenakte zu dokumentieren. Im Rahmen der Organisationsverantwortung ist die Klinikleitung verantwortlich für die erforderlichen Rahmenbedingungen, zum Beispiel notwendiges Material, Personal, Geräte und notwendige Räumlichkeiten. Wenn alles beachtet wird, dann kann die Wundversorgung für die Patientenversorgung im Rahmen eines Wundmanagementsystems gelingen.

Vonderhagen K: Safety Clip: Von der Wundversorgung zum Wundmanagement. Passion Chirurgie. 2023 November; 13(11): Artikel 04_02.

Safety Clip: Die Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte (AEMP): So stellen Sie die Prozessabläufe auch in Zeiten des Fachkräftemangels sicher

Einst hieß sie ZSVA (Zentrale Sterilgutversorgungs-Abteilung); heute ist aus dieser Sparte die AEMP (Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte) geworden. Die Teams in der Aufbereitung medizinischer Gerätschaften haben zudem heute mengenmäßig mehr und speziellere Anforderungen zu meistern. Um dies zu bewältigen, benötigt eine AEMP qualifizierte Mitarbeitende in ausreichender Zahl. Tatsache ist aber, dass Fachkräfte nicht immer in der notwendigen Stärke zur Verfügung stehen, um die anfallende Arbeit zu bewältigen. Dadurch entsteht beziehungsweise existiert ein gewisses Risikopotenzial bei der Aufbereitung von chirurgischen Instrumenten, Endoskopen, Optiken, Bohrmaschinen etc.

Die bereits eingeführte Ausbildung zur ­Fachkraft für Medizinprodukteaufbereitung (FMA-DGSV®) soll diesem Problem abhelfen. Allerdings wird noch einige Zeit vergehen, bis den AEMP eine ausreichende Anzahl Fachkräfte zur Verfügung stehen wird. Bis dahin gilt es, die Prozesse in der Aufbereitung von Medizinprodukten mit den vorhandenen Mitarbeitenden nachweislich sicherzustellen. Die Prozessschritte dafür sind definiert und müssen eingehalten werden. Im Folgenden soll behandelt werden, auf welche Themen das AEMP-Qualitätsmanagement dabei besonders achten muss.

Immer wenn Maschinen inklusive der spezifischen Programme zum Einsatz kommen (zum Beispiel RDGs, Ultraschallbad etc.), ist die Qualität nachweislich sichergestellt. Bedingt ein Prozess aber manuelle Arbeit, besteht das Risiko von Abweichungen; die an sich sichere Aufbereitungsqualität gerät unter Umständen in einen kritischen Bereich. Bei den manuellen Tätigkeiten im Rahmen der Aufbereitung ist der einzelne Mitarbeitende letztlich das schwächste Glied in der notwendigen Qualitätssicherung. Aus diesem Grund ist sicherzustellen, dass die Mitarbeitenden nachweislich über die korrekt durchzuführenden Prozessschritte regelmäßig informiert und dazu geschult werden.

In der Vergangenheit waren häufig ehemalige und entsprechend erfahrene Mitarbeitende aus dem OP-Dienst in einer AEMP beschäftigt. Die notwendige Instrumentenkunde wurde in der Regel gut abgedeckt, weil die Mitarbeitenden durch die tägliche Anwendung im OP oder einer anderen Funktionsabteilung mit den Gerätschaften vertraut waren. Heute arbeiten in den AEMP überwiegend Mitarbeitende, die nicht aus dem aktiven OP-Dienst kommen. Aus diesem Grund ist eine intensive Vermittlung der Instrumentenkunde notwendig. Bestenfalls wird sie mit praktischen Ausbildungsanteilen zur Instrumentenanwendung verknüpft. Nur dann ist sichergestellt, dass die Mitarbeitenden eine fach- und sachgerechte Aufbereitung gewährleisten können.

Leider gibt es immer wieder Berichte darüber, dass die Instrumente auch durch die Anwender im OP nicht ständig funktionsgerecht eingesetzt werden. Daher ist es geboten, die Instrumentenkunde auch für die Mitarbeitenden an diesem Einsatzort (Operateurinnen und Operateure, Instrumentierende, Assistentinnen und Assistenten etc.) regelmäßig zum Informationsthema zu machen. Schließlich gilt es doch, chirurgische Instrumente nicht nur für Patienten und Anwender sicher einzusetzen, sondern auch durch eine fachgerechte Anwendung und Pflege eine jahrelange Nutzung zu gewährleisten und den Wert der Gegenstände zu erhalten.

Der empfohlene Instrumentenkreislauf umfasst folgende Punkte:

  • Nutzung im OP/in der Funktionsabteilung
  • Erstes Entfernen von Flüssigkeiten, Gewebe und anderen Rückständen (intraoperativ und postoperativ)
  • Korrekte Zerlegung/Öffnung der Instrumente nach der OP
  • Manuelle/maschinelle Reinigung
  • Desinfektion
  • Kontrolle der Funktion und Sauberkeit
  • Instrumentenpflege
  • Packen der Instrumentensiebe oder Sets nach der definierten Vorgabe
  • Sterilisation
  • Lagerung nach den Vorgaben

Das Qualitätsmanagement einer AEMP sollte sich auf folgende Prämissen konzentrieren:

  • Verantwortung der Leitung für den Gesamtprozess
  • Management der vorhandenen und bereitzustellenden Ressourcen
  • Management der Prozesse
  • Analyse, Überwachung und Dokumentation der Prozesse
  • Verbesserungsmanagement

Fazit

Die Aufbereitungsprozesse von der Reinigung bis zur Bereitstellung von Medizinprodukten unter der Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben ist für die zuständigen Mitarbeitenden eine komplexe und hoch spezialisierte Aufgabe. In diesen Vorgängen stecken potenzielle Risiken wie eine Beeinträchtigung der Instrumentenfunktion oder eine nicht ordnungsgemäße Reinigung, Sterilisation beziehungsweise Lagerung, die unter Umständen die Sicherheit von Mitarbeitenden und Patienten gefährden können. Damit es nicht zu unerwünschten Ereignissen oder Schäden kommt, ist zu empfehlen, dass die beteiligten Bereiche (OP, Funktionsbereiche und AEMP) fachübergreifend eine Sicherheitskultur durch eine noch bessere Abstimmung/Kommunikation sowie Zusammenarbeit aufbauen und nachweislich sicherstellen

Abb. 1: Aufbereitungskreislauf
Quelle: https://www.dgsv-ev.de/

Literatur

Handbuch Sterilisation, mhp-Verlag GmbH, Wiesbaden.

Vonderhagen K: Safety Clip: Die Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte (AEMP): So stellen Sie die Prozessabläufe auch in Zeiten des Fachkräftemangels sicher. Passion Chirurgie. 2021 Dezember; 11(12): Artikel 04_02.

Safety Clip: Das Medizinprodukte-Durchführungsgesetz und seine Bedeutung für Krankenhäuser

Das Medizinprodukte-Durchführungsgesetz (MDG) löst zum 26. Mai 2020 das Medizinproduktegesetz nach einer dreijährigen Übergangsfrist endgültig ab. Der vorliegende Artikel beschreibt, was sich durch die neue EU-Verordnung verändert, worauf angesichts der neuen Gesetzeslage zu achten ist und vor welchen Herausforderungen Gesundheitseinrichtungen – hier speziell Krankenhäuser, aber auch die Hersteller – ab diesem Frühjahr stehen.

Durch die neue EU-Verordnung 2017/745 sollen die gültigen EU-Vorgaben für Medizinprodukte angepasst werden. Damit tritt das derzeitige Medizinproduktegesetz ab dem 26. Mai 2020 außer Kraft und wird durch das Medizinproduktedurchführungsgesetz ersetzt.

ACHTUNG! NEUER TERMIN

Am 17. April 2020 wurde vom Europäischen Parlament die Verschiebung der EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) beschlossen. Die Verschiebung wurde für ein Jahr beschlossen und der neue Geltungsbeginn auf den 26. Mai 2021 gelegt. Medizinprodukte können damit noch ein weiteres Jahr unter dem aktuellen Rechtsrahmen in Verkehr gebracht werden.

Für In-vitro-Diagnostik gilt die EU-Verordnung 2017/746, die in zwei Jahren, am 26. Mai 2022, zur Anpassung des Medizinprodukterechts in Kraft treten wird (EU-Verordnung 2017/745 des Europäischen Parlaments und Rates, 2017, und Bundesgesundheitsministerium 2019).

Der folgende Ausschnitt aus dem Medizinproduktegesetz zeigt die Begriffsdefinition von Medizinprodukten, damit ein einheitliches Verständnis vorliegt:

Das Medizinproduktedurchführungsgesetz

Ziel: Mit der neuen Verordnung gelten für alle EU-Mitgliedsstaaten dieselben Regelungen für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten. Hiermit sollen zukünftig die Produktqualität sowie die Sicherheit für Patienten erhöht werden. Außerdem soll mehr Transparenz geschaffen werden, um Missbrauch und Fälschungen zu verhindern.

Abb. 1: Ausschnitt aus dem Medizinproduktegesetz

Wesentliche Änderungen auf einen Blick

1. Klinische Bewertung

Unter klinischen Bewertungen von Medizinprodukten versteht man die objektive Analyse und Bewertung von klinischen Daten zu einem bestimmten Medizinprodukt. Ziel der Bewertung ist, Leistung und Sicherheit des Medizinproduktes in der Anwendung nachzuweisen. Die Bewertung erfolgt an Hand von klinischen Daten aus der wissenschaftlichen Literatur beziehungsweise von Daten aus klinischen Prüfungen.

Die klinische Bewertung und die technische Dokumentation ist Teil des Konformitätsverfahrens für Medizinprodukte, welches zur CE-Kennzeichnung führt. Sie wird nach dem Inverkehrbringen des Medizinproduktes in regelmäßigen Abständen aktualisiert, dabei werden die Ergebnisse der Marktbeobachtung und die Erfahrungen mit dem Medizinprodukt berücksichtigt.

Der Hersteller eines Medizinproduktes muss im Rahmen des Zulassungsprozesses – aber auch nach dem Inverkehrbringen – nachweisen, dass sein Produkt die grundlegenden Anforderungen an ein Medizinprodukt erfüllt. In diesem Zusammenhang trägt die Klinische Bewertung dazu bei, die Sicherheit und Wirksamkeit des Medizinproduktes unter Berücksichtigung der geltenden Regularien zu belegen.

Abb. 2: Die CE-Kennzeichnung. CE steht für Conformité Européenne, also für die Europäische Konformität.

2. Einführung einer UDI-Kennzeichnung

Die EU plant eine Pflicht zur Identifikation und Registrierung von Medizinprodukten, die weit über das heute Geforderte hinausgeht. Mit der Einführung einer solchen Produktidentifizierungsnummer, der Unique Device Identification (UDI), sollen Medizinprodukte weltweit zurückverfolgt werden können und damit schneller identifizierbar sein. Aufgrund einer transparenten und nachvollziehbaren Zuordenbarkeit von Medizinprodukten können Fälschungen sowie Missbrauch, wie beispielsweise beim Skandal mit den französischen Brustimplantaten (Deutsches Ärzteblatt 2012), abgewehrt werden.

3. Klassifizierungsänderungen

Ob ein Produkt ein Medizinprodukt, ein Nicht-Medizinprodukt oder ein Zubehör ist, muss anhand der Begriffsdefinitionen entschieden werden, die in den EU-Richtlinien festgelegt sind – vor allem in der Medizinprodukterichtlinie 93/42/EWG beziehungsweise in der Medizinprodukteverordnung MDR (Medical Device Regulation). Abhängig davon müssen die Bestimmungen des Medizinprodukterechts beachtet werden.

Medizinprodukte, die unter die Medizinprodukterichtlinie fallen, müssen wiederum einer der folgenden Klassen zugeordnet werden:

  • Klasse I
  • Klasse I*
    – Medizinprodukte der Klasse I mit Messfunktion (Im)
    – Sterile Medizinprodukte der Klasse I (Is)
    – Wiederverwendbare chirurgische Instrumente der Klasse I (Ir) (nur bei MDR)
  • Klasse IIa
  • Klasse IIb
  • Klasse III

4. Erhöhte Informationspflichten der Hersteller

Die Anwender müssen vom Hersteller sehr transparent informiert werden. Folgende Anforderungen gehören dazu:

  • Der Hersteller muss geeignete Aufbereitungsverfahren nennen, zum Beispiel zur Reinigung, Desinfektion, Verpackung und gegebenenfalls über das validierte Verfahren zur erneuten Sterilisation entsprechend dem Mitgliedstaat, in dem das Produkt in Verkehr gebracht worden ist.
  • Der Hersteller muss deutlich ausführen, wann das Produkt nicht mehr verwendet werden sollte, zum Beispiel
    nach Erreichen der erlaubten Höchstzahl von Wiederverwendungen,
    bei Anzeichen einer Materialabnutzung.
  • Der Hersteller muss einen Hinweis liefern, wie vorgegangen werden soll, falls die Sterilgutverpackung vor der Verwendung des Produktes beschädigt oder versehentlich geöffnet wurde.
  • Der Hersteller muss in der Gebrauchsanweisung angeben, wie Einmalprodukte aufbereitet werden sollen (hier nur, wenn dies nach dem nationalen Recht zulässig ist).
  • Der Hersteller muss Hinweise zur Aufbereitung von Mehrfachprodukten geben.
  • Ebenso müssen Hinweise zur Validierung gegeben sein.

6. Höhere Anforderungen an die Dokumentation

Die Anforderungen an die technische Dokumentation werden zudem wesentlich umfangreicher als zuvor ausfallen. Die Spezifikationsanforderungen finden sich im Einzelnen in den Anlagen II und III des MDR-Gesetzes.

Bewertung

Die anstehenden Änderungen der oben genannten EU-Verordnung stellen insbesondere Hersteller vor große Herausforderungen, da es kaum ausreichend Stellen für die erforderliche Zertifizierung der Produkte gibt. Außerdem müssen nicht nur die Produkte zertifiziert beziehungsweise re-zertifiziert sein, sondern auch die Benannten Stellen, um sicherzustellen, dass die Anforderungen des MDG erfüllt werden. Allerdings fehlen die erforderlichen personellen Ressourcen zur fachgerechten Umsetzung häufig.

Vor allem kleine Firmen werden die Forderungen vermutlich nicht umsetzen können, so dass ein Teil vom Markt verschwinden wird – und damit auch ein Teil der bisher angebotenen Produkte.

Engpässe insbesondere für Krankenhäuser zu erwarten

Die hier beschriebenen neuen Anforderungen lassen erkennen, dass eine zeitgerechte Umsetzung kaum noch möglich ist. Folglich muss mit Engpässen gerechnet werden. Insofern sollten sich Krankenhäuser rechtzeitig Gedanken zu folgenden Fragen machen:

Lieferkapazitäten

  • Welcher Hersteller kann die gewünschten Instrumente beziehungsweise Medizinprodukte über den 26. Mai 2020 hinaus liefern? Das betrifft beispielsweise Produkte der Klasse I, für die vor dem 26. Mai 2020 eine Konformitätserklärung gemäß Richtlinie 93/42/EWG ausgestellt wurde und für die nach MDR eine Benannte Stelle involviert werden muss, die bestätigt, dass es zulässig ist, das Produkt weiter in Verkehr zu bringen und in Betrieb zu nehmen.
  • Zu welchem Anbieter könnten wir wechseln, um keine Versorgungslücken entstehen zu lassen? Im schlimmsten Fall müssten Operationen abgesagt werden, was enorme Reputationsschäden und hohe Kosten mit sich bringen würde.

Implantat-Aufbereitbarkeit

  • Wie verfahren wir im OP, wenn die Sterilgutverpackung vor der Verwendung des sterilen Implantates/Produktes – zum Beispiel Schrauben und Platten für die Unfallchirurgie, Mikroschrauben für die Kieferchirurgie und Aneurysmenclips für die Neurochirurgie – versehentlich geöffnet wurde?
  • Hat der Hersteller in der Gebrauchsanweisung Angaben zur Aufbereitbarkeit gemacht?
  • Wie viele Aufbereitungszyklen sind möglich, ohne dass das Implantat/Produkt in seiner Funktion eingeschränkt ist oder diese sogar verliert? Wie muss die Logistik beschaffen sein, damit Eingänge und Ausgänge der Aufbereitungszyklen sicher dokumentiert werden können?
  • Gibt der Hersteller ein „End of Life“ für das Implantat/Produkt an?
  • Ist es weiterhin möglich, verschiedene Größen von sterilen Implantaten/Produkten auf Trays vorzuhalten?

Diese Fragen sind zu beantworten, um die OP-Prozesse entsprechend anpassen zu können. Für die Operateure in der Neurochirurgie ist es zum Beispiel notwendig, intraoperativ die benötigten Aneurysmenclips in verschiedenen Größen, schnell und möglichst ohne Zeitverlust zur Verfügung zu haben. Ähnliche Situationen können auch in den anderen operativen Fachbereichen vorkommen, da die Auswahl der steril gelieferten Implantate/Produkte häufig erst intraoperativ erfolgt.

Grenzwertig wird es, wenn sich die Abläufe während einer Operation verzögern.

Aktuelles vom 6. Dezember 2019 mit Auswirkungen für das nationale Recht (MTD / 06.12.2019)

Die Übergangsfrist für höher gestufte Klasse-I-Produkte wird (vermutlich) verlängert.

Mit Inkrafttreten der MDR am 26. Mai 2020 sollten auch höhergestufte Produkte der Klasse I nach den neuen Vorschriften zertifiziert sein. Diese erhalten nun eine Fristverlängerung. Denn am 25. November 2019 hat der Rat der Europäischen Union ein sogenanntes Corrigendum zur europäischen Medical Device Regulation (MDR) veröffentlicht (Council of the European Union, 2019). Dem Corrigendum stimmte am 3. Dezember der zuständige Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des Europäischen Parlaments zu.

Demnach könnte die Übergangsfrist für bestimmte Klasse-I-Produkte um vier Jahre bis 26. Mai 2024 verlängert werden. Tangiert sind Produkte der Klasse I, die aufgrund einer Höherklassifizierung erstmals Sicherheitschecks durchlaufen müssen – also Produkte der Klassen Ir (wiederverwendbare chirurgische Instrumente), Is (steril) und Im (messtechnisch). Zustimmen müssen nun noch die EU-Kommission und das EU-Parlament.

Außerdem soll in Artikel 120 Absatz 4 geändert werden: Produkte, die vor dem 26. Mai 2020 gemäß den Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden, und Produkte, die ab dem 26. Mai 2020 gemäß Absatz 3 des vorliegenden Artikels in Verkehr gebracht werden, können bis zum 26. Mai 2025 weiter auf dem Markt bereitgestellt oder in Betrieb genommen werden.

Fazit

Die neue Verordnung soll zu mehr Sicherheit in der Patientenversorgung beitragen und wird das sicherlich auch tun. Aber man muss festhalten: Die Voraussetzungen für die Umsetzung sind noch nicht ausreichend vorhanden.

Zwar werden die Übergangsfristen für Produkte der Klasse I vermutlich auf vier Jahre verlängert, aber die Konsequenzen für Hersteller und Gesundheitseinrichtungen bleiben dennoch dieselben.

Ferner bleibt abzuwarten, was auf nationaler Ebene weiter beschlossen wird.

Die Literatur erhalten Sie auf Anfrage via [email protected].

Rosen K, Vonderhagen K: Safety Clip: Das Medizinprodukte-Durchführungsgesetz und seine Bedeutung für Krankenhäuser. Passion Chirurgie. 2020 März, 10(03): Artikel 04_04.

Safety Clip: Aus Fehlern lernen

Welches Lernpotenzial steckt in unerwünschten Ereignissen?

Kommt es zu einem Schadenfall oder zu einer Beeinträchtigung der Patientensicherheit, wendet sich ein Patient in der Regel mit Schadenersatzforderungen an einen Arzt oder beauftragt gar einen Rechtsanwalt. Die Entscheidung über Zu- oder Ablehnung der Forderung liegt in den Händen der Versicherer. Sie sichern Ärzte bzw. ganze Gesundheitsunternehmen über Berufs- bzw. Betriebshaftpflichtversicherungen ab. Als Entscheidungsgrundlage dienen u. a. ärztliche Stellungnahmen, die von den Versicherern oft mehrfach angefordert werden. Am Ende landen die Vorgänge nicht selten vor Gericht. Die Entscheidungen der Versicherer mögen mitunter einen faden Beigeschmack hinterlassen, weil sie wirtschaftlich motiviert scheinen. Erfreulich ist das Ganze nicht.

Man kann aber auch von Schadenfällen profitieren und aus Fehlern lernen. Die drei folgenden Beispiele verdeutlichen, welches Lernpotenzial in unerwünschten Ereignissen steckt.

Beispiel 1: Falsche Diagnose aufgrund fehlender Befunde

Ein Patient zeigt seinem Arzt eine alte Raumforderung im Oberschenkelbereich. Eine sechs Jahre alte MRT-Aufnahme hat er ebenfalls dabei. Es ist eindeutig, dass sich die Raumforderung vergrößert hat und dem Patienten Unbehagen bereitet. Der Arzt beschließt eine Sonografie. Aufgrund des Befundes empfiehlt der Arzt eine operative Entfernung der klar abgegrenzten und nicht verschiebbaren Raumforderung, die er als Lipom einschätzt. Ein erneutes MRT fertigt der Arzt nicht an.

Nach der ambulanten Operation zeigt der histologische Befund ein bösartiges Geschehen an, welches einen zweiten, diesmal stationären Eingriff mit weitergehender Resektion erfordert. Infolge der falschen Diagnose verklagt der Patient seinen Arzt auf Schadenersatz.

Bei der Begutachtung des Schadenfalls gehen die beauftragten Sachverständigen übereinstimmend davon aus, dass die Einholung einer weiteren MRT zwingend erforderlich gewesen wäre. Zudem wird die Entscheidung zur ambulanten Operation bei der Größe der Raumforderung von den Gutachtern kritisch bewertet. Wird ein als notwendig eingestufter medizinischer Befund, wie hier die Einholung einer MRT, nicht erhoben, so wird dies als sogenannter Befunderhebungsmangel eingestuft (§ 630 h V S.2 BGB). Ein Befunderhebungsmangel zieht eine ungünstige beweisrechtliche Konstellation nach sich. Wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre, dass die Erhebung des Befundes ein reaktionspflichtiges Ergebnis nach sich gezogen hätte, und das Unterlassen dieser Maßnahme einen groben Behandlungsfehler darstellen würde, so wird vermutet, dass der Fehler für den Schaden ursächlich war. Ein zweiter Eingriff mit der Gefahr der Tumorzellenverschleppung hätte dem Patienten somit erspart werden können. Insofern stellt das Unterlassen der Befunderhebung einen groben Behandlungsfehler dar. Der Fehler wird als Schadenursache gewertet. Es wird eine Schadenersatzzahlung in Höhe von 15.000 € geleistet. Dies ist kein Einzelfall. In nicht wenigen Arzthaftpflichtschäden spielt die Frage, ob alle notwendigen Untersuchungen vor einer Operation durchgeführt worden sind, eine große Rolle.

Präventionsmaßnahmen

Der Einsatz präoperativer Checklisten stellt eine optimale OP-Vorbereitung sicher und hätte in dem genannten Fallbeispiel dem Behandlungsfehler entgegengewirkt. Die Checklisten beinhalten allgemeine Kriterien wie die Prüfung von Vorbefunden aus dem Labor, Röntgenbildern, Berichten, Hinweisen auf Begleiterkrankungen, aktueller Befunde etc. Bei der Abarbeitung der Checkliste werden Begleiterkrankungen oder Patientenbesonderheiten offengelegt, die zusätzliche Behandlungsrisiken aufzeigen wie z. B.

  • ein Diabetes mit dem erhöhten Risiko einer Wundheilungsstörung.
  • ein Hinweis auf eine Keimbelastung auf der Haut, die ebenfalls zu einem zusätzlichen Risiko im Rahmen der postoperativen Wundheilung führen kann.
  • ein Hinweis auf eine in der Vergangenheit nicht vertragene Narkose oder sogar ein Hinweis auf ein unerwünschtes Ereignis im Rahmen einer Narkose/Kurznarkose (Schwierigkeiten bei der Intubation, Probleme mit der Pulsfrequenz und dem Blutdruck sowie der Sauerstoffsättigung etc.).

Sind alle Informationen bekannt, können entsprechende Vorbereitungen getroffen und die Patientensicherheit garantiert werden. Darüber hinaus dient der Einsatz von Checklisten zugleich der nachweislichen Dokumentation präoperativer Vorbereitungen.

Beispiel 2: OP-Stopp aufgrund defekter medizintechnischer Produkte

Ein Patient wird wegen des Verdachtes auf eine TFCC-Läsion des rechten Handgelenkes operativ behandelt. Während der Glättung des Knorpels versagt die Steuerungseinheit des eingesetzten Shavers. Der Eingriff muss abgebrochen werden. Im Verlauf weiterer Behandlungen entwickelt der Patient ein Morbus Sudeck am Handgelenk. Der Patient kann durch die Beeinträchtigung seiner Gebrauchshand seinen Beruf nicht mehr ausüben. Er führt den Schaden auf die abgebrochene Operation zurück und fordert Schadenersatz.

Der Operateur kann nachweisen, dass der Shaver regelmäßig überprüft und gewartet wird. Die Gutachter bescheinigen deshalb, dass den Operateur keine Schuld an dem Geräteausfall trifft. In zwei Instanzen wird die vom Patienten erhobene Klage abgewiesen. Eine Schadenersatzzahlung erfolgt nicht.

Präventionsmaßnahme

Im Sinne der Patientensicherheit sind medizintechnischer Produkte regelmäßig auf ihre Funktionsfähigkeit zu prüfen. Krankenhäuser und Praxen sind heutzutage dazu verpflichtet, eine fach- und sachgerechte Aufbereitung von medizintechnischen Produkten nachweislich durchzuführen. Im Medizinproduktegesetz und der Medizinbetreiberverordnung sind die Mindestanforderungen an den Aufbereitungsprozess klar definiert. Grundsätzlich gilt, die spezifischen Prozessschritte der Aufbereitung auf die jeweiligen medizintechnischen Produkte abzustimmen. Nur so ist ein erfolgreicher Aufbereitungsprozess garantiert.

In dem beschriebenen Fallbeispiel trägt die Beachtung folgender Prozessschritte zur Patientensicherheit bei:

  • Eine zeitnahe Aufbereitung nach der Gerätenutzung verhindert das Antrocknen von Gewebe und Blut.
  • Die Herstellerangaben sind zu beachten.
  • Handstück und Aufsätze sind nicht im Ultraschallbad zu reinigen.
  • Powertools und deren Aufsätze dürfen nicht zusammen mit Implantaten gereinigt werden, um die Schmierstoffe z. B. Öl nicht zu übertragen.
  • Alle Lumina und sogenannte Durchbohrungen sind durchzuspülen.
  • Die Systeme müssen zur Aufbereitung in die einzelnen Komponenten zerlegt werden.

Beispiel 3: Dokumentation

Ein Patient erhält nach der Operation seiner Schienenbeinfraktur Thrombosespritzen. Er fragt beim Arzt wiederholt nach, ob er die Spritzen absetzen könne. Der Arzt verordnet die Medikamente weiter. Als der Patient eine Mitarbeitende des Arztes nach dem Absetzen der Spritzen fragt, antwortet diese, dass die Thromboseprophylaxe nach Vollbelastung ausgesetzt werden könne. Der Patient versteht dies als Aufforderung, die Medikamente sofort abzusetzen und beendet die Medikation. Bei einer erneuten ärztlichen Wiedervorstellung wird eine tiefe Beinvenenthrombose bei dem Patienten diagnostiziert. Der Patient sieht die Ursache dafür in der ärztlichen Behandlung und klagt gegen den behandelnden Arzt bzw. dessen Personal wegen angeblicher Falschauskunft.

Rechtlich gesehen muss ein Arzt für die Aussagen seiner Mitarbeitenden einstehen. Kann der Patient beweisen, dass er eine falsche oder missverständliche Aussage zur Absetzung der Thrombosespritzen erhalten hat, droht dem Arzt eine Verurteilung auf Schadenersatz.

Präventionsmaßnahme

Merkblätter mit spezifischen Verhaltensregeln (z. B. „Gipsverband“) oder themenbezogene Flyer sind ein erleichterndes und beweissicherndes Instrument zur Weitergabe wichtiger therapiesichernder Instruktionen. In Ergänzung zur mündlichen Aufklärung/Information über therapiesichernde Verhaltensweisen haben sie sich in der Praxis bewährt. Sowohl die mündliche Aufklärung als auch die zusätzliche Aushändigung von Merkblättern sollten stichwortartig in der Patientenakte dokumentiert werden.

Fazit

Behandlungsfehler können als Grundlage für die Entwicklung präventiver Maßnahmen genutzt werden. Die Analyse von Behandlungsfehlern dient dazu, fehlerbegünstigende Faktoren zu erkennen und gezielt risikopräventive Maßnahmen aus ihnen abzuleiten. Derartige präventive Maßnahmen lassen sich für alle Bereiche des Behandlungsalltags entwickeln.

Schulz D, Vonderhagen K: Safety Clip: Aus Fehlern lernen. Passion Chirurgie. 2018 September, 8(09): Artikel 04_03.

Safety Clip: Klinisches Risikomanagement in der Endoprothetik

Haftung und Prävention

Ein klinisches Risikomanagement – heute im Krankenhaus-/Klinikalltag unverzichtbar – bedarf einer Strategie, die von der Leitung des Hauses definiert wird. Oberstes Ziel eines klinischen Risikomanagements ist es, die Patientensicherheit zu erhöhen und dadurch Patientenschäden zu vermeiden.

Den Vorgaben des Gesetzgebers folgend, haben viele Einrichtungen inzwischen damit begonnen, ein klinisches Risikomanagement einzuführen. Nun gilt es, die Maßnahmen berufsgruppenübergreifend und strukturiert umzusetzen, damit sie dem Patienten zugutekommen und Schäden oder unerwünschte Ereignisse vermieden werden. Was ist zu beachten? Welche Prozessschritte sind sinnvoll und notwendig?

In diesem Beitrag illustrieren wir anhand dreier Schadenfälle, die sich im Zusammenhang mit Implantationen von Hüftprothesen ereignet haben, klassische Haftungsrisiken, die nach unserer Erfahrung häufig zu Patientenschäden führen. Zudem erläutern wir, wie diesen Risiken mit festgelegten Präventionsmaßnahmen zielführend begegnet werden kann.

Klassische haftungsrechtliche Risiken bei der Implantation der Hüft-TEP

Die Implantation von Hüftprothesen gehört in Deutschland zu den Operationen, die sehr häufig vorgenommen werden. Praktisch jeder Haftpflichtversicherer, der im Krankenhausmarkt agiert, sieht sich irgendwann mit Schäden aus diesem Bereich konfrontiert, denn sie zählen zu den „Klassikern“ unter den Arzthaftpflichtschäden. Dass diese Schäden (für den Versicherer) mitunter sehr teuer werden können, zeigen die folgenden drei Beispielfälle.

Fall 1

Eine 40-jährige Patientin, die sich vor gut einem Jahr einer Hüftoperation nach dem Verfahren McMinn unterzogen hat, begibt sich mit der Diagnose Pfannenlockerung erneut ins Krankenhaus, um die damals eingesetzte Hüftprothese austauschen zu lassen. Bei der Zweit-OP wird die vorher implantierte Kappenprothese durch eine Kurzschaftprothese ersetzt.

Der Anwalt der Patientin behauptet (entgegen der Aussage des Krankenhauses), dass die postoperativen Röntgenbilder bereits nach der ersten OP keine einwandfreie Implantatlage gezeigt hätten. Vielmehr sei hier bereits ein deutliches Einsinken der Pfanne erkennbar. Dies ist laut Anwalt der wahre Grund für die Notwendigkeit der Revisions-OP (Entfernung der Schraubenpfanne über den ursprünglichen sowie einen neuen Zugang, Einsatz eines Spenderknochens und einer Pfannenabstützschale sowie Austausch des Keramikkopfs gegen einen Metallkopf).

Das Krankenhaus ist der Ansicht, dass der Sitz der Pfanne bei der Entlassung korrekt war, weist allerdings darauf hin, dass der tiefe Pfannenboden wegen eines bereits vorbestehenden Knochenschwundes keine Tragkraft mehr gehabt habe. Vor diesem Hintergrund sei die Patientin vor der Entlassung noch einmal eingehend befragt worden, ob Beschwerden bestünden, die evtl. auf einen Pfanneneinbruch hätten hindeuten können. Da die Patientin keine Beschwerden angegeben habe, hätten die Ärzte ihr zu diesem Zeitpunkt keinen erneuten Pfannenwechsel vorgeschlagen. Man habe, so die Begründung, zunächst abwarten wollen, ob es zu einer knöchernen Integration kommt.

Die verantwortlichen Ärzte vertreten den Standpunkt, dass das Auftreten der Pfannenlockerung mit Einsinken der Pfanne der schlechten Knochenqualität der Patientin geschuldet und somit den individuellen Gegebenheiten anzulasten sei. Die Notwendigkeit einer Revisions-OP sehen die Ärzte daher als schicksalshaft an.

Mit Verweis auf diese Argumentation lehnt der Haftpflichtversicherer des betroffenen Krankenhauses die Haftung ab, wogegen die Patientin über ihren Anwalt Klage einreicht.

Der vom zuständigen Landgericht beauftragte Gutachter kommt zu dem für das Krankenhaus negativen Ergebnis, dass die zuständigen Ärzte den intraoperativ bzw. direkt postoperativ evident gewordenen instabilen Zustand im Bereich der linken Hüfte nicht korrekt adressiert hätten. Der Befund der ins Becken hinein luxierten Hüfte sei unverständlicherweise bereits während des stationären Aufenthalts der Patientin negiert worden. Die Revision hätte nach Ansicht des Gutachters sofort erfolgen müssen. Daher lastet er den Ärzten einen groben Behandlungsfehler an – ein Ergebnis, das er einige Monate später in einem Ergänzungsgutachten noch einmal bekräftigt.

Als Reaktion auf dieses Ergebnis bietet der Haftpflichtversicherer der Patientin 400.000 € an für die Abgeltung des Schmerzensgeldes, des Verdienstausfalls, der Behandlungskosten und des Haushaltsführungsschadens.

Risikobewertung

In diesem Fall haben sich zwei Risiken verwirklicht: zum einen die nicht regelrechte Implantatlage, zum anderen die nicht rechtzeitige Behandlung bei Fehllage.

Nachvollziehbarerweise hätten die Ärzte die korrekte Lage des verwendeten Implantats intra- und postoperativ stets unter Kontrolle halten müssen. Bei Anhaltspunkten für eine falsche Positionierung wäre rasches Handeln angezeigt gewesen. Den Ärzten ist insbesondere der Vorwurf zu machen, dass sie trotz bereits vermuteter instabiler Situation keine sofortige Lösung in Form einer Revisions-OP herbeiführten. Nicht zuletzt aus dieser Verzögerung ergibt sich die erhebliche Regulierungssumme.

Fall 2

Einer 59-jährigen Frau wird im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts eine Hüft-TEP implantiert. Postoperativ zeigt sich eine ausgeprägte Beinlängendifferenz nebst Schmerzen und Bewegungsstörungen. Zwei Revisionsoperationen werden notwendig. Die Patientin, die sich mit diesem Verlauf nicht einverstanden erklären will und kann, schaltet die Schlichtungsstelle der zuständigen Ärztekammer ein. Ihr Hauptvorwurf: ein zu großer Prothesenkopf sei eingesetzt worden.

Das Krankenhaus kommt zum Ergebnis, dass der Argumentation der Patientin nichts entgegengehalten werden kann. Bei der Prüfung der Vorwürfe stellt sich heraus, dass die verantwortlichen Ärzte bei einer 28er-Pfanne ein 32er-Inlay verwendet haben, was die beklagten Folgeprobleme wegen deutlicher Beinlängendifferenz auslöste. Hinzu kommt, dass die Prothese nicht ausreichend tief implantiert war.

Die nun angesetzte Revisions-OP bringt aber keine Abhilfe, weil erneut ein 32er-Kopf aufgesetzt wird, ohne die Pfanne abermals zu kontrollieren. Erst bei einer nunmehr dritten (!) OP in einem anderen Krankenhaus wird der Fehler erkannt und revidiert.

Angesichts der Stellungnahme der behandelnden Ärzte kommt der Haftpflichtversicherer des Krankenhauses um eine Zahlung nicht herum. Insgesamt reguliert er gut 38.000 €.

Risikobewertung

Auf die Größe kommt es an – so könnte man das Problem in diesem Fall umschreiben. Tatsächlich handelt es sich aber nicht nur um eine – zweimalige – fahrlässige Verwechslung der Inlay-Größe, sondern auch um schwerwiegende Kontrollfehler, was aus Sicht der Patientin verständlicherweise kaum mehr nachzuvollziehen ist.

Beschwerden und Vorwürfe wegen falscher Prothesengrößen kommen in der Schadenbearbeitung verhältnismäßig häufig vor. Die in diesem Bereich tätigen Ärzte sollten sich bei der Wahl der Prothese bzw. der Prothesenkomponenten des erhöhten Risikopotenzials bewusst sein.

Fall 3

Ein 70-jähriger Patient hat eine Hüft-TEP implantiert bekommen. Postoperativ kommt es zu einigen Problemen im operierten Bereich. Später stellt sich heraus, dass eine Darm-Leckage besteht und sich ein Abszess gebildet hat, der wiederum eine generalisierte Infektion verursacht. Nach drei Wochen stirbt der Patient.

Die Angehörigen bitten die Schlichtungsstelle der Ärztekammer um Überprüfung der zurückliegenden Behandlung. Im Krankenhaus, so ihr Vorwurf, seien nicht alle notwendigen diagnostischen Maßnahmen durchgeführt worden. In erster Linie ist nach Meinung der Angehörigen die Hüfte des Patienten nicht ausreichend untersucht worden, obwohl er über Schmerzen in diesem Bereich geklagt habe. Erst auf ihr Drängen hin habe man sich dazu entschlossen, die voroperierte Hüfte erneut zu öffnen. Dabei sei endlich der Abszess als Ursache der generalisierten Infektion festgestellt worden. Die OP sei jedoch zu spät erfolgt. Nach Ansicht der Angehörigen würde der Patient noch leben, wenn die Ursache der Infektion eher gefunden worden wäre.

Die behandelnden Chirurgen hingegen sind der Ansicht, dass zunächst keine Hinweise auf eine Infektion des Hüftgelenks vorgelegen hätten. Auch hätten sich die Beschwerden in diesem Bereich zeitweise gebessert. Der Entschluss zur TEP-Revision sei als ultima ratio gefasst worden, nachdem sich der Zustand des Patienten weiter verschlechtert habe. In einem Becken-CT seien zuvor nur kleine gluteale Abszesse mit nur fraglichem Kontakt zur Hüft-TEP-Pfanne festgestellt worden. Ein Keimnachweis jedoch sei bei der Revision überraschenderweise nicht gelungen. Insgesamt sehen die Ärzte kein fehlerhaftes Verhalten bei sich selbst.

Das sieht der Gutachter der Ärztekammer allerdings anders. Man habe nicht in ausreichendem Maße nach dem Infektionsfokus gesucht. Wahrscheinlich sei eine periprothetische Infektion des linken Hüftgelenks Ursache der Sepsis beim Patienten gewesen. Die Prüfung, ob eine solche vorliegt, hätte daher nach Ansicht des Gutachters früher erfolgen müssen. Eine rechtzeitige Therapie – mit Explantation der infizierten Hüftendoprothese, Sanierung des Infektionsherdes und, in einem zweiten Eingriff, Implantation einer neuen Prothese – hätte die Chance auf Heilung auch nach Einschätzung des Gutachters maßgeblich erhöht.

Die Schlichtungsstelle der Ärztekammer schließt sich dem Gutachten an und erlässt einen für die beteiligten Ärzte negativen Bescheid. In der Summe liege ein grober Behandlungsfehler vor. Die eingetretene Verzögerung sei geeignet gewesen, das Fortschreiten der Sepsis und damit den Tod des Patienten zu diesem Zeitpunkt zu verursachen.

Insgesamt zahlt der Haftpflichtversicherer über 77.000 € an die Angehörigen und die Krankenkasse.

Risikobewertung

Die Sorge um ein Implantat endet nicht mit dem Abschluss der Operation. Auch die Nachsorge – vor allem bei postoperativen Beschwerden – darf nicht vernachlässigt werden und ist mit der entsprechenden Um- und Weitsicht umzusetzen. Dass hierbei auch und besonders eine mögliche Infektion in die Überlegungen mit einbezogen werden muss, zeigt dieser Fall. Hinzu kommt der Zeitfaktor, der hier die entscheidende Rolle spielt.

Der beschriebene ist nicht der einzige Fall in der Schadendatenbank der Ecclesia, der mit einer falschen Behandlung bei Infektion nach Implantation einer Hüft-TEP im Zusammenhang steht. Die Ärzte, Chirurgen und Orthopäden sollten sich der Gefahr einer Infektion bei oder nach einer Hüft-TEP-OP daher stets gewahr sein.

Die haftungsrechtlichen Risiken bei der Implantation einer Hüft-TEP, die wir hier aufgezeigt haben, zählen zu den „Klassikern“, weil sie für einen großen Teil der Schadenfälle im Bereich Hüft-TEP verantwortlich sind:

  1. die Gefahr einer Infektion,
  2. die Wahl der falschen Größe der Prothese und
  3. die falsche Lage der Prothese.

Vorwürfe wegen fehlerhafter Kontrolle des Operationsergebnisses und wegen verzögerter weiterer Diagnostik und Behandlung können im Schadenfall die Folge sein. Wenn Ärzte die Risiken aber im Blick haben und entsprechend (re)agieren, tragen sie entscheidend dazu bei, solche Schadenfälle zu verringern.

Im Folgenden geben wir einen Überblick über sinnvolle schadenpräventive Maßnahmen im Allgemeinen und, auf die beschriebenen Fälle bezogen, im Besonderen.

Präoperative Maßnahmen im Sinne eines klinischen Risikomanagements

Kommt der Patient ins Krankenhaus/in die Klinik, um sich einem elektiven operativen Eingriff wie z. B. der Implantation einer Hüftprothese zu unterziehen, geschieht dies in der Regel nicht von heute auf morgen, sondern nach Terminvereinbarung. Daher sind hier die präoperativen Maßnahmen gut plan- und rechtzeitig machbar.

In der Regel beginnt die Kontrolle, ob die notwendigen Prozessschritte eingehalten worden sind, in der Indikationssprechstunde. Im Folgenden listen wir die einzelnen Schritte/Maßnahmen auf, die zum jeweiligen Zeitpunkt erledigt sein müssen bzw. zu erledigen sind.

Präoperativ vor Aufnahme des Patienten bei der Indikationssprechstunde

  • Die wesentlichen Patientendaten sind vorhanden.
  • Patientenbezogenes Bildmaterial liegt vor und es ist aussagekräftig.
  • Die Therapieplanung steht fest und wurde im Rahmen einer OP-Terminanfrage (z. B. Aufnahme in den „OP-Monatsplan“) mit dem OP-Management besprochen.
  • Bei entsprechendem Anlass wurde ein MRSA-Screening beim Patienten und, wenn notwendig, eine Keimreduzierung auf der Haut und Nasenschleimhaut vorgenommen (fünf Tage vor OP mit entsprechenden Maßnahmen festgelegt).
  • Das System/die Prothese wurde für den Patienten ausgesucht, bestellt und reserviert (sollte 48 Stunden vor OP-Beginn zur Verfügung stehen).
  • Der Patient wurde der zuständigen Physiotherapie zur Erhebung einer Anamnese, Ermittlung des Gangbilds und Anpassung der notwendigen postoperativen Hilfsmittel (z. B. Unterarmgehstützen, Sitzerhöhung) vorgestellt.
  • Patientenaufklärungen (Operateur und Anästhesie) wurden rechtzeitig durchgeführt und von den aufklärenden Ärzten sowie dem Patienten unterschrieben.

Nach Aufnahme in das Krankenhaus/die Klinik, in der Regel am Vortag zur OP

  • Der Patient erhält ein Identifikationsarmband mit seinen Daten (Name, Vorname, Geburtsdatum).
  • Das OP-Management bestätigt, dass das System/die Prothese für den Patienten zur Verfügung steht.
  • Der Operateur hat das Operationsgebiet gekennzeichnet.
  • Die entsprechende Operation ist nach dem OP-Planungsgespräch mit dem Patienten im OP-Plan eingetragen worden und hat dort eine feste Position.
  • Besonderheiten beim Patienten (z. B. Herzschrittmacher, Begleiterkrankungen, weitere Implantate, Metallteile im oder am Körper, eine Infektion etc.) sind im OP-Plan vermerkt.

Am OP-Tag

  • Für den Patienten wurde die OP-Checkliste angelegt.
  • Der präoperative Teil wurde im stationären Bereich abgearbeitet.

Im OP

Nach Übergabe des Patienten an der OP-Schleuse an die Mitarbeiter im OP übernimmt eine vom Krankenhaus/von der Klinik speziell aufgestellte OP-Checkliste die Abfrage der definierten Sicherheitskriterien für die jeweiligen Zeitabschnitte:

  • Sign In
  • Team Time Out
  • Sign Out

Bezogen auf die Risiken aus den drei o. g. Fallbeschreibungen könnten die Präventionsmaßnahmen in der OP-Checkliste beispielsweise wie folgt aussehen:

  • 30 Minuten vor Hautschnitt (Sign In-Phase): Als mögliche Prävention zur Vermeidung von postoperativen Infektionen erfolgt – nur nach Anordnung des Operateurs – eine Antibiotikagabe als „single shot“.
  • vor der sterilen Übergabe der Prothese an die OP-Schwester: Der OP-Springer zeigt dem Operateur die Prothese (Hüftkopf und Hüftpfanne) einschließlich Größenangaben unter Einsatz der „Call-Recall-Methode“.
  • nach dem Einsetzen der Prothese: Ihr Sitz wird mit einer Röntgenkontrolle (z. B. intraoperative 3D-Röntgenvisualisierung) im OP überprüft und mittels Bild dokumentiert.

vor Anästhesiebeginn in der Einleitung

„Sign In“

vor der Hautinzision

„Time Out“

Vor Verlassen des OP

„Sign Out“

Fazit

Eine Prozesskette wie beschrieben aufzubauen, erhöht die Patientensicherheit und hilft, Schäden an Patienten zu vermeiden. Um dies zu erreichen, gibt die Krankenhaus-/die Klinikleitung zunächst die Struktur für ein klinisches Risikomanagement vor. Im nächsten Schritt werden die bestehenden Prozessabläufe auf mögliche Risiken hin überprüft. Aus den so identifizierten Risiken können dann Präventionsmaßnahmen abgeleitet werden, die schließlich in den Prozessablauf eingebettet und verbindlich zur Anwendung gebracht werden.

Schnelle C. / Vonderhagen K. Safety Clip: Klinisches Risikomanagement in der Endoprothetik. Passion Chirurgie. 2016 Januar; 6(01): Artikel 03_03.

Safety Clip: OP-Management – Durchdacht und strukturiert von A bis Z

Ein OP-Management gibt es inzwischen in fast jeder Klinik/jedem Krankenhaus oder man ist zumindest dabei, eines einzurichten. Fragt man nach, welche Ergebnisse die Einführung eines OP-Managements mit sich gebracht hat, fallen die Antworten sehr unterschiedlich aus. Einige Akteurinnen und Akteure erwähnen lobend, dass die OP-Abläufe verlässlicher geworden seien. Andere wiederum beklagen, dass die alten Probleme weiterhin bestünden.

Klar ist, dass vor dem Hintergrund der immer knapper werdenden Ressourcen in den Kliniken/OPs die Anforderungen an ein funktionierendes OP-Management steigen. Aber nicht in allen Kliniken stellen sich die erhofften Erfolge ein. Die Gründe sind vielfältig und sicherlich in den komplexen Prozessen  von der Indikationsstellung über die Operation bis hin zur postoperativen Patientenversorgung  zu suchen.

Welche Prozesse beeinflussen nun das OP-Management? Oder besser gesagt, welche Prozesse gilt es zu berücksichtigen, damit das OP-Management funktioniert? Wiedergegeben werden im Folgenden die von Beschäftigten im OP-Bereich täglich erlebten und bemängelten Prozessabläufe bzw. die damit in enger Verbindung stehenden Situationen im OP-Bereich.

Bemängelte Prozessabläufe

  • Es gibt zu viele unterschiedliche Wege, eine Patientin oder einen Patienten zur Operation anzumelden (OP-Planerstellung).
  • Informationen zu den Vorbefunden der Patientinnen und Patienten, z. B. für die Anästhesie, fehlen.
  • Der OP-Plan ist unvollständig; Informationen für das beteiligte OP-Team fehlen.
  • Der OP-Plan wird erst in zeitlich sehr geringem Abstand zur OP festgelegt (oft zu spät für eine gute Vorbereitung).
  • An der OP-Plan-Besprechung nehmen nicht alle Berufsgruppen teil (z. B. instrumentierende OP-Leitung, Anästhesie, Aufwachraumpersonal, Leitung der Intensivstation etc.).
  • Der OP-Plan wird kurzfristig geändert, nicht immer nachvollziehbar.
  • Auf der Intensivstation fehlen Kapazitäten für die notwendige postoperative Patientenversorgung.
  • Die zur OP benötigten Instrumentensiebe und Systeme werden zu spät bestellt oder deren Verfügbarkeit wird nicht rechtzeitig vor OP-Beginn überprüft.
  • Das zuständige OP-Team ist nicht vollständig auf dem verbindlich festgelegten OP-Plan ausgewiesen.

Diese und andere Versäumnisse können die Prozessabläufe in den OP-Bereichen negativ beeinflussen – häufig auch zum Nachteil der Patientinnen und Patienten. Es ist gar nicht selten, dass eine geplante Operation aus organisatorischen Gründen nicht stattfinden kann.

Ist ein Notfall für Ausfälle oder Verschiebungen verantwortlich, ist das verständlich und auch nachvollziehbar. Die Ursachen finden sich aber häufig in fehlerhaften Abläufen, z. B. an den Schnittstellen der Prozessabläufe im OP. Organisationsmängel sind nicht nur sehr kostenintensiv, sondern sie können, wenn sie sich erst einmal eingeschlichen haben, der Beginn eines sich etablierenden Systemfehlers sein. Die Risiken, die ein solcher Systemfehler für Patientinnen und Patienten birgt, gilt es durch ein funktionierendes OP-Management zu vermeiden.

Einflüsse auf die Prozessabläufe im OP

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Damit sich die Einflüsse auf die Prozessabläufe im OP nicht nachteilig auswirken – auch und vor allem nicht auf die Patientinnen und Patienten, – bedarf es einer Regelung.

Als Ausgangsbasis für ein funktionierendes OP-Management sollte die Klinikleitung bzw. der klinische Vorstand zwingend ein OP-Statut erstellen, heißt: ein verbindliches Regelwerk, das die Eckpunkte der OP-Prozesse und Strukturen in der Klinik abbildet. Das Statut ist allen Mitarbeitenden, die an den OP-Prozessen direkt und indirekt beteiligt sind oder die sich an den Schnittstellen begegnen, zur Verfügung zu stellen.

Beispielhaftes Inhaltsverzeichnis für ein OP-Statut

  • Grundsätze des OP-Managements
  • Ziele, die im Rahmen des OP-Managements einzuhalten sind
  • Struktur des OPs der Klinik/des Krankenhauses
  • Leitung des OP-Managements (OP-Management-Team)
  • Ablauforganisation (OP-Auslastung, Tagesablauf im OP, OP-Programmerstellung)
  • Notfallmanagement (Abgrenzung von der Planung elektiver Eingriffe)
  • Kompetenzen und Verantwortung des OP-Management-Teams

Anlagen zum OP-Statut (je nach Bedarf)

  • OP-Planung (Patientenanmeldung zur OP)
  • präoperative Patientenvorbereitung mittels Checkliste (z. B. Vorstellung in der Anästhesie-Ambulanz)
  • Einsatz einer Patientensicherheitscheckliste
  • OP-Dokumentation
  • Definition der zu nutzenden Aufwachraum-Dokumentation
  • Umgang mit histologischen Präparaten
  • Bestellung von Prothesen, Leihinstrumentarien/Leihgeräten
  • postoperativer Patiententransport zur Intensivstation

Ein solches OP-Statut ist an die Strukturen und Prozesse der jeweiligen Klinik bzw. des jeweiligen Krankenhauses anzupassen und verbindlich zu verabschieden. Die im OP-Statut festgelegten Inhalte müssen alle am OP-Prozess Beteiligten (Fachbereiche, Schnittstellen etc.) einhalten, weil deren Akzeptanz und Anwendung zur erfolgreichen Gestaltung der OP-Prozesse notwendig sind.

In Kliniken/Krankenhäusern, die ein OP-Management eingeführt haben, hat es sich in der Regel inzwischen zu einem ganz eigenen Tätigkeitsbereich entwickelt. Die verantwortlichen Personen sind vor große Herausforderungen gestellt, die es gilt professionell umzusetzen. Nicht nur das Fachliche aus dem OP-Bereich ist gefordert, auch Themen wie Betriebswirtschaft, Organisationslehre, Personalentwicklung oder Qualitäts- und Risikomanagement sind zu bedienen.

Beim OP-Management-Team laufen die Fäden der OP-Prozesse zusammen. Daher müssen die Verantwortlichen vielfältigen Ansprüchen gerecht werden. Sie haben dafür zu sorgen, dass die unterschiedlichen operativen Fachbereiche die OP-Planungen und -Zeiten einhalten. Denn dies ist die zwingende Voraussetzung, dass auch die nachgeordneten Bereiche (z. B. Anästhesie, instrumentierendes OP-Team, ZSVA etc.) sich rechtzeitig und verbindlich in die abschließende verbindliche OP-Planung einbringen können.

Eine frühzeitige Kommunikation über die bevorstehenden/geplanten OPs sichert einen möglichst reibungslosen Ablauf. Häufig ist den operativen Fachbereichen nicht bewusst, wie wichtig es für die OP-Teamleitungen (z. B. die leitende OP-Schwester) ist zu wissen, welches Material, welches Prothesensystem, welches Instrumentarium und/oder welches speziell ausgebildete Personal für den geplanten Eingriff zur Verfügung stehen muss.

Auch die Anästhesie beispielsweise ist rechtzeitig über alle wichtigen Parameter zu informieren, geht es hier doch nicht selten darum, den Patienten oder die Patientin entsprechend vorzubereiten oder sogar die noch ausstehende Aufklärung zum geeigneten Narkoseverfahren vorzunehmen. Stellt sich heraus, dass zusätzliche Maßnahmen zur Diagnostik notwendig sind, wird mitunter die Zeit knapp bzw. das Risiko steigt, dass die OP nicht wie ursprünglich vorgesehen einen Platz auf dem endgültigen OP-Plan erhält.

Bei Störungen oder Verzögerungen etwa, wenn Vorgaben nicht beachtet worden und Prozesse daher nachzuholen sind, lässt sich die Vorplanung nicht mehr sicher in die endgültige OP-Planung übertragen. Das führt in der Regel zu Störungen der OP-Planung (Absetzen und Verschieben von OP-Punkten).

In unserer täglichen Risikoberatungspraxis machen wir die Erfahrung, dass sich eine deutlich erhöhte Planungssicherheit in den Kliniken/Krankenhäusern zeigt, in denen Patientinnen und Patienten nach der Indikationssprechstunde wenn die Entscheidung pro Operation gefallen ist zeitnah die relevanten Folgesprechstunden (z. B. Anästhesie-, Aufklärungs- und Prämedikationssprechstunde) aufsuchen können.

Das bedeutet: Wenn Schritte, die zur Patientenvorbereitung notwendig sind, rechtzeitig vor dem Eingriff erledigt werden können, sollte dies auch so geschehen. So lässt sich in den allermeisten Fällen der angestrebte OP-Termin planmäßig einhalten – selbst wenn es weiterer diagnostischer Abklärungen bedarf. Dies gilt natürlich nur für elektive, nicht für notfallmäßige OP-Maßnahmen.

So manche Klinik und so manches Krankenhaus hat diese Vorgaben bereits in den fachbereichsübergreifenden Patientenpfaden abgebildet oder in ein Patientenaufnahme- und Entlassungsmanagement integriert.

Zahlreiche Veröffentlichungen in Büchern und Fachartikeln zeugen von der Relevanz und Komplexität der Thematik. Darüber hinaus werden Lehrgänge und Aufbaustudiengänge zum Thema OP-Management angeboten.

Resümee

Um den vielschichtigen Herausforderungen in einem OP-Bereich gerecht zu werden, ist ein professionelles, mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattetes OP-Management-Team notwendig. Um die komplexen Prozesse steuern zu können, bedarf es dafür qualifizierter Fachkräfte und durchdachter Strukturen.

Das OP-Managementteam muss es schaffen, zwischen den einzelnen Fachbereichen/Berufsgruppen und Schnittstellen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu ermöglichen. Das OP-Management ist ein zentraler Dienstleister, der die vorhandenen Ressourcen der Klink zur Optimierung der Ablaufprozesse und zum Wohle der Patientenversorgung auszurichten hat.

Dies wird nur gelingen, wenn die Führungsfähigkeit und Organisation in guten Strukturen und definierten Prozessen professionell ausgeübt wird (Abb. 2 a – d).

Abb. 2: Führung und Organisation bestimmen den Erfolg eines OP-Managements

Vonderhagen K. Safety Clip: OP-Management – Durchdacht und strukturiert von A bis Z. Passion Chirurgie. 2013 Dezember; 3(12): Artikel 03_02.