Alle Artikel von Katrin Kammerer

Willkommen zum Bundeskongress Chirurgie 2023 in Nürnberg!

Wir laden Sie herzlich ein, vom 10.-11. Februar 2023 gemeinsam mit uns die Zukunft der Chirurgie zu diskutieren und zu gestalten. Unter dem Motto „Zurück in die Zukunft: Bewährtes sichern – Neues wagen!“ haben wir ein hochkarätiges Programm für Sie zusammengestellt.

Mit der Unterstützung von mehr als 20 chirurgischen Fachgesellschaften und Berufsverbänden bieten wir Ihnen einen spannenden Austausch zu praxisrelevanten Themen. Ganz besonders freuen wir uns auf die aktive Unterstützung und Teilnahme des Berufsverbandes der Chirurgie e.V. an unserem Kongress.

Freuen Sie sich auf ein zweitägiges Spitzenprogramm aus medizinisch- wissenschaftlichen Sitzungen, spannenden Fachsymposien und interessanten Workshops. Oder auf den Besuch unserer vielfältigen Industrieausstellung und auf das Netzwerken vor Ort mit Kolleginnen/Kollegen und dem medizinischen Nachwuchs.

Es ist für alle etwas dabei: von Sitzungen zu Viszeral-, Gefäß- und Fußchirurgie, über postbariatrische und metabolische Chirurgie zu Robotik, Proktologie und Anästhesie bis hin zur Unfall- und Kinderchirurgie. Daneben gibt es die Hernien- und Wundsymposien sowie das BAO-Symposium, die Plattform für alle Anästhesisten, Chirurgen, Urologen und ambulanten Operateure in Praxis und Klinik. Beim „Jungen Forum“ kommt die jüngere Generation zu Wort und tauscht sich von Assistenz zu Assistenz über Fälle und Herausforderungen im beruflichen Alltag aus.

Mit dem „Tag der medizinischen Fachberufe“ haben alle medizinischen Fachangestellten, einen eigenen Programmpunkt, bei dem es neben betriebswirtschaftlichen und juristischen Inhalten auch um berufspolitische und soziale Themen geht.

Abgerundet wird das wissenschaftliche Programm durch Seminare und Kurse, bei denen die Ärzte und MFA die Fortbildungsvorgaben der DGUV (Kindertraumatologie, Gutachten, Reha Medizin und Reha Management), des Strahlenschutzes und der Hygienerichtlinien (z. B. Präsenzseminar „Hygienebeauftragter Arzt“) erfüllen können.

Zuletzt sei noch auf unseren berufspolitischen Nachmittag verwiesen, an dem wir uns traditionell mit der aktuellen Gesundheitspolitik auseinandersetzen und für den wir im kommenden Jahr Klaus Holetschek, den Bayerischen Staatsminister für Gesundheit und Pflege, gewinnen konnten.

Wir freuen uns, Sie auch im Namen der beteiligten Berufs- und Fachverbände auf dem Bundeskongress Chirurgie 2023 in Nürnberg begrüßen zu dürfen!

Jan Henninger

Kongressleitung

Bundeskongress Chirurgie 2023

Dr. med. Frank Sinning

Kongressleitung

Bundeskongress Chirurgie 2023

Chirurgie+

Henniger J, Sinning F: Willkommen zum Bundeskongress Chirurgie 2023 in Nürnberg! Passion Chirurgie. 2022 Dezember; 12(12): Artikel 04_06.

Artikel zur Niederlassung finden Sie auf BDC|Online (www.bdc.de) unter der Rubrik Wissen | Fachgebiete | Niederlassung.

Passion Chirurgie im Dezember: Programmatik und Leitbild des BDC

Hier geht´s zur digitalen Ausgabe! 

Wir beschließen das Jahr 2022 mit der Dezemberausgabe der Passion Chirurgie, in der wir Ihnen die strategische Ausrichtung des Verbandes vorstellen. Vorstand, Geschäftsführung und Mitglieder des erweiterten Vorstandes haben gemeinsam strategische Innovationen auf den Weg gebracht, die neben der Umbenennung des BDC und der Einführung eines programmatischen Leitbilds auch die Umstrukturierung der Themenreferate mit sich bringen.

Für die Planung Ihrer chirurgischen Fort- und Weiterbildung empfehlen wir das neue BDC|Akademie-Programm für 2023! Neben dem Ausbau des robotischen Curriculums hat die wissenschaftliche Akademieleitung neue Veranstaltungsformate entwickelt. HIER geht´s online zum Programm.

Wir wünschen Ihnen und Ihren Familien friedvolle, gesunde und erholsame Weihnachtsfeiertage und einen guten Rutsch ins Jahr 2023!

Bleiben Sie gesund, ho ho ho
Ihre PASSION CHIRURGIE-Redaktion

 

Dr. Günther Matheis: Der Übergang vom OP-Tisch zum Kammer-Präsidenten war fließend

GESUNDHEITSPOLITIK
Dr. Günther Matheis: Der Übergang vom OP-Tisch zum Kammer-Präsidenten war fließend

Chirurginnen und Chirurgen brauchen für ihre Arbeit viele Eigenschaften, die auch in der Politik von Vorteil sind. Dazu zählt neben handwerklichem Geschick besonders Entscheidungsfreude, Verantwortungsbewusstsein, Durchhaltevermögen, Disziplin und Ausdauer. Alles Eigenschaften, die helfen, in der Politik Herausforderungen zu erkennen, zu handeln und auch bereit zu sein, dicke Bretter zu bohren, um ans Ziel zu kommen.

Dies kommt auch mir bei meiner politischen Arbeit zugute. In der Berufspolitik habe ich mich schon früh engagiert. Direkt nach dem Studium bin ich in den Marburger Bund eingetreten, setzte mich viele Jahre lang für die Interessen der Kolleginnen und Kollegen ein und übernahm immer mehr Verantwortung. Meinen Facharzt für Chirurgie absolvierte ich 1990; 1992 kam das Teilgebiet Thorax- und Kardiovaskularchirurgie dazu und der Facharzt für Thoraxchirurgie im Jahr 2007. Die klinische Ausbildung erfolgte an der Medizinischen Hochschule Hannover und am Deutschen Herzzentrum Berlin.

Ich erlebte die Jahre der sogenannten Ärzteschwemme genauso wie jetzt die Zeiten des Ärztemangels. 2011 wurde ich zum Vorsitzenden der Bezirksärztekammer Trier gewählt und war zugleich auch Mitglied im Vorstand der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz. 2016 wählten mich die Ärztinnen und Ärzte schließlich zum Präsidenten der Landesärztekammer. Seit 2021 habe ich darüber hinaus auch das Amt des Vizepräsidenten der Bundesärztekammer inne und bringe mich auch dort in vielen Ausschüssen inhaltlich ein.

Operiert habe ich immer sehr gerne. Aber der Verwaltungsanteil hat früh angefangen, immer mehr Zeit in Anspruch zu nehmen. Die Arbeitszeit hat sich bedeutsam verdichtet und die Bürokratie und auch der ökonomische Druck sind exponentiell gewachsen – zu Lasten der Zeit für die Patientenversorgung. Mein Übergang vom OP-Tisch zum Ärztekammer-Schreibtisch war letztendlich fließend. Das Operieren ist auch nicht gänzlich verschwunden, auch wenn es bedeutend weniger geworden ist. Ich leite nach wie vor die thoraxchirurgische Sektion innerhalb einer Abteilung für Herz- und Thoraxchirurgie in Trier. Das ist mir wichtig, um den Kontakt zur Basis zu behalten. Ich habe das Glück, dass ich auch dort über ein gutes Team verfüge, das vieles abfängt.

Nach und nach in die gesundheits- und berufspolitischen Sachthemen immer mehr hineinzuwachsen und Netzwerke aufzubauen, fand ich extrem spannend. Ich habe inzwischen sehr gute Kontakte zu den Hochschulen, einen Lehrauftrag an der Universitätsmedizin, pflege engen Austausch mit den Krankenhäusern und den Ärzteverbänden aber natürlich auch mit der Politik. Dadurch sind sehr oft Gespräche auf kurzem Dienstweg möglich, die von beiden Seiten genutzt werden. Das erleichtert den Austausch und wir werden als Landesärztekammer mit unserer Expertise als kompetenter Ansprechpartner wertgeschätzt.

Meine Jahre als Vorsitzender der Bezirksärztekammer Trier waren sehr hilfreich. Man wurde dadurch auch in der Landeshauptstadt Mainz schon bekannt. Zumal ich während meiner Trierer Amtszeit auch schon im Vorstand der Landesärztekammer aktiv war. Die Kammerarbeit in Trier wurde für dortige Verhältnisse bewusst sehr öffentlichkeitswirksam geführt. Beispielsweise habe ich starke Akzente gesetzt, die Rolle der Ärzte in der Region während der NS-Zeit aufzuklären. Denn auch vor Trier hatten diese schlimmsten Verwerfungen in der deutschen Geschichte nicht haltgemacht. Wir haben uns damit der unrühmlichen Vergangenheit gestellt und das Schweigen beendet. Daraus resultierte ein Buchprojekt in Zusammenarbeit mit der Universität. Mir war und es ist auch immer noch wichtig, vor allem jungen Ärztinnen und Ärzten zu zeigen, welch hohe moralische Verantwortung sie tragen.

Jedes Netzwerk ist auf seine Weise wichtig. Die Landesärztekammer ist beispielsweise während meiner Amtszeit in den Landesverband der Freien Berufe (LFB) eingetreten. Das war mir sehr wichtig, denn wir sind als Ärztinnen und Ärzte die größte Gruppe unter den Freiberuflern. In diesem Gremium können wir mit anderen Vertretern von freien Berufen im Schulterschluss gemeinsam noch wirksamer auftreten. Mittlerweile engagiere ich mich beim LFB auch als erster Vizepräsident.

Ein weiteres wichtiges Netzwerk hat sich während der Corona-Pandemie etabliert: die Steuerungsgruppe Impfen. Während der Akutphase haben wir uns gemeinsam mit dem Ministerium und vielen weiteren Institutionen täglich per Videokonferenz kurgeschlossen. Wir haben es geschafft, an einem Strang zu ziehen: zielgerichtet miteinander und keiner ist ausgeschert. Wir haben ausgesprochen unaufgeregt und effizient einen Weg gefunden. Alle Heilberufe haben in der Pandemiezeit Hand in Hand gearbeitet. Jeder steht in der Verantwortung, das zu tun, was er am besten kann. Und schaut zugleich, wen er noch unterstützen kann. Das hat gut geklappt und alle haben gemeinsam in unermüdlichem Dauereinsatz Hervorragendes geleistet. Ich bin zudem in den Ethikbeirat des Ministeriums für Wissenschaft und Gesundheit berufen worden.

Auf Landesebene haben wir inzwischen viele Projekte mit angestoßen wie beispielsweise das Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin und die Koordinierungsstelle Weiterbildung Allgemeinmedizin. Beim Kompetenzzentrum sind wir gerne als Kooperationspartner mit dabei, denn es bietet für künftige Hausärztinnen und -ärzte ein interessantes Weiterbildungsprogramm und ist zugleich eine gute Anlaufstelle für Weiterbilder, um sich noch mehr Lehrkompetenz anzueignen.

Partner sind wir auch bei der Koordinierungsstelle. Hier laufen alle Fäden zusammen für die Verbundweiterbildung. In diesen Verbünden bieten Praxen und Kliniken die Weiterbildung Allgemeinmedizin als Komplettpaket an. Das gibt den angehenden Hausärzten viel Planungssicherheit.

Bedeutsam wird es auch werden, mit dem Ministerium eine zukunfts- und tragfähige Krankenhausplanung zu realisieren. Hierfür sitze ich für die Landesärztekammer mit am Tisch im Krankenhausplanungsausschuss.

Eine wichtige Bedeutung hat natürlich die ärztliche Weiterbildung und deren Weiterentwicklung. Wir haben beispielsweise mit als erste Landesärztekammer neu das Fachgebiet „Innere Medizin und Infektiologie“ eingeführt. Ein weiteres bundesweites Novum: Für den Kompetenzerwerb im großen Gebiet „Innere Medizin“ können sich Ärztinnen und Ärzte in Rheinland-Pfalz künftig sechs Monate lang auch Kompetenzen in anderen Gebieten aneignen. Das ist eine wichtige, zukunftsweisende Entscheidung.

Eine große Rolle wird auch weiterhin das Thema „Delegation oder Substitution von ärztlichen Leistungen“ spielen. Meine Position hierzu ist klar: Delegation halte ich in bestimmten Fällen für sinnvoll; Substitution lehne ich ab – genau wie der überwiegende Teil der Ärzteschaft.

Weiter am Ball bleiben werde ich mit der Landesärztekammer zudem beim Thema Studienplätze. Wir brauchen einfach mehr ärztlichen Nachwuchs, um den künftigen Versorgungsbedarf auch in Zukunft auf gutem Niveau decken zu können. Seit vielen Jahren weise ich auf den Mangel an Ärztinnen und Ärzten sowohl im hausärztlichen als auch im fachärztlichen Bereich hin. Und natürlich habe ich mich darüber gefreut, dass es gelungen ist, den Medizincampus Trier zu etablieren. Darauf habe ich schon während meiner Trierer Zeit hingearbeitet und es war toll, schließlich den Kooperationsvertrag mit zu unterschreiben.

Dieser zusätzliche Standort für ein regionalisiertes Medizinstudium ist ein wichtiger Baustein für eine dezentralisierte Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten. Wir stellen so für Medizinstudierende im klinischen Teil attraktive Rahmenbedingungen in der Lehre zur Verfügung. Zudem hoffe ich, dass Studierende nach ihrem Studium in der Trierer Region bleiben und dort in die ärztliche Versorgung einsteigen. Das wäre ein großer Gewinn für Eifel und Hunsrück.

Die berufspolitische Arbeit auf Bundesebene als Vizepräsident der Bundesärztekammer (BÄK) ist für mich eine wichtige Ergänzung zu meinem landespolitischen Engagement. So kann ich Themen für die gesamte Ärzteschaft landes- und bundesweit im Blick haben und für die Kolleginnen und Kollegen sowohl im niedergelassenen als auch im stationären Bereich gestalten. Wichtig ist es mir auch, auf Bundesebene gemeinsam tragfähige Beschlüsse zu erwirken. Als BÄK-Vize bin ich beispielsweise als Beauftragter der Bundesärztekammer für die bundesweiten Transplantationsgremien aktiv.

Mit Blick auf die Bundesebene liegt mir etwas sehr am Herzen und es ist eine elementare Forderung von mir: Die Ärzteschaft muss auf Bundesebene über die Bundesärztekammer im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) vertreten sein. Und zwar mit Sitz und Stimme. Mir ist schon bewusst, dass die Bundesärztekammer weder Körperschaft noch Leistungserbringer ist. Für andere in diesem Kreis gilt das aber auch. Trotzdem sind sie mit Stimmrecht in das Gesetzgebungsverfahren eingebunden. Ich bin mir sicher, dass wir als Ärzteschaft im G-BA oft zur Klärung von Sachverhalten wesentliche Beiträge leisten können, denn unsere Stellungnahmen im G-BA sind immer von hoher Effizienz sowie wissenschaftlich fundiert und sollten nicht nur informelle Berücksichtigung finden.

Berufspolitisch gibt es auch wichtige Themen in der Chirurgie, die ich im Blick habe. So hat beispielsweise das DRG-System so seine Tücken. Eigentlich ist es nicht schlecht gemeint, aber es birgt gerade in der Chirurgie auch die Gefahr der Fehlanreize. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass es nur noch darauf ankommt, hierbei ökonomisch zu denken, nämlich, dass jeder Eingriff Geld für die Klinik bringt, deshalb muss so viel wie möglich operiert werden. Das sollte so nicht sein.

Und wenn ich an unseren ärztlichen Nachwuchs denke, fällt mir immer mehr auf, dass es zunehmend schwieriger wird, Nachwuchs für die Chirurgie zu gewinnen und auch zu halten. Wir müssen die Rahmenbedingungen im Sinne einer Restrukturierung verbessern. Das müssen wir gemeinsam leisten. Ansonsten verliert die Chirurgie an Attraktivität. Und dass wäre für unser schönes Fach sehr schade und für die Patientenversorgung fatal.

Dr. Günther Matheis

Präsident der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz

Vizepräsident der Bundesärztekammer

Gesundheitspolitik

Matheis G: Dr. Günther Matheis: Der Übergang vom OP-Tisch zum Kammer-Präsidenten war fließend. Passion Chirurgie. 2022 Dezember; 12(12): Artikel 05_02.

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Dem Leben auf der Spur. Das neue Medizinhistorische Museum der Charité

PANORAMA
Dem Leben auf der Spur. Das neue Medizinhistorische Museum der Charité

Die Charité hat Rang und Namen in der Welt. Vor dem Hintergrund einer reichen und bewegten Geschichte und im Ausklang einer lebensbedrohlichen Pandemie denkt sie gegenwärtig Gesundheit neu: lokal, national und auch global. Sie entwickelt Strategien für die Medizin der Zukunft und plant hierzu, mit einem Zeithorizont bis 2050, ihre Standorte in Berlin baulich neu.

Zu den Investitionen in die Zukunft der Charité gehört das neue Medizinhistorische Museum. Über die letzten drei Jahre hinweg entstand es auf dem historischen Campus Charité Mitte. Maßgeblich gefördert durch den Bund und das Land Berlin, wurde das historische Museumsgebäude grundlegend baulich ertüchtigt. Mit einer neuen Fassadengestalt, zusätzlichen Räumen und einer modernen museumstechnischen Infrastruktur bildet es ab Anfang 2023 eine einzigartige Schnittstelle zwischen Medizin und Öffentlichkeit.

Das neue Museum bietet der Charité vielfältige innovative Möglichkeiten, Menschen aus den internen Einrichtungen der Charité, aber vor allem auch von extern, aus allen Schichten der allgemeinen Öffentlichkeit, unter den Stichworten Medizin, Gesundheit und Gesellschaft zusammenzuführen. Es fungiert künftig als eine Stätte der Begegnung, des Austauschs und der Vermittlung, als ein Ort der Identifikation und Repräsentation, vor allem jedoch als ein Forum von Reflexion und Diskussion.

Geschichte und Bestand

Grundlage und Ausgangspunkt aller künftigen Aktivitäten des neu gestalteten Museums sind seine eigene Herkunft und die einschlägigen, daraus erwachsenen Sammlungsbestände. Gegründet 1899 als Pathologisches Museum durch Rudolf Virchow (1821-1902), firmiert es seit 1998 als Berliner Medizinhistorisches Museum (BMM) der Charité. Mit zuletzt rund 100.000 Besucher:innen pro Jahr ist es heute das größte und bekannteste universitäre Medizinmuseum in Deutschland mit europa- und weltweiter Ausstrahlung. Als Museum erfüllt es mit seinen rund 50.000 Depot- und Schauobjekten (siehe Abbildungsseite mit 10 exemplarischen Exponaten) entlang der Koordinaten Sammeln, Erfassen, Erhalten und Erschließen alle museumstypischen Kernaufgaben. Als zentrale Einrichtung der Medizinischen Fakultät der Charité – Universitätsmedizin Berlin macht es seine vornehmlich aus der wirkmächtigen Charité- und Berliner Medizingeschichte stammenden Sammlungsgegenstände in Forschung, Lehre und öffentlicher Vermittlung nutz- und sichtbar.

Ein neues Gesicht

Das Berliner Medizinhistorische Museum der Charité empfängt seine Besucher:innen künftig mit einem neuen Eingang, mehr noch, mit einer gänzlich neuen Eingangsfassade (s. S. 72/73). Die sieben Fenster im Erd- und ersten Obergeschoss, die zum Charité-intern gelegenen Virchowweg hin weisen, wurden herausgebrochen und die Fensterlaibungen über beide Etagen hinweg zu hochgeschossenen Vitrinenkörpern mit geringer Tiefe ausgebaut. Die Idee für diese Fenstervitrinen stammt aus dem Museum in seiner ursprünglichen Bestimmung. Bis heute zeigt das einstige Pathologische Museum Virchows zahlreiche, in klinischen Sektionen gewonnene Lehrpräparate von meist krankhaft veränderten Organen und Gewebestrukturen des menschlichen Körpers in weitgezogenen, voll verglasten Präparatevitrinen. Transparenz für eine ungetrübte Einblicknahme war das Programm von Beginn an. Mit den Schmalseiten ragen diese Virchowschen Präparatevitrinen nun gewissermaßen durch die gewaltigen Fensterschlitze des BMM nach außen und geben einen unverstellten Blick in das Museumsinnere frei. Die starre, oft hermetisch wahrgenommene Gebäudewand wirkt dadurch transparent und transluzent. Dieses neue architektonische Element versteht sich als Einladung, offen und ohne Berührungsängste einzutreten, um sich mit Geschichte, Bedingungen und Zielen einer ambitionierten Medizin vertraut zu machen, die noch viele Rätsel von Mensch, Gesundheit und Krankheit zu klären hat, die sich jedoch auch selbst – die Corona-Pandemie hat es deutlich gezeigt – öffentlich erklären will und zu verantworten hat.

Vor dem Gebäude können sich die Besucher:innen fortan – einzeln oder als Gruppe – auf einem gänzlich neu gestalteten Vorplatz versammeln. Ein topografisches Bronzemodell des Campus Charité Mitte am Zuweg zum Museum bietet die Gelegenheit zur Orientierung auf dem geschichtsträchtigen Krankenhausgelände.

Im innen gelegenen, erweiterten Eingangsbereich sind für die Gäste des Museums an der Kasse Monitore installiert, die über alle aktuellen Ausstellungen und Veranstaltungen des Museums informieren. Eine künstlerisch gestaltete Gallensteinvitrine stimmt die Besucher:innen in einer Ruhezone thematisch ein. Ein Shop neben der Museumskasse bietet Gelegenheit, Kataloge, typische Museumsartikel und Merchandising-Produkte der Charité zu erwerben.

Eine Reise durch die Medizingeschichte

In seiner Dauerausstellung lädt das BMM seine Besucher:innen zu einer einzigartigen Reise ein. Auf rund 800 m² Ausstellungsfläche folgen die Museumsgäste der Herausbildung und Ausgestaltung der naturwissenschaftlich begründeten Medizin westlicher Prägung durch verschiedene einschlägige Aktionsräume hindurch: Anatomisches Theater, Anatomisches Museum, Krankensaal, Labor, Seziersaal, Lehr- und Studiensammlung. Im Zentrum steht das wissenschaftliche Erbe Rudolf Virchows. Mehr als 700 ausgestellte humanpathologische Feucht- und Trockenpräparate verweisen auf das zentrale Anliegen der Medizin bis heute: Krankheiten zu erkennen und zu verstehen sowie Menschen, die an diesen Krankheiten leiden, zu heilen. Kontextualisiert wird der Virchowsche Präparatesaal durch Einblicke in die laborgestützte Klinik und in einen historischen Krankensaal mit 10 Fallgeschichten von ausgewählten Charité-Patienten. Gesundheit und Krankheit werden darin in ihren gesellschaftlichen Bedingungen und Bezügen vorgestellt. Diese Präsentation folgt Virchows Diktum, dass Politik letztlich auch denkbar ist als Medizin mit anderen Mitteln.

Für die Ausrichtung der Dauerausstellung im neuen Charité-Museum ist es wesentlich, dass sie in doppelter Weise ethisch argumentiert. Zum einen erkennt sie die besondere Sensibilität der gezeigten Präparate als sogenannte „Menschliche Überreste“ an und zielt auf eine würdevolle Präsentation. Zum anderen verweist sie in einem eigens gestalteten Ausstellungselement zur „Medizin im Nationalsozialismus“ explizit auf die Fallstricke und Schattenseiten einer streng biologistisch ausgerichteten Medizin.

Die verbindende Klammer der Dauerausstellung bildet eine ausführliche Darlegung der Geschichte der Charité, die sich über beide Ausstellungsetagen erstreckt. Im neuen Museum wird hier auch die jüngere Vergangenheit des Berliner Universitätsklinikums mit seinem Beitrag zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie und die Rezeption der Einrichtung in der historischen Charité-Serie thematisiert.

Unvermittelt eingefügt in den Ausstellungsparcours öffnet sich eine Tür ins Depot, nicht ins reale des BMM, sondern in ein realistisch inszeniertes. Depotdinge, wie sie typischerweise im BMM einlagern – medizinische Geräte, Modelle, Instrumente, Lehrtafeln – zeigen sich hier eng an eng. An einem größeren Monitor finden Besucher:innen virtuell noch weitere Depotobjekte vor. Sie können sich diesen Stücken und den zugehörigen Kontexten nähern und letztlich eintauchen in den faszinierenden Kosmos der Objektgeschichten.

Die Chirurgie-Geschichte wird in der Dauerausstellung des BMM an verschiedenen Stellen in besonderen Objekten und Arrangements aufgerufen: Haarseilzange, Brenneisen und Aderlass-Messer verweisen auf die frühe Wundarzneikunst. Ätherflasche, Narkosemaske und Sterilisator markieren die Schwelle zur modernen Chirurgie Mitte des 19. Jahrhunderts. Am Beispiel der Augenheilkunde wird das feine Operationsbesteck und die ruhige Hand früherer Operateure beschworen. Chirurgische Zangen fanden sich bald schon an den Spitzen der ersten funktionstüchtigen Zystoskope. Der Erste Weltkrieg stellte Militärchirurgen vor allergrößte Herausforderungen. Dies bezeugt beispielhaft der Fall einer komplizierten Nasenrekonstruktion. Eine weitere sehr besondere Krankengeschichte verknüpft die jüngere Chirurgie-Geschichte mit Gegenwart und Zukunft: Ein 35-jähriger Patient mit Leberzirrhose überlebt eine 1990 durchgeführte Lebertransplantation.

Zielgruppen und Dienstleistungen

Hinsichtlich seines öffentlichen Auftritts zielt das neue Museum auf zwei große Gruppen. Nach außen wendet sich das Museum an alle Laien, die an gesundheitlichen und medizinischen Fragestellungen interessiert sind. Dabei kommt jungen Menschen in der Berufsfindungsphase eine besondere Bedeutung zu. Nach innen wendet sich das Museum ausdrücklich an alle Angehörigen der Charité, vornehmlich an die Studierenden und Auszubildenden.

Eine wesentliche Dienstleistung des BMM sind Führungen durch die Ausstellungen und über das historische Gelände der Charité. Neu hinzu kommen zielgenaue museumspädagogische Vermittlungsangebote für einzelne Gruppen. Hierfür gibt es im künftigen Charité-Museum im direkten Anschluss an das Eingangsfoyer einen eigens gestalteten Multifunktionsraum. Dieses „Virchow-Kabinett“ ist mit vermittlungsspezifischen Materialien und speziell gefertigtem Mobiliar ausgestattet.

Das generelle Interesse am Medizinhistorischen Museum speist sich aus seinen spezifischen Objekten und der Möglichkeit für die Besucher:innen, einen Blick hinter die Kulissen der Medizin werfen zu können. In unmittelbarer Nachbarschaft zum neuen Foyer, allerdings räumlich getrennt, befindet sich auf der gleichen Gebäudeebene das Museumslabor. Dort werden Beprobungen und vor allem aufwändigere restauratorische Arbeiten an Präparaten und Modellen durchgeführt. Ein assoziierter Vorraum fungiert als Schaulabor, in dem interessierte Museumsbesucher:innen der Präparatorin bei der Arbeit über die Schulter schauen können.

Im ersten Obergeschoss betreten die Besucher:innen des BMM die 400 m² große Wechselausstellungsebene. Sonderausstellungen sind das Kerngeschäft des BMM. Der gezielte Brückenschlag zwischen medizinischer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft lässt sich für zahlreiche konkrete Themenfelder, wie etwa Chirurgie, Onkologie, Kardiologie oder Neurowissenschaften, aber auch für übergeordnete Aspekte, so beispielsweise Translation, Digitalisierung, Prävention oder Global Health, interessant, sachgerecht und spannend inszenieren. Die sich daraus ergebenden Fragen können auf neue partizipative Weise zusammen mit interessierten Besucher:innen diskutiert werden.

Hörsaalruine und Objektlabor

Das Charité-Museum verfügt auch nach dem Umbau über einen einzigartigen Veranstaltungsraum: die historische Ruine des einstigen Museumshörsaals. Der auratische Saal bewährt sich vor allem als moderierender Reflexionsraum für wichtige medizinische, gesundheitspolitische, ethische, gesellschaftsrelevante und kulturgewichtige Themen. Ein gezieltes Veranstaltungsmanagement wird die Ruine für das Museum und die Charité zu einem zentralen Forum im Dialog mit der Öffentlichkeit werden lassen.

Direkt über der Hörsaalruine erhält das Museum einen gänzlich neuen Funktionsraum. Der dortige Dachstuhlbereich wird zu einem didaktischen Objektlabor ausgebaut. Ein integriertes medizinhistorisches Lehrkabinett versammelt an dieser Stelle rund 50 ausgewählte Objekte aus allen Themenfeldern, die das BMM in seinen Sammlungen abdeckt. Sichtbar in eine teilverglaste Hochvitrine eingestellt, regen diese Stücke Studierende in eigens konzipierten Lehrveranstaltungen zu historischen Objektstudien an. Die Objektübungen an den Sammlungsstücken finden direkt vor Ort statt. Außerhalb des Unterrichts wird das Objektlabor durch Wissenschaftler:innen für Forschungszwecke genutzt. Überdies können dort Seminarsitzungen, Teambesprechungen und Projektworkshops stattfinden. Das Museum verfügt damit in diesem Bereich über einen unikalen Thinktank, aus dem sich neue Ideen und Formate hinsichtlich Forschung, Lehre und öffentlicher Vermittlung entwickeln und erproben lassen.

Resümee

Mit dem neuen Medizinhistorischen Museum macht die Charité ab Anfang 2023 allen Besucher:innen ein einzigartiges Angebot. An der Schnittstelle zwischen Medizin und Öffentlichkeit können sich künftig alle Interessierte an diesem Ort über wichtige medizinische Themen informieren und die sich daraus ergebenden Fragen sachgerecht, seriös und zielorientiert erörtern. Damit wird letztlich auch die Charité ihrem selbst gesteckten Anspruch gerecht, über lokale Gegebenheiten und Notwendigkeiten hinaus die Zukunft der Gesellschaft auf gesundheitlichem Gebiet grundlegend und global entscheidend mitzugestalten. Die ausdrückliche historische Verankerung bietet dazu eine nachhaltig breite Argumentationsgrundlage und zugleich eine Folie, vor der sich die zentralen wissenschaftlichen, sozialen, kulturellen und ethischen Dimensionen einer künftigen Medizin ausbreiten, vermitteln und mit großem Gewinn konstruktiv und produktiv diskutieren lassen.


Short Facts

Berliner Medizinhistorisches Museum der Charité

Standort:

Das Berliner Medizinhistorische Museum liegt auf dem Gelände der historischen Charité in Berlin-Mitte.

Kontakt:

Berliner Medizinhistorisches Museum der Charité, Charitéplatz 1, 10117 Berlin, Tel. 030 450 536 156, bmm@charite.de, www.bmm-charite.de

Ausstellungen:

Für die Wiedereröffnung im ersten Quartal 2023 bereitet das Museum neben einer punktuellen Überarbeitung seiner Dauerausstellung zwei Wechselausstellungen vor: „Das Gehirn in Wissenschaft und Kunst“ und „Da ist etwas. Krebs und Emotionen“

Nähere Informationen und genauere Zeiten siehe unter www.bmm-charite.de.

Korrespondierender Autor:

Prof. Dr. med. Thomas Schnalke

Direktor des Berliner Medizinhistorischen Museums der Charité

thomas.schnalke@charite.de

Panorama

Schnalke T: Dem Leben auf der Spur. Das neue Medizinhistorische Museum der Charité. 2022 Dezember; 12(12): Artikel 09_01.

Weitere Artikel zum Thema finden Sie auf BDC|Online (www.bdc.de) unter der Rubrik Wissen | Panorama

Passion Chirurgie im November: Handchirurgie

Hier geht´s zur digitalen Ausgabe! 

Die vorletzte Ausgabe der Passion Chirurgie in diesem Jahr widmet sich dem Thema „Handchirurgie“. Die Fokusartikel beschäftigen sich mit dem ambulanten Operieren in der Handchirurgie aus der Perspektive der Niederlassung und mit Handverletzungen im Sport.

Haben Sie Lust auf aktuelle und kontroverse Themen rund um die Hernienchirurgie? Dabei noch 2CME-Punkte einsammeln? Am 22. November 2022 findet um 17 Uhr das kostenlose Webinar „HERNIE KONTAKT“ statt und wir laden Sie ein, daran teilzunehmen. HIER geht es zum Programm und der Anmeldung…

Viel Spaß beim Lesen und bleiben Sie gesund,
Ihre PASSION CHIRURGIE-Redaktion

Ambulantes Operieren in der Handchirurgie aus der Sicht eines niedergelassenen Chirurgen

CHIRURGIE
Ambulantes Operieren in der Handchirurgie aus der Sicht eines niedergelassenen Chirurgen

Das ambulante Operieren gehört schon seit Jahrzehnten zur Routine in der Niederlassung. Auch Krankenhäuser bieten schon lange ambulante Eingriffe an. Aufgrund der aktuellen Diskussion über die Ausweitung des Katalogs nach § 115b des SGB V dürfte es in naher Zukunft einen massiven Schub für das ambulante Operieren geben.

Speziell in der Handchirurgie, aber nicht nur dort, ist die Ambulantisierung nicht mehr aufzuhalten. Dieses ist auch politisch gewollt, was sich auch im IGES-Gutachten und in den dreiseitigen Verhandlungen zur Stärkung des ambulanten Operierens zeigt.

In der Handchirurgie sind unter bestimmten Voraussetzungen ca. 80 Prozent der Eingriffe ambulant durchführbar (vergl. Konsensus Papier der DGH zum Thema ambulantes Operieren, veröffentlicht in der HAMIPLA 2020, 52, Seite 244-248). Durch den politisch erhöhten Druck werden in Zukunft auch die Krankenhäuser vermehrt ambulante Eingriffe ggfs. zu einem geringeren Erlös durchführen müssen.

In der Vergangenheit gab es verschiedenste Ansätze, das ambulante Operieren zu fördern.

Als Erstes zu nennen ist die lange geforderte und nach intensiven berufspolitischen Kämpfen erreichte extrabudgetäre Vergütung, ohne die das ambulante Operieren nicht denkbar gewesen wäre. In Hessen z. B. wurden schon frühzeitig viele Eingriffe zu einem festen Punktwert von 5,11 Ct vergütet, während zur gleichen Zeit bundesweit nur 3,5 Ct pro Punkt erlöst wurden!

Es gab aber auch systematische Behinderungen wie die Punktwert-Abstaffelung in Niedersachsen auf 2,1 Ct, was nach massiven Protesten der ambulanten Operateure (Aktion ruhendes Skalpell) zum Glück aufgehoben wurde.

Auch die Förderung des Ambulanten Operierens durch sogenannte Hybrid-DRGs wird als Pilotprojekt in Thüringen erprobt.

All diese Beispiele zeigen, dass die Durchführbarkeit des ambulanten Operierens nicht zuletzt auch von der Vergütung abhängt. Bevor wir dieses Thema aufgreifen, sind noch einige Gedanken zur Prozessqualität und zu den Unterschieden zwischen Krankenhäusern und Praxen nötig.

Über allem steht die Sicherheit der Patienten. Es kann nicht sein, dass eine evtl. Kostenersparnis für die Kassen zulasten der Qualität geht. Das heißt, dass Praxen/OP-Zentren und Krankenhäuser die gleiche Qualität abliefern müssen.

Die Praxen haben den Nachteil, nicht dual finanziert zu werden, wie es bei den Krankenhäusern sein sollte, teilweise aber auch nicht komplett umgesetzt ist. Auch können Lohnsteigerungen in der Niederlassung nicht wie im Krankenhaus an die Kostenträger weitergegeben werden. Im EBM ist ein Teil für die sogenannte technische Leistung vorgesehen.

Der Nachteil des Krankenhauses ist natürlich der Ausbildungsbetrieb und die oft vorhandenen verkrusteten Strukturen. In der Praxis arbeiten die Operateure meist mit einem festen Team. Natürlich müssen dazu die Assistenzen ausgebildet werden, auch die Praxis ist ein Ausbildungsbetrieb. Der/die Operateur:in ist in seinem/ihrem Gebiet in der Regel sehr erfahren. In der Handchirurgie haben nicht selten frühere leitende Oberärztinnen und -ärzte direkten Zugriff auf die Abläufe und die Prozessoptimierung. Im Krankenhaus sind unter Aufsicht des/der obligatorischen Facharztes oder -ärztin oft Weiterbildungsassistent:innen tätig. Die OP-Schwestern oder -Pfleger kommen nicht selten aus einem Pool und sind daher mit den Eingriffen nicht so vertraut. Das gleiche gilt für die Anästhesist:in mit den Anästhesieschwestern und -pflegern. Die Wege sind länger, die Prozesse oft nicht optimiert. Häufig werden in den Krankenhäusern die Abläufe von außen durch fachfremde nicht in die Arbeit involvierte „Prozessoptimierer:innen“ vorgegeben.

Der Ausbildungsbetrieb verhindert durch Reibungsverluste natürlich ein ökonomischeres Arbeiten. Da sich auch immer mehr die Weiterbildung in den ambulanten Betrieb verschieben wird und muss, wird dies bei zukünftigen Honorarverhandlungen mit beachtet werden müssen. Anders wird das bestehende Weiterbildungsniveau nicht mehr zu halten sein.

Bei der so wichtigen Erlössituation ist zu beachten, dass bei der ursprünglichen Bewertung ein Punktwert von 5,11 Ct zugrunde gelegt wurde (vor 20 Jahren). Der Anteil der technischen Leistung (u. a. auch Rücklagen für Neuinvestitionen, Abschreibungen etc.) beträgt ca. 70 Prozent. Die Kosten sind aber immens gestiegen, bereits vor der Erhöhung der Energiekosten um ca. 30 Prozent. Bisher auch nicht berücksichtigt sind die erhöhten Kosten im Hygienebereich.

Im IGES-Gutachten wurden bei fünf Fallbeispielen häufiger Eingriffe unter DRG-Bedingungen bis 16-fach höhere Erlöse erzielt als dies unter EBM-Bedingungen möglich ist. Dies unterstreicht die dringende Notwendigkeit einer Steigerung der Erlöse des ambulanten Operierens, zumal auch die Krankenhäuser nach EBM abrechnen müssen und somit auch ihre Erlöslage defizitär ist.

Im ambulanten Bereich muss also sehr knapp kalkuliert werden. Die Kosten für Abdeckmaterialien betragen pro OP 20 bis 40 €, die Aufbereitungs- und Hygienekosten je nach OP 60 bis 80 €, Abschreibungen/Neuanschaffungen für Instrumente/Bildwandler ca. 5 bis 40 €, Personalkosten 50 € pro Stunde (2 MFA). So kommen ohne Raumkosten für das OP-Zentrum Fixkosten in Höhe von 135 bis 210 € pro Operation zusammen.

Als Beispiel möchte ich die Situation bei einigen ambulanten Eingriffen darlegen:

Metallentfernung Radiusplatte:

Erlös 210,72 €, Kosten 155 € (wenn die ME schnell geht)

Metallentfernung K-Draht Mittelhand:

130,09 €, Kosten 115 € (1/2 Std. Personal)

Karpaltunnelspaltung:

159,96 €, Kosten 115 €

Der ärztliche Lohn wird in der EBM-Kalkulation normativ mit einem Oberarztgehalt angesetzt, zurzeit 117.060,00 € pro Jahr, zuletzt angepasst 2020. Dieser Wert ist heute nicht mehr realistisch, darüber hinaus findet keine regelmäßige Anpassung bei Tarifsteigerungen statt. Es wird so jedem klar, dass ambulantes Operieren nur gefördert werden kann, wenn endlich die Erlössituation der Realität angepasst wird, dies gilt für Praxen wie Krankenhäuser gleichermaßen. Da erscheint die Forderung der Ausgabenneutralität der gesetzlichen Krankenkasse im Schulterschluss mit unserem Bundesgesundheitsminister wie blanker Hohn und ein Schlag ins Gesicht der Operateur:innen.

Natürlich sind auch die Umfeld-Bedingungen beim ambulanten Operieren zu beachten: Neben dem Facharztstatus auch die postoperative 24-Stunden-Erreichbarkeit, die postoperativen Visiten, die Risikoaufklärung (Zeitbedarf in den letzten Jahren enorm gestiegen), die Dokumentation, die Infrastruktur (im ländlichen Raum anders zu bewerten als in der Großstadt) etc.

Fazit

Das ambulante Operieren muss dringend gefördert werden. Dies wird jedoch nur gelingen, wenn die Vergütung endlich realistisch kalkuliert und den aktuellen Gegebenheiten angepasst wird. Dann könnte bei entsprechendem Setting ein großer Teil der jetzt noch stationär erbrachten handchirurgischen Operationen bei gleichbleibender Qualität und Sicherheit ambulant durchgeführt werden.

Es kann nicht sein, dass Deutschland im weltweiten Ländervergleich bei der Bezahlung wie auch bei der Umsetzung des ambulanten Operierens einen der letzten Plätze einnimmt, teilweise hinter Pakistan.

Im Krankenhaus sind oft durch interne Reibungsverluste ambulante Eingriffe nicht kostendeckend umsetzbar, im niedergelassenen Bereich nur unter erschwerten Bedingungen. Alle zukünftigen Konzepte müssen die Weiterbildung des chirurgischen Nachwuchses auch im ambulanten Bereich berücksichtigen. Es erscheint durchaus sinnvoll, dafür auf die Expertise ambulanter Operateur:innen mit teilweise mehr als 25-jähriger Erfahrung zurückzugreifen, anstatt das Rad immer neu zu erfinden.

Dr. med. Karsten Becker

Handchirurgische Praxis Dr. Karsten Becker

Peiner Straße 2

30519 Hannover

dr.becker@handchirurgie-peinerstr.de

Chirurgie

Becker K: Ambulantes Operieren in der Handchirurgie aus der Sicht eines niedergelassenen Chirurgen. Passion Chirurgie. 2022 November; 12(11): Artikel 03_01.

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BDC-Praxistipp: Warum sind meine Geschwister im OP-Saal immer dabei?

Vorwort

Geschwister im OP

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

soziale Interaktionen bezeichnen vereinfacht Vorgänge gegenseitiger Beeinflussung, in deren Folge sich Verhaltensweisen und Einstellungen manifestieren oder ändern. Man muss nicht Habermas, Luhmann oder Weber studieren, um zu erkennen, dass die natürlichen Grundlagen dafür Kommunikation und Austausch stellen, denn soziale Interaktionen bestimmen unseren gesamten Alltag.

Zwischenmenschliches Zusammenspiel wird dabei umso anspruchsvoller, je mehr Mitglieder einer sozialen Gruppe daran teilnehmen. Das interprofessionelle Team eines OPs stellt eine solche Gruppe, dessen Kooperationsfähigkeit schon allein durch divergierende Zielsetzungen und Vorbildungen sehr ambitioniert ist.

Das Handeln in einer solchen Gruppe erfolgt über ein fortlaufendes aufeinander eingestelltes und dadurch orientiertes „Sich-Verhalten“. Die soziale Interaktion basiert dabei neben der individuell abweichenden selektiven Wahrnehmung auch stark auf dem individuellen Sozialisationsprozess.

Die Sozialisation startet schon in frühester Kindheit – und jetzt kommen die Geschwister ins Gespräch. Geschwisterrollen beeinflussen nachhaltig unsere späteren Haltungen, Rezeptionen und Verhaltensweisen im Privaten wie im Beruf. Unsere Geschwister sind also immer dabei – auch im Operationssaal. Und je mehr wir davon verstehen, umso erfolgreicher können wir agieren.

Erhellende Lektüre wünschen deshalb

Prof. Dr. med. C. J. Krones

und

Prof. Dr. med. D. Vallböhmer

Ein Gedankenexperiment

Zur Beurteilung und Modulation sozialer Interaktionen werden Arbeitskollektive in vielen verschiedenen Bereichen immer wieder mit Gruppen anderer Herkunft verglichen. Ein bekannter Klassiker in der Medizin ist z. B. die Korrelation einer Arztgruppe mit einer Sportmannschaft. Ein OP-Team ist eine solche Gruppe, deren komplexe soziale Interaktion den Arbeitserfolg stark beeinflussen kann.

Neben anderem kann man OP-Teams versuchsweise auch mit einer Geschwisterrunde vergleichen: Der Operateur fungiert z. B. als großer Bruder. Er gibt den Takt vor. Erst wenn er den OP-Saal betritt und sich korrekt eingekleidet hat, kann die OP starten. Die Anästhesistin als seine nächst ältere Schwester mault zwar manchmal über seine Vorrangstellung, kooperiert dann aber doch meist problemlos, zumal ihre Expertise im weiteren Verlauf des Geschehens immer wichtiger, ja unverzichtbar wird. Dann sind da die anderen Geschwister, etwa als OP-Assistentin, die wie eine mittlere Schwester dem OP-Boss möglichst geschmeidig und unkompliziert zuarbeiten muss. Sie hält laufend engen Kontakt zum Operateur und dirigiert nach seiner Maßgabe die jüngeren Geschwister, die als instrumentierende OP-Kraft oder als OP-Pflegekraft in dem Geschwisterensemble nahtlos „funktionieren“ müssen. In besonderen Krisensituation hat sie auch flugs eine Springerin oder einen Springer zu organisieren. Manchmal empfinden die jüngeren Geschwister ihren Status als die „Kleinen“ als unbefriedigend. Nach einer gelungenen OP wird ihnen aber doch wieder klar: Ohne sie kann gar nichts laufen. Solche OP-Ensembles gelingen, wie Sie, liebe Leserin, lieber Leser, sicher selbst oft erlebt haben, viele tausendmal mehr oder weniger reibungslos. Ich möchte aber behaupten, dass jede OP umso besser gelingt, je spezifischer die beteiligten Personen aus ihrer Herkunftsfamilie auf die gesamte Kooperationssituation im OP-Saal vorbereitet sind. Und diese These möchte ich anhand eines Konzepts aus einer psychoanalytischen Sozialisationstheorie belegen.

Das Konzept

Schon in den1960er-Jahren beforschte Walter Toman in den USA, wie sich Geschwisterbeziehungen im späteren Leben günstig oder ungünstig auf berufliche Kooperationen auswirken. Geschwisterbeziehungen systematisierte er dabei nach (1) der Rangreihe und nach (2) dem Geschlecht. Da sich von „Geschwistern“ erst ab zwei Kindern in einer Familie sprechen lässt, entstehen nach den Regeln der Kombinatorik mindestens

A. vier weibliche:

s(s) die ältere Schwester einer jüngeren Schwester

(s)s die jüngere Schwester einer älteren Schwester

s(b) die ältere Schwester eines jüngeren Bruders

(b)s die jüngere Schwester eines älteren Bruders und

B. vier männliche Typen:

b(b) der ältere Bruder eines jüngeren Bruders

(b)b der jüngere Bruder eines älteren Bruders

b(s) der ältere Bruder einer jüngeren Schwester

(s)b der jüngere Bruder einer älteren Schwester.

Das System wird hier gleich in der von Toman (2020, 91 ff) vorgeschlagenen Schreibweise präsentiert. Die Person, von der gerade gesprochen wird, steht außerhalb der Klammer und ihre Geschwister innerhalb der Klammer. Demnach ist z. B. der älteste Bruder von zwei Schwestern und einem noch jüngeren Bruder so darzustellen: b(ssb).

Toman konnte zeigen, dass Menschen durch ihre Geschwisterposition von früh an eine Identität als Älteste, Jüngste, Mittlere, Einzelkind oder Zwilling herausbilden. Durch die tagtäglichen Interaktionen in der Familie üben sie bestimmte Handlungsmuster ein, die sie auch später zu realisieren suchen. Ohne hier auf Besonderheiten einzugehen, – dafür sei auf den Originaltext verwiesen – lassen sich für berufliche Kontexte, zwei basale Hypothesen formulieren:

(1) Ältere Geschwister neigen auch später zur Dominanz, Jüngere dagegen haben eher gelernt sich unterzuordnen. So sind Älteste auch später eher bereit und in der Lage, Führungspositionen zu übernehmen als Jüngere.

(2) Geschwister, die nur unter Geschlechtsgenossinnen oder -genossen aufgewachsen sind, neigen dazu, auch später Personen desselben Geschlechts zu präferieren. Das heißt z. B. der ältere Bruder von Schwestern wird mit der Führung von Frauen später leichter zurechtkommen als der ältere Bruder von Brüdern. Dieser wird in Männermilieus allerdings wahrscheinlich erfolgreicher führen als der Bruder von Schwestern.

Neben den Grundtypen gibt es selbstverständlich auch mittlere Geschwister, Einzelkinder und Zwillinge. Über mittlere Geschwister lässt sich sagen, dass sie je nach dem Altersabstand zu den anderen Geschwistern oft eher Grundkonstellationen zuzuordnen sind. So wird sich etwa die mittlere Schwester von einem älteren Bruder und einer jüngeren Schwester (b) s (s) eher als jüngere Schwester eines Bruders ausprägen, wenn der Altersabstand zum älteren Bruder nur zwei Jahre, der Abstand zur jüngeren Schwester dagegen zehn Jahre ist. Sie war bis zur Geburt der Schwester immerhin zehn Jahre ihres Lebens jüngere Schwester eines Bruders. Schwieriger stellen sich gleichgeschlechtliche Konstellationen mit einem nur geringen Abstand dar wie etwa die folgende: (s)s(s). Wenn diese mittlere Schwester von zwei Schwestern zur älteren und zur jüngeren jeweils nur einen Abstand von zwei Jahren hat, wird sie in ihrer Kindheit möglicherweise Mühe haben, ihre Identität zwischen der Ältesten und der Jüngsten zu präzisieren. Vielleicht ist sie dann später immer wieder in Sorge, übergangen zu werden. Im besseren Fall ist sie besonders gut in der Lage, sich in soziale Systeme zu integrieren. Gerade bei Prognosen für mittlere Geschwister ist es wichtig, die familiäre Gesamtkonstellation zu betrachten.

Bei Einzelkindern geht Toman davon aus, dass sie meistens von klein auf gewöhnt sind, im Mittelpunkt zu stehen und wichtig zu sein. Außerdem neigen sie dazu, die Geschwisterkonstellation des gleichgeschlechtlichen Elternteils zu übernehmen. So würde ein weibliches Einzelkind E mit einer Mutter, die die älteste Schwester einer Schwester war s(s), auch eher wie eine ältere Schwester von Schwestern in Erscheinung treten. Wenn allerdings auch die Mutter schon Einzelkind war, würde Toman annehmen, dass bei dieser Frau Merkmale des Einzelkindes besonders stark ausgeprägt sind.

Bei Zwillingen ist zu unterscheiden, ob es sich um ein- oder zweieiige handelt. Eineiige Zwillinge sind nicht nur zur gleichen Zeit geboren, sie haben jeweils auch den gleichen Entwicklungsstand. Deshalb sind sie meistens extrem stark aufeinander bezogen und haben es auch in späteren Jahren schwer, sich voneinander abzulösen. Bei zweieiigen Zwillingen sind die Beziehungen nicht so dicht, besonders, wenn es sich um einen Jungen und ein Mädchen handelt. Diese Kinder neigen in der Regel dazu, sich mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil zu identifizieren und damit auch Persönlichkeitsmerkmale von dessen Geschwisterkonstellation zu übernehmen.

Die Beziehungsformen

Menschliche Beziehungen differenziert Toman in „Komplementär“- und „Identifikationsbeziehungen“.

(1) Komplementärbeziehungen

Toman (2020, 78 ff) zeigt, dass neu angebahnte Beziehungen umso erfolgreicher und dauerhafter bestehen, je ähnlicher sie früheren und frühesten Sozialerfahrungen der Betreffenden sind. Das bedeutet vor allem für Paarbeziehungen, dass sie umso haltbarer sind, je mehr die jeweiligen Partner ihre frühere Geschwisterkonstellation in der neuen Beziehung wiederfinden. So erweisen sich Partnerbeziehungen eines älteren Bruders von einer jüngeren Schwester b(s) mit einer jüngeren Schwester eines älteren Bruders (b)s als ausgesprochen haltbar,

  • weil jeder der beiden sich schon in der Familie an das Zusammenleben mit einer Person des anderen Geschlechts gewöhnen konnte. Sie haben also nach Toman (2020, 87 ff) keinen „Geschlechtskonflikt“.
  • Außerdem übt der ältere Bruder auch später wie selbstverständlich Dominanz aus, was für die jüngere Schwester als Juniorin durchaus akzeptabel ist. So haben sie also auch keinen „Rangkonflikt.“

Die prognostisch ungünstigste Partnerbeziehung wäre demgegenüber eine, wo sich die älteste Schwester einer Schwester s (s) mit dem älteren Bruder eines Bruders b (b) liiert. Beide sind durch ihre Kindheit nicht gewöhnt, mit Personen des anderen Geschlechts in einem Familienverband zu leben. Sie können sich also nicht spontan in den anderen hineinversetzen. Sie haben nach Toman einen „Geschlechtskonflikt“. Außerdem ist jeder von beiden von früh an gewöhnt zu dominieren, weshalb sie um die Dominanz in der Beziehung rangeln werden, nach Toman also auch einen „Rangkonflikt“ haben. Es sei allerdings angemerkt, dass Paare, die dauerhaft in solchen Konstellationen leben, oft eine Vielzahl gemeinsamer Interessen entwickelt haben, die sie jenseits ihrer Geschwisterkonstellation zusammenhält.

All das gilt im Prinzip auch für berufliche Beziehungen. So wird sich der jüngere Bruder einer älteren Schwester (s) b wahrscheinlich eher von einer älteren Schwester eines Bruders s (b) führen lassen, als von der älteren Schwester einer Schwester s (s). Die ältere Schwester des Bruders s(b) hat nämlich aller Voraussicht nach mehr Verständnis für die spezifischen Extravaganzen eines männlichen Juniors als die ältere Schwester einer Schwester s(s). Letztere ist eher gewöhnt „kleine Prinzessinnen zu hüten als kleine Prinzen.“

(2) Identifikationsbeziehungen

Den anderen Beziehungstyp nennt Toman „Identifikationsbeziehungen“. Hier geht es nicht um Ergänzung sondern um Ähnlichkeit. Dabei handelt es sich um narzisstische Wahlen: Jeder liebt im anderen sich selbst. Diesen Typ finden wir bevorzugt bei gleichgeschlechtlichen Personen. So lässt sich beobachten, dass ältere Brüder von Brüdern b(b) als Vertrauensperson häufig auch wieder ältere Brüder von Brüdern b(b) aufsuchen. Oder jüngere Schwestern von Schwestern (s)s präferieren als Freundinnen vielfach auch wieder jüngere Schwestern von Schwestern (s)s. Toman zeigt außerdem, dass sich die Beziehungen zwischen Vater/Sohn sowie Mutter/Tochter ebenfalls nach dem Ausmaß der Identifikation positiv versus negativ gestalten. So wird ein Vater, der als jüngerer Bruder einer Schwester (s)b aufgewachsen ist, einen Sohn, der ebenfalls als jüngerer Bruder einer Schwester (s)b aufwächst, leichter akzeptieren, als ein Vater, der ein älterer Bruder von mehreren Brüdern ist b(bb). Sein Sohn wird ihm möglicherweise dauerhaft als „verzärtelter Bubi“ fremd bleiben.

In Arbeitsbeziehungen begegnen uns ebenfalls Identifikationsbeziehungen. So können Kooperationen zwischen zwei älteren Brüdern von Brüdern (b(b) + b(b) in Pionier- also Aufbaustadien von Organisationen außerordentlich fruchtbar sein. Jeder findet im anderen die an sich selbst realisierte Dominanz und bejaht sie auch im anderen. Ähnliches lässt sich immer wieder bei älteren Schwestern von Schwestern beobachten s (b) + s (b). In der etwas „kernigen“ Dominanz respektiert sich jede der beiden in der anderen. In manchen Konstellationen bilden sie aber genau sie eine Quelle von Konflikten.

Konflikte im OP-Saal und ihre Bewältigung durch Coaching

Manche Konflikte, die sich im OP ergeben, lassen sich auf Komplikationen aus Geschwisterbeziehungen zurückführen (Schreyögg 2015). Konflikte zwischen Operateur und Anästhesist konstellieren sich gar nicht selten als Rivalitätskonflikte. Das geschieht, wenn beide in ihren Familien Senioren waren, und nun jeder die Vorrangstellung im Beruf für sich reklamiert, obwohl sie aktuell doch unterschiedlichen Funktionsbereichen angehören. Es ist auch möglich, dass die OP-Assistenz oder eine OP-Pflegekraft Dominanz reklamieren. Dann wäre ein Team-Coaching sinnvoll, bei dem jeder Mitarbeiter die Möglichkeit erhält, seinen spezifischen fachlichen Beitrag den übrigen Kooperationspartnern darzustellen, damit er/sie ausreichend gewürdigt wird. Dabei wäre es sinnvoll, dass Vorgesetzte die Dominanzansprüche des Mitarbeiters zur Kenntnis nehmen und dann fachspezifisch kanalisieren. Dazu muss man die Stärken des Mitarbeiters tiefer erkunden, und ihm in speziellen Bereichen ein Spezialistentum als „Dominanzbühne“ zugestehen. Problematisch können aber auch ursprünglich komplementäre Beziehungen werden. So geschieht es nicht selten, dass ein älterer Vorgesetzter, der als jüngerer Bruder in einer längeren Geschwisterreiche (sbsb)b aufgewachsen ist, einen neuen Mitarbeiter anheuert, der älterer Bruder in seiner Geschwisterreihe b(sbs) war. Zunächst versteht er sich mit diesem im Sinne von Komplementarität vielleicht ganz wunderbar. Wenn sich die Komplementarität vertieft, erlebt der Vorgesetzte jedoch mit zunehmendem Unbehagen, in der Interaktion mit dem Mitarbeiter sukzessive in eine Juniorenrolle zu rutschen. Diese kollidiert aber heftig mit seiner formalen Position und seinem Selbstverständnis. Hier ist es Aufgabe des Coachings, die gefühlsmäßige Konstellation aufzudecken, sodann alternative Muster einzuüben. Dabei wäre es sinnvoll, anhand imaginierter Interaktionssequenzen mit dem Mitarbeiter neue Sprach- und Handlungsmuster zu erproben, so dass der Vorgesetzte langsam wieder formal adäquatere Beziehungsformen einsteuert.

Zusammenfassung

Die handelnden Personen im komplexen Setting eines Operationssaals funktionieren in einem andauernden gesellschaftlichen Zusammenspiel. Aus unterschiedlichen Gründen kann diese anspruchsvolle soziale Interaktion Auseinandersetzungen produzieren, die ein erfolgreiches und erfüllendes Arbeiten belasten. Oftmals liegen Ursachen und Auslöser der Konflikte völlig fachfremd in persönlichen Erfahrungen, Einstellungen und Erwartungen. In diesen Fällen ist es lohnenswert, das Selbstverständnis und die Lebenseinstellung der Akteure zu erforschen. Geschwisterbeziehungen prägen stark die berufliche Mentalität. Denn Bruder und Schwester sind immer dabei.

Literatur

[1]   Schreyögg, A. (2015): Life-Coaching: Dynamiken der Herkunftsfamilie. In: Die Professionalisierung von Coaching (373-389). Springer.
[2]   Toman, W. (2020): Familienkonstellationen. Ihr Einfluss auf den Menschen. C.H. Beck.

Dr. phil. Astrid Schreyögg

Professionelles Coaching in Praxis und Ausbildung

Salzachstr. 67

14129 Berlin

astrid.schreyoegg@googlemail.com

Schreyögg A: BDC-Praxistest: Warum sind meine Geschwister im OP-Saal immer dabei? Passion Chirurgie. 2022 November; 12(11): Artikel 05_01.

Handverletzungen im Sport

CHIRURGIE
Handverletzungen im Sport

Hintergrund

Die zahlreichen, gesundheitlichen Benefits einer regelmäßigen sportlichen Betätigung sind allgemein bekannt und mehrfach belegt [1–4]. Wesentliche Schattenseite ist das allgegenwärtige Verletzungsrisiko, das sowohl Freizeit- als auch Profisportler tragen.

Die Hand ist im Sport häufig besonders exponiert und somit häufig von Verletzungen betroffen. Bis zu 25 % aller Sportverletzungen betreffen die Hand, wobei das Verletzungsrisiko abhängig von der Sportart variiert [5–13]. Als zentrales Werkzeug unseres täglichen privaten und Arbeitslebens ist die Hand im Verletzungsfall mit hohen Arbeitsausfallraten und Gesundheitskosten vergesellschaftet [14–16]. Aber auch für Betroffene können Sportverletzungen kostspielig werden. Dies gilt insbesondere für Fälle chronischer Sportverletzungen, sogenannte Überlastungsverletzungen sowie besonders schwere Sportverletzungen mit Langzeitbeeinträchtigungen, da diese häufig nicht durch Krankenversicherungen gedeckt sind.

Während eine regelmäßige sportliche Betätigung bis ins hohe Alter sowie unter den jungen Generationen gesundheitlich vorteilhaft und wünschenswert ist, sind diese beiden Bevölkerungsgruppen, die Jüngsten und die Ältesten, besonders vulnerabel für Sportverletzungen. Darüber hinaus lässt sich ein stetiger Anstieg der Belastungsgrenzen im kompetitiven Sport beobachten [11, 17–20].

Effektive Maßnahmen zur Verletzungsprävention sind Schlüssel zu mehr Sicherheit im Sport, setzen allerdings Kenntnisse über sportspezifische Risikoprofile voraus. Daten zu Sportverletzungen stammen bisher überwiegend aus dem angloamerikanischen Raum, allen voran den USA, wo große Surveillance-Programme ein Monitoring von sportassoziierten Verletzungen ermöglichen. Hier ist ein Großteil der Sportverletzungen der Hand auf Sportarten wie Football, Eishockey oder Wrestling zurückzuführen [17, 21, 22]. Die Datenlage zu Sportverletzungen innerhalb Europas ist spärlich. Ungeklärt blieb die Frage, ob die in der Literatur beschriebenen, typischen Sportverletzungsprofile auch auf die deutsche Bevölkerung umlegbar sind.

Methoden

Aus diesem Grund befassten wir uns in einer retrospektiven, monozentrischen Studie mit allen Sportverletzungen der Hand, die im Zeitraum Februar 2013 bis Februar 2018 an der Abteilung für Plastische, Ästhetische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover, einem Level-1-Traumazentrum und einem FESSH(Federation of European Societies for Surgery of the Hand-)akkreditiertem Hand-Trauma- und Replantationszentrum, behandelt wurden. Da aktuell kein spezifischer ICD-10-GM (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems 10th Revision German Modification) Diagnoseschlüssel [23] für Sportverletzungen existiert, erfolgte die Datenakquise mithilfe der ICD-10-GM-Codes für Handverletzungen sowie einer Textanalyse mittels 147 sportspezifischer Stichworte. Zur Prüfung der Diagnosegewissheit wurde anschließend jeder einzelne der resultierenden 1.530 Fälle manuell gescreent und Patientenmehrfachzählungen ausgeschlossen.

Ergebnisse

Insgesamt verzeichneten wir 364 Patienten, die im o. g. Zeitraum Handverletzungen durch 42 verschiedene Sportarten erlitten. Die drei Spitzenreiter waren der Radsport (n = 101,28 %), Fußball (n = 66,18 %) und der Reitsport (n = 46,13 %), gefolgt von Handball (n = 24,7 %), Volleyball (n = 14,4 %) und Skifahren (n = 12,3 %). Eine entsprechende Einteilung in Sportübergruppen ergab, dass der Großteil der Handverletzungen im Rahmen von „Ballsportarten ohne Schläger“ (n = 114,31 %), dem Radsport (n = 101,28 %) und dem Reitsport (n = 46,13 %) entstanden.

Alters- und geschlechtsspezifische Unterschiede

Insgesamt war das männliche Geschlecht (n = 246,68 %) deutlich häufiger von sportassoziierten Handverletzungen betroffen als das weibliche, bei einem allgemeinen Durchschnittsalter von 32 ± 17 Jahren (Range 3–89). Klare geschlechtsspezifische Unterschiede zeigten sich bei „Ballsportarten ohne Schläger“, überwiegend Fußball, zuungunsten des männlichen Geschlechts (n n = 101,89 %; p < 0,001), sowie im Reitsport zuungunsten des weiblichen Geschlechts (n = 39,84 %). Auch beim Alter zeigten sich deutliche Unterschiede im Hinblick auf die Sportübergruppen. Jüngere Patienten erlitten Handverletzungen deutlich häufiger bei „Ballsportarten ohne Schläger“, beim Klettern sowie Gymnastik. Im Gegensatz dazu traten Radsportverletzungen der Hand tendenziell häufiger unter den älteren Patienten auf.

Behandlungs- und diagnosespezifische Unterschiede

60 Prozent (n = 218) aller sportassoziierten Handverletzungen wurden operativ behandelt, bei insgesamt 166 (46 %) Hospitalisationen.

Reitsportverletzungen wurden in 76 % (n = 35, p = 0,017) operativ versorgt, während 63 % dieser Patienten (n = 29; p = 0,011) eine stationäre Behandlung erhielten. Insgesamt erfolgte in einem einzigen Fall eine Hospitalisierung, ohne eine chirurgische Therapie. Der Grund hierfür war die patientenseitige Operationsablehnung im Verlauf der Behandlung. Die durchschnittliche stationäre Behandlung innerhalb unserer Patientenkohorte betrug 1,7 ± 3,5 Tage (p = 0,003; Range 1–27). Diese Hospitalisierungsdauer zeigte sich unter den Reitsportverletzungen signifikant verlängert (3.2 ± 5,2 Tage). 76 Prozent (n = 35, p = 0,017) der Reitsport-verursachten Handverletzungen bedurften einer chirurgischen Versorgung und 63 % (n = 29, p = 0,011) einer stationären Behandlung.

Mit 39 Prozent (n = 141) waren „Frakturen im Bereich des Handgelenks und der Hand“ (ICD-10-GM Code S62.-) die häufigsten Verletzungen in unserem Patientenpool, gefolgt von „Offenen Wunden des Handgelenks und der Hand“ (ICD-10-GM Code S61.-) (n = 86, 24 %) und „Luxationen, Verstauchungen und Zerrungen von Gelenken und Bändern in Höhe des Handgelenks und der Hand“ (ICD-10-GM Code S63.-) (n = 62, 17 %). Amputationsverletzungen, an der Hand waren mit 64 Prozent signifikant häufiger mit dem Reitsport assoziiert (n = 9, 64 %, p < 0,001).

Diskussion

Das Verletzungsrisiko, als wesentliche Kehrseite des Sports, variiert innerhalb verschiedener Sportarten. Gleichzeitig unterliegt das Sportverhalten einer geografischen bzw. kulturellen Variabilität. Die Ergebnisse unserer Studie bestätigen dies. Während in den USA Handverletzungen vor allem bei Sportarten wie American Football, Gymnastik, Wrestling und Basketball auftreten [17], waren es in unserer niedersächsischen Patientenkohorte überwiegend der Radsport, Fußball und Reitsport. Die Sportarten American Football und Rugby zusammen machten in unserer Analyse lediglich 1 Prozent aller eingeschlossenen Handverletzungen aus.

Das männliche Geschlecht sowie junge Menschen im arbeitsfähigen Alter stellten in unserer Analyse die insgesamt größte Risikogruppe dar. Dieses demografische Verteilungsmuster beobachteten auch zahlreiche vorausgehende Studien. Die hohe Zahl an Sportunfällen im arbeitsfähigen Alter unterstreicht die finanzielle Bürde von Sportverletzungen. Für die Betroffenen können sie einen vorübergehenden oder gar dauerhaften Sport- und/oder Arbeitsausfall bedeuten.

Im Hinblick auf das Geschlecht zählte in unserer Studie einzig der Reitsport signifikant mehr Verletzungen bei Frauen als bei Männern. Insgesamt rangierten Reitsportverletzungen auf Platz drei der häufigsten sportassoziierten Handverletzungen. Gleichzeitig zeigte sich der Reitsport in unserer Analyse mit besonders schwerwiegenden Handverletzungen, signifikant höheren Operations- und Hospitalisierungsindikationen sowie einer verlängerten Hospitalisierungsdauer assoziiert. 64 Prozent aller traumatischen Amputationen im Bereich des Handgelenks und der Hand waren dem Reitsport geschuldet. Diese Daten decken sich mit unseren klinischen Beobachtungen. Sehr häufig weisen Reitsportverletzungen der Hand eine hohe Komplexität auf. Das hohe Verletzungsrisiko der oberen Extremität sowie der allgemeine hohe Verletzungsschweregrad bei Reitunfällen wurde bereits von einigen Kollegen beschrieben [24–26]. Nichtsdestotrotz bleiben Reitsportverletzungen in der Literatur verhältnismäßig unterrepräsentiert.

Effektive Präventionsmaßnahmen, im Sinne von Regeländerungen oder der Einführung von Protektionsausrüstung sind ein entscheidender Hebel bei der Minimierung des Verletzungsrisikos im Sport. Solche Maßnahmen zur Reduktion der Traumainzidenzen im Sport haben sich in der Vergangenheit bereits mehrfach erfolgreich gezeigt [27–30]. Es drängt sich folglich die Frage auf, ob Schutzhandschuhe im Reitsport das Risiko schwerer Handverletzungen senken können.

Wie im sechsstufigen Sportverletzungspräventionsmodell Translating Research into Injury Prevention Practice (TRIPP) Modell beschrieben, ist die Voraussetzung für die erfolgreiche Einführung von Präventionsmaßnahmen eine genaue Kenntnis von Verletzungsmustern durch ein kontinuierliches Monitoring aktueller Risikoprofile im Sport [31]. Dies geschieht idealerweise mittels standardisierter, flächendeckender nationaler, oder besser noch internationaler Verletzungsregister. In Deutschland stellt das Hand Trauma Register der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie ein vielversprechendes nationales Register dar. Seit seinem Start 2018 verzeichnete dieses Traumaregister 40 beitragende Kliniken [32] und ist somit noch klar ausbaufähig. Auf europäischer Ebene existiert die European Injury Data Base. Sie zählt aktuell 18 Mitgliedsstaaten, die jedoch jeweils eine hohe Variabilität in der Zahl der beitragenden Kliniken aufweisen (etwa ist hier Deutschland mit einer und Italien mit 114 teilnehmenden Einrichtungen repräsentiert) [33]. Eine Hürde großer internationaler Register, die es zu überwinden gilt, ist die Vereinheitlichung und Standardisierung erfasster Daten, trotz internationaler Differenzen, etwa in Gesundheitspolitik oder Datenerfassung [15].

Die Erfassung von Sportverletzungen in Datenbanken ist insofern von hoher Relevanz, als diese aktuell keine Berücksichtigung im ICD-10-GM [23] Kodierungssystem finden. Unsere Studie zeigt die Schwierigkeiten der nachträglichen Aufarbeitung dieser Verletzungsentität. In der Tat stellt der retrospektive Charakter dieser Studie daher eine klare Limitation dieser Arbeit dar. Arztbriefe und Operationsberichte wurden umfangreich auf relevante Stichworte gescreent, Datenverluste können dennoch nicht sicher ausgeschlossen werden. Auch bietet die retrospektive Analyse keine Information über Verletzungsmechanismen, welche entscheidend für ein effektives Präventionsmanagement ist. Als monozentrische Studie einer Universitätsklinik der Maximalversorgung mit einem überregionalen Einzugsbereich bietet diese Arbeit Einblick in die niedersächsischen Risikoprofile für Sportverletzungen der Hand. Eine Umlegung dieser Daten auf Gesamt-Deutschland ist jedoch nicht ohne weiteres möglich.

Sportverletzungen der Hand sind häufig und werden daher jedem Handchirurgen und jeder Handchirurgin begegnen. Daher sollten Kenntnisse über die typischen Verletzungsmuster im entsprechenden Versorgungsumkreis, wie sie beispielhaft in dieser Publikation ausgeführt sind, bestehen.

Aktuell zeigt der allgemeine Sportlichkeitstrend in Europa eindeutig nach unten. Laut dem Eurobarometer 472 aus dem Jahr 2018 gab knapp die Hälfte der Europäer an, keinerlei sportliche Aktivität auszuüben. Die Angst vor Sportverletzungen wurde bei diesen Befragungen von immerhin 5 Prozent als Grund für ihre sportliche Inaktivität genannt. Die hohen Gesundheitskosten, die mit einer solchen gesellschaftlichen Unsportlichkeit einhergehen, wurden bereits in zahlreichen Veröffentlichungen belegt [34–36].

Der klare gesundheitliche und auch ökonomische Mehrwert einer sportlichen Gesellschaft, sollte das allgemeine Bestreben in Richtung einer sicheren und nachhaltigen Integration des Sports in die Gesellschaft lenken. Nicht vergessen werden sollte in diesem Zusammenhang auch die Sicherstellung einer adäquaten Verletzungsnachsorge im Sinne einer raschen Rehabilitation und Reintegration in den Sport- und Arbeitsalltag.

Abb. 1: Pferdezügelverletzung

Fall 1: Pferdezügelverletzung (Abb. 1)

Die 29-jährige Patientin erlitt beim Reitsport eine subtotale Avulsionsverletzung des linken Mittelfingers (präoperative konventionelle Röntgenaufnahmen, Abbildung 1A und B). Sie hatte den Pferdezügel um ihren linken Mittelfinger gewickelt, als das Pferd erschrak und den Kopf ruckartig nach hinten riss. Es erfolgte, bei nicht replantierbarem Endglied, eine Stumpfbildung auf Höhe des proximalen Interphalangealgelenks (postoperative konventionelle Röntgenaufnahmen, Abb. 1C und D).

Fall 2: TFCC-Abriss beim Radsport (Abb. 2)

Dieser 37-jährige männliche Patient hatte sich im Rahmen eines Fahrradsturzes einen Abriss des triangulären fibrokartilaginären Komplexes (TFCC) am linken Handgelenk mit konsekutiver Subluxation des Ulnakopfs nach dorsal (Abb. 2C) zugezogen. Die Instabilität des distalen Radioulnargelenks konnte mit einer offenen TFCC-Refixation (Abb. 2A und B) erfolgreich behandelt werden (Abb. 2D).

Abb. 2: TFCC-Abriss beim Radsport

Fall 3: Skaphoidfraktur beim Fußball (Abb. 3)

Der 26-jährige männliche Patient war beim Fußballspielen auf das gestreckte rechte Handgelenk gestürzt und erlitt hierbei eine Skaphoidfraktur Typ B3 nach Herbert, die initial konservativ behandelt wurde. Bei konsekutiver, Computertomografie(CT-)morphologisch nachgewiesener Skaphoidpseudarthrose (Abb. 3A und B) erfolgte die Sekundärzuweisung in unsere Klinik. Erfreulicherweise zeigten sich die Fraktur, ebenso wie das skapholunäre (SL-)Band, intraoperativ stabil, sodass in diesem Fall auf eine Schraubenosteosynthese und/oder Defektauffüllung mittels vaskularisiertem Radiusspan verzichtet werden konnte.

Abb. 3: Skaphoidfraktur beim Fußball

Literatur

[1]   Khan, K. M.; Thompson, A. M.; Blair, S. N.; Sallis, J. F.; Powell, K. E.; Bull, F. C.; Bauman, A. E. Sport and exercise as contributors to the health of nations. Lancet 2012, 380, 59-64.

[2]   Walsh, R. Lifestyle and mental health. Am. Psychol. 2011, 66, 579-592.

[3]   Klassen, O.; König, A.; von Haehling, S.; Braulke, F. Cardiovascular fitness in oncology : Exercise and sport. Internist (Berl) 2020, 61, 1140-1150.

[4]   Viru, A.; Smirnova, T. Health promotion and exercise training. Sports Med. 1995, 19, 123-136.

[5]   Kerr, Z. Y.; Cortes, N.; Ambegaonkar, J. P.; Caswell, A. M.; Prebble, M.; Romm, K.; Caswell, S. V. The Epidemiology of Injuries in Middle School Football, 2015-2017: The Advancing Healthcare Initiatives for Underserved Students Project. Am. J. Sports Med. 2019, 47, 933-941.

[6]   Hollander, K.; Wellmann, K.; Eulenburg, C. Z.; Braumann, K. M.; Junge, A.; Zech, A. Epidemiology of injuries in outdoor and indoor hockey players over one season: a prospective cohort study. Br. J. Sports Med. 2018, 52, 1091-1096.

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Dr. med. Dr. med. univ. Viola Stögner

Klinik für Plastische, Ästhetische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie

Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg-Str. 1

30625 Hannover

Department of Surgery

Division of Plastic and Reconstructive Surgery

Yale New Haven Hospital

Yale School of Medicine

New Haven, Connecticut, USA

Stoegner.Viola@mh-hannover.de

Dr. med. Benedikt Ritter

Klinik für Plastische, Ästhetische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie

Medizinische Hochschule Hannover

Prof. Dr. med. Peter Maria Vogt

Klinik für Plastische, Ästhetische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie

Medizinische Hochschule Hannover

Vogt.Peter@MH-Hannover.de

Chirurgie

Stoegner VA, Ritter B, Vogt PM: Handverletzungen im Sport. Passion Chirurgie. 2022 November; 12(11): Artikel 03_02.

Diesen Artikel finden Sie auf BDC|Online (www.bdc.de) unter der Rubrik Wissen | Fachgebiete | Plastische- und Ästhetische Chirurgie.

Passion Chirurgie im Oktober: Endokrine Chirurgie

Hier geht´s zur digitalen Ausgabe! 

Bislang zeigt sich der Herbst in den schönsten Farben und wir hoffen, Sie sind gut für die kommende kalte Zeit gerüstet! Im Fokus steht in diesem Monat das Thema „Endokrine Chirurgie“. Lesen Sie einen Übersichtsartikel zur Endokrinen Chirurgie, einen Beitrag zur aktuellen Diagnostik und Therapie des primären Hyperparathyreoidismus und einen Artikel zu neuen Entwicklungen in der komplexen interdisziplinären Behandlung von endokrinen Malignomen am Beispiel des anaplastischen Schilddrüsenkarzinoms. Viel Spaß beim Lesen!

Noch wenige Plätze frei! Das BDC-Seminar „Viszeralchirurgie Kompakt: Adipositas- und Metabolische Chirurgie“ findet vom 10. bis 11. November in Frankfurt a.M. statt und vermittelt die wichtigsten chirurgischen Grundlagen der Adipositaschirurgie. In diesem Jahr mit praktischer Übung in Form eines Nahtkurses. Informationen und Anmeldungen finden Sie HIER.

Wenn Sie vom 25. bis 28. Oktober 2022 auf dem DKOU-Kongress in Berlin sind: Wir vom BDC sind an allen vier Kongresstagen mit einem Stand vertreten. Kommen Sie bei uns auf ein Gespräch vorbei, wir freuen uns auf Sie!

Eine schöne Herbstzeit, bleiben Sie gesund
Ihre PASSION CHIRURGIE-Redaktion