Alle Artikel von Dr. med. Björn Ackermann

Versorgung von chronischen Wunden in der chirurgischen Praxis

Erfahrungsbericht der letzten Jahre

Der hier dargestellte Organisationsablauf kann und soll nur eine Möglichkeit der Organisation sein, selbstverständlich ist dieser nur auf unsere Praxis zugeschnitten, kann und muss auf die individuellen Gegebenheiten vor Ort angepasst werden. Es soll hier keine dogmatische Darstellung erfolgen.

Die Behandlung chronischer Wunden stellt für die allgemeinchirurgische Praxis (aber auch für die allgemeinmedizinische Praxis) in vielerlei Hinsicht eine große Herausforderung dar. Die Flächenabdeckung mit Einrichtungen, die sich dieses Behandlungsfeld zu eigen gemacht haben, ist sehr gering. Es ist zu erwarten, dass die Anzahl der Patienten in denjenigen Praxen, die sich um chronische Wunden kümmern, in die Höhe schnellen werden.

Dies kann betriebswirtschaftlich auch Vorteile für die beteiligten Praxen mit sich bringen. Patienten mit chronischen Wunden können neben dem reinen Verbandwechsel auch abrechenbare Leistungsziffern (Débridement, Minor-Amputationen) oder gar extrabudgetäre Erlöse, wie z. B. bei der ambulanten Vakuumtherapie, generieren.

Darüber hinaus sorgt das für die Behandlung von Patienten mit chronischen Wunden erforderliche Netzwerk für eine positive Außendarstellung der Praxis und generiert hierüber auch andere Patienten bzw. vermehrte Zuweisungen.

Denn das „A“ und „O“ für eine erfolgreiche Wundbehandlung ist ein gutes Netzwerk zwischen ärztlichen Kollegen, Pflegediensten, Podologen, Ernährungsberatern und ggf. Homecare-Unternehmen. (Diese grundsätzlich abzulehnen wäre falsch).

Schlussendlich macht die Behandlung von Patienten mit chronischen Wunden in größerer Zahl nur Sinn, wenn der Aufwand in der Praxis auf ein Minimum reduziert wird und die Behandlung außerhalb der Praxis so professionell als möglich durchgeführt wird, ohne die Ressourcen der Praxis zu belasten. Gerade hier kann die Zusammenarbeit mit einem guten Homecare–Unternehmen meiner Meinung nach den Unterschied machen.

Auch die sektorenübergreifende Versorgung findet in der Behandlung von chronischen Wunden ein Paradebeispiel. Gleichzeitig stellt diese Schlüsselposition aber auch ein großes Problem in der Versorgung dar.

Die Kommunikation mit den Kliniken ist leider an vielen Stellen mangelhaft. Eine gegenseitige Schuldzuweisung bei Therapieproblemen ist hier nicht zielführend. Vielmehr muss versucht werden, die Kommunikation dahingehend zu verbessern, dass die Versorgung von Hand zu Hand gewährleistet ist.

An erster Stelle erscheint mir hier eine persönliche Vorstellung und Kontaktaufnahme des Praxisarztes mit dem ärztlichen Klinikpersonal sinnvoll und dies sollte vom Chefarzt über den Oberarzt bis in die Assistenzarzt-Ebene reichen, da hier in Bezug auf Entlassungszeitpunkt überwiegend die Therapie-Entscheidungen getroffen werden. Ein vorzeitiges „mit ins Boot holen“ der weiterbehandelnden Praxis vor der Entlassung ist hier nicht nur wünschenswert, sondern für den Behandlungsverlauf und die Ressourcenplanung extrem wichtig.

Insbesondere bei einer Therapie mit einer Vakuumpumpe ist eine „Vorwarnung“ essenziell, da die ambulante Pumpe im Idealfall in der Klinik schon angelegt werden muss. Außerdem muss das Verbrauchsmaterial für die ambulante Versorgung bestellt werden.

Hier waren bei uns in der Vergangenheit große Missverständnisse auch in Bezug auf die gesetzlichen Vorgaben aufgetreten. Dies führte tatsächlich sogar bis zum Verlust von Vakuumpumpen, was sicher vermieden werden muss.

Eine gut ausgebildete Wundexpertin (ggf. ein kooperierendes Homecare-Unternehmen) kann grundsätzlich den Patienten sogar in der Klinik vor Entlassung aufsuchen und beurteilen. Essenziell erscheint mir hier die Nutzung von standardisierten Überleitungsprotokollen oder der elektronischen Einsicht in das Dokumentationssystem des Leistungserbringers („Webakte“).

Regelmäßiger Austausch und Fortbildungen (z. B. in Form eines Wundforums oder eines Wundstammtisches) sind essenziell und bieten die Möglichkeit der Bindung von Zuweisern und anderen Leistungserbringern.

Organisation und Abrechnung

Organisatorisch und abrechnungstechnisch gibt es viele Dinge zu beachten. In der Praxis hat es sich bewährt, an beispielsweise zwei Tagen in der Woche eine Wundsprechstunde durchzuführen. Diese sollte durch ausgebildete Wundmanager (z. B. ICW=Initiative chronische Wunde) in Zusammenarbeit mit dem Arzt durchgeführt werden.

Abb. 1: Formular für „Therapievorschlag Wundversorgung“ aus dem Überleitungsprotokoll

Abb. 2: Formular „Patientenstamm“ aus dem Überleitungsprotokoll

Pro Patienten ist hier eine Behandlungszeit, natürlich in Abhängigkeit vom Befund, von etwa 30 Minuten bei komplexeren Verbänden auszusetzen. In vielen Fällen sind über diese zwei Verbandwechsel hinaus weitere Verbandwechsel in der Häuslichkeit notwendig. Hier kann die Praxis unterstützend und führend für den Pflegedienst sein. Eine saubere Dokumentation, einschließlich Fotodokumentation, (und Überleitung von der Praxis in den Pflegedienst) ist unbedingt notwendig, insbesondere, um für Nachfragen des medizinischen Dienstes der Krankenkassen gerüstet zu sein.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Unterhaltung eines intrakollegialen Netzwerkes, um weitere Diagnostik, die nicht selber erbracht kann, durchführen zu können. Bei den betroffenen Patienten ist häufig die Grunderkrankung (z. B. Diabetes mellitus, pAVK, venöse Insuffizienz) nicht optimal diagnostiziert und therapiert.

Leider ist es rechtlich nicht möglich, einen großen Vorrat an Wundtherapeutika in der Praxis zu bevorraten. Wir sind dazu übergegangen, die Wundtherapeutika den Patienten zu rezeptieren. Die Patienten bringen dann einen Teil ihrer Therapeutika mit und diese werden unter dem Namen des Patienten in der Praxis gelagert. Ein Lager in den Seniorenheimen hat sich als nicht sinnvoll erwiesen, da es hier häufig zur Bedarfsdeckung verschiedener Wundtherapeutika unter anderen Bewohnern kommen kann. Dies ist somit nur sinnvoll unter Einbeziehung eines Homecare-Kooperationspartners, der diesen Aspekt steuert.

Des Weiteren stellt sich die ambulante Versorgung in Senioren- und Pflegeheimen als ziemlich kompliziert dar, da die Ausbildung des Pflegepersonals noch nicht auf dem Standard ist, auf dem er sein könnte. Die personelle Unterversorgung spielt hier ebenfalls eine Rolle. Auch hier ist die Schulung des Pflegepersonals durch den Wundexperten vor Ort möglich und sinnvoll. Das Niveau der Kenntnisse und Erfahrungen im stationären und im ambulanten Pflegedienst ist in Bezug auf die Versorgung von chronischen Wunden sehr inhomogen. Leider werden Wundtherapeutika teilweise trotz vorhandener Therapiepläne sehr unreflektiert appliziert. Dieses führt bestenfalls zum Sillstand in der Heilung, häufig aber auch zu Rückschritten. Auch die ursächliche Therapie, wie beispielsweise die Kompressionstherapie, die Schuhversorgung, etc. wird oftmals vernachlässigt.

Man muss leider auch sagen, dass die Behandlung von Patienten mit chronischen Wunden hohe Kosten verursacht. Die Kostenträger drohen zuweilen mit einem Regress, der nur durch die exakte Dokumentation abzuwenden ist. Die Therapie muss nachvollziehbar sein. Eine Fotodokumentation ist hier sehr aussagekräftig und dringend zu empfehlen.

Mit der Genehmigung der Vakuumtherapie (2020 durch den GBA) im ambulanten Setting ist uns eine weitere gute Therapieoption an die Hand gegeben worden. Die Krankenhäuser und auch die Patienten profitieren von den kürzeren Verweilzeiten im Krankenhaus. Insgesamt wird die Therapie dadurch günstiger. Allerdings kann dieser Benefit nicht zu Lasten der ambulanten Versorgung gehen. Grundsätzlich ist die Vakuumtherapie zwar seit Oktober 2020 im EBM einigermaßen kostendeckend honoriert. Sobald aber vom Standard abgewichen werden muss, was nicht so selten vorkommt, und z. B. zwei Schwammsysteme oder mehrere Kanister pro Woche zum Einsatz kommen, droht ein betriebswirtschaftliches Defizit. Bisher konnten wir die Krankenkassen immer von einer Kostenübernahme im Einzelfall überzeugen. Es wurden hier aber nur die Sachkosten und nicht die zusätzliche Arbeitszeit ausgeglichen. Es muss hier im Bereich des EBM nachjustiert werden – eine Aufgabe für die Berufsverbände und die KBV.

Fazit

Die chronische Wunde ist ein dynamischer Prozess. Immer wieder kommt es zu einer erneuten Evaluation der Wunde mit entsprechender therapeutischer Konsequenz. Die Therapie lebt vor allem auch von der Erfahrung der ärztlichen und nichtärztlichen Therapeuten. Das ist der Grund dafür, dass wir in unseren Praxen das Personal schulen und außerhalb der Praxis die Zusammenarbeit mit geschultem Personal suchen müssen.

Im Bereich der KV Bremen läuft zurzeit ein Projekt zur Verbesserung der Wundversorgung im Rahmen eines Selektivvertrages. Weitere Informationen finden Sie unter diesem Link Start des Innovationsfonds-Projekts „IP-Wunde“- KVHB Bremen und in den nachfolgenden beiden Artikeln in dieser Zeitschrift.

Ackermann B: Versorgung von chronischen Wunden in der chirurgischen Praxis. Passion Chirurgie. 2023 April; 13(04): Artikel 03_02.

Unzufriedene Patienten in der Praxis: Ein Erfahrungsbericht

Die Sicherheit von Patienten wird oft thematisiert – Aber was ist mit den behandelnden Ärzten und dem Personal in Praxen und Krankenhäusern, die mit unzufriedenen Patienten konfrontiert sind?

Dr. Ackermann, niedergelassener Chirurg aus Bremen, berichtet von Erfahrungen aus seiner Praxis.

Eine sehr gute Mitarbeiterin hat sogar gekündigt…

Das neue GKV-Versorgungsstärkungsgesetz sieht vor, dass in Bremen Arztstellen gestrichen werden, gleichzeitig sollen Wartezeiten auf vier Wochen für Patienten bei Facharztterminen verkürzt werden. Ich betreibe im Bremer Westen eine orthopädische/chirurgische Praxis mit offener Sprechstunde. Diese Organisationsform der offenen Sprechstunde habe ich gewählt, weil ich darüber hinaus auch als Durchgangsarzt tätig bin. Diese Arbeits-, Schul- und Wegeunfälle machen eine verlässliche Terminvergabe für die Patienten unmöglich. Mitunter kommt es dadurch für Patienten (die natürlich auch ohne Termin kommen) zu Wartezeiten von über einer Stunde. Aufgrund dieser für die Patienten unerträglich langen Wartezeit ist es in den letzten Monaten vermehrt zu massiven Beschwerden und Beleidigungen in der Praxis gekommen. Meine Mitarbeiter und ich müssen uns mittlerweile fast arbeitstäglich von Patienten massivst beleidigen lassen. Nicht selten wird hier in die Fäkalsprache abgeglitten, mitunter kommt es sogar zu körperlichen
Bedrohungen seitens der Patienten gegenüber meinen Mitarbeitern und mir.

Eine Konsequenz dieser Situation war eine Kündigung seitens einer führenden Praxismitarbeiterin zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Der konkrete Fall stellt sich wie folgt dar: Die Mitarbeiterin wurde bereits mehrfach an diesem Tag auf das Übelste beschimpft, letztendlich musste sie sich von einer 18-jährigen Frau, die mit ihrem Vater in die Praxis kam, als „Stück Scheiße“ betiteln
lassen, weil sie den Patienten und seine Begleiterin aufforderte, kurz zu warten, um eine Überweisung zu erhalten.

Mit dem Wegfall einer Vollzeitkraft werden die Praxisorganisation und damit natürlich auch die Wartezeit für Patienten sicherlich nicht verbessert. Auch praxisintern wird dieser Wegfall z. B. im Bereich der Abrechnung eine kaum zu schließende Lücke aufreißen. Da Patienten bei mir keine Wartezeit auf einen Termin haben, empfinde ich eine Wartezeit in der Praxis von ein bis zwei Stunden als absolut zumutbar. Die sich ergebende Situation für meine Mitarbeiter ist jedoch zunehmend unzumutbar und wird durch das neue GKV Versorgungsstärkungsgesetz nur noch geschürt.

Mitunter ist es für die Patienten sicherlich schwer zu verstehen, dass wenn er „nur mal eben eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung haben möchte“ dafür eine gewisse Wartezeit in Kauf nehmen muss, den Arzt möchte er ja gar nicht sehen. Die Vorgaben denen wir unterliegen sind jedoch andere – und das ist auch gut so. Ich erwarte kein volles Verständnis seitens der Patienten in Bezug auf die teilweise auch für uns schwer zu verstehenden Vorgaben, jedoch einen gewissen Grad an Respekt meinen Mitarbeitern und mir gegenüber erwarte ich schon. Wir machen sicherlich nichts, um Patienten in irgendeiner Form zu gängeln.

Quelle: Landesrundschreiben der KV Bremen, Dezember 2014

Ackermann B. Unzufriedene Patienten in der Praxis: Ein Erfahrungsbericht. Passion Chirurgie. 2015 Juli, 5(07): Artikel 09_01.