Alle Artikel von Albrecht Wienke

Die Beweiskraft ärztlicher Aufklärungsbögen

In Klinik und Praxis sind sie nicht mehr wegzudenken: ärztliche Aufklärungsbögen. Sie dienen der Vorab-Information des Patienten, als Check-Liste für den Arzt während des persönlichen Aufklärungsgesprächs, der Dokumentation des Gesprächs, später als Erinnerungsstütze und schließlich als Beweisstück im Prozess.

Eine besondere Rolle kommt den Aufklärungsbögen immer im Arzthaftungsprozess zu, nämlich dann, wenn der Patient den Inhalt oder die Aufklärung über eine ärztliche Maßnahme an sich rügt. Die Rechtsprechung wendet in diesem Zusammenhang schon immer den Grundsatz an, dass die Darlegungs- und Beweislast für die ordnungsgemäße Durchführung der Aufklärung beim Arzt liegt. Seit 2013 ist dies auch gesetzlich mit dem Patientenrechtegesetz im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgeschrieben (§ 630h Abs. 2 i.V.m. § 630e BGB). Danach muss immer der Arzt darlegen und beweisen, dass er die Einwilligung des Patienten eingeholt und entsprechend den im Gesetz vorgesehenen Anforderungen (mündlich, rechtzeitig, verständlich etc.) aufgeklärt hat. Nur ersatzweise kann sich der Arzt darauf berufen, dass der Patient auch im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die geplante ärztliche Behandlung (diagnostische Untersuchung, Operation) eingewilligt hätte, sogenannter Einwand der hypothetischen Einwilligung.

Es ist daher für Patienten im Arzthaftungsprozess relativ leicht zu behaupten, dass die Aufklärung über den geplanten Eingriff nicht ordnungsgemäß gewesen ist. Es liegt dann bei dem Arzt, der den Eingriff letztlich tatsächlich durchgeführt hat, den Beweis für eine Einwilligung des Patienten auf Grundlage einer umfänglichen Aufklärung zu führen. Da Arzthaftungsverfahren oftmals erst einige Monate, in der Regel sogar Jahre nach dem Aufklärungsgespräch angestrengt werden, hat der verantwortliche Arzt in der Regel angesichts der Vielzahl von Patientenkontakten keine eigenen konkreten Erinnerungen mehr an die spezifische Aufklärungssituation und den Gesprächsinhalt.

Die Vorlage eines von Patient und Arzt unterzeichneten Aufklärungsbogens ist in diesen Fällen von großer, wenn nicht gar (prozess-) entscheidender Bedeutung. Ohne eine solche eingehende und den spezifischen Eingriff beschreibende Aufklärungsdokumentation bleibt in der Regel nur die Anhörung von Zeugen, die bei den Aufklärungsgesprächen anwesend waren. Meist werden die Aufklärungsgespräche jedoch von Ärzten geführt, die im Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung nicht mehr an der maßgeblichen klinischen Einrichtung tätig sind, sodass es Glücksache ist, den aufklärenden Arzt als Zeugen ausfindig zu machen. Auch der „immer-so-Beweis“, also die Erläuterung, wie man bei bestimmten Eingriffen oder diagnostischen Untersuchungsverfahren üblicherweise aufklärt, hilft nicht in jedem Fall weiter. Daher ist der dokumentierte Aufklärungsbogen meist der einzige Rettungsanker, um in der Gerichtsverhandlung den Prozess in der Aufklärungsfrage in die für den Arzt entscheidende Richtung zu lenken.

Aber Vorsicht

Die Rechtsprechung verlangt beim Aufklärungsgespräch und der darauf fußenden Einwilligungserklärung des Patienten immer ein mündliches Gespräch in körperlicher Anwesenheit von Arzt und Patient. Eine telefonische oder digital hergestellte Verbindung (Skype o. ä.) reicht hierzu in aller Regel nicht. Die Durchführung eines solchen mündlichen Gespräches muss vom Arzt bewiesen werden. Dies gelingt aber meist nur durch einen Zeugen oder die Anhörung des aufklärenden Arztes, der natürlich auch selbst Zeuge im Prozess sein kann. Der Zeugenbeweis, so anfällig dieser im Hinblick auf das verfügbare Erinnerungsvermögen auch sein mag, ist am Ende meist unumgänglich. Dem schriftlichen Aufklärungsbogen kommt dennoch eine starke Indizwirkung für die Durchführung und den Inhalt des Aufklärungsgespräches zu. Dazu muss der maßgebliche Aufklärungsbogen aber auch erkennbar individualisiert werden (Zeichnungen, handschriftliche oder digitale Ergänzungen etc.). Blankobögen in den Krankenunterlagen beweisen nichts, sie können sogar den Anschein erwecken, dass die Dokumentation und dann vielleicht auch das Aufklärungsgespräch selbst schlicht vergessen wurden.

Die Reichweite der Indizwirkung von Aufklärungsbögen wird – trotz vielfacher höchstrichterlicher Rechtsprechung – bisweilen von den Gerichten unterschiedlich gehandhabt.

So hat das Kammergericht Berlin mit Urteil vom 12.03.2018 (AZ: 20 U 127/16) entschieden, dass sich dem Aufklärungsbogen – trotz beiderseitiger Unterschriften und handschriftlicher Ergänzungen – keine Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit des Inhalts entnehmen ließe. Denn das Indiz erstrecke sich lediglich darauf, dass abstrakt überhaupt ein Gespräch geführt worden ist, nicht jedoch auf den konkreten Gesprächsinhalt. In dem Verfahren gelang jedoch der Beweis durch die Zeugenaussagen der beteiligten Ärzte, sodass Aufklärungsfehler letztlich nicht festzustellen waren.

Das Kammergericht hat in seiner Entscheidung die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) nur teilweise berücksichtigt. Mit Urteil vom 28.01.2014 (AZ: VI ZR 143/13) hatte der BGH bereits entschieden, dass der von Patient und Arzt unterzeichnete Aufklärungsbogen einen wesentlichen Anhaltspunkt für die Tatsache ergebe, dass ein Aufklärungsgespräch tatsächlich stattgefunden habe. Dabei sei dieser Aufklärungsbogen – sowohl in positiver als auch negativer Hinsicht – zugleich ein Indiz für den Inhalt des Aufklärungsgespräches. Nach dieser Auffassung bietet der durch Unterstreichungen oder Notizen individualisierte Inhalt des Aufklärungsbogens durchaus ein Indiz dafür, dass die entsprechenden Punkte Inhalt des Gesprächs gewesen sind. Umgekehrt besteht auch eine Indizwirkung dafür, dass über einen Punkt nicht aufgeklärt worden ist, wenn ein aufklärungspflichtiger Aspekt nicht in dem Bogen enthalten oder notiert ist.

Diese Indizwirkung ist jedoch auch nach Auffassung des BGH durch eine entsprechende Beweiserhebung zu ergänzen und kann dadurch bestätigt – aber auch widerlegt – werden. Daher hört das Gericht den aufklärenden Arzt in der Regel an, um sich einen persönlichen Eindruck zu verschaffen. Auch ohne eine konkrete Erinnerung kann dem Arzt der Beweis gelingen, insbesondere wenn er schildert, wie er üblicherweise bei den Gesprächen vorgeht und was genau er unter den einzeln aufgeführten Aspekten den Patienten üblicherweise mitteilt (sog. „Immer-so-Beweis“, s. o.). Letztlich ist es nämlich immer entscheidend, dass das Gericht aufgrund der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass eine ordnungsgemäße Aufklärung stattgefunden hat. Dies ist immer eine Frage des Einzelfalles.

Praxistipp

Aufklärungsbögen erleichtern die ärztliche Praxis und sind auch im gerichtlichen Verfahren eine große, meist entscheidende Hilfe. Maßgeblich ist jedoch immer das konkrete, individuelle Aufklärungsgespräch mit dem Patienten. Dieses sollte anhand des Aufklärungsbogens dokumentiert werden, bestenfalls durch Unterstreichungen, Markierungen und handschriftliche oder digitale Notizen. Auch negative Tatsachen, z. B. dass der Patient keine weiteren Fragen hat oder eine weitere Aufklärung nicht wünscht, sind zu dokumentieren. Am Ende sollten beide – Patient und Arzt – den Bogen unterzeichnen.

Wenn alle Stricke reißen und z. B. kein Aufklärungsbogen ausgefüllt wurde und kein Zeuge zum Nachweis des Aufklärungsgespräches gefunden werden kann, bleibt noch der auch in § 630h Abs. 2 BGB niedergelegte Einwand der hypothetischen Einwilligung. Dieser besagt, dass der Patient bei – unterstellter – ordnungsgemäßer Aufklärung in die Durchführung der geplanten diagnostischen oder therapeutischen Maßnahme eingewilligt hätte. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Leidensdruck des Patienten besonders hoch ist und objektiv gesehen keine vernünftigen anderen Behandlungsalternativen zur Debatte stehen. Wenn es aber um nur relativ indizierte Maßnahmen geht, hilft auch der Einwand der hypothetischen Einwilligung nicht weiter.

Letztlich ist der individualisierte Aufklärungsbogen erfahrungsgemäß immer das beste und entscheidende Dokument, um die Durchführung und den Inhalt des Aufklärungsgespräches im Behandlungsfehlerprozess zu beweisen. Sein Einsatz sei daher auch aus anwaltlicher Sicht sehr empfohlen.

Wienke A: Die Beweiskraft ärztlicher Aufklärungsbögen. Passion Chirurgie. 2019 April, 9(04): Artikel 04_08.

Keine Angst vor dem bösen „Wolf“

Die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung in Klinik und ärztlicher Praxis

Die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) wirft ihre Schatten voraus. Zahlreiche Verlautbarungen haben bereits vor dem Inkrafttreten zu großen Verunsicherungen, zum Teil aber auch zu völlig übertriebenem Aktionismus geführt. Richtig ist allein, dass die EU-Datenschutz-Grundverordnung am 25.05.2018 ohne Übergangsregelungen in Kraft treten wird. Die damit einhergehenden Bestimmungen werden zudem zu umfassenden Neuerungen beim Umgang mit personenbezogenen Daten – auch in der ärztlichen Praxis – führen. Angst oder übertriebenen Aktionismus müssen die Neuregelungen aber nicht auslösen. Die wichtigsten Fragen und Antworten erläutern wir im Überblick:

1. Worum geht es, was regelt die DS-GVO?

Die DS-GVO dient dem Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung und Nutzung ihrer personenbezogenen Daten und sichert gleichzeitig den freien Verkehr dieser Daten. Dadurch wird eine EU-weite Harmonisierung des Datenschutzrechtes erreicht. Erfasst werden der manuelle und der automatisierte Umgang mit personenbezogenen Daten Einzelner. Dabei genügt es schon, wenn der Betroffene mittelbar (beispielsweise durch eine Kennziffer) bestimmbar ist. So ist nicht nur der einzelne Patient „Betroffener“ im Sinne der DS-GVO; erfasst werden insbesondere auch Daten von Probanden in Studien, die anhand der erhobenen Daten, einer Kennziffer o.ä. identifizierbar sind. Daher ist die DS-GVO in nahezu jedem ärztlichen Betätigungsfeld relevant. Die gesetzlichen Bestimmungen zum Umgang mit personenbezogenen Daten gelten aber auch nach innen, also z.B. für angestellte ärztliche und nicht ärztliche Mitarbeiter in Arztpraxen und Kliniken oder auch im Zusammenhang mit medizinischen Register- oder Zertifizierungsverfahren. Wirklich wesentliche Abweichungen zum Schutzzweck des bisher und auch zukünftig geltenden Bundesdatenschutzgesetztes (BDSG) bestehen aber nicht.

2. Was sind Daten, welche Daten sind betroffen?

Personenbezogene Daten sind nach Art. 4 Nr. 1 DS-GVO „alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen“. Der Begriff der Informationen ist dabei umfassend und betrifft sämtliche Informationen zu einer Person. Die geschützte Person wird im Datenschutzrecht als „Betroffener“ bezeichnet. Gesundheitsbezogene Daten sind die in der Klinik oder ärztlichen Praxis notwendigerweise von Patienten erhobenen Daten, die – wie bisher – einen besonderen Schutz genießen. Gesundheitsdaten sind definitionsgemäß personenbezogene Daten, die sich auf die körperliche oder geistige Gesundheit einer natürlichen Person, einschließlich der Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen, beziehen und aus denen Informationen über deren Gesundheitszustand hervorgehen.

Zu den von der DS-GVO geschützten Daten gehören aber auch alle Daten von Personen, die im Klinikbetrieb oder einer Arztpraxis selbst beschäftigt sind. Ausgenommen von den datenschutzrechtlichen Regelungen sind – wie bisher – vollständig anonymisierte Daten, bei denen ein Personenbezug sicher ausgeschlossen werden kann. Studien und andere Forschungsvorhaben, die sich ausschließlich auf vollständig anonymisierte Patientendaten stützen, unterfallen daher nicht den datenschutzrechtlichen Regelungen der DS-GVO und des BDSG.

3. Wer unterfällt den Regelungen der DS-GVO?

Ärzte sind ständig mit personenbezogenen Daten Einzelner in Kontakt und verarbeiten diese. Sie erheben, speichern und verwenden Patientendaten und müssen diese nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht löschen. Die DS-GVO ist daher in ausnahmslos jeder Arztpraxis, in jeder klinischen Einrichtung und in jedem medizinischen Forschungslabor zu beachten, unabhängig von der Anzahl der Mitarbeiter, des Umsatzvolumens, der Anzahl der Patienten oder dem Zweck der Verwendung personenbezogener Daten.

4. Wann und unter welchen Voraussetzungen ist die Datenverarbeitung zulässig?

Voraussetzung für die Verarbeitung personenbezogener Daten ist stets, dass die betroffene Person hierin eingewilligt hat oder – wenn eine Einwilligung nicht vorliegt oder nicht eingeholt werden kann – dies zur Erfüllung vertraglicher Pflichten (Behandlungsvertrag) oder aufgrund einer Rechtspflicht (Hilfeleistung in Notfällen) geschieht. Auch die personenbezogenen Daten eines bewusstlos eingelieferten Patienten dürfen selbstverständlich – wie bisher – verarbeitet werden, da dies erforderlich ist, um lebenswichtige Interessen des Patienten zu schützen.

Natürlich ist auch die Erfassung und Verarbeitung personenbezogener Daten im gesamten Personalwesen nach den Neuregelungen der DS-GVO und des BDSG nach wie vor zulässig. Zur Auszahlung des Gehalts und zur Erstellung eines Arbeits- oder Weiterbildungszeugnisses müssen die personenbezogenen Daten vom jeweiligen Arbeitgeber genutzt werden können.

5. Welche Verpflichtungen ergeben sich aus der DS-GVO und dem BDSG?

Art. 5 der DS-GVO regelt die allgemeinen Grundsätze für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten. Insbesondere gelten die Grundsätze der Rechtmäßigkeit der Erhebung, der Zweckbindung, der Datenminimierung, der Speicherbegrenzung, der Vertraulichkeit und der Rechenschaftspflicht. Personenbezogene Daten dürfen demnach nur auf rechtmäßige Weise und für einen bestimmten definierten Zweck erhoben und verarbeitet werden. Dabei ist stets nur das für die Zweckerreichung erforderliche Minimum an Daten über den kürzest-möglichen Zeitraum zu verarbeiten. Selbstverständlich sind die Daten vor dem unbefugten Zugriff Dritter zu schützen. Die betroffenen Personen sind über die Datenverarbeitung umfassend zu informieren.

Mit der Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten gehen umfassende Auskunftsansprüche der Betroffenen einher. Daher hat der für die Datenverarbeitung Verantwortliche (Praxisinhaber, Klinikgeschäftsführung, Wissenschaftler) alle Maßnahmen zu treffen, welche die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen erst ermöglichen. Zudem muss er im Falle eines Auskunftsersuchens des Betroffenen alle Informationen in präziser und leicht verständlicher Form zur Verfügung stellen zu können. Dazu zählt etwa auch eine umfangreiche Dokumentation über die Verarbeitungstätigkeiten mittels eines Verfahrensverzeichnisses. So soll erreicht werden, dass die betroffenen Personen überhaupt in die Lage versetzt werden, die ihnen zustehenden Rechte wahrzunehmen.

Im Übrigen treffen den Verantwortlichen verschiedene Melde- und Mitteilungspflichten gegenüber dem Betroffenen oder der Aufsichtsbehörden. So muss jeder, der personenbezogene Daten verarbeitet, die ihm bekannt werdenden Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten der zuständigen Aufsichtsbehörde (Landesdatenschutzbeauftragter) und dem von der Verletzung Betroffenen melden.

In bestimmten Fällen ist die Benennung eines eigenen Datenschutzbeauftragten vorgeschrieben. Dies betrifft insbesondere Betriebe (Praxen), in denen sich mindestens 10 Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigen. Dabei werden alle Personen unabhängig von ihrer Arbeitszeit mitgezählt, die Zugriff auf die Daten haben, also neben den Praxisinhabern insbesondere auch medizinisches Fachpersonal, nicht aber z.B. Reinigungspersonal. Zum Datenschutzbeauftragten kann ein Beschäftigter des Praxisinhabers bestellt werden; ein Datenschutzbeauftragter kann aber auch extern auf der Grundlage eines entsprechenden Dienstleistungsvertrages bestellt werden. Der oder die Praxisinhaber selbst kommen für die Tätigkeit des Datenschutzbeauftragten nicht in Betracht. Wer letztlich zum Datenschutzbeauftragten bestellt worden ist, muss der zuständigen Aufsichtsbehörde (in NRW z.B. der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit) benannt werden. Hierzu werden derzeit automatisierte, internetbasierte Meldeverfahren entwickelt. Die Aufgaben des Datenschutzbeauftragten bestehen in erster Linie in einer Beratung des Verantwortlichen für die Datenverarbeitung (Praxisinhaber, Klinikgeschäftsführung), der Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zum Datenschutz und dem Kontakt zur zuständigen Aufsichtsbehörde.

Werden personenbezogene Daten an Dritte – z.B. externe Dienstleister (Privatärztliche Abrechnungsstellen, Softwarewartung, Labore, Cloudsyteme etc.) – weitergegeben, ist besondere Vorsicht geboten. Hierbei kann es sich um eine einfache Übermittlung, eine eigene oder gemeinsame Verantwortlichkeit oder um eine Datenverarbeitung im Auftrag handeln. Dritte können auf diese Weise grundsätzlich in die Datenverarbeitung wirksam und rechtmäßig einbezogen werden. Hier bestehen jedoch jeweils besondere Voraussetzungen und Überwachungspflichten, die gegebenenfalls eine Vertragsanpassung für die Zusammenarbeit mit solchen externen Dienstleistern erfordern. Die Weitergabe geschützter, der Geheimhaltung unterliegender personenbezogener Daten an solche externen Dienstleistungsunternehmen ist auch mit der gesetzlichen Ergänzung in § 203 StGB vereinfacht worden.

6. Welche Rechte haben die Betroffenen?

Wo die DS-GVO einerseits umfassende Pflichten auferlegt, werden den betroffenen Personen umgekehrt umfassende Rechte und Ansprüche zugeordnet. So können die Betroffenen die Datenverarbeitung einschränken, die Übertragung veranlassen, fehlerhafte Daten berichtigen und auch vollständig löschen lassen. Selbstverständlich muss aber insbesondere die Datenlöschung auch mit den gesetzlichen und standesrechtlichen Aufbewahrungspflichten in Einklang stehen, sodass sich hier an den im ärztlichen Bereich geltenden Aufbewahrungspflichten keine Änderungen ergeben. Und natürlich haben die Betroffenen das Recht auf Auskunft und Information (s.o.) binnen eines Monats ab Antragstellung.

7. Welche Sanktionen drohen bei Verstößen?

Verstöße gegen die Verpflichtungen aus der DS-GVO und dem BDSG können mit empfindlichen Sanktionen geahndet werden. Es steht den betroffenen Personen dabei auch frei, Verstöße an die Aufsichtsbehörden zu melden, es drohen dabei Geldbußen und ggf. die Verpflichtung zur Entrichtung von Schadensersatz. Ordnungsrechtliche Verstöße gegen die Bestimmungen der DS-GVO und des BDSG werden in der Regel mit Geldbußen geahndet; dabei bemisst sich die Höhe der festgesetzten Bußgelder danach, mit welcher Nachhaltigkeit gegen gesetzliche Bestimmungen oder Auflagen der Aufsichtsbehörde verstoßen wird oder auch danach, ob es sich um einen Erstfall oder um eine wiederholte Ordnungswidrigkeit handelt. In besonders schweren Fällen kann ein gesetzlicher Verstoß auch als Straftat gewertet werden, die Freiheitsstrafen oder Geldstrafen nach sich ziehen können. Allerdings werden die Aufsichts- bzw. Ordnungsbehörden angesichts der Vielzahl der nun zu beachtenden Neuregelungen anfangs sehr zurückhaltend mit der Höhe der festgesetzten Bußgelder sein. Die Ausrede, man habe von den Neuregelungen und den damit einhergehenden Verpflichtungen nichts gewusst, hilft aber auch hier nicht, da auch hier der Grundsatz gilt: „Nichtwissen schützt vor Strafe nicht“.

8. Was ist jetzt von Praxisinhabern und Klinikgeschäftsführungen zu tun?

a) Ermitteln Sie Ihren datenschutzrechtlichen Status-quo

Zunächst einmal sollten Sie Ihren datenschutzrechtlichen Status-quo ermitteln, dies erleichtert die Umsetzung des neuen Rechts. Klären Sie, um welche Daten es sich handelt (Patientendaten sind beispielsweise besonders schützenswerte Daten nach Art. 9 DS-GVO) und wie diese verarbeitet werden. In der Regel geschieht dies elektronisch unter Einsatz entsprechender Software. Auch wer Zugriff auf die Daten hat und an wen diese ggf. aufgrund von Verträgen weitergegeben werden, ist relevant. Die Sicherheit der Daten vor dem unbefugten Zugriff Dritter muss stets gewährleistet sein. Prüfen Sie zudem, ob Sie zu einer Datenschutzfolgenabschätzung (Art. 35 DS-GVO) verpflichtet sind.

b) Erstellen Sie ein Datenverarbeitungsverzeichnis

Sämtliche Datenverarbeitungen sind in einem entsprechenden Verzeichnis festzuhalten. Hierbei sind alle in Art. 30 DS-GVO aufgeführten anfallenden Verarbeitungsprozesse und Informationen zu dokumentieren. Das Führen eines solchen Verzeichnisses ist verpflichtend. Es ist schriftlich oder in elektronischer Form zu führen. Es empfiehlt sich daher, eine entsprechende Tabelle anzulegen oder geeignete Software zu verwenden.

In dem Verzeichnis sind folgende Informationen aufzulisten:

  • Name und Kontaktdaten des/der Verantwortlichen (z.B. Praxisinhaber) und (sofern notwendig) des Datenschutzbeauftragten;
  • Die Zwecke der Datenverarbeitung (z.B. Krankenbehandlung, Abrechnung erbrachter Leistungen, etc.):
  • Angaben zu den Kategorien der betroffenen Personen (z.B. Patienten) und der Kategorie personenbezogener Daten (z.B. Stammdaten, Gesundheitsdaten wie Laborbefunde, Diagnosen etc.);
  • Die Kategorien von Empfängern mit/ohne Auslandsbezug, die in Kontakt mit den Daten kommen (z.B. eine Verrechnungsstelle, Labore, Krankenversicherungen, weiterbehandelnde Ärzte/Krankenhäuser, IT-Dienstleister, etc.);
  • Löschfristen der Daten (unter Beachtung der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen);
  • Beschreibung der technischen/organisatorischen Maßnahmen, die zur Sicherheit der Daten ergriffen wurden (z.B. Verschlüsselung).

c) Prüfen und ggf. aktualisieren Sie Ihre Dienstleitungsverträge mit Dritten

Wenn Sie Dritten Zugriff auf die Ihnen vorliegenden Daten gewähren bzw. diese weiterleiten, sind die entsprechenden Verträge mit den Dritten anzupassen. Hierbei kann es sich beispielsweise um private Abrechnungsdienstleister oder Ihren IT-Dienstleister handeln. Je nach Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses ist der Dritte Ihnen gegenüber weisungsgebunden oder er selbst wird zum Verantwortlichen, wenn er die Daten in eigenem Interesse und zu eigenen Geschäftszwecken nutzt.

Auch als sogenannte Auftragsverarbeiter (Art. 28 DS-GVO) sind Dritte ebenfalls zur Einhaltung des Datenschutzes verpflichtet. Durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen – und Kontrollen – haben Sie sicherzustellen, dass der Dritte diese Regelungen einhält.

Sprechen Sie also Ihre Vertragspartner auf den Datenschutz an und fordern Sie, entsprechende Datenschutzerklärungen in die Verträge aufzunehmen bzw. bestehende Vereinbarungen an die neue Rechtslage anzupassen. Kann Ihr Vertragspartner einen hinreichenden Datenschutz nicht gewährleisten bzw. haben Sie berechtige Zweifel an der ordnungsgemäßen Umsetzung, sollten Sie das Festhalten an dem Dienstleistungsvertrag grundsätzlich überdenken und ggf. zu einem anderen Anbieter wechseln.

Der schriftliche Vertrag zur Auftragsdatenverarbeitung sollte dabei mindestens folgende Punkte beinhalten:

  • Eine Garantie des Dritten zur Einhaltung des gesetzlichen Datenschutzes inkl. Verschwiegenheitsverpflichtung aller Beteiligter (auch Mitarbeiter);
  • Ihre allgemeine Genehmigung, dass der Dritte selbst weitere Auftragsverarbeiter beauftragen darf. Im Falle eines Wechsels des weiteren Auftragsverarbeitenden steht Ihnen ein Einspruch zu. Oder: Der Dritte holt immer vor Beauftragung eines weiteren Auftragsdatenverarbeitenden Ihre schriftliche Genehmigung hierzu ein. Der Vertrag zwischen dem Dritten und dem weiteren Auftragsdatenverarbeiter muss ebenfalls eine Verpflichtung nach den datenschutzrechtlichen Regelungen enthalten;
  • Der Dritte verpflichtet sich, geeignete Maßnahmen zur Sicherheit der Daten gemäß Art. 32 DS-GVO zu treffen;
  • Der Dritte verpflichtet sich, Sie bei der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Pflichten zu unterstützen und erforderliche Informationen unverzüglich zur Verfügung zu stellen;
  • Der Dritte verpflichtet sich, nach Abschluss seiner jeweiligen Leistungserbringung (unter Wahrung von gesetzlichen Aufbewahrungspflichten) die Daten zu löschen oder zurückzugeben;
  • Der Dritte erbringt Nachweise Ihnen gegenüber, dass er die Regelungen des Datenschutzes einhält. Zudem ist er verpflichtet, Überprüfungen durch Sie oder einen von Ihnen beauftragten Prüfer zu ermöglichen und hieran mitzuwirken. Der Dritte ist zudem verpflichtet, Sie unverzüglich zu informieren, sofern er eine erteilte Weisung für datenschutzrechtlich rechtswidrig hält.

Je nach vertraglicher Ausgestaltung kann es auch vorkommen, dass sowohl Sie als auch Ihr Vertragspartner „gemeinsam Verantwortliche“ im Sinne des Datenschutzrechts sind. In diesem Fall sollten Sie vertraglich regeln, wer datenschutzrechtlich im Einzelnen für welche Aspekte verantwortlich ist und welche Pflichten gegenüber der betroffenen Person (Patient) er jeweils übernimmt.

d) Bestellen Sie ggf. einen Datenschutzbeauftragten

Wenn sich bei Ihnen mindestens zehn Personen (Sie eingeschlossen) mit der Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigen, sind Sie verpflichtet, einen Datenschutzbeauftragten zu ernennen. Dies kann einer Ihrer Mitarbeiter sein oder ein externer Dienstleister. Ihnen – dem Verantwortlichen – ist es nicht erlaubt, selbst Datenschutzbeauftragter im eigenen Betrieb zu sein. Übernimmt ein Mitarbeiter diese Position, ist er natürlich entsprechend zu schulen.

e) Informieren Sie Ihre Patienten und Ihr Personal

Die betroffenen Personen (Patienten, eigenes Personal) haben umfassende Auskunftsrechte, denen bereits bei Erhebung der Daten Rechnung zu tragen ist. So können beispielsweise ein entsprechender Aushang in der Arztpraxis oder der jeweiligen Klinik mit den notwendigen Informationen und die Möglichkeit, hiervon Kopien auszuhändigen, ausreichen. Oder es erfolgt eine postalische Übersendung, z.B. im Falle der Aufnahme eines Mitglieds in einen Verein.

Folgende Informationen sind nach der DS-GVO insbesondere mitzuteilen (aus anderen Vorschriften können sich weitere Informationspflichten ergeben):

  • Daten (Namen/Kontakt) des Verantwortlichen und (ggf.) des Datenschutzbeauftragten,
  • Informationen zu den Daten,
  • Kategorien (z.B. Stammdaten, Sozialversicherungsdaten, Gesundheitsdaten),
  • Datenquellen (i.d.R. von dem Betroffenen selbst),
  • Zweck der Datenverarbeitung (Krankenbehandlung, Abrechnung, etc.),
  • Rechtsgrundlagen für die Verarbeitung (z.B. aufgrund Behandlungsvertrag),
  • Dauer der Verarbeitung, Löschfristen,
  • Berechtigte Interessen zur Verarbeitung, ggf. von Dritten,
  • Mögliche Empfänger/Empfängerkategorien von Daten,
  • Bestehen einer automatischen Entscheidungsfindung / Profiling,
  • Rechte des Betroffenen
  • Auskunft, Berichtigung, Löschung, Einschränkung, Widerspruchsrecht und Widerruf einer Einwilligung (für die Zukunft), Beschwerdemöglichkeit bei der Aufsichtsbehörde

f) Holen Sie ggf. Einwilligungen Ihrer Patienten zur Datenverarbeitung ein

Die Datenverarbeitung durch Sie – und die von Ihnen eingesetzten Dritten – kann zunächst einmal aufgrund gesetzlicher Regelung (z.B. zur Erfüllung des mit dem Betroffenen geschlossenen Behandlungsvertrages) oder aufgrund ausdrücklicher Einwilligung des Betroffenen rechtmäßig erfolgen. Auch vor dem Hintergrund der berufs- und strafrechtlich relevanten ärztlichen Schweigepflicht ist besonderes Augenmerk auf die Einwilligung bei der Verarbeitung und Weitergabe von Patientendaten zu legen.

g) Schulen und Sensibilisieren Sie Ihre Mitarbeiter/innen für den Datenschutz

Ihre Mitarbeiter/innen kommen regelmäßig in Kontakt mit personenbezogenen Daten. Sie sollten sie daher nachhaltig und im eigenen Interesse für datenschutzrechtliche Themen und die Verschwiegenheitspflicht sensibilisieren. Ihre Mitarbeiter sollten auch eine entsprechende Verpflichtungserklärung abgeben. Möglicherweise ist es hilfreich, mithilfe des Datenschutzbeauftragten interne Richtlinien und Handlungsanweisungen zu Wahrung der datenschutzrechtlichen Belange zu entwickeln.

h) Sorgen Sie für Datensicherheit

Sichern Sie die Ihnen vorliegenden Daten vor dem Zugriff Unbefugter. Hierzu gehört in erster Linie ein entsprechend gesichertes EDV-System. Aber auch das Mithören von Gesprächen durch andere Patienten oder durch das Liegenlassen von Akten – beispielsweise am Empfangstresen – ist datenschutzrechtlich unzulässig. Die internen Abläufe sollten auch dahingehend überprüft und nötigenfalls geändert werden.

i) Halten sie sich bereit für Anfragen

Die betroffenen Personen (Patienten, eignes Personal) haben den für die Datenverarbeitung Verantwortlichen (Praxisinhaber, Klinikgeschäftsführungen) gegenüber umfangreiche Auskunftsrechte, denen der Verantwortliche nach Eingang des entsprechenden Antrags binnen eines Monats nachkommen muss. Geht ein solcher Antrag bei Ihnen ein, sollten Sie diesen also umgehend bearbeiten. Durch entsprechende Organisation der Datenverarbeitung im Vorfeld kann sichergestellt werden, dass die Informationen ohne größeren Aufwand zusammengestellt und dem Antragsteller übermittelt werden.

k) Informieren Sie sich über Arbeitshilfen und Informationen im Datenschutz

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Bundesärztekammer, aber auch einzelne Landesärztekammern, haben angekündigt, allgemeine Informationen und Arbeitshilfen zur Umsetzung der neuen Datenschutzbestimmungen der DS-GVO und des überarbeiteten BDSG herauszugeben. Im Deutschen Ärzteblatt, Heft 10/2018 vom 09. März 2018, sind die überarbeiteten „Hinweise und Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis“ veröffentlicht. Beide Standessorganisationen haben zudem einen „Datenschutz-Check 2018 – Was müssen Arztpraxen angesichts der neuen Vorschriften zum Datenschutz tun?“ herausgegeben. Auch diese Hinweise finden Sie im Deutschen Ärzteblatt vom 09.03.2018, Heft 10/2018. Diese enthalten auch weiterführende Empfehlungen und Muster für das Verzeichnis der Datenverarbeitungstätigkeiten, für die Auftragsdatenverträge und für die Umsetzung von Informationspflichten.

Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung unserer Gesellschaft, gerade im Gesundheitswesen, werden die Anforderungen an den Schutz personenbezogener Daten immer wichtiger. Der richtige Umgang mit personenbezogenen Daten ist daher „Chefsache“. In diesem Sinne müssen sich alle Praxisinhaber und Klinikgeschäftsführungen zwangsläufig mit den Neuregelungen der DS-GVO und des BDSG befassen. Bei näherem Hinsehen und der Umsetzung der geforderten (vertraglichen) Strukturen sind die Hürden nicht so hoch, wie es auf den ersten Blick den Eindruck macht. Guter Datenschutz führt auch zu einer besseren Compliance gegenüber Patienten und eigenem Personal. Nutzen Sie diese Möglichkeiten.

Sailer R, Wienke A: Keine Angst vor dem bösen „Wolf“. Passion Chirurgie. 2018 Mai, 8(05): Artikel 04_7a.

Die Ökonomisierung der Medizin

Möglichkeiten und Grenzen wirtschaftlicher Einflüsse auf ärztliche Therapieentscheidungen

Der Arzt ist an die Weisungen des Krankenhausträgers und des Leitenden Arztes des Krankenhauses gebunden. Seine ärztliche Verantwortung bei der Diagnostik und Therapie bleibt hiervon unberührt.“

Der Arzt ist bei der Behandlung der Patienten im Rahmen des ärztlich Notwendigen zu zweckmäßigem, wirtschaftlichem und sparsamen Umgang mit den zur Verfügung stehenden Mitteln des Krankenhauses verpflichtet.“

Zwei Standardsätze aus einem gängigen Chefarztvertrag, die auch von der Beratungs- und Formulierungshilfe Chefarztvertrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft empfohlen werden.

Ärztinnen und Ärzte üben ihren Beruf nach ihrem Gewissen, den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit aus. Sie dürfen keine Grundsätze anerkennen und keine Vorschriften oder Anweisungen beachten, die mit ihren Aufgaben nicht vereinbar sind oder deren Befolgung sie nicht verantworten können.“

„Ärztinnen und Ärzte dürfen hinsichtlich ihrer ärztlichen Entscheidungen keine Weisungen von Nichtärzten entgegennehmen.“

Zwei Gebote aus der Musterberufsordnung für die Deutschen Ärztinnen und Ärzte (MBO).

Wie passt das zusammen?

In den letzten Jahren sehen sich Ärztinnen und Ärzte in Klinik und Praxis zunehmend gezwungen, wirtschaftliche Aspekte in ihre Entscheidungen bei der Patientenbehandlung einzubeziehen. Dass auch in der Medizin ein wirtschaftlich effizientes Arbeiten erwartet wird, ist dabei längst kein Novum mehr. Wie jedes andere Unternehmen auch müssen Krankenhäuser und Arztpraxen mit den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen haushalten. Dabei entsteht nicht selten ein Spannungsverhältnis zwischen der Weisungsfreiheit des Arztes in medizinischen Fragestellungen und dem Wunsch der Umsetzung ökonomischer Ziele. Hat man vor zehn Jahren noch versucht, diesem Dilemma mit medizinisch-wissenschaftlichen Argumenten (Therapiefreiheit, Forschungsfreiheit, Behandlungsstandards etc.) zu begegnen, hat sich mittlerweile das Klima zwischen ärztlicher Standesethik und Zuwendungsmedizin einerseits und Rentabilität ärztlichen Handelns andererseits erheblich abgekühlt. Der Umgang der Vertreter beider Seiten untereinander ist geradezu rau geworden: Die Ärzteseite versucht verzweifelt, die in Lehrbüchern und Leitlinien niedergelegten ärztlichen Standards in die Praxis umzusetzen und mit fortwährenden Personalkürzungen und Regressdrohungen die gesteckten Ziele zu erreichen – ein Unterfangen, das zunehmend frustran ist. Die kaufmännische Seite denkt in erster Linie an die Erfüllung der eigenen, von der Unternehmensleitung gesetzten Rentabilitätsziele und unterliegt der Versuchung, ausschließlich die vertraglich zugesagten Tantiemen zu erwirtschaften. Die Krankenkassen schließlich gaukeln ihren Kunden vor, dass „ihre Gesundheit optimal abgesichert“ sei, mischen sich aber über ihre Medizinischen Dienste immer mehr in Indikationsfragen und Behandlungsabläufe ein, um Kosten zu senken.

Wo bleibt da der originäre ärztliche Heilauftrag im Sinne des Hippokratischen Eides und die an der Patientenversorgung orientierte Zielsetzung der Unternehmen Klinik und Praxis?

Im Klinik- und Praxisalltag wird deutlich, wie schwierig es mitunter ist, die widerstreitenden Interessen von medizinischer Notwendigkeit und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit miteinander in Einklang zu bringen. Die Ärzteschaft fühlt sich durch die knappe Haushaltsführung der kaufmännischen Seite und die Regressandrohungen der Krankenkassen im Stich gelassen, während diese ihnen oftmals einen verschwenderischen Umgang mit finanziellen Mitteln vorwirft. Ärzte müssen die Einhaltung des jeweiligen aktuellen medizinischen Standards gewährleisten und unterliegen gleichzeitig dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, Angemessenheit, Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der ärztlichen Leistungen (sog. WANZ-Kriterien). Die Budgetverantwortung leitender Ärzte im Krankenhaus und die ständige Furcht niedergelassener Ärzte in den Praxen vor Regressen und Plausibilitätsprüfungen führen mehr und mehr dazu, dass die Qualität der ärztlichen Versorgung und damit das Wohl der Patienten leiden. Weder das Weisungsrecht des Arbeitgebers noch die Pflicht zur Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots rechtfertigen aber einen Eingriff in die ärztliche Entscheidungsfreiheit. Defensivmedizin ist nicht das, was die Patienten von verantwortungsbewussten Ärztinnen und Ärzten erwarten dürfen. Nach § 630a Abs. 2 BGB hat die Behandlung nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen. Rechtlich gesehen geht der Gesetzgeber daher immer von einer optimalen, nicht von einer wirtschaftlich vertretbaren Behandlung aus. Im Zweifel gehen daher medizinische Behandlungsstandards ökonomischen Anforderungen und Möglichkeiten vor.

Das Weisungsrecht des Krankenhausträgers

Angestellte Ärzte in Klinik, MVZ oder Praxis sind Arbeitnehmer und unterliegen damit wie jeder andere Angestellte dem Weisungs- bzw. Direktionsrecht ihres Arbeitgebers. Dieses Direktionsrecht leitet sich interessanter Weise nicht aus dem Zivilrecht, sondern aus der Gewerbeordnung ab. So kann der Arbeitgeber nach § 106 der Gewerbeordnung (GewO) Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Bedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag oder andere Bestimmungen festgelegt sind. Für ungeregelte Bereiche kann der Arbeitgeber also dem Arbeitnehmer konkrete Anweisungen erteilen. Als Arbeitnehmer werden diejenigen Personen bezeichnet, die aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages (Arbeitsvertrag) unselbstständige, fremdbestimmte Dienstleistungen zu erbringen haben. Demgegenüber versteht die Bundesärzteordnung (BÄO) den ärztlichen Beruf seiner Natur nach gerade nicht als Gewerbeausübung, sondern als die Ausübung eines freien Berufs, auch im Anstellungsverhältnis. Hier werden die Widersprüche zur „fremdbestimmten Dienstleistung“ offenbar. Die Regeln der ärztlichen Berufsordnungen gelten auch für Ärztinnen und Ärzte, welche ihre ärztliche Tätigkeit im Rahmen einer privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses oder öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses ausüben, vgl. § 23 Abs. 1 MBO.

Bei der Eingliederung der ärztlichen Arbeitnehmer in den Krankenhausbetrieb, in ein MVZ oder in den Betrieb einer Arztpraxis kommt es immer wieder zu Spannungen und Konflikten aufgrund der berufsrechtlich eingeräumten Weisungsfreiheit und den ökonomischen Vorgaben des jeweiligen Arbeitgebers. Entsprechend dem Gebot der Therapiefreiheit darf jeder Arzt aufgrund seiner fachlichen Expertise frei darüber entscheiden, welche Behandlungsmethode er für seinen Patienten im Einzelfall wählt. Seine fachliche Unabhängigkeit hat er nach bestem Wissen und Gewissen auszufüllen. Dabei unterliegt der Arzt stets dem aktuellen Stand der Wissenschaft und dem in seinem Tätigkeitsbereich geltenden Facharztstandard.

Die nähere Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses im Bereich der Medizin unterscheidet sich daher deutlich von dem anderer Branchen. Das dem Arbeitgeber zustehende Weisungs- und Direktionsrecht – abgeleitet aus dem Gewerberecht – bezieht sich daher nur auf organisatorische Vorgaben wie Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit sowie auf die Konkretisierung der individuellen Arbeitsbedingungen und die allgemeinen Grundsätze der Leistungserbringung. Hinsichtlich einzelner medizinischer Entscheidungen sind Ärzte jedoch allein ihrem Gewissen und den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst unterworfen und genießen ärztliche Weisungsfreiheit. Dementsprechend sieht § 2 Abs. 4 MBO vor, dass Ärzte bei ihren ärztlichen Entscheidungen keine Weisungen von Nichtärzten entgegennehmen dürfen. Dies bedeutet, dass weder Klinikträger noch kaufmännische Geschäftsführer noch Medizinische Dienste der Krankenkassen Ärzten Weisungen erteilen dürfen, die sich auf die konkrete Behandlung von Patienten beziehen. Tun sie dies dennoch, sind Ärzte aus berufsrechtlichen Gründen nicht verpflichtet, diesen Anordnungen Folge zu leisten. Im Gegenteil: Sie müssen etwaige aus ärztlicher Sicht entstehende Nachteile in der Versorgung der jeweiligen Patienten verhindern und stets Sorge dafür tragen, dass dem Patienten der aktuelle anerkannte fachärztliche Standard in der Behandlung zukommt. Kann der Arzt in der jeweiligen Behandlungssituation dies nicht gewährleisten, etwa weil ihm aufgrund von Personal- oder Investitionskürzungen die notwendigen Ressourcen nicht zur Verfügung stehen, muss er den Patienten auf diesen Umstand hinweisen und dafür sorgen, dass dem Patienten ggf. an anderer Stelle (Überstellung in eine andere Klinik) der notwendige und vom Patienten erwartete fachärztliche Standard zu Gute kommt.

Das Wirtschaftlichkeitsgebot im Klinik- und Praxisalltag

Diese so beschriebene Entscheidungsfreiheit und Entscheidungsverpflichtung der Ärztinnen und Ärzte besteht jedoch nicht völlig uneingeschränkt. Es steht außer Frage, dass sich bei der Planung der Behandlung eines Patienten eine rein wirtschaftliche Betrachtung verbietet. Die Einbindung des Arztes in das wirtschaftliche Geflecht einer Praxis oder eines Krankenhauses gebietet es aber, dass der Arzt bei seiner Abwägung nicht ausschließlich medizinische Aspekte zugrunde legen kann und darf. Vielmehr sind den ärztlichen Entscheidungen durch das sog. Wirtschaftlichkeitsgebot Grenzen gesetzt.

Dieses Wirtschaftlichkeitsgebot ist für den Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in § 12 Abs. 1 des Fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V) geregelt. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Ziel einer wirtschaftlichen Behandlung ist eine effiziente Zweck-Mittel-Relation, bei der qualitativ hochwertige Leistungen erbracht und gleichzeitig ausufernde Kosten vermieden werden sollen. Was mehr kostet, aber denselben Erfolg wie eine kostengünstigere Methode verspricht, hält den Anforderungen des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht stand. So muss z. B. bei der Auswahl von medizinischem Instrumentarium (Ostheosynthesematerial) oder bei Implantaten stets das günstigere Angebot ausgewählt werden, wenn dies medizinisch ebenso geeignet ist wie teurere Alternativen.

Zudem wird auch über den GKV-Bereich hinaus in Arbeitsverträgen auf das Wirtschaftlichkeitsgebot Bezug genommen. So heißt es in § 3 des Chefarzt-Mustervertrags der Deutschen Krankenhaus Gesellschaft (DKG):

„Der Arzt ist bei der Behandlung der Patienten im Rahmen des ärztlich Notwendigen zu zweckmäßigem, wirtschaftlichem und sparsamen Umgang mit den zur Verfügung stehenden Mitteln des Krankenhauses verpflichtet.“

Die meisten Ärzte verpflichten sich also bereits mit Abschluss ihres Arbeitsvertrages dazu, auch ökonomische Aspekte in ihre Entscheidungen einfließen zu lassen. Bei Interessenkonflikten zwischen dem ärztlichen Personal und dem Krankenhausträger sieht der Mustervertrag in § 3 Abs. 3 folgende Regelung vor:

„Über die Einführung von […] Maßnahmen, die Mehrkosten verursachen, hat der Arzt Einvernehmen mit dem Krankenhausträger herbeizuführen, soweit nicht die medizinische Notwendigkeit in Einzelfällen solche Maßnahmen oder Methoden unabdingbar macht.“

So eindeutig diese Bestimmungen in der Theorie klingen, so schwierig sind sie häufig im Klinikalltag umzusetzen. Regelmäßig können Ärzte die Leitlinien gerechte Behandlung der Wahl nicht durchführen, weil Klinikträger die Übernahme der Kosten verweigern und auf günstigere Therapiemethoden verweisen. Ob es um die Anschaffung eines neuen technischen Geräts oder die Auswahl eines bestimmten Instrumentariums geht, letztlich sind es oft die Klinikträger, die ein kostengünstigeres Prozedere befürworten und damit in die ärztliche Weisungsfreiheit eingreifen. Bei Uneinigkeit hat entgegen der ausdrücklichen berufs- und arbeitsrechtlichen Bestimmungen meistens die kaufmännische Seite das letzte Wort. Auch der Wirtschaftlichkeitsdruck der Krankenkassen und der Medizinischen Dienste ist so groß, dass sich viele Ärzte einer unmittelbaren Beeinflussung ihrer Therapieentscheidungen ausgesetzt sehen.

Ärzte sollten sich in dieser Situation stets vor Augen halten, dass sie in Diagnose und Therapie unabhängig sind und zum Wohle ihrer Patienten handeln müssen. Es unterfällt allein ihrem Entscheidungs- und Verantwortungsbereich, welche Patienten sie auf welche Art und Weise behandeln. Wenn sie sich für eine medizinisch erforderliche, aber Mehrkosten verursachende wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode entscheiden, darf die Krankenhausleitung oder der Medizinische Dienst diese nicht versagen. Sollte sich ein Arzt aus medizinisch nachvollziehbaren Gründen einer Weisung des Klinikträgers oder Auffassung eines Medizinischen Dienstes widersetzen, wird er zwar seiner ärztlichen Versorgungsverantwortung gegenüber dem Patienten gerecht, riskiert aber gleichzeitig Spannungen mit der Klinikleitung und den Kostenträgern. Dieses Spannungsverhältnis müssen die Ärztinnen und Ärzte aushalten, wenn sie ihre berufsrechtlich und vertraglich zugesicherten Therapiefreiheiten ernst nehmen – ein Umstand, den die Patienten von ihren Ärzten durchaus in berufsethischer, aber natürlich auch in rechtlicher Hinsicht erwarten dürfen. Lassen sich Ärzte zu einer überwiegend an ökonomischen Maßgaben orientierten Behandlung verleiten, laufen sie Gefahr, den jeweiligen Facharztstandard zu unterlaufen, und öffnen zudem der weiter fortschreitenden Ökonomisierung der Medizin Tür und Tor. Daher gilt nach wie vor: Vorfahrt für die ärztliche Therapiefreiheit!

Fazit

Ärztinnen und Ärzten in Klinik und Praxis sind nicht nur zur standardgemäßen Behandlung, sondern auch zum sparsamen Umgang mit Klinikressourcen und Krankenkassen-Budgets verpflichtet. In der Praxis ergeben sich bei der Wahl verschiedener Therapieformen oder -methoden immer wieder Spannungen: während einerseits die ärztliche Therapiefreiheit gewährleistet werden muss, schweben das Wirtschaftlichkeitsgebot und das arbeitsrechtliche Weisungsrecht des Krankenhausträgers wie ein Damoklesschwert über den Ärzten.

Bei Unstimmigkeiten sollten sich Ärzte daher auf ihre Entscheidungskompetenzen hinsichtlich der medizinischen Weisungsfreiheit berufen und einen offenen Dialog mit dem Krankenhausträger und den kaufmännischen Geschäftsführungen sowie den Kollegen bei den Medizinischen Diensten der Krankenkassen suchen. Eine gute Vorbereitung trägt dazu bei, gegenüber dem Gesprächspartner sachlich fundiert zu argumentieren. Dies kann einen adäquaten Interessenausgleich schaffen. Wenn sich in solchen Gesprächen die kaufmännische Geschäftsführung oder der jeweilige Arbeitgeber dennoch zu ökonomisch beeinflussten Maßnahmen veranlasst sehen, sollten Ärzte die medizinischen Beweggründe nochmals schriftlich vortragen. Auf diese Weise können sie nachweisen, dass sie sich um die standardgemäße Behandlung ihrer Patienten bemüht haben. Die Zahl derer, die sich mutig den Anordnungen der Krankenhausträger widersetzen und eine kostenintensivere Maßnahme durchführen, wird aus nachvollziehbaren Gründen auch in Zukunft gering bleiben.

Wienke A. Die Ökonomisierung der Medizin. Passion Chirurgie. 2017 Juni, 7(06): Artikel 04_04.

Wie ein Tritt in den Hintern zur Verjährung führte

Kurioses vom Saarländischen Oberlandesgericht

Es kommt wohl nicht häufig vor, dass der Satz „Dem gehört in den Arsch getreten“ Relevanz für die Entscheidung eines deutschen Gerichts hat. Eben diese Aussage wurde jedoch in einem Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts (OLG) ausschlaggebend für die Frage der Verjährungsfrist (Urteil vom 18.05.2016 – 1 U 121/15).

Für Ärzte ist das Thema Verjährung vor allem im Zusammenhang mit Behandlungsfehlervorwürfen relevant. Für die Anmeldung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen gegen einen Arzt hat der Patient grundsätzlich drei Jahre Zeit. Diese Drei-Jahresfrist läuft aber erst dann, wenn der Patient „Kenntnis“ von den anspruchsbegründenden Umständen hat (oder grob fahrlässig nicht hat). In dem jetzt veröffentlichten Urteil geht das Saarländische OLG darauf ein, was das für Arzthaftungsverfahren bedeutet und ab welchem Zeitpunkt von der „Kenntnis“ eines Patienten auszugehen ist.

Der Fall

In dem zur Entscheidung anstehenden Fall begab sich die Klägerin Ende 2009 in die Behandlung des später beklagten Augenarztes. Nach der Überweisung an eine Augenklinik wurde die Diagnose Hämangiom gestellt und regelmäßige Kontrollen im Hinblick auf eine mögliche Größenzunahme empfohlen. Bei einer Kontrolluntersuchung in der Praxis des Beklagten legte die Patientin im Mai 2010 einen aktuellen MRT-Befund vor, der eine 9 x 4 mm große hypointense Formation der linken lateralen Retina beschreibt. Zu diesem Zeitpunkt leitete der Arzt jedoch noch keine weiteren Schritte oder Untersuchungen ein. Erst bei einer weiteren Kontrolluntersuchung im November 2010 äußerte er den Verdacht auf das Vorliegen eines Aderhauttumors. Daraufhin wurde die Klägerin an eine Augenklinik überwiesen, wo Ende November 2010 eine Bestrahlung des Tumors mittels der sogenannten Brachy-Therapie mit Ruthenium erfolgte. Ungeachtet dieser Behandlung ist die Patientin heute auf dem linken Auge erblindet.

Nach Einholung eines augenärztlichen Gutachtens erhob die Patientin im April 2015 Klage gegen den erstbehandelnden Augenarzt und forderte 50.000 Euro Schmerzensgeld. Sie warf ihm vor, die deutliche Vergrößerung des Tumors nicht rechtzeitig festgestellt und damit die Überweisung an die Augenklinik verzögert zu haben. Bei einer rechtzeitigen Überweisung in die Augenklinik hätte es bessere Behandlungsmöglichkeiten gegeben. Der beklagte Arzt berief sich auf die Verjährung der mit der Klage verfolgten Ansprüche.

Die Entscheidung

Das Saarländische OLG gab dem Arzt Recht und wies die Klage ab. Den Vortrag der Klägerin, entscheidende „Kenntnis“ habe sie erst 2012 mit Vorlage des augenärztlichen Gutachtens gehabt, wiesen die Richter zurück. Vielmehr sei auf den Zeitpunkt der Behandlung in der Klinik im November 2010 abzustellen. Der dort nachbehandelnde Arzt habe sich zu der vorangegangenen Behandlung durch den Beklagten mit den Worten „Dem gehört in den Arsch getreten“ geäußert. Nach Auffassung des Gerichts habe diese – wenn auch sehr saloppe – Äußerung der Klägerin in einer „auch für den Laien hinreichend verständlichen Art und Weise“ deutlich machen müssen, dass der beklagte Augenarzt bei seiner Behandlung vom ärztlichen Standard abgewichen sei.

Um von der „Kenntnis“ des Patienten ausgehen zu können, genüge es grundsätzlich nicht, wenn dieser lediglich Kenntnis vom Misserfolg der Behandlung habe. Vielmehr müsse ein ärztliches Fehlverhalten bekannt sein. Das OLG betonte, dass es im vorliegenden Fall aber nicht erforderlich gewesen sei, dass die Klägerin von bestimmten Untersuchungsmöglichkeiten, die zu einem frühen Zeitpunkt bestanden hätten, gewusst habe. Genauso wenig sei eine Gewissheit über etwaige Behandlungsfehler entscheidend gewesen.

Die Klägerin selbst hatte bei der Untersuchung in der nachbehandelnden Klinik angemerkt, der Beklagte habe „dieses Ding ja ein Jahr lang wachsen lassen“. Die Reaktion des nachbehandelnden Arztes („Dem gehört in den Arsch getreten“) konnte die Klägerin nach Auffassung des Gerichts nur so verstehen, dass der Augenarzt eine frühzeitigere weitere Diagnostik und Behandlung pflichtwidrig versäumt habe und dies die Ursache für den späteren Gesundheitsschaden gewesen sei. Damit habe die Patientin bereits Ende 2010 die anspruchsbegründenden Umstände gekannt, sodass jegliche Ansprüche bereits Ende 2013 verjährt seien. Die im April 2015 anhängig gemachte Klage sei damit erst nach Verjährungseintritt erhoben worden und daher von vorneherein unzulässig gewesen.

Fazit

Bei Schadensersatzforderungen, insbesondere aus länger zurückliegenden Behandlungsfällen, sollten Ärzte vorsorglich immer eine mögliche Verjährung der geltend gemachten Ansprüche bedenken und prüfen (Drei-Jahresfrist). Dabei ist zu bedenken, dass die für den Beginn der Verjährungsfrist maßgebliche Kenntnis nicht mit einer Gewissheit über das Bestehen etwaiger Behandlungsfehler und damit den Ausgang eines möglichen Gerichtsverfahrens gleichgesetzt werden kann.

Die Verjährung der Ansprüche beginnt nicht zwangsläufig erst mit der Vorlage eines entsprechenden ärztlichen Gutachtens. Das Urteil des Saarländischen OLG macht deutlich, dass es bereits genügt, wenn der nachbehandelnde Arzt dem Patienten zu verstehen gibt, dass die bisherige Behandlung nicht dem ärztlichen Standard entsprochen hat.

Wienke A. Wie ein Tritt in den Hintern zur Verjährung führte. Passion Chirurgie. 2017 Januar, 7(01): Artikel 04_09.

Schwanger im OP

Möglichkeiten und Grenzen von Beschäftigungsverboten nach dem Entwurf des neuen Mutterschutzgesetzes (MuSchG-E)

Mit einer Schwangerschaft steigt nicht nur die Vorfreude auf den Nachwuchs. Auch die Arbeitgeber müssen disponieren und sich auf den (vorübergehenden) Ausfall der schwangeren Arbeitnehmerin einstellen bzw. besondere Schutzvorkehrungen während der Schwangerschaft treffen. Gerade bei Ärztinnen mit operativer Tätigkeit stellt sich die Frage, ob sie ihren Beruf bis zum Eintritt der Mutterschutzzeit überhaupt weiter ausüben können. Besonders Weiterbildungsassistentinnen teilen ihrem Arbeitgeber die bestehende Schwangerschaft oft aus Furcht, den Weiterbildungskatalog nicht in der vorgegebenen Zeit zu erfüllen, erst spät mit und nehmen dafür eine Gefährdung ihres ungeborenen Kindes in Kauf. Früher wurden schwangere Ärztinnen, die operativ tätig waren, regelmäßig zum „Innendienst“ eingeteilt und durften z. B. nur noch Aufklärungsgespräche führen. Heute stehen viele noch bis kurz vor der Entbindung im OP. Für Arbeitgeber gilt es, einerseits dem Beschäftigungsanspruch der schwangeren Arbeitnehmerin gerecht zu werden und andererseits Sorge dafür zu tragen, dass Mutter und Kind gesundheitlich nicht gefährdet werden.

Rechtsgrundlagen

Die wesentlichen Rechtsgrundlagen, die bei der Beschäftigung von schwangeren Arbeitnehmerinnen beachtet werden müssen, sind im Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz – MuSchG) sowie in der Mutterschutzrichtlinienverordnung (MuSchRiV) niedergelegt. Seit seinem Inkrafttreten im Jahre 1952 ist das Mutterschutzgesetz kaum geändert worden, obwohl sich die gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für berufstätige (schwangere) Frauen erheblich gewandelt haben. Aus diesem Grund ist das Mutterschutzgesetz kürzlich umfassend überarbeitet und worden; die Bundesregierung hat der Novelle (Stand: 04.05.2016) bereits zugestimmt. Dazu wurden die zahlreichen Vorschriften der Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz (Mutterschutzarbeitsverordnung – MuSchArbV) zur besseren Orientierung in das MuSchG-E integriert. Die Neuregelungen treten voraussichtlich zum 01.01.2017 in Kraft und bedeuten für die Beschäftigung schwangerer Chirurginnen im Ergebnis nur wenige Unterschiede zur derzeitigen Rechtslage. Was auch nach der künftigen Rechtslage bedacht werden muss, soll im Folgenden erläutert werden.Mitteilungspflichten

Damit Arbeitgeber in der Lage sind, spezielle Schutzvorkehrungen zugunsten der Schwangeren zu treffen, muss ihnen die Schwangerschaft bekannt gegeben werden. Nach § 14 Abs. 1 MuSchG-E sollen werdende Mütter ihrem Arbeitgeber die Schwangerschaft und den mutmaßlichen Tag der Entbindung mitteilen, sobald ihnen ihr Zustand bekannt ist. In der Praxis teilen Arbeitnehmerinnen die bestehende Schwangerschaft jedoch häufig erst zu einem späteren Zeitpunkt, zumeist nach Ablauf der kritischen ersten drei Monate, mit. Ärztinnen, die sich noch in der Weiterbildung befinden, ziehen die Mitteilung oft sogar so weit hinaus, bis eine Schwangerschaft offensichtlich ist. Eine verspätete Mitteilung hat zwar nicht zur Folge, dass Frauen ihr Recht auf Mutterschutz verlieren, sie sollten sich dabei jedoch bewusst sein, dass eine operative Tätigkeit ohne jegliche Schutzvorkehrungen ein hohes Gefahrenrisiko für sich und das ungeborene Kind in sich bergen kann.Mit Benachrichtigung über die Schwangerschaft ist der Arbeitgeber nach § 25 Abs. 1 Nr. 1a MuSchG verpflichtet, der zuständigen Aufsichtsbehörde die Beschäftigung einer Schwangeren anzuzeigen.
Von Schutzvorkehrungen bis zum Beschäftigungsverbot

Bei der Beschäftigung werdender Mütter hat der Arbeitgeber alle erforderlichen Vorkehrungen und Maßnahmen zum Schutz von Leben und Gesundheit der Schwangeren zu treffen. Entgegen einer weitläufig verbreiteten Ansicht bedeutet die Mitteilung der bestehenden Schwangerschaft nicht gleichzeitig das vorübergehende Aus der beruflichen operativen Tätigkeit. Solange durch Schutzvorkehrungen die Gefahr für Mutter und Kind eliminiert werden kann und die schwangere Chirurgin dies ausdrücklich wünscht, kann sie weiterhin im OP arbeiten und Eingriffe durchführen. Der Anspruch auf Fortführung ihrer Tätigkeit ist nun in § 8 Abs. 1 Satz 2 MuSchG-E ausdrücklich normiert. Nachteile aufgrund der Schwangerschaft, der Entbindung oder der Stillzeit sollen vermieden oder ausgeglichen werden. Hierbei sind folgende Besonderheiten und insbesondere die nun in § 12 MuSchG-E normierte Rangfolge der Schutzmaßnahmen zu beachten:

1. Individuelle Gefährdungsbeurteilung

Mit Benachrichtigung des Arbeitgebers ist dieser nach § 9 Abs. 2 MuSchG-E gehalten, eine individuelle Gefährdungsbeurteilung für die schwangere Ärztin in ihrem konkreten Arbeitsumfeld vorzunehmen. Bei chirurgisch tätigen Arbeitnehmerinnen muss daher im Einzelnen geprüft werden, ob die chirurgische Tätigkeit an sich oder die speziellen räumlichen bzw. sachlichen Einrichtungen in der Klinik eine Gefahr für Mutter und Kind darstellen können. Die Beurteilung dient dem Zweck, mögliche Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit sowie alle Auswirkungen auf die Schwangerschaft abzuschätzen und die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen zu bestimmen.

2. Umgestaltung des Arbeitsplatzes, Schutzvorkehrungen

Sollte sich bei der Beurteilung ergeben, dass eine potenzielle Gefährdungslage vorliegt, hat der Arbeitgeber nach § 8 Abs. 2 MuSchG-E alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit Gefährdungen einer schwangeren Frau oder ihres Kindes möglichst vermieden werden und eine unverantwortbare Gefährdung ausgeschlossen ist. Im Gegensatz zur derzeitigen Rechtslage, wonach jede Gefährdung für Mutter und Kind ausgeschlossen sein muss, ist die Zulässigkeit der Fortsetzung der Arbeit im neuen Gesetzentwurf erweitert worden. Dass die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „unverantwortbare Gefährdung“ zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen wird, liegt auf der Hand. Hieran ändert auch die gesetzliche Definition nichts, wonach eine unverantwortliche Gefährdung vorliegen soll, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung angesichts der zu erwartenden Schwere des möglichen Gesundheitsschadens nicht hinnehmbar ist. Welche Fälle im Zusammenhang mit operativen Tätigkeiten einer unverantwortbaren Gefährdungslage zugeordnet werden und wann die Grenze einer möglichst weitgehenden Gefährdungsvermeidung überschritten sein soll, ist auch in der Gesetzesbegründung nicht näher definiert und bleibt abzuwarten. Der Arbeitgeber hat den Arbeitsplatz der Schwangeren in jedem Fall so zu errichten und zu unterhalten, dass alle technisch, medizinisch oder ergonomisch möglichen Maßnahmen zum Schutz der Mutter getroffen werden. Dies ist durch eine einstweilige Umgestaltung der Arbeitsbedingungen oder der Arbeitszeiten möglich. Das Schutzgebot umfasst auch die Arbeitsorganisation, sodass Pausen, Arbeitstempo, Schichteinteilung etc. den Bedürfnissen der Schwangeren angepasst werden müssen. Es ist offensichtlich, dass die ärztliche Tätigkeit in Operationssälen grundsätzlich ein gewisses Gefahrenpotential mit sich bringt. Die Anästhesie, das Infektionsrisiko oder eine potentielle Strahlenbelastung können zuweilen gravierende gesundheitliche Auswirkungen auf Mutter und Kind haben. Um beide vor OP-typischen Gefahren zu schützen, müssen daher besondere Schutzvorkehrungen getroffen werden. Hinsichtlich einer Gefährdung durch die Narkoseführung ist darauf zu achten, dass gesundheitsgefährdende Gase oder Dämpfe nicht auf die schwangere Chirurgin einwirken. Daher empfiehlt es sich, ausschließlich bei Patienten operativ tätig zu sein, die eine Totale Intravenöse Anästhesie (TIVA) oder eine Spinalanästhesie erhalten.Um das Infektionsrisiko von Viren zu minimieren, sollten schwangere Chirurginnen zunächst ihren aktuellen Immunitätsstatus prüfen und ggf. aktualisieren. Zudem sollte Wert auf ein präoperatives Patienten-Screening auf Hepatitis-C-Antikörper und HIV-Antikörper gelegt werden. Zur Infektionsprophylaxe eignet sich auch das Tragen von geeigneten Schutzbrillen (Visier). Nadelstichverletzungen können durch das Tragen von doppelten Indikatorhandschuhen sowie durch die Verwendung stichsicherer Instrumentarien weitgehend vermieden werden. Zudem sollte keine Teilnahme bei bekannten infektiösen Eingriffen, mit unterbrochener Sichtkontrolle sowie in beengtem Operationssitus erfolgen. Der Umgang mit potentiell kontaminierten Instrumenten ist generell zu unterlassen und der Kontakt mit Körperflüssigkeiten und Aerosolbildung ist zu vermeiden.Besonderes Gewicht ist auch auf den Strahlenschutz zu legen, wobei ergänzend die Vorschriften der Röntgenverordnung zu beachten sind. Nicht selten werden intraoperativ Röntgenbilder angefertigt, um etwa die richtige Positionierung von Implantaten bzw. Prothesen überprüfen zu können. Solange sich die schwangere Chirurgin im Kontrollbereich, das heißt während der Durchleuchtung bzw. Anfertigung der Röntgenbilder, befindet, muss die Dosis streng überwacht werden. Hierzu wird im Allgemeinen angeraten, den OP-Saal kurzzeitig zu verlassen bzw. bei entsprechenden Räumlichkeiten auf Abstand zum Röntgengerät zu gehen. Entsprechend § 22 Abs. 1 Nr. 2 d Röntgenverordnung (RöV) ist das Betreten des Kontrollbereichs aber dann möglich, wenn der fachkundige Strahlenschutzverantwortliche bzw. Strahlenschutzbeauftragte dies ausdrücklich gestattet und durch geeignete Überwachungsmaßnahmen sicherstellt, dass der besondere Dosisgrenzwert eingehalten und dokumentiert wird. Der Grenzwert der effektiven Dosis beträgt während der gesamten Schwangerschaft 1 mSv. Um eine höhere Bestrahlung zu vermeiden wird empfohlen, ein wöchentlich ablesbares Dosimeter auf Uterushöhe zu tragen.Weiterhin sollten werdende Mütter keine Lagerungstätigkeiten sowie nach Ablauf des fünften Schwangerschaftsmonats keine stehenden Tätigkeiten über vier Stunden vornehmen. Vielmehr muss ihnen eine Liege- bzw. Sitzgelegenheit zur Verfügung gestellt werden, sodass sie sich bei Bedarf ausruhen können. Auch sollten schwangere Frauen lediglich bei elektiven Eingriffen tätig und Notfalleingriffe sowie anstrengende, längere Operationen vermieden werden. Hier ist vor allem die Organisation des Arbeitgebers hinsichtlich der Einteilung von genügend Personal gefragt. Es muss bedacht werden, dass die Schwangere aufgrund Unwohlseins spontan ausfallen könnte, sodass jederzeit ein chirurgischer Backup vorzuhalten ist.

3. Arbeitsplatzwechsel

Wenn die Umgestaltung der Arbeitsbedingungen und Schutzvorkehrungen nicht möglich oder wegen des nachweislichen Aufwandes dem Arbeitgeber nicht zumutbar ist, kann der Arbeitgeber nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 MuschG-E einen Arbeitsplatzwechsel vornehmen. Im operativen Bereich wird schwangeren Ärztinnen dann regelmäßig das Führen von Aufklärungsgesprächen bzw. das Abfassen von Arzt- und Entlassungsbriefen sowie anderen Schreibarbeiten aufgetragen.

4. Beschäftigungsverbot

Erst wenn auch ein solcher Arbeitsplatzwechsel nicht möglich oder für den Arbeitgeber nicht zumutbar ist, darf werdenden Müttern nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 MuSchG-E ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen werden. Die Freistellung von der Arbeit ist daher immer nur als ultima ratio in Betracht zu ziehen und darf nicht zur Regel werden.Das Mutterschutzrecht unterscheidet zwischen generellen und individuellen Beschäftigungsverboten. Während individuelle Beschäftigungsverbote nach § 15 MuSchG-E in jedem Fall durch ein ärztliches Zeugnis bestätigt und nur dann ausgesprochen werden dürfen, wenn die Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist, knüpfen generelle Beschäftigungsverbote an die Arbeitsumstände an und werden unabhängig von einem konkreten, individuellen Risiko ausgesprochen. Bei einem Beschäftigungsverbot aufgrund der besonderen Gefährdungslage im OP handelt es sich daher regelmäßig um ein generelles Beschäftigungsverbot. Ein individuelles Arbeitsverbot ist hingegen zu erteilen, wenn die Schwangere beispielsweise eine Zeitlang nur liegen darf oder sich wegen hoher Arbeitsbelastung besonders schonen muss.
Schwangerschaft während der Weiterbildungszeit

Operativ tätige Frauen, die während der Weiterbildungszeit schwanger werden, haben häufig Schwierigkeiten, die notwendigen Weiterbildungsinhalte zu erfüllen. Grundsätzlich ist auch die Schwangerschaft auf die Weiterbildungszeit anzurechnen. Aus diesem Grund sollten schwangere Weiterbildungsassistentinnen ein vertrauensvolles Gespräch mit dem Chefarzt führen, um den Stand der Weiterbildung festzuhalten und die Inhalte der weiteren Weiterbildungszeit hinsichtlich ihrer Durchführbarkeit zu besprechen. Hierbei kann herausgestellt werden, welche Inhalte trotz der Schwangerschaft noch möglich sind bzw. in den der Elternzeit folgenden Zeitraum verschoben werden müssen.

Fazit

Aufgrund der vielseitigen Möglichkeiten, den OP-Betrieb für schwangere Chirurginnen sicher zu gestalten, können schwangere Chirurginnen operative Eingriffe oftmals während der gesamten Schwangerschaft durchführen. Sobald der Arbeitgeber Kenntnis von der Schwangerschaft erhält, muss er die potenzielle Gefährdungslage fachbezogen beurteilen und alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um unverantwortbare Gefährdungen für die werdende Mutter und ihr Kind auszuschließen. Erst wenn ein Ausschluss solcher Gefährdungen und ein Arbeitsplatzwechsel nicht möglich bzw. zumutbar sind, darf der Arbeitgeber im Ausnahmefall ein Beschäftigungsverbot gegenüber der Schwangeren aussprechen. Insofern wird künftig ein noch stärkeres Augenmerk auf die Abwägung zwischen Gesundheitsschutz von Mutter und Kind sowie dem Recht auf Fortführung der Erwerbstätigkeit gelegt werden müssen. Grundsätzlich muss berücksichtigt werden, dass der Schutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen die betroffenen Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht benachteiligen und insbesondere die Richtlinien zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen nicht beeinträchtigen darf. Daraus folgt, dass an die Möglichkeit der Umgestaltung der Arbeitsplatzbedingungen hohe Anforderungen gestellt werden und ein hoher organisatorischer und wirtschaftlicher Aufwand nicht per se eine Unzumutbarkeit begründen kann.

Kuball L. / Wienke A. Schwanger im OP. Passion Chirurgie. 2016 Dezember, 6(12): Artikel 04_08.