01.10.2015 Fragen&Antworten
Welche Möglichkeit gibt es, bei einem bewusstlosen Patienten eine Wahlleistungsvereinbarung zu treffen?

Frage:
Ein Chefarzt fragt an, ob es eine rechtlich zulässige Möglichkeit gebe, mit einem bei Einlieferung bewusstlosen Patienten eine Wahlleistungsvereinbarung zu schließen, sodass die ärztlichen Wahlleistungen ab Beginn der Behandlung abgerechnet werden können.
Antwort:
Es ist zunächst festzuhalten, dass sämtliche wahlärztlichen Leistungen nur abgerechnet werden können, wenn die Wahlleistungsvereinbarung vor Behandlungsbeginn schriftlich abgeschlossen wurde. Dabei kann sich der Patient bei Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung selbstverständlich vertreten lassen. Sofern bei einem bewusstlosen Patienten wahlärztliche Leistungen von Anfang an erbracht und abgerechnet werden sollen, muss dieser im Zeitpunkt der Einlieferung beim Abschluss der Vereinbarung vertreten werden. Als Vertreter kommen zum Beispiel Angehörige oder Begleiter des Patienten in Betracht.
Als rechtlich zulässige Möglichkeit ist es jedoch auch anerkannt, dass die Vertretung des Patienten durch einen Krankenhausmitarbeiter erfolgt, gerade wenn dieser ohne Begleitperson eingeliefert wird. Der Mitarbeiter kann für den Patienten die Wahlleistungsvereinbarung als Vertreter ohne Vertretungsmacht unterzeichnen, sodass entsprechend der gesetzlichen Regelung die Wahlleistungsvereinbarung zunächst schwebend unwirksam ist. Hieraus folgt, dass der Patient, sobald er wieder bei Bewusstsein ist, den Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung durch den Mitarbeiter nachträglich zwingend genehmigen muss, damit diese von Anfang an wirksam wird und eine Abrechnung möglich ist. Eine schriftliche Genehmigung ist grundsätzlich nicht erforderlich, sodass auch eine mündliche Genehmigung aus Sicht des Verfassers ausreichend ist. Allerdings sollte dann die mündliche Genehmigung zu Beweiszwecken unbedingt durch den Arzt in der Behandlungsdokumentation schriftlich festgehalten werden.
Genehmigt der Patient den Abschluss durch den Krankenhausmitarbeiter nachträglich nicht, so ist die Wahlleistungsvereinbarung unwirksam und eine Liquidation nicht möglich. Der Patient muss in diesem Falle die tatsächlich erbrachten wahlärztlichen Leistungen nicht bezahlen, sodass eine Honorarklage des Chefarztes keine Aussicht auf Erfolg hätte.
Hinzuweisen ist in diesen Fällen zum einen noch darauf, dass die wahlärztlichen Leistungen – wie beim „normalen“ Wahlleistungspatienten – dann selbstverständlich vom Chefarzt oder im Falle einer wirksamen Vertreterregelung für den Fall der unvorhergesehenen Abwesenheit von seinem ständigen ärztlichen Vertreter erbracht worden sein müssen, um der Pflicht zur höchstpersönlichen Leistungserbringung gerecht zu werden.
Zum anderen ist bei bewusstlosen Patienten der Abschluss einer individuellen Stellvertretervereinbarung durch einen Vertreter nach Ansicht des Verfassers jedoch nicht möglich. Denn hier wird schon nicht die von der Rechtsprechung geforderte Wahlmöglichkeit des Verschiebens der Behandlung bis zur Rückkehr des Chefarztes tatsächlich angeboten werden können. Dem Patienten kann damit die von der Rechtsprechung geforderte Wahlfreiheit nur eingeschränkt zur Verfügung gestellt werden, was jedoch für den Abschluss einer individuellen Stellvertretervereinbarung unzulässig ist. Eine wahlärztliche Leistungserbringung durch einen individuellen Vertreter und somit eine Liquidation wahlärztlicher Leistungen ist in den Fällen der vorhersehbaren Abwesenheit des Chefarztes somit aus Sicht des Verfassers bei Bewusstlosen ausgeschlossen.
Autor des Artikels

Dr. jur. Jörg Heberer
Justitiar des BDC, Rechtsanwalt und Fachanwalt für MedizinrechtRechtsanwaltskanzlei Dr. Heberer & Kollegen kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
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