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Qualitätsmanagement
Perioperative Schmerzen begünstigen postoperative Komplikationen, können die Verweildauer verlängern und die Patientenzufriedenheit signifikant beeinträchtigen. Insbesondere bei elektiven Eingriffen wird eine adäquate Schmerztherapie zu einem immer wichtigeren Selektionsmerkmal von Krankenhäusern. Trotz fortgeschrittener Therapiemöglichkeiten berichten jedoch nach wie vor ca. die Hälfte aller in Deutschland operierten Patienten über moderate bis starke postoperative Schmerzen [1].
Ein Grund dafür sind die fehlenden Daten zur Ergebnisqualitat durch eine standardisierte Outcome-Erfassung mit der Möglichkeit zum interklinischen Vergleich [2, 3]. Randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) helfen hier nicht immer weiter, da sie in ihrer Fragestellung und Studiensituation oft sehr speziell und damit nicht in den klinischen Alltag übertragbar sind. Dies ist einer der Gründe für die bisweilen geringe Akzeptanz von Leitlinien.

QUIPS (Qualitätsverbesserung in der postoperativen Schmerztherapie) ist ein Register- und Benchmarkprojekt unter Schirmherrschaft der anästhesiologischen und chirurgischen Fachgesellschaften und Berufsverbände in Deutschland sowie der österreichischen Anästhesiegesellschaft (www.quips-projekt.de) [4]. Basis des Projektes ist eine ergebnisorientierte, standardisierte Befragung von Patienten am ersten postoperativen Tag. Die erhobenen Parameter umfassen Schmerzstärke, funktionelle Beeinträchtigung, Nebenwirkungen und Zufriedenheit. Parallel werden demographische und klinische Parameter erfasst, u. a. zur Narkose, zur Operation und zur Schmerztherapie. Die Befragung erfolgt lediglich an einer Patientenstichprobe, daher ist der Ressourcenaufwand überschaubar. Die erhobenen Daten werden online in ein Register eingegeben und stehen den teilnehmenden Krankenhäusern sofort über eine webbasierte Feedbackfunktion zur Verfügung. Hierfür können verschiedene Selektionskriterien ausgewählt werden (Art der Operation, Art der Schmerztherapie). Die Ergebnisse können in verschiedenen Zeiträumen, aber auch in unterschiedlichen Darstellungsarten (z. B. im zeitlichen Verlauf) analysiert werden. Die eigenen Stationen werden dabei den anonymisierten Stationen der anderen Teilnehmer der gleichen Benchmarkgruppe gegenüber gestellt. (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Screenshot vom Feedbackformular

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Das Projekt wird ergänzt durch Unterstützung der Kliniken zur Planung und nachhaltigen Durchführung von notwendigen Veränderungsmaßnahmen, z. B. durch Benchmarkmeetings, Change-Management-Workshops sowie Vorstellung der Behandlungskonzepte der guten Kliniken. Mittlerweile nehmen 150 Kliniken in Deutschland an dem Projekt teil, darunter zwei der größten privaten Klinikketten. Die Datenbank umfasst mehr als 250.000 Datensätze, damit steht auch für seltene Eingriffe eine große Zahl von Vergleichsfällen zur Verfügung.

QUIPS unterscheidet sich von vielen konventionellen Ansätzen zur Qualitätsverbesserung dadurch, dass nicht nur Surrogatparameter erhoben werden, sondern die Hauptperson im Krankenhaus – der Patient – zu Wort kommt. Ein hochgradig validerter Fragebogen und ein standardisierter Erhebungsprozess minimieren dabei systematische Verzerrungen und garantieren Vergleichbarkeit der Ergebnisse.

Diese sind dann oft überraschend: Hieß es früher oft „Unsere Patienten haben sich noch nie beschwert“ oder „Unsere Schmerztherapie ist up-to-date“, können plötzlich manche Abteilungen erkennen, dass bei identischen Operationen andere Krankenhäuser im Patientenurteil eine deutlich bessere Schmerztherapie anbieten. Gute Ergebnisse dagegen sind hervorragend geeignet, die eigenen Mitarbeiter zu loben und zu motivieren. In einer teilnehmenden Uniklinik nutzt die QM-Stabstelle QUIPS als zentrales Steuerinstrument, um klinikintern Schwachstellen zu entdecken, die Effekte von Interventionen zu quantifizieren und mit den Abteilungen ggf. konkrete Qualitätsziele zu vereinbaren.

Vielen Kliniken hat das zeitnahe Feedback bei der Identifikation von bisher unbekannten Defiziten geholfen. So entpuppen sich bisweilen als schmerzarm geltende „kleine“ Eingriffe wie z. B. die laparoskopische Appendektomie als überraschend schmerzhaft und ermöglichen eine gezielte Betreuung der betroffenen Patienten. Daneben ermöglicht QUIPS die Überprüfung von Verbesserungsmaßnahmen und ermöglicht damit gelebtes „Plan-Do-Check-Act“. So konnten in einer gynäkologischen Klinik allein durch die Einführung von Wundrand- und intraperitonealer Lokalanästhetikaapplikation bei Hysterektomien die Schmerzintensität um 10 Prozent und der Opioidbedarf um 25 Prozent gesenkt, gleichzeitig die Patientenzufriedenheit signifikant erhöht werden.

Mittlerweile wurden Fragebögen für die Kinderchirurgie [5] und ambulante Operationen entwickelt. Ein weiteres Modul für Patienten in der Notaufnahme befindet sich in der Erprobung.

In Kürze können sich die deutschsprachigen QUIPS-Teilnehmer auch mit Kliniken außerhalb Deutschlands aus dem EU-geförderten Schwesterprojekt PAIN OUT vergleichen.

Die Schirmherrschaft der wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Berufsverbände garantiert einen seriösen Umgang mit den Daten, die Unabhängigkeit von kommerziellen Interessen und ermöglicht Forschergruppen die wissenschaftliche Auswertung. Die Anonymität der Patienten und beteiligten Kliniken wird bei allen Datenanalysen gewahrt.

Die Möglichkeit, unterschiedlichste Fragestellungen insbesondere aus der Versorgungsforschung auf der Basis der großen und weiter wachsenden Datenbank „offline“ zu bearbeiten, stellt einen enormen zusätzlichen Nutzen des Registers dar. Schließlich eröffnet das Projekt zahlreiche Perspektiven für Kooperationen mit weiteren Projekten. So ist es einfach, temporär mono- oder multizentrische Erhebungen oder prospektive Interventionen mit dem Benchmarkprojekt zu verknüpfen.

PAIN-OUT (,,Improvement in postoperative PAIN OUTcome“) heißt das europäische Tochterprojekt von QUIPS und wird von der EU in ihrem siebten Rahmenprogramm von 2009 bis 2012 gefordert. PAIN-OUT wird von einem internationalen Konsortium mit 17 Partnern aus neun Ländern durchgeführt. Neben einem Feedback- und Benchmark-Modul wie bei QUIPS werden zwei weitere Module dem Nutzer im klinischen Alltag unterstützen. Ein fallbasiertes Unterstützungssystem zur klinischen Entscheidungsfindung (Casebased Clinical Decision Support System, CDSS) erlaubt die Analyse der vorhandenen Registerdaten. Es ermöglicht eine Suche im Schmerzregister nach konkreten Fällen und soll dadurch die kumulierte ,,Erfahrung“ anderer Behandler in eine konkrete Entscheidungsfindung einfliesen lassen. Eine Wissensdatenbank (Knowledge Library) bietet dem Nutzer situationsbezogen maßgeschneiderte und lesbare Zusammenfassungen der existierenden internationalen Leitlinien. Es ist geplant, nach Abschluss der EU-Forderung QUIPS und PAIN-OUT zu vereinen und unter dem Dach einer internationalen Fachgesellschaft als Non-Profit-Projekt fortzuführen.

Die Teilnahme an QUIPS steht allen deutschsprachigen Kliniken offen und umfasst eine Grund- und eine Aufbauschulung, umfangreiches Informationsmaterial, Nutzung der Eingabe- und Feedbacksoftware, die Teilnahme an Anwendertreffen, Zugang zu den „Best Practice“-Berichten anderer Kliniken sowie mittelfristig die Nutzung des europäischen Partnerprojektes und E-Mail-Supports. Eine Schnittstelle mit existierenden Krankenhausinformationssystemen ist nicht notwendig. Neben einer geringen Nutzungsgebühr müssen Ressourcen für die Erhebung der Datenstichprobe (Patientenbefragung und Behandlungsparameter) bereitgestellt werden.

Für Fragen zum Projekt “Qualitätsverbesserungen in der post-operativen Schmerztherapie” stehen wir Ihnen gern unter E-Mail [email protected] zur Verfügung.

Literatur

[1] Sommer M, et al. The prevalence of postoperative pain in a sample of 1490 surgical inpatients. Eur J Anaesthesiol 2008;25:267–74.

[2] Gordon DB, et al. American pain society recommendations for improving the quality of acute and cancer pain management: American Pain

Society Quality of Care Task Force. Arch Intern Med 2005;165:1574–80.

[3] Pronovost PJ, et al. How can clinicians measure safety and quality in acute care? Lancet 2004;363:1061–7.

[4] Meissner W, et al. Qualitätsverbesserung in der postoperativen Schmerztherapie. Deutsches Ärzteblatt 2008;105:865–70.

[5] Messerer B, et al. QUIPSI-Qualitätsverbesserung bei Kindern. Anasthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther;45:592-4.

Weiterführende Informationen
Homepage QUIPS - Qualitätsverbesserung in der postoperativen Schmerztherapie
Homepage Pain-Out

Meißner W. Postoperative Schmerztherapie wirksam verbessern: QUIPS –  ein webbasiertes, ergebnisorientiertes Qualitätsmanagementprojekt. Passion Chirurgie. 2013 Januar; 3(01): Artikel 02_03.

Autor des Artikels

Profilbild von Winfried Meißner

Apl. Prof. Dr. Winfried Meißner

Klinik für Anästhesiologie und IntensivtherapieUniversitätsklinikum JenaErlanger Allee 10107740Jena kontaktieren

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