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Die Einführung des Berufsbildes Physician Assistant (PA) in vielen Ländern weltweit und auch in Deutschland ist damit begründet, Ärzte angesichts der zunehmenden Komplexität der Versorgung auf Grund der medizinischen, medizinisch-technischen und demografischen Entwicklung, von Vernetzungserfordernissen und der hierfür notwendigen berufsübergreifenden Versorgungskonzepte stärker als bisher zu unterstützen und von Routinetätigkeiten zu entlasten. Darüber hinaus kann eine akademischen Perspektive für Absolventen aus den Gesundheitsfachberufen dazu beitragen, den allgegenwärtigen Fachkräftemangel zu verringern.

Abgeschlossene Ausbildung in einem Gesundheitsfachberuf ist Voraussetzung für das Studium

Das sechssemestrige PA Studium zum Bachelor of Science (B.Sc.) setzt eine dreijährige, erfolgreich abgeschlossene Ausbildung in einem Gesundheitsfachberuf voraus und versetzt die Absolventen in die Lage, Aufgaben aus dem ärztlichen Tätigkeitsspektrum sowohl im administrativen als auch im patientennahen Bereich in Delegation zu übernehmen. In den USA ist das Berufsbild Physician Assistant (PA) seit über 50 Jahren ein fester Bestandteil des Gesundheitssystems, in den Niederlanden und Großbritannien seit fast zwei Jahrzehnten. International erfolgt die Qualifikation von Gesundheitsfachberufen in der Regel bereits auf Hochschulniveau [3, 8].

Als erste staatliche Hochschule in Deutschland hat die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) unter Leitung des Autoren vor nunmehr zehn Jahren den Bachelorstudiengang „Physician Assistant“ etabliert. Seither ist die Anzahl der Institutionen, welche einen Studiengang „Physician Assistant“/„Physician Assistance“ anbieten, stetig gestiegen, sodass heute deutschlandweit an 18 Hochschulen und Berufsakademien sowie insgesamt 22 Standorten ein PA Studium abgeschlossen werden kann.

Im Jahr 2020 war mit 738 neuen Einschreibungen in die PA Studiengänge im Vergleich zum Vorjahr eine Zunahme von 45 Prozent, im Vergleich zum Studienjahr 2018 sogar fast eine Verdreifachung der Immatrikulationen zu verzeichnen. Insgesamt haben seit Einführung des Berufsbildes in Deutschland mehr als 1.600 Absolventen ein PA Studium abgeschlossen.

Konzeptpapier der BÄK/KBV

Auf dem Deutschen Ärztetag 2008 bekannte sich die Ärzteschaft nachdrücklich zum Zusammenwirken mit Gesundheitsfachberufen und votierte für multiprofessionelle Teams sowie berufsübergreifende Versorgungskonzepte. Im Jahr 2016 sprach sich der 119. Deutsche Ärztetag für ein bundeseinheitlich geregeltes, neu einzuführendes Berufsbild „Physician Assistant“ aus. Das Konzeptpapier „Physician Assistant – Ein neuer Beruf im deutschen Gesundheitswesen“ der Bundesärztekammer (BÄK) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) wurde gemeinsam mit Hochschulvertretern erarbeitet und auf dem Deutschen Ärztetag 2017 verabschiedet.

Kompetenzkatalog delegierbarer Tätigkeiten

Für Physician Assistants wurde ein Kompetenzkatalog delegierbarer Tätigkeiten formuliert, der sich aus einem zuvor beschriebenen Tätigkeitsrahmen und festgelegten Studieninhalten ergibt:

  • Mitwirkung bei der Erstellung der Diagnose und des Behandlungsplans
  • Mitwirkung bei komplexen Untersuchungen und Durchführung von medizinisch-technischen Tätigkeiten, soweit diese nicht speziellen Berufsgruppen vorbehalten sind
  • Mitwirkung bei der Ausführung eines Behandlungsplans
  • Mitwirkung bei Eingriffen
  • Mitwirkung bei Notfallbehandlungen
  • Adressatengerechte Kommunikation und Informationsweitergabe
  • Prozessmanagement und Teamkoordination
  • Unterstützung bei der Dokumentation

Nach Vorgaben des Konzeptpapiers der BÄK/KBV wird großer Wert auf eine umfangreiche theoretische und praktische Wissensvermittlung gelegt, welche wiederrum die Kompetenz der PAs, auch komplexere Sachverhalte zu erfassen und zu bearbeiten schult und so eine Umverteilung von ärztlichen Tätigkeiten in Delegation ermöglicht.

Keine permanente Übertragung ärztlicher Tätigkeiten

Es handelt sich hierbei somit nicht um eine permanente Übertragung ärztlicher Tätigkeiten, sondern lediglich um eine assistierende Hilfeleistungserbringung. Dies führt zu besserer interprofessioneller Kommunikation und einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit einem sich ergänzenden Tätigkeitsprofil.

BÄK/KBV setzen für die Zulassung zum PA Studium eine dreijährige erfolgreich abgeschlossene Ausbildung in einem Gesundheitsfachberuf voraus. Im Studium werden Kompetenzen erworben, welche die Mitwirkung bei der Erstellung der Diagnose und des Behandlungsplans, bei komplexen Untersuchungen, bei der Durchführung von medizinisch-technischen Tätigkeiten, bei der Ausführung eines Behandlungsplans, bei Eingriffen und bei Notfallbehandlungen ermöglichen. Zudem werden die Vorgehensweisen bei der Unterstützung von Dokumentation, bei Prozessmanagement und Teamkoordination und bei Adressatengerechter Kommunikation und Informationsweitergabe gelehrt, welche, wie schon zuvor erwähnt, zu einer verstärkten allgemeinen Entlastung des ärztlichen Dienstes führt. Die Aufgabenbereiche der PA umfassen weiterhin das allgemeine Prozessmanagement, medizinisches Prozess- und Dokumentationsmanagement und delegierbare patientenbezogene Tätigkeiten. Hierunter versteht man unter anderem das Entwickeln, Verbessern und Aufrechterhalten von Prozessen und die Fallbegleitung im Sinne der Umsetzung ärztlicher Behandlungspläne aber auch die Bereitstellung des PAs als Assistent im OP-Saal.

Tab. 1: Verbindliche Studieninhalte laut Konzeptpapier BÄK/KBV

Naturwissenschaftliche Grundlagen

Anatomie/Physiologie

Pathologie/Pathophysiologie

Pharmakologie/Toxikologie

Mikrobiologie/Hygiene

Klinische Medizin – Grundlagen, Prinzipien, Verfahren

Anamnese, körperliche und einfache instrumentelle Untersuchung

Innere Medizin mit Teilgebieten

Chirurgie mit Teilgebieten

Orthopädie/Unfallchirurgie

„Kleine Fächer“ (z. B. Gynäkologie, Urologie, Neurologie, HNO)

Anästhesie

Notfallmedizin, Notfallmanagement

OP-Lehre, Labor, Funktionsdiagnostik

Public Health

Rechtliche Aspekte

Medizintechnik, Medizinprodukte

Informationstechnik, Qualitätsmanagement, Dokumentation, Vergütungs- und Gesundheitssystem

Schlüsselkompetenzen

Wissenschaftliches Arbeiten

Praktische Ausbildung

Tätigkeitsprofil von Physician Assistants in chirurgischen Einheiten

PAs sind hierzulande in der Regel im stationären Bereich tätig. Im ambulanten und besonders hausärztlichen Bereich sind PAs bisher nur vereinzelt anzutreffen. Dabei spielen Fragen der Qualifizierung, der Delegierbarkeit ärztlicher Leistungen, rechtliche Rahmenbedingungen sowie Einsatzbereiche und die Vergütung eine Rolle. Neben dem Einsatz von PA in der stationären Versorgung wird mittlerweile auf verschiedenen Ebenen zu einer Entlastung der Ärzte in der ambulanten, haus- und fachärztlichen Versorgung hingearbeitet.

PAs übernehmen im Rahmen gezielter Delegation von patientennahen und komplexen administrativen Aufgaben, die nicht dem Arztvorbehalt unterliegen, eine entscheidene Rolle. Leider existieren nur wenige publizierte Informationen zum Verbleib der Studierenden, zum Gehalt und vor allem zu den durch PA ausgeübten Tätigkeiten. Eine Befragung der ersten 5 Absolventenjahrgänge der DHBW zur Beschäftigungsrealität von PA beabsichtigte daher, möglichst detaillierte Informationen hierüber zu erhalten [2].

Weitere häufig durchgeführte Tätigkeiten der in chirurgischen Disziplinen tätigen PA waren die vorbereitende Erhebung der allgemeinen und der fachspezifischen Krankengeschichte und Dokumentation, vorbereitende Auswertung und Einordnung typischer Laboruntersuchungen sowie von Laborbefunden, Vorbereitung zur Durchführung bildgebender Verfahren sowie Vorbereitung zur Auswertung der Bildgebung. Ferner gehörten das Legen peripherer Zugänge, Strukturierung der Daten sowie Informationen zur aktuellen Einweisungsunterlagen, Vervollständigung von Unterlagen und Befunden, Dokumentation von Anordnungen sowie die vorbereitende Dokumentation von Untersuchungen und Befunden dazu.

Abb. 1: Häufig bis sehr häufig in Delegation durch Physician Assistants ausgeübte Tätigkeiten in den Bereichen Dokumentation, adressatengerechte Kommunikation und Informationsweitergabe [2]

Gesamtzufriedenheit und Entlohnung

„Status und Position“, „Aufgabenprofil“ sowie die Gesamtzufriedenheit bewerteten die Absolventen auffallend positiv. Überdies wenden insbesondere in chirurgischen Abteilungen tätige PA ihre im Studium erworbenen Qualifikationen nach eigenen Angaben in hohem bis sehr hohem Maß an; ein zusätzlicher Aspekt, der zu der hohen Berufszufriedenheit beitragen dürfte. Das durchschnittliche Einkommensniveau der chirurgisch tätigen PA zeigt bereits jetzt eine nachfragebedingte positive Entwicklung und sollte zukünftig weiter beobachtet sowie tätigkeitsbezogen analysiert werden.

Die hohe Berufszufriedenheit von PA als Kombination aus Status und Position, Einkommen sowie Aufgabenprofil kann als ein das junge Berufsbild positiv bestätigendes Ergebnis bewertet werden. Die Mehrzahl der befragten PA beurteilt diese Gesichtspunkte mit „viel besser als erwartet“ oder mit „besser als erwartet“. Ebenso herrscht eine hohe Zufriedenheit mit der beruflichen Situation insgesamt. Die Aspekte präsentieren ein äußerst zufriedenes Fachpersonal. Es kann daher zu Recht prognostiziert werden, dass die PA als Fachkräfte unserem Gesundheitssystem auch langfristig erhalten bleiben.

Literatur

[1] Blum K (2016) Der Arztassistent (Physician Assistant): Evaluation einer neuen Qualifikation im deutschen Gesundheitswesen. Gutachten des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) im Auftrag der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. DKI, Düsseldorf
[2] Hoffmann M, Arnegger S, Mend B, Hoffmann R, Marschall T (2018) Physician Assistants in der Chirurgie: Ein junges Berufsbild aus Absolventensicht. Der Unfallchirurg 121, 502-509
[3] Klemme B, Geuter G, Willimczik K (2007) Physiotherapie – über eine Akademisierung zur Profession. Physioscience 3(2), 80-87
[4] Marschall T, Hoffmann M (2019) Eine neue Berufsgruppe kommt in der Praxis an: Erste Erkenntnisse über Einsatzgebiete, Tätigkeiten und Gehalt von Physician Assistants/Arztassistenten in Deutschland. Das Gesundheitswesen 81(01), 9-16
[5] „Physician Assistant – Ein neuer Beruf im deutschen Gesundheitswesen“ (2017) Konzeptpapier der Bundesärztekammer (BÄK) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV)
[6] Physician Assistant 2. Jg. (2020) Nr. 1/21, 22-23
[7] Robert Bosch Stiftung (2011) Memorandum Kooperation der Gesundheitsberufe. Qualität und Sicherstellung der zukünftigen Gesundheitsversorgung. Robert Bosch Stiftung GmbH Stuttgart
[8] Stöcker G (2008) Wo steht Deutschland: Pflegeausbildung im europäischen Vergleich. Heilberufe 60(8), 56-60

M. Hoffmann Physician Assistant (B.Sc.) – Patientennahe Akademisierung und Verstärkung für das ärztliche Team. Passion Chirurgie. 2021 März; 11(03): Artikel 04_01.

Autor des Artikels

Profilbild von Marcus Hoffmann

Prof. Dr. med. Marcus Hoffmann

DirektorAkademie der Universitätsmedizin Mannheim GmbHBirkenauer Str. 5568309Mannheim kontaktieren
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