15.04.2019 Politik
Patientenbedürfnisse müssen wieder im Mittelpunkt stehen
Berliner Forum fordert Maßnahmen für eine wissenschaftlich begründete, patientenzentrierte und ressourcenbewusste Versorgung
Jeden Tag spüren Patienten, Ärzte und Pflegende den ökonomischen Druck im Gesundheitswesen. In einem solidarisch finanzierten Gesundheitssystem müssen die zur Verfügung stehenden Mittel angemessen, effizient und gerecht verwendet werden. Ökonomische Vorgaben dürfen aber die medizinische Versorgung nicht unangemessen beeinflussen. Das Patient- Arzt-Verhältnis und das Patientenwohl sind in Gefahr, wenn sich marktwirtschaftliche Interessen im Sinne einer „Ökonomisierung“ in der Medizin ungebremst weiter durchsetzen. Im Rahmen einer Pressekonferenz zum Berliner Forum der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) e.V. am 11. April 2019 stellen Experten konkrete Maßnahmen vor, die zu einem Ausgleich zwischen qualitätsgesichertem medizinischen Anspruch, Patientenzentrierung und ökonomischen Erfordernissen beitragen sollen.
Wenn betriebswirtschaftliche Anforderungen zum Primat der Entscheidungen für die medizinische Versorgung in Kliniken werden und dadurch die wissenschaftlich begründete, patientenzentrierte Medizin in den Hintergrund tritt, ist das Patientenwohl gefährdet. Um dem entgegenzutreten, fordert die AWMF konkret die Implementierung der partizipativen Entscheidungsfindung, die Teilung von Führungsverantwortung im Krankenhaus zwischen ärztlicher Direktion, Pflegedirektion und kaufmännischer Leitung mit Verhandlungen auf Augenhöhe und eine bedarfsorientierte Planung und Finanzierung von Krankenhäusern mit Vergütung stationärer Leistungen im Rahmen regionaler, sektorenübergreifender Versorgungskonzepte.
„Patienten sind heute nicht mehr passive Empfänger von Gesundheitsleistungen, sondern wollen vielfach selbst aktiv über die für sie richtige Therapie mitentscheiden“, sagt Dr. med. Monika Nothacker, stellvertretende Leiterin des AWMF-Instituts für Medizinisches Wissensmanagement (AWMF-IMWi). Patientenzentrierte Versorgung bedeutet, dass ärztliche und pflegerische Aktivitäten auf die Bedürfnisse des Patienten ausgerichtet sowie gemeinsam geplant und entschieden werden. „Um ein Patient-Arzt-Verhältnis aufzubauen, in dem eine gemeinsame Entscheidungsfindung möglich ist, muss ausreichend Zeit im klinischen Arbeitsalltag vorhanden sein“, betont Nothacker. Zu einer patientenzentrierten Versorgung gehören auch der Einbezug der Angehörigen und verständliche Patienteninformationen auch auf der Basis von Leitlinien. Unverzichtbar ist zudem die interdisziplinäre und interprofessionelle Abstimmung zwischen den Behandelnden, um eine kontinuierliche, gute Versorgung sicherzustellen, insbesondere zwischen den Versorgungssektoren.
Mit einer gemeinsamen Krankenhausführung, in der die ärztliche, pflegerische und kaufmännische Direktion auf Augenhöhe gemeinsam Entscheidungen treffen, sei es möglich, eine gleichzeitig effiziente wie wissenschaftlich fundierte, in Bezug auf den Zugang zur Versorgung gerechte und auch patientenzentrierte Versorgung zu implementieren. Dadurch könnte der ökonomische Druck auf Ärzte und Pflegende sinken. „Zu einem solchen Krankenhausmanagement gehört auch eine Kultur, die von Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern geprägt ist und die deren Arbeitsbedingungen im Blick hat“, betont AWMF-Präsidiumsmitglied Dr. med. Manfred Gogol.
Zusätzlich gelte es, Fehlanreize im DRG-basierten Vergütungssystem zu beseitigen oder zumindest zu reduzieren, um unangemessene Leistungsausweitungen und „Portfolioanpassungen“ zu vermeiden. Außerdem müssten derzeit schlecht vergütete Maßnahmen wie die „Sprechende Medizin“ besser im System der Fallpauschalen berücksichtigt werden.
„Ein weiterer Hebel ist eine Krankenhausplanung, die sich an regionalen, sektorenübergreifenden Versorgungskonzepten orientiert – mit dem Ziel, stationäre Überkapazitäten zu reduzieren“, sagt Professor Dr. med. Rolf Kreienberg, Präsident der AWMF. Er fordert auch eine Unterstützung der Bildung von Zentren. „So würde eine qualitativ hochwertige, flächendeckende Versorgung ermöglicht, und davon profitiert der Patient.“
Quelle: Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF), Birkenstraße 67, 10559 Berlin, www.awmf.org, 11.04.2019
Weitere Artikel zum Thema
01.05.2018 Praxis
Belegarzt neu denken – Ein Diskussionsbeitrag
Meine Motivation als Belegarzt. Mir sind keine Studien zur Motivation der Belegärzte bekannt, somit kann ich nur meine persönliche Motivation heranziehen:
01.05.2018 Politik
Das Belegarztsystem: Der Klassiker der intersektoralen Versorgung
Das Belegarztsystem stellt seit Jahrzehnten den bewährten „Gold-Standard“ der intersektoralen Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Fachärzten und Krankenhäusern dar. Gesetzliche Eingriffe und insbesondere die Abwertung der DRGs für die Belegkrankenhäuser haben zu einer schleichenden Erosion dieses Versorgungsbereiches geführt.
01.05.2018 Politik
Sektorenübergreifende Versorgung – ein Dauerthema der Gesundheitspolitik
Die Überwindung der gerade in Deutschland ausgesprochen undurchlässigen Sektorengrenze zwischen Krankenhäusern und Arztpraxen steht seit mehr als einem Jahrzehnt auf der politischen Agenda. War in früheren Jahren der Gedanke der Effizienzoptimierung führend, so hat sich der Fokus jetzt mehr auf die Sicherung der ärztlichen Versorgung in strukturschwachen Gebieten und auf die Notfallversorgung verlagert.
01.05.2018 Politik
Nachwuchs-Kongress: Klappe, die zwölfte
Zum zwölften Mal veranstalteten der BDC und BDI in diesem Jahr den Nachwuchs-Kongress „Staatsexamen & Karriere“ – das erfolgreiche Kongressformat für Medizinstudierende. Während der beiden Tage wurden Kenntnisse aus dem Studium aufgefrischt und um klinisch-praktische Skills erweitert.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.